12 years a slave

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12 years a slave
www.engels-kultur.de
Januar 2014
chiwetel
ejiOfOr
michael
faSSbender
benedict
cumberbatch
paul
danO
paul
giamatti
brad
pitt
12 years a slave
ein film VOn SteVe mc Queen
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B
5 KRIEG
Aus der Tragödie des Ersten Weltkrieges können
verschiedene Schlüsse gezogen werden
6 Interviews
Klaus H. Jann über eine Kindheit ohne Vater und
warum er Denkmalschänder wurde
Eberhard Illner über den Ersten Weltkrieg und die
Weitsicht von Friedrich Engels
9Auftritt
„Elefantenmensch“ am Theater Dortmund
11Opernzeit
Richard Wagners Romantische Oper Lohengrin
12 Prolog
Krieg und Pangalaktisches
überregional
10 Tanz in NRW
Hanna Koller und die Tanzgastspiele in Köln
Theater in NRW
NRW, die Kultur und der neue Koalitionsvertrag
13 Film des Monats – „Only Lovers Left Alive“
12 Musical NRW
Große Show in Oberhausen, Kammer-Musical
in Bottrop
23 Klassik in NRW
Ein Film zeigt, wie Musik entsteht
Improvisierte Musik in NRW
Zum dritten Mal färbt sich der Kölner Winter blue
15 Roter Teppich
Alexandra Maria Lara über „Imagine“
18 Hintergrund – „12 Years A Slave“
19Filmwirtschaft
Berlin und die Wiedereröffnung des Zoo-Palasts
28engelszungen
29Impressum
24KompaktDisk
Musik-Empfehlungen im Januar
9
Foto: Danny Willems
4Intro – Was darf Satire?
Musik.
28 Kunst in NRW
Zwei Ausstellungen in Bonn
© Edi Szekely
engels spezial.
29Auswahl – im Januar
Veranstaltungs-Empfehlungen des Monats
24 Popkultur in NRW
Melting Pot Music erforschen den Nischen-HipHop
NRW
27Sammlung
Von Künstlern heiß begehrt: Kunstpreis „junger westen“
20 Gespräch zum Film
Peter Liechti über „Vaters Garten“
22 Unterhaltungsmusik
Avantgarde-Easy Listening und dissonanter Indie-Pop
BÜHNEAuftritt
25 kunst & gut
Silke Schatz im neuen Kunstverein
26 Museumslandschaft NRW
Ausstellungs-Empfehlungen im Januar
14Hintergrund – „Imagine“
16 Weitere Film-Kritiken
11 Oper in NRW
Elisabeth Stöppler inszeniert Don Quichotte in
Gelsenkirchen
21 Wortwahl
Buch-Empfehlungen im Januar
Comickultur
Comic-Empfehlungen im Januar
22Textwelten
Männer kaufen spontan Kinderliteratur
Kunst.
Kino.
Kultur in NRW.
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Tanz in NRW KINO 10
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„Only Lovers Left Alive“
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Film des Monats Kunst
13
Foto: Andreas M. Wiese
kunst & gut
25
-kultur.de
Januar 2014
Wenn das Darwin wüsste: Motorradfahren? Ich trau mich!, Foto: Francis Lauenau
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Im Doppelpack mehr Service, Meinung und Hintergrund
Thema
6
Falken gegen Adler
1965 war er Mitglied in einer linken Jugendgruppe, die versuchte, ein Kriegerdenkmal in
Neviges abzureißen. Jetzt spricht der Wülfrather Bürgermeisterkandidat Klaus Jann mit
engels über die ungewöhnliche Protestaktion
und ihre Folgen.
Klaus H. Jann
Foto: privat
Thema
6
Der General
Mit ungewöhnlichem Weitblick sagte Friedrichs Engels lange vor 1914 den Ausbruch
des Ersten Weltkriegs voraus. Woher der Philosoph das wusste, erläutert Eberhard Illner,
Leiter des Historischen Zentrums Wuppertal.
Eberhard Illner
Foto: fotodok
Film
15
Neuorientierung
Endlich eine neue Herausforderung: Mit der
Rolle der blinden Eva in Andrzej Jakimowskis
Independentfilm Imagine hat sich die
deutsch-rumänische Schauspielerin Alexandra Maria Lara einen Traum erfüllt.
Alexandra Maria Lara
Film
20
Familienbande
Dokumentarfilmer Peter Liechti hat als Regisseur, Drehbuchautor, Kameramann und
Produzent schon zahlreiche Auszeichnungen
erhalten. Mit Vaters Garten wagt sich das
Multitalent nun an ein ganz persönliches
Thema – die Beziehung seiner Eltern.
Peter Liechti
Was darf Satire?
Eine innerörtliche Satirezeitschrift bringt in diesem Monat einen Anstecker
auf den Markt. Auf dem Button ist eine Schwebebahn abgebildet, dazu der
Spruch: „Ich trau mich!“. Diese Anspielung auf die jüngste kleine Panne
des Verkehrsmittels im Oktober zielt in eine völlig falsche Richtung. Der
Spruch will signalisieren, dass die Fahrt mit der Schwebebahn gefährlich
ist. Ist sie aber nicht. Im Gegenteil, es gibt kein sichereres Verkehrsmittel.
In den 113 Jahren ihres Betriebes verunglückten nur fünf Menschen in der
Schwebebahn tödlich. Politisch korrekter wäre es also, einen Anstecker mit
der Abbildung eines Sportwagens oder eines Motorrads herauszubringen.
Hier also offenbart sich das Spannungsfeld zwischen Ideologie und Ironie.
Komik darf Realitäten verbiegen. Darf sie aber auch reaktionär sein? Sicherlich. Sonst gäbe es keine Büttenreden. Fatal ist es nur, wenn aufgeklärte irgendwie linke Satiriker, nur um des Tabubruchs willen, ausländerfeindliche,
frauenfeindliche, behindertenfeindliche Witze machen – oder eben gegen
eines der innovativsten Verkehrsmittel lästern. Satire darf alles. Aber muss
Satire auch alles?
Als im Jahr 1900 Kaiser Wilhelm II. Vohwinkel besuchte, um die Schwebebahn einzuweihen, wurde er gefeiert wie eine Gottheit. 14 Jahre später entfesselte er den Ersten Weltkrieg. Trotzdem heißt der bei der Jungfernfahrt
benutzte und noch immer fahrende Wagen Kaiserwagen und nicht Kriegsverbrecherwagen. Wir nehmen den 100. Jahrestag des Kriegsausbruchs zum
Anlass, KRIEG zum Thema unseres Januarheftes zu machen. Fast schon
Geschichte ist das Schauspielhaus. Der Neue Kunstverein Wuppertal zeigt
in seiner Ausstellung SILKE SCHATZ – SUNSHINE DAY AND NIGHT das architektonisch hochinteressante Gebäude als Buntstiftzeichnung, die wie
eine Bauzeichnung erscheint. Die künstlerische Verfremdung wird ergänzt
durch einen grünen Garderobenständer und Neonröhren. Noch aber gibt
es Schauspiel in Wuppertal, auch wenn es ein vagabundierendes ist. In der
Börse wird das Stück DIE KLEINEN UND DIE NIEDRIGEN gezeigt, das sich
ebenfalls dem Thema Erster Weltkrieg annimmt, allerdings aus Sicht der
Autoren Ernst Toller, Robert Walser und der Wuppertalerin Anne Lepper.
Was für eine Idee! Einen Film zu drehen über die eigenen 90jährigen Eltern.
engels sprach mit Regisseur PETER LIECHTI über seinen Dokumentarfilm
VATERS GARTEN – DIE LIEBE MEINER ELTERN, über die Mutter, die sich vor
dem Film etwas fürchtete und über den Vater, der unbedingt als Hase aufs
Kinoplakat wollte. Die Schauspielerin ALEXANDRA MARIA LARA, bekannt
durch so unterschiedliche Filme wie Der Vorleser, Rubbeldiekatz und Der
Untergang, spricht über ihre aktuelle Produktion IMAGINE. Der polnische
Film erzählt von einer jungen blinden Frau und von Lissabon. Eines der dunkelsten Kapitel der Geschichte Nordamerikas beleuchtet der Film 12 YEARS
A SLAVE. Der Violinist Solomon Northup lebt mit seiner Familie in New York
und wird in die Südstaaten entführt, wo er ein Martyrium durchleidet. Also:
ab ins Kino!
Lutz debus
Foto: Peter Liechti
Foto Inhaltsverzeichnis: zur Verfügung gestellt von Mira Moroz
4
thema
Worin sich alle Kriege gleichen: viele sinnlose Tote, Foto: Mira Moroz
Im Westen nichts Neues?
Aus der Tragödie des Ersten Weltkriegs können verschiedene Schlüsse gezogen werden
Das Buch mit dem fleckigen beigen Leinenum- klötzchen vor Wut umstoßen? Hätten Frankreich
schlag bekam ich von meiner Mutter zum 18. und England dem Kaiser mit dem verkrüppelten
Geburtstag geschenkt. Sie wiederum hatte es Ärmchen nicht mehr Freundlichkeit entgegenaus dem Nachlass ihres Vaters. Mein Großvater bringen können? Unabhängig von den Antworten auf diese Fragen
versteckte es von 1933
muss festgestellt werbis 45 hinter Goethe
engels-Thema im Januar:
den, dass das Deutsche
und Schiller in seinem
Reich jenen Krieg beBücherschrank, packte
2014 wird viel an den Ausbruch des Ersten Weltkriegs
gonnen hat. Wichtiger
es wie andere lebensgedacht. Doch es geht nicht nur um die Erinnerung, sonals die Kriegsschuldfrawichtige Habseligkeiten
dern auch um die Frage, wie sich Europa weiterentwige mag für die heutige
in seinen Koffer, als er
ckelt hat und um wiederkehrendes, menschliches Leid.
