Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung
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Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung
Arist von Schlippe / Jochen Schweitzer Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung 10. Auflage Vandenhoeck & Ruprecht Arist von Schlippe / Jochen Schweitzer, Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung $ © 2007; 1996 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 978-3-525-45659-0 Arist von Schlippe / Jochen Schweitzer, Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung © 2007; 1996 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 978-3-525-45659-0 Arist von Schlippe / Jochen Schweitzer, Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung Arist von Schlippe Jochen Schweitzer Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung Mit 20 Abbildungen 10. Auflage Vandenhoeck & Ruprecht © 2007; 1996 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 978-3-525-45659-0 Arist von Schlippe / Jochen Schweitzer, Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar ISBN 978-3-525-45659-0 © 2007, 1996 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen / www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne vorherige schriftliche Einwilligung des Verlages öffentlich zugänglich gemacht werden. Dies gilt auch bei einer entsprechenden Nutzung für Lehrund Unterrichtszwecke. – Printed in Germany. Satz: KCS GmbH, Buchholz/Hamburg Druck und Bindearbeit: O Hubert & Co, Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier © 2007; 1996 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 978-3-525-45659-0 Arist von Schlippe / Jochen Schweitzer, Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung 5 Inhalt Vorwort (Helm Stierlin) 11 Vorwort der Autoren 14 I. Geschichte und Überblick 17 1. Von der Familientherapie zur systemischen Therapie und Beratung 1.1. Einige Geschichten zur Familientherapie 1.2. Modelle im Überblick 1.3. Das Mailänder Modell und die Folgen 1.4. Lösungen statt Probleme: Lösungsorientierte Kurztherapie 1.5. Kooperation statt Intervention: Das Reflektierende Team 1.6. Interaktion als Konversation: Die Narrative Denkrichtung 1.7. Ursprungsordnung und Demut: Der Ansatz Bert Hellingers 17 18 23 26 35 38 39 42 49 II. Theorie 2. Vom Suchen, (Er)finden und Nutzen theoretischer Grundlagen 2.1. Das Wörtchen »systemisch« — Ein projektiver Test? 2.2. Eine kurze Geschichte systemtheoretischer Wellen © 2007; 1996 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 978-3-525-45659-0 49 49 50 Arist von Schlippe / Jochen Schweitzer, Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung 6 Inhalt 2.3. Was »ist« ein System? 2.4. Kybernetik 1. Ordnung: Teil und Ganzes, Grenzen, Regeln 2.5. Von der Homöostase zu Fluktuation, Chaos und Synergetik 2.6. Wie Leben sich selbst erzeugt: Die Theorie autopoietischer Systeme 2.7. Nichts als Kommunikation: Die Theorie sozialer Systeme 2.8. Rückbesinnung auf die Person: Die personzentrierte Systemtheorie 2.9. Eine gemeinsam erschaffene Welt: Der soziale Konstruktionismus 2.10. Das Ende der großen Entwürfe: Postmoderne Philosophien 3. Kernfragen systemischer Theorie 3.1. Realität: Was ist wirklich? 3.2. Kausalität: Was verursacht was? 3.3. Sprache und Rekursivität: Wie erzeugen wir soziale Wirklichkeiten? 54 57 61 67 70 74 78 81 86 86 90 93 102 4. Ein systemisches Verständnis von »Problemen« 102 4.1. Problemdeterminierte Systeme 102 4.2. Was ist ein Problem? 105 4.3. Wie werden Probleme erzeugt? 108 4.4. Können Probleme nützlich sein? 4.5. Wie chronifiziert man ein Problem? - Eine Anleitung 110 114 4.6. Formen von Klinischen Systemen III. Praxis: Zwischen Wissenschaft, Handwerk und Kunst 116 5. Haltungen, Grundannahmen, Zielsetzungen 5.1. Den Möglichkeitsraum vergrößern 5.2. Hypothesenbildung 5.3. Zirkularität 5.4. Von der Allparteilichkeit zur Neutralität 5.5. Von der Neutralität zur Neugier 5.6. Irreverenz: Respektlosigkeit gegenüber Ideen, Respekt gegenüber Menschen 116 116 117 118 119 121 © 2007; 1996 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 978-3-525-45659-0 122 Arist von Schlippe / Jochen Schweitzer, Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung Inhalt 7 123 5.7. Therapie als Verstörung und Anregung 5.8. Ressourcenorientierung — Lösungsorientierung . . . . 124 125 5.9. Kundenorientierung 6. 7. 8. 9. Erste Zugänge: Hypothesen 6.1. Erste Hypothesen entwickeln 6.2. Informationsquellen: Anmeldebögen, Telefonate, Akten 6.3. Repräsentationsformen für Systeminformationen: Genogramm, Systemzeichnung, Organigramm 6.4. Hypothesen über den Zuweisungskontext 127 127 Systemisches Fragen 7.1. Zirkuläres Fragen: Zur Form systemischer Gesprächsführung 7.2 Frageformen, die Unterschiede verdeutlichen 7.3. Wirklichkeits- und Möglichkeitskonstruktionen: Inhaltsbereiche systemischer Gesprächsführung . . . 7.4. Fragen zur Wirklichkeitskonstruktion 7.5. Fragen zur Möglichkeitskonstruktion 7.6. Problem- und Lösungs-Szenarien 7.7. Anfangs- und Abschlußfragen 7.8. Stilistische Aspekte 137 Familienskulptur und andere metaphorische Techniken . . 8.1. Die Arbeit mit der Familienskulptur 8.2. Das Familienbrett und andere symbolische Darstellungen 8.3. Videokonsultation 8.4. Die Externalisierung des Problems 8.5. Metaphern, analoge Geschichten, Witze, Cartoons Kommentare 9.1. Anerkennung, Kompliment, wertschätzende Konnotation 9.2. Umdeutung — Reframing 9.3. Splitting: Das Team oder der Therapeut ist sich uneinig 10. Schlußinterventionen © 2007; 1996 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 978-3-525-45659-0 127 130 136 138 143 145 145 155 160 162 163 164 164 168 169 169 173 175 175 177 181 182 Arist von Schlippe / Jochen Schweitzer, Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung 8 Inhalt 10.1. Grundsätze für die Entwicklung von Schlußinterventionen 10.2. Mögliche Inhalte von Schlußinterventionen 10.3. Handlungsvorschläge 10.4. Rituale 10.5. Ordeals 182 184 187 191 197 11. Die Arbeit mit dem Reflektierenden Team 11.1. Einen Kontext für Veränderung gestalten 11.2. Das Spiel mit der Reflektierenden Position 199 199 203 12. Der äußere Rahmen: Kontrakte, Ziele, Verläufe 12.1. Wie oft, wie lange? Sitzungsabstände und Gesamtdauer 12.2. Einmal ist keinmal? Single Session Therapy 12.3. Wen wann einladen? Teilnehmerzusammensetzungen 12.4. Wozu »wozu« fragen? Zielklärung 12.5. Einige »typische« Verläufe 12.6. Wann und wie aufhören? Der Abschluß 205 IV. Vielfalt der Praxisfelder 216 13. Settings 13.1. Familientherapie ohne Familie: Die systemische Einzeltherapie 13.2. Der Blick zurück: Familienrekonstruktion in der Gruppe 13.3. Am liebsten live: Die systemische Fallsupervision . 