Eine Welt für alle - Global Marshall Plan

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Eine Welt für alle - Global Marshall Plan
Publik-Forum
D O S S I E R
Eine Welt für alle
Gerechte Wirtschaft – Kontrolle der Finanzmärkte – Global Marshall Plan
Es gibt Alternativen zur herrschenden Politik
DOSSIER
Eine Welt für alle
Inhalt
III Wenn Kühe mehr Geld bekommen als Menschen
Über die Verantwortung der Eliten in Nord und Süd
und die Erwartungen an Angela Merkel. Fragen an den
südafrikanischen Entwicklungsexperten Kumi Naidoo
IV Die Schatten der Globalisierung
Massenarmut, Klimawandel, Rohstoffkriege:
Die eigentliche Tagesordnung von Angela Merkel,
George Bush und Co.
V Von Goldeseln und Heuschrecken
Wer von Armut spricht, darf über Reichtum nicht
schweigen
VI »Option für die Armen«
Christen für eine gerechte Welt. Fragen an
Birgit Zenker, Vorsitzende der Katholischen
Arbeitnehmer-Bewegung
VII »Globalisierung ist kein Schicksal«
Plädoyers für eine globale Spiritualität: Dalai Lama –
Rabbi Awraham Soetendorp – Prinz El Hassan bin Talal
– Riane Eisler – Reinhard Höppner – Richard Rohr
IX Eine Welt für alle
Faire Verteilung des Reichtums, Regeln für die Multis,
Öko-Wende: Angela Merkel, Geroge Bush und Co.
könnten eine gerechte Politik machen, wenn sie denn
wollten
IX Eine Steuer auf die Spekulation
Kontrolle der Finanzmärkte ist möglich – wenn die
Politik sie will
X »Schranken für das Kapital«
Der drohende Ausverkauf der Welt und eine Vision
für die Zukunft. Fragen an Sabine Leidig,
Geschäftsführerin von Attac
XII »Die Welt braucht eine Vision«
Der Global Marshall Plan für eine humane Welt von
morgen
XIII »Wann, wenn nicht jetzt?«
Der große Plan und die Politik. Fragen an Frithjof
Finkbeiner, internationaler Koordinator der Global
Marshall Plan Initiative
XIV Projekte der Hoffnung
Mikrokredite in der Sahelzone – Schutz für den
Regenwald
XV Das kann ich tun
Eine gerechtere Welt ist ein hohes Ziel. Und doch
können alle dazu beitragen. Vier Wege zum Erfolg
Publik-Forum D O S S I E R
ii
Mai 2007
Liebe Leserin, lieber Leser,
selten zuvor waren die Chancen für eine gerechtere Welt
besser als jetzt. Seit vergangenem Herbst haben mehrere
Klimaberichte selbst größte Skeptiker von der Bedrohung
durch den Klimawandel überzeugt. Kaum jemand bestreitet
mehr, dass die Probleme der globalen Erwärmung und die
weltweite Armut gleichermaßen angegangen werden müssen. Selten zuvor standen die Regierungen der großen Acht
unter einem solchen Druck der Weltöffentlichkeit, endlich
zu handeln, statt immer zu reden.
Und doch herrscht tiefes Misstrauen: Allzu oft kapituliert
die Politik vor mächtigen Interessen. Anders ist es nicht zu
erklären, dass sich der wirtschaftliche Reichtum in den vergangenen Jahrzehnten verdoppelt hat, an den Börsen immer mehr Geld umgesetzt wird – und für 2,6 Milliarden
Menschen dennoch nicht mehr übrig bleibt als zwei Dollar
am Tag. Noch immer warten Millionen Kranke in den Slums
sehnsüchtig auf billige Medikamente, doch den großen Acht
sind die Patente der Pharmaindustrie wichtiger als die
Kranken. Die globale Erwärmung wird von einigen Regierungen durchaus ernstgenommen. Und doch haben die Verantwortlichen oft genug von Klimaschutz gesprochen und
dann doch den Interessen der Energie- und Autoindustrie
nachgegeben.
Wen wundert es da, dass die Menschen kein Vertrauen in
die Politik haben? Doch Misstrauen hilft nicht weiter. Es
geht darum, die Politik zu verändern. Und die Politik wird
sich bewegen, wenn sich mehr Menschen bewegen.
Dazu will das vorliegende Dossier ermutigen. Gemeinsam
legen die Global Marshall Plan Initiative, Attac, die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung und Publik-Forum eine
Fülle an Vorschlägen vor, die die Welt menschlicher machen
können – wenn der politische Wille dazu vorhanden ist. Machen Sie deshalb die Veränderung der Politik zu Ihrer Sache, engagieren Sie sich, verbreiten Sie die Ideen aus diesem Dossier – und sorgen Sie dafür, dass die Politik sich bewegt, für eine gerechtere Welt.
In diesem Sinne wünsche ich uns allen viel Erfolg!
Ihr Wolfgang Kessler,
Chefredakteur von Publik-Forum
P.S.: Weitere Informationen unter
www.publik-forum.de/globalisierung
Eine Welt für alle
DOSSIER
Wenn Kühe mehr Geld
bekommen als Menschen
Über die Verantwortung der Eliten in Nord und Süd und die Erwartungen an Angela Merkel.
Fragen an den südafrikanischen Entwicklungsexperten Kumi Naidoo
Von Wolfgang Kessler
Publik-Forum: Was erwarten Sie von der deutschen Kanzlerin Angela Merkel?
Naidoo: Dass sie die goldene Gelegenheit
wahrnimmt, um George Bush vom notwendigen Kampf gegen die globale Ungerechtigkeit zu überzeugen. Wenn die reichen
Länder dabei scheitern, dann betrügen sie
nicht nur die Armen der Welt, sondern verletzen auch die Werte, die sie selbst predigen und für die sie angeblich einstehen.
Publik-Forum: Sind die politischen Eliten in
den Industrieländern wirklich für die Armut
in Afrika und anderswo verantwortlich?
Naidoo: Wenn Solidarität überhaupt etwas
bedeutet, dann dass alle Verantwortung
übernehmen müssen, die ein System tragen.
FOTO: MINISTRY FOR FOREIGN AFFAIRS OF FINLAN
Kumi Naidoo
kämpfte einst an der Seite von
Nelson Mandela gegen das
Apartheidsystem in Südafrika.
Heute ist er Generalsekretär
des renommierten Netzwerks
von Bürgerbewegungen Civicus mit Sitz in Johannesburg
und Washington D. C.
FOTO: PA/DPA
Publik-Forum: Herr Naidoo, was fühlt ein Afrikaner, wenn sich die Regierungschefs der reichen Industrienationen treffen?
Kumi Naidoo: Die meisten Afrikaner wissen
gar nicht, dass es diese Gipfeltreffen gibt.
Sie finden an so abgelegenen Orten statt,
dass dies die Beteiligung der Bürger fast
ausschließt – ob diese aus dem Norden oder
aus dem Süden kommen. Irgendwann hören wir dann Versprechungen, die nie eingehalten werden. Unsere Realität unterscheidet sich vollkommen von der Realität,
mit der sich die Regierungschefs der Industrieländer befassen. Inzwischen haben
wir fast jedes Vertrauen in die politische
Führung der Industriestaaten verloren.
Gut finden wir allerdings die Aktionen der
Bürger im Norden, die nicht aus Mitleid mit
uns argumentieren, sondern wirklich Gerechtigkeit fordern.
Gleichzeitig tragen aber diejenigen die
größte Verantwortung, die die meiste Macht
haben. Das sind die Eliten in den Industrienationen. Sie müssen sich die Frage stellen,
ob sie den Bedürfnissen der Armen wirklich
Priorität einräumen. Dass sie das tun, glauben wir Afrikaner nicht. Wie könnten wir
dies auch glauben, wo die Europäische Union
jede Kuh mit zwei Euro pro Tag subventioniert und gleichzeitig rund drei Milliarden
Menschen von weniger als zwei Euro am Tag
leben. Es ist klar, dass afrikanische Landwirte mit so hochsubventionierten Produkten
nicht konkurrieren können – weder in Europa noch in Afrika. Dabei profitiert die Mehrzahl der Landwirte in Europa nicht einmal.
Der größte Teil der Subventionen geht an eine kleine Gruppe großer Unternehmen.
Publik-Forum: Sind die Eliten des Südens Teil
des Problems oder Teil der Lösung?
Naidoo: Leider sind sie oft Teil des Problems.
Es ist einfach nicht akzeptabel, dass sich
die Eliten des Südens so verhalten wie jene
des Norden und materiell auf dem gleichen
Standard leben wie jene, während ihre Bürger zum größten Teil in Armut leben.
Publik-Forum: Was bedeutet dies für Nichtregierungsorganisationen des Südens?
Naidoo: Wir müssen unsere Regierungen
dazu zwingen, Rechenschaft abzulegen
und transparent zu arbeiten. Nur dann
kommen Schuldenerlasse und Hilfsgelder
wirklich den Armen zugute.
Wie steht es mit Korruption?
Damit befassen wir uns intensiv. Es
gibt Fälle, in denen Gelder in falsche Kanäle geflossen sind. Wir haben aber auch Beweise dafür, dass dies nicht in erster Linie
staatliche Behörden betrifft. Korruption ist
oft weit verbreitet bei der Förderung von
Öl, Gold und Diamanten. Dies wäre allerdings nicht möglich, würde sie nicht von
den Zentralen der Konzerne in den reichen
Ländern zumindest geduldet und von den
Regierungen der Reichen ignoriert.
Publik-Forum:
Naidoo:
Publik-Forum: Auf den Finanzmärkten wird
kräftig spekuliert, auch mit Währungen. Wie
stark sind die ärmsten Länder von solchen
Entwicklungen betroffen?
Naidoo: Die armen Länder können schlicht
nicht mehr wirtschaftlich planen, wenn
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D O S S I E R Publik-Forum
DOSSIER
Eine Welt für alle
sich ständig Rahmenbedingungen wie
Währungen verändern. Wer bezahlt das Öl,
wenn der Dollar plötzlich steigt? Wir sind
von Entwicklungen abhängig, die wir nicht
beeinflussen können.
