hotel lux

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hotel lux
11.2011
www.engels-kultur.de
HOTEL LUX
EIN FILM VON LEANDER HAUSSMANN
www.hotel-lux-film.de
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Am nördlichen Nachbarn ein Beispiel nehmen?, Foto: Francis Lauenau
www.engels-kultur.de I November 2011
Schilderwald
engels-Thema.
Im letzten Monat beschloss der Landtag in Düsseldorf, dass Städte zukünftig Namenszusätze auf ihre Ortsschilder schreiben lassen können. Kaiserstadt Aachen, Domstadt Köln, Meisterstadt Dortmund … Nun möchten viele
hiesige Lokalpolitiker flächendeckend gelbe Schilder anbringen lassen, auf
denen „Schwebebahnstadt Wuppertal“ zu lesen ist. Wer jetzt wieder meckert, dass dieser Plan eine völlig unnütze Verschwendung von Steuergeldern
bedeuten würde, dem sei ein Blick Richtung Norden empfohlen. In Bochum
stehen allen Ernstes Schilder, auf denen ist zu lesen: „Feuerwehrzufahrt –
Stadt Bochum – Die Oberbürgermeisterin“. Was, liebe ähnlich verschuldete
Bochumerinnen und Bochumer, wird geschehen, wenn die Amtszeit eurer OB
endet und sich keine weitere Frau findet, die diesen Höllenjob übernimmt?
Wird dann ein Mann diskriminiert, oder wandern Tonnen von nützlichen
Hinweisschildern auf den Schrott?
Apropos Städtenamen: Im vergangenen Monat kam aus der Stadt, die nach
unserem berühmtesten Sohn benannt wurde, also aus Engels an der Wolga, eine Delegation zu Besuch. engels sprach über die Fortschritte bei der
Entwicklung der Beziehungen der beiden Städte mit HARALD NOWOCZIN
vom Vorstand des Vereins KULTURBRÜCKE WUPPERTAL-ENGELS. Weniger
harmonisch ist zurzeit das Verhältnis zwischen Griechen und Deutschen. Im
engels- Thema EURO wurden die Auswirkungen der Währungskrise auf Wuppertal untersucht. Passend zur globalen Bankendämmerung inszeniert Christian von Treskow in der WUPPERTALER OPER die globalisierungskritische
Komödie DIE KONTRAKTE DES KAUFMANNS von Elfriede Jelinek. Taler und
Talar müssen wandern. Auch in der Oper FALSTAFF von Giuseppe Verdi geht
es letztlich um eine Schuldenkrise, allerdings eine private. Der Titelheld will
seine Zeche von netten Frauen begleichen lassen, wird stattdessen beinahe
erstickt, fast ersäuft und schließlich ordentlich verprügelt. Doppelpremiere
wird gefeiert am TEO OTTO THEATER Remscheid und an der WUPPERTALER
OPER. Am Bahnhof Mierke entsteht derzeit die UTOPIASTADT unter Federführung des Allroundtalent CHRISTIAN HAMPE, den engels in diesem Monat
portraitiert. Die Wuppertaler Künstler JÜRGEN HIBY und GERD HANEBECK
stellen ihre ganz unterschiedlichen Plastiken und Gestaltungen im SPARKASSENFORUM in Wuppertal-Elberfeld aus.
Das Kino überrascht in diesem Monat. Ein Film, in dem Michael „Bully“ Herbig nur vor der Kamera steht, nicht auch dahinter? In HOTEL LUX spielt er
einen Komödianten zu Zeiten von Hitler und Stalin, der in der legendären
Exilantenherberge um sein Überleben ringt. Kein Klamauk, eher bittere Satire. engels sprach mit dem zweiten Hauptdarsteller des Films JÜRGEN VOGEL.
Paolo Sorrentinos Roadmovie CHEYENNE – THIS MUST BE THE PLACE hingegen erzählt von einem kauzigen abgehalfterten Rockstar, der auf der Suche
nach der Geschichte seines Vaters sich selbst wiederfindet. Film des Monats
ist THE FUTURE. Die Zukunft findet in diesem Film allerdings nicht statt, weil
die Hauptperson kurz vor dem Zerbrechen ihrer Ehe die Zeit anhält.
LUTZ DEBUS
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Die Euro-Krise – welchen Einfluss hat sie auf Menschen in Wuppertal?
Interviews: „Die Schlagzeile macht die Nachricht“, „Es wird am Euro gezündelt“
Bühne.
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Verdis „Falstaff“ am Teo Otto Theater Remscheid
Klassik in NRW: Die Oper Köln gastiert im Oberlandesgericht
Opernzeit: „Hoffmanns Erzählungen“ am Aalto-Theater Essen
Musical in NRW: Neue Stücke in Köln, Neuss und Aachen
Tanz in NRW: Vier Beispiele für gelungene Tanzförderung im Tanzland NRW
Theater an der Wupper: „Die Kontrakte des Kaufmanns“ an der Oper Wuppertal
Theater in NRW: Das Netzwerk „west off“ fördert den Theateraustausch
Kino.
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Film des Monats: „The Future“ von Miranda July
Hintergrund: „Hotel Lux“ von Leander Haußmann
Film-Kritiken
Roter Teppich: Jürgen Vogel über „Hotel Lux“ und seine Anfänge als Kindermodel
Hintergrund: „Cheyenne“ von Paolo Sorrentino
Filmwirtschaft: Blick auf den prägenden Filmproduzenten Walt Disney
Literatur.
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Textwelten: Wege zu Kleist im Jahr seines 200. Todestages
Poetry: Sebastian23 macht sich Gedanken über Bi(e)ber und die Welt
Musik.
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Popkultur in NRW: Zwei neue Clubs beleben die Duisburger Konzertszene
Improvisierte Musik in NRW: Die 32. Leverkusener Jazztage
Kunst.
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Wupperkunst: Hans-Jürgen Hiby und Gerd Hanebeck in Elberfeld
Portrait: Christian Hampe über das Utopiastadt-Projekt im Bahnhof Mirke
Kunst-Kalender NRW
Service.
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Kulturbrücke
Intro
Engels Zungen
Auswahl
Kolschewsky
Verlosungsbox/Impressum
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Foto: Thilo Beu
Opernzeit
„Hoffmans Erzählungen“
Film-Hintergrund
„Hotel Lux“
Improvisierte Musik
Die 32. Leverkusener Jazztage
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thema
Bauer oder Banker - wer verbrennt der Euro?, Grafik: Sven Siebenmorgen
Euro oder Wupper-Taler?
Die Krise der Gemeinschaftswährung hat auch etwas mit uns zu tun
Der Bezirksbürgermeister von Elberfeld schäumt trotzdem auszumachen. Während Wuppertal mit
vor Wut. Wenn Barmen nicht bald seine Finan- der Landes- und der Bundesregierung über überzen in Ordnung bringt, dann muss jener Stadtteil geordnete Entscheidungsinstanzen verfügt, ist
Europa mit einem fast
eben wieder seine alte
engels-Thema im November:
machtlosen Parlament,
Währung
einführen.
einer fast machtlosen
Besonders das Briller
Europäischen KommisViertel und auch das
Die Eurokrise ist in aller Munde. Kein Tag vergeht, an
sion und einigen egoZoo-Viertel möchten
dem uns die Medien, seien es Fernsehen, Radio, Internet
und Zeitungen, nicht mit finanziellen Schreckensmelmanischen Regierungsnicht weiter für die
dungen aus unseren Bündnisstaaten konfrontieren. Welchefs ausgestattet. Die
Misswirtschaft in Oberchen Einfluss aber hat die Krise auf die Menschen hier
Vereinigten Staaten von
barmen, Heckinghauin Wuppertal, auf die heimische, exportorientierte WirtEuropa, eine Fiktion, die
sen und Wichlinghauschaft? Und beispielsweise auf die hier lebenden Griechen, wie stehen sie zur Lage in ihrem Herkunftsland?
in der Nachkriegszeit
sen bezahlen, erklärten
für viele eine AlternatiVertreter jener wohlhabender Wohnquartiere im noch gemeinsamen Rat ve zur Kleinstaaterei war, verliert an Strahlkraft.
der Stadt. Überhaupt sei die Vereinigung von Bar- Das Böse – diese Tendenz ist in politischen und
men und Elberfeld viel zu überhastet geschehen, ökonomischen Krisenzeiten oft zu beobachten –
ist von vielen Elberfeldern zu hören. In Barmen findet der Deutsche jenseits seiner Staatsgrenze.
inzwischen entließ man ein Drittel der Stadtbe- Der faule Grieche, der korrupte Italiener, der undiensteten. Gleichzeitig wurden alle kommunalen terentwickelte Portugiese, der bankrotte Spanier,
Steuern drastisch erhöht. Doch all diese Maßnah- sie alle bedrohen unsere stabile Wirtschaft.
men greifen nicht. Durch den massiven Anstieg
der Arbeitslosigkeit und die Abwanderung der „Vorpommern wäre ohne den Rest der
letzten großen Firmen nach Elberfeld wächst das Republik doch auch schon längst insolvent“
Haushaltsdefizit rapide.
Hört man sich bei Menschen in der Stadt um,
die aus südeuropäischen Ländern stammen, erNatürlich ist diese Vision eines auseinanderfal- hält man aber ein differenzierteres Bild. Natürlenden Wuppertals fast frei erfunden. Würden lich gibt es auch innerhalb jenes Personenkreises
wir aber ein geeintes Europa als genauso eine Menschen, die über die Verhältnisse am MittelSelbstverständlichkeit begreifen wie eine geein- meer klagen. Korruption, Steuerhinterziehung,
te Stadt, Politiker würden gar nicht auf die Idee ein aufgeblähter Staatsapparat, all diese Grünkommen, südeuropäischen Ländern unsere Hilfe de für die Schuldenkrise in den südeuropäischen
zu verweigern, den Staatsbankrott zu empfehlen Staaten werden auch von vielen Menschen, die
oder aus der gemeinsamen Währung auszuschlie- von dort stammen, gesehen und teilweise sogar
ßen. Warum also ist das Modell Wuppertal nicht noch vehementer kritisiert. Aber auch andere
auf den Euro-Raum zu übertragen? Der Gedanke Gründe für die drohenden Staatspleiten werden
eines geeinten Europas verliert in weiten Teilen vorgebracht. Den Gesprächspartnern ist eines
der Bevölkerung und auch bei vielen Politikern bei allerdings gemein: Sie wollen nicht mit ihrem
wachsenden Schwierigkeiten weiter an Attrakti- Namen zitiert werden. Zu groß ist wohl noch imvität. Dabei macht es unsere Stadt seit Jahren mer die Scham der einstigen Arbeitsemigranten
und Jahrzehnten vor. Das Nebeneinander ver- und deren Nachkommen, ihr einstiges Gastland,
schiedener Lebensstandards und kultureller Iden- in dem sie jetzt heimisch geworden sind, offen
titäten ist hier Realität. Ein großer Unterschied ist zu kritisieren. Eine junge Frau, deren Eltern aus
Der Euro
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Portugal stammen, gibt zu bedenken, dass die
südeuropäischen Krisenländer fast ausschließlich
von der Landwirtschaft leben. „Ohne Industrie
und Dienstleistungssektor ist kein Wohlstand zu
erwirtschaften“, erklärt die Verwaltungsangestellte. Die Wirtschaftslage von Portugal sei mit
der mancher neuer Bundesländer zu vergleichen.
„Vorpommern wäre ohne den Rest der Republik
doch auch schon längst insolvent.“ Zudem habe
gerade Deutschland viel Geld in Südeuropa verdient. Das sieht der Besitzer eines italienischen
Restaurants in Elberfeld ganz ähnlich. „Den jetzigen Schuldenstaaten wurde von den großen
Banken das Geld förmlich aufgedrängt.“ Wenn er
als Privatmann einen Kredit aufnimmt, wird seine
Bonität doch auch penibel geprüft. „Hat man das
bei Griechenland etwa aus Versehen vergessen?“
Letztens habe der Gastronom eine Karikatur in einer Zeitung gesehen. Ein Gerichtsvollzieher lässt
alle Einrichtungsgegenstände aus einem griechischen Restaurant tragen und sagt zu dessen Besitzer: „Nun müssen Sie nur noch gute Gewinne
machen, und schon sind Ihre Probleme gelöst.“
Übrigens auch Wuppertaler, die von hier stammen, schauen mit Sorge auf die Euro-Krise. Viele
bangen um die heimische Wirtschaftsleistung,
die ja stark vom Export auch nach Südeuropa abhängt. Und die, die noch Geld anlegen können, erinnern sich bang an die letzte Finanzkrise vor drei
Jahren. Der Bankencrash hat manchen privaten
Kreditgeber sein Vermögen gekostet. In dieser
Hinsicht zumindest kann Jürgen Harmke von der
Stadtsparkasse Wuppertal seine Kunden beruhigen. „Grundsätzlich gilt es als am sichersten, die
Geldanlage breit zu streuen.“ Wer sowohl in Aktien, Immobilien, Edelmetalle und festverzinsliche
Wertpapiere investiert, trage ein vergleichsweise
geringes Risiko. Schaut man auf die soziale Situation in Griechenland, erscheint die Frage nach der
richtigen Geldanlage allerdings als Luxusproblem.
TEXT/INTERVIEWS: LUTZ DEBUS
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thema
Hat unsere Währung noch Schwein?, Foto: Daniela Althaus
„Die Schlagzeile macht die Nachricht“
Iannis Stergiopoulos über die Krise in Griechenland aus Wuppertaler Sicht
engels: Herr Stergiopoulos, wie geht es den werden?
Wuppertalern griechischer Herkunft?
Die Schlagzeile macht ja in den Medien die NachIannis Stergiopoulos: Natürlich sind alle besorgt, richt. Wenn man weiterliest, wird ja nicht die Unwenn sie sehen, was gerade in der alten Heimat wahrheit berichtet. Aber die Leute behalten nur
geschieht. Es gibt in Griechenland Menschen, die die Überschriften im Kopf.
mit 300 Euro über die Runden
„MAN und Siemens stehen im
kommen müssen. Dabei sind die
Erfahren die Griechen in WupPreise dort etwa 20 bis 30 Pro- Verdacht, geschmiert zu haben“ pertal in Folge der Euro-Krise
zent höher als hier.
mehr Diskriminierung?
Klar gibt es mal ein Scherzchen. Aber es gibt
Was fühlen Sie, wenn Sie in den Zeitungen hier viel mehr Leute, die sich besorgt nach meiner
von den „faulen Griechen“ lesen?
Verwandtschaft erkundigen. Die Menschen in
Das ärgert mich natürlich. Ich kenne sehr viele Wuppertal erleben ja auch am eigenen Leib, was
Menschen in Griechenland, die arbeiten sehr hart, Sparen bedeutet. Ich bin in der Kommunalpolitik
um ihre Familien zu ernähren. Ich kenne Leute, engagiert. Wir sparen hier, so viel wir können,
die gehen täglich zur Arbeit, haben von ihrer und versuchen auch, das sozial ausgewogen zu
Firma aber seit drei Monaten kein Gehalt mehr gestalten.
bekommen. Die Löhne sinken drastisch, viele
Menschen werden arbeitslos, und es werden neue Sind denn die Situationen vergleichbar?
Steuern erhoben.
Kaum. Man lässt Griechenland ja gar keine Zeit
für Reformen. Was seit 30 Jahren schief gelauWoran liegt es, dass die Griechen in den fen ist, kann nicht in wenigen Monaten repariert
deutschen Medien oft so verzerrt dargestellt werden. In Griechenland bleibt dabei die soziale
Gerechtigkeit auf der Strecke. Wenn der Bürger
nicht spürt, dass die Belastungen gerecht verteilt
werden, sind Sparprogramme schwer vermittelbar. Die Elite in Griechenland tritt im Moment
überhaupt nicht in Erscheinung.
Also ist die Ursache der Krise in Griechenland
zu suchen?
Das sehe ich nicht so. Deutschland ist der größte
Profiteur des Euros. MAN und Siemens stehen im
Verdacht, geschmiert zu haben, um den Export
anzukurbeln. Griechenland kaufte massiv Rüstungsgüter wie U-Boote und Panzer in Deutschland und auch andere Güter des täglichen Gebrauchs.
ZUR PERSON:
Iannis Stergiopoulos (41) ist
stellvertretender Vorsitzender
der Gemeinde der Griechen in
Wuppertal e.V. und für die SPD
im Rat der Stadt.
Foto: privat
„Es wird am Euro gezündelt“
Sven Giegold über die Währungskrise in Europa
engels: Herr Giegold, die Grünen sind für den Wer profitiert von der Euro-Krise?
Rettungsschirm, weil sie für Europa sind, aber Europa mit Sicherheit nicht. Es profitieren diejesie sind gegen weitere Schulden, weil diese nigen, die auf eigene Rechnung hohe Risiken einnicht dem Prinzip der Nachhaltigkeit entspre- gegangen sind und nun durch den Steuerzahler
chen. Ein Dilemma?
freigekauft werden. Dieses Vorgehen entspricht in
Sven Giegold: Es war notwenkeinster Weise marktwirtschaft„Die soziale Schere geht
dig, den europäischen Rettungslichen Grundsätzen, die ja darauf
immer weiter auseinander“
schirm einzusetzen, selbst wenn
beruht, dass Gewinnen aus pridie jetzt beschlossenen Bedingungen aus sozi- vaten Investitionen die Haftung für Verluste entaler, ökologischer und demokratischer Sicht in- spricht.
akzeptabel sind. Natürlich müssen Staaten ihre
Ausgaben durch Einnahmen und nicht durch Brauchen wir den Euro eigentlich noch?
weitere Schulden finanzieren, denn die Lasten Derzeit wird von allen Seiten am Euro gezündürfen nicht auf zukünftige Generationen abge- delt, erschreckenderweise besonders von national
schoben werden. Sowohl in den Krisenländern bornierter Seite. Den Zuspruch zu scheinbar einwie auch hier tragen einseitig der Mittelstand fachen Lösungen halte ich für sehr gefährlich. Es
und besonders die sozial schwachen Bürger die wird mit Stereotypen gearbeitet, die einfach nicht
Folgen der Krise. Die soziale Schere geht im stimmen. Die Griechen sind nicht faul oder verRahmen der Haushaltssanierungen immer wei- dienen pauschal zu viel. Wenn der Euro scheitert,
ter auseinander. Deshalb ist es so wichtig, auch würde der Geist des europäischen Internationadie Steuerschlupflöcher zu schließen und Ver- lismus nach und nach auf dem Schrotthaufen der
Geschichte landen. Das kann man nicht wollen.
mögende zu besteuern.
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Haben Sie noch Visionen für Europa?
Natürlich. Wir können durch die Krise lernen, dass
eine gemeinsame Währung auch eine gemeinsame
Steuer-, Wirtschafts- und Sozialpolitik benötigt. Danach sieht es im Moment aber leider nicht aus. Entscheidungen finden auf Gipfeltreffen der nationalen
Regierungschefs hinter verschlossenen Türen statt.
Dabei müssten die gewählten Volksvertreter, also in
diesem Fall das Europaparlament, entscheiden.
ZUR PERSON:
Sven Giegold (41) ist Mitglied
des Europaparlaments und dort
im Ausschuss für Wirtschaft und
Währung und Mitglied der Grünen in NRW.
Foto: privat
Lesen Sie die Langfassungen der
Interviews unter: www.engels-kultur.de/thema
thema
Allein gelassen in der Ägäis?, Foto: Francis Lauenau
Vom dicken Hals der deutschen Griechen
Der Wuppertaler Architekt Lazaros Amperidis versteht seine alte Heimat nicht
Wuppertal. Beruflich reizen ihn zwar anspruchsvolle Sanierungen, doch für sein von unfassbaren
Schulden geplagtes Herkunftsland könnte Lazaros Amperidis am Reißbrett derzeit nur bedingt
eine perfekte Lösung entwerfen. „Das Gerede
vom stolzen Volk passt einfach nicht mehr. Die
leider übliche Korruption gerade im Großraum
Athen hat die Kuh, die nicht auf die Weide durfte, so lange gemolken, dass sie nun stirbt“, sagt
der Diplom-Architekt griechischer Abstammung,
der in Wuppertal geboren wurde und dort aufgewachsen ist. Seine Einschätzung ist unmissverständlich: „Deutschland investiert in die Zukunft
– Griechenland hat es nie getan.“
Fern der sonnenverwöhnten Heimat seiner 1965
eingewanderten Eltern blickt der 44Jährige auf
eine bislang erfolgreiche Karriere zurück. Nach
Bauzeichnerlehre und Studium gehörte Amperidis
unter anderem den verantwortlichen Abteilungen
für die Masterpläne zur Neuausrichtung der beiden Flughäfen Düsseldorf sowie Mönchengladbach an. Dazu kommen als Inhaber eines eigenen
Büros im Stadtteil Barmen freiberufliche Projekt-
steuerungen und externe Beratungsleistungen im
kommunalen Immobilienmanagement.