13.4. Opium für das Volk? Teamsupervision und Organisationsberatung 13.5. Wenn Chefs Rat suchen: Coaching von Führungskräften 13.6. Do it yourself: Das Auftragskarussell als Mittel der Selbstsupervision 13.7. Mit größeren Systemen arbeiten: Die Familie-Helfer-Konferenz 216 14. Anwendungsbereiche 14.1. Familienmedizin 245 246 © 2007; 1996 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 978-3-525-45659-0 205 207 209 210 212 214 216 219 222 227 234 238 241 Arist von Schlippe / Jochen Schweitzer, Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung Inhalt 14.2. Psychiatrie 14.3. Soziale Arbeit 14.4. Schule 14.5. Management 14.6. Politik V. Kritische Einschätzung systemischer Beratung 15. Viel Feind, viel Ehr? Auseinandersetzungen um die systemische Therapie 15.1. Gender-Sensitivity: Wie frauenfeindlich ist die systemische Therapie? 15.2. Systemische Familientherapie als konservative Sozialtechnologie? 15.3. Alles Erfindung, alles beliebig? 15.4. Entsolidarisierung und fehlende Ethik? 15.5. Fast-Food-Therapy: Muß gute Therapie kurz sein? 16. Was nützt systemische Therapie? Zum Stand der Evaluationsforschung 16.1. Überblick 16 .2 . Ergebnisse aus Sekundäranalysen 16.3. Evaluationsstudien diesseits und jenseits des Kontrollgruppenzwangs 16.4. Zur Wirksamkeit anderer systemischer Settings 16.5. Zur Zukunft der Evaluationsforschung 16.6. Was noch erforscht wird: Nicht-evaluative systemische Forschung 9 248 250 254 256 260 262 262 262 266 268 271 273 276 278 281 285 288 289 290 VI. Schluß: Glauben Sie keinem Lehrbuch! (Allenfalls unserem) 293 VII. Literatur 295 VIII. Register 328 Bildnachweis 333 © 2007; 1996 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 978-3-525-45659-0 Arist von Schlippe / Jochen Schweitzer, Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung Für Rita und Margret © 2007; 1996 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 978-3-525-45659-0 Arist von Schlippe / Jochen Schweitzer, Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung 11 Vorwort Dieses Lehrbuch dürfte in seiner Art einmalig sein. Denn zwar häufen sich die Texte, die sowohl in die Familien- und Paartherapie als auch in die systemische Theorie und Praxis einführen, doch findet sich darunter, soweit mir bekannt, weder im deutsch- noch im fremdsprachigen Schrifttum ein Werk, das sich mit dem vorliegenden vergleichen ließe. Um verständlicher zu machen, auf welch schwieriges und anspruchsvolles Projekt sich die beiden Autoren eingelassen haben, möchte ich die Entwicklung der systemischen Therapie mit den Anfängen der Psychoanalyse vergleichen, die nun schon bald hundert Jahre zurückliegen. Diese verstand sich damals als eine neue Wissenschaft vom Seelenleben, obschon oder weil sie sich weitgehend auf Begriffe und Modelle stützte, die zu jener Zeit die Naturwissenschaften, allen voran Physik und Chemie, anlieferten oder nahelegten. Man denke an Ausdrücke wie Widerstand, Verdrängung, Besetzung, Reaktionsbildung und Sublimierung. Das aus solchen Begriffen geknüpfte Theoriegeflecht machte es möglich, einen neuen Erkenntnis- und Handlungsbereich zu erschließen oder vielleicht richtiger: zu konstruieren. Damit eröffnete sich ein neues Verständnis von seelischen Prozessen und von Psychotherapie, es eröffneten sich neue Perspektiven, ja, es bahnte sich, in Wechselwirkung mit gesellschaftlichen Veränderungen, ein allgemeiner Bewußtseinswandel oder, wie es der Dichter W. H. AUDEN ausdrückte, ein Wandel des geistigen Klimas der westlichen Welt an. Die frühen Psychoanalytiker, die diese Entwicklung anstießen, waren zumeist schöpferische Außenseiter. An den Universitäten fanden oder suchten sie keinen Platz, und sie setzten sich über die Grenzen hinweg, die den wissenschaftlichen Disziplinen gezogen waren. Vieles davon dürfte auch auf die systemische Theorie, Therapie und Beratung zutreffen, wie diese sich in den letzten Jahrzehnten entwickelt haben. Auch sie gediehen weitgehend außerhalb etablierter akademi- © 2007; 1996 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 978-3-525-45659-0 Arist von Schlippe / Jochen Schweitzer, Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung 12 Vorwort scher Strukturen, auch sie sind überwiegend das Werk schöpferischer Außenseiter, auch sie schöpfen aus unterschiedlichen Wissens-, Erfahrungs- und Tätigkeitsbereichen, auch sie eröffneten neue Perspektiven, und auch sie zeigen sich, wie ich meine, als Bewirkende wie auch als Betroffene eines geistigen Klimawandels. Aber es finden sich auch Unterschiede: Der systemische Ansatz läßt sich im Unterschied zu dem der Psychoanalyse nicht auf eine überragende Gründerpersönlichkeit zurückführen, die eine Bewegung hervorbrachte. Er entwickelte sich an vielen Orten und in vielen Köpfen fast gleichzeitig oder in rascher Folge, und es kennzeichnen ihn vielfältige Prozesse der wechselseitigen Befruchtung und der gegenseitigen Durchdringung und Abgrenzung, Prozesse, die nachzuvollziehen und zu beschreiben zukünftigen Historikern noch erhebliche Schwierigkeiten bereiten dürfte. Und systemische Theorie und Praxis nähren sich am Ende unseres Jahrhunderts von Modellen und