Publik-Forum: Ist der freie Welthandel ein Vorteil für die armen Länder oder ein Nachteil?
Naidoo: Niemand wird durch den freien
Handel frei, solange die Macht ungleich
verteilt ist. Im Zweifel schützen die Industrieländer ihre Märkte, um ihre Dominanz
zu wahren. Noch immer gibt die Europäische Union mehr Geld für Agrarsubventionen aus als für Entwicklungshilfe.
Das größte Problem liegt darin, dass diejenigen, die freien Handel predigen, gegen
ihr eigenes Prinzip verstoßen, wenn es für
sie oder ihre Wirtschaft gefährlich wird.
Den armen Ländern soll genau das verboten werden.
Publik-Forum: Was könnte die weltweite Armut
verringern?
Naidoo: Wir brauchen einen Welthandel, in
dem die Menschen mehr zählen als der Profit. Es ist einfach unfair, den armen Ländern
die Werkzeuge zu nehmen, die sie brauchen,
um ihre Volkswirtschaften zu entwickeln.
Sie müssen ihre Märkte schützen, wie dies
die reichen Länder früher auch getan haben, um ihre eigene Märkte zu schaffen.
Publik-Forum: Gerade die afrikanischen Länder sind eigentlich sehr reiche Länder. Was
muss geschehen, dass die Menschen vor Ort
von diesem Reichtum profitieren?
Naidoo: Wir sagen, dass Afrika den größten
Reichtum unter der Erde aufweist, aber die
größte Armut über der Erde. Wenn der
Reichtum unter der Erde die Armut über
der Erde verringern soll, dann brauchen
wir Regierungen, die verantwortungsvoll
und transparent arbeiten. Und wir müssen
dafür sorgen, dass endlich die Menschenrechte respektiert und Demokratie und die
Gleichberechtigung der Geschlechter
durchgesetzt werden. Die Entwicklung
Afrikas läuft nicht ohne die Frauen.
Publik-Forum: Was erhoffen Sie sich von den
reichen Ländern in den kommenden Jahren?
Naidoo: Sie sollen nicht akzeptieren, dass alle drei Sekunden ein Kind stirbt und ein
Programm zur Bekämpfung der Armut auflegen. In diesem Jahr feiern wir den 60. Jahrestag des Marshallplans, der in kurzer Zeit
zum Wiederaufbau Europas beitrug. Was
wir heute brauchen, ist ein Marshallplan
zur Bekämpfung der Armut. Er muss die
Welt in ein neues Gleichgewicht bringen,
indem die Rahmenbedingungen für die armen Länder durchgreifend verbessert
■
werden.
Die Schatten der Globalisierung
Massenarmut, Klimawandel, Rohstoffkriege: Die Themen, die eigentlich auf der Tagesordnung
von Angela Merkel, George W. Bush und Co. stehen müssten
Von Wolfgang Kessler
Die soziale Zerrüttung der Welt
Die Globalisierung der Wirtschaft hat die
Welt grundlegend verändert: Der Reichtum
ist enorm gewachsen, doch gerechter ist die
Welt nicht geworden. Zwar gibt es auch gute Nachrichten: In vielen Ländern ist die
Säuglingssterblichkeit zurückgegangen, es
gibt weniger Analphabeten. In einigen Staaten Asiens und Lateinamerikas hat sich ein –
gemessen an der Einwohnerzahl – kleiner
Mittelstand gebildet: rund 300 Millionen
Chinesen und Inder zählen dazu.
Diese guten Nachrichten werden allerdings überschattet von einer immer größeren Kluft zwischen Arm und Reich – und von
einer zunehmenden Zerrüttung ganzer Gesellschaften. Beides gilt auch für die Industriestaaten, insbesondere für die USA und
für Großbritannien. Aber auch in Deutschland sind die Einkommen gesunken. Der
Reichtum konzentriert sich auf weniger
Köpfe, während immer mehr Menschen unter prekären Bedingungen arbeiten müssen,
wenn sie überhaupt Arbeit haben.
Dabei erscheint diese Entwicklung fast
harmlos gegenüber der globalen KatastroPublik-Forum D O S S I E R
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Mai 2007
phe der Armut. Nach Angaben der Vereinten Nationen haben eine Milliarde Menschen keinen ausreichenden Zugang zu
sauberem Wasser, Schulen oder Arbeitsplätzen. Rund 2,6 Milliarden Menschen leben von weniger als zwei Dollar pro Tag. In
35 Ländern teilt die Hälfte der Bevölkerung dieses Schicksal, in Mali, Niger und
Sambia sogar über 90 Prozent. Da der
wirtschaftliche Reichtum gleichzeitig rasant gewachsen ist, zeigt die Tragödie der
Armut, wie ungleich der globale Wohlstand inzwischen verteilt ist: Waren die
Einkommen im reichsten Fünftel der Erde
1990 schon 60 Mal so hoch wie jene im
ärmsten Fünftel der Erde, so sind sie heute 90 Mal so hoch.
Diese globale soziale Zerrüttung ist kein
Naturereignis – sie ist auch politisch verschuldet: durch das ständige Zurückdrängen des Staates und durch die Weigerung
der Politik, die globale Armut großflächig zu
bekämpfen. Weltweit hat sich eine Wirtschaftspolitik durchgesetzt, die Steuern und
Sozialabgaben senkt, Zölle und Kontrollen
abschafft und Schutzregeln abbaut, damit
sich die Wirtschaft möglichst ungehindert
entfalten kann. Dies setzt die Menschen der
wirtschaftlichen Konkurrenz immer unge-
schützter aus: Der Stärkere siegt, die Schwächeren bleiben auf der Strecke. Gleichzeitig
hat der Staat zu wenig Geld, um die soziale
Gerechtigkeit durch Investitionen in neue
Arbeitsplätze, soziale Dienste und Bildung
abzusichern. Der Reichtum nimmt zu – und
die Ungerechtigkeit auch.
Mindestens so groß sind die Versäumnisse bei der Bekämpfung von Armut. Während für Waffen jedes Jahr weltweit mehr
als 1000 Milliarden US-Dollar ausgegeben
werden, fuhren die Industrieländer ihre
Entwicklungshilfe im vergangenen Jahr um
fünf Prozent auf 108 Milliarden Dollar zurück – nur Deutschland hat sie leicht gesteigert. Von den großen Ideen, die auf den
Gipfelkonferenzen der vergangenen Jahre
diskutiert und manchmal beschlossen wurden, ist nicht viel geblieben: Der 1999 initiierte Schuldenerlass für die ärmsten Länder beschränkt sich auf 50 bis 80 Milliarden
Dollar – bei Gesamtschulden von 2500 Milliarden. Eine Abgabe auf Flugtickets, um
mehr Entwicklungshilfe zu finanzieren,
wurde nur von Frankreich beschlossen.
Und von dem großen Ziel der UNO, wonach
jedes Industrieland 0,7 Prozent seines
Bruttoinlandsproduktes in die Entwicklungshilfe investiert, sind die meisten In-
DOSSIER
FOTO: PA/DPA/RUIZ
Eine Welt für alle
dustrieländer weiter entfernt denn je – ihr
Anteil ist derzeit gerade halb so hoch. Die
führenden Politiker und Politikerinnen der
großen acht Industrieländer mögen glauben, dass sie die Welt regieren. In Wirklichkeit sorgen sie dafür, dass der Markt regiert
– und jene, die ihn beherrschen.
Partnerschaft oder Betrug?
Es ist ein alter Traum: Wenn der freie Weltmarkt nicht durch Einfuhrschranken wie
Zölle beschränkt wird, kann jedes Land
seine Stärken ausspielen und profitiert von
einem wachsenden Austausch. Realistisch
ist dieser Traum nur unter wirtschaftlich
vergleichbaren Staaten. Profitieren können auch Länder mit aufstrebender Industrie wie China oder Indien, wobei die Exportgewinne jedoch oft nur einer dünnen
Bevölkerungsschicht nützen.
Katastrophale Folgen hat der Freihandel
dagegen für arme Staaten. »Aus allen Regionen der Welt berichten uns unsere Projektpartner über die verheerenden Auswirkungen von Freihandelsabkommen«, sagte
unlängst Josef Sayer, Geschäftsführer des
katholischen Hilfswerkes Misereor. Vor allem die Öffnung des eigenen Marktes für
Importe hat dramatische Folgen für Ent-
wicklungsländer: Billige europäische Überschusslebensmittel oder US-amerikanische Baumwolle – beide hoch subventioniert – verdrängen die lokalen Produzenten; Kleinbauern verlieren ihre Existenzgrundlage, ziehen in die Städte und vergrößern dort die Elendsviertel. Ähnliche Folgen hat der Versuch der Entwicklungsländer, ihre Exportproduktion anzukurbeln:
Dann verdrängt die Produktion von Biosprit, Palmöl oder Ananas die lokale Landwirtschaft oder zerstört die Natur.
Trotz dieser Folgen plant die Europäische
Union bis Ende diesen Jahres sogenannte
Partnerschaftsabkommen mit 79 assoziierten Afrika-Karibik-Pazifik-Staaten (AKPStaaten). Diese Abkommen garantieren
den Exporteuren aus diesen Staaten den
freien Zugang zum europäischen Markt –
allerdings unter der Bedingung, dass sie
auch ihre Märkte gegenüber Exporteuren
aus der Europäischen Union öffnen.
Die Gefahr liegt in Importen aus Europa,
die billig angeboten werden, weil die EULandwirte hohe Subventionen erhalten.
Mehrere Studien warnen vor den Folgen
für den Süden: Einnahmeverluste durch
den Wegfall von Importzöllen; noch mehr
Armut, wenn einheimische Produzenten
ihre Existenz verlieren, und einen Verfall
der Währungen, wenn der Außenhandel
ein wachsendes Defizit aufweist.
Obwohl fast alle Entwicklungsorganisationen diese Partnerschaftsabkommen kritisieren, will die Europäische Union daran
festhalten. Und nicht nur dies: Entwicklungsländern, die die Unterschrift verweigern, will die EU eventuell Entwicklungshilfe streichen. Der freie Welthandel erweist sich als Instrument der Reichen, eine
geplante Partnerschaft als Betrug.