„Etwas Tourismus, etwas Tomaten,
einige Gurken“
Für die trotz großzügiger Dauerkredite und sprudelnder EU-Gelder nicht verhinderte Hellas-Pleite
kann der überzeugte Europäer wenig Verständnis
aufbringen: „Die Griechen hatten über Jahrzehnte
wirklich viele Gelegenheiten, sich in Europa zu beweisen. Heute muss man sagen, dass dieses Land
in seiner Entwicklung stehengeblieben ist – selbst
Spanien, Portugal oder Italien haben dagegen
Fortschritte gemacht.“ Vor allem bei seinen Urlaubsreisen ans südliche Mittelmehr gerät Amperidis regelmäßig in Erstaunen: „Als in Deutschland
lebender Bürger habe ich ein völlig anderes Empfinden von Gemeinwohl und sozialem Miteinander. Deshalb bekommen viele Nicht-Einheimische
wie ich, die im Ausland leben, bei der Nachrichtenlage aus dem Parlament einen dicken Hals.“
Der erfahrene Architekt kann sich auch ein anderes Phänomen nicht erklären: „Jeden Sommer
fahren die Griechen aus Deutschland – und generell Griechen aus der Diaspora – über Wochen
nach Hause und stärken dort mit ungezählten
Millionen Euro die Wirtschaft. Dennoch sind nahezu sämtliche Großprojekte von Autobahnen bis
zu öffentlichen Einrichtungen fremdfinanziert.“
Eine zeitnahe Veränderung hält Amperidis kaum
für möglich: „Etwas Tourismus, etwas Tomaten,
einige Gurken – viel mehr produziert Griechenland im Grunde nicht. Und die berühmten Reedereien scheffeln ihr Geld lieber ungestört an ausländischen Standorten.“ Die Sonne und das Meer
als zwei innovative Produkte, die schon immer im
Land der Götter existieren, müssten aus seiner
Sicht als Schlüssel für eine benötigte Trendwende dienen. Zumindest in Sachen Kultur herrscht
wenig Nachholbedarf: Auch die Folklore-Gruppe
der Griechischen Gemeinde Wuppertal e.V. gilt als
Paradebeispiel für gelungene Traditionspflege.
FRANK-MICHAEL RALL
Argumente statt Polemik
Günter Leußler aus Mülheim engagiert sich in der deutsch-griechischen Gesellschaft
Faul sollen sie sein, korrupt und verschwendungssüchtig. Seit Monaten betreiben die Medien ein Griechen-Bashing, das auf einer kruden
Mischung aus halbgaren Informationen und rassistischen Stereotypen basiert. Dass Fakten und
genaue Analysen weitaus angebrachter wären
als einseitige Schuldzuweisungen, gibt Günter
Leußler, Geschäftsführer der „Vereinigungen der
deutsch-griechischen Gesellschaften“ (VDGG)
zu bedenken: „Klar gibt es grundlegende Dinge,
die Griechenland ändern muss“, sagt der Bauingenieur, der zunächst lange Jahre Vorsitzender
der Deutsch-Griechischen Gesellschaft Mülheim
war, bevor er in den Bundesvorstand der VDGG
gewählt wurde. „Ein großes Problem in Griechenland ist der Klientelismus. Allzu viele Menschen
wurden in den Öffentlichen Dienst eingestellt,
um versorgt zu sein. Jeder vierte Arbeitnehmer ist
im Öffentlichen Dienst. Kurzfristige Entlassungen
helfen allerdings nicht, weil Abfindungen gezahlt
werden müssen“, resümiert er. „Aber es gibt auch
Ursachen der Krise, die nicht den Griechen anzu-
lasten sind. Zum Beispiel, dass bei der Einführung
des Euro die Stabilitätskriterien nicht klar definiert wurden.
Die Durchschnittsrente liegt bei 600 Euro, in
der Landwirtschaft sogar nur bei 400 Euro
Grundsätzlich braucht eine gemeinsame Währung
eine viel breitere gemeinsame Wirtschaftspolitik,
damit das Niveau nicht zu sehr auseinandergeht“,
gibt der aktive Ehrenamtler zu bedenken. Zudem
seien die Spekulationen auf die griechischen
Staatsanleihen eine Ursache des Problems. Und
wer über die Renten in Griechenland spreche,
wisse oft nicht einmal, dass die Durchschnittsrente dort bei 600 Euro liege, im landwirtschaftlichen Bereich sogar nur bei 400 Euro. „Und das
bei Lebenshaltungskosten, die ebenso hoch liegen
wie bei uns.“
Seit er 1972 das erste Mal in das Land im Südosten Europas kam, hat es ihn nicht mehr losgelassen: „Zwei Jahre später machte ich acht Wochen
Inselhüpfen und lernte die außergewöhnliche
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Gastfreundschaft schätzen.“ Persönliche Freundschaften, die Liebe zur Sprache, zur Küche und
zum Tanz verbanden ihn schnell sehr innig mit
dem Land, das er bei vielen Reisen sehr gut kennenlernte.
Dass das Griechen-Bashing Menschen verletze,
natürlich sei das so, erzählt Leußler, aber darüber will er eigentlich gar nicht sprechen. Viel
wichtiger ist es ihm, zu vermitteln, was in Griechenland geschieht: „Ein Problem ist die hohe
Jugendarbeitslosigkeit. Da verwundert es nicht,
wenn man ständig Bilder von Demonstrationen
sieht.“ Richtig stellen, erklären, argumentieren
und aufklären über die reale Lage, das versuchen
er und viele andere Mitglieder der VDGG derzeit,
in Leserbriefen, Interviews und wo immer es geht:
„Wir versuchen gegenzusteuern, den Thesen Fakten gegenüberzustellen“, erklärt er. Gegen den
Strom der Massenblätter ist das nicht viel, aber
doch alles, was sie tun können. Sisyphos war bekanntlich auch ein Grieche.
DAGMAR KANN-COOMANN
bühne
Lebemann Sir John, gesungen von Kiril Manolov Todorov, bringen seine Liebeswirren in die Bredouille, Foto: pillboxs
Am Anfang war der Klang
Johannes Weigand, Chef des Wuppertaler Opernhauses, inszeniert Giuseppe Verdis „Falstaff“
Mit Giuseppe Verdis letzter Oper, von Johannes Weigand neu inszeniert, von
Hilary Griffiths dirigiert, von Judith Fischer und Moritz Nitsche ausgestattet,
gehen die Wuppertaler Bühnen gegen den Herbstblues an. Den pompösen Titelhelden gibt Kiril Manolov Todorov, jedes Pfund ein pfiffiger und selbstbewusster Genießer, dem der Körper dann und wann mit dem Geist durchgeht.
„Sir John“, so beschreibt Regisseur und Opernhaus-Chef Johannes Weigand,
„ist ein verarmter Adliger, hoch gebildet und fantasiebegabt, ein Connaisseur
des Lebens und natürlich der eigentliche Gewinner – jedenfalls moralisch.
Geld braucht man zum Leben, Punkt. Falstaff ist gewissermaßen der helle
Bruder seines direkten Vorgängers, nämlich dem „Jago“ aus dem „Otello“.
Schon in seinem Monolog über die Ehre im ersten Akt zeigt er sich sehr
lebensklug, er weiß ganz genau, dass die Moral beim Fressen aufhört.“
Das Stück mit seinen augenzwinkernden Pointen, 1893 uraufgeführt, passt
bestens in den Spielplan. Unter anderem deshalb, weil es ein „ganz wunderbares Ensemblestück ist. Die zehn Solisten und der Chor haben ganz fantastisch getimte, großartige Ensembleszenen. Jede Partie, jede Rolle ist reich
und wichtig.“
Raffinierte Konstellationen
Wie bei allen wirklichen Komödien bewegt sich beim „Falstaff“ die Handlung
haarscharf am tragischen Abgrund. Als Zuhörer amüsiert man sich bestens
über das Elend der Figuren. Immerhin wird Falstaff beinahe erstickt, fast
ersäuft und schließlich ordentlich verprügelt. Aber nicht nur der Titelheld
muss kräftig einstecken, auch die anderen Figuren haben Nehmerqualitäten.
„Eigentlich jeder bekommt sein Fett weg in dem Stück. In der berühmten
Schlussfuge halten alle Figuren musikalisch für einen Moment inne, die
Musik wird für einen Augenblick sehr nachdenklich, geradezu innerlich.
Sie singen „tutti gabbati“ – „wir sind alle Geprellte“. Sie haben also eine
wichtige Lebenslektion begriffen“, erläutert Johannes Weigand. Die Damen Ford (Banu Böke) und Page (Joslyn Rechter) beschreibt Johannes Weigand als selbstbewusste Frauen, auch wenn „Emanzipation“ im heutigen
Sinne gar nicht thematisiert wird. „Wie viele Geschichten aus den Stücken
Shakespeares ist auch diese undenkbar ohne die italienischen Novellen der
Frührenaissance. Und in denen gibt es zum ersten Mal jenen realistisch be-
trachteten selbstbewussten Menschen, der sich vor allem um seine eigenen
Bedürfnisse kümmert.“
Amüsante Einsichten
Der „Falstaff“ ist einmal Verdis Opus Summum, das er wie eine einzige große
Schlusskadenz unter sein Lebenswerk gesetzt hat. Gleichzeitig ist er aber
eine der ganz wenigen großen Komödien der italienischen Operngeschichte
zwischen Rossini und Donizetti und dem ebenfalls singulären „Gianni Schicchi“ von Puccini, ordnet der Opernintendant das Werk ein. In der Zeit des Fin
de Siècle wurden zwischen Musikdrama und Verismo nicht viele Komische
Opern komponiert, schon gar nicht nach Shakespeares Komödien. Es gibt
kein Werk, das bei aller Kunst und Meisterschaft mit einem so unglaublichen Understatement daherkommt wie der „Falstaff“. „Verdi gönnt uns ja
kaum ein Verweilen im Moment, alles dient der Darstellung dieses perfekten
Spiels.“ Und erst mit der finalen Fuge lösen sich manche Rätsel und Fragen.
Das Bühnenbild ist logisch und durchaus anregend: „Wir haben versucht,
eine kleine Welt auf die Bühne zu stellen, die Heimat all der unterschiedlichen Figuren und Situationen sein kann. Verdis Falstaff ist – bei aller
Kunstfertigkeit – ein realistisches Stück und braucht eine gewisse Realität
auf der Bühne. Deshalb „siedeln wir die Handlung an“: in einer Zeit, die fern
genug von unserer ist, aber doch so nah, dass wir Kostüme und Requisiten
verstehen und einordnen können. Und an einem Ort, der genau das ist, was
Verdi komponiert hat, nämlich Inghilterra. Das England, wie es die Italiener
– ebenso wie wir Deutschen – lieben.“
„Falstaff“ ist auch ein Synonym für Genuss. Ob das auch in Johannes Weigands Inszenierung so ist? „Wissen Sie, mit dem Singen und dem Genuss
ist es so eine Sache: Wer gute Musik macht, kann oft auch sehr gut kochen
und genießen. Die Oper ist in der Hinsicht wirklich ein perfektes Dinner, aber
keinesfalls nur leichte Kost.“
VALESKA VON DOLEGA
„Falstaff“ I Mi, 2.11. Premiere im Teo Otto Theater Remscheid
„Falstaff“ I So, 27.11. Premiere der Oper in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln an der Wuppertaler Oper I www.wuppertaler-buehnen.de
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klassik in nrw
Milde bei Gericht
opernzeit
Hosenrollen mit Säulenhalle, Foto: Paul Leclaire BFF
Die Oper Köln gastiert im Oberlandesgericht
„Hoffmanns Erzählungen“, Foto: Thilo Beu
Erzählen, um zu überleben
Hoffmanns Erzählungen von J. Offenbach am Aalto-Theater Essen
Von Olaf Weiden
Wenn Titus aus seiner Kaiserloge hinabschaut auf die Bittsteller seines Volkes
am untersten Ende der Treppenanlage, wirklich aus schwindelnder Höhe, dann
wird einerseits die Gott gleichende Macht des Römers präsent und anderseits
die Winzigkeit und das Ausgeliefertsein des Untertanen, im Staub zertreten. Der Kaiser Titus, Held in der Oper „La clemenza di Tito“ von Wolfgang
Amadeus Mozart, war ein ungewöhnlicher
„Es funktioniert,
Herrscher in Rom, ein mildtätiger Mann,
und es ist wunderschön“
freundlich, verständig, im heutigen Jargon
ein Warmduscher oder Weichei. Er war so gut, dass in der aktuellen Inszenierung des Kölner Intendanten Uwe Eric Laufenberg sogar das Weib des Kaisers, eine linkische Furie, vor so viel Gutmensch kapituliert und sich am Ende
mit einem Giftbecher selbst richtet. Vielleicht hat den Regisseur der Spielort
dieser Oper, die im Normalfall mit sanfter Begnadigung ausklingt, zu dieser
Notrichtung gedrängt: Titus regiert nämlich nicht im Opernhaus, sondern im
Treppenhaus des Kölner Oberlandesgerichts.
Unter diesem mächtigen Dach kennt der Paragraphenreiter keine Gnade:
„Was Recht ist, muss Recht bleiben.“ Titus war ein Träumer, besser: ein Philosoph. Dafür hat das Volk ihn geliebt. Da er im Namen der Menschenliebe
sogar Recht beugt, würden ihn die Schergen dieses Hauses heute verfolgen
lassen. Denn hier werden auch terroristisch Verdächtige verhandelt.
All dies wäre Grund genug, eine Oper über Gunst und Gnade hier spielen zu lassen. Die Entscheidung für die Wahl dieses Hauses lag aber ursächlich in der architektonischen Anlage des Treppenhauses, das täglich wie ein gefräßiges Maul
die Beamten in diesen Palast der Justiz einsaugt und ausspuckt: Es funktioniert,
und es ist wunderschön. In alle Richtung gähnen auf mehreren Etagen Eingänge
zu langen Röhrengängen. Die Akustik im Treppenhaus selbst, das schon häufiger
für musikalische Events genutzt wurde, noch nie aber für eine ganze Opernaufführung, ist zwar schwierig für die Akteure, aber unvergleichlich satt und
rund für die Hörer. Das Orchester sitzt auf halber Höhe wie in einer Riesenloge,
allerdings komplett ohne optische oder akustische Anbindung an die Protagonisten des Stücks. Diese tollen vorwiegend auf dem mittleren Treppenpodest
und auf den Treppen selbst, und Dirigent Konrad Junghänel blickt ohne Sicht
aus einem Dutzend dezent gehängter Bildschirme auf das Geschehen, und er
dirigiert im Blindflug immer etwas voraus. Aber das klappt fantastisch, und so
umhüllt der warme Sound des Gürzenich-Orchesters die Ohren der Gäste, die
Sänger stehen manchmal direkt neben den Zuhörern, drängen sich bei mancher
Arie durch die Sitzenden oder nehmen sie sogar bei der Hand – die Handlung
verlässt die Bühne. Großartige Stimmen und natürlich bei dieser Nähe exzellentes Spiel beleben dieses perfektionistisch konstruierte Auftragsprodukt aus
der Feder Mozarts zu einem echten Opernerlebnis außerhalb der Oper, es ist nach dem Monteverdi-Experiment in
der Gerling-Kantine und dem charmanten Cárdás-Ausflug
die dritte Produktion der Oper auf Reisen, die nicht nur das
Stück, sondern ihre einzigartige Spielstätte inszeniert. Das
birgt tatsächlich die Chance, auch Opernmuffel einmal
für ein Selbstexperiment anzulocken, ohne sie dann durch
Olaf Weiden arbeitet ambitioniertes Regietheater für immer abzuschrecken.
als Musiker und
„Oper in Bewegung“, so der Slogan des Hauses, bewegt
Musikkritiker in
NRW.
sich in die richtige Richtung.
Ein großer romantischer Dichter mit seinen Fantasie- und Nachtstücken
steht im Mittelpunkt dieser letzten, unvollendet gebliebenen Oper Jacques
Offenbachs: E.T.A. Hoffmann. Der Komponist und sein Librettist Jules Barbier
erfinden eine Geschichte rund um diese illustre Künstlerfigur, die die Gratwanderung zwischen Genialität und Scheitern drastisch vor Augen führt.
Hoffmanns Beziehung mit der Sängerin Stella ist am Ende. Er betrinkt sich
und erzählt seinen Saufkumpanen von drei Liebensabenteuern, die allesamt
in der Katastrophe enden. Drei Erzählungen folgen aufeinander, die nicht
an etwas erinnern, was tatsächlich geschehen ist, sondern Projektionen der
dichterischen Phantasie sind, in denen er das Scheitern seiner Beziehung
verarbeitet. Er sieht drei Frauentypen in Stella: die seelenlose Olympia, die
Künstlerin Antonia und die Kurtisane Giuletta. Hoffmanns Erzählungen über
diese drei Frauen weichen atmosphärisch und stilistisch stark voneinander
ab. Der Gesellschaftssatire im operettenhaften Olympia-Akt folgt die Musiksprache der großen romantischen Oper des Antonia-Aktes, an den sich
das frivole Abenteuer mit Giuletta, ganz im Stile des Grand-Guignol, anschließt. In jedem der drei Akte verliebt sich Hoffmann, in jedem der drei
Akte scheitert er an seinem Rivalen Lindorf, der in unterschiedlichen Gestalten erscheint, ihm die Geliebte entreißt und sie in zwei der Erzählungen
sogar tötet: Olympia ist ein Automat, der am Ende außer Kontrolle gerät und
zerbricht, die lungenkranke Sängerin Antonia verführt sein Widersacher zum
todbringenden Gesang. Nur Giuletta, die Kurtisane, überlebt und verlacht
Hoffmann, nachdem er im Eifersuchtswahn einen Wehrlosen ermordet und
sein eigenes Spiegelbild verloren hat.
Nach Offenbachs ursprünglichen Plänen sollten die vier Sopranpartien von
einer Sängerin gesungen werden, was dramaturgisch konsequent ist, aber
wegen der unterschiedlichen Stimmfächer enorme Anforderungen an die
Sängerin stellt und heute, je nach Besetzungsvermögen eines Theaters, unterschiedlich gelöst wird. Auch die Frage der Fassung stellt sich mit jeder
Inszenierung neu, da Offenbach vor Vollendung der Oper im Oktober 1880
starb und eine verwirrende Fülle von Skizzenmaterial hinterlassen hat.
Alle drei Erzählungen enden mit einem verzweifelten, verlachten und vorgeführten Hoffmann. Sie beschreiben, wie er sich selbst im Verhältnis zur
Gesellschaft sieht: Er ist ein Außenseiter. Seine eigene zerrissene Gefühlswelt und sein zerrüttetes Verhältnis zu Stella hat er in seinen Geschichten
chiffriert und transformiert. Erzählendes Ich und erzähltes Ich gehen ineinander über und bespiegeln sich gegenseitig, die Realität geht in die Fiktion über, und die Fiktion wirkt in die Realität hinein. Seine Sehnsucht nach
Liebe bleibt unerfüllt. Die musikalisch ergreifende Verklärung, die die Muse
am Ende der Erzählungen zu initiieren weiß, kann nicht über das Scheitern
Hoffmanns hinwegtäuschen. Er ist ein Opfer seines Alkoholismus, und auch
seine Saufkumpanen haben kein Mitleid mit ihm: Als Mensch bleibt er unverstanden und einsam.
KERSTIN MARIA PÖHLER
„Hoffmanns Erzählungen“ von Jacques Offenbach
Aalto-Theater Essen
1./4./6./10./13./17./19./27./30.11./26.12.
„La clemenza die Tito“ I 4./6./10./12./18./20.11.
Oberlandesgericht Köln am Reichenspergerplatz I www.operkoeln.com
9
musical in nrw
tanz in nrw
Elisabeth Ebeling als Hildegard Knef, Foto: Marie-Luise Manthei
Szene aus „Untitled: Natura“ von Ben J. Riepe, Foto: Ursula Kaufmann
Mal Ernst, mal Heiter
Spitzenförderung – quo vadis?
Von Rolf-Ruediger Hamacher
Wer denkt, die Karnevalssession beginne am 11.11. – der irrt sich gewaltig!
Im Kölner Scala-Theater hat Wally Bockmayer sie mit „Trude zum Dessert“
schon Ende September eingeläutet. Pünktlich zum 20. Todestag der Ikone des
„kölschen Chansons“ schickt er sein travestieseliges Ensemble auf die Bühne.
Von Anfang an geht die Post ab. Oben im meist geschmacksfreien Universum
der Quallmann-Sippe und unten im Parkett, wo man es kaum erwarten kann,
mitsingen und -schunkeln zu können. Uns Trude (souverän: Hilde Schmitz)
spielt eigentlich nur eine Nebenrolle, wenn sie als angebliche Volksschauspielerin in die Hochzeitsvorbereitungen
„So oder so ist das Leben“
ihrer Nachbarin Meta (Gigi Herr) platzt,
die ihre Tochter Trina (Natascha Balzat) mit dem Türken Tufik (Markus Dietz)
verheiraten will. Derweil träumen Metas zwei anderen Töchter Stina (ebenfalls Markus Dietz) und Hanni (Ralf Borgartz) von ganz anderen Karrieren.
Dazwischen schwirrt immer wieder das „Prummen“-Geschwader Strichnina
(Sylvia Bartusek) und Nutella (Katja Baum) durch die Szenerie und sorgt mit
seinen Tanzeinlagen (Choreographie: Katja Baum) für Schwung. Grandios,
wenn sie die füllige Natascha Balzat – die ihnen in puncto Beweglichkeit in
nichts nachsteht – in ihre Mitte nehmen und zu dem ins Kölsche übertragenen Musical-Song „There‘s gotta be something“ aus „Sweet Charity“ über
die Bühne wirbeln. Aber auch das übrige Ensemble, allen voran Trude Herrs
– im doppelten Sinne – einzig legitime Nachfolgerin, Gigi Herr, versprüht mit
seiner Spielfreude und seinem Improvisationstalent jene gute Laune, von der
man sich so gerne anstecken lässt: Musical alaaf!