Denkweisen, die uns inzwischen der postmoderne wissenschaftliche und philosophische Zeitgeist beschert hat, so etwa die Modelle der nach dem Zweiten Weltkrieg erblühenden Systemwissenschaften wie Kybernetik, Informationstheorie, Kommunikationstheorie, Spieltheorie, allgemeine Systemtheorie, Chaostheorie etc. und so auch die Denkweise des radikalen Konstruktivismus. Und sie tun dies zu einer Zeit, da die elektronische Revolution die Bewohner unseres Planeten immer mehr miteinander vernetzt und zugleich einer ständig ansteigenden Informationsschwemme aussetzt. Diese Andeutungen sollen an dieser Stelle genügen, um die Aufgabe zu verdeutlichen, die sich ARIST VON SCHLIPPE und JOCHEN SCHWEITZER mit diesem Buch gestellt haben: Aus der Fülle der rapide anwachsenden und sich aus unterschiedlichsten Quellen und Theorien speisenden Informationen mußten sie auswählen, was dem heutigen Wissensstand entspricht, mußten sie die Spreu vom Weizen trennen, das heißt nur das jeweils Wesentliche übernehmen und dies in verständlicher Sprache darstellen, mußten sie um Zusammenschau, um Integration, aber auch um faire Berichterstattung bemüht sein und durften sie doch die Unterschiede oder gar Konflikte zwischen den theoretischen Positionen und Behandlungsansätzen nicht vertuschen. Und ich kann sie nur bewundern und dazu beglückwünschen, wie elegant sie dieses Projekt bewältigt haben — auch wenn ich selbst an der einen oder anderen Stelle etwas andere Akzente gesetzt hätte. Daß ihnen das so eindrucksvoll gelang, ist sicher nicht nur ihrem weiten Erkenntnishorizont, ihrem Blick für das Wesentliche und ihrer Fähigkeit zur verständlichen Darstellung komplexer Zusammenhänge, sondern wohl © 2007; 1996 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 978-3-525-45659-0 Arist von Schlippe / Jochen Schweitzer, Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung 13 Vorwort auch der Tatsache zu danken, daß sie beide Vollblutkliniker sind, vor deren kritischem Blick letztlich nur Bestand hat, was auch für die Praxis relevant ist. Und dennoch: ungeachtet all meiner guten Wünsche, die dieses Lehrbuch bei seiner Geburt begleiten, beschleicht mich doch die Frage, ob damit nicht auch eine Phase der schöpferischen Anarchie zu Ende geht, die mitzuerleben und wohl auch mitzugestalten nicht zuletzt unserem Heidelberger Team vergönnt war. Bedeutet dies, daß jetzt eine langweiligere Zeit des Ordnens, des Kategorisierens, des Verdeutlichens, des Lehr- und Lernbarmachens, der Verschulung der systemischen Therapie und Beratung eingesetzt hat, die kommen mußte, aber auch zu etwas Wehmut, wenn nicht Besorgnis Anlaß gibt? Immerhin: Auch darin zeigt sich mir das Besondere dieses Buches, daß sich dessen Autoren nicht unbedingt als routinierte Lehrbuchschreiber ausweisen und daß, wie es mir bei der Lektüre des Buches schien, ihre Freude am lockeren Darstellen oder, wenn man so will, ihr schriftstellerischer Spieltrieb der ernsten Lehrbuchbeflissenheit gleichsam immer wieder einen Streich spielt, was, wie ich meine, dem Buch nur guttut. Helm Stierlin © 2007; 1996 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 978-3-525-45659-0 Arist von Schlippe / Jochen Schweitzer, Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung 14 Vorwort der Autoren Systemische Therapie und Beratung haben ihre Adoleszenz hinter sich gebracht, sie sind »erwachsen« geworden: Jahre eines schnellen Wachstums, einer stürmisch-kreativ-chaotischen Entwicklung, des Spottes über »veraltete« Paradigmen und der Individuation gegen diese, der Gruppenstreitigkeiten zwischen rivalisierenden Schulen liegen hinter ihnen. Heute steigt mit zunehmender Zahl an Veröffentlichungen das Bedürfnis nach einem integrierenden Überblick. Systemtherapeutisches Wissen ist in unzähligen Publikationen in Zeitschriften, Büchern und Heften verstreut. Es wird Zeit für ein Lehrbuch, das die Erkenntnisfortschritte mehrerer Dekaden und verschiedener systemtherapeutischer Schulen zusammenträgt, das die Vielfalt bewährter systemischer Praktiken in anschaulicher Form darstellt, die Breite der Anwendbarkeit systemischer Konzepte aufzeigt und das sich schließlich auch der Kritik an der systemischen Arbeit widmet. Es ist unser Anliegen, mit diesem Buch solch ein Lehrbuch vorzulegen. Es ist bewußt breit angelegt und eignet sich damit sowohl für denjenigen, der sich in dem Bereich einen Überblick verschaffen will, als auch für den, der sich gründlich einarbeiten möchte. Gleichzeitig kann es als Handbuch genutzt werden, das heißt die einzelnen Teile beziehungsweise Kapitel sind unabhängig voneinander lesbar. So ist es möglich, sich nur mit dem theoretischen Teil zu befassen oder auch diesen zu überspringen und nur den Praxisteil zu konkreter Anleitung zu nutzen. Bei der Gestaltung des Buches haben wir uns von der Überlegung leiten lassen, daß systemische Therapie und Beratung sich mittlerweile sowohl über die Familie, als auch über die Therapie hinaus entwickelt haben und in andere Beratungskontexte vorgedrungen sind. Nach wie vor werden sie schwerpunktmäßig in den helfenden Berufen rezipiert. Doch werden systemische Denk- und Praxismodelle zunehmend in © 2007; 1996 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 978-3-525-45659-0 Arist von Schlippe / Jochen Schweitzer, Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung Vorwort der Autoren 15 anderen Dienstleistungsbereichen wie Unternehmen, Sozialmanagement, Verwaltung und Politik genutzt. Deshalb muß ein Einführungsbuch neben Grundlagen und Methodik auch die Arbeit mit Einzelnen, Gruppen, Teams und Organisationen zumindest ansatzweise mit beschreiben. Der gewählte Buchtitel soll verdeutlichen, daß wir zwischen systemischer Therapie und systemischer Beratung keine grundsätzlichen theoretischen oder methodischen Unterschiede sehen. Unterschiede ergeben sich eher aus den Handlungsfeldern. Medizin, Psychotherapie, Sozialarbeit, Management