Die Enteignung der Ohnmächtigen
Im Zuge der wachsenden weltwirtschaftlichen Verflechtung hat die Macht der transnationalen Konzerne erheblich zugenommen. Sie überspringen nationale Grenzen in
kurzer Zeit, während die Politik an nationalen Grenzen endet. Wo die Politik globale
Vereinbarungen trifft – wie bei der Öffnung
der Märkte oder für den Schutz geistigen Eigentums – verstärken diese oft die Macht der
Global Player. Bei der Eroberung neuer
Märkte dringen die Global Player immer
stärker in Bereiche vor, die für die Armen
besonders bedeutsam sind. Viele Länder
wurden durch Kreditvereinbarungen mit
dem Internationalem Währungsfonds oder
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D O S S I E R Publik-Forum
Eine Welt für alle
mit der Weltbank gezwungen, ihre Wassermärkte ausländischen Unternehmen zu öffnen – mit oft unsozialen Folgen: Die Wasserpreise stiegen, sodass sich die Armen ihr
Wasser kaum mehr leisten können. Nun
hoffen die Global Player auf die Öffnung anderer Märkte im Süden: darunter auch Bildung und Gesundheit. Ihre Öffnung hätte
ebenfalls Folgen für die Ärmsten, weil Schulen und Ärzte dann viel Geld kosten.
Schon heute hat der Schutz des geistigen
Eigentums, der den Industrieländern stark
am Herzen liegt, schwerwiegende Folgen.
Die Industrieländer wollen ihre technologischen Entwicklungen vor Markenpiraten
aus der Dritten Welt schützen. Völlig ignoriert werden dabei die Folgen des internationalen Schutzes von geistigem Eigentum
für die Entwicklungsländer: Die Preise von
Markenmedikamenten sind – wie im Falle
der Aids-Mittel 3TC und GlaxoSmithKline
nachgewiesen – zehnmal so teuer wie
nachgemachte Medikamente, sodass sich
viele eine Aids-Behandlung nicht mehr
leisten können. Rechte an geistigem Eigentum auf Saatgut verbieten den Bauern die
kostenlose Wiederaussaat – sie müssen Lizenzgebühren bezahlen. Da immer mehr
Schätze der Natur von Unternehmen patentiert werden, kommt dies einer Enteignung der Menschen im Süden gleich. Wollen sie die Patente nutzen, dann werden
hohe Lizenzgebühren fällig. Im Jahre 2005
kassierten Unternehmen aus den sechs
größten Industriestaaten Einnahmen aus
Lizenzgebühren in Höhe von 41 Milliarden
US-Dollar. Die Patentierung von Naturschätzen im Süden und ihr anschließender
Schutz als geistiges Eigentum lohnt sich –
für die Industrieländer und ihre Konzerne.
Wie bei den Himba in
Namibia läuft es fast
überall in Afrika:
Produkte aus den
Industrieländern
überrollen die Märkte –
und verdrängen
einheimische Anbieter
FOTO: PA/HB VERLAG/EMMLER
DOSSIER
Heiße Kriege im Treibhaus
Die Erwärmung des Klimas ist eine Folge
des energieintensiven Wirtschafts- und
Lebensstils, der durch die Globalisierung in
alle Ecken der Erde verbreitet wird. Die reichen Industrieländer haben diesen Wirtschafts- und Lebensstil zur Perfektion entwickelt und dabei immer größere Mengen
an Treibhausgasen produziert. Diese konservieren mehr Sonnenwärme auf der Erde
Von Goldeseln und Heuschrecken
Wer von Armut spricht, darf über Reichtum nicht schweigen
Von Peter Wahl
U
rsprünglich hatten die Finanzmärkte eine Service-Funktion für
Produktion und Handel, also für
die Realwirtschaft. Es ging darum, den Unternehmen Kredite bereitzustellen und
den Zahlungsverkehr zu organisieren. Mit
Ende der festen Wechselkurse und durch
die Liberalisierung und Deregulierung der
Finanzmärkte nach 1973 setzte ein historischer Umbruchprozess ein. Die Finanzmärkte wurden zum ersten wirklich globaPublik-Forum D O S S I E R
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Mai 2007
len Markt. Sie lösten sich von der Realwirtschaft und dominieren seither die Globalisierung.
Völlig neue Profitquellen wurden erschlossen. Globale Spekulation mit Devisen, Wertpapieren und Zinsdifferenzen
wurde zum wahren Goldesel. Während die
Reallöhne fast überall sanken, die Armut
in die Industrieländer zurückkehrte und
die Nord-Süd-Kluft sich öffnete, vermehrte sich Kapitalvermögen in atemberaubendem Tempo. Weltweit hat sich das Kapital von Millionären in zehn Jahren ver-
und heizen das Klima auf. Bereits heute
deuten sich dramatische Folgen an: Die
Gletscher in vielen Weltregionen schmelzen
ab, im Himalaja und in den Anden droht
Trinkwassermangel, die Meere erwärmen
sich und sorgen für heftigere Wirbelstürme,
die Meeresspiegel steigen, 43 Inselstaaten
drohen zu versinken und bevölkerungsreiche Küstenregionen zu überfluten. Hungersnöte, Flüchtlingsströme, Überschwemmungen und Dürrekatastrophen werden
doppelt: von 16 Billionen Dollar auf 32.
Zum Vergleich: Das globale Bruttoinlandsprodukt liegt bei 40 Billionen. Wer von Armut redet, kann über Reichtum nicht
schweigen.
Gleichzeitig haben die frei schwankenden Wechselkurse die Instabilität des Finanzsystems drastisch erhöht. Darunter
leiden besonders die Entwicklungsländer,
die ein stabiles wirtschaftliches Umfeld
brauchen.
Wechselkursschwankungen
des Dollars und US-Zinserhöhungen haben die Schuldenkrise 1984 ausgelöst. Die
Zahl und die Häufigkeit von Finanzkrisen
haben zugenommen. Die Gefahr von Kettenreaktionen bei Krisen ist gewachsen.
Ein Crash hat dramatische soziale Folgen,
vor allem für die sozial verwundbaren
Schichten.
Eine Welt für alle
Im Zentrum des neuen Systems steht der
Shareholder – Besitzer von Aktien oder
Wertpapieren. Anders als früher interessiert den Shareholder nicht mehr die Dividende, sondern er möchte seine Papiere so
schnell wie möglich mit Maximalprofit wieder verkaufen, um dann das Spiel von vorne zu beginnen. Ein globales Kasino.
Besonders wirkungsvoll sind die Interessen der Shareholder in Form institutioneller Investoren. Die Speerspitze dieser Investoren sind Private Equity und Hedgefonds – die sogenannten Heuschrecken. Die
interessiert nur noch eines: Maximalprofit.
Innovation, Wettbewerbsfähigkeit, Arbeitsplätze, Soziales sind sekundär. Wie sagte
doch Vizekanzler Franz Müntefering: »Kapitalismus ist keine Sache fürs Museum,
■
sondern brandaktuell.«
»Option für die Armen«
Christen für eine gerechte Welt. Fragen an Birgit Zenker, die
Bundesvorsitzende der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung
Publik-Forum: Regierungschefs wie George Bush oder
auch Chefinnen wie Angela
Merkel sind bekennende
Christen. Was verbindet Sie
als Christin und Vorsitzende eines christlichen Verbandes mit ihnen?
Birgit Zenker: Sicherlich verbindet der Auftrag Gottes,
diese Welt gerechter zu gestalten und Verantwortung
zu übernehmen. Doch anders als die Politik, die
häufig – und ich denke da besonders an
den amerikanischen Präsidenten Bush
und den Irak-Krieg – Gott und Glaube für
ihre Interessen instrumentalisiert, sehe
ich meine Aufgabe darin, in der Option
für die Armen jenen zu helfen und Stimme zu geben, die benachteiligt werden.
Worin sehen Sie derzeit die
größten Gefahren für die Weltwirtschaft?
Zenker: Bereits vor vierzig Jahren wurde in
der Enzyklika Populorum Progressio
eindeutig und unmissverständlich beschrieben, dass die ungleiche Verteilung
der Güter dieser Welt Ursache für Hunger und Elend ist. Die Politik und die Entwicklung der globalen Wirtschaft der
letzten Jahrzehnte hat die Spaltung verschärft. Gewinnmaximierung ist wichtiger geworden als der Mensch. Vor zwanzig Jahren hat bei uns keiner von Hungerlöhnen gesprochen. Heute können
viele in Deutschland genauso wenig von
ihrer täglichen Arbeit leben wie viele
Menschen in Asien oder Afrika.
Publik-Forum:
FOTO: KAB
vorhergesagt – und dies vor allem in Regionen, die wenig zum Treibhauseffekt beitragen. Und das Klima wird noch wärmer:
Denn Chinesen, Inder und alle anderen
Völker auf der Erde streben nach dem gleichen Wohlstand wie die reichen Industrienationen, wozu sie so lange ein Recht haben, wie sich die Industriestaaten dieses
Recht nehmen.
Der Aufbruch von China, Indien, Indonesien, Brasilien und anderen Schwellenländern zum Wirtschafts- und Lebensstil des
Nordens stellt die Welt vor beispiellose Herausforderungen: Er wird das Klima weiter
anheizen und die Vorräte an endlichen
Ressourcen aufzehren. Der Kampf um die
Rohstoffreserven hat bereits begonnen. Bei
jedem Krieg am Golf, im Irak oder in Afghanistan spielt das Öl eine beherrschende
Rolle, viele Konflikte in anderen Ländern
drehen sich um das schwarze Gold. In
Schwarzafrika heizt der Kampf um Coltran
für die Handys der Welt Bürgerkriege an.
Und das ist erst der Anfang. Wenn die Rohstoffe wirklich knapper und immer teurer
werden, dann drohen Ressourcenkriege
und breite soziale Konflikte in vielen Ländern, in denen sich nur noch eine reiche
Oberschicht
einen
energieintensiven
Wohlstand leisten kann.