Zeit ein anderer Aspekt
1946 aus Schlesien weg
Lesen Sie weitere Artikel zum Thema auch unter:
www.choices.de/thema
sein. Übereinstimmend
musste, nach Westfalen
www.trailer-ruhr.de/thema
berichten die Historikam. Obwohl es modrig
ker von der damaligen
roch, faszinierte mich
das Buch sofort. Es birgt eine bewegte Geschichte Stimmung in Europa. Viele Menschen nicht nur
und es erzählt eine bewegende Geschichte. Der in Deutschland, sondern auch in Frankreich und
Soldat Paul Bäumer erlebt die Schrecken des Er- England jubelten, als im August 1914 der Krieg
sten Weltkriegs an der Westfront. Um ein paar ausbrach. Kaum waren warnende Stimmen zu
Meter Feindesland zu erobern, schicken Gene- hören. Die eigene Nation wirkte in der kulturellen
räle tausende von jungen Männern in den Tod. Umbruchphase des frühen 20. Jahrhunderts als
Sie werden von Maschinengewehrsalven nieder- Orientierung. Sind wir da heute weiter? Wieder
gemäht, von Granaten zerfetzt oder ersticken erleben wir eine kulturelle und wirtschaftliche
qualvoll, weil ihre Lungen vom Giftgas verätzt Umbruchphase, die mit Verunsicherung weiter
sind. Auf manchen Schlachtfeldern vor Verdun Bevölkerungsteile einhergeht. Die wachsende Posterben pro Quadratmeter zehn Soldaten. Auch pularität europakritischer, nationaler Positionen
Paul Bäumer, die Hauptperson des Romans, wird mag eine Reaktion auf drohende Wirtschaftskrikurz vor Ende des Krieges tödlich getroffen, „an sen sein. Ein offener Krieg in Zentraleuropa allereinem Tag, der so ruhig und so still war, dass der dings erscheint undenkbar.
Heeresbericht sich auf den Satz beschränkte, im
Westen sei nichts Neues zu melden.“ Mit diesem Taugt die Geschichte insgesamt aber als Lehrstück
Satz endet der Roman. Auch mein Großvater war für uns im 21. Jahrhundert? Der Krieg damals und
als junger Mann im Ersten Weltkrieg an der West- die Kriege heute ähneln sich von ihrer äußeren
front, erzählte davon aber nie viel. Er verwies nur Erscheinungsform überhaupt nicht. Das vom
auf das Buch: „Lest es, dann wisst Ihr, wie es war.“ deutschtümelnden Schriftsteller und Philosophen
Ernst Jünger beschriebene „Stahlgewitter“ hat
Viel wird in diesem Jahr von dem Ersten Welt- nichts mit den hochtechnologischen Kriegen zu
krieg zu lesen, zu hören und zu sehen sein. Neben tun, die die USA und viele Staaten in Europa akDokumentationen wird es auch Versuche geben, tuell führen. Damals kämpften Nationen gegeneidie politische Situation von 1914 neu zu bewer- nander. Der Frontverlauf gab Auskunft über Sieg
ten, die Kriegsschuldfrage neu zu diskutieren. und Niederlage. Heute kämpfen hochentwickelte
Musste Deutschland, weil es zu spät zur Nation Staaten in fremden Ländern gegen lose organiwurde und deshalb zu wenig vom kolonialen Ku- sierte bewaffnete Gruppen. Bodeneinsätze sind
chen abbekommen hatte, zwangsläufig alle Bau- bei der NATO mittlerweile nicht mehr sehr popu-
Krieg
5
lär. Lieber beschränkt man sich auf „chirurgische“
Eingriffe, bombardiert präzise oder exekutiert den
Gegner mit ferngesteuerten Drohnen.
Auch hat sich die Rechtfertigung für kriegerische
Handlungen verändert. Ging es im Kaiserreich
noch um Ruhm und Ehre, wird heutzutage das
Argument bemüht, der Bevölkerung eines Landes
humanitären Schutz zu gewähren. Dass mitunter
auch handfeste wirtschaftliche und militärstrategische Motive in den modernen Kriegen eine Rolle
spielen und dass nach einem sogenannten humanitären Kriegseinsatz oft noch mehr Menschen
gestorben sind als zuvor unter dem Despoten,
erfährt der Zuschauer der Fernsehnachrichten nur
selten und dann als Randnotiz.
Nach dem Ersten Weltkrieg humpelten die Überlebenden nach Hause. Einige Jahre wollte man in
Europa nichts mehr vom Krieg wissen. Nach dem
Zweiten Weltkrieg humpelten die Überlebenden
wieder nach Hause. Einige Jahrzehnte wollte
man in Europa nichts mehr vom Krieg wissen. Bis
1991 wurde die Bundeswehr im Ausland nur nach
Naturkatastrophen zum Transport von Hilfslieferungen eingesetzt. Dann folgte im Rahmen des
ersten Irak-Kriegs die Verlegung von Kampfjets
in die Türkei. 1999 fielen erstmals nach Ende des
Zweiten Weltkriegs deutsche Bomben – und zwar
auf Jugoslawien. Inzwischen ist die Bundeswehr
mit 16 Auslandseinsätzen weltweit aktiv. Auch
ist Deutschland mittlerweile eine der führenden
Rüstungsexportnationen weltweit. Wenn in diesem Jahr also von regierungsamtlicher Seite dem
hundertsten Jahrestag des Ausbruchs des Ersten
Weltkriegs gedacht wird, von dem daraus resultierenden Auftrag gesprochen wird, für den Frieden in Europa und in der Welt einzutreten, dann
dürfen sich im Reichstag guten Gewissens die
neu
Balken
biegen.
neu
neu
LUTZ DEBUS
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neu
neu
thema
Illustration: Sven Siebenmorgen
Zur Nacheiferung empfohlen
Klaus H. Jann über eine außergewöhnliche antimilitaristische Aktion
engels: Herr Jann, wie wurden Sie Denkmal- Mit Ihrer Tat waren Sie nicht allein?
schänder?
Nein, im niederbergischen Raum gab es eine JuKlaus H. Jann: Ich bin 1940 im ersten Jahr des gendgruppe, die hieß Limbo-Club. Wir setzten
uns für internationale Freundschaft ein, kamen
Zweiten Weltkrieges geboren und
habe meinen Vater nie kennengelernt. Er kam in aus der Gewerkschaftsbewegung und von den
der Sowjetunion ums Leben. Ich bin dann ohne Falken. Uns störte ein Kriegerdenkmal in Neviges. Auf einer etwa drei Meter
Vater groß geworden. Je älter ich
„In meiner Schulklasse
hohen gemauerten Säule stand
wurde, umso mehr hat mich das
waren wir bestimmt zehn
Thema Krieg beschäftigt. Ich fragte Kinder, die durch den Krieg ein großer deutscher Adler. Auf
mich, warum Kinder ohne Väter keinen Vater mehr hatten“ dem Sockel war zu lesen: „Den
Toten zur Ehre! Den nachfolaufwachsen müssen. Das waren in
meiner Generation ja Hunderttausende. In meiner genden Generationen zur Nacheiferung empSchulklasse waren wir bestimmt zehn Kinder, die fohlen!“ Das brachte uns auf die Barrikaden.
Wir haben uns dann entschieden, das Denkmal
durch den Krieg keinen Vater mehr hatten.
an einem Samstagnachmittag abzureißen. Das
war im Jahr 1965. 50 Jugendliche spannten ein
Sie waren in der SPD?
Zunächst fühlte ich mich da auch ganz wohl. 1961 Stahlseil um das Denkmal. Ein VW-Bus sollte
war ich in Nordrhein-Westfalen Mitbegründer der dann das Denkmal umwerfen. Das hat leider
Ostermarschbewegung und protestierte gegen nicht geklappt. Dann kletterten wir mit LeiAtomwaffen. Das fanden die Sozialdemokraten gar tern hoch und sägten dem Adler die Flügel ab.
nicht gut. Als ich in Wülfrath eine Friedensgruppe Natürlich kam die Polizei und hat ein paar von
gründete, hat man mich aus der SPD ausgeschlos- uns verhaftet. Wir belagerten dann so lange die
sen. Nachträglich bin ich den Sozialdemokraten Polizeiwache, bis wir unsere Leute wieder mitnehmen konnten.
dafür sehr dankbar.
Welche Konsequenzen hatte diese Aktion?
Die Staatsanwaltschaft stellte dann gegen uns
Strafantrag. Allerdings wurde das Verfahren eingestellt. Wahrscheinlich war den Verantwortlichen
das Denkmal, das wir beschädigten, selbst sehr
peinlich. Man wollte wohl vermeiden, dass eine
größere Öffentlichkeit von dem Denkmal erfuhr.
Die Junge Union startete eine Kampagne gegen
uns. Man müsse uns doch für unsere Tat bestrafen.
Wir wehrten uns mit Flugblättern dagegen und
erfuhren von der Bevölkerung viel Sympathie. Die
Stadt riss ein halbes Jahr später das Denkmal ab.
Die Flügel haben wir lange in unserem Vereinslokal
an der Wand hängen gehabt.
INTERVIEW: LUTZ DEBUS
Zur Person
Klaus H. Jann (73) war viele
Jahre Ratsvertreter und Bürgermeisterkandidat für linke Listen
und Parteien in Wülfrath Foto: privat
Friedrich Engels hat es gewusst
Eberhard Illner über den Ersten Weltkrieg und die Weitsicht von Friedrich Engels
engels: Herr Illner, was hat Friedrich Engels Gründe. Das System eines Kaiserreiches hatte
sich längst überlebt. Die wichtigen Entscheimit dem Ersten Weltkrieg zu tun?