und Politik weisen wichtige differente »Eigen-Logiken« auf, auf die sich im systemischen Rahmen tätige Personen sinnvollerweise einstellen sollten. Daher haben wir versucht, spezifische Überlegungen zu unterschiedlichen Bereichen in das Buch mit einzuarbeiten. Wir haben uns entschieden, schulenübergreifend den »Stand der Kunst« darzustellen und dabei zugleich nicht darauf zu verzichten, Streitpunkte (auch zwischen uns), Widersprüche und Unterschiede deutlich zu machen. Wir konzentrierten uns schwerpunktmäßig auf Modelle, die etwa seit Beginn der 80er Jahre diskutiert werden. Eine Begrenzung ist notwendig, auch wenn eine Reihe klassischer Konzepte so nicht die Würdigung erfahren, die ihnen zukommt und die wir ihnen gegenüber auch selbst empfinden, etwa das Delegationskonzept von BOSZORMENYI-NAGY und STIERLIN oder die Ansätze von SATIR und MINUCHIN. Daher sei hier explizit auf zusammenfassende Darstellungen verwiesen etwa bei VON SCHLIPPE 1984, KRIz 1985, STIERLIN 1994. Wir Autoren sind seit langem miteinander befreundet und gleichzeitig Lehrtherapeuten an zwei konkurrierenden Weiterbildungsinstituten. Wir arbeiten an verschiedenen Fakultäten verschiedener Universitäten. Unsere Entwicklungen sind von unterschiedlichen »Schulen« systemischer Therapie geprägt und haben uns doch einen ähnlichen Weg von wachstumsorientierten und strukturellen Modellen zu systemisch-konstruktivistischen Ansätzen geführt, wobei wir uns die Vorliebe für eine erlebnisintensive, handlungsorientierte und spielerische therapeutische Methodik bewahrt haben. In dieser Konstellation sehen wir die Chance, daß dieses Buch einen Beitrag dazu leistet, daß systemische Therapie und Beratung sich weniger in Schulen und Richtungen verzetteln, sondern daß die Beiträge sowohl verschiedener Ausbildungsinstitute als auch verschiedener Modelle zu einem modernen systemischen Rahmenkonzept gewürdigt werden. Wir haben lange überlegt, wie wir mit der männlichen und weibli- © 2007; 1996 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 978-3-525-45659-0 Arist von Schlippe / Jochen Schweitzer, Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung 16 Vorwort der Autoren chen Form der Bezeichnung von Personen beiderlei Geschlechts umgehen wollen. Eine durchgehend doppelte Benennung beeinträchtigt unseres Erachtens die Lesbarkeit, ebenso eine durchgehend männliche oder weibliche Form. Wir haben uns entschieden, mit allen Formen zu experimentieren, um durch dieses Stilmittel die Sensibilität für die Thematik im Bewußtsein zu halten. Es sind natürlich immer beide Geschlechter gemeint, auch da, wo wir nur eine Form verwendet haben. Ein jedes Buch hat viele »Mütter« und viele »Väter«. Wir danken neben den vielen, von denen wir gelernt haben, besonders unseren Kolleginnen und Kollegen vom Heidelberger Institut für Systemische Forschung und vom Weinheimer Institut für Familientherapie für zahllose Anregungen und Diskussionen, die sich in diesem Buch niedergeschlagen haben. Explizit danken wir JÜRGEN KRIZ für seine freundschaftliche Unterstützung sowie REINHARD Voss und KAI HAMBORG für wichtige Hinweise zu den Bereichen Schule und Management/Organisationsberatung. Ganz besonders zu Dank verpflichtet sind wir MATTHIAS OcHs für seine kenntnisreichen Anregungen und hilfreiche Kritik. Arist von Schlippe und Jochen Schweitzer © 2007; 1996 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 978-3-525-45659-0 Arist von Schlippe / Jochen Schweitzer, Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung 17 I. Geschichte und Überblick 1. Von der Familientherapie zur systemischen Therapie und Beratung Die systemische Therapie entstand nicht von heute auf morgen. Ihre Wurzeln reichen weit in die Psychotherapiegeschichte hinein. In den 50er Jahren begannen erste Pioniere, das gewohnte Feld der Einzeloder Gruppentherapie zu verlassen und mit Familien zu arbeiten. Die Familientherapie entstand, und ihre Konzepte gewannen immer mehr Anhänger. Je mehr die Familientherapie sich ein anerkanntes Terrain eroberte, desto mehr wurde die Orientierung an der Familie als Behandlungseinheit hinterfragt. Schließlich ist sie nur eine Form, in der Menschen sich sozial organisieren. Die Bedeutung einer systemischen Perspektive als einer bestimmten Weise, die Welt wahrzunehmen, rückte in der Vordergrund: »Von der Familientherapie zur systemischen Perspektive« (REITER et al. 1988). Familientherapie und systemische Therapie beanspruchen bis heute, mehr zu sein, als nur eine weitere Therapieform. Systemtherapeutische Techniken ergeben sich aus der Frage, wie in sozialen Systemen Menschen gemeinsam ihre Wirklichkeit erzeugen, welche Prämissen ihrem Denken und Erleben zugrunde liegen und welche Möglichkeiten es gibt, diese Prämissen zu hinterfragen und zu »verstören«. Je mehr diese Aspekte in den Vordergrund traten, um so weniger wichtig wurde die Frage, mit welchem sozialen (Teil-)System man gerade arbeitete oder ob wirklich immer die ganze Familie anwesend sein müsse. Zunehmend weniger wird daher von »Familientherapie« gesprochen, zunehmend mehr von »systemischer Therapie«, beziehungsweise außerhalb des engeren Psychotherapiefeldes von »systemischer Beratung«. Dieser Entwicklungsgang soll im folgenden nachgezeichnet werden. © 2007; 1996 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 978-3-525-45659-0 Arist von Schlippe / Jochen Schweitzer, Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung 18 Geschichte und Überblick 1.1. Einige Geschichten zur Familientherapie Die Liste möglicher Vorläufer der Familientherapie ist lang. Erste Ansätze familienorientierter Arbeit finden sich bereits in der Sozialarbeit des letzten Jahrhunderts. Bereits 1890 kritisierte die amerikanische Sozialarbeiterin ZILPA SMITH ihre Kollegen: »Die meisten von euch behandeln arme oder kranke Einzelpersonen, ohne ihre Familienbeziehungen zu sehen. Wir behandeln die Familie als Ganzes, meist