Niemand mag sich diese düsteren Perspektiven derzeit ausmalen. Zu verhindern
sind sie jedoch nur, wenn die Regierungen
aller Länder eine offensive Politik zum
Schutz des Klimas betreiben und einen global umweltverträglichen Wirtschafts- und
Lebensstil entwickeln. Die Regierungen
der acht großen Industrieländer haben
über so weitreichende Ziele bisher noch
■
nicht einmal diskutiert.
DOSSIER
nehmen und Dorfentwicklungsprojekte
initiieren
oder – wie aktuell – die ReIntegration von ehemaligen Kindersoldaten in den
Dörfern Nord-Ugandas organisieren.
Umgekehrt
setzten sich KAB-Gruppen
für den Verkauf von fair gehandelten Produkten ein,
um diesen Entwicklungsprojekten Zukunftschancen zu ermöglichen.
Publik-Forum: Wo
sehen Sie Erfolge?
Unsere Arbeit hat Mitglieder des
Catholic Worker Movement in Uganda in
die Lage versetzt, politische Verantwortung in den Parlamenten zu übernehmen, um die sozialen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in dem afrikanischen Land zu verbessern. Auch
wenn das von der dortigen Regierung
nicht immer gern gesehen wird.
Zenker:
Publik-Forum: Haben christliche Bewegungen besonders gute Voraussetzungen für
globale Solidarität, weil es in vielen Ländern christliche Bewegungen gibt?
Zenker: Eindeutig ja, Bewegungen werden
durch die Beziehungen der Menschen
mit Leben gefüllt. Dabei spielen der gemeinsame Wille und der Auftrag Gottes
eine entscheidende und verbindende
Rolle. Die KAB hat sich immer als internationale Bewegung verstanden und unser partnerschaftlicher Ansatz der Entwicklungsarbeit führt zu Solidarität.
Was sollten und könnten die
Kirchen als Global Player tun?
Zenker: Sie sollten ihren Einfluss auf Politik und Gesellschaft noch stärker nutzen,
um Unrecht, Unterdrückung und Ausbeutung kompromissloser anzuprangern. Gleichzeitig darf die Kirche nicht
Zuschauer sein, sondern sollte mit ihren
Möglichkeiten zum besagten Mitspieler
auf dieser einen Welt werden.
Publik-Forum:
Publik-Forum: Wie engagiert sich die Katho-
lische Arbeitnehmer-Bewegung für eine
gerechtere Welt?
Zenker: Die KAB Deutschland baut als Teil
der Weltbewegung christlicher Arbeitnehmerinnen mit Partnerschaftsprojekten in Lateinamerika, Asien und Afrika zivilgesellschaftliche Strukturen auf. So wie
beispielsweise den Aufbau von Arbeitnehmergruppen in Uganda, die wiederum
die Entwicklung ihres Landes in die Hand
■ Interview: Wolfgang Kessler
Kontakt: www.kab.de, Tel. 0221/77220
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Eine Welt für alle
■ Christoph Quarch
Die Macht der Würde. Globalisierung neu
denken. Hg. im Auftrag des Deutschen Ev.
Kirchentags, Gütersloher Verlagshaus,
208 Seiten, 5,- Euro. Das Buch ist im
Publik-Forum Shop erhältlich: Bestell-Nr.
7563, www.publik-forum.de/shop
Die Welt braucht die
Es ist bemerkenswert, dass laut den letzten
Worten des biblischen Buches der Propheten die vollständige Zerstörung der Erde
und all ihrer Bewohner nur abgewendet
werden kann, wenn die Harmonie zwischen den Generationen wieder hergestellt
wird. Der Schlüssel zur Erlösung ist der lebendige Dialog innerhalb all unserer spirituellen Traditionen zwischen den Alten, die
keine karge Wüste hinterlassen möchten,
und den Jungen, die in Hoffnung und nicht
in Mutlosigkeit leben und sich entwickeln
möchten.
Rabbi Awraham Soetendorp ist Mitglied der
Erd-Charta-Kommission.
»Unser Menschsein
ist der
Ausgangspunkt, um
mit verschiedenen
Auffassungen von
Wahrheit zu leben«
In dieser globalen Welt, in der das Handeln
der Einen Auswirkungen auf die Anderen
hat, ist die Entwicklung einer internationalen Ethik der menschlichen Solidarität von
entscheidender Bedeutung. (...) Jeder und
jede Einzelne ist nicht mehr, aber auch
nicht weniger als ein menschliches Wesen.
Indem wir unser gemeinsames Menschsein
betonen, leugnen wir nicht die Bedeutung
von Glaubensfragen oder werten diese ab.
Es geht stattdessen darum anzuerkennen,
dass es nicht die Definition der Wahrheit
gibt, die allgemein anerkannt wird. Unser
gemeinsames Menschsein muss den Ausgangspunkt bilden, von dem aus wir lernen
mit verschiedenen Auffassungen von
Wahrheit zu leben.
SKH Prinz El Hassan bin Talal ist Präsident
des Club of Rome und war Moderator der Weltkonferenz der Religionen für den Frieden (WCRP).
Publik-Forum D O S S I E R
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Mai 2007
FOTO: PA/DPA
»Der Schlüssel zur
Erlösung ist der
lebendige Dialog
zwischen den Alten
und den Jungen«
FOTO: AP/MAYO
G
ibt es auf Erden ein Maß? Die
Frage, die Friedrich Hölderlin
vor knapp 200 Jahren aufwarf,
ist heute dringlicher denn je. Die
drohende Klimakatastrophe, das
tägliche Desaster von Armut und
Hunger, die allgegenwärtigen Gräuel
von Gewalt und Unterdrückung – dies
alles lässt nur eine Antwort auf
Hölderlins Frage zu: Nein. Es gibt kein
Maß — die Menschheit ist vermessen
und ihre Wirtschaft ist maßlos. In
einer Krise solchen Ausmaßes wird es
entscheidend darauf ankommen, das
Denken und Fühlen, das Bewusstsein
und die Wahrnehmung der Menschen
dieser Erde so zu entwickeln, dass der
Geist mit den rasanten Veränderungen
auf den Feldern der Kommunikation,
der Wirtschaft, der Technologie
mithalten kann.
Eine besondere Rolle fällt dabei
den Religionen zu. Die Erde braucht
ihre Weisheit, um die Globalisierung
zu mäßigen und der Politik
maßgebliche Normen an die Hand zu
geben. Die Welt braucht eine globale
Spiritualität, die sich den Menschen
in Solidarität und Liebe zuwendet
und der Würde des Menschen
Geltung verleiht, gerade weil sie den
Menschen von Gott her versteht.
Globale Spiritualität ist keine
Super-Religion hinter oder neben den
Religionen. Sie kann nur gedeihen im
Gespräch der Religionen – in einem
Dialog, der den Mut aufbringt, in die
Tiefe des eigenen Glaubens zu fragen
und sich dabei vom je Anderen zu
neuen Entdeckungen inspirieren zu
lassen. Dieser Dialog findet bereits
statt. Wir haben einige Stimmen aus
ihm zusammengestellt. Sie sind
dem Buch »Die Macht der Würde«
entnommen, das aus Anlass des
30. Deutschen Evangelischen
Kirchentags erschienen ist.
FOTO: PA/DPA/FÖRSTER
DOSSIER
»Jeder Mensch
profitiert davon,
wenn wir das Wohl
der anderen über
unser eigenes
stellen«
Gerechtigkeit und Gleichheit sind spezifisch menschliche Prinzipien. Wir sollten
diese Prinzipien nicht unserem Streben
nach Macht oder materiellem Reichtum
opfern. Stattdessen sollten wir sie dafür
einsetzen, die Interessen und Anliegen anderer zu unterstützen. (...) Jeder Mensch
profitiert davon, wenn wir das Wohl der anderen über unser eigenes stellen. Ich bin
davon überzeugt, dass ein beharrliches Bemühen in diese Richtung Frieden und Stabilität in unsere Gesellschaft bringt. Da andere Menschen des Glücklichseins ebenso
bedürfen wie wir, sollten wir sie nicht für
unsere egoistischen Zwecke missbrauchen. Ungeachtet des materiellen Gewinns,
den wir daraus ziehen: Wenn wir, die wir
diesen Planeten von der Geburt bis zum
Tod teilen müssen, unseren Respekt, unsere Liebe und unsere Empathie für einander
verlieren, wird unser Leben sinnlos.
Der XIV. Dalai Lama ist die höchste weltliche
und religiöse Autorität Tibets und Träger des
Friedensnobelpreises.
Eine Welt für alle
DOSSIER
»Indem wir unser
Denken verändern,
können wir die
Grundlagen für eine
friedlichere Welt
schaffen«
Wir leben in einer Zeit, in der die Mischung
aus Hochtechnologie und patriarchalem
Herrschaftsmodell uns möglicherweise in
eine Sackgasse führt. Hochtechnologie im
Dienst von Eroberung und Herrschaft – ob
über Menschen oder die Natur – ist weder
sozial- noch umweltverträglich. Wir brauchen eine weltweite Bewegung weg von der
Herrschaft hin zur Partnerschaft. Geistliche Führungspersönlichkeiten und fortschrittlich denkende Religionsgemeinschaften spielen in dieser kulturellen Umgestaltung eine bedeutende Rolle. Indem
wir unser Denken verändern, können wir
die Grundlagen für eine fröhlichere, friedlichere Welt schaffen, die von Partnerschaft
gekennzeichnet ist, und in der die Würde
und Schönheit der Menschen und der Natur wirkliche Wertschätzung erfährt.
Riane Eisler ist als Sozialwissenschaftlerin
und Zukunftsforscherin Mitglied des Weltzukunftsrates.