Von Klaus Keil
Es war ein ehrgeiziges Vorhaben, mit dem das Land NRW 2009 angetreten
ist, den Tanz in Nordrhein-Westfalen zu pushen und das Label „Tanzland
NRW“ neu zu positionieren. Das sollte mit dem „Tanzkonzept 2009“ erreicht
werden. Es war ein ausdrückliches Bekenntnis der Kulturpolitik des Landes
zur Kunstgattung Tanz, das nicht hoch genug einzuschätzen ist.
Herausragendes Merkmal des neuen Tanzkonzepts ist die Spitzenförderung
für den freien Tanz. Der Gedanke war großartig: Das Land NRW richtet eine
Spitzenförderung für vier künstlerisch herausragende Choreografinnen und
Choreografen ein. Die werden für drei Jahre mit 65.000 Euro jährlich gefördert, um sich weiter zu professionalisieren. Die ausgewählten Künstler zählen
inzwischen zu den angesagtesten Tanzcompanien der Freien Szene, begeistern mit innovativen Inszenierungsformen und touren als Vorzeige-Projekte
erfolgreich in aller Welt. Mit „I‘ve seen it
„Ein Bekenntnis der Kulturall“ hat Rafaële Giovanola (CocoonDance
politik zum Tanz“
Bonn) gerade ein ebenso beklemmendes
wie einfühlsames Stück über Inzest geschaffen. Stephanie Thiersch (mouvoir
Köln) und Ben J. Riepe (Düsseldorf) beschäftigen sich in „Nature morte“ und
„Untitled: Natura“ auf ganz unterschiedliche Weise mit der ständig inszenierten Welt und Umwelt. Und Samir Akika (Unusual Symptoms, Münster)
geht in „Young&Furious“ den Lebensläufen Jugendlicher nach. Vier Beispiele
für gelungene Tanzförderung im Tanzland NRW.
Kurz vor Auslaufen der ersten Förder-Runde 2012 ist es Zeit für eine Zwischenbilanz. Die gute Nachricht zuerst: Die Spitzenförderung für den Tanz
geht weiter. Das jedenfalls verspricht Bettina Milz, Referatsleiterin Tanz im
Kulturministerium Nordrhein-Westfalen (MFKJKS) – und nimmt bereits wieder neue Bewerbungen an. Und noch eine gute Nachricht: Mindestens eine
der bisher geförderten Spitzencompanien soll in eine sogenannte „institutionelle Förderung“ aufgenommen werden, sprich: Sie soll dauerhaft gefördert
werden. Aber wie üblich folgt die schlechte Nachricht auf dem Fuße. Für bis
zu drei der Spitzencompanien werden demnächst keine Fördermittel mehr
fließen. Kein Wunder, dass diese Gemengelage zu Verunsicherungen führt.
Eine undurchsichtige künstlerische Evaluierung tut ihr Übriges. Für Ben J.
Riepe kein Grund sich zu sorgen. „Wer kennt sich da wirklich aus und ist
nicht befangen? Ich mache weiter wie bisher“, sagt er mit Blick auf seine
extravaganten Inszenierungen. Stephanie Thiersch hofft, dass die künstlerischen Experimente von mouvoir „angemessen beachtet und gewürdigt
werden“. Bei CocoonDance, so Rainald Endraß, hat die Spitzenförderung zu
künstlerisch komplexeren Recherchephasen für die narrativen Stücke geführt. Steht diese enorme künstlerische Aufbauarbeit nun
auf der Kippe? Beginnen die „nachhaltigen Impulse“, die
das Tanzkonzept 2009 setzen wollte, zu bröckeln? Grundsätzliche Kritik an dem Förderkonzept, das nun einen Teil
der Geförderten im Regen stehen lässt, wird in der Tanzszene ohnehin nur unter vorgehaltener Hand geäußert –
schließlich will sich niemand Chancen auf eine Förderung
Klaus Keil ist Journaoder Weiterförderung verbauen. Demokratische Transpalist, Tanzkritiker und
renz sieht anders aus.
Hochschuldozent
Musicals lassen Trude, Hilde und Lola wiederauferstehen
Etwas ernster, aber nicht weniger unterhaltsam geht es in Aachen und Neuss
zu. In der „Kammer“ wird die Hildegard Knef-Hommage „So oder So“ aufgeführt, im „Landestheater“ erlebt Rainer Werner Fassbinders „Lola“-Film
seine Theater-Premiere. Beide Stücke verbindet ihr politischer Hintergrund:
hier die Lebensgeschichte einer realen Diva, dort die einer fiktiven Symbolfigur für die BRD der 1950er Jahre. Während die intelligenten Lied- und
Buchtexte der Knef durch die authentische Interpretation der von Regisseur
Stefan Rogge präzis geführten Elisabeth Ebeling für sich sprechen, muss
sich das Neusser Ensemble schon etwas mehr mühen, um den Zuschauer
bei der Stange zu halten. Sein gesangliches Talent bleibt beim Trällern zeitgenössischer Schlager wie „Am Tag als der Regen kam“
meist hinter den schauspielerischen Fähigkeiten zurück.
Da auch die Inszenierung (Bettina Jahnke) das richtige
Timing vermissen lässt und sogar das Bühnenbild (Ivonne
Theodora Storm) die Bewegungsabläufe abbremst, kann
man sich uneingeschränkt nur an den hübschen Arrangements des Musikalischen Leiters Walter Kiesbauer erRolf-Ruediger Hamacher ist Mediendozent, freuen. Immerhin macht „Lola“ neugierig auf Fassbinders
Journalist und im VorFilm. Sei es als „Ersteinsteiger“ oder als „Wiederholungsstand des FilmkritikerVerbandes
täter“.
www.scala-koeln.de
www.theateraachen.de
www.rlt-neuss.de
Ein richtungsweisendes Modell mit Macken
www.mouvoir.de
www.cocoondance.de
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www.samirakika.com
10
32.JAZZTAGE
5. bis 13. November
LEVERKUSENER
2011
6$ʷʳʳʳʳȒ*(1(5$7,211,*+7
0,ʻʳʳʳʳȒ0((7,1*32,17
ZAZ
LISA BASSENGE
RAPHAEL GUALAZZI
KURT ELLING
KYLE EASTWOOD
62ʸʳʳʳʳȒ/(*(1'6,1&21&(57
'2ʳʲʳʳʳʳȒ628/&/$66,&60((76)81.
RANDY CRAWFORD &
JOE SAMPLE
MACEO PARKER &
EUMIR DEODATO
WDR BIG BAND
ACHIM SEIFERT PROJECT LARRY GRAHAM &
GRAHAM CENTRAL
02ʹʳʳʳʳȒ3,$12:25/'
STATION
GONZALO RUBALCABA
)5ʳʳʳʳʳʳȒ*8,7$502167(56
& AL DI MEOLA
VIJAY IYER
POPA CHUBBY
TINGVALL TRIO
WALTER TROUT
JACOB KARLZON 3
ANDY MCKEE
',ʺʳʳʳʳȒ)86,210$67(56
6$ʳʴʳʳʳʳȒ7+(9(5<%(67)520%,*$33/(
GEORGE DUKE BAND
YELLOWJACKETS
MEZZOFORTE
THE MANHATTAN
TRANSFER
NEW YORK VOICES
HOTLINE 02171–767959
Karten an allen bekannten Vorverkaufsstellen, im Internet, an der Abendkasse oder an
der Hotline. Veranstaltungsort: Forum, Am Büchelter Hof, 51373 Leverkusen
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IM NOVEMBER
WUPPERTALER BÜHNEN
Oper //// Schauspiel
IM OPERNHAUS //// Kurt-Drees-Str. 4
IM KLEINEN SCHAU SPIEL HAUS //// Bundesallee 260
SCHÖNE BESCHERUNGEN
TANGO
Komödie von Alan Ayckbourn
Die Bunkers haben Freunde und Verwandte über die Feiertage eingeladen. Doch es gärt. Die Lage wird brenzlig, als sich
Belinda und Clive, ausgerechnet den Weihnachtsbaum als
Ort für ihr mitternächtliches Tête-à-tête ausgeguckt haben.
AM Fr 18., Sa 26., Mi 30. (je 19:30 Uhr)
Schauspiel von Slawomir Mrozek
Der Drei-Generationen-Haushalt scheint sich vortrefflich in
der Freizügigkeit und libertären Lebensweise eingerichtet zu
haben – wenn da nicht die jüngste Generation in Gestalt des
Sohnes Artur wäre, der den Aufstand probt.
AM Fr 11. (20:00 Uhr), So 27. (18:00 Uhr)
FALSTAFF
ROST
Oper von Giuseppe Verdi
Gleichlautende Liebesbriefe an zwei befreundete Damen
werden Sir John Falstaff zum Verhängnis …
AM Mi 2. (19:30 Uhr Remscheid), Do 10. (19:30 Uhr Solingen),
So 27. (18:00 Uhr), Di 29. (19:30 Uhr)
Erinnerungen für die Zukunft von A. Hirth / büro für zeit+raum
Rost handelt vom Aufbewahren von Gegenständen, Erinnerungen, Hoffnungen, ebenso wie von Ratlosigkeit. Was möchten wir jenen, die nach uns kommen, über uns erzählen?
AM So 20. (18:00 Uhr)
Noch viel mehr auf: www.wuppertaler-buehnen.de
TICKETS (0202) 569 44 44
theater an der wupper
theater in nrw
„Die Kontrakte des Kaufmanns“, Foto: Uwe Stratmann
Anna Malunat: „Halt dich am Zaun ...“, Foto: Oliver Paul
Der freiwillige Griff ins Klo
Rheinische Zukunftsmusik
Drei Clowns fahren mitten in einer verlassenen Bankfiliale in die Hölle.
Zuvor haben sie sich noch über die aktuelle Entwicklung der Finanzkrise
echauffiert, dass die kriminellen Verursacher mildernde Umstände für sich
reklamieren. Ach ja, die Kleinanleger. Und die Bosse. Die Kleinen hängt man,
die Großen werden immer reicher. Das ist lustig, wenn auch nicht neu. Der
Wuppertaler Schauspielintendant Christian von Treskow inszeniert „Die
Kontrakte des Kaufmanns“, eine Wirtschaftskomödie von Elfriede Jelinek, in
schönen Bildern, ohne die ganz große Mystifizierung.
Es geht um ein Konstrukt, das einst den Tauschhandel abgelöst hat und sich
im Laufe der Jahrtausende zu einer eigenständigen Papier-Existenz verwandelt hat, die mit Nichts gefüttert, dennoch Profite erwirtschaftet. Ein
Geld zahlt heute für das andere. Aber Geld ist nicht mehr sicher, Geld ist
Gott, es wird immer wieder investiert ins Nichts. Das ist gläubige Kausalität,
kein Tauschhandel mehr, die Gierigen werden bestraft, die Strippenzieher
belohnt. Es bleibt das Heer der Kleinanleger, entblößt von jeglichem Besitz,
auch das letzte Hemd ist futsch.
Es tritt auf der Chor der sich selbst Betrogenen: Wir haben keinen Erlös
(auch keine Erlösung), die Risiken der Kredite kamen zurück, sie waren nie
fort, der Griff ins Nichts führt eben zu nichts. „Wir Arme werden jetzt reich
ohne unsere Hände Arbeit“ – nichts ist nichts, bleibt nichts, angeschmiert.
Und wer sich wehrt, wird niedergeknüppelt, ob Staatsmacht oder Private
Security, spielt dabei keine Rolle. Weg mit den Kreditunwürdigen, die Bühne
wird aufgeräumt, die Bank ist wieder da. Alle großen Dinge sind einfach,
aber einfache Dinge sind nicht immer großartig, schon gar nicht, wenn sie
nur forderungsgesicherte Papiere sind. Von Treskow choreografiert seine
bekannt guten zehn Schauspieler gekonnt über die ziemlich leere Bühne,
Sprachpassagen im Chor, aus allen Ecken und der Lautsprecheranlage forcieren sie den interessant gekürzten Text Jelineks lustig, aber eben nicht
zum Lachen. Vom Fachchinesisch der Bänker wird manchem Theatergänger
vielleicht verborgen bleiben, was den Insider zusätzlich schmunzeln lässt,
doch das tut der Geschichte ums schnöde Geld und den Umgang damit keinen Abbruch. Mit dem Zertifikat um den Hals fallen sie, der Hoffnungs-Stein
sinkt, sie sinken mit.
„Wir sind es nicht“. Das ist der Satz, der die nächsten Szenen beherrscht.
Wer keine Verantwortung hat, muss sie auch nicht tragen, die Bänker sind
Psychos und alle fallen darauf rein, machen ihr Blendwerk erst möglich. Die
Geldvernichter hüpfen derweil auf Springbällen über die Bühne, kichern,
kreischen, Bohrmaschinen surren, „Ihr Geld hat abgenommen“ säuseln sie,
denn je häufiger es sich selbst zahlt, desto weniger wird es. Die Inszenierung
hat schwächere Bilder; gelungen ist das tänzerische Märchen vom Taler, der
wandert, der Todesmarsch der Musiker, der Chor der Werktätigen und die
ironische Tafel: Geld ist nicht alles. Das fordert die Kirche auf den Plan. Ein
stummer Reigen performt die bekannten Rituale: Auch der Talar wandert, bis
er pleite ist. Niemandem gehört jetzt nichts mehr. Das Premierenpublikum
amüsierte sich jedenfalls, betrachten wir das höhnisch auch als Sarkasmus.
Von Hans-Christoph Zimmermann
Es gibt viele Visionen, wie Kulturinstitutionen der Rheinschiene kooperieren
sollen. Die Leitmaxime lautet allerdings meist „Geld sparen“. Das im vergangenen Jahr ge-gründete Theaternetzwerk west off, das die drei Off-Bühnen
Theater im Ballsaal in Bonn, Studiobühne in Köln und Forum Freies Theater
(FFT) in Düsseldorf verbindet, bildet da eine willkommene Ausnahme. Drei
Häuser, so Studiobühnen-Chef Dietmar Kobboldt, bei denen die Schnittmengen im ästhetischen Denken groß seien und die nach innovativen Kräften in
ihren jeweiligen Städten suchten. Jede Bühne wählt eine, Köln aufgrund der
Vielzahl der Gruppen zwei Produktionen aus, die auf Tournee in die Nachbarstädte gehen. „Es ist der Versuch, herausragende Produktionen über kommunale Grenzen hinaus einem anderen Publikum zugänglich zu machen“,
benennt Kobboldt das Ziel von west off.
In Köln gastiert die FFT-Produktion „Halt dich am Zaun, der Himmel ist hoch“,
ein Stück der Regisseurin und Autorin Anna Malunat. Sie ist mit Heimatvertriebenen ins Gebiet um Kaliningrad gereist, hat Interviews gemacht und
O-Töne gesammelt und daraus mit ihrem Ensemble ein Stück entwickelt, das
sich von Verklärung, Revanchismus und Erika-Steinbach-Debatten fernhält.
Katharina Meves und Theo Plakoudakis malen mit Pinseln eine Landschaft
auf den Bühnenboden und lassen ein Arsenal an Geschichten, Erinnerungen,
Begegnungen, aber auch Märchen entstehen, die von Kornelius Heidebrecht
musikalisch begleitet werden. Ein poetisch-zarter Versuch, sich dem verminten Thema zu nähern, ohne sich anzubiedern.
Dass solche Produktionen auf Reisen gehen, ist den Kulturämtern der drei Städte,
dem Land und der RheinEnergieStiftung Kultur zu verdanken, die west off mit
90.000 Euro unterstützen. Das erlaube auch, den Künstlern angemessene Gagen
zu zahlen, sagt Kobboldt. Noch konzentriert sich west off auf das Rheinland. Für
die Zukunft kann sich der Leiter der Studiobühne vorstellen, dass auch Bühnen
wie der Ringlokschuppen in Mülheim oder das Pumpenhaus in Münster einbezogen werden. Das ist allerdings Zukunftsmusik. In diesem Jahr geht neben Anna
Malunats Produktion außerdem „Finnland“ vom Bonner fringe ensemble auf Reisen, aus Köln kommen „Andy Warhol just finished eating a hamburger“ des Rose
Theegarten Ensembles und schließlich „Toller Fallada“ der Gruppe ct.201, ein
kleines, sehr komisches Duo, bei dem zwei Beckett-Clowns auf der Bühne sitzen
und sich Masken von Toller und Fallada vors Gesicht halten. „Bin ich eine Person?“, „Bin ich Bertolt Brecht?“ raten die Schauspieler Kevin Herbertz und Manuel Moser munter drauflos. Die Rolle
als Quiz. Das Stück, das Tom Mrosek mit den Schauspielern
entwickelt hat, widmet sich vordergründig den Schriftstellern Ernst Toller und Hans Fallada, doch letztlich dient deren
Biographie als Vexierspiegel für das Leben zweier Figuren
von heute und ihrem Streben nach Erfolg, ihrem politischen
Hans-Christoph
Engagement oder ihrem Lebenszusammenhang. Die beiden
Zimmermann ist
Theaterkritiker
sind zwei Eckensteher des Theaters, die vom Durchbruch
für Printmedien
träumen – und ihn nicht schaffen.
und Hörfunk.
„Die Kontrakte des Kaufmanns“ in der Wuppertaler Oper
PETER ORTMANN
„Die Kontrakte des Kaufmanns“
R: Christian von Treskow
So, 13.11., 18 Uhr
Opernhaus Wuppertal
0202 569 44 44
Das Netzwerk west off fördert den Theateraustausch
FFT Düsseldorf: „Finnland”, 3./5.11. I „Toller Fallada“, 1./3.12.
„Andy Warhol ...” 6./8./9.12.
Studiobühne Köln: „Halt dich am Zaun…“, 27./28.10.
„Finnland”, 30.11./1.-3.12.
Theater im Ballsaal Bonn: „Halt dich am Zaun …“, 31.10./ 2.11.
„Andy Warhol ...”, 15./16.11. I „Toller Fallada“, 18./19.11.
Alle Vorstellungen beginnen jeweils um 20 Uhr I www.westoff.de
12
film des monats
Sitzen fest: Sophie (Miranda July) und Jason (Hamish Linklater) auf ihrem Sofa
Stopptanz
„The Future“ von Miranda July
Ein Paar Mitte 30 sucht eine Aufgabe im Leben, will Verantwortung zeigen. Es entscheidet sich, eine Katze zu adoptieren, muss aber noch 30
Tage warten. Was sollen die beiden nun mit den letzten Tagen ihrer Freiheit machen?
→ Surreale Spekulation über Lebensziele
Sophie (Miranda July) und Jason (Hamish Linklater), beide Mitte 30, leben
ohne großes Spektakel ihr Leben: Sie gibt Kindern Tanzunterricht, er hilft
vom heimischen Sofa aus per Headset Usern bei Computerproblemen. Alles scheint soweit OK, aber irgendwas fehlt. Die beiden würden ihrem Leben
gerne einen neuen Sinn geben und Verantwortung übernehmen. Also wagen
sie den Schritt, und … adoptieren eine Katze. Doch „Pfötchen“ muss noch
30 Tage im Tierheim bleiben, bevor sie sie abholen können. Ihnen bleibt also
noch ein Monat der ihnen so vertrauten Verantwortungslosigkeit. Beide kündigen ihre Jobs und suchen die Erfüllung. Jason versucht, Bäume für eine
bessere Zukunft an die Leute zu bringen, bleibt aber bei einem schlüpfrigen
Alten und seinen verschrobenen Weisheiten hängen. Derweil scheitert Sophie
an ihrer Idee eines täglichen Tanzvideos für YouTube. Sie kappt daraufhin für
die nächsten 30 Tage die Internetverbindung und droht sich in einer Romanze
mit einem älteren Herrn zu verlieren. Als die Beziehung der beiden auf der
Kippe steht, und sie sich einer Entscheidung von großer Tragweite gegenübersehen, hält Jason in purer Verzweiflung kurzentschlossen die Zeit an.
Das Mögliche und das Tatsächliche
„I have seen the Future“ – mit diesem Satz war das Ticket bedruckt, das
man auf dem Sundance Filmfestival nach dem Besuch der Weltpremiere von
Miranda Julys neuem Film „The Future“ erhalten hat. „It's useless, but so
many things you want are“, kommentiert die Künstlerin das Ticket auf ihrer
Webseite. Miranda July, Künstlerin, Schriftstellerin und Regisseurin, interessiert sich sehr für scheinbar unnütze Dinge – und trotzt ihnen einen Sinn
ab. Und sie interessiert sich sehr für unsichtbare Dinge – und macht sie
sichtbar. „Das Gefühl ist das Wichtigste“ sagte sie nach der Europapremiere
von „The Future“ auf der Berlinale. Ihre Erforschung des Gefühls, der Emotionen führt oft in surreale Gefilde. In „Haysha Royko“ (2003), einem ihrer
Kurzfilme, sieht man drei Menschen in einer Wartehalle auf einer Bank. Über
ihnen wabern sich ständig verformende Flächen. Man kann sie als Aufmerksamkeitsfelder der Figuren, oder abstrakter – als Energiefelder interpretieren.