mit dem Ziel, sie zu erhalten, manchmal aber auch, um bei der Auflösung zu helfen« (BRODERICK U. SCHRADER 1981, S. 6, übers.von uns). Auch in Psychologie und Psychotherapie sind einige Namen zu nennen, die den Weg für eine systemorientierte Sichtweise bereiteten: z. B. KURT LEWtN mit seiner Feldtheorie (»Der Lebensraum einer Person als Feld«) oder JACOB MORENO, der Begründer des Psychodramas, der den Menschen und sein soziales Netz als unauflösliche Einheit betrachtete. Als Vorläufer kann man auch ALFRED ADLER ansehen. Seine Theorie ist im wesentlichen eine Theorie der sozialen Determinierung menschlichen Verhaltens. Doch ist es wichtig, an dieser Stelle eine Unterscheidung zu treffen zwischen einer familienbezogenen Sichtweise von Problemen und der Entwicklung explizit systemischer Interventionsformen. Das wissenschaftliche Interesse ging noch für lange Zeit in die Richtung der Suche nach Ursachen beziehungsweise der einen Ursache psychischer Störungen. Diesem Muster folgten lange auch die frühen Familienstudien etwa ab den 40er Jahren. Das Interesse daran stieg sprunghaft an, zunächst über die Entdeckung der »schizophrenogenen« oder allgemeiner der »pathogenen« Mutter. In ausgesprochen maskulinistischer Tendenz wurde beispielsweise über das »gestörte sexuelle Leben der Mütter« gesprochen, die den Eindruck von »erotisch nicht ausgereiften Frauen« machten — und offensichtlich über erotisch ausgereifte Männer verfügten, deren Sexualleben völlig ungestört verlief. Wie die Männer das anstellten, entzog sich der Beobachtung, es wurde ja nach einer innerhalb einer Person liegenden Ursache gesucht. Familienbefunde in dieser Zeit wurden in Form linearer Verursachungsketten dargestellt — etwa über die Unterscheidung verschiedener »maternaler Mißbrauchsmodi«. Dennoch soll diese Periode nicht abqualifiziert werden. Sie zeigt, wie schwierig es war und ist, sich aus vorgegebenen Denkschemata zu lösen. Sie macht deutlich, wie sehr die Prämissen, auf denen unser Denken beruht, die Kategorien, die wir vor unserer Wahrnehmung bereits entwickelt haben, diese in einer Weise beeinflussen, daß wir nur wenige Jahr- © 2007; 1996 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 978-3-525-45659-0 Arist von Schlippe / Jochen Schweitzer, Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung Von der Familientherapie zur systemischen Therapie und Beratung 19 zehnte später kopfschüttelnd vielleicht sogar das bestaunen, was wir selbst geschrieben haben. In dieser Zeit wurden auch die ersten Versuche gemacht, den Rahmen des durch die Psychoanalyse vorgegebenen Settings zu verlassen. Es kam zu verschiedenen, zunächst vereinzelten Versuchen, die Familie mit einzubeziehen, wobei eine Familientherapie im heutigen Sinne wohl noch nicht durchgeführt wurde, sondern eher gruppentherapeutische Techniken auf Schizophrene und deren Eltern übertragen wurden, etwa in Form gemeinsamer Gruppenpsychotherapie mit Müttern und Töchtern oder Therapiegruppen für Patienteneltern und anderes (SCHINDLER war hier ein Vorreiter, S. HOSEMANN et al. 1993). All diese Versuche ermöglichten den Perspektivenwandel, der für die damaligen Theoretiker und Praktiker so dramatisch war, daß sie ihn als »Paradigmawechsel« erlebten und beschrieben. Als ein erster Meilenstein erschien 1945 das Buch von RICHARDSON: »Patients have Families«, und es scheint, als sei dies zu dem Zeitpunkt tatsächlich eine sensationelle Entdeckung gewesen. Anders als bei FREUD kann bei der systemischen (Familien-)Therapie nicht von einem genialen Begründer gesprochen werden, auf den sich alle Theoriebildung aufbaute. Es sind eher eine ganze Reihe herausragender Persönlichkeiten hier zu nennen, und es dürfte nicht zu entscheiden sein, wer »der oder die erste« war, der/die mit Familien begann zu arbeiten. Die Geschichte, die VIRGINIA SATIR (oft als »Mutter der Familientherapie« bezeichnet) gern erzählte, wenn sie von der Entstehung der Familientherapie spricht, spiegelt sicher stellvertretend die Erfahrungen vieler ihrer Kollegen wider: Ihr war 1951 eine 26jährige Schizophrene überwiesen worden, die bereits von mehreren Therapeuten erfolglos behandelt worden war. Nach sechs Monaten, in der Therapie hatten sich Fortschritte gezeigt, rief plötzlich die Mutter dieser Frau an und drohte SATIR mit einer Klage wegen »Entfremdung von Zuneigung«. SATIR: »Aus irgendeinem Grund hörte ich an diesem Tag zwei Botschaften in der Stimme der Mutter: eine verbale Drohung und eine nonverbale Bitte. Ich entschied mich auf die Bitte einzugehen und die Drohung zu ignorieren. Ich lud sie ein, zu mir zu kommen. Zu dieser Zeit war das eine äußerst ungewöhnliche Sache, die ich tat. Gleichwohl nahm sie meine Einladung an« (zit. nach JÜRGENS U. SALM 1984, S. 404). Im ersten gemeinsamen Kontakt, so SATIR, sei ihr aufgefallen, daß die Patientin sich wieder so verhielt wie in den ersten Tagen zu Beginn der Therapie, und SATIR erarbeitete mit beiden ein neues Gleichgewicht. Die Frage nach dem Vater führte dann zum nächsten Schritt bei der Ausweitung des Settings. Der Kommentar SATIRS mag die Stimmung in der Fachwelt gut widerspiegeln: »Damals wurden Väter nicht wirklich als ein Teil des Gefühlslebens einer Familie angesehen, deshalb dachten Therapeuten gewöhnlich gar nicht an sie.« Als der Vater kam, erlebte SATIR einen neuen Schock: »Sowohl die Mutter als auch die Tochter waren da, wo wir angefangen hatten.