»Die Welt braucht ein
Volk der Gerechtigkeit und Liebe – das
für die bedingungslose Menschenwürde
eintritt«
»Unsere Zeit ist reif
für die volle
Wahrnehmung der
Würde eines jeden
Menschen«
Die Welt braucht ein Volk der Gerechtigkeit
und Liebe, ein Volk, das sich aus den Anhängerinnen und Anhängern aller Religionen aber auch der Religionslosen zusammensetzt; aus allen, die die Macht und die
Bedeutung der bedingungslosen Menschenwürde bestärken. Dieses Volk der Gerechtigkeit und Liebe scheint die einzige
Gemeinschaft zu sein, in der die dringlichen Fragen nach Land, Frieden, Handel,
Verschuldung, Entwicklungshilfe, Gesundheit, Bildung und Entwicklung so verhandelbar werden, dass sich dabei Enteignung,
Abschlachtung, Hunger, Krankheit und
Verzweiflung nicht endlos wiederholen.
(...) Wir brauchen eine Strategie, die das
Volk der Gerechtigkeit und Liebe über die
Grenzen des Nationalstaates oder einer bestimmten Religion oder Ideologie hinaus
mobilisiert – was sicher eine ökumenische
Aufgabe ist, eine Aufgabe für das große
Volk, das wir über unsere individuellen
Völker hinaus repräsentieren.
Kathy Galloway ist die spirituelle Leiterin
Das dualistische Denken teilt die Welt in
Würdige und Unwürdige auf. Jene, die im
Geiste Jesu denken, werden dies ganz anders sehen. Er sagt: »Gott lässt seine Sonne
aufgehen über die Bösen und die Guten
und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte«. Wahre christliche Heiligkeit und
menschliche Ganzheit bringt genau diese
Freiheit mit sich, eine Würde zu sehen, in
sich zu tragen und zu ehren, die dem Menschen innewohnt, die unverdient und universal ist. In diesem Sinne haben das Christentum und unsere Kultur noch nicht viel
begriffen, denn ihr Sehen richtet sich beinahe ausschließlich nach äußerlichen, erarbeiteten und ausgrenzenden Werten. Unsere Zeit ist reif und braucht dringend die
volle Wahrnehmung, wenn die Menschheit
und wenn unser Planet überleben sollen.
Richard Rohr ist US-amerikanischer Franziskanerpater, Prediger und Autor spiritueller Bücher.
der Iona Community in Schottland.
»Globalisierung ist
kein unabwendbares
Schicksal, sondern
eine Gestaltungsaufgabe«
FOTO: EPD/SCHIEFER
FOTO: COLLOPY
Weisheit der Religionen
Globalisierung ist kein unabwendbares
Schicksal, sondern eine Gestaltungsaufgabe. Gestaltungskraft ist also gefragt, nicht
nur bei »denen da oben«, sondern auch von
unten, politische Gestaltungskraft, denn es
geht um das Zusammenleben auf unserem
Globus, eine politische Angelegenheit also.
Solche Gestaltungsaufgabe braucht Ziele
und Kriterien. Wenn es nicht bei einem Gegeneinander bleiben, sondern zu einem
Miteinander bei der Lösung der Probleme
kommen soll, dann ist eine Verständigung
über solche Ziele und Wege erforderlich.
Reinhard Höppner ist Präsident des
31. Deutschen Evangelischen Kirchentages.
Mai 2007
ix
D O S S I E R Publik-Forum
DOSSIER
Eine Welt für alle
Eine Welt für alle
Faire Verteilung des Reichtums, Regeln für die Multis, Öko-Wende: Angela Merkel, George Bush
und Co. könnten eine gerechte Politik machen – wenn sie denn wollten
Global und doch gerecht
»Die Erde hat Platz für jedermann, aber
nicht für jedermanns Gier«, sagte einst Mahatma Gandhi. Und genau dies ist das Problem: Wenn die Erde ein Platz für alle Menschen sein soll, dann muss die Gier in die
Schranken gewiesen werden – im Norden
und im Süden. Dass dies möglich ist, beweisen jene Industriestaaten, die sich dem
Diktat des freien Marktes widersetzt und
eine gerechtere Politik betrieben haben:
Die skandinavischen Länder besteuern alle
Einkommen – Löhne, Gehälter, Gewinne,
Kapitalerträge, Vermögen, Erbschaften –
fair, aber konsequent, und investieren die
Einnahmen in gute Kinderbetreuung, Bildung, Jugend- und Altenbetreuung, Forschung und Entwicklung. Das Ergebnis: Die
Volkswirtschaften dieser Länder sind konkurrenzfähig, es gibt wenig Arbeitslosigkeit
und noch weniger Armut. In Großbritannien und Frankreich verhindern gesetzliche Mindestlöhne Hungerlöhne, wie sie
Millionen Deutsche verdienen. In den Niederlanden, in Skandinavien und in der
Schweiz schützen Mindestrenten alle Bürger vor Altersarmut. In Österreich garantiert eine solidarische Krankenversiche-
rung allen Menschen eine medizinische
Grundversorgung – die Beiträge sind halb
so hoch wie in Deutschland. Gerechtigkeit
ist auch in Zeiten von Globalisierung möglich, wenn die Politik den Mut hat, eine gerechtere Verteilung des Reichtums durch-
Protest gegen den
Ausverkauf der Welt in
Indien: Die Armen im
Süden müssen teuer
bezahlen, wenn
Konzerne ihre
Wasserversorgung
übernehmen oder ihr
Saatgut patentieren
Eine Steuer auf die Spekulation
Kontrolle der Finanzmärkte ist möglich – wenn die Politik sie will
Von Peter Wahl
D
ie globalisierten Finanzmärkte
und die hinter ihnen stehenden
Interessen beherrschen die Globalisierung. Die Finanzmärkte bilden einen transnationalen Raum, der sich der
Regulierung durch einzelne Regierungen
entzogen hat. Mehr noch, sie diktieren Regierungen zunehmend ihren Willen. »Anleger müssen sich nicht mehr nach den
Anlagemöglichkeiten richten, die ihnen
ihre Regierung einräumt, vielmehr müsPublik-Forum D O S S I E R
x
Mai 2007
zusetzen. Und dies zahlt sich aus: Dort, wo
die Einkommen gerecht verteilt sind, leben
die glücklichsten Menschen.
Noch dringender ist eine gerechtere Verteilung des globalen Reichtums – und längst
nicht so schwierig, wie die Politik glauben
sen sich die Regierungen nach den Wünschen der Anleger richten«, erklärte der
ehemalige Chef der Deutschen Bank, Rolf
Breuer. Aber wer hat die Finanzmärkte gewählt?
Vorschläge, die Finanzmärkte einer demokratischen Kontrolle zu unterwerfen,
liegen auf dem Tisch, bis in die Details
durchdacht und ausformuliert. Ein Einstieg wäre eine Umsatzsteuer auf den Devisenhandel. Beim Kauf eines jeden Pfundes Butter, für jedes Stück Brot, für jedes
T-Shirt zahlen wir Umsatzsteuer. Für das
FOTO: REUTERS
Von Wolfgang Kessler
T-Shirt seit Januar sogar 19 Prozent. Wenn
aber Dollar, Yen, Pfund und Euro gehandelt werden, ist das völlig umsatzsteuerfrei. Wieso soll ausgerechnet eine Branche, in der märchenhafte Profite gemacht
werden, ein Steuerprivileg besitzen, das
wir sonst nur aus dem Feudalismus kennen? Heute werden pro Börsentag 1,9 Billionen Dollar auf den Devisenmärkten
umgesetzt. Das meiste dient der Spekulation. Schon eine geringe Steuer von
0,1 Prozent würde Milliardensummen an
Steueraufkommen bringen, die für dringende Aufgaben wie Klimaschutz und die
Bekämpfung der Armut eingesetzt werden
können. Und die Spekulation würde bis zu
einem gewissen Grad zurückgedrängt und
damit die Sprunghaftigkeit auf den Finanzmärkten. Das ist vor allem für die
Eine Welt für alle
Schutz vor Ausbeutung
Der freie Welthandel ist ein großer
Traum – für die, die ihn sich leisten können. Für Kleinbauern in Burkina Faso
oder Sierra Leone ist er ein Albtraum. Sie
Entwicklungsländer gut. Die Argumente
gegen eine solche Devisentransaktionssteuer sind inzwischen alle widerlegt. Die
Steuer ist machbar – in jedem Währungsraum und ohne nennenswerte Chance zur
Steuerhinterziehung.
Ähnlich ausgereifte Konzepte gibt es für
andere Bereiche des Finanzsystems, wie
für die Neutralisierung von Steuerparadiesen, für die Stabilisierung von Wechselkursen, zur Regulierung von Hedgefonds, den
sogenannten Heuschrecken, für Derivate
oder zur Demokratisierung der internationalen Finanzinstitutionen. Ein ganzer Instrumentenkasten liegt bereit.
Was für die Realisierung all dieser Vorschläge fehlt, ist der politische Wille bei
den Regierenden. Der entsteht nur, wenn
■
es Druck aus der Gesellschaft gibt.
»Schranken für das Kapital«
Der drohende Ausverkauf der Welt und eine Vision für die
Zukunft. Fragen an Sabine Leidig, Geschäftsführerin von Attac
Publik-Forum: Das Netzwerk
Attac engagiert sich seit
Langem gegen eine rein
marktorientierte Globalisierung und für Gerechtigkeit, Ökologie und Demokratie. Was hat das Engagement gebracht?
Sabine Leidig: Es ist uns gelungen, eine fundierte Kritik der Globalisierung zu
entwickeln und öffentlich
zu verankern. Wir haben
deutlich gemacht, dass es sich um gesellschaftliche Verhältnisse handelt, die so
oder anders gestaltet werden können, also
nicht alternativlos sind.
Publik-Forum: Reicht es eigentlich aus, nur
gegen etwas zu kämpfen?
Leidig: Leute, die sich engagieren, haben
eine Vorstellung davon, wie menschenwürdiges Leben aussehen könnte. Es gibt
den utopischen Überschuss. Wir machen
auch konkrete Vorschläge, wie an wichtigen Stellschrauben Veränderungen bewirkt werden können. Aber es ist unverzichtbar, den weiteren Ausverkauf der
Welt zu stoppen.
Publik-Forum: Welche Vision von Weltwirtschaft haben Sie?