Eberhard Illner: Sehr viel. Engels hatte bereits dungen wollten die führenden Köpfe der Induslange vor 1914 einen solchen Krieg prophezeit. trie treffen, wurden aber einerseits von dem Adel
Er war sich sicher, dass der kommende Krieg ein im Zaum gehalten, andererseits forderten auch
die Arbeiter mehr Macht. Der
industriell geführter Massenkrieg
sein würde. Er hat sogar den „Das System eines Kaiser- Kaiser mit seinem „persönlichen
Schlieffenplan und messerscharf reiches hatte sich überlebt“ Regiment“ hat sich nur so lange
halten können, weil er die Mittel
die Entscheidung an der Marne –
genau wie dies auch im September 1914 eintraf der Propaganda beherrschte. Er beförderte den
– vorhergesagt. Ein unglaublicher militärtheore- Kaiserkult, nutzte dafür damals schon die Massenmedien.
tischer Weitblick!
Woher wusste dies Engels so genau? Er war
doch Philosoph und nicht General?
Doch, so gut wie, er hatte sogar den Spitznamen
„General“, denn er war militärischer Experte der
sozialistischen Internationale.
Was waren Ihrer Meinung nach die Kriegsursachen?
Neben den bekannten außen- und militärpolitischen Ursachen sehe ich auch innenpolitische
Woher kam diese Faszination des Krieges bis
hinein in intellektuelle, künstlerische und linke
Kreise?
Die kulturelle Entwicklung zur Jahrhundertwende schrie nach Veränderung. Das bestehende
System war aber dazu nicht fähig. Der so entstandene Druck wurde kanalisiert, um den dann
verhängnisvollen übersteigerten Nationalismus
zu erzeugen. Gespeist wurde diese Entwicklung
noch durch die Wahrnehmung vieler Deutscher,
6
dass die „arroganten Nachbarn“ ihnen den ihnen
zustehenden Platz in der Welt nicht gönnen.
Ist die Situation 1914 mit der 2014 vergleichbar?
Überhaupt nicht. Ich bin geprägt durch die
deutsch-französische Freundschaft, war Austauschschüler in Frankreich. Wenn ich jetzt nach
Frankreich fahre, fühle ich mich dort nicht fremd.
Europa hat sich gerade in den letzten Jahrzehnten völlig verändert.
INTERVIEW: LUTZ DEBUS
Zur Person
Eberhard Illner (59) ist Leiter des Historischen Zentrums
Wuppertal Foto: fotodok
thema
Ein Beben, das Europa und die ganze Welt erschütterte: Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914, Illustration Mira Moroz
Edith Stein statt Lettow-Vorbeck
Über die mühsame Straßenumbenennung in Vohwinkel
Es gibt sie noch. Aber nur virtuell. Wer über
Google-Maps nach der „Lettow-Vorbeck-Straße“
in Wuppertal sucht, dem wird tatsächlich ein
Treffer angezeigt. Schon beim Eintippen wird
der Straßenname automatisch ergänzt. Klickt
man jedoch auf Return, wird man buchstäblich
umgeleitet – auf die „Edith-Stein-Straße“. Lettow-Vorbeck: Wer nicht gerade Historiker ist und
sich mit dem Personal des Kolonialismus und des
ersten Weltkriegs auskennt, dem erscheint der
Name zunächst unverfänglich. General Paul von
Lettow-Vorbeck starb 1964 im stolzen Alter von
94 Jahren. Den Hoffnungen Zehntausender anderer Menschen in aller Welt, ebenfalls an Altersschwäche zu sterben, machte er jedoch einen dicken Strich durch die Rechnung. Zwischen 1900
und 1918 war er als General an der Aufrechterhaltung des reichsdeutschen Kolonialsystems in
China und Ostafrika führend beteiligt. Aus heutiger Sicht war er gerade für Vertreter der Grünen und der Linken ein besonders brutaler und
menschenverachtender Vertreter des deutschen
Kolonialismus, der von China über Afrika bis nach
Hamburg und Mecklenburg eine Blutspur hinter
sich hergezogen haben soll. 1904 war er etwa als
Adjutant des Generals von Trotha an der Ermordung von über 60 000 Herero, Männern, Frauen
und Kindern in „Deutsch-Südwest-Afrika“, dem
heutigen Namibia, beteiligt, 1920 am rechtsgerichteten Kapp-Putsch gegen die Weimarer Republik, der das Deutsche Reich an den Rand eines
Bürgerkrieges brachte und die Reichsregierung
zur Flucht aus Berlin zwang.
Einige Stadtväter merkten schon frühzeitig, dass
der Name Probleme birgt. Bielefeld etwa wollte
1937, also noch deutlich zu Lebzeiten des Generals, eine Straße nach ihm benennen, ließ den
Plan jedoch fallen. Allein in der zweiten Hälfte
der 40er Jahre wurden in etlichen Städten Lettow-Vorbeck-Straßen umbenannt. In späteren
Jahren wurde die Nummer komplizierter. Hannover etwa benannte ihre Straße 1980 nicht um
– aus Kostengründen. Ein bekanntes Argument.
Seit 2009 schwebt das Verfahren erneut. Auch
in Wuppertal ging die Angelegenheit nicht von
einen auf den anderen Tag über die Bühne, sondern schwebte über den Köpfen der Einwohner
Der Mann mit dem Esel
wie ihre Schwebebahn bei Stromausfall. In der
Vohwinkeler Bezirksvertretung sorgte sie für viel
Streit zwischen den Fraktionen. Linke, Grüne und
später auch die SPD waren für eine Umbenennung, CDU und FDP dagegen. Historiker wurden
eingeschaltet, Lettow-Vorbeck zwischenzeitlich
„entlastet“, dann, als die Bürger des Ortsteils zugunsten einer Umbenennung abstimmten, ging
der Streit weiter: Wie sollte die Straße stattdessen heißen? Nach langem Gerangel wurde vor
zwei Jahren der Vorschlag des Pfarrgemeinderats
der katholischen Kirchen im Wuppertaler Westen
angenommen, die Straße wurde nach der von
den Nazis ermordeten Philosophin Edith Stein
benannt. Damit war Wuppertal eine der letzten Städte, die dem Ansinnen der „Verdienste“
Lettow-Vorbecks ein Ende setze. Übrig sind noch
Hannover, Mönchengladbach, Halle (Westfalen),
Bünde, Cuxhaven und Delmenhorst.
KLAUS BUNTE
BLICK NACH
EUROPA
Wuppertals englische Partnerstadt South Tyneside gedenkt auch heute noch der Helden aus dem Ersten Weltkrieg
Das Andenken an den Krieg ist in den Köpfen der
Menschen in South Tyneside auch nach so langer
Zeit noch tief verankert. Die Stadt im Nordwesten Englands, zu der Wuppertal seine älteste
Partnerschaft pflegt, gedenkt alljährlich den
Menschen, die in den beiden Weltkriegen und
auch in aktuellen Kriegen ihr Leben ließen. Zum
einen wurde die Stadt in der Nähe von Newcastle
in beiden Weltkriegen durch deutsche Angriffe
– wie etwa 1915 durch Zeppeline der deutschen
Wehrmacht – stark zerstört, zum anderen wurden auch sehr viele englische Soldaten auf dem
europäischen Festland in Einsätzen getötet. So
gedenken die ungefähr 151.000 Einwohner aus
South Tyneside jedes Jahr am Wochenende um
den 11.November, dem Tag, den die Siegermächte aus dem Ersten Weltkrieg als „Armistice“ (zu
deutsch: Waffenstillstand) feiern, ihren Gefallenen. Während dieser „Remembrance“-Feier
machen Jung und Alt bei den zahlreichen Prozessionen mit. Die Prozessionen besuchen zahlreiche
Kriegsdenkmäler und Soldatenfriedhöfe, wo
Kränze aus Mohnblumen niedergelegt werden.
Diese Blume tragen die Menschen an jenem Wochenende mit Stolz, denn sie ist zu einem Symbol
des Erinnerns an die Opfer, aber auch der Helden
des Krieges geworden. Kritik an den Weltkriegen
oder aktuellen Einsätzen von Soldaten sucht man
hier allerdings vergeblich.
Einer dieser Helden ist John Simpson Kirkpatrick,
der in South Tyneside geboren und aufgewachsen ist: Nachdem er als junger Mann während
des Wehrdienstes desertierte und nach Australien auswanderte, kehrte er im Ersten Weltkrieg
unter dem Namen „John Simpson“ zur Armee
zurück. Bei der britischen Landung auf der türkischen Halbinsel Gallipoli im Jahre 1915 hatte
er die Aufgabe des Sanitäters inne und brachte
verwundete englische und australische Soldaten
auf einem herumstreunenden Esel zum Strand
und somit vor dem Kugelhagel in Sicherheit. Er
rettete so in über drei Wochen zahlreiche Leben,
bis eine feindliche Kugel seinem eigenen ein Ende
setzte und er als „Mann mit dem Esel“ in die Geschichte einging. Auch heute noch ist Kirkpatrick
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– als Statue in der Stadt zu sehen – ein Symbol
für alle, die im Krieg starben, und die Kinder aus
seiner Geburtsstadt lernen über ihn in der Schule.
Auch im Juni letzten Jahres gedachten die Briten
am „Armed Forces Day“ ihrer Soldaten. In South Tyneside wurden von den Familien gefallener
Soldaten und Veteranen Fotos und andere Artefakte gesammelt und in der örtlichen Bibliothek
ausgestellt. Viele Zuschauer waren begeistert
und schauten sich auch den vom Verteidigungsministerium finanzierten Film an: Auch er erzählte wie die Ausstellung unter dem Motto „Our
Heroes: Their Story“ von den Soldaten aus South
Tyneside, die in den beiden Weltkriegen kämpften. Sowohl die zahlreichen Kriegsdenkmäler als
auch die Feiern und Ausstellungen der Menschen
in South Tyneside tragen also dazu bei, dass ihre
Kriegshelden noch lange nicht vergessen sind.