Die Visualisierung oder Verbalisierung zwischenmenschlicher Phänomene ist
Julys Spezialität. Oft sind sie spielerisch als Frage oder Aufforderung formuliert, wie in „Learning to love you more“, einer sozialen Skulptur im Internet.
Hier hat sie 70 Aufgaben verfasst, die die Besucher der Webseite erfüllen
und ihre Ergebnisse dann posten sollen – als Text, Bild, Video oder Podcast.
Mit Filmtrailer, Hintergrund, Interview, Portrait ...
13
Die erste Anweisung lautet: „Make a child's outfit in an adult size“. Eine
solch groteske Sentimentalität entspringt nur scheinbar naiver Kindlichkeit. July will Gefühle evozieren, und das gelingt mit ihrer Kunst. Viele von
solchen sentimentalen und melancholischen Spielen baut sie in ihre Filme
ein: Sich in fremde Leben hineinfantasieren ist ein wiederkehrendes Moment. Der Angriff auf die Diktatur der Zeit ein weiteres. In ihrem Debüt „Ich
und du und alle die wir kennen“ von 2005 wird ein kurzer Spaziergang zum
Schnelldurchlauf des ganzen kommenden Lebens. In „The Future“ geht es zur
Gänze um die Ängste ihrer Generation vor Bindung und Festlegung und die
daraus resultierende Erstarrung: das Verharren im Möglichen, ohne im Tatsächlichen anzukommen. Julys Kunst spielt ständig zwischen diesen beiden
Polen – dem Möglichen und dem Tatsächlichen. Die Dramaturgie ihrer Filme
schwankt dazwischen hin und her und hebelt herkömmliches Storytelling
aus. Auch macht sie immer wieder kleine Ausfallschritte und baut mit Gedankenspielen, Assoziationen und Performanceeinlagen tragikomische und
anrührende Kunst-Griffe in die Filme ein.
Kurzweiliger Stillstand
Das hat auch bei „The Future“ wieder eine Filmstruktur zur Folge, die ähnliche Reaktionen wie die zu „Beginners“ von Mike Mills („Thumbsucker“), Julys Ehemann, provozieren könnte. „Filme sollten auf Drehbüchern und nicht
auf Skizzenbüchern basieren“, hatte ein amerikanischer Kollege über Mills
zweiten Kinofilm gespöttelt. Damit meint er Mills Hang, die schwere Emotionalität seiner Figuren mit ironisch kommentierten Collagen abzufangen. Mit
seinem zärtlichen Tonfall, orientierungslosen Thirtysomethings, die immer
noch den Weg ins selbstbestimmte Leben suchen, und sprechenden Tieren
gibt es erstaunlich viele Parallelen zwischen den beiden jeweils zweiten Filmen des Ehepaars – „Beginners“ und „The Future“. Mills wie July nehmen
sich die Freiheit, innerhalb der Gattung Spielfilm mehr zu machen als Erzählkino. Sie brechen das dramaturgische Korsett einer klassischen Erzählung
auf und ermöglichen damit überraschende Erfahrungen. Wenn man sich
erst einmal diese Freiheit erlaubt, kann das ganz einfach sein. Wie stellt man
wohl am besten dar, dass jemand in Angst um die falsche Entscheidung am
liebsten die Zeit anhalten würde? Man lässt ihn eben die Zeit anhalten! Doch
so kurzweilig wie Miranda July hält sonst niemand die Zeit an.
CHRISTIAN MEYER
THE FUTURE
D/USA 2010 - Drama - Regie: Miranda July - Kamera: Nikolai v. Graevenitz mit: Joe Putterlik, Miranda July, Hamish Linklater - Verleih: Alamode
Start: 27.10.
www.engels-kultur.de/heute-im-kino
hintergrund
Der Feigling und die Kommunistin
Wodka mit Stalin
„Hotel Lux“ von Leander Haußmann
Ein unbedarfter Varieté-Schauspieler landet 1938 unverhofft in einem
Moskauer Exilantenhotel. Dort kommt es zu haarsträubenden Begegnungen.
→ Charmante Verwechslungskomödie
Film- und Theaterregisseur Leander Haußmann erweist sich im Kino nicht
eben als verlässliche Konstante: Kleine, gewitzte Kinoperlen à la „Sonnenallee“ und „Herr Lehmann“ werden dort schon mal abgelöst von vergleichbar plumpen Klamotten wie „NVA“, „Warum Männer nicht zuhören und
Frauen schlecht einparken“ oder „Dinosaurier – Gegen uns seht ihr alt aus“.
Es scheint, als sei Haußmann besonders stark, wenn seine Filme von einem
besonderen historischen Kontext gerahmt werden, sprich: von der Berliner
Mauer oder deren Fall. „Hotel Lux“ ist früher angelegt: in Berlin und Moskau
im Jahre 1938.
Hans Zeisig (Michael „Bully“ Herbig) ist Herzblut-Schauspieler in einem Berliner Varieté-Theater. Gemeinsam mit seinem Bühnenpartner Siggi (Jürgen
Vogel) parodiert er Hitler und Stalin. Das wiederum wissen die Parteimitglieder im Saal nicht lange zu schätzen. Siggi geht in den Untergrund, und
als die Lage auch für den politisch desinteressierten Zeisig brenzlig wird,
setzt der sich unter falschem Namen in ein Exilantenhotel in Moskau ab,
das Hotel Lux. Dort hält man ihn für Hitlers Astrologen, den Stalin fortan
umgarnt. Und dann steht auch noch eine alte Bekannte in der Tür: die Kommunistin Frida (Thekla Reuten).
Haußmann liefert eine temporeiche Verwechslungskomödie, in der kleine
Kinder im Hausflur „Auf der Flucht erschossen“ spielen und Dolmetscher die
Konsequenzen eines Gesprächs unter vier Augen zu spüren bekommen. Der
Humor bewegt sich unbeschwert zwischen Ulk und Zynismus und gibt sich
dabei auch gelungen satirisch, wenn er Herrscherfiguren und Machtmecha-
nismen vorführt. Allgegenwärtig bleiben bei aller Schmunzelei die Ängste,
die Repressionen, das Misstrauen, die blutige Willkür zweier diktatorischer
Systeme, und das ist klug so. Haußmann nimmt Täter und Opfer gleichermaßen ernst. Das gilt für einen Macken-behafteten Stalin und dessen uniformierte Handlanger ebenso wie für Zeisig, den Mitläufer: ein Duckmäuser,
der sich verstellt, ein Chamäleon, das sich dem jeweiligen System anpasst,
um seine egoistischen Träume zu verfolgen. Die einzige Größe, die Zeisig
auszeichnet, ist die, dass er zu seiner Feigheit steht. Und dies macht ihn am
Ende, im Zusammenspiel mit seiner selbstüberschätzten Unbedarftheit, gar
sympathisch.
„Hotel Lux“ verdient auch audiovisuell das Kino: Varieté-Choreografien, tolle
Kulissen in stimmungsvollen Bildern, witzige Schwarzweiß-Einspieler und
ein beschwingter Soundtrack füllen die Leinwand bis ins Detail mit Größe.
Details spiegeln sich auch im Humor, wenn man beispielsweise im Exilantenhotel wiederholt mal eben künftigen DDR-Parteigrößen begegnet. Und so ist
auch in diesem Haußmann-Film bereits die Mauer gegenwärtig, und der Film
reiht sich damit ein in die Riege der gelungensten Werke des Regisseurs: die
seiner Mauer-Filme.
Eine kluge, aber nicht verkopfte, gradlinig und gewitzt erzählte Komödie,
bei der sich einzig die Romanze zwischen Zeisig und Frida nicht so recht erschließen will. Ansonsten aber hält Haußmann die Zügel sicher in der Hand.
HARTMUT ERNST
HOTEL LUX
D 2011 - Drama / Tragikomödie - Regie: Leander Haußmann - Kamera: Hagen
Bogdanski - mit: Jürgen Vogel, Michael Bully Herbig, Thekla Reuten - Verleih:
Constantin
Start: 27.10.
DIE HAUT, IN DER ICH WOHNE – AM RANDE
Das wirklich existierende Hotel Lux diente in den Anfangsjahren der Sowjetunion als Zufluchtsort für politische Exilanten. Es war bereits 1911
unter dem damaligen Namen „Hotel Franzija“ erbaut worden. In den frühen
1930er Jahren erweiterte man das Gebäude um zwei Etagen, so dass es mit
300 Zimmern bis zu 600 Gästen Unterbringung oder eben -schlupf bot. Unter den dort vergleichsweise fürstlich logierenden „Gästen“ waren in erster
Linie deutsche Exilanten, unter ihnen Walter und Lotte Ulbricht, Ernst Reuter und Clara Zetkin. Zwischen 1936 und 1938 mussten sich einige der Hotelbewohner einer Razzia mit anschließenden umfangreichen Verhören und
teils Verurteilungen bis hin zu Hinrichtungen durch das Innenministerium
www.engels-kultur.de/heute-im-kino
der UdSSR (NKDW) unterziehen. 1941 wurde das gesamte Hotel wegen
der nahenden deutschen Truppen evakuiert, was ohne weitreichende Folgen blieb: Die Exilanten konnten kurze Zeit später in ihr Übergangsdomizil
zurückkehren. Seit die letzten politisch verfolgten Dauermieter das Hotel
1954 verlassen haben, ist das Gebäude an der Uliza Twerskaja Nummer
10 wieder ein normales Hotel; wegen der einschlägigen Geschichte ist es
kurzerhand in „Hotel Zentralnaja“ umbenannt worden. Mittlerweile wird
das attraktiv gelegene Gebäude als Büro an Unternehmen vermietet; geplant ist mittelfristig die Re-Umnutzung als Hotel: um den Nostalgiefaktor
wirtschaftlich abzuschöpfen als „Hotel Lux“.
LINDA HOEMBERG
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Alle Filme, alle Kinos, alle Filmkritiken, alle Termine in Wuppertal
neue filme
Sind oft geschickt: die Polizisten vom Jugendschutz
Spielrein (Keira Knightley) erzählt erstmals von ihren Gefühlen
Spielfreude
In den Abgrund blicken
Sabina Spielrein wird in eine Heilanstalt eingewiesen. Ihr Arzt C.G. Jung
ist fasziniert von ihrem Fall und erzählt seinem Kollegen Siegmund Freud
davon.
→ Emotionales Psychodrama
Die Arbeit in der Pariser Polizeieinheit für Jugendschutz ist schockierend:
Die Männer und Frauen erleben den Missbrauch Jugendlicher im Alltag
hautnah.
→ Dokumentarisch anmutender Polizeifilm
Als der langjährige Mitarbeiter Eric Dale überraschend entlassen wird, übereicht er einem jüngeren Kollegen noch schnell brisante Daten. Dieser stellt
fest, dass die Firma hoch fahrlässig mit falschen Zahlen arbeitet. Das mit Kevin
Spacey, Jeremy Irons, Paul Bettany und Demi Moore starbesetzte Kinodebüt
des Werbe- und Dokumentarfilmers J.C. Chandor präsentiert in einem spannenden Finanz-Kammerspiel mit großer Genauigkeit die Psychologien der Protagonisten. Er verharrt aber nicht in der Skizzierung böser Börsianer, sondern
lotet sehr genau ihre Funktion im übergeordneten System aus. Die Hierarchie
und die Abhängigkeiten scheinen in den kargen Büroräumen hell auf, während
die Menschen immer mehr zum Schatten werden und mit dem letzten Rest der
Selbstbestimmung ihren größten Vorteil suchen.
CHRISTIAN MEYER
Die Polizisten werden mit Missbrauchsfällen aller Art konfrontiert: Von Kinderarbeit über sexuelle Nötigung unter Jugendlichen zur Vergewaltigung in
der Familie – im ärmlichen Migrantenmilieu, dem Mittelstand oder der Oberschicht. Der psychische Druck macht sich auch im Privatleben der Polizisten
bemerkbar. Als die Fotografin Melissa (Regisseurin Maïwenn) die Truppe für
eine Reportage begleiten soll, bringt dies zusätzlich Unruhe. Maïwenn ist
inzwischen ebenso erfolgreich als Regisseurin wie als Schauspielerin („Das
fünfte Element“, „Leon – Der Profi“). Ihre mitunter dokumentarisch anmutende, hervorragend besetzte aktuelle Regiearbeit rechtfertigt diesen Erfolg. Mit ihrem intensiven Film beeindruckte sie auch die diesjährige Jury in
Cannes.
CHRISTIAN MEYER
EINE DUNKLE BEGIERDE
POLIEZEI
D/CDN/GB 2011 - Drama - Regie: David Cronenberg - Kamera: Peter Suschitzky
- mit: Keira Knightley, Michael Fassbender, Viggo Mortensen - Verleih: Universal
Start: 10.11.
F 2011 - Drama - Regie: Maïwenn Le Besco - Kamera: Claire Mathon, Jowan Le
Besco - mit: Karin Viard, Joey Starr, Maïwenn Le Besco - Verleih: Wild Bunch
Start: 27.10.
Juliane will ihr Glück zurück
Jean-Louis (Fabrice Luchini) hat sein altes Leben satt
„Eine dunkle Begierde“ von David Cronenberg
„Poliezei“ von Maïwenn
Zurück nach vorn
Zeiten des Umbruchs
Zusammen mit August verbringt Juliane ihren Urlaub in Finnland. Es ist
traumhaft schön. Doch ganz unvermittelt wacht sie im verschneiten Berlin auf – ein halbes Jahr zuvor.
→ Philosophisches Psychospiel
Paris, 1962: Der Börsenmakler Jean-Louis lernt über das neue Hausmädchen Maria erstmals das Leben der Bediensteten unter dem Dachboden
kennen.
→ Humorvolles Nostalgiekino
Als Juliane (Nina Hoss) morgens auf das verschneite Berlin blickt, ist sie schockiert. Sie ist nicht mehr bei August (Mark Waschke) in Finnland, sondern
zusammen mit ihrem Mann Philipp (Lars Edinger) in ihrer alten Wohnung,
hat ihren alten Job und trifft dort ihre Kollegin Emily (Fritzi Haberland), die
vor drei Monaten von einem Auto überfahren wurde. Oder in drei Monaten
von einem Auto überfahren werden wird? Juliane versteht die Welt nicht
mehr: In welcher Zeit lebt sie? Als sie kurz darauf August trifft, erkennt er sie
nicht. Aber sie will unbedingt in dieses andere Leben zurück, in den Sommer,
nach Finnland, mit August. Regisseur Handloegten („Liegen lernen“) spielt in
seinem psychologischen und philosophischen Film souverän und elegant mit
den verschiedenen Zeit- und Bewusstseinsebenen.
CHRISTIAN MEYER
Der bürgerliche Hausherr taucht zum ersten Mal ein in eine Welt, die ihm
bislang vollkommen fremd war, und die sich doch nur eine Etage über seiner
eigenen Wohnung befindet: im Angestelltentrakt. Zusammen mit Jean-Louis
(Fabrice Luchini) wird auch der Zuschauer in ein ungewohntes Szenario entführt, denn der Film spielt in einer Zeit vor so manchem gesellschaftlichen
Umbruch. Auch davon erzählt Philippe Le Guays Film auf augenzwinkernde
Weise, wenn er wie andere französische Erfolgsfilme à la „Der kleine Nick“
liebenswert eine vergangene Epoche heraufbeschwört. Das muntere Geschehen ist mit viel Witz und einem spielfreudigen Ensemble aus renommierten
französischen und spanischen Darstellern inszeniert und garantiert gute Unterhaltung.
FRANK BRENNER
FENSTER ZUM SOMMER
NUR FÜR PERSONAL!
D/FIN 2011 - Drama / Lovestory - Regie: Hendrik Handloegten - Kamera: Peter
Przybylski - mit: Nina Hoss, Fritzi Haberlandt, Mark Waschke - Verleih: Prokino
Start: 3.11.
F 2011 - Komödie - Regie: Philippe Le Guay - Kamera: Jean-Claude Larrieu mit: Fabrice Luchini, Carmen Maura, Natalia Verbeke - Verleih: Concorde
Start: 3.11.
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„Fenster zum Sommer“ von Hendrik Handloegten
Mit Filmtrailer, Hintergrund, Interview, Portrait ...
„Nur für Personal!“ von Philippe Le Guay
roter teppich
Kommt schließlich auch in Moskau an: Jürgen Vogel als Siggi Meyer im „Hotel Lux“
„Meine Milchzähne waren noch einwandfrei“
Jürgen Vogel über „Hotel Lux“, seine Liebe zu Serien und seine Anfänge als Kindermodel
Er hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass Eigentlich haben wir uns zuvor bei einem ScreeSchauspielschulen nicht sein Ding waren: ning von „Die Welle“ bei der Constantin-Film kenTrotzdem oder gerade deswegen wurde der nengelernt. Das war für mich die erste Möglich1968 in Hamburg geborene Jürgen Vogel in keit, den Film im fertigen Schnitt zu sehen, bevor
den letzten Jahren zu einem großen Publikums- wir damals die Pressearbeit zum Film begonnen
und Kritikerliebling. Sein darstellerisches Ta- haben. Zu dieser Vorführung war auch Bully einlent kann man in so unterschiedlichen Werken geladen. Ich mochte ihn und seine Arbeit vorher
wie „Die Welle“, „Der freie Wille“, „Das Leben schon, und an diesem Tag hat er mir gesagt, dass er
ist eine Baustelle“ oder „Die kommenden Tage“ irgendwo gelesen hat, dass ich am 29. April 1968
bewundern. Auch als Produzent („This is Love“) geboren bin – genau am selben Tag wie er! Und
ist er erfolgreich. Nun kann man ihn neben dann begann so etwas wie eine Liebesbeziehung
Bully Herbig in Leander Haußmanns „Hotel (lacht), ich hab mich sofort in den Typen verknallt,
Lux“ als Bühnenschauspieler auf der Leinwand und ich mag ihn unheimlich gern. Wir beide sind
unterschiedlich und gleich. Wir
erleben, der als Hitler-Parodist
die Lacher auf seiner Seite hat. „Bully und ich, wir beide sind machen natürlich völlig verschieunterschiedlich und gleich“ dene Sachen, aber manche Wege
führen uns dann zusammen. In der
engels: Herr Vogel, „Hotel
Lux“ und der kürzlich gelaufene „Mein liebster Castingshow haben wir uns dann besser kennenFeind“ scheinen zu unterstreichen, dass es nun gelernt, das war eine tolle Zeit.
salonfähig geworden ist, in Deutschland Komödien über das Dritte Reich zu drehen …
Til Schweiger ist derzeit im Gespräch als neuer
Jürgen Vogel: Es stimmt, das war lange Zeit ver- „Tatort“-Kommissar. Wäre das für Sie eventupönt. Aber ich glaube, dass Leander Haußmann ell auch einmal eine Option?
einen ganz guten Ton getroffen hat. Er hat ge- Ich habe überhaupt nichts gegen „Tatort“, ich
sagt, dass das seine Art ist, mit Dingen fertig zu habe auch schon in einigen mitgespielt. Ich finde,
werden, die für ihn persönlich schlimm waren. Er die Reihe ist qualitativ eines der Highlights, die
ist ja in der DDR groß geworden, und da ist das für wir im deutschen Fernsehen so produzieren. Das
ihn als Künstler auch eine Art Schutzfunktion, als ist immer eine Frage des Konzepts, welche Figur
Mensch bei der Sache gut herauszukommen. In- ich da spielen würde. Wenn ich das machen sollte,
dem man das Ganze humoristisch angeht, ist das würde ich dabei auch gerne weiter gehen als das,
dann eine bestimmte Form des Blickes, die nicht was ich da bisher so gesehen habe. Insofern muss
ganz so schmerzvoll ist, aber trotzdem alles um man mal abwarten, wie sich das in den nächsten
einen herum wahrnimmt. Für Haußmann ist das Jahren und Jahrzehnten entwickelt. Aber es ist für
ein Anfang, eine Form, Türen zu öffnen, den Men- mich kein No-Go, sondern etwas, das mich schon
schen begreiflich zu machen, dass Stalin auch ein interessiert, wenn es gut ist.
Diktator war, der grausame Sachen gemacht hat.
Wenn man das so geschickt macht, wie es mit Also hätten Sie auch keine Berührungsängste,
der Figur Zeisigs auch funktioniert, dann ist diese mit einer Figur in Serie zu gehen?
Vorgehensweise meiner Meinung nach durchaus Nein, ich liebe Serien! „Tatort“ bezeichne ich jetzt
legitim. Für mich ist der Film auch keine reine Ko- mal als Reihe, weil man nur so drei Episoden pro
mödie, für mich ist er eher ein komödiantischer Jahr macht. Aber wenn es ein tolles Serienangebot
Abenteuerfilm, dem es gelingt, auch jüngere Zu- gäbe, wäre ich da gerne dabei. Ich bin großer Fan
schauer anzusprechen.
von vielen amerikanischen Serien, die ich gesehen
habe. Von „Californication“ bis „Breaking Bad“, von
Bully haben Sie durch die Castingshow für den „Dexter“ über „The Wire“ bis „The Shield“. Es gibt
ersten Wickie-Film kennengelernt, es war also ganz tolle Serien mit großartigen Schauspielerleieher Zufall?
stungen, tollen Ideen, tollen Autoren. Da gibt es von
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meiner Seite keinerlei Berührungsängste. Wenn es
gut ist, kann man das auf jeden Fall machen.
Gibt es auch wieder ein neues eigenproduziertes Projekt von Ihnen?