Leidig: Kurz gesagt: Die natürlichen, geistigen und technologischen Möglichkeiten demokratisch zu nutzen. Ich halte es
mit Jean Ziegler: »In den letzten Jahrzehnten sind auf der Erde unglaubliche
Reichtümer entstanden, das Welt-Bruttosozialprodukt wurde fast verdoppelt.
Zum ersten Mal in der Geschichte der
Menschheit ist der objektive Mangel besiegt und die Utopie des gemeinsamen
Glückes wäre materiell möglich.«
Publik-Forum: Welches sind die wichtigsten
politischen Schritte hin zu dieser Vision?
Leidig: Entscheidend ist, das Kapital unter
Kontrolle zu bringen. Dazu gehören
Steuern, mit deren Hilfe gelenkt und umverteilt werden kann. Dazu gehört, dass
große gesellschaftliche Bereiche der pri-
vaten
Kapitalverwertungslogik entzogen werden – Gesundheit, Bildung, Wasser, öffentliche
Infrastruktur. Es müssen
verbindliche soziale Rechte und ökologische Regeln
durchgesetzt werden, die
Konzernen
weltweit
Schranken setzen. Und angesichts der ManagementDesaster muss auch die
Frage nach Demokratie in
den Betrieben gestellt werden, ebenso wie
die Frage nach Formen der Enteignung
von Energiekonzernen beispielsweise, die
mit ihren Monopolen einem Umsteuern
bei der Klimapolitik entgegenstehen.
FOTO: ATTAC
macht. Wenn alle Industrieländer – wie von
der UNO gefordert – wirklich 0,7 Prozent
ihres Bruttoinlandsproduktes in die Entwicklungshilfe investieren würden, dann
stünden Jahr für Jahr rund 100 Milliarden
Dollar mehr zur Bekämpfung der weltweiten Armut zur Verfügung als heute. Und
würde es Vielflieger und Börsenspekulanten wirklich in die Verzweiflung treiben,
wenn alle Staaten auf ihre Flugtickets eine
Entwicklungsabgabe erheben würden oder
Börsenumsätze mit 0,1 Prozent besteuern
würden? Die Belastungen wären gering –
die Chance aber umso größer: Mit diesem
Geld könnte die Zahl der Armen bis zum
Jahre 2015 halbiert werden, wie die UNO
dies 2000 versprochen hat.
Bekämpfung der Armut – das heißt jedoch weder Almosen geben noch Großprojekte finanzieren. Viel erfolgreicher ist eine
Politik, die die Armen in die Lage versetzt,
ihre Lebensbedingungen zu verbessern.
Wo Kleinbauern höhere Preise für ihre
Produkte erzielen, bauen sie selbst Schulen
und Gesundheitszentren. Wo Frauen günstige Kredite und Beratung erhalten, können sie ihre Familien ernähren und sich
selbst entfalten – ohne die verhängnisvolle
Abhängigkeit von ihren Männern. Dort, wo
Entwicklungspolitik bei der Arbeit der
Menschen vor Ort ansetzt und zivilgesellschaftliche Strukturen fördert, kommt die
Hilfe den Menschen zugute – und nicht jenen, die nur absahnen wollen.
DOSSIER
Publik-Forum: Gibt es eine Gesprächsbasis
zwischen Ihnen und der politischen Elite?
Leidig: Im Grunde gibt es keine Kommunikation mit denen, die marktradikale
Konzepte betreiben. Die ziehen in die
entgegengesetzte Richtung. Da wollen
wir uns nicht hinbewegen. Aber diese
Elite ist kein homogener Block. Es gibt
innere Widersprüche und – wie überall –
Persönlichkeiten, die aufrichtig und gesprächsbereit sind. Wir sind jederzeit zur
Diskussion bereit.
Publik-Forum: Wie
kann man Ihre Visionen
in die Mitte der Gesellschaft tragen?
Leidig: Ich bin sicher, dass dort bereits eine
Menge Resonanz ist. Bei denen, die den
Werten der Aufklärung und des Humanismus oder der christlichen Sozialethik verbunden sind. Und bei denen, die erfahren
haben, dass auch hoch Qualifizierte von
Massenentlassungen betroffen sind und
keineswegs jeder als »Arbeitskraftunternehmer« und Telekom-Aktienbesitzer
vom Hype der Börsenkurse profitiert.
Wesentlich ist aber, dass soziale Bewegungen entstehen und unterstützt werden, deren Dynamik in alle gesellschaftlichen Schichten ausstrahlt, wie es im 19.
Jahrhundert die Arbeiterbewegung ver■ Interview: Wolfgang Kessler
mochte.
Kontakt: www.attac.de, Tel. 069/90028110
Mai 2007
xi
D O S S I E R Publik-Forum
Eine Welt für alle
können der Welt nichts verkaufen. Gleichzeitig müssen sie damit rechnen, dass ihr
Hühnerfleisch teurer ist als die hochsubventionierten Hühnerbeine aus der Europäischen Union. Deshalb brauchen sie
Schutz vor dem Zugriff des Weltmarkts,
um lokale und regionale Märkte für ihre
Bedürfnisse entwickeln zu können. Gelingen wird dies nur, wenn die Entwicklungsländer ihre Märkte gegen Billigimporte
abschotten, um die eigenen Landwirte zu
stärken. Wenn dann die 500 Millionen
Landlosen der Welt noch Land erhalten,
sich zu Genossenschaften zusammenschließen und Nahrungsmittel für sich
und ihre Umgebung produzieren – dann
kann der Kreislauf von Armut und Unterernährung durchbrochen werden.
Schutz brauchen die Armen auch vor der
Enteignung durch die großen Unternehmen: Bauern im Süden verlieren ihre Existenz, wenn sie Lizenzgebühren für die Wiederaussaat zahlen müssen. Ihre Existenz
wird erst gesichert, wenn Patente auf Saatgut verboten und der Tausch von kommerziellem Saatgut kostenfrei zugelassen wird.
Ähnliches gilt für den Zugang zu Wasser,
Bildung und Medikamenten. Wer solche
Dienste zu kommerziellen Waren macht,
beraubt arme Menschen ihrer Lebenschancen. Für Schwerkranke in den Slums
kann der Patentschutz den sicheren Tod
bedeuten, wenn Medikamente dadurch für
sie unerschwinglich werden. Deshalb müssen die Interessen der Armen Vorrang haben vor dem Interesse der Pharmaindustrie an einem hohen Niveau des Patentschutzes. Gerecht wird die Weltwirtschaft
erst, wenn die Grundlagen des Lebens allen zur Verfügung stehen und nicht nur jenen, die sie sich leisten können.
Globale Regeln für die Multis
Der freie Weltmarkt nützt den transnationalen Konzernen – und den Verbrauchern
im Norden: Die einen können dort produzieren, wo es besonders billig ist, die anderen erhalten billige Produkte. Doch: Viele Produkte sind nur deshalb so billig, weil
dafür Kinder arbeiten, billige Arbeitskräfte
in Fabriken oder auf Plantagen ausgebeutet oder die Natur hemmungslos mit Pestiziden oder mit Müll verseucht wird.
Globale Gerechtigkeit und ein nachhaltiges Wirtschaften wird es deshalb erst geben, wenn die internationale Politik den
Konzernen klare Regeln auferlegt: Der
freie Handel für Unternehmen gilt nur
dann, wenn sie keine Kinder ausbeuten,
wenn sie soziale Mindestnormen auf Plantagen und in Fabriken akzeptieren, Gewerkschaften zulassen und Beschäftigte
nicht aufgrund von Geschlecht oder aus
anderen Gründen diskriminieren. Was so
Der Global Marshall Plan für eine humane Welt von morgen
Publik-Forum D O S S I E R
xii
Mai 2007
Öko-Wende oder Rohstoff-Kriege
Klar ist: Wenn alle Länder so wirtschaften
und leben wie die Industriestaaten, dann
drohen ökologischer Kollaps, soziale Konfrontationen sowie Kriege um knappe Rohstoffe. Verhindern können dies derzeit nur
Viele Kritiker der
Globalisierung warnen
wie einst Mahatma
Gandhi: »Die Erde hat
Platz für jedermann,
aber nicht für
jedermanns Gier«
»Die Welt braucht eine Vision«
Armut, Terror, Kriege und der Klimawandel
bedrohen die Welt. In dieser Situation fordern unterschiedliche Persönlichkeiten aus
der ganzen Welt – von Ex-Minister Heiner
Geißler über Ex-EU-Kommissar Franz
Fischler bis hin zur linken Globalisierungskritikerin Susan George – einen Global Marshall Plan. Sie lehnen sich dabei an den ehemaligen US-Außenminister und späteren
Friedensnobelpreisträger George C. Marshall an. Er legte 1947 den berüchtigten
Morgenthauplan ad acta, der Deutschland
technokratisch klingt, würde für Frauen,
die auf den Plantagen Mittelamerikas erst
mit Pestiziden besprüht werden und später
Bananen pflücken ebenso eine soziale Revolution bedeuten wie für jene, die in Chinas Fabrikkasernen für Aldi und Tchibo
T-Shirts nähen. Und niemand sage, dies sei
nicht durchsetzbar. Die transnationalen
Unternehmen würden lieber diese Bedingungen akzeptieren als zu riskieren, dass
sie ihre Produkte nicht mehr verkaufen
dürften. Und die Verbraucher brauchen
sich nicht zu fürchten: Die T-Shirts aus dem
Süden werden immer noch billig sein, aber
nicht mehr so viel Elend verursachen wie
heute.
zu einem Agrarland machen wollte, und entwarf ein Wiederaufbauprogramm: den Marshallplan.
Die heutige Marshall Plan Initiative hat
eine ähnliche Vision. Sie will die Milleniumsentwicklungsziele verwirklichen, denen sich 191 Staaten seit dem Jahr 2000 verpflichtet haben: extreme Armut beseitigen,
Grundschulbildung für alle Kinder gewährleisten, Gleichstellung der Frauen fördern, Kindersterblichkeit senken, Gesundheit der Mütter verbessern, Aids, Malaria
FOTO: REUTERS
DOSSIER
und andere Krankheiten bekämpfen, ökologische Nachhaltigkeit gewährleisten und
eine globale Partnerschaft aufbauen.