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auftritt
Der Elefantenmensch John Merrick (Uwe Rohbeck) fein gemacht für die feine Gesellschaft. ©Edi Szekely
Der Voyeur im Spiegel des Kapitalismus
Jörg Buttgereit inszeniert Bernard Pomerances „Elefantenmenschen“ im Dortmunder Studio
Am Anfang hat es schon ein wenig von Roncalli. Die Zirkuscrew im roten Livree
leitet die Zuschauer in die Manege des Dortmunder Theaters. Wunderliches,
Absurdes wollen sie sehen – den Elefantenmenschen. Jörg Buttgereit, ArthouseHorrorfilmer und Spezialist für die Absonderlichkeiten menschlicher Existenzen
inszeniert im intimen Studio Bernard Pomerances 1979 uraufgeführtes und mit
dem Tony-Award ausgezeichnetes Broadway-Stück über den „Elefantenmenschen“ John Merrick (1862-1890). Während des Viktorianischen Zeitalters war
der mit schweren Deformationen auf die Welt gekommen, bestritt freiwillig seinen Lebensunterhalt als „Monster“ auf den Jahrmärkten.
Merrick wird herein geschoben. Er sitzt in einer Badewanne, sieht furchterregend
aus, aber doch irgendwie auch sympathisch. Dr. Frederick Treves (Frank Genser),
aufstrebender Arzt im aufstrebenden London, inspiziert seinen Patienten, der
für die Institution und seine Karriere ungeahnte Möglichkeiten bietet. Merrick
ist von der einen in die andere Abhängigkeit befördert worden. Geblieben ist er
eine Kapitalanlage, nur die Verhältnisse haben sich geändert. Treves hat sein
Forschungsobjekt, Merrick eine angenehmere Umgebung, ein Gefangener seines
Körpers, in jeder Hinsicht, nur die Gaffer sind jetzt andere. „Der Herr ist mein
Hirte, mir wird nichts mangeln“. Mit Psalm 23 wird klar, der Elefantenmensch
kann sprechen und ist beileibe nicht auf den Kopf gefallen, der so groß ist, das er
ersticken würde, wenn er sich zum schlafen in ein Bett legen würde. Aber auch
dafür hat Merrick eine Erklärung: „Mein Kopf ist so groß, weil er voller Träume
ist.“ Buttgereit inszeniert sein erstes Theaterstück mit vielen Filmzitaten, mit
Witz und grandiosen Regieeinfällen, allein die Zeit bis zum ersten Auftritt von
Uwe Rohbeck als John Merrick zelebriert er als Schreckenskabinett: jedes Mal
wenn der Vorhang, hinter dem der Elefantenmensch wohl verborgen ist, aufgerissen wird, schreckt man unwillkürlich zusammen, doch erst beim zigsten Mal
kommt er tatsächlich herein gerollt.
Rohbeck hat in seinem Latex-Anzug nicht viele mimischen Möglichkeiten, nur
ein Arm und ein Auge sind zu sehen, er arbeitet mit langsamen Bewegungen
und seiner Stimme, die Befindlichkeit und Willen ausdrückt, Freude und Trauer.
Die Mobilität von Merrick steigt ständig, er juchzt wenn er den Stock gebrau-
9
chen kann, er stöhnt, wenn der Bischof ihn penetriert und er zittert, wenn seine
Liebe Mrs Kendall im Raum ist. Sie ist es auch, die ihm als einzige aufrichtig
begegnet. Luise Heyer spielt großartig eine Schauspielerin, die den Krüppel versteht, der ja nicht krank ist. Mit ihr spielt Merrick die finale und entscheidende Liebes-Szene aus „Romeo und Julia“, und entlarvt fragend die scheinbare
Oberflächlichkeit und den eigentlichen Egoismus des jugendlichen Shakespeare-Liebhabers. Buttgereit geht hier eigene Wege. Anders als beispielweise
Todd Browning, der in seinem Klassiker „Freaks“, genüsslich die hinterhältigen
Fratzen der so genannten Normalbürger entlarvt, zitiert der Horrorfilmer lieber
David Lynch und dessen Hollywood-Streifen, der auch im Zirkus spielt und eine
ähnliche Dramaturgie besitzt.
In Dortmund kann Treves Merrick schnell in die feine Gesellschaft einführen,
er trägt jetzt Anzughose, Weste und Binder, doch auch die gekrönten Häupter
sehen nur die Jahrmarkt-Attraktion. Für Merrick bleibt diese Anteilnahme eine
„Illusion von Familie“. Wenn die Barmherzigkeit so grausam ist, wie ist dann
erst die Gerechtigkeit, fragt er nachdenklich, hinterfragt die Regeln nach denen
er leben muss. Er sei kein Tier, sondern ein Mensch. Der Entzug von Mrs Kendall trifft ihn schwer. Frank Genser macht mit seiner Figur Dr. Frederick Treves
eine Kehrtwende, die allerdings zu spät kommt, der körperliche Verfall lässt
sich nicht mehr aufhalten. Treves hat Mrs Kendall ausgesperrt, weil er nicht
möchte, dass sie da ist, wenn Merrick stirbt. „Ich bin ein Mann“ ist die finale
Aussage, dann steigt Uwe Rohbeck verschwitzt aus dem Kostüm, streift den
Elefantenmenschen ab, Merrick hätte das sicher gefallen. Was bleibt ist das
Voyeuristische im Kapitalismus, in dem sich alle irgendwie ausbeuten lassen,
nur um zu vegetieren. Aber das wussten wir ja bereits. Jörg Buttgereit hat nach
„Sexmonster“ und „Kannibale und Liebe“ (da war Robeck der Serienkiller Ed
Gein) jedenfalls die dritte sehenswerte Inszenierung am Dortmunder Theater
abgeliefert.
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„Elefantenmensch“ | So 12.1. 18 Uhr | Studio, Theater Dortmund
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theater in NRW
tanz in NRW
“Bandoneon” v. Pina Bausch, Foto: Bettina Stöß
„What the Body does not remember“, Foto: Danny Willems
Differenz oder Zusammenhalt?
Torpedo entschärfen
Von Hans-Christoph Zimmermann
Sie rangiert noch vor der Außen- und der Europapolitik, doch wahrscheinlich auch nur darum, weil sie dem Feld der Innenpolitik zu geschlagen wird.
Dass Kultur nur eine marginale Rolle in Koalitionsverträgen spielt, daran
haben wir uns längst gewöhnt und das
„Immerhin ist NRW im
gilt auch für die jetzt zwischen CDU/CSU
Koalitionsvertrag prominent
und SPD geschlossene Vereinbarung.
vertreten“
Kultur, das war vor vier Jahren im Koalitionsvertrag der CDU/CSU mit der FDP so, hat ihren Ort in Kapiteln, deren
Aussagen auf den Zusammenhalt der Gesellschaft zielen. Das ist auch diesmal so. Damit verbunden ist offensichtlich eine klare Funktionszuweisung
im gesellschaftlichen Kontext, die in unmittelbarem Zusammenhang mit
dem Hype um die kulturelle Bildung und ihrem Ziel der „gesellschaftlichen
Teilhabe“ steht. Inwieweit der Kultur das guttut, bleibt genauso dahingestellt wie die Frage, ob Kultur heute nicht eher auf Differenz als auf gesellschaftlichen Zusammenhalt ausgerichtet ist. Insofern ist ein Satz wie
„Kultur ist keine Subvention, sondern eine Investition in unsere Zukunft“
hübsch, jedoch mit Vorsicht zu genießen. Immerhin ist NRW im Koalitionsvertrag prominent vertreten. Gleich zwei Institutionen werden als national bedeutsame Kulturorte eingestuft: Das Schaumagazin für Künstlernachlässe in der Abtei Brauweiler und das Internationale Tanzzentrum Pina
Bausch. Beide könnten demnächst vom Bund unterstützt werden. Durch
die Erhebung des 250. Geburtstages von Ludwig van Beethoven 2020 zur
„nationalen Aufgabe“ dürfte auch Bonn als Geburtsstadt des Komponisten
davon nicht unerheblich profitieren. Immerhin drei konkrete Projekte also,
die unmittelbar mit dem Bundesland zu tun haben. Das ist mehr, als man
erwarten durfte neben der üblichen Berlin-Orientierung.
Dass der Fall Gurlitt seine Spuren hinterlassen würde, war zu erwarten. So
soll die Restitution von in der NS-Zeit enteigneten oder geraubten Kulturguts forciert werden, vor allem durch die Erhöhung der Mittel für die Provenienzforschung. Das dürfte auch für NRW-Museen von Bedeutung sein.
Im Umkehrschluss will man sich aber auch um die Rückführung von so genannter „Beutekunst“ kümmern, die vor allem von Russland als Vergeltung
für erlittenes Unrecht beschlagnahmt wurde. Eher dunkel bleiben Absichtserklärungen, den Tanz sowie die „zeitgenössische Musikkultur“ fördern zu
wollen. Ist das nur Koalitionsvertragslyrik oder besitzt diese Absichtserklärung eine belastbare Substanz?
Schließlich will man sich endlich dem leidigen Thema Anpassung des Urheberrechts an die Zeiten der Digitalisierung widmen. Dabei soll „der Wert
kreativer Leistungen stärker in den Mittelpunkt der Urheberrechtsdebatte“
gerückt werden. Da sind wir mal gespannt. Wichtiger
noch, gerade angesichts der vielen prekären Arbeitsverhältnisse in der Freien Szene, dürfte die „Soziale Absicherung von Künstlern“ sein, der immerhin ein eigener
Unterpunkt gewidmet ist. Hier wird ausdrücklich der
Wille zum Erhalt der Künstlersozialkasse bekundet, die
„dauerhaft stabilisiert“ werden soll. Auch durch eine
Hans-Christoph
Zimmermann
zielgenauere Überprüfung abgabepflichtiger UnternehJournalist und
men. Wenn das mal nicht eine gute Nachricht ist.