Ich habe gerade wieder einen Film mitproduziert,
bei dem ich auch mitgespielt habe, der sich jetzt
in der Endfertigung befindet: „Gnade“ heißt der.
Der Film spielt in Norwegen, mit Birgit Minichmayr, die eine hervorragende Schauspielerin ist.
Wir versuchen, den nun fertigzustellen und dann
auf einem Festival zum Einsatz zu bringen.
Wie sind Sie damals an Ihre erste Schauspielrolle gekommen?
Ich hatte für einen Katalog Kindermodenfotos gemacht. Damals hatte ich noch tolle Zähne, also die
Milchzähne waren noch einwandfrei. Als Kindermodel war ich bei einer Agentur, die sich dann vergrößert hat und später auch für Werbung und Film
vermittelt hat. Mit fünfzehn Jahren war ich dann bei
einem Casting und bin auch für die Rolle genommen
worden. Das war also eher ein Zufall. Wenn das damals mit dem Casting nicht geklappt hätte, weiß ich
gar nicht, ob ich Schauspieler geworden wäre. Das
war 1984, der Kinofilm „Kinder aus Stein“ von Volker Maria Arend, mit Natja Brunckhorst, die bekannt
war aus „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“, und mit
Uwe Fellensiek und Claude-Oliver Rudolph. Wenn
man den heute sieht, dann versteht man auch nicht,
warum ich Schauspieler geworden bin. Ich selbst finde, dass ich darin furchtbar schlecht gespielt habe …
Gab es denn bei Ihnen immer schon den Drang
ins Scheinwerferlicht, haben Sie als Kindermodel freiwillig angefangen?
Na ja, das war natürlich auch nicht so richtig freiwillig. Ich hatte eine Freundin, die war neun, ich
war zehn Jahre alt, und deren Mutter war Fotografin. Das Mädchen hat schon gemodelt, und die
Mutter hatte Fotos von mir gemacht und diese
eingeschickt, ohne dass ich das wusste. Die haben mich dann zum Casting eingeladen, weil die
fanden, dass ich irgendwie ganz süß aussah. Wie
ein Mädchen sah ich damals aus. Das war schon
ein Zufall, dass ich damals da hineingerutscht bin.
INTERVIEW: FRANK BRENNER
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neue filme
Eine ganz heiße Nummer
Mein Freund, der Delfin
D 2011 - Komödie - Regie: Markus Goller - Verleih: Universum
Inzwischen ist die Wirtschaftskrise auch im gottesfürchtigen, bayerischen
Hinterland angekommen. Die drei Betreiberinnen eines Lebensmittelladens
stehen vor dem Ruin und erkennen schon bald, wie einträglich Telefonsex sein
kann. Hübsch instrumentierte, aber arg biedere Komödie über falsche Moral.
Für Musikantenstadl-Fans, die beim Lachen mal rot werden möchten.
HE
Start: 27.10.
USA 2011 - Drama - Regie: Charles Martin Smith - Verleih: Warner
Es war einmal ein Delfinweibchen namens Winter, das verlor bei einem Unfall
in der Krebsreuse seine Schwanzflosse. Durch aufopferungsvolle Tierliebhaber,
Prothesen-Experten und Meeresbiologen wurde der Meeressäuger geheilt. Regisseur Charles Martin Smith drehte aus der wahren Geschichte einen Film mit
Morgan Freeman und Delfindame Winter, die sich selbst spielt.
HE
Start: 15.12.
Killer Elite
Paranormal Activity 3
USA/AU 2011 - Action / Thriller - Regie: Gary McKendry - Verleih: Concorde
Einmal Killer, immer Killer: Danny (Jason Statham) und Hunter (Robert De
Niro) sind zwei ganz harte Jungs und gute Freunde, die sich als britische Spezialagenten durch die Welt ballern. Hunter wird entführt, Danny soll im Austausch drei Mörder töten. Clive Owen gibt dabei den smarten Gegner. Routiniert inszenierter Actionfilm, der auf einer wahren Geschichte basiert.
HE
Start: 27.10.
USA 2011 - Horror / Mystery - Regie: Henry Joost, Ariel Schulman - Verleih: Paramount
Die Spuk-Mockumentary geht in die dritte Runde. Während sich der erste
Teil auf den Grusel konzentrierte, versuchte Teil Zwei, neben netten Erweiterungen vermehrt Handlung einzuflechten und verfiel dabei mit Dämonenpakt
und Erstgeborenen-Opfer in Klischee-Schablonen. Diese werden nun rückblickend vertieft: Zwei Schwestern kramen dafür im privaten Video-Archiv. HE
Start: 3.10.
Aushilfsgangster
Real Steel
USA 2011 - Action / Komödie - Regie: Brett Ratner - Verleih: Universal
So langsam geht es den Wall-Street-Gaunern auch im Film an die Gurgel:
Nachdem ein paar Typen von einem Banker übers Ohr gehauen wurden, wollen
die sich rächen und sich das Geld zurückholen. Dazu hecken sie einen Einbruch
ins Wolkenkratzer-Penthouse des Ganoven aus. Komödie von „Rush Hour“-Regisseur Brett Ratner mit Ben Stiller, Eddie Murphy und Matthew Broderick. HE
Start: 3.11.
USA/IND 2011 - Action / Drama - Regie: Shawn Levy - Verleih: Disney
Frauenschwarm Hugh Jackman spielt in diesem Sci-Fi-Actionspaß einen ExBoxer, der kämpfenden Robotern die Arena überlassen muss. Gemeinsam mit
seinem Sohn holt er zum Gegenschlag aus und trainiert selbst einen künstlichen
Kampfkoloss. Damit eröffnet sich ihm ein Comeback. Regisseur Shawn Levy
schuf eine sportliche Transformers-Variante, Vater-Sohn-Drama inklusive. HE
Start: 3.11.
Phoenix in der Asche
Krieg der Götter 3D
D 2011 - Dokumentarfilm - Regie: Jens Pfeifer - Verleih: Real Fiction
Einblicke in den Basketball-Club Phoenix Hagen nach dem Aufstieg in die Erste
Liga: Als Siege ausbleiben, verpflichtet man Michael Jordan. Schon bald kommt
es zu Zickereien. Einerseits eine Doku, die nah am Geschehen ist, andererseits
werden die Konflikte nur oberflächlich gespiegelt und eine zeitliche Einordnung
ebenso wie Tabellenstände verweigert, was auf Kosten der Spannung geht. HE
Start: 10.11.
USA 2011 - Action / Drama - Regie: Tarsem Singh - Verleih: Constantin
Kinomagier Tarsem Singh („The Cell“, „The Fall“) wendet sich dem Archaischen
zu und schickt König Hyperion (Mickey Rourke) auf die Suche nach der Unbesiegbarkeit. Ein geheimnisvoller Bogen soll ihn zum Herrscher über Menschen
und Götter machen. Zeus (Luke Evans) aktiviert Theseus (Henry Cavill), der
Hyperion entgegentritt. Bildgewaltiges, opulentes Schlachtengemälde.
HE
Start: 11.11.
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Mit Filmtrailer, Hintergrund, Interview, Portrait ...
hintergrund
Eine Witzfigur? Der alternde Rockstar Cheyenne (Sean Penn)
Traurige Figur
„Cheyenne – This must be the place” von Paolo Sorrentino
Einen abgewrackten Musiker verschlägt es in die USA, wo er sich auf die
Spuren seines verstorbenen Vaters begibt.
→ Bildgewaltiges Drama
Trolley hinter sich herziehend, über Teer und Stock und Stein. Der ausgerechnet in die USA reist, um erwachsen zu werden. Der dort Menschen begegnet.
Menschen und Freaks: Geschichtslehrer, Nazijäger und David Byrne.
Er hat mit den Stones gesungen und war ein erfolgreicher Rockstar – jetzt
ist er fünfzig und lebt zurückgezogen in seiner Villa in Dublin. Seit mehr als
zwanzig Jahren ist es still um Cheyenne (Sean Penn), und inzwischen sieht
er aus wie die Karikatur seiner selbst: schwarze Mähne, Kajal-verschmierte
Augen, Falten und eine gebrochene Fistelstimme, die der einstige Rockstar
nur noch bemüht, um mit seiner lebenslustigen Frau (Frances McDormand)
zu kommunizieren. Den Rest des Tages trottet er beinahe schlafwandlerisch
durch seinen Besitz, sitzt verloren in der Ecke, wirkt debil, depressiv, auf
Drogen. Die Nachricht vom Tod seines Vaters in New York bildet schließlich
den Impuls für einen Aufbruch: Gefangen in seiner Vergangenheit, genauer
– Kindheit – lässt Cheyenne Haus und Frau zurück und reist nach Amerika. Dort erfährt er, dass sein Vater bis zuletzt seinen einstigen KZ-Peiniger
suchte. Cheyenne folgt der Spur.
Der Film braucht seine Zeit. Zeit, die man benötigt, um die Hauptfigur einigermaßen greifen zu können. Bis man weiß, dass Cheyenne mehr ist als
eine infantile Witzfigur. Nämlich eine tief traurige Witzfigur. Nach und nach
füttert uns das Drama mit Fragmenten der Vergangenheit, die den Typus
erklären, den Sean Penn da so beeindruckend enthoben auf die Leinwand
bringt. Ein Star, der auf dem Höhepunkt seiner Karriere tragisch erstarrte.
Der Jahrzehnte später endlich damit beginnt weiterzuleben. Der schlaff, aber
zielgerichtet durch die Vereinigten Staaten wandert, immer den wackligen
Dublin, New York, New Mexico, Utah: „Cheyenne – This must be the place“
ist ein atemberaubendes Roadmovie, dessen Magie sich nicht allein durch
Sean Penns Spielkunst manifestiert, sondern ebenso durch die Inszenierung
Paolo Sorrentinos. Der italienische Regisseur bewies bereits mit „Il Divo –
Der Göttliche“ sein kraftvolles, eigenwilliges kreatives Potential. Seine erste
US-Produktion entwickelt einen vergleichbar audiovisuellen Sog, dem man
sich nur schwerlich entziehen kann. Spätestens in den Staaten scheint die
Kamera immer in Bewegung, schwebt unter, neben, über dem Helden in
magischen Bildern und Perspektiven. Es scheint anfangs so, als vernachlässige Sorrentino gar ein wenig die Story für seine Bild- und Sound-Collage.
Doch am Ende weiß man, der Eindruck hat getäuscht. Und man hat vielmehr das Verlangen, den Film noch einmal zu sehen. Das Drama ist Sorrentinos erster künstlerischer Ausritt in die USA, und er hat damit die dortige
filmische Landschaft bereits bereichert. Wir sind gespannt, wohin es ihn als
nächstes verschlägt.
HARTMUT ERNST
CHEYENNE - THIS MUST BE THE PLACE
Cannes 2011: Preis der ökumenischen Jury
I/F/IR 2011 - Drama / Thriller - Regie: Paolo Sorrentino - Kamera: Luca Bigazzi
- mit: David Byrne, Sean Penn, Frances McDormand - Verleih: Delphi
Start: 10.11.
CHEYENNE – AM RANDE
Sehnsucht, Rausch, Sex, Drama und Zerstörung – der Rockstar ist eine sehr
beliebte Filmfigur. Das gilt nicht nur für fiktive Charaktere des Spielfilms.
Auch der Dokumentarfilm hat seit langem das emotionale und dramatische
Moment von Musikerbiografien erkannt. Es gibt unzählige sogenannte Rockumentaries – ein großer Fan dieses Genres ist Martin Scorsese, der sonst
in Hollywood für seine Spielfilme gefeiert wird. Schon 1972 hat Scorsese
für den letzten Film über Elvis Presley „Elvis on Tour“ die Montage betreut.
In Eigenregie drehte er den Konzertfilm „The Last Waltz“ (1978), der den
letzten Auftritt der Rockband „The Band“ dokumentiert. 2003 produzierte
Scorsese, der Geschichte der Bluesmusik auf den Spuren, die Miniserie
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„The Blues“, für die er selbst wie auch Wim Wenders und Clint Eastwood
eine Folge beisteuerte. Hier kamen insgesamt gut 780 Minuten fertiges
Filmmaterial zusammen. Nur fünf Jahre später – kurz vor dem Start des
vierfachen Oscar-Gewinners „Departed – Unter Feinden“ – beschäftigt er
sich in „No Direction Home“ (2005) mit der Folk- und Rocklegende Bob
Dylan. Scorsese folgt dem frühen Dylan zu Anfang seiner Karriere und hat
hierfür die Wegbereiter interviewt und Archivmaterial zusammengetragen. Seine bisher letzte Rockumentary ist wieder ein Konzertfilm: „Shine
a Light“ (2008) setzt den Rolling Stones ein weiteres Denkmal und feierte
auf der Berlinale Weltpremiere.
INGA SELCK
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Alle Filme, alle Kinos, alle Filmkritiken, alle Termine in Wuppertal
neue filme
Arthur Weihnachtsmann
The Thing
GB/USA 2011 - Trickfilm / Komödie - Regie: Barry Cook, Sarah Smith - Verleih:
Sony
Die Familie des Weihnachtsmanns umfasst derzeit drei Generationen:
Grandsanta, Santa und dessen Söhne Arthur und Steve. Letzterer soll als
ältester Nachkomme das Familienunternehmen übernehmen, erweist sich
jedoch eher als Geschäftsmann und weniger als Santa. So liegt es schließlich an Nesthäkchen Arthur, Ordnung ins Chaos zu bringen. Weinachts-CGAnimationsmärchen in 3D.
HE
Start: 17.11.
USA 2011 - Horror / Science Fiction - Regie: Matthijs van Heijningen Jr. Verleih: Universal
1982 schuf John Carpenter mit „The Thing“ ein überaus spannendes und
blutiges Remake des Originals von Howard Hawks aus dem Jahr 1951. Diese Version bildet nun das Prequel zu der Story um den Parasiten aus dem
Weltall: Eine norwegische Forschercrew untersucht darin ein Raumschiff
am Südpol und weckt ungewollt das Grauen. Der Niederländer Matthijs van
Heijningen Jr. führte Regie.
HE
Start: 17.11.
Working Mum
Tom Sawyer
USA 2011 - Komödie - Regie: Douglas McGrath
Verleih: Wild Bunch
Sarah Jessica Parker („Sex in the City“) verkörpert in dieser romantischen Komödie Kate, eine verheiratete Mutter zweier Kinder und Managerin einer Bostoner Fondsgesellschaft. Als sie ein Projekt nach New York ruft, ihr Mann einen
Job in Aussicht hat und Charmeur Jack (Pierce Brosnan) sie umgarnt, muss sich
die Working Mum einem Chaos stellen, das sie so noch nicht erlebt hat. HE
Start: 17.11.
D 2011 - Kinderfilm / Abenteuer - Regie: Hermine Huntgeburth
Verleih: Majestic
Mark Twains beliebter Jugendroman erfuhr schon so manche gelungene Adaption. Regisseurin Hermine Huntgeburth („Bibi Blocksberg“, „Die weiße Massai“)
nahm sich des Stoffes an und inszenierte eine nett besetzte (Heike Makatsch,
Benno Führmann, Joachim Król), liebevolle Neuverfilmung, in der Tom und Huck
am und im Mississippi ihre Streiche aushecken und Abenteuer erleben.
HE
Start: 17.11.
Straw Dogs
Im Weltraum gibt es keine Gefühle
USA 2011 - Thriller - Regie: Rod Lurie - Verleih: Sony
1971 sah Dustin Hoffman unter der Regie von Sam Peckinpah rot: Als Mathematikprofessor begab er sich samt Frau ins englische Hinterland, wo kleine Scherereien mit den Einheimischen zur blutigen Eskalation führten. Nun
folgt das Remake des Gewaltexkurses, das Regisseur Rod Lurie in die USA
verlegte. James Marsden („27 Dresses“) tritt dabei in Hoffmans Fußstapfen.
S 2010 - Komödie - Regie: Andreas Öhman - Verleih: Arsenal
Simon (Bill Skarsgård) ist 18 und leidet unter dem Asperger-Syndrom: Sein
Leben verläuft nach Zahlen, Timing und vor allem Routinen. Läuft etwas außer
der Reihe, versteckt er sich in seiner „Rakete“. Sein Bruder Sam (Martin Wallström) kümmert sich um ihn. Als dessen Freundin Schluss macht, sucht Simon
eine Neue. Märchenhafte Tragikomödie aus ungewöhnlicher Perspektive.
Start: 1.12.
Start: 24.11.
HE
Mit Filmtrailer, Hintergrund, Interview, Portrait ...
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HE
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neue filme
filmwirtschaft
Walt Disney
Blick auf einen der prägendsten Filmproduzenten
Hayat (Mercan Türkoglu) lässt so schnell nicht los
Film-Archäologie
„Die Höhle der vergessenen Träume – 3D” von Werner Herzog
Über 20.000 Jahre war ein in Südfrankreich gelegenes Höhlensystem von
der Außenwelt abgeschnitten. Darin entdeckten Forscher perfekt erhaltene Höhlenzeichnungen, die die ältesten von Menschenhand gefertigten
Kunstwerke darstellen.
→ Kino als dreidimensionales Museum
1994 entdeckte ein Forscherteam im Süden Frankreichs ein ausgeprägtes
Höhlensystem von der Größe eines Fußballfeldes, das nach einem Felssturz
über Jahrtausende von der Außenwelt abgeschottet war. Im Innern fanden
die Wissenschaftler Höhlenmalereien, die über 30.000 Jahre alt und somit
doppelt so alt wie die ältesten bislang bekannten prähistorischen Zeichnungen waren. Auch die Knochenüberreste von unterschiedlichen Tieren
ließen die Herzen der Forscher höher schlagen. Die fragile klimatische und
geologische Situation der nach ihrem Entdecker benannten Chauvet-Höhle
machte es notwendig, dass Besichtigungen und wissenschaftliche Exkursionen auf ein absolutes Minimum beschränkt bleiben. Dass Werner Herzog
mit einem vierköpfigen Team dennoch die Gelegenheit erhielt, die Höhle zu besuchen, stellt eine womöglich einmalige Sondergenehmigung dar.
Filmisch gesehen ist „Die Höhle der vergessenen Träume – 3D“ sicherlich
eine einmalige Angelegenheit, denn der Filmemacher nutzte diese Chance,
indem er in den engen Gängen der vom Sonnenlicht abgeschnittenen Welt
mit einer 3D-Kamera filmte. Damit ist es ihm gelungen, die fantastischen
Gemälde und vorzeitlichen Kunstwerke in einer faszinierenden Plastizität
abzubilden und die perspektivischen Feinheiten herauszuarbeiten, die sich
durch die Dreidimensionalität der aus Felsgestein bestehenden „Leinwände“
ergeben. Da man aus verständlichen Gründen die Höhle selbst niemals betreten dürfte, stellt Herzogs Film die ideale Möglichkeit dar, die beachtlichen
Kunstwerke nun einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, indem
der Besuch dokumentarisch festgehalten wurde.
Für kunsthistorisch oder archäologisch interessierte Zuschauer bietet „Die
Höhle der vergessenen Träume“ vortreffliche Anblicke auf Höhlenmalereien,
deren Frische in dem abgeschlossenen Höhlensystem über Jahrtausende auf
beachtliche Weise erhalten blieb. Getrübt wird dieses besondere Filmerlebnis durch eine etwas anstrengende Musikuntermalung und die seltsam leidenschaftslose Erzählstimme von Regisseur Werner Herzog selbst. Auch ein
filmischer Exkurs am Ende des Films über ein Kraftwerk und ein künstliches
Biotop, in dem Krokodile „gezüchtet“ werden, hinterlässt eher Verwunderung
und will sich nicht so recht in das Gesamtkonzept einfügen. Bei dem hat
man indes großen Wert darauf gelegt, die Filmaufnahmen von den Entdeckungen auch inhaltlich zu untermauern. So kommen Wissenschaftler zu
Wort, die die Lebenssituationen der Höhlenkünstler zu rekonstruieren versuchen, die die Kunstwerke in einen zeitlichen Bezug zu anderen Funden
setzen und Rückschlüsse auf Interaktionen mit der Tierwelt oder mystische
Rituale herstellen. So ist der Film nicht nur visuell zu einer vielschichtigen
Sache geworden, sondern bemüht sich auch auf seiner inhaltlichen Ebene
um Komplexität und Weitsicht.
FRANK BRENNER
Der Disney-Konzern war nicht nur in den letzten Jahren der größte
Unterhaltungskonzern weltweit, sondern ist mit seinen Ikonen des
amerikanischen Comics auch eine der bekanntesten Marken der Filmund Unterhaltungsindustrie überhaupt. Der Erfinder dieser Figuren,
der freundliche ältere Herr, der häufig mit Schnauzbart und einer
Pfeife im Mund als der Freund aller Kinder dargestellt wird, war der
1901 in Chicago geborene Walt Disney. Zusammen mit seinem Bruder
Roy und dem Künstler Ub Iwerks entwickelte er die ersten Figuren,
gab aber bereits als junger Mann von 25 Jahren die eigene Zeichnertätigkeit auf. Ende der 1920er Jahre wurden die ersten Zeichentrickfilme produziert, und sie wurden rasch sehr erfolgreich. Der erste
kommerzielle Höhepunkt war der Film „Schneewittchen“ von 1937,
gefolgt von dem künstlerisch bis heute beeindruckenden Film „Fantasia“, in dem Zeichentrick und Klassische Musik in kurzen Episoden
zusammengeführt sind.