Um diese Ziele zu verwirklichen, müssen
bis zum Jahr 2015 jährlich 100 Milliarden
Dollar zusätzlich aufgebracht werden. Statt
die nationalen Budgets weiter zu belasten,
schlägt die Initiative vor, die Mittel aus folgenden Quellen aufzubringen: über eine
Abgabe auf den Welthandel, eine Abgabe
auf Weltfinanztransaktionen, den Handel
mit Kohlendioxid-Emissionsrechten und
eine Internationale Steuer auf Flugbenzin.
Langfristig will die Initiative eine weltweite
Ökosoziale Marktwirtschaft, die durch einen Ordnungsrahmen die Weltwirtschaft
mit der Gesellschaft und der Umwelt in
Einklang bringt. Hierzu bedarf es auch der
Eine Welt für alle
Reform etablierter Regelwerke und Institutionen wie der UNO, des Internationalen
Währungsfonds, der Weltbank, der Welthandelsorganisation oder Internationalen
Arbeitsorganisation.
Die globalen Einnahmen sollen dann Jahr
für Jahr in die Erfüllung der Millenniumsziele investiert werden: und dies so, dass die
Selbstbestimmungsrechte der Menschen
respektiert werden. Gefordert wird Hilfe zur
Selbsthilfe durch Mikrokredite, der Aufbau
von Entwicklungsprojekten mit der einheimischen Bevölkerung und die rasche Verbreitung erneuerbarer Energieträger. »Die
Welt braucht eine Vision«, sagen die zahlreichen Unterstützer der Initiative und werden
nicht müde, die Eliten der Welt mit dieser Vi■ Wolfgang Kessler
sion zu konfrontieren.
»Wann, wenn nicht jetzt?«
Der große Plan und die Politik. Fragen an Frithjof Finkbeiner,
internationaler Koordinator der Global Marshall Plan Initiative
Publik-Forum: Marshallplan
klingt historisch, nach Hilfe
für Europa in der Nachkriegszeit. Was hat das mit
der Welt von heute zu tun?
Frithjof Finkbeiner: Eine ambitionierte Idee, finanziert
mit nur 1,3 Prozent des
US-amerikanischen Bruttosozialproduktes, trug in
nur vier Jahren erheblich
zum Wiederaufbau Europas bei. Die Welt heute ist
mit gravierenden Fehlentwicklungen konfrontiert,
sowohl im Umweltbereich
als auch bezüglich Massenarmut und kultureller Konflikte.
Wundern wir uns eigentlich noch, dass
Menschen über Grenzen klettern oder
Bomben werfen? Hier brauchen wir eine
neue Vision – und sie kann sich durchaus
an George Marshall anlehnen.
Inwieweit sind die Eliten der
Industrieländer überhaupt an diesem Konzept interessiert?
Finkbeiner: Die Global Marshall Plan Initiative definiert eine Art Minimalprogramm. Dieses Programm hat eine hohe
Rationalität und kann von den Akteuren,
die keine Veränderung wollen, nur
schwer abgelehnt werden. Zudem klären
wir die Bürger über die Bedingungen der
Globalisierung auf. Wir zeigen, dass diese
Bedingungen verändert werden können.
Und alle können daran mitarbeiten.
Publik-Forum:
Publik-Forum : Die Kosten von 100 Milliarden Dollar pro Jahr sind nicht gering. Wie
kann zum Beispiel die US-Regierung davon überzeugt werden, sich an ihrer Aufbringung zu beteiligen?
Finkbeiner: Genau an die US-Elite richten
wir uns ja über den Namensgeber unserer Initiative. Auch in den USA werden
die Rufe immer lauter, dass Sicherheit
nicht in erster Linie durch Heimatschutz
oder das ständige Schüren von Angst erreicht wird, sondern durch die Umsetzung eines Weltethos, das auf der ethi-
schen Basis der Goldenen
Regel beruht: »Was Du
nicht willst, dass man Dir
tu’, das füg auch keinem
andern zu«. Rein ökonomisch ist es viel billiger,
heute präventiv zu handeln, als morgen immer
mehr Scherben einzusammeln.
FOTO: GLOBALMARSHALLPLAN
die Industriestaaten. Erst wenn sie durch
massive Investitionen in erneuerbare
Energiequellen und durch die radikale
Einsparung von Energie und Rohstoffen
einen nachhaltigen Wirtschafts- und Lebensstil entwickeln, ist jene Öko-Wende
möglich, die die ganze Welt benötigt. Realistisch ist diese Wende nur bei anderen
wirtschaftspolitischen Anreizen im Norden: Ein konsequent ökologisches Steuerund Abgabensystem verteuert den Umweltverbrauch und belohnt die Einsparung
von Ressourcen. Diese ermutigt Unternehmen und Verbraucher, die Wegwerfproduktion durch eine langlebige Wirtschaft auf
der Grundlage von Wiederverwertung und
Reparatur zu ersetzen. Die Einnahmen aus
den Öko-Steuern und -abgaben könnten
dann eine Grundsicherung finanzieren, die
die Benachteiligten vor den sozialen Folgen
der Ökowende schützt.
Diese Wende im Norden hat globale Bedeutung. Wenn sich im Norden erneuerbare Energie durchsetzt, dann wird sie auch
im Süden eingesetzt – und eigenständig
produziert. Wenn der Norden Ressourcen
spart, stehen für den Süden mehr Ressourcen und Spartechnologien zur Verfügung.
Wenn der Norden dann noch die finanziellen Mittel mobilisiert, um die Länder des
Südens vor den Folgen des Klimawandels
zu schützen, zu denen sie kaum beigetragen haben, dann haben alle Menschen auf
der Welt und auch künftige Generationen
die große Chance auf ein Leben in Würde:
Der Klimawandel wird verlangsamt, die
Welt wird vor Rohstoffkriegen bewahrt und
die Armen können ihr Leben verbessern,
ohne die Welt zu zerstören: Eine Welt für jedermann und jedefrau: die Vision von Ma■
hatma Gandhi wird Wirklichkeit.
DOSSIER
Publik-Forum: Handelt
es
sich beim Global Marshall
Plan nicht um ein Konzept
von oben, das den Armen
übergestülpt wird?
Finkbeiner: Der Norden ist
nicht einfach das Modell, dem man folgen muss. Nord und Süd könnten beide
voneinander lernen, um gemeinsam einen Weg in die Zukunft zu finden, der
nachhaltig ist. Ein gemeinsamer Lernprozess, der in einen fairen globalen Vertrag mündet, ist der richtige Weg in die
Zukunft. Ein Musterbeispiel für effizienten Geldeinsatz sind die Kleinkredite der
Grameen-Bank. Die Idee dazu lernte der
Friedensnobelpreisträger Mohammed
Yunus von den ärmsten Frauen in Bangladesch. Diese Mikrokredite haben eine
enorme Breitenwirkung und sind eines
der erfolgreichsten Entwicklungsprogramme.
Publik-Forum: Was sind Ihre Hoffnungen für
die kommenden Jahre?
Finkbeiner: Gerade wir Europäer verdanken dem Marshallplan unseren heutigen
Wohlstand. Im sechzigsten Jahr des historischen Marshallplans hat Deutschland den Vorsitz der G8. Die Demokraten
in den USA diskutieren derzeit als verbindende Vision einen Global Marshall
Plan – auch als Wahlkampfthema 2008
oder 2012 (vgl. www.tikkun.org). Wann,
wenn nicht jetzt, ist der Zeitpunkt gekommen, endlich eine mutige Vision zu
fordern und uns gemeinsam dafür einzusetzen?
Kontakt: Tel. 040/82290-420, Fax -421;
www.globalmarshallplan.org
Mai 2007
xiii
D O S S I E R Publik-Forum
Eine Welt für alle
FOTO: PA/DPA/METTELSIEFEN
DOSSIER
Mikrokredite in der Sahelzone
Die Region um die Stadt Agadez liegt im
Norden des Niger und ist stark durch Dürre gefährdet. Die Ressourcen sind äußerst
knapp in dieser staubigen Region der Sa-
FOTO: ARCOIMAGES
Eine Sparkasse, das klingt nicht gerade
spektakulär. Dennoch ist diese Möglichkeit,
einen Kleinkredit zu bekommen im bettelarmen afrikanischen Niger revolutionär.
Schutz für den Regenwald
Das Entwicklungshilfeministerium der
Niederlande hat sich gemeinsam mit der
deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) ein ehrgeiziges Ziel
Publik-Forum D O S S I E R
xiv
Mai 2007
gesetzt: Bis 2015 wollen sie insgesamt zehn
Millionen Menschen aus der Energie-Armut befreien. Besonders benachteiligte
Menschen aus den ländlichen Gebieten
helzone. Die Menschen sind entweder
Viehzüchter oder Bauern. Traditionell
muss jeder, der ein wenig mehr besitzt,
hungrige Verwandte ernähren. Seit 2004
gibt es mit Hilfe der Hilfsorganisation Eirene in Agadez eine Spar- und Kreditkasse.
Äußerlich hat die Sparkasse in Agadez
nicht viel gemein mit einer deutschen
Sparkasse. Es handelt sich um ein Lehmgebäude von etwa 20 Quadratmetern Größe, das in der Mitte durch eine etwas wackelige Holzwand mit einer Tür und einem
Schalterfenster getrennt ist. Ziel der Sparkasse ist es, Anreize zum Sparen und zum
produktiven Umgang mit Geld zu schaffen.
Sie vergibt Mikrokredite für Handel und
kleine Unternehmen, Zugtiere und Brunnenbewässerung oder zur Aufstockung des
Viehbestandes an ihre rund 500 Mitglieder –
davon sind 130 Basisgruppen oder Kooperativen. Die Konditionen sind fair und entsprechen dem islamischen Zinsverbot. Die
Mitglieder bürgen untereinander. Im klassischen Bankensystem hätten nomadisierende Hirten oder Bauern in Subsistenzwirtschaft keine Chance, ihre Produktion für
den Markt auszudehnen. Jetzt erhalten Sie
■ Claudia Mende
diese Chance.