Theaterkritiker
Von Thomas Linden
Vor der Sommerpause 2013 trat der Kulturausschuss der Stadt Köln zusammen
und man war sich parteiübergreifend einig, dass die Tanzgastspiele an Oper
und Schauspiel großartige Bühnenereignisse darstellen und das Verdienst ihrer Kuratorin Hanna Koller – die für bescheidenes Geld weltweit renommierte
Kompanien an den Rhein locken konnte
– nicht hoch genug einzuschätzen ist. In „Der Kulturausschuss gab über
alle Parteigrenzen hinweg zu
der ersten Sitzung nach der Sommerpause
verstehen, dass die Gastspielwird dann verkündet, dass der Vertrag mit
reihe erwünscht ist“
Hanna Koller von der Oper nicht verlängert wird.
Mit der Verlängerung des 15 Jahre währenden Vertrags, wäre Hanna Koller
unkündbar geworden. Und es steht die Überlegung im Raum, dass die Tanzgastspiele möglicherweise über das Jahr 2014 hinaus gar nicht mehr finanziert
werden, so dass dieser Aufgabenbereich vielleicht komplett entfallen würde.
So ganz von der Hand zu weisen ist diese Vermutung nicht. Denn obwohl die
Tanzgastspiele bei der Publikumsbefragung einen Spitzenwert der Beliebtheit
erhielten, unterlagen sie harschen Kürzungen und sollten noch vor einem halben Jahr komplett gestrichen werden. Als die Tanzszene daraufhin erstmals in
ihrer Geschichte geschlossen auf die Barrikaden stieg, machte der Rat einen
Rückzieher.
Offenbar ist die Bedeutung der Tanzgastspiele mit dieser Aktion in das Bewusstsein der Politik vorgedrungen. Der Kulturausschuss gab über alle Parteigrenzen hinweg zu verstehen, dass die Gastspielreihe erwünscht ist. Immerhin
stellt sie den letzten Rest einer ehemals großartigen Tradition im Tanzbereich
dar. Ein eigenes Ensemble will man sich an den Bühnen nicht mehr leisten, so
eröffnen die von Hanna Koller kuratierten Gastspiele mit jedem Ensemble, das
sie in die Stadt locken konnte, ein Fenster zur Internationalen Szene.
Tatsächlich geht es bei der Frage, ob die Kuratorin nun an den Bühnen bleiben kann oder nicht, keineswegs nur um eine interne Personalentscheidung.
Der Verzicht auf Hanna Koller stellt auch einen Torpedo dar, der gegen eine
der interessantesten Veranstaltungsreihen in der Domstadt gerichtet ist. Viele
Strömungen des Kulturlebens treffen hier zusammen. Die Gastspiele sind nicht
alleine stets ausverkauft, in ihnen finden sich auch die Generationen zusammen. Nirgendwo in der Stadt sieht man ein derartig altersgemischtes Publikum.
Aus dem Umland bis über die Landesgrenzen hinaus strömen die Besucher zu
diesen Vorstellungen, die derartig gefeiert werden, dass man schon fast eine
Garantie auf jene Gänsehaut abschließen darf, die sich einstellt, wenn wieder
einmal eine Standing Ovation in der Oper abgeht.
Von Hanna Koller ist die Reihe aufgebaut worden und durch ihre Auswahl hat
sie ein Renommée erhalten, von dem auch die Tanzszene in der Stadt profitiert. Dass ein Star-Choreograph wie Wim Vandekeybus Jahr um Jahr Koproduktionen mit den hiesigen Bühnen realisiert und im April
seine neue Arbeit „What the Body does not remember“ in
Köln zeigt, hat zum Ruhme des Schauspiels beigetragen,
das in den letzten Jahren an der Spitze Deutschlands stand.
Das heißt etwas. Man muss sich nur daran erinnern, dass
in Deutschland so viel Menschen ins Theater wie zu den
Spielen der Fußballbundesliga gehen. Oper und Rat sollten
noch einmal die Köpfe zusammen stecken und nicht verThomas Linden
Journalist und Jurymit- gessen, dass man manchmal auch mit einer überarbeiteten
glied des Kölner Kinderu. Jugendtheaterpreises Entscheidung punkten kann.
NRW, die Kultur und der neue Koalitionsvertrag
www.cdu.de/sites/default/files/media/dokumente/koalitionsvertrag.pdf
Die Tanzgastspiele in Köln brauchen Hanna Koller
10
opernzeit
oper in NRW
Romantik in Wagners Lohengrin, Foto: Mira Moroz
Kryzsztof Borysiewicz als Don Quichotte, Foto: Karl Forster
Der Künstler als Außenseiter
Ein Musiklehrer von trauriger Gestalt
Lohengrin wird oft als Märchenoper verkannt. Wagner sah darin den „allertraurigsten meiner Stoffe“, in dem der Streiter für das Gute, Schöne und Wahre an
einer reaktionären Gesellschaft scheitert und seine Liebe unerfüllt bleibt.
Wagner schreibt 1851, ein Jahr nach der Uraufführung des Lohengrin in Weimar: „Charakter und Situation Lohengrins spiegeln die Tragik des Lebenselementes der modernen Gegenwart.“ Libretto und Komposition entstanden in
den Jahren 1848/49 während der politischen Vormärzbewegung. Als Barrikadenkämpfer beteiligte Wagner sich an dem Dresdner Aufstand und musste
aus Deutschland fliehen. Im Lohengrin reflektiert er sein Selbstverständnis als
Künstler.
Mit Lohengrin schließt Wagner die Trias seiner romantischen Opern ab, zu
denen auch Der Fliegende Holländer und Tannhäuser zählen. Dieses Genre
zeichnet sich gemeinhin durch Phantastik, Einbruch von Naturgewalten und
den bruchlosen Übergang vom Irdischen ins Überirdische aus. Die Folie der
romantischen Oper und des mittelalterlichen Stoffes nutzt Wagner in Zeiten
der Zensur als Allegorie seiner eigenen Künstlerproblematik: Kunst und Welt
entfremden sich immer mehr voneinander, der Künstler bleibt als Prophet ein
Außenseiter. Ganz im Sinne der deutschen Kunstästhetik des 19. Jahrhunderts
fasst Wagner Kunst „als Vorschein zum besseren Leben“ auf, worunter er die
Utopie einer in Liebe geeinten Menschheit versteht. Diese höchste Wahrheit
repräsentiert in dieser Oper die Gralswelt, deren Gesandter Lohengrin ist. Diese Welt ist jedoch der „unwürdigen Menschheit“ entrückt und nur „einsamen
Menschen“ zugänglich. Die Erlösung aus der Einsamkeit kann allein das „Verstandensein durch Liebe“ bewirken. Und genau daran scheitert Lohengrin.
Die Handlung der Oper setzt im Jahr 932 n.Ch, ein, kurz vor der deutschen
Reichsgründung durch König Heinrich, der sich mit seinen Verbündeten zum
Krieg gegen Ungarn rüstet. Brabant ist zerrüttet durch ein Intrigenspiel um die
Herrschaftsfolge, Elsa wird zu Unrecht des Brudermords bezichtigt. In einem
Gottesgericht soll sie ihre Unschuld beweisen, doch niemand will für sie kämpfen. Wissend um ihre Unschuld erscheint ein fremder Ritter, Lohengrin, und
rehabilitiert sie durch seinen Sieg über den Ankläger. Er legt Elsa ein Frageverbot auf: Niemals darf sie seine Herkunft oder sein Wesen in Zweifel ziehen.
Die Gegenspieler Elsas sähen Misstrauen gegen den geheimnisvollen Ritter, das
schließlich auch Elsa erfasst. In der Hochzeitsnacht stellt sie ihn zur Rede, enttäuscht bricht er mit ihr. In der Gralserzählung gibt er öffentlich sein Geheimnis preis, ein Gottgesandter zu sein und beendet endgültig das machtpolitische
Intrigenspiel in Brabant. Die alte Ordnung ist wieder hergestellt, doch seine
Idee der Erneuerung der Gesellschaft durch Liebe erweist sich als Utopie. Er
verlässt Elsa und zieht sich in die Gralswelt zurück. Brabant zieht in den Krieg
gegen Ungarn.
Wagner eröffnet die Oper mit einem symphonischen Kompendium der Handlung, das er zum ersten Mal nicht mehr Ouvertüre nennt, sondern Vorspiel. In
den ätherischen Flageollet-Klänge der achtfach geteilten Violinen erklingt die
transzendente Welt des Grals, der tonmalerisch hinab in die tieferen Instrumentengruppen schwebt. Der Gral wird enthüllt, Akkordblöcke in den Blechbläsern suggerieren „Sonnenstrahlen erhabensten Lichts“, wie Wagner in seinem
kommentierenden Vorwort schreibt. Darauf folgt die Trennungsklage in einem
lang angelegten, fallenden Melodiebogen, am Ende entschwebt der Gral in die
ätherischen Höhen des Anfangs.
Kerstin Maria Pöhler
Von Karsten Mark
Mit ihrer Britten-„Trilogie der Außenseiter“ hat Elisabeth Stöppler am Gelsenkirchener Musiktheater zwischen 2009 und 2011 Furore gemacht und
gleich mehrere Preise abgeräumt. Nun bringt sie den nächsten Sonderling
auf die Revier-Bühne, den Ritter von der
„Eine durch und durch
traurigen Gestalt „Don Quichotte“. Der
anrührende Produktion, die
Franzose Jules Massenet komponierte
sich an den nötigen Stellen
1910 eine „heroische Komödie“ in fünf
auch Ruhe gönnt“
Akten für ihn.