« Hatte sie zu Beginn auf die intra- © 2007; 1996 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 978-3-525-45659-0 Arist von Schlippe / Jochen Schweitzer, Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung 20 Geschichte und Überblick psychischen Aspekte der Tochter geachtet, im nächsten Schritt an der Kommunikation zwischen Mutter und Tochter wichtige Aspekte der später formulierten Kommunikationstheorie wahrgenommen, so entdeckte sie nun Strukturaspekte des Systems, der Triade: Allianzen, Koalitionen, Einbeziehung eines Dritten in einen verdeckten Konflikt und so weiter. Nach einiger Zeit zog sie noch den »perfekten Bruder« der Patientin hinzu und erarbeitete mit der ganzen Familie ein Gleichgewicht, das erlaubte, die Therapie erfolgreich zu beenden. In den 50er und 60er Jahren waren es vor allem drei Institute, die durch Forschungsarbeiten zur Schizophrenie die Entwicklung vorantrieben. An der Yale-Universität arbeitete ein Team um THEODORE LIDZ, in Washington, am National Institute for Mental Health (NIMH), forschten LYMAN WYNNE und Mitarbeiter (z. B.WYNNE U. SINGER 1965). In Palo Alto schließlich entstand das »Mental Research Institute«, kurz MRI (s. hierzu BODIN 1981). Es wurde 1959 von DON JACKSON, JULES RISKIN und VIRGINIA SATIR gegründet, später arbeiteten unter anderem JAY HALEY, PAUL WATZLAWICK, JOHN WEAKLAND, RICHARD FISCH dort (die frühen Arbeiten des MRI sind bei BATESON et al. 1969 zusammengefaßt). Dieses Institut erregte besondere Aufmerksamkeit durch Studien zur Schizophrenie im sozialen Kontext, speziell durch die Double-bind-Theorie (»Doppelbindungstheorie« — siehe Kasten). Es muß eine sehr aufregende Zeit gewesen sein. Einerseits standen die Vorreiter einer anderen Art, Probleme zu sehen, unter großem Druck ihrer Standeskollegen, für die oft noch die strikten Abstinenzregeln der klassischen Psychoanalyse galten, andererseits eröffneten sich unter familientherapeutischer Perspektive neue und interessante Möglichkeiten, die Probleme von Menschen zu verstehen. SATIR berichtet über diese Zeit: »Diese frühe Periode war aufregend für diejenigen von uns, die mit Familien zu arbeiten begonnen hatten, denn wir bewegten uns auf völlig neuem Gebiet. Es war ängstigend, sich über die Grenzen des Erlaubten hinauszuwagen, denn wir setzten theoretisch und manchmal buchstäblich unser berufliches Ansehen aufs Spiel« (JÜRGENS u. SALM 1984, S. 405). Es können an dieser Stelle nicht alle Pioniere und Gründer familientherapeutischer Schulen vorgestellt werden. Es handelt sich um ein sehr weitmaschig vernetztes Feld von Personen, Orten und Institutionen. Zu nennen sind hier neben den bereits erwähnten noch NATHAN ACKERMANN in New York (nach seinem Namen ist eines der bedeutendsten systemischen Ausbildungsinstitute in Amerika benannt), CARL WHITAKER, JOHN BOWLBY, MURRAY BOWEN, RONALD LAING und DAVID COOPER, ROBIN SKYNNER und viele andere (vgl. STIERLIN 1994). IVAN BOSZORMENYI-NAGY legte mit der Entwicklung der Mehrgeneratio- © 2007; 1996 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 978-3-525-45659-0 Arist von Schlippe / Jochen Schweitzer, Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung Von der Familientherapie zur systemischen Therapie und Beratung 21 Was ist Double-bind? Zunächst ist eine Grundbedingung das Bestehen einer engen Beziehung, die für einzelne oder alle Beteiligten eine hohe Bedeutung hat (z. B. für das Kind in einer Familie, aber auch in anderen Kontexten, z. B. Psychotherapie, materielle Abhängigkeit, Krankheit usw.). Gleichzeitig ist dieser Kontext durch eine gewisse Anspannung gekennzeichnet, wie sie eine »Straferwartung« mit sich bringt: ein Lernkontext, der eher auf der Vermeidung von Strafe aufbaut als auf dem Streben nach Belohnung. In dieser angespannten Situation sieht sich eine Person einer paradoxen Aussage oder auch einer paradoxen Aufforderung ausgesetzt. Paradox deshalb, weil sie zwei unvereinbare Signale enthält — etwa die mit zusammengekniffenen Lippen gemachte Aussage: »Natürlich liebe ich dich, das weißt du doch!« Auf welcher Seite der Botschaft man dann auch reagiert, man hat eine Bestrafung zu erwarten. Paradoxe Handlungsaufforderungen beziehen sich auf Verhalten, das nicht ausgeführt werden kann, da es nur spontan entstehen kann: »Ich möchte, daß du auf mich zugehst und mir zeigst, daß du mich liebst!« oder: »Was soll ich denn jetzt mit dem Blumenstrauß, jetzt hast du ihn mir doch nur mitgebracht, weil ich gestern gesagt habe, daß du mir nie Blumen mitbringst! Du sollst sie mir freiwillig, von dir aus mitbringen!« Zu dieser Kommunikation müssen noch drei Aspekte hinzutreten: — das Verbot über die Situation zu sprechen (die Metakommunikation ist tabuisiert), — das Verbot, die Situation zu verlassen, — eine Allgegenwart dieser Kommunikationsform, die eine habituelle Erwartung eines »paradoxen Universums« erzeugt. Unter diesen Bedingungen ist, so die Autoren, ein Kontext gegeben, in dem das Auftreten schizophrener Kommunikation wahrscheinlich ist (nach BATESON et al. 1969, WATZLAWICK et al. 1969). Die Double-bind-Theorie hatte für die Entwicklung der Familientherapie eine große Bedeutung, auch wenn sie bis heute umstritten und nicht empirisch bewiesen und wohl auch nicht beweisbar ist (OLsoN 1972). Eine ausführliche kritische Auseinandersetzung mit der Theorie findet sich in CRONEN et al. 1982. nenperspektive von Vermächtnis und Verdienst die Grundlage für die Entwicklung des frühen Heidelberger Modells. In der Philadelphia Child Guidance Clinic entwickelte SALVADOR MINUCHIN mit der strukturellen Familientherapie ein Konzept, das in den 70er und den beginnenden 80er Jahren sehr beliebt war. Besonderes Aufsehen erregte Mitte der 70er Jahre das Team um MARA SELVINI PALAZZOLI aus Mailand. Das Mailänder Modell ist für praktisch alle Konzepte systemischer Therapie von unschätzbarer Bedeutung geworden. Daher wird es in den nächsten Abschnitten dieses Kapitels ausführlicher vorgestellt. In Deutschland lehnten sich die frühen Konzepte eng an die Psychoanalyse an, so etwa das familientherapeutische Modell HORST EBER- © 2007; 1996 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 978-3-525-45659-0 Arist von Schlippe / Jochen Schweitzer, Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung 22 Geschichte und Überblick HARD RICHTERS in Gießen (1963, 1972). RICHTER gründete 1971 die »Arbeitsgemeinschaft für Familienforschung und