Nach dem 2. Weltkrieg wurde das Filmprogramm um Abenteuerfilme
(„Die Schatzinsel“ oder Romanverfilmungen von Jules Verne) sowie
erfolgreiche Dokumentarfilme („Die Wüste lebt“) erweitert. Mit dem
Aufkommen des Fernsehens wurde die Produktion ausgeweitet, und
Walt Disney avancierte zum Märchenonkel der Nation. Die umfassende Vermarktung seines Imperiums wurde durch die systematische
horizontale wie vertikale Diversifikation vorangetrieben. Fernsehanstalten (u.a. ABC und in Deutschland Super RTL), Produktionsgesellschaften, Verleihe, Vergnügungsparks sowie die Herstellung von
Figuren, Spielen usw. markieren die Geschäftsstrategie.
Der größte filmische Geschäftserfolg der letzten Jahre war das Abenteuer-Franchise „Fluch der Karibik“. Weltweit haben die bisher vier
Teile über 3 Milliarden $ eingespielt. Wie alle anderen amerikanischen
Majors engagiert sich Disney auch bei deutschen Produktionen, ein
besonders glückliches Händchen bewiesen sie beim Oscar-Gewinner
„Das Leben der Anderen“.
Der Tod des Apple-Boss und Pixar-Großaktionärs Steve Jobs wird
auch seine Spuren bei Disney hinterlassen, gehörte doch das Trickfilmstudio seit 2006 zur Disney Company. Mit „Findet Nemo“ und
„Monster AG“ wurde ein völlig neuer Zeichentrickstil für den Erfolg
verantwortlich, der sich mehr an den neuen Sehgewohnheiten orientiert und klassische Produktionen wie es zuletzt „Rapunzel“ war, vom
Umsatz her hinter sich lässt. Bis zum Jahr 2010 gehörte auch noch
MiraMax der Weinstein-Brüder zur Gruppe, ein unabhängiges Studio
mit künstlerisch wie kommerziell sehr erfolgreichen Produktionen.
Der Verkaufserlös wurde im selben Jahr in die Übernahme der Marvel-Studios gesteckt, womit eine deutlich robustere amerikanische
Comic-Ikone in das Unternehmen integriert werden konnte. So stehen die amerikanischen Helden Micky Maus, Goofy, Schneewittchen
und das Dschungelbuch für den Beginn des Disneyimperiums und sind
heute bei Hulk, Iron Man, Captain America und Thor angekommen.
KIM LUDOLF KOCH
DIE HÖHLE DER VERGESSENEN TRÄUME - 3D
USA/F/D/CDN 2010 - Dokumentarfilm / Zeitgeschichte - Regie: Werner Herzog - Kamera: Peter Zeitlinger - mit: Werner Herzog, Jean Clottes, Carole Fritz
- Verleih: Ascot Elite
Start: 3.11.
www.engels-kultur.de/heute-im-kino
20
Alle Filme, alle Kinos, alle Filmkritiken, alle Termine in Wuppertal
textwelten
(Folge)Werke über Kleist, Foto links: Luchterhand Verlag, rechts: Berlin Verlag
Nervendes Genie
Wege zu Kleist im Jahr seines 200. Todestages
Auf einen Waldarbeiter, der das Paar an jenem kalten Herbsttag 1811 am
Kleinen Wannsee beobachtete, machten sie einen aufgekratzten Eindruck.
Aus einem nahegelegenen Wirtshaus bestellten sie sich Kaffee. Schäkernd
sah man sie am Ufer entlanglaufen, einander jagend wie kleine Kinder. Plötzlich hallten zwei Schüsse durch die Herbstlandschaft. Heinrich von Kleist
hatte zunächst seine Geliebte, Henriette von Vogel, und dann sich selbst erschossen. Das Kleist-Jahr neigt sich mit dem 21. November seinem Ende zu,
alle Stücke des wichtigsten deutschen Dramatikers wurden gespielt, Kleist
wurde „gerockt“, und es wurden „Kleist WGs“ gegründet. Die Grabstätte am
dicht bebauten Wannsee – eingepfercht zwischen Bausünden der Siebziger
Jahre – wurde für 500.000 Euro (!) hergerichtet.
Klingt anstrengend und irgendwie nach schlechtem Gewissen. Ein Klassiker, der uns fremd geblieben ist, der sich nicht wie Goethe als weiser Menschenfreund vereinnahmen lässt. Einer, bei dem die Liebe ohne die kleinste
Prise Ironie auskommt, vielmehr wahnhafte Züge trägt. Ein Psychologe, der
die Katastrophen vorausahnt, der uns immer wieder zeigt, wie sich die verschwiegenen triebhaft-animalischen Anteile in uns ihren Weg bahnen und
durch die Kulisse von Ethik und Kultur brechen.
Als Pflichtlektüre ist er uns auf der Schule verleidet worden. Aber man kann
sich mit einigen wunderbar geschriebenen Texten Zugang verschaffen in
den Kosmos seines Werks, in dem Zärtliches und Bestialisches so dicht beieinander liegen. Man kann den Weg vorne durchs Portal mit der großen
Biographie des Literaturwissenschaftlers Günter Blamberger nehmen oder
auf faszinierenden Nebenwegen ans Ziel gelangen. Etwa mit Adam Soboczynskis elegantem Essay „Kleist. Vom Glück des Untergangs“. Er entwirft das
Bild eines Menschen, der nie den eigenen Ansprüchen gerecht zu werden
glaubte, der zwischen euphorischen Größenfantasien und der bitteren Konfrontation mit den Realitäten seiner Zeit hin- und hergerissen wurde. Ein
Mensch, mit dem es niemand lange auszuhalten vermochte.
Auch wenn Soboczynski Kleists überschwängliche Untergangsvisionen
fälschlicherweise mit Glückszuständen verwechselt, so entfacht sein leichtfüßiger Spaziergang durch die Biographie des Dramatikers doch Lust auf
Person und Werk, weil sie viel Nähe herstellt. „Michael Kohlhaas“, Kleists
interessantester Novelle, vielleicht der schönsten, die die deutsche Literatur
überhaupt hervorgebracht hat, ist Elisabeth Plessen in ihrem Roman „Kohlhaas“ auf den Grund gegangen, der jetzt nach Jahrzehnten wieder aufgelegt
wird. Sie rekonstruiert die Geschichte des Rosshändlers, der ein Opfer der
deutschen Bürokratie wird und im Zuge seines Rachefeldzugs halb Sachsen
abfackelt, von der historischen Fallgeschichte aus, die auch Kleist verwandte. Plessen liefert ein großartiges Panorama der deutschen Renaissance und
zeichnet Portraits von atemberaubend realistischem Zuschnitt. „Kohlhaas“
präsentiert sich als seltenes Beispiel für einen gelungenen historischen Roman, der immer Kontakt zu unserer Gegenwart hält. So öffnet sich der Blick
auf ein Werk, das voller Leidenschaft und Dramatik steckt, feinste Seelenregungen freilegt und Stories enthält, die so viel Action besitzen, dass Hollywood daneben blass aussieht.
THOMAS LINDEN
Adam Soboczynski: Kleist. Vom Glück des Untergangs
Luchterhand Literaturverlag I 96 S., 14,99 Euro
Elisabeth Plessen: Kohlhaas I Berlin Verlag I 319 S., 22 Euro
21
poetry
pop in nrw
Die junge Angela Merkel, nachempfunden von einem Gebäude in Genua
Der High Five Club wird außerordentlich gut angenommen, Foto: Christian Steinbrink
Hinter jedem Biber
Nach dem Monsun
Viele fragen sich, warum ich immer eine Mütze trage. Dabei ist der Grund
eigentlich leicht zu erraten. Mein Haar ist biberfarben, und ich möchte nicht,
dass mein Zahnarzt denkt, ich würde in meiner Freizeit in Mischwäldern an
Rinden knabbern. Mein Zahnarzt ist nämlich ein sehr assoziativer Mensch.
Erst neulich hat er einem Berliner eine Marmeladenfüllung gemacht. Der
Hauptstädter reiste daraufhin mit bittersüßem Schmerz im Backenzahn an
die Spree zurück.
In Berlin sind heute ja nur noch Künstler, Nazis und Touristen. Ich kenne
sogar Leute, die sind alle drei Sachen zugleich. Die fliegen aus New York ein
und sitzen dann zwei Wochen lang in Straßencafés in Friedrichshain und
malen Bilder nur mit braun. Die haben nämlich dasselbe im Malkasten wie
im Kopf. Das ist nichts für mich, da will ich nicht hin.
Also trage ich lieber eine Mütze.
Von Christian Steinbrink
Es war, als hätten sich die Götter der Livemusik gegen Duisburg verschworen.
Die letzten zwei Jahre waren durchsetzt von Katastrophenmeldungen, und
das in einer Zeit, in der RUHR.2010 eigentlich die Wende für die gebeutelte Kultur des Landstrichs hätte bedeuten sollen. Die Loveparade geriet zu
dem bekannten Desaster mit unerträglichen Folgeerscheinungen, das Hundertmeister schlitterte in die Pleite, Djäzz und sogar das kleine Goldengrün
hatten mit dem Ordnungsamt der Stadt zu kämpfen. Mehrfach wurde der
Standort als Schauplatz von Livemusik für tot erklärt. Doch was geschah
wirklich? Aus den Ruinen wuchsen kleine Pflanzen, die sich als so widerständig erweisen können, um der Musik in Duisburg eine Zukunft zu sichern.
Einige Duisburger Aktivisten haben er„Einige Duisburger Aktivisten
kannt, dass es wenig bringt, sich an alten
haben erkannt, dass es wenig
Strukturen festzuklammern. Dazu gebringt, sich an alten Strukturen
hören zwei Party-Veranstalter aus dem
festzuklammern“
ehemaligen Hundertmeister, die sich
nach Monaten der Unsicherheit über den Fortgang ihrer Location zu einem
gewagten Schritt entschlossen: Sie gründeten kurzentschlossen einen eigenen Club, der als High Five Club seit knapp drei Monaten geöffnet ist. Der
Club ist mitten in der Duisburger Innenstadt gelegen, in den Räumen des
alten Europa Kinos – jedenfalls bis auf weiteres. Denn die Konzession für den
Club gilt vorerst bis Ende nächsten Jahres, irgendwann danach soll der Bau
abgerissen werden.
Geschäftsführer des High Five Clubs sind Carsten Butterwegge und Tim Wilke, die zu ihrem Posten wie die Jungfrau zum Kinde kamen. „Wir hatten
den Gedanken, selbst eine Location für unsere Partys zu betreiben, schon
länger im Kopf. Dass es letztlich dieser Club geworden ist, entsprang einer
Verkettung von Zufällen“, erklärt Butterwegge. Für viele der monatlichen
Hundertmeister-Partys kam die Möglichkeit, in den High Five Club zu ziehen,
wie gerufen. Mittlerweile sind es fünf. Zusätzlich gibt es ein Konzertprogramm, das auf Reggae und HipHop, den Steckenpferden der Betreiber, fußt,
aber auch für viele andere Genres offen ist.
Die zweite neue Blume in der Duisburger Konzertlandschaft ist das Grammatikoff. Obwohl der Club so neu nun auch nicht ist, schließlich residiert
er dort, wo das Hundertmeister im Frühjahr nach endlosen Querelen schloss.
Das Grammatikoff ist eine kommerziell geführte Spielstätte für Konzerte, Lesungen, Kleinkunst und Partys. Betreiber sind die Macher des Steinbruch, Rolf
Stanietzki und Sebastian Schwenk. Schwenk fungiert als Programmverantwortlicher und hat seine Schlüsse aus der Geschichte des Hundertmeisters
gezogen: „Das Programm dort war gut, nur nicht vielseitig genug.“ Im Grammatikoff wird Comedy auf wenige gute Künstler beschränkt, Lesungen und
Partys sollen in ähnlichem Umfang stattfinden, zusätzlich
will Schwenk das Konzertprogramm wieder ausbauen. Stilistisch soll es sich an seine Arbeit im Steinbruch anlehnen,
in der „Genregrenzen auch nicht wirklich existieren“. Der
Betrieb des gastronomischen Bereichs und des Biergartens
bleiben in eigener Hand, zudem wird das Grammatikoff
im Vergleich zu früher ein Facelift erhalten. Die Besucher
Christian Steinbrink
des Dellplatzes dürfen also gespannt sein. Bis Redaktionslebt in Duisburg und
schreibt über Popmusik schluss ist der 4.11. als Eröffnungstermin angepeilt.
Sebastian23 zählt an: vierzehn – die Videokolumne
Im Grunde umrundet Rinde Bäume
Erst recht möchte ich keine dummen Anspielungen auf Justin Bieber hören, nur wegen meiner Haarfarbe. Bevor ich mit diesem quiekenden Batzen
nasser Zuckerwatte auf zwei Beinen in einem Satz genannt werde, baue ich
lieber einen Damm und/oder schlage mit meinem flachen Schwanz auf den
Waldboden.
Ich habe übrigens schon mal eine Weile im Wald gewohnt, aber irgendwann
hat es mir nicht mehr gefallen. Da kam immer so ein Grizzly zu mir, hat mich
so seltsam angeguckt und dann gesagt, er sei „Justin Bi-Bär“. Auf so was
lasse ich mich nicht ein. Ich hab ihm aber ein schönes Café in Friedrichshain
empfohlen. Braun war er ja.
Doch ich trage lieber eine Mütze, denn ich möchte weder Bär, noch Biber
sein. Wie ging denn nochmal dieses eine Gedicht?
„Hinter eines Baumes Rinde
Saß die Made mit dem Kinde
Doch das ging nicht lang, mein Lieber
Denn sie beide fraß ein Biber!“
So ungefähr lief das in einem berühmten Poem von Heinz Erhardt. Hier in
Bochum wird übrigens momentan für eine Hommage an den wunderbaren
Rundmann und Vollkontaktpoet Erhardt geworben. Der Abend läuft unter
dem Titel: „Ein Mann wie Er-hardt.“ Ich meine, Justin Bi-Bär hätte das gefallen. Als ich den Titel las, sind mir jedoch alle Zehennägel gleichzeitig abgefallen und nach Bielefeld ausgewandert.
Morgen ist auch noch ein Abend
Was kommt denn da als nächstes? Ein Goethe-Abend unter dem Titel „Abwarten und Goe-Tee trinken“? Und am Morgen danach treffen wir uns zum
„Früh-Schoppen-Hauer“?
Da füll ich mir doch lieber den Backenzahn mit Badesalz, weil mein Zahnarzt
einen an der Wanne hat. Hauptsache, ich kann morgen noch munter an der
Rinde knuspern.
FOTO/TEXT: SEBASTIAN23
Sebastian23 - Die Video Kolumne:
Auf youtube und auf engels-kultur.de/literatur-nrw
Mit zwei neuen Clubs stellt sich die Duisburger Konzertszene neu auf
4.11. Grammatikoff-Eröffnung. Party mit diversen DJ-Teams I facebook.com/
grammatikoff 16.11. Sola Rosa-Konzert im High Five Club I www.highfiveclub.de
22
improvisierte musik in nrw
Sing, sing, sing
Echter Jazzsänger: Kurt Elling, Foto: Timothy Saccenti
Leverkusen lässt singen
Von Olaf Weiden
„Li-La-Leverkusen“ sang eine karnevalistische Lokalgröße der Farbenstadt
am Rhein irgendwann in den Siebzigern. Rund um den 11.11. liegen seit
einigen Jahren die regelmäßig wiederkehrenden Leverkusener Jazztage, und
in diesem Jahr soll auch dort kräftig gesungen werden. Denn bei der 32.
Ausgabe dieses überregional beliebten Musikfestes steht die menschliche
Stimme im Mittelpunkt.
Gleich zum Auftakt singt die französische Chansonniere Zaz, die mit ihrer
bluesigen Stimme einen Talentwettbewerb gewinnen konnte. Dazu passt
Lisa Bassenge, die deutsch-iranische Stimme, die momentan hauptsächlich
in deutscher Sprache dichtet. Der Abend am 5.11. im Leverkusener Forum ist
bereits ausverkauft – ein guter Start in die Woche.
Nach den aktuellen Szene-Damen gastiert am folgenden Tag eine einzigartige Gesangslegende: Randy Crawford, die Stimme von „Streetlife“, und ihr
Mentor Joe Sample werden auch eine abgeklärte Version dieses CrusadersHits darbieten. Samples Sohn zupft übrigens den Bass zu diesem romantischen Seniorentreffen – ein Familienidyll. Deodato, der den Abend komplettiert, ist aber nicht der Sohn von Deodato, sondern die Legende Deodato
selbst. Wer dachte, nur weil 40 Jahre lang Schweigen herrschte um diesen
Künstler, sei der Neuerfinder von „Also sprach Zarathustra“ nicht mehr im
Rennen, hat sich getäuscht: Die Legende lebt! Sie singt allerdings nicht.
Raphael Gualazzi, Zweitsieger beim Eurovision Song Contest 2011 – der in
Leverkusens Vorschau „Euroversion Song Contest“ heißt, was vielleicht beweisen soll, dass man dieses Kommerzspektakel nur vom Hörensagen kennt
– Gualazzi also tritt mit seiner Band auf,
„Endlich ein Jazzsänger, der
um seine Position „zwischen Andrea Bo- Musik macht, ohne an Vercelli und Paolo Conte“ aktuell auszuloten
kaufszahlen zu denken“
– was zwischen diesen Polen gähnt, dagegen ist der Marianengraben nur eine Nut. Kyle Eastwood, Sohn von Clint,
spielt Bass an diesem 9.11. in seiner eigenen Band, und langsam drängt sich
die Frage auf, ob ohne Großveranstaltungs-Hintergrund oder Vitamin Verwandtschaft überhaupt noch jemand auf die Bühne darf. Aber just in diesem
Moment taucht der Name Kurt Elling auf, endlich ein mehrfach Grammydekorierter Jazzsänger, der tatsächlich ganz ernsthaft Musik macht, ohne an
Verkaufszahlen zu denken. Er verdient den Namen „Jazzsinger“, denn auch
improvisatorisch pflegt er eigene und traditionelle Wege.
Natürlich singen noch Souler (Maceo Parker), Funker (Larry Graham), Blueser
(Walter Trout) und richtige Schreihälse (Popa Chubby), bevor den krönenden
Forum-Abschluss am 12.11. zwei Generationen von Gesangsquartetten des Jazz
tätigen: Mit „The Manhattan Transfer“ gastieren die legendären Virtuosen dieses Fachs, „Birdland“ in ihrer Version wurde Erkennungsmelodie des gemischten
Doppels (Gründungsjahr 1972). Aber auch die Formation
„New York Voices“, ebenfalls ein gemischtes Quartett mit
Bandbegleitung, hat sich ihren guten Ruf verdient.
Neben dem Gesang stehen die Fusion-Musik und ihre
Vertreter in vielen Facetten auf dem Programm: Georg
Duke, Aldi Meola mit Gonzalo Rubalcaba, die Yellowjackets und Mezzoforte reisen an den Rhein, mit Musik
Olaf Weiden arbeitet
in jedem Härtegrad und einem netten Wiederhören mit
als Musiker und
Musikkritiker in NRW.
Stars von gestern: Vieles klingt vielversprechend!
„Leverkusener Jazztage“ I 5.-13.11. im Forum Leverkusen
www.leverkusener-jazztage.de
23
wupperkunst
Hans-Jürgen Hiby und Gerd Hanebeck mit dem Vorstandsvorsitzenden der Sparkasse Peter H. Vaupel in der Ausstellung, Foto: Uwe Schinkel, Wuppertal, courtesy Sparkassenforum Wuppertal-Elberfeld
Zwei sehr verschiedene Expressionisten
Gerd Hanebeck und Hans-Jürgen Hiby im Sparkassenforum Elberfeld
Die Klangstraße, die Georg Zangl zur Wuppertaler Performance-Nacht aufführte, passt zur Ausstellung im Sparkassenforum. Indem das Publikum Sand
und Steine auf Metallflächen schüttete oder tropfen ließ, entstanden Klänge und Laute, die etwas Ursprüngliches vermittelten und in ihren besten
Momenten einen atmosphärischen Klangteppich webten. Aber aller Sound,
dirigiert von Georg Zangl, blieb abstrakt und war ohnehin vorübergehend.