Sein Schwert hat Regisseurin Stöppler gegen einen Geigenbogen vertauscht.
Ihr Quichotte ist Cellist, ein liebenswert kauziger Künstler und Musiklehrer,
in dessen Haus sich anfangs Scharen von Schülern tummeln. Es geht im
Wortsinn rund in seinem Haus. Stöppler nutzt die Drehbühne ausgiebig –
nicht etwa, weil sonst nicht genug los wäre. Im Gegenteil ist der Chor so
sehr in Aktion, dass es anfangs schon an Reizüberflutung grenzt.
Bühnenbildner Piero Vincinguerra hat dem Musiklehrer eine ausgeklügelte
Wohnung auf drei Etagen mit einem halben Dutzend Räumen gebaut, die
sich mit Solisten und großem Chor wirkungsvoll bespielen lässt. Mit dem
Gewusel aber ist es bald vorbei. Don Quichotte ist alt geworden und sieht
dem Ende seines Lebens entgegen. Das Haus leert sich zusehends in den
letzten beiden Akten – bis nur noch das Sterbebett auf der Bühne steht.
Bis dahin aber verliebt sich der Alte noch einmal unsterblich – in seine
Putzfrau Dulcinée. Als sie ihn abweist, gibt ihm das den Rest. Und noch einmal füllt sich das Haus des Alten – diesmal mit Erinnerungen und illustren
Persönlichkeit von Ché Guevara bis Mutter Theresa. Stöppler gelingt in ihrer
völlig neu erzählten Handlung eine gute Mischung aus Witz und Tragik.
Sie entwirft eine rückblickende Traumreise in das Leben Don Quichottes.
In einigen Details erschließt sich nicht alles direkt, im Großen aber ist das
Konzept schlüssig.
Und auf die Ausstrahlung ihrer Solisten kann Stöppler vertrauen. Kryzsztof
Borysiewicz singt die anspruchsvolle Titelpartie mit schönem vollem Basstimbre und einem amüsant gestelzten Französisch. Sein Don Quichotte ist
ein liebenswerter Alter, dessen Schicksal anrührt. Bariton Joachim Maaß
gibt den treuen Sancho Pansa – einen sympathischen Orchestermusiker mit
Draht-Esel und Fahrradhelm. Almuth Herbst schließlich gelingt der Wechsel
zwischen bodenständiger Putzfrau in Jeans und feurigem Vamp, der in roter
Robe aus dem Kleiderschrank steigt, mit viel Witz und Temperament. Komponist Massenet entwarf eine ungewöhnliche Stimmkonstellation, in der
Tenöre nur kleine Nebenpartien singen, der Chor dafür ein hohes Gewicht
bekommt.
In seiner schillernden spätromantischen Partitur mit
spanisch-folkloristischen Einsprengseln legte er ein bemerkenswertes Tempo vor. In nur gut zwei Stunden gehen alle fünf Akte über die Bühne. Der junge finnische
Kapellmeister Valtteri Rauhalammi sorgt dafür, dass sie
niemals am Hörer vorbeirauscht. Der Gelsenkirchener
Don Quichotte ist eine durch und durch anrührende
Karsten Mark
Journalist mit Schwer- Produktion, die sich an den nötigen Stellen auch Ruhe
punkt (Musik-)Theater gönnt.
Richard Wagners Romantische Oper Lohengrin
Ein Musiklehrer von trauriger Gestalt
„Lohengrin“ 18./23./26./30.01, 18 Uhr | Deutsche Oper am Rhein | Düsseldorf
11
Don Quichotte | So 12.1. 18 Uhr | Musiktheater im Revier, Gelsenkirchen
0209 409 72 00
prolog
musical in NRW
Augenzeugin und Nachtclubsängerin Doloris flüchtet ins Kloster, Foto: Mira Moroz
Wuppertaler Opernhaus, Foto: Andreas Fischer
Gute Laune vs. Wohliges Gruseln
Geschlechterkampf
Von Rolf-Ruediger Hamacher
Schon einmal hat eine Nonne Furore im Musical gemacht: Schwester Maria verließ in Rodgers und Hammerstein „Sound of Music“ das Kloster, um
den sieben Kindern eines verwitweten Baron die Mutter zu ersetzen – und
die weltberühmte, singende Trapp-Familie zu
gründen. In dem auf dem gleichnamigen Kult- „Zeig mir den Himmel“
film mit Whoopi Goldberg beruhenden Musical
„Sister Act“ geht jetzt die Nachtclubsängerin Doloris den umgekehrten Weg:
sie flüchtet in ein Kloster und mischt dort als Schwester Mary Clarence nicht
nur den Chor auf.
Untergetaucht bei den Nonnen ist sie auf Anraten des Polizisten Eddie,
weil der sie als Zeugin vor Gericht braucht: sie hatte gesehen, wie ihr zwielichtiger Geliebter Curtis einen vermeintlichen Spitzel umbringt. Doch der
Medien-Rummel um den runderneuerten Nonnen-Chor bleibt auch Curtis
nicht verborgen. So macht er sich mit drei seiner Ganoven auf in die heiligen
Hallen – hat aber die Rechnung ohne Doloris Mitschwestern gemacht. Es
siegt schließlich das Gute – und happyendlich swingt sogar der Papst zu den
souligen Rhythmen mit.
Komponist Alan Menken („Der kleine Horrorladen“) und seine Autoren haben
aus der Film-Vorlage ein „Gute-Laune“-Musical gemacht, bei denen man am
liebsten auf die Bühne springen, mitsingen und -tanzen möchte. Wie schon
der Film, lebt auch das Musical vom Charisma der Hauptdarstellerin. Und die
hat keine andere ausgewählt als Whoopi Goldberg selbst, die für die deutsche Erstaufführung in Hamburg (2011) mit der in Deutschland geborenen
Südafrikanerin Zodwa Selele einen Musical-Star entdeckte, der jetzt auch
in Oberhausen dem Stück das Sahnehäubchen aufsetzt. Ihre soulige Stimme
erinnert an Diana Ross, ihre Quirrligkeit und komisches Talent an ihre Entdeckerin. Zodwa Selele zieht sie im bestaunenswerten Bühnenbild von Klara
Zieglerova eine One-Woman-Show ab, die Carline Brouwer genau auf den
Punkt hin inszeniert hat – und die sich den Eintritt ins Musical-Paradies nur
durch die holprigen deutschen Liedtexte und eine nicht gerade innovative
Choreographie selbst verbaut.
Während Anthony van Laast die tänzerischen Möglichkeiten bei „Sister Act“
nicht ausnutzt, macht Rebecca Groß bei dem Kammermusical „Die Schreibmaschine“ im Bottroper Jugendzentrum „Spielraum“ das optimale aus den
ihren: sie überfordert mit ihrer kleinen, aber feinen Choreographie das engagierte Laien-Ensemble nicht. Die jungen Multi-Talente Tim Berkels (Buch,
Liedtexte, Regie, Bühnenbild) und Raphael Groß (Musik, Liedtexte) – die
selbstredend auch die Hauptrollen in diesem viktorianischen Krimi um ein
mörderisches Familiendrama spielen – schielen dagegen
allzu sehr auf die üblichen Musical-Events von Webber
und seinen Epigonen, anstatt einen eigenen Stil zu entwickeln. Das nötigt die Sänger in Höhen, die sich (noch)
nicht bewältigen können und die Geschichte in den zwischenzeitlichen Leerlauf. Zum Glück überspielt die famose
Live-Band unter der Leitung von Jakob Schneider so manRolf-Ruediger Hama- chen künstlerischen und technischen Hänger, sodass man
cher, Hochschuldozent und Vorstand des auf die Aufführungen im professionellen Katielli-Theater
Filmkritikerverbandes in Datteln (10.+ 11.1.) gespannt sein kann.
Männer und Frauen passen nicht zueinander, sagte Vicco von Bülow. Trotz
dieser Erkenntnis versuchen sie’s aber immer wieder miteinander. Ihre neuesten Erkenntnisse aus derartigen Begegnungen präsentiert Sylvia Brécko in
der Bandfabrik. In „Liebling, wir müssen reden!“ widmet sich die Kabarettistin
ebenso amüsant wie wandlungsfähig alltäglichen Geschichten. Kommunikativen Störungen durch beharrliches Aneinandervorbeireden im Geschlechterkampf sind dabei ein Aspekt. Und wozu das jenseits des Häuslichen führen
kann, zeigt Sylvia Brécko in entsprechenden Szenen, die über Beziehungskrisen von Paaren hinausgehen. Denn wenn sie auf der Bühne steht, kommen
gleich alle Krisen auf einmal, Wirtschaftskrise, Unterhaltungskrise, Wertekrise,
Steuerkrise und Sprachkrise inklusive. Brécko erklärt die Welt, wie sie sie sieht,
stellt Zusammenhänge her, auf die man nie gekommen wäre – oder die es am
Ende gar nicht gibt. Dazu gibt es musikalische Anspielungen von Chanson über
Schlager bis Pop.