Infos unter: www.eirene.org
Afrikas sollen dauerhaft mit Kochenergie
und Strom für Licht versorgt werden. Auch
Krankenhäuser, Schulen, kleine Firmen
und Handwerksbetriebe sollen zuverlässig
Licht und Energie erhalten. Bisher gibt es
hier keinen Strom und zum Kochen wird
der Regenwald abgeholzt.
Der erste Teil des Großprojektes ist erfolgreich angelaufen. Für die Versorgung
mit Kochenergie werden moderne Herdtypen eingesetzt wie der »Rocket Lorena« in
Uganda. Er verbraucht 60 Prozent weniger
Brennholz als ein offenes Feuer oder ein traditioneller Herd. In Uganda wurden 180 000
Herde in anderthalb Jahren eingeführt, dadurch werden 265 000 Tonnen Holz weniger
verfeuert. Die Anschaffungskosten betragen
ein bis zwei Euro, da das Material lokal vorhanden ist und nur der Handwerker für das
Aufbauen bezahlt werden muss. Auf eine
noch größere Einsparung von Feuerholz
kommt der »Rocket Stove«, der vor allem in
Malawi verbreitet ist. In einem Jahr wurden
in dem kleinen zentralafrikanischen Land
bereits 900 Stück verkauft. Jetzt hoffen die
Entwicklungsexperten auf eine schnelle
Verbreitung dieses Herdes, um die Entwaldung aufzuhalten. Die Chancen sind so groß
■ Claudia Mende
wie nie.
Eine Welt für alle
DOSSIER
Das kann ich tun ...
IMPRESSUM
Eine gerechtere Welt ist ein hohes Ziel. Und doch können alle
persönlich dazu beitragen: Vier Wege versprechen Erfolg
Von Wolfgang Kessler
1. Eine faire Welt kaufen
Noch nie gab es so viele Möglichkeiten, mit
dem Einkaufskorb für eine bessere Welt zu
sorgen – und immer mehr Menschen tun
dies. Kaffee, Tee, Schokolade, Wein, Blumen
und viele andere Produkte sind mit dem
Transfair-Siegel erhältlich. Dann sind sie
etwas teurer, aber der höhere Preis zahlt
sich aus: Kleinbauern in armen Ländern
erzielen höhere Einkommen – ihre Häuser
werden moderner, Schulen und Gesundheitszentren gebaut. Fairer Einkauf kann
eine Politik für gerechten Welthandel nicht
ersetzen. Die Politik mit dem Einkaufskorb
bewirkt dennoch viel: In Europa wächst der
Absatz von fair gehandelten Waren seit
2000 jährlich um 20 Prozent, auch in
Deutschland gibt es einen wahren Boom.
Mehr als fünf Millionen Kleinbauern in
rund 50 armen Ländern profitieren davon.
Fairer Handel verändert die Welt.
www.transfair.org, Tel. 0221/942040-0
2. In Gerechtigkeit investieren
Wer das Glück hat, über Ersparnisse zu verfügen, kann diese in globale Gerechtigkeit
investieren: Bei der GLS-Gemeinschaftsbank kann man die Zukunftsstiftung Entwicklungshilfe fördern. Die Steyler Bank
unterstützt Projekte im Süden. Und die
ökumenische Initiative Oikocredit verkauft
weltweit Anteile in Höhe von 200 Euro – an
Kirchen, Organisationen, Gemeinden und
an Einzelne. Dadurch sind bisher knapp
300 Millionen Euro hereingekommen. Aus
diesem Kapital gewährt Oikocredit günstige Kredite an Selbsthilfe-Unternehmen
in armen Regionen der Welt. Das Geld der
Anleger bleibt erhalten. Damit die Kredite
für die Partner in den armen Regionen
günstig bleiben, beschränkt sich die Dividende der Anleger auf zwei Prozent – dazu
kommt der hohe Lustgewinn einer Investition in Gerechtigkeit.
www.steylerbank.de, Tel. 02241/237337;
www.gls.de, Tel. 0234/5797111;
www.oikocredit.org, Tel. 0228/6880280
3. Geld spenden
Die Deutschen spenden pro Jahr rund 150
Millionen Euro für soziale Projekte. Ein beträchtlicher Teil davon hilft den Ärmsten
der Armen im Süden. Noch immer geistern
Vorurteile herum, wonach sich korrupte
Potentaten mit Spendengeldern goldene
Badewannen bauen oder Gelder nicht dort
ankommen, wo sie hinsollen. Doch solche
Skandale sind selten geworden. So fließen
Entwicklungsgelder kaum noch an staatliche Stellen. Die Hilfswerke betreuen vor
allem eigene Projekte vor Ort – die Kontrollen sind besser denn je. Wer dennoch misstrauisch ist, kann sich selbst überzeugen: Das Deutsche Zentralinstitut für soziale
Fragen (DZI) vergibt ein Spendensiegel an
Hilfsorganisationen und listet deren Arbeit
in einem Almanach auf. Missbrauch ist
nicht ausgeschlossen, aber selten. Entsprechend wertvoll sind die Spenden, weil oft
Projekte gefördert werden, die eine Dynamik vor Ort auslösen – wie die Projekte der
Hoffnung auf Seite 14 zeigen.
www.dzi.de, Tel. 030/839001-0
4. Sich engagieren
Politik bewegt sich nur, wenn sich die Menschen bewegen. Die Friedensbewegung
hat die Politik ebenso verändert, wie es
auch die Umweltbewegung getan hat. Jetzt
erfordert eine Politik für mehr Gerechtigkeit das Engagement der Menschen. An
Möglichkeiten fehlt es nicht: Die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung engagiert
sich in vielen Ortsgruppen vor allem für
soziale Ziele – national wie international,
unbequem, aber konsequent. Ortsgruppen
in ganz Deutschland hat auch das globalisierungskritische Netzwerk Attac: Ohne
dieses Netzwerk wären viele Zusammenhänge der Globalisierung noch gar nicht
bekannt, Themen wie die Folgen der Finanzmärkte würden noch immer nicht debattiert, viele Widerstandsaktionen gegen
Sozialabbau hätten nicht stattgefunden.
Visionäres Engagement verfolgt auch die
Global Marshall Plan Initiative. Sie will
über Globalisierung aufklären. Aufklärung kann bei Freunden, bei Bekannten,
am Arbeitsplatz erfolgen – überall, wo
Menschen zusammenkommen. »Wenn jeder in einem Schnellballsystem pro Jahr
eine weitere Person für eine Aufklärungskampagne gewinnt, teilt in 33 Jahren die
gesamte Menschheit dasselbe Ideal«.
www.globalmarshallplan.org, Tel. 040/82290420;
www.kab.de, Tel. 0221/77220; www.attac.de,
Tel. 069/90028110
Mai 2007
xv
D O S S I E R Publik-Forum
Publik-Forum Dossier: Eine Welt für alle
Gerechte Wirtschaft – Kontrolle der Finanzmärkte – Global Marshall Plan. Es gibt Alternativen zur
herrschenden Politik
Herausgeber: attac, Global Marshall Plan Initiative, Katholische Arbeitnehmer-Bewegung
Deutschlands, Publik-Forum
Redaktion: Wolfgang Kessler (V.i.S.d.P.),
Christoph Quarch, Andrea Teupke
Gestaltung: Andreas Klinkert
Titelfoto: Hammond/Design Pics/Corbis (mod.)
Foto in der Heftmitte: Ullstein
Autorinnen und Autoren: Peter Wahl (attac),
Wolfgang Kessler (Publik-Forum)
Verleger: Publik-Forum Verlagsgesellschaft mbH,
gesetzlich vertreten durch den Geschäftsführer
Richard Bähr; ladungsfähige Anschrift für Redaktion und Verlag: Krebsmühle, D-61440 Oberursel
Postanschrift: Publik-Forum,
Postfach 2010, D-61410 Oberursel
Telefon: 06171/7003-0, Fax: 06171/7003-40
E-Mail: [email protected]
Web: www.publik-forum.de
Druck: Dierichs Druck + Media GmbH,
Frankfurter Straße 168, 34121 Kassel
© Mai 2007 Publik-Forum
Verlagsgesellschaft mbH
Publik-Forum
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Eine Welt für alle
Das Dossier hat 16 Seiten und wird
zu folgenden Staffelpreisen angeboten: bis zu 4 Exemplare je 2 €; ab 5
Ex. je 1 €; ab 10 Ex. je 0,90 €; ab 20
Ex. je 0,80 €; ab 50 Ex. je 0,70 €; ab
100 Ex. je 0,60 €; ab 300 Ex. je 0,40 €.
Sonderkonditionen bei großen Mengen auf Anfrage (Bei Bestellwert unter 25 € zuzüglich 2,50 € Versand.)
Bestellnummer 2830
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TEXT: HERBERT GRÖNEMEYER AUF DEM 30. DEUTSCHEN EVANGELISCHEN KIRCHENTAG IN HANNOVER 2005
Angesichts der Tatsache, dass täglich 15 000 Kinder
und 50 000 Menschen infolge extremer Armut sterben,
müssen wir uns dem stellen, dass wir irgendwann gefragt werden: Was habt ihr eigentlich dagegen getan?
– Wir werden nicht daran gemessen, dass wir das Internet erfunden haben, zum Mond geflogen sind und
34 000 Fernsehkanäle entwickelt haben, sondern wir
werden daran gemessen, was wir wirklich getan haben. Es täte uns gut, endlich zu begreifen, dass wir in
einer großen Welt leben. Diese Verantwortung tragen
wir alle gemeinsam. Das macht Spaß. Das kann einem
gut tun. Es gibt dem Leben einen Sinn, nicht nur als
Einzelkämpfer durch die Welt zu rasen, sondern das
Gefühl zu haben, dass ich zusammen mit anderen et■ Herbert Grönemeyer
was tun kann.
FOTO: PA/ZB/WOLF
Die Verantwortung
tragen wir alle gemeinsam
e i n la d u n g z um p r o b e l e s e n
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im Umfang von 64
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