Etwas Elementares, ausgesprochen Expressives kennzeichnet nun auch die
Werke von Gerd Hanebeck und Hans-Jürgen Hiby. Beide kümmern sich nicht
um Moden; sie orientieren sich beharrlich am Menschenbild und übersteigern vorsichtig dessen Formen und Proportionen, lösen sich darin wieder
vom Naturalismus. Bei all dem sind sie versierte Handwerker. Auffällig ist
dies bei Hiby, der ein „klassischer“ Bildhauer – im Wortsinn – ist. Er arbeitet materialgerecht mit Stein und Holz, also schlägt heraus und sägt. Oder
er baut, umgekehrt, mit Gips wieder auf und gießt dann als Bronze. Dabei
verleiht Hiby seinen Skulpturen einen durchaus eleganten „Look“. Die abstrakten Formulierungen lassen sich auf Organisches zurückführen; bisweilen erinnern sie an die Plastiken von Henry Moore. Hibys Körperfragmente
stehen für das Ganze. Entsprechend hat er aufragende „Hüllen“ geformt,
deren glatte Außenflächen zur schützenden Haut werden und sozusagen
einen Kern umfassen – Hiby geht es um das Ganze, die schiere Existenz des
Menschen. Das verdeutlichen noch seine Malereien, die der Statik der Skulptur das Bewegte des Pinselstrichs entgegensetzen. Hier sind die Figuren kantig gegeben; ein hauchzarter Farbschleier ist vor sie gelegt, mitunter spielt
der Gegensatz von Hell und Dunkel eine Rolle, und sogar der Knochenmann
kommt hier, etwas pathetisch, vor. Die Malereien verbinden Dramatik mit
einem erzählerischen Ton. Und dabei gelingt, was in der überlebensgroßen dialektisch zweiteiligen Holzskulptur „Der letzte Tanz? Hommage à Pina
Bausch“ nicht so gut hinhaut. Schade, dass Hiby gerade hier nicht die Verdichtung und Direktheit seiner anderen Arbeiten gelingt. Hans-Jürgen Hiby,
der 1941 in Wuppertal geboren wurde und hier auch lebt, hat 1964/65 bei
Fritz Wotruba in Wien studiert – im Grunde setzt er mit seinen Arbeiten
dessen Haltung konsequent fort.
Tanz über den Wolken
Danach – und im Sparkassenforum daran anschließend – tut die Leichtigkeit
und das Filigrane der Kunst von Gerd Hanebeck gut. Auch Hanebeck ist Wuppertaler, geboren 1939 in Remscheid. Der vergeistigten Erdenschwere von Hiby
steht der Tanz über den Wolken in seinen Werken gegenüber – wie schön!
Aber, sind die skulpturalen Werke, die Assemblagen, Collagen und Bilder
überhaupt von ihm? In ihrer Motivik und Formensprache, in der Verwendung
von Lehm, Holz und Eisen erinnern sie an rituelle Fetische vom afrikanischen
Kontinent. Die Figuren sind oft verknappt, die Szenen sind vielfigurig und
zeigen etwa Reiter, daneben entstehen kleinteilig gefüllte Kästen. In einzelnen seiner Titel erwähnt Hanebeck die Kultur der Dogan. Er ist von dieser
fasziniert. Aber seine Werke hat er doch als wissbegierig Suchender und
Findender selbst entwickelt und geformt. Und ist es nicht einfach so, dass er
sich für das Ursprüngliche interessiert, wie es auch die sogenannte primitive
Kunst kennzeichnet? Auch passt dazu, dass er mit Erdmaterialien arbeitet
und Fundstücke integriert, die ihre Geschichte und Verletzlichkeit vor Augen
tragen. So entstehen „Reiterfiguren“ aus Terrakotta und die „Afrikaschreine“,
die mit Federn verziert sind. Im Grunde ist es kurios: Gerd Hanebeck ist mit
seinen Rückgriffen auf archaische Formen und ursprüngliche Völker ausgesprochen zeitgenössisch. Alles steht für den Zugriff zur Verfügung. Indes geht
es Hanebeck um Verinnerlichung und Beseeltheit. Wie sehr er seine Werke
erarbeitet, erkennt man noch bei den Bildern, bei denen eine schildartige
Form dem erdig-braunen oder blauen Grund aufgelegt ist als frontale Figur
oder wie eine Lederhaut, die einzelne Szenen schildert, dabei symmetrisch
und ornamental organisiert ist. Und dann erkennt man übrigens auch, dass
Hanebeck einen feinen Sinn für Farbigkeit hat. Im Sparkassenforum leuchten
diese Arbeiten aus sich heraus; die vielen Figurationen, Gestaltungen in den
Kästen und auf dem hölzernen Schiff erwachen hier zu Leben – sie werden
ihre besondere Freude am „Sound-Walk“ von Georg Zangl gehabt haben.
THOMAS HIRSCH
„Hans-Jürgen Hiby und Gerd Hanebeck: Annäherungen“
bis 18.11.
Sparkassenforum in Wuppertal-Elberfeld
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portrait
Für Christian Hampe ist das Nachdenken über Utopia mehr als ein akademisches Glasperlenspiel, Foto: privat
Das Morgen hat begonnen
Christian Hampe hat „clownfisch“ gegründet und initiierte das Utopiastadt-Projekt im Bahnhof Mirke
Er träumt nicht davon, eine neue Welt zu erschaffen. Und „Utopia“ bedeutet für ihn nicht „unmöglich“, sondern „im Moment nicht umsetzbar“,
erläutert Christian Hampe seine Definition. „Utopia zu erschaffen, ist nicht
einfach. Deshalb haben wir uns für einen Ort entschieden, an dem Utopisches entstehen kann.“ Das maßgeblich von ihm initiierte Utopia-Projekt
ist also konkret. Anders als Kafkas Schloss, Lindgrens Villa Kunterbunt oder
das ursprünglich anarchische Entenhausen gibt es jenseits des Fiktiven eine
architektonische Umsetzung, nämlich am Bahnhof Mirke. Hier zogen Mitte
Oktober die ersten Bürger ein. Denn „Utopiastadt“ ist die Verortung eines
Netzwerkes, die Bildung eines Nukleus für die Kreativ¬branche. Unterstützt von der Stadtsparkasse und in Kooperation mit Wirtschaftsförderung
Wuppertal und der Bergischen Entwicklungsagentur soll hier die kollektive
Auseinandersetzung und Nutzung kreativen Potentials für unterschiedlichste Themen stattfinden. Die energieautarke Stadt, welche Rolle Kultur
spielt und warum sie erhaltenswert ist, oder „Stadtentwicklung im Kontext
von Strukturwandel“ könnten solche Aufgabenstellungen sein.
Keine Wunschwelt, sondern konkrete Pläne
Das Zwei-Jahres-Konzept steht und ist abgesegnet. Wie konkret Utopia ist,
veranschaulicht er am Gebäude. „Es ist in einem desaströsen Zustand, und
nun geht es nicht um die perfekte Sanierung, sondern um einen Prozess,
das Gebäude zu reaktivieren.“ Solche kreativen Herausforderungen liebt
der 30Jährige. 1981 in Wermelskirchen als Sohn eines Architektenpaares
geboren, hat der Wahl-Wuppertaler bereits als Schüler am Ernst-MoritzArndt-Gymnasium, Remscheid, „Interesse an allen möglichen künstlerischen Sachen gehabt“. Seine erste Tat als Veranstalter war damals, das
„EMA-Festival“ zu organisieren. Eher zufällig geriet er nach dem Abi im
Winter 2001 in ein Filmprojekt des inzwischen sehr berühmten Florian
Henckel von Donnersmarck. „Es war eine spannende Erfahrung“, fast hätte
er sich in Babelsberg an der Filmhochschule eingeschrieben. Aber ein Gespräch mit Franz Schmid brachte ihn als Zivildienstleistenden ans Haus der
Jugend Barmen. Hier kümmerte er sich mit um den Rockförderpreis und
den damit (damals) verbundenen Veranstaltungsmarathon. Diesem Projekt
ist er letztlich bis heute treu geblieben. „Um fehlende Gelder, die die Stadt
nicht hat, zu kompensieren und Niveau und Preisstruktur im Haus der Jugend Barmen halten zu können, haben wir einen Förderverein gegründet.“
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Kein Weltverbesserer, sondern interessierter Macher
Ob er eine wirklich musische Begabung hat, weiß Christian Hampe nicht.
„Ich habe schon immer Forscherdrang gehabt.“ Sein Schulpraktikum absolvierte er bei Bayer, und der ambitionierte Taucher, der oft am Mittelmehr die Küste abtauchte („Kroatien ist ein schönes Gebiet“) fand
lange Zeit auch den wissenschaftlichen Bereich Meeresbiologie reizvoll.
Letztlich ist es dann ein Studium als Kommunikationsdesigner geworden.
„Film, Animation, Fotografie, Installation – alle Studienaspekte sind eng
miteinander vernetzt und so habe ich fachübergreifend gelernt.“ Erst im
Hauptstudium spezialisierte man sich an der Ruhrakademie in Schwerte,
„vorher war das ein Studium Generalis, wir konnten alles parallel machen“. Zeit, zusammen mit Beate Blaschczok eine Studienvertretung aufzubauen, blieb auch noch. Eine Revolution wollte er nie anzetteln, eher
Diskussion anschieben. 2008 lernt er auf der Suche nach einer Location
für das „clownfisch“-Projekt Thilo Küppers kennen. „In den Elba-Hallen
sollte ursprünglich nur ein Raum bespielt werden. Dann hatten wir 2.500
Quadratmeter auf einer kompletten Etage.“ Weitere zwei Jahre wurde das
Schöpfungskonzept inhaltlich, künstlerisch und unter wirtschaftlichen
Gesichtspunkten ausgearbeitet – Businesspläne und Betriebskonzepte
inklusive. Das Ergebnis ist Utopiastadt im Mirker Bahnhof. Ein Campus
als Forschungseinrichtung mit hochkreativem Potential, aus dem neue
Synergien geschöpft werden. Und sicher eine Plattform, auf der neue Projekte entstehen.
VALESKA VON DOLEGA
clownfisch projekt
Christian Hampe
[email protected]
0179 108 64 47
Magazin clownfisch
Ludwigstr. 49, Wuppertal
0202 295 85 30
[email protected]
www.clownfisch.eu
kunst-kalender
zungen
mit
-zungen
Ulrich Erben, Farben der Erinnerung, 1989/90, 150x230 cm, Sammlung Ströher, © U. Erben,
courtesy Küppersmühle, Duisburg
Die Kunst-Termine NRW
BEDBURG HAU – Museum Schloss Moyland
www.moyland.de
KÖLN – Kölnischer Kunstverein
www.koelnischerkunstverein.de
Alles Gute! bis 15.4.12
10 ehemalige Stipendiatinnen aus 20 Jahren
Künstlerinnenförderung in Nordrhein-Westfalen
BOCHUM – Kunstmuseum
www.bochum.de/kunstmuseum
Omer Fast bis 18.12.
Videos des jungen israelischen Künstlers
Buddhas Spur bis 13.11.
Aktuelle Kunst aus dem asiatischen Raum
BONN – Kunstmuseum
www.kunstmuseum-bonn.de
Max Beckmann: Grafik bis 21.12.
Druckgraphiken des expressionistischen politischen Künstlers, aus dem Museumsbestand
Thomas Rentmeister bis 5.2.12
Einblick in die verschiedenen Werkphasen des
1964 geborenen Bildhauers, der Alltagsmaterialien in eine skulpturale Präsenz überträgt
BONN – Kunst- und Ausstellungshalle
www.kah-bonn.de
Anime!, bis 8.1.2012
Ein umfassender Einblick in die Ästhetik und
die Produktionsweisen japanischer Animationsfilme
BOTTROP – Josef Albers Museum
www.quadrat-bottrop.de
Gotthard Graubner bis 25.1.12
Die Farbraumkörper des deutschen Hauptvertreters einer reinen Malerei im Dialog mit Albers
BRÜHL – Max Ernst Museum
www.maxernstmuseum.lvr.de
George Grosz, bis 18.12.
Werkschau des politischen, zeitweilig den
Dadaisten zuzurechnenden Künstlers
DÜSSELDORF – Museum Kunstpalast
www.smkp.de
Die Düsseldorfer Malerschule bis 22.1.12
Die heute international geschätzten Maler der
Kunstakademie Düsseldorf im 19. Jahrhundert
DUISBURG – Lehmbruck Museum
www.lehmbruckmuseum.de
100 Jahre Lehmbrucks Kniende, bis 22.1.12
Kunst und Kultur in Paris zu Beginn des 20. Jh.
DUISBURG – Küppersmühle
www.museum-kueppersmuehle.de
Ulrich Erben bis 29.1.12
Eine exemplarische Werkschau mit zwei
Wandmalereien des wichtigen Farbfeldmalers
GELSENKIRCHEN – Kunstmuseum
www.kunstmuseum-gelsenkirchen.de
Margaret C. Leiteritz bis 27.11.
Margaret C. Leiteritz (1907-76) hat am Bauhaus in Dessau studiert; mit ihren Malereien
und Tapisserien ist sie erst noch zu entdecken
HAGEN – Osthausmuseum
www.osthausmuseum.de
Michael Schnabel bis 6.11.
Landschaftsbilder des Stuttgarter Fotografen
HERFORD – Marta
www.marta-herford.de
Jetzt bis 6.11.
Zeitempfinden im Gegenwartsdesign
KLEVE – Museum Kurhaus
www.museumkurhaus.de
Jannis Kounellis, bis 29.1.
Der griechische Hauptvertreter der Arte Povera
mit einer bildnerischen Werkgruppe
KÖLN – Museum Ludwig
www.museum-ludwig.de
KÖLN – SK Stiftung Kultur
www.photographie-sk-kultur.de
Judith Joy Ross bis 5.2.12
Übersicht über die seit 1982 entstandenen
Portrait-Serien der amerikanischen Fotografin
LEVERKUSEN – Museum Morsbroich
www.museum-morsbroich.de
Frauenzimmer, bis 13.11.
Prozessual und installativ orientierte Werke
u.a. von Thea Djordjadze und Isa Genzken
MÖNCHENGLADBACH – Kunstverein
www.MMMIII.de
wall to wall bis 13.11.
Der Bildhauer Manuel Franke und die Malerin
Leni Hoffmann in einem raumbezogenen Dialog
MÖNCHENGLADBACH – Museum Abteiberg
www.museum-abteiberg.de
Morgan Fisher bis 5.2.12
Die konzeptuelle Rekonstruktion einer Wandarbeit von Palermo (August-Pieper-Straße)
MÜLHEIM – Kunstmuseum
www.kunstmuseum-mh.de
Werner Gilles bis 8.1.12
Werkschau zum 50. Todestag des Malers und
Grafikers, der symbolhaft Mythen dargestellt hat
MÜNSTER – LWL-Landesmuseum
www.lwl-landesmuseum-muenster.de
Thomas Ruff bis 8.1.12
Vier Serien zu Sternen und zum Himmel des
konzeptuellen Künstlers mit der Fotografie
NEUSS – Clemens-Sels-Museum
www.clemens-sels-museum-neuss.de
Aristide Maillol – Maurice Denis bis 8.1.12
Zwei Hauptvertreter der Klassischen Moderne
OBERHAUSEN - Ludwiggalerie
www.ludwiggalerie.de
Walter Moers bis 15.1.12
Sammelsurium des schräg-genialen Comiczeichners und Schriftstellers
REMAGEN – Arp Museum Rolandseck
www.arpmuseum.de
Rheinromantik bis 4.3.12
Die Landschaft am Rhein zwischen künstlerischer Überhöhung und Klischee
WUPPERTAL – Von der Heydt-Museum
www.von-der-heydt-museum.de
Alfred Sisley, bis 29.1.12
Übersicht über das Werk des berühmten
französischen Impressionisten (1839-1899)
Empfehlungen von Thomas Hirsch
Foto: I. Arndt, Montage: K. Nikolic
25.11.1894
Verehrter Herr!
Der (8.) Jahrestag meiner Ankunft in London rückt heran u. somit auch Ihr
Geburtstag, der grade einige Tage vorher gefeiert worden war u. den ich
damals erst erfuhr. Nehmen Sie auch dieses Jahr, verehrter Herr, meine
herzlichsten Glückwünsche zu diesem Tage, feiern Sie ihn im Vollbesitz
Ihrer körperlichen Gesundheit. Von Ihrer unerschütterlichen jugendlichen
Geisteskraft u. Frische, haben wir öfters Gelegenheit uns im Vorwärts
zu überzeugen. Möge sie Ihnen noch lange, lange Jahre zu Ihrem eignen
Wohl u. zum Wohle unsrer Freunde u. Feinde erhalten bleiben. Und
noch ein Wunsch, fassen Sie an Ihrem Geburtstag den festen Entschluß
nächstes Jahr wieder nach Berlin zu kommen. Wir würden uns ungeheuer
freuen u. versuchen Ihnen den Aufenthalt recht angenehm zu machen.
Sie können sich dann wohl auch die Umsturzparagraphen, praktisch
angewendet, näher ansehen. Bald werden wir sie kennen lernen, fürchten
sie aber nicht sehr.
Durch die Ankunft des kleinen Baby wird das Leben in Ihrem Haus ein
etwas verändertes Ansehen bekommen haben. Der kleine, neue Mensch
trägt gewiß aber auch nach einiger Zeit schon viel zu Erheiterung u. Freude bei. Der Anziehungskraft u. dem unaussprechlichen Reiz eines solch‘
kleinen Wesens, kann sich kaum irgend ein Mensch entziehen.
Bitte, grüßen Sie die Mama recht herzlich.
Wie es bei uns geht u. steht, hat Ihnen, so viel ich hörte, mein Mann
neulich geschrieben. Verändert hat sich nichts. Hätten nur Th[eodor] u.
K[arl] ihre Vorbereitungsjahre hinter sich. Es ist eine schwere Zeit für sie,
Sie können sich ihre Stellung denken u. die Art, wie die Gesellschaft sie
aufnimmt.Leben Sie wohl, verehrter Herr, u. nehmen Sie die besten, freundlichsten
Grüße von Ihrer
N[atalie] L[iebknecht]
Gruß und Glückwünsch von Deinem W[ilhelm] L[iebknecht]
Natalie Liebknecht
Natalie Liebknecht (1835-1909): Ehefrau des sozialdemokratischen Politikers Wilhelm Liebknecht.
Am 28.11.1894 feierte Engels seinen 74. Geburtstag. 1894/95 wurde im Reichstag eine Novelle
zur Verschärfung der Strafen für politische Delikte eingebracht: die sog. Umsturzvorlage. Sie
wurde jedoch verworfen. Das „Baby“ ist das Kind von Engels‘ Sekretärin Louise Kautsky. Die
Söhne Theodor und Karl waren angehende Juristen.
engels zungen in der Engels-Stadt:
Wir lassen Zeitgenossen des
Kapitalisten und Revolutionärs zu
Wort kommen, zitieren Briefe an
Wuppertals berühmten Sohn.
Quellenangabe: Wilhelm Liebknecht: Briefwechsel mit
Karl Marx und Friedrich Engels, hg. von Georg Eckert, The
Hague 1963, S. 397-398; Abb.: Wadim Tschubinski: Wilhelm Liebknecht, Berlin 1973, nach S. 176
26
Natalie Liebknecht
kulturbrücke
Der Besuch aus Russland im Historischen Zentrum: Engels spinnt nicht, Foto: Kulturbrücke Wuppertal – Engels
„51 Stunden Anreise mit dem Zug“
Harald Nowoczin über den Besuch einer Delegation aus Russland
engels: Herr Nowoczin, vom 26. September bis malig auch die Städtische Musikschule. Kontakte
zum 1. Oktober bekam Wuppertal Besuch von zum Standort Wuppertal der Hochschule für
Musik und Tanz Köln existieren ja schon länger.
der Wolga. Was haben Sie erlebt?
Harald Nowoczin: Es gab in der Vergangenheit Renate Schlomski, Leiterin der Musikschule, wird
schon mehrere Besuche von Delegationen aus der bei unserem nächsten Gegenbesuch wahrscheinStadt Engels an der Wolga, um die Kontakte zwi- lich dabei sein. Anschließend gab es noch ein Geschen der Geburtsstadt von Friedrich Engels und spräch mit Herrn Professor Dieter Kreidler, eheder Stadt, die nach dem berühmten Philosophen maliger Leiter der Hochschule für Musik und Tanz
Köln in Wuppertal, der mittlerbenannt wurde, zu vertiefen. Die
„Das kulturelle Leben dort
weile Beiratsvorsitzender des
nun angereisten sechs Repräsentanten aus Engels waren alle macht uns Wuppertaler vor Neid Deutschen Musikrates ist. Wenn
grün im Gesicht“
wir allerdings von dem reichen
das erste Mal in Wuppertal. Drükulturellen Leben dort hören,
ben gab es auf lokaler und regionaler Ebene in letzter Zeit politisch einige Verän- werden wir Wuppertaler auch schon mal grün
derungen. Der stellvertretende Leiter des Kreises im Gesicht vor Neid. Es ist schon bemerkenswert,
Engels war nun bei dem aktuellen Besuch dabei, was dort für die jungen Leute in dieser Hinsicht
dann der Kurator des Projektes Kulturbrücke getan wird. So etwas kann sich Wuppertal nicht
Wuppertal-Engels, der Leiter des Amtes für Bo- leisten.
dennutzung, die Leiterin des Kinderzentrums, die
Leiterin der Abteilung zur Zusammenarbeit mit Gab es auch Kontakte zur Stadtverwaltung
Wirtschaftsunternehmen und die stellvertretende Wuppertal?
Leiterin der Stadt Engels. Unsere Besucher kamen Zunächst gab es einen offiziellen Empfang bei der
Bürgermeisterin Ursula Schulz. Herr Jung war leiübrigens 51 Stunden mit dem Zug angereist.
der verhindert. Und dann gab es Treffen auf der
Welche neuen Wege der Zusammenarbeit Dezernentenebene. Mitarbeiter der Kämmerei
und des Bauamtes vermittelten den Besuchern
konnten Sie finden?
Obwohl sich unser Verein primär um kulturelle aus Engels Einblicke in das hiesige Baurecht, in
Zusammenarbeit bemüht, standen ökonomische die Haushaltsfinanzierung und das GrundstücksFragen diesmal im Vordergrund. Gleich am ersten recht. Für die Verwaltungsleute aus Russland war
Tag gab es ein Treffen mit der Stadtsparkasse. vieles neu.
Sparkassen, so wie wir sie als kommunale Einrichtung kennen, gibt es in Russland nicht. Ein großes Werden auch junge Menschen in Wuppertal
Interesse besteht an unserer Industrie- und Han- von dem Kontakt nach Engels profitieren?
delskammer, um den ökonomischen Austausch Als zweite Schulpartnerschaft wird es nun eine
zwischen den Städten voranzubringen. Eigentlich Verbindung zwischen dem Ganztagsgymnasium
müssten die Besucher 14 Tage allein dafür hier Johannes Rau und dem Gymnasium Nummer 8
bleiben, um das Konstrukt einer Industrie- und in Engels geben. Es werden in diesem Jahr noch
Handelskammer zu verstehen. Außerdem gab es Schüler von Wuppertal nach Engels reisen. Die
einen Besuch des Bildungszentrums der Rem- Delegation traf aber auch auf unseren Kulturdezernenten Matthias Nocke. Bei der Gelegenheit
scheider Metall- und Elektroindustrie.
wurde die Möglichkeit eines Sportaustausches
thematisiert. Es ist allerdings mit viel Aufwand
Aber auch die Kultur kam nicht zu kurz?
Natürlich nicht. Wir zeigten unseren Gästen erst- verbunden, wenn ganze Mannschaften mit der
27
Bahn oder dem Flugzeug anreisen müssen.
Apropos Engels, kennen die Menschen von dort
ihren Friedrich?
Da keiner der Besucher zuvor schon einmal in
Wuppertal war, interessierten sich unsere Gäste
sehr für das Historische Zentrum mit dem EngelsHaus. Im Landesmuseum in Engels richtet man
übrigens nun einen Wuppertal-Saal ein, der mit
Bildern, Plakaten und audiovisuellen Medien bestückt wird. Aus unserem Vereinsvorstand wird
hier Herr Rehbein bei der Gestaltung helfen. Wir
werden uns für die Hilfe zum Transport von Exponaten von Wuppertal nach Engels an die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit wenden.
Ansonsten nutzen wir natürlich auch digitale Medien. Es soll die Möglichkeit geschaffen werden,
den Unterricht in der Junior-Universität über das
Internet nach Engels zu übertragen.
Gab es für die Gäste auch noch mehr zu sehen
als das Bergische Land?
Natürlich, die Gruppe unternahm einen Tagesausflug nach Amsterdam.
Wer bezahlt eigentlich den ganzen Kulturaustausch?
Die Fahrtkosten übernimmt die Stiftung WestÖstliche Begegnungen in Berlin. Die Sparkasse
unterstützt unsere Arbeit auch. Städtische Zuschüsse bekommen wir nicht. Unterkunft und
Verpflegung übernimmt jeweils der Einladende
vor Ort.
INTERVIEW: LUTZ DEBUS
ZUR PERSON:
Harald Nowoczin ist im Vorstand des Vereins Kulturbrücke
Wuppertal – Engels.
Foto: Kulturbrücke
Wuppertal – Engels
auswahl
So 6.11. I 18 Uhr
TANZTHEATER WUPPERTAL
PINA BAUSCH
Wuppertal
DER FENSTERPUTZER
Das Stück von Pina Bausch entstand
seinerzeit in Zusammenarbeit
mit Hong Kong, 1997 wurde es
uraufgeführt. Die Choreographie
in Verbindung mit den Klängen
aus Asien und der Welt (darunter
Melodien aus China, Indien, Mexiko,
Rumänien, unter die sich auch Jazz
und Rhythm’n‘Blues mischen) sowie
Texten und Gedichten entführt die
Zuschauer ins Großstadtleben und
uns unbekannte Welten. Bausch
hatte sich einst auf ihren unzähligen Reisen zu „Der Fensterputzer“
inspirieren lassen. Nach längerer
Pause wird das vielschichtige Stück
nun als Neuinszenierung wiederaufgenommen.
Fr 11.11. I 20 Uhr
LCB LIVE CLUB BARMEN
Wuppertal
17 HIPPIES
Die Musik der 17 Hippies ist so vielgestalt wie die vielköpfige (wenngleich auch nicht exakt 17köpfige!)
Gruppe selbst. Seit sechzehn Jahren
existiert die Berliner Band bereits.
Über diese Zeit hat sie sich international einen Namen machen können
mit ihrer unverwechselbaren Musik,
die sich in kein bisheriges Genre
pressen lässt, beeinflusst von Rock,
Pop und musikalischen Strömungen
aus aller Welt. Die furiosen LiveAuftritte taten ihr Übriges. Einen
solchen Termin sollte man sich
daher nicht entgehen lassen.
Foto: Dirk Trageser
Fr 11.11. I 20 Uhr
HISTORISCHE STADTHALLE
Wuppertal
LYDIE AUVRAY
Lydie Auvray spielt Akkordeon, und
das überaus variantenreich und
temperamentvoll. Dabei schafft
sie es, ihrem Spiel Modernität
und Frische einzuhauchen und die
Musik aus der Schlagerecke und der
Schublade der Volksmusik zu holen.
Die Französin steht bereits seit über
dreißig Jahren auf der Bühne, 18
Alben hat sie bisher veröffentlicht.
In der Stadthalle spielt sie zusammen mit Eckes Malz am Klavier und
Markus Tiedemann an der Gitarre,
vor allem Eigenkompositionen.
Dabei lässt sie sich aber auch die
Möglichkeit auf das ein oder andere
Akkordeon-Solo natürlich nicht
nehmen.
Foto: Volker Neumann
Sa 12.11. I 18 Uhr
UNI-HALLE
Wuppertal
WUPPERTAL HILFT! 2011
Das 7. Benefizfestival „Wuppertal
hilft!“ startet in diesem Jahr zugunsten des Vereins „Weißer Ring“, das
Kriminalitätsopfern unbürokratisch
Hilfe leistet. Erneut konnten unzählige Künstler gewonnen werden,
die gemeinsam ein umfang- und
abwechslungsreich Programm auf
die Beine stellen, darunter Musiker
Europas größtes
28
Tiermagazin
und Bands, Kabarettisten und
Tänzer. Das Ensemble des Tanzhaus’
Wuppertal Ausschnitte präsentiert
Stücke aus der aktuellen MusicalShow „Stage“, und auch der Kinderund Jugendzirkus’ Krümel, die Alley
Blues Band, ein Samba-Ensemble
und verschiedenste Cover-Bands
werden zu sehen sein. Insgesamt
bestreiten über 20 Künstler gemeinsam die Nacht für den guten Zweck.
ab Sa 12.11.
THEATER KAMMERSPIELCHEN
Wuppertal
DIE 39 STUFEN
Das Kammerspielchen bringt die
Theaterversion von Hitchcocks Kriminalkomödie aus den 30er Jahren
auf die Bühne – die wiederum auf
einem Roman von 1915 basiert und
bis heute mehrfach neu verfilmt
auswahl
wurde. Für das Theaterstück nun
verkörpern gerade einmal vier
Schauspieler an die hundert Rollen.
In dem spannenden Thriller mit
seinem feinen Humor gerät der
harmlose Tourist Richard Hannay
in eine Spionageaffäre um die
geheimnisvolle Organisation mit
Namen „39 Stufen“, und schließlich
geht es um nichts Geringeres als die
Rettung der Nation.
So 13.11. I 18 Uhr
KLOSTERKIRCHE LENNEP
Remscheid
MOVIE IN MOTION: NATHAN DER
WEISE
Manfred Noas bildgewaltiger
Stummfilmklassiker nach dem
Drama von Lessing aus dem Jahr
1922 war lange Zeit ungesehen und
vergessen, unter den Nationalsozialisten hatte er einen schweren
Stand und galt danach als verschollen. Erst rund siebzig Jahre später
entdeckte man das Filmmaterial
in Moskau. Doch dafür, dass das
filmische Schmuckstück so lange
Zeit niemand zu Gesicht bekam,
wird es auch heute überraschend
selten gezeigt. In der Klosterkirche
erfährt „Nathan der Weise“ dafür
eine Live-Vertonung durch das
Wuppertaler Ensemble „sornofeo“,
das die Musikbegleitung eigens für
das Epos komponierte.
So 13.11. I 20 Uhr
HISTORISCHE STADTHALLE
Wuppertal
CHRISTOPH MARIA HERBST: ICH
LEG DANN MAL AB
Christoph Maria Herbst liest aus
seinem aktuellen Buch „Ich leg
dann mal ab“, das er mit „ein Traum
von einem Schiff“ untertitelt hat.
Darin verarbeitet er – man ahnt es
bereits – seine Erlebnisse als
Gaststar auf dem berühmtesten
Passagier-Dampfer im deutschen
TV, namentlich: das Traumschiff
aka MS Deutschland. Drei Wochen
schipperte er auf dem Kreuzfahrtschiff über die Weltmeere und
sondiert rückblickend mit einer
ordentlichen Portion Ironie seine
Erlebnisse und Begegnungen auf
Bora Bora, in Chile, Montezuma
und Co.
Di 15.11. I 19.30 Uhr
BÜRGERBAHNOF
Wuppertal
KRIEGSENDE IN WUPPERTAL
In der Dokumentarfilmreihe „Zeitlupe“ werden regelmäßig Dokumentarfilme rund um Zeitgeschichte,
Wirtschaft und Politik gezeigt, die
hinter die Kulisse bestimmter Ereignisse blicken und neue Sichtweisen
eröffnen wollen. Im November
begibt sich die Reihe mit dem Film
„Kriegsende in Wuppertal“ von Ulf
Arlinghaus auf die „Suche nach der
‚Stunde Null‘“. 1945 war Wuppertal
fast zur Hälfte zerstört, und auch
die Bevölkerung zählte nur noch die
Hälfte, darunter viele ausländische
Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene. Im Film kommen Zeitzeugen zu
Wort, die den desaströsen Zustand
Wuppertals zu dieser Zeit schildern.
Do 17.11. | 20 Uhr
KATTWINKELSCHE FABRIK
Wuppertal
INTERNATIONAL GUITAR NIGHT
03.11. JIMMY BREUER (LCB)
03.11. S.HAKENBERG · M.FEINDLER (Eventum)
10.11. KABARETT DISTEL (VillaMedia)
11.11. LYDIE AUVRAY (Stadthalle)
15.11. GERBURG JAHNKE & GÄSTE (LCB)
16.11. KONRAD BEIKIRCHER (VillaMedia)
17.11. DIE 3 VON DER FUNKSTILLE (LCB)
18.11. HENNES BENDER (LCB)
18.11. RENI REINLICH (Eventum)
19.11. GERD DUDENHÖFFER (Stadthalle)
20.11. HEINRICH PACHL (LCB)
24.11. PIET KLOCKE (VillaMedia)
24.11.+14.-16.12 VOLLPLAYBACKTHEATER (Rudolf Steiner Schule)
25.11. OFFENE BÜHNE BERGISCH LAND (LCB)
26.11. FATIH ÇEVIKKOLLU (Café Ada)
26.11. SILJE NERGAARD TRIO (Stadthalle)
27.11. DIE BERT ENGEL SHOW! (Eventum)
29.11.+24.01. CAROLIN KEBEKUS (29.11. VillaMedia)
30.11. THORSTEN HAVENER (LCB)
03.12. MIRJA BOES (Stadthalle)
04.12. HORST SCHROTH (LCB)
Fünf meisterhafte Musiker spielen
zur International Guitar Night auf,
vier Gitarristen und ein VibraphonSpieler, die akustische Gitarrenmusik vom Feinsten zum Besten geben.
Emotionale Melodien wechseln sich
mit dynamischen Rhythmen ab.
Aus Deutschland, Italien und Polen
stammen Claus Boesser-Ferrari,
Peter Finger, Beppe Gambetta und
Tomasz Gaworek als Vertreter
zeitgenössischer Gitarrenmusik, die
dank ihrer ganz eigenen Musikstile
für ausreichend Kurzweil an diesem
Abend sorgen dürften.
Weitere Termine,Tickets und Informationen gibt es auf:
www.forum-maximum.de
29
Fr, 18.11. 20 Uhr
DIE BÖRSE
ERDMÖBEL
Viel gefeiert in allen Feuilletons,
hat die Kölner Band Erdmöbel ihr
achtes Album „Krokus“ mit einer
Tour gefeiert. Nun kommen sie
auch nach Wuppertal, und das
sollte keiner verpassen. Immer ein
bisschen melancholischen kommen
die Pop-Hymnen von Sänger und
Songwriter Markus Berges, Gitarrist
und Produzent Eki Maas, Schlagzeuger De Wüb und Pianist Proppe
daher. Berges Texte erheben sich
durch ihre Verdichtung über ihre
Form. Während das letzte Album
„No. 1 Hits“ etwas andere Coverversionen enthielt, sind sie mit
„Krokus“ wieder zu alten Traditionen zurückgekehrt. Und wie auf
Erdmöbel-Konzerten üblich: es darf
geschwoft werden.
Do 24.11. I 20 Uhr
VILLAMEDIA
Wuppertal
PIET KLOCKE & SUSANNE SONNENSCHEIN
Seine hervorstechendsten Merkmale: Hagere Gestalt, tendenziell
unmodische Kleidung, karottenrotes
Kraushaar, Nickelbrille. Und die Sätze, die aus seinem Mund kommen,
brechen nicht selten unvermittelt
ab und sind überhaupt mindestens
so konfus wie sein Haarschopf. Aktuell ist der amüsante Wirrkopf mit
den interessanten Gedankengängen
für seine Tour „Das Leben ist schön
– gefälligst!“ unterwegs, die er
gemeinsam mit der Saxophonistin
auswahl
Simone Sonnenschein bestreitet.
Es wird munter drauflos musiziert
und improvisiert. Man darf sich also
vollauf überraschen lassen.
Do 24.11. I 20 Uhr
RUDOLF-STEINER-SCHULE
Wuppertal
VOLLPLAYBACKTHEATER: DIE DREI
??? UND DIE SCHWARZE KATZE
Lauter Schauspieler, die keinen Ton herausbekommen: Die
Vollplaybacktheater-Spektakel
sind nicht nur etwas für ausgemachte Hörspiel-Freunde. Denn
die Truppe verwurstet Hörspielfragmente, Geräusche und Musik
zu eigenständigen Persiflagen
(und zugleich Hommagen), hinzu
gesellen sich andere prominente
Hörstücke aus TV- und Filmgeschichte. Da ihnen das Sprechen
abgenommen wird, können die
Schauspieler sich umso mehr ihrer
exaltierten Darstellung der überzeichneten Charaktere hingeben.
Hier ist nichts ernst, aber alles
urkomisch.
Foto: Daniela Landwehr/diebildhauer.de
bis 26.11. I Mi/Do 17-20,
Fr 17-19, Sa 13-16 Uhr
GRÖLLE PASS:PROJECTS
JÜRGEN PALMTAG
Der 1951 in Schwenningen/Neckar geborene Jürgen Palmtag ist
von Haus aus begnadeter, leidenschaftlicher Zeichner. Er verbindet
collagenartig unterschiedliche
Motivwelten, die grafisch erfasst
sind, fügt noch Text in einer
kruden Staksigkeit hinzu und
unterläuft spätestens jetzt alle
potentielle Eindeutigkeit. Seine in
einen farbigen Grund getauchten
Bilder sind Tummelplätze des
Ereignens, reich an Schlagworten,
Allgemeinplätzen, die anverwandelt und in neue, erzählerische
Kontexte gestellt werden.
Infos: 0173 26 11 11 15
So 27.11. I 16 Uhr
HISTORISCHE STADTHALLE
Wuppertal
PRISMA-QUARTETT: SAITENSPIEL II
fest: Möglichst abwechslungs- und
ideenreich soll das Programm sein.
Zu ihrem Konzert in der Stadthalle haben sie Stücke von Mozart,
Bartók und Mendelssohn Bartholdy
ausgewählt.
Foto: Janine Kühn
bis 14.02.2012 I Di-So 11-18 Uhr
VON DER HEYDT-KUNSTHALLE
Wuppertal-Barmen
DEAD_LINES
Vier junge Musiker finden zusammen, um sich der StreichquartettLiteratur von ihrem Beginn bis
in die Neuzeit zu widmen und so
Streichermusik in all ihrer Vielfalt
darzustellen.
Besonders die zeitgenössische Musik hat es ihnen dabei jedoch angetan. Eines steht bei der Auswahl
der Konzertstücke jedenfalls immer
30
Thema ist der Umgang mit dem Tod
– dem eigenen Tod und dem Tod der
Anderen – in heutiger Zeit. An die
Stelle einer Verdrängungskultur ist der
offensive Umgang mit dem Tod getreten, der sich in den öffentlichen Medien und in Videos und der Werbung
tagtäglich widerspiegelt. Die Ausstel-
auswahl
service
VERLOSUNGS-BOX
lung geht dem anhand des gängigen
Kunstbetriebs nach und zeigt Werke
aus den unterschiedlichen künstlerischen Medien u.a. mit Jake & Dinos
Chapman, Lucinda Devlin, Andres
Serrano und Dirk Skreber. Sie ist eine
Kooperation mit der Stadt Remscheid,
wo der zweite Teil der Ausstellung bis
zum 8. Januar zu sehen ist.
Infos: 0202 563 62 31
The Future: Sophie und Jason sind
ein Paar um die 30. Sie vertrödeln
ihre Zeit im Internet, scheitern an ihren Ängsten, hassen ihre Jobs. Um der
Tristesse des Alltags zu entkommen,
wollen sie bald einen verletzten Kater adoptieren. Ob der nun nahenden
Verantwortung und des drohenden
Verlusts ihrer Freiheit möchten
sie die Zeit bis dahin noch einmal
richtig nutzen: Einmal die Träume
verwirklichen, die Welt retten oder
zumindest ein paar Tänze auf Youtube veröffentlichen … Doch die kommenden Ereignisse sollen ihr Leben
komplett auf den Kopf stellen. „The
Future“ ist ein sensibles, schräges
und zärtliches Portrait der Generation 30+ und überzeugt durch seine
fantasievollen, fast magischen Momente (s. Kritik S.13). Ab dem 27.11.
ist der Film in den Kinos zu sehen. engels verlost 3x2 Kinokarten,
3 Bücher und 3 Hörbücher („Zehn Wahrheiten“ von Miranda July).
E-Mail bis 5.11. an [email protected], Kennwort: Future
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Der ganz normale Wahnsinn – Working
Mum: Babybrei und Businesskostüm, Kindergeburtstag und Karriere: Kate Reddy
(Sarah Jessica Parker) steht dauernd unter
Strom. Als Kate ein großes Projekt übertragen wird, gerät ihr ausgeklügeltes System
komplett aus den Fugen. Und dass ihr neuer
Business-Partner Jack Abelhammer (Pierce
Brosnan) so unverschämt charmant und
gutaussehend ist, macht die Situation auch
nicht gerade leichter … Eine Komödie voller witziger, schlagfertiger und ironischer Dialoge, die mit Starbesetzung brillant in
Szene gesetzt wurden. Ab dem 17.11. ist der Film in den Kinos zu
sehen. engels verlost 3 Romane. E-Mail bis 17.11. an verlosung@
engels-kultur.de, Kennwort: Wahnsinn
KINO
Alle Filme, alle Kinos, alle Termine,
Interviews und Links:
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IMPRESSUM
Herausgeber:
engels Verlag
Joachim Berndt, Büro Köln
Maastrichter Str. 6-8, 50672 Köln
E-Mail: [email protected]
Tel. 0221 272 52 60, Fax: -88
Redaktion:
Linda Hoemberg, Inga Selck (v.i.S.d.P.)
Mitarbeit an dieser Ausgabe:
Frank Brenner, Dagmar Kann-Coomann, Lutz Debus,
Valeska von Dolega, Hartmut Ernst, Rolf-Rüdiger Hamacher, Thomas Hirsch, Klaus Keil, Kim Ludolf Koch,
Thomas Linden, Maren Lupberger, Christian Meyer,
Peter Ortmann, Kerstin Maria Pöhler, Frank Michael
Rall, Sebastian23, Christian Steinbrink, Olaf Weiden,
Hans-Christoph Zimmermann, Andreas Zolper
Die letzten Tage der Emma Blank: Eine rabenschwarze Komödie des niederländischen
Kultregisseurs Alex van Warmerdam: Wie
viele Erniedrigungen ist ein Mensch bereit
zu ertragen? Wie weit senkt die Aussicht
auf ein stattliches Erbe die persönliche
Schmerzgrenze? Emma Blank wird bald
sterben. Ihre letzten Tage verbringt sie
umgeben von ihren Bediensteten. Dabei
wird sie nicht müde, das Personal mit abstrusen Forderungen zu drangsalieren. Und dennoch setzen die
Angestellten alles daran, es Emma Blank recht zu machen – denn
niemand möchte seinen Platz im Testament gefährden. Doch
dann wendet sich das Blatt … Ab dem 2.12. ist der Hit des Fantasy Filmfest 2010 im Handel erhältlich. engels verlost 2 DVDs.
E-Mail bis 30.11. an [email protected], Kennwort:
Emma Blank
Grafik: Michael Hennemann, Lena Hensel,
Katharina Olma
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Berndt Media
Dr.-C.-Otto-Str. 196, 44879 Bochum
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14.830 Ex. IVW III/2011
Alle nicht gesondert gekennzeichneten Bilder
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31
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