Mit der endgültigen Schließung des Schauspielhauses, also seitdem auch das
Foyer nicht mehr genutzt werden darf, ist das Theaterensemble bis zur Eröffnung der Kleinen Spielstätte auf der Suche nach adäquaten Bühnen jenseits der Oper. Bei der Eroberung der Stadt und des Publikums gastieren die
SchauspielerInnen Julia Wolff, Moritz Heidelbach, Jakob Walser und Marco
Wohlwend nun an der Wolkenburg in „die börse“. „Die Kleinen und Niedrigen“
verspricht ein bemerkenswerter Abend zu werden, es sind drei Autoren und
drei Stücke, die Regisseur Jakob Fedler in seiner Inszenierung zusammenbringt. Das Kurzstück der Wuppertalerin Anne Lepper „Oh ist das Morriessay“
skizziert militärischen Alltag kurz nach der Mobilmachung, „Der deutsche
Hinkemann“ von Ernst Toller ist ein Heimkehrer-Drama und Robert Walsers
„Jakob von Gunten“ lässt sich als Vorkriegsgeschichte lesen. 2014 sind Weltkriege eigentlich Geschichte. Denn obwohl Kriege seit 1989 wieder gebräuchliche Politikfortsetzungen sind, hat sich „der Krieg“ aus dem Zentrum unserer
Aufmerksamkeit an die Ränder unseres Bewusstseins verschoben. Vom Rand
her soll sich ihm bei „Die Kleinen und Niedrigen“ genähert werden, mit drei
Texten, die im, nach und vor dem Krieg spielen.
Aber auch heiter geht es weiter. Eine der interessantesten Premieren im Winter
verspricht Thierry Bruehls Inszenierung des „Universums-Stulp“ an der Oper zu
werden. Vor nunmehr 20 Jahren verfasste Eugen Egner den gleichnamigen,
inzwischen vergriffenen Roman geschrieben. „Dass eine Oper daraus wird, ist
einzig und allein Verdienst des Berliner Komponisten Stephan Winkler. Der
hat u.a. schon sehr schöne Aufnahmen mit Max Goldt gemacht und grandiose
Orchesterwerke aufgeführt“, sagt der Autor. Den Inhalt der musikalischen Bildergeschichte in drei Heften in klare Worte zu fassen, ist nicht ganz einfach.
Wer andere Egner-Ideen wie die Spar-Oper „Olga la Fong“ oder seine Bücher
„Schmutz“ und „Traumdüse“ kennt, ahnt: das wird ein traumwandlerischer
Abstecher nach Absurdistan. Als „realistischen Grundton mit surrealistischen
Aspekten“, beschreibt Regisseur Bruehl das Werk. Und um es auf die Bühne
zu bringen, wird das Ensemble musikFabrik dabei von ausgewählten Statisten
unterstützt. Sie alle zusammen werden, ausstaffiert durch Wiebke Schlüters
Kostüme, in die Rollen bizarrer Wesen schlüpfen. Neben einem Indianerhäuptling und Piraten sind das, O-Ton Egner, „mehr oder weniger menschliche Wesen“. valeska VON dolega
Große Show in Oberhausen, Kammer-Musical in Bottrop
www.musicals.de und www.katielli.de
Krieg und Pangalaktisches
„Liebling, wir müssen reden“ | 18.01.2014 20 Uhr | Bandfabrik
„Die Kleinen und Niedrigen“ | 25.01.2014 19.30 Uhr | die börse
„Der Universums-Stulp“ | 7.02.2014 19.30 Uhr | Oper
12
film des monats
Überirdische Bohemiens reinster Natur: Adam und Eva
Stilsicheres Referenznetz
„Only Lovers left alive“ von Jim Jarmusch
Adam und Eva führen eine Fernbeziehung und das schon seit einigen hundert Jahren.
Die beiden sind Vampire.
C Melancholischer Vampirfilm
Die Stimmung in „Only Lovers left alive“ hat etwas Apokalyptisches an sich.
Stimmung ist wichtig im neuen Film von Jim Jarmusch, einem Vampirfilm der
besonderen Art. Stimmung ist wichtig in allen Filmen von Jarmusch. Er war noch
nie ein großer Geschichtenerzähler. In seinem letzten Film „The Limits of Control“
wurde vor allem gewartet und beobachtet. Und als es endlich losgehen soll mit
der Geschichte, zeigt er dem klassischen Erzählen den Mittelfinger. Schon in
seinem Debüt „Permanent Vacation“ (1980) sah man in langen Einstellungen,
wie der Protagonist durch öde, postindustrielle Brachen New Yorks flaniert. 33
Jahre später hat sich daran nicht viel geändert: Adam (Tom Hiddleston) hat sich
in einem alten Haus in der öden Brache Detroits zurückgezogen. Den Ort hat
sich Jarmusch sehr genau ausgesucht. Anfang der 80er Jahre, zu Zeiten seines
Kinodebüts, sah die Bronx aus wie nach einem Krieg: Ganze Straßenzüge waren
dem Erdboden gleich oder gesäumt von Ruinen. Eine Szenerie, die der WerwolfFilm „Wolfen“ 1981 eindrucksvoll für sich zu nutzen wusste. Dazu gab es mit
der No-New-York-Bewegung eine musikalische wie filmische Subkultur, die die
kaputte Szenerie reflektierte. Jim Jarmusch entstammt dieser Szene, hat in diesem Umfeld erste Kurzfilme gemacht und in Bands gespielt. Exemplarisch für
den Verfall der Bronx stand damals die Charlotte Street, die viele Jahre später
ebenso die Rekultivierung des Areals repräsentieren musste. Charlotte Street
sieht inzwischen aus wie ein spießiger Vorort. Das Erbe der Bronx der 70er und
80er Jahre hat inzwischen Detroit angetreten – eine Stadt, die in den letzten
drei Jahren 25 Prozent ihrer Einwohner verloren und im Sommer Insolvenz
angemeldet hat. Die ehemals blühende Motor City stand auch immer für innovativen musikalischen Output: Soul von Stax und Motown, Funk, später Techno.
Und mit Bands wie MC5 oder The Stooges mit Iggy Pop war Detroit auch immer
Repräsentant des Rock ‘n’ Roll. Detroit steht sowohl für ein kulturelles Erbe als
auch für den Bankrott der kapitalistischen Gesellschaft.
Alte Helden
Diese Welt ist Adam zuwider, die von ihm verachteten Menschen nennt er Zombies. Das Haus verlässt er nur, um Blutkonserven zu besorgen, Blut saugend
durch die Straßen ziehen ist nicht zeitgemäß. In den Nächten widmet sich Adam
lieber seiner Leidenschaft für Vintage-Gitarren und -Verstärker. Anonym veröffentlicht er Drone-Metal auf Vinyl. Aber eigentlich hat er mit der schnöden Welt
schon abgeschlossen und verliert sich zusehends in sentimentalen Erinnerungen an Vergangenes. Eine Holzpatrone für einen effektiven Vampirsuizid hat
Mit Filmtrailer, Hintergrund, Interview, Portrait ...
13
sich Adam schon besorgt. Einzig die Liebe zu Eva (Tilda Swinton, überirdisch
schön) hält ihn am Leben. Die residiert in Tunesien, und als sie Adams lebensmüder Verfassung gewahr wird, reist sie zu ihm … Wie könnte man besser die
Sehnsucht nach den guten alten Zeiten zum Ausdruck bringen, als mit Protagonisten, die die letzten paar Jahrhunderte noch selbst erlebt haben. Somit
kann man nicht nur von Büchern der Romantik und alten Gemälden schwärmen, sondern auch von den Menschen, die sie hervorgebracht haben. Denn die
sind für einen Vampir wie Adam nicht nur verehrte Künstler, sondern auch alte
Freunde, mit denen er einst abhing. Jim Jarmuschs Vampire sind Bohemiens
reinster Natur. Sie lieben die Literatur, die Musik, die Malerei. Entsprechend
sieht eine mit Porträts gepflasterte Wand in Adams Haus aus, wo seine Helden
hängen: Franz Kafka, Buster Keaton, William Burroughs, Neil Young, Iggy Pop
und viele mehr. Sie alle sind auch Jarmuschs Helden und es ist nicht schwer, in
Adam ein Alter Ego des Regisseurs zu entdecken, der dem digitalen Dasein stoisch den erdigen Sound eines Röhrenverstärkers entgegen setzt.
Lästiges Storytelling
Jarmusch wäre aber nicht der humorvolle Regisseur, der er ist, wenn er nicht
wüsste, wie lächerlich das Bild des Kulturpessimisten ist. Und so ist die vitale Eva
das Gegenstück zu Adam, das die Gegenwart schätzt und die ganzen romantischen Lyriker, die Adam verehrt, etwas albern findet. Sie hat zwar nicht die
gesamte Literaturgeschichte intus, aber sie hat Kraft und Verve. Und so wie
Adam für eine Seite von Jarmusch stehen könnte, so scheint Eva das Korrektiv
zu sein, das die Gegenwart ebenso genießt, wie es die Vergangenheit schätzt.
„Only Lovers left alive“ feiert nicht ohne Selbstironie geschmackssicheres Außenseitertum. In diesem Universum der Referenzen ist der Soundtrack ebenso wichtig wie die Bilder und die Dialoge. Wie wichtig Jarmusch neben Film und Literatur auch die Musik ist, zeigt sich nicht nur in den Soundtracks seiner Filme. Als
Duo mit Josef van Wissem oder mit seiner Band Sqürl ist sein musikalisches
Schaffen wiedererwacht. Auch die Premierenfeier am 10. Dezember in Köln in
Anwesenheit des Regisseurs zeigte das deutlich. Im Anschluss an den Film fand
ein Konzert mit den am Soundtrack beteiligten Bands statt. Eine Filmpremiere
mit Musikfestival-Charakter: Jarmusch ohne das ganze Referenzsystem aus
anderen Künsten gibt es nicht. Die Story hingegen ist nur das grobe Gerüst für
all das. Etwas lästig, aber muss ja.
CHRISTIAN MEYER
ONLY LOVERS LEFT ALIVE
D/GB/F/ZYP 2013 - Drama / Fantasy - Regie: Jim Jarmusch - Kamera: Yorick Le Saux mit: Tom Hiddleston, Tilda Swinton, Mia Wasikowska - Verleih: Pandora
Start: 25.12.