Familientherapie« (REITER 1988), aus ihr ging die »Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Familientherapie« (DAF) hervor, die bis heute als familientherapeutischer Verband aktiv ist. Die Arbeitsgruppe um ECKHARD SPERLING in Göttingen zählt ebenfalls zu den psychoanalytisch ausgerichteten Pionieren (SPERLING 1983, MASSING et al. 1982), das Konzept der »Beziehungsanalyse« von THEA BAURIEDL (z. B. 1980) ist in diesem Zusammenhang ebenfalls zu erwähnen. Auch das Heidelberger Modell der Arbeitsgruppe um HELM STIERLIN entstand anfangs in der Tradition psychoanalytischen Denkens. Im Lauf seiner Weiterentwicklung wurden zunehmend Anregungen des Mailänder Modells, später auch lösungsorientierter und narrativer Ansätze integriert, so daß es heute in Theorie und Methodik als explizit systemisches Konzept anzusehen ist, das vor allem im Umgang mit »harten« Krankheiten und »rigiden« Systemen sowie in der engen Theorie-Technik-Verbindung seine besondere Stärke hat (StmoN 1988a, WEBER U. STIERLIN 1989, RÜCKEREMBDEN-JONASCH U. EBBECKE-NOHLEN 1992, STIERLIN 1994, KETZER 1994, SCHWEITZER U. SCHUMACHER 1995). Im deutschen Sprachraum ebenfalls weit verbreitet ist das Konzept des Instituts für Familientherapie Weinheim, ursprünglich 1975 von MARIA BOSCH gegründet. Von der Humanistischen Psychologie und dem Ansatz VIRGINIA SATIRS ausgehend stellt das »Weinheimer Modell« gegenwärtig einen Versuch dar, die Vielfalt systemischer Perspektiven, speziell den Mailänder Ansatz, die Selbstorganisationstheorie und das Reflektierende Team zu integrieren (voN SCHLIPPE U. KRIZ 1987, MOLTER U. VON SCHLIPPE 1991, TRÖSCHER-HÜFNER 1991, besonders auch das Buch zur systemischen Paartherapie von LENZ et al. 1995). Erwähnt werden soll hier noch das Konzept der Hamburger Arbeitsgruppe um KURT LUDEWIG, der 1992 unter expliziter Bezugnahme auf die Theorie MATURANAS einen Entwurf einer »allgemeinen systemischen Therapie« vorstellte. In der Schweiz sind die Arbeiten des »Instituts für Ehe und Familie« und der aus ihm hervorgegangenen Arbeitsgruppen bedeutsam, z. B. von JOSEF DUSS-VON WERDT et al. (1995) zur Scheidungsmediation und z. B. von ROSMARIE WELTER-ENDERLIN (1992) zur Paartherapie; (zur Arbeit des »Meilener Instituts« s. a. WELTER-ENDERLIN U. HILDENBRAND 1996). JüRG WILLI und Mitarbeiter entwickelten an der Grenzlinie zur Psychoanalyse Konzepte unter anderem für die Paartherapie (1976, 1991a) und für die psychosomatische Konsiliartätigkeit (1991b). Ebenfalls in der Schweiz lehrt GOTTLIEB GUNTERN, der ausgehend vom Ansatz MINUCHINS eine komplexe © 2007; 1996 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 978-3-525-45659-0 Arist von Schlippe / Jochen Schweitzer, Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung Von der Familientherapie zur systemischen Therapie und Beratung 23 »Ökoanthropologie« formulierte (z. B.1992). Mit einem provokanten Artikel über den »Paradigmawechsel« löste er 1981 eine heftige Debatte zwischen Familientherapie und anderen Therapieformen aus. In Österreich hat die Arbeitsgruppe um LUDWIG REITER (z. B. REITER et al. 1988) u. a. das Konzept des »Reflektierenden Teams« (S. 199-204) weiterentwickelt und sich zugleich um die empirische Überprüfung systemischer Therapie bemüht (s. a. REITER et al. 1993). Die Aufzählung bleibt notwendigerweise subjektiv, Vollständigkeit dürfte an dieser Stelle unmöglich sein. Eine interessante Rückschau auf die letzten 20 Jahre deutschsprachiger Familientherapie mit Interviews einer ganzen Reihe der hier erwähnten Personen findet sich bei HOSEMANN et al. 1993. 1.2. Modelle im Überblick Die systemische Therapie gibt es nicht. Vielmehr ist darunter ein breiter Oberbegriff zu verstehen, der so etwas ist wie eine Klammer um eine Vielzahl von Modellen, die durchaus auch in sich sehr heterogen sein können (LIEB 1995). Bei aller Vorsicht, die solch einem Vorhaben zukommt, soll an dieser Stelle versucht werden, die verschiedenen Modelle und Konzepte systemischer Therapie in einem Schema zusammengefaßt darzustellen (S. 24). Wir sind uns dessen bewußt, daß wir damit weder allen Modellen gerecht werden können, noch daß die dargestellten durch die grobe Systematisierung in Konzepte »klassischer« Orientierung, »Kybernetik 2. Ordnung« und »narrative Ansätze« angemessen erfaßt werden. Gerade bei den letzten beiden Kategorien dürften die Überschneidungen sehr groß sein. Dennoch hoffen wir, daß die Systematik ein wenig zur Entwirrung beiträgt. Jedes der erwähnten Modelle hat zur Entwicklung moderner systemischer Therapie und Beratung einen spezifischen Beitrag geleistet; systemisches Arbeiten bezieht sich mehr oder weniger deutlich auf diese Konzepte. Dies hat damit zu tun, daß es ja nicht die reinen Konzepte sind, die sich »fortpflanzen«, sondern daß therapeutische Kompetenz in der jeweils ganz persönlichen Auseinandersetzung jedes Therapeuten mit einer Vielzahl von verschiedenen Lehrern und Lehrerinnen erworben wird (vgl. ORLINSKY 1994), die als Modelle, sei es über eine begeisterte Übernahme oder empörte Abgrenzung, systemische Praxis beeinflußten. Das große Verdienst der strukturellen Familientherapie MINUCHIN s liegt darin, daß in diesem Konzept die Bedeutung von Grenzen und © 2007; 1996 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 978-3-525-45659-0 Arist von Schlippe / Jochen Schweitzer, Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung 24 Geschichte und Überblick Systemtherapeutische Modelle im Überblick Name Quelle Systembegriff Zentrale Methoden Struktur, Grenzen Hierarchien Herausfordern der Grenzen Stabilisilierung der Subsysteme Psychoanalyse Unsichtbare Bindungen über Generationen Klärung der »Konten« und der Vermächtnisse Humanistische Psychologie Selbstwert und Kommunikation Skulptur, Reframing Kybernetik Familie als kybernetischer Regelkreis Paradoxie, Ordeals, Hausaufgaben Kybernetik Das Familienspiel Zirkularität, Hypothetisieren, Neutralität, Paradox II. »KYBERNETIK 2. ORDNUNG« Systemisch-konstrukKonstruktitivistische Therapie vismus (z. B. BoscoLo et al. Familienspiele als Sprachspiele Zirkuläre Fragen, Hypothetische Fragen Menschen konstruieren multiple Realitäten Reflecting Team, Kooperation Soziale Konstruktion sozialer Realitäten durch Sprache Multiple Dialoge, Kreation kooperativer Kontexte, Reflektierendes Team Systeme bestehen aus Geschichten, Menschen sind Erzähler Externalisierung, Suche nach Ausnahmen »Aus der Sprache gibt es kein Entrinnen« Solution Talk, »Wunderfrage«, Hausaufgaben I. KLASSISCHE MODELLE Strukturelle StrukturaFamilientherapie lismus (z. B. MINUCHIN 1977) MehrgenerationenModell (z. B. BOSZORMENYINAGY u. SPARE 1981; STIERLIN 1978) Erlebnisorientierte Familientherapie (z. B. SATIR 1990, WHITAKER 1991) Strategische Familientherapie (z. B. HALEY 1977) Systemisch-kybernetische Familientherapie (SELVINI PALAZZOLI et al. 1977) 1988, STIERLIN 1988a) Reflecting Team (z. B. ANDERSEN 1990) Konstruktivismus III. NARRATIVE ANSÄTZE Therapie: konstruktive Sozialer und hilfreiche Dialoge Konstruk(z. B. ANDERSON u. GOOLISHIAN 1990, 1992) tionismus Therapie als Dekonstruktion (z. B. WHITE 1992) Postmoderne Philosophie (z. B. DERRIDA, Lösungsorientierte Kurz-Therapie (z. B. DE SHAZER 1989) SprachPhilosophie FOUCAULT) (DERRIDA, © 2007; 1996 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 978-3-525-45659-0 Arist von Schlippe / Jochen Schweitzer, Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung Von der Familientherapie zur systemischen Therapie und Beratung 25 Strukturen thematisiert wurde. Bis heute bleibt es eine hilfreiche Frage in der Arbeit mit Familien, auf welche Weise das Elternsubsystem und das der Kinder miteinander in Beziehung sind und ob die Grenzen in der Familie klar oder diffus sind. Die mutige und klare, oft konfrontative Art MINUCHINS hat viele ermutigt, in der Therapie Wagnisse einzugehen und eine deutliche Sprache zu sprechen. MINUCHIN und seine Arbeitsgruppe gehören darüber hinaus bis heute zu denjenigen, die ihre Arbeit systematisch empirischer Überprüfung unterzogen (vgl. APONTE U. VANDEUSEN 1981) und die Konzepte für die Arbeit mit Randschichtfamilien entwickelten (MiNucHIN et al. 1967). Das Mehrgenerationenkonzept, das BOSZORMENYI-NAGY formulierte und das zum Konzept von Delegation und bezogener Individuation von STIERLIN (z. B. 1975) weiterentwickelt wurde, führte die Perspektive in die systemische Therapie ein, über das aktuelle Geschehen hinaus danach zu suchen, wie Verhalten, Erleben oder auch Symptome Sinn ergeben, wenn man Vermächtnisse aus früheren Generationen berücksichtigt und die Frage stellt, inwieweit diese erfüllt wurden beziehungsweise erfüllbar waren. Eine generationenübergreifende Perspektive wurde auch in den familientherapeutischen Konzepten eingenommen, die wir in Tabelle 1 unter dem Begriff »erlebnisorientiert« zusammengefaßt haben. Es ist das große Verdienst von SATIR, gerade in einer Phase, in der der Blick auf das Individuum und auf die therapeutische Beziehung eher vernachlässigt wurde, darauf verwiesen zu haben, daß der Selbstwert einer Person für eine stimmige Kommunikation unerläßlich ist, und daß somit eine vertrauensvolle therapeutische Beziehung einen wesentlichen Bestandteil des Veränderungsprozesses darstellt (vgl. die Untersuchungen von GREEN U. HERGET 1991). Ihre Fähigkeit, schnell einen herzlichen und liebevollen Kontakt aufzubauen, bleibt bis heute bewundernswert. Die dem erlebnisorientierten Ansatz zugeschriebene Methode der Familienskulptur ist bis heute Standardmethode in der systemischen Arbeit. WHITAKER, der ebenfalls dieser Orientierung zugerechnet werden kann, betonte die Bedeutung des kreativen Spiels. In seiner sehr unorthodoxen Art zu arbeiten ist er bis heute ein Vorbild, wie man die von Theorien gesteckten Grenzen kreativ und erfolgreich überschreitet. Aus der strategischen Familientherapie, die sich mit dem Namen JAY HALEYS verbindet, bezieht die systemische Therapie bis heute eine besondere Sensibilität für die verschiedenen Positionen, in die man als Therapeut geraten kann. Auch wenn es gegenwärtig für weniger wichtig gehalten wird, daß der Therapeut »up« bleibt im Sinne von Macht und Überlegenheit, so geht es doch bis heute darum, wie es für Thera- © 2007; 1996 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 978-3-525-45659-0 Vandenhoeck & Ruprecht Über die Familientherapie hinaus hat sich systemisches Denken weite Arbeitsfelder erschlossen, von der Einzel- und Paartherapie über die Supervision bis zur Organisationsentwicklung, in der Medizin und Sozialarbeit wie im Management und Politikberatung. Das Buch entwickelt, jederzeit praxisbezogen, die theoretischen Konzepte, die hinter systemischem Denken stehen, macht eingehend vertraut mit den Techniken und Anwendungsmöglichkeiten und veranschaulicht sie an zahlreichen Fallbeispielen. Aktuelle Kontroversen werden aufgegriffen, in der Kritik der systemischen Therapie werden auch künftige Entwicklungslinien und innovative Anwendungsfelder deutlich. Die Autoren Prof. Dr. phil. Arist von Schlippe, Diplom-Psychologe, lehrte viele Jahre Klinische Psychologie an der Universität Osnabrück und hat seit 2005 den Lehrstuhl für Führung und Dynamik von Familienunternehmen an der Wirtschaftsfakultät der Universität Witten/Herdecke inne. Er ist Psychologischer Psychotherapeut und Lehrtherapeut für Systemische Therapie am Institut für Familientherapie Weinheim. Prof. Dr. rer. soc. Jochen Schweitzer, Diplom-Psychologe, ist Professor für Medizinische Psychologie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Heidelberg und leitet dort die Sektion Medizinische Organisationspsychologie. Er ist Psychologischer Psychotherapeut, Kinder- und Jugendlichentherapeut und Lehrtherapeut für Systemische Therapie am Helm Stierlin Institut. ISBN 978-3-525-45659-0 9 783525 456590 www.v-r.de