Mit Filmtrailer, Hintergrund, Interview, Portrait ...
hintergrund
Auch ohne Sehsinn sicher: Eva (Alexandra Maria Lara) an Ians Schulter
Ohne Blindenstock
„Imagine“ von Andrzej Jakimowski
Der blinde Lehrer Ian soll in einer portugiesischen Augenklinik den blinden Patienten eine
bessere Orientierung im Raum beibringen. Der unkonventionelle Mann setzt nicht auf
den Blindenstock, sondern auf Orientierung mit Hilfe von Schallwellen.
C Überraschendes Blindendrama
Blindheit im Film, einem überaus visuellen Medium, überzeugend darzustellen, ist eine große Herausforderung, an der Filmemacher auch mit den besten
Ambitionen mitunter scheitern können. Deswegen gibt es vermutlich nur sehr
wenige Werke, die sich dieser Aufgabe überhaupt stellen. Sehr überzeugend
gelang dies Bernd Sahling 2003 bei seinem, in erster Linie auf ein Kinder- und
Jugendpublikum abzielenden Film „Die Blindgänger“, der den Alltag und die
Probleme sehbehinderter Teenager eindrucksvoll zu vermitteln verstand. Auch
der 2010 von David Mackenzie realisierte „Perfect Sense“, der die Thematik in
Form eines dramatischen Endzeitfilms aufgriff, ist trotz einiger plakativer
Momente als gelungen zu bezeichnen. Immerhin gelang es dem Regisseur,
den Verlust einzelner Sinne auch für den Zuschauer im Kinosaal nachvollziehbar zu vermitteln. Etwas Ähnliches schafft nun auch der polnische Regisseur
Andrzej Jakimowski („Kleine Tricks“), der sich bei „Imagine“ einiger wirkungsvoller filmischer Tricks und eines ausgeklügelten visuellen Konzepts bedient,
um die Blindheit seiner Protagonisten auch für seine Zuschauer erfahrbar zu
machen.
Im Mittelpunkt der Erzählung steht der junge blinde Lehrer Ian (sehr überzeugend: Edward Hogg), der an einer portugiesischen Augenklinik einen Kurs zur
besseren Orientierung der Patienten geben soll. Ian selbst bewegt sich ausnahmslos ohne den sonst üblichen Blindenstock fort, verlässt sich komplett auf
sein Gehör und die unterschiedlichen Schallwellen bei Hindernissen im Raum.
Das ist zum Teil auf Eitelkeit zurückzuführen, zum Teil resultiert das Verhalten
aber auch aus dem aufdringlichen Hilfsgebaren der Mitmenschen im Angesicht eines Blinden. Damit wagt der Film, ein bislang selten thematisiertes
Problem unter Sehbehinderten anzusprechen. Ians Schüler, und mit ihnen der
Kinozuschauer, lernen im Verlauf der Handlung, wie man sich auch ohne Sehsinn einigermaßen sicher in seiner Umwelt zurechtfinden kann. Adam Bajerskis
Kamera wagt dazu Ungewöhnliches, da dem Publikum größtenteils ebenfalls
vorenthalten wird, was auch die Protagonisten nicht sehen können. Damit wird
der Fokus auf andere Sinne gelenkt, insbesondere das Gehör, was durch einen
effektvollen Einsatz des Filmtons (Guillaume Le Braz zeichnet hier verantwortlich) zu einer spannenden Sinneserfahrung für den Zuschauer wird. Da hätte
es manch übertriebener Dramatisierung der Geschichte gar nicht bedurft, die
insbesondere dadurch entsteht, dass Ian seine Schüler dazu anstiftet, sich
ebenfalls ohne Hilfsmittel in den Großstadtbetrieb Lissabons zu stürzen. Davon
abgesehen bietet „Imagine“ aber jede Menge phantasievollen Input, über den
man sich auch als Zuschauer so seine Gedanken machen kann, und mit einer
überaus poetischen Schlusseinstellung darüber hinaus noch Inspirationen für
den Ausgang der Ereignisse.
FRANK BRENNER
IMAGINE
Warschau 2012: Publikumspreis, Regiepreis
PL/F/P/GB 2012 - Drama - Regie: Andrzej Jakimowski - Kamera: Adam Bajerski mit: Edward Hogg, Alexandra Maria Lara, Melchior Derouet - Verleih: Neue Visionen
Start: 2.1.
IMAGINE – Am Rande
Ein Mittel, mithilfe dessen sich Ian und seine Schüler im Film fortbewegen, ist das sogenannte Klicksonar. Mit einiger Übung können Blinde
sich durch dieses akustische „Sehen“ erstaunlich gut orientieren. Dazu
schnalzen sie leise mit der Zunge – und erhalten durch das zurückgeworfene Echo ein detailliertes Bild der Umgebung. Im MRT wurde beobachtet, dass dabei tatsächlich Gehirnregionen aktiviert werden, die
ansonsten für das Sehen zuständig sind. Bei geübten Personen werden
Geräusche in zwei Kategorien getrennt: Während die Umgebungsgeräusche wie bei Sehenden auch verarbeitet werden, gelangt das Echo in
den Seh-Bereich des Hirns. Der Mensch sieht nicht nur mit den Augen,
www.engels-kultur.de/heute-im-kino
sondern auch mit dem Gehirn. Immer mehr Blinde lernen die Technik, und
viele sind erstaunt, wie schnell erste Erfolge erzielt werden können. Der
Amerikaner Daniel Kish, der seit Jahren für die Belange Blinder kämpft
und zahlreichen Kindern die Klicksonar-Technik beigebracht hat, kann
sich mit dem Klicksonar so gut orientieren, dass er Rad fahren kann. In
Deutschland engagiert sich der Verein Anderes Sehen e.V. für Echoortungstraining im Kindergartenalter.
Infos: www. anderes-sehen.de
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Jon Witte
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roter teppich
NIKOLAJ
LIE KAAS
SONJA
RICHTER
NACH DEM
WELTBESTSELLER
DIE NEUE THRILLERSENSATION IM KINO
FARES
FARES
Muss ohne ihren Sehsinn zurechtkommen: Alexandra Maria Lara in „Imagine“
„Ich habe mich sofort verliebt“
Alexandra Maria Lara über „Imagine“
Alexandra Maria Lara wurde 1978 in Bukarest geboren, wuchs aber in
West-Berlin auf. Nun spielt sie in Andrzej Jakimowskis polnischem Film
„Imagine“ eine junge blinde Frau in Lissabon.
engels: Frau Lara, Andrzej Jakimowski gelingt es sehr gut, den Zuschauer an der Blindheit der Protagonisten teilnehmen zu lassen. War das
auch schon so detailliert im Drehbuch angelegt?
Alexandra Maria Lara: Ich habe mich sofort in dieses Buch verliebt. Ich
hatte das mit einem sehr netten Brief von Jakimowski zugeschickt bekommen. Wenn man solch einen netten Brief liest, dann hofft man inständig,
dass das Buch auch gut ist. Nachdem ich angefangen hatte, zu lesen, habe
ich mich sofort in diese einfache, aber poetische Geschichte verliebt. Es passiert ja nicht wirklich viel, der Inhalt wirkt recht unspektakulär, weil es auch
nicht viele Handlungsstränge gibt. Aber mich hat die Geschichte gleich berührt, deswegen kann ich sagen, dass man schon beim Lesen des Drehbuchs
ein Gefühl dafür bekommen hat, wo die Reise hingehen soll. Da gab es ganz
tolle Beschreibungen, die einem einen Vorgeschmack dafür lieferten, was
Jakimowski für den Dreh vorhatte. Das Team vor Ort war ebenfalls toll, wir
haben permanent mit zwei Kameramännern gearbeitet, die sich die Arbeit
geteilt haben, das hat man ja auch nicht alle Tage.
Eines Ihrer nächsten Projekte ist der Film „Suite Française“, den Sie
mal wieder mit Ihrem Mann Sam Riley zusammen drehen konnten. Ist
es schön, wenn sich Beruf und Privatleben bei einem Film miteinander
verbinden lassen?
Bei „Suite Française“ haben wir leider keine gemeinsame Szene! Wir waren
zwar beide zur gleichen Zeit in Brüssel, aber wir haben an unterschiedlichen
Tagen gedreht und hatten an unterschiedlichen Tagen drehfrei. Deswegen
haben wir leider nicht zusammen vor der Kamera gestanden. Der große
Traum wäre, irgendwann einmal ein richtiges Projekt wie „Control“ wieder
zusammen zu drehen, das wäre schon toll. Das würde uns richtig viel Spaß
machen, aber das ist als Paar gar nicht so einfach, weil es wichtig ist, dass
die Geschichte auch stimmt. Man sollte als Zuschauer schon Lust haben,
sich ein Pärchen, von dem man weiß, dass es reell existiert, auch auf der
Leinwand anzuschauen.
Gibt es Rollen oder Zusammenarbeiten, die Sie noch besonders reizen
würden?
Für mich ist mit der Rolle in „Imagine“ ein so großer Traum in Erfüllung
gegangen! Ich fühle mich beschenkt, dass ich in so vielen Sprachen arbeiten kann, damit hatte ich als junge Schauspielstudentin natürlich überhaupt nicht gerechnet! Mir macht das unheimlichen Spaß, und ich bin so
glücklich, dass ich so breit gefächerte Sachen machen darf. Ich spiele in
Independent-Filmen genauso wie jetzt in einem so großen Film wie „Rush“,
das könnte nicht schöner für mich sein. Aber ich würde mir mehr solch tolle
Rollen wie in „Imagine“ wünschen, denn ich habe immer das Gefühl, dass
in Deutschland nach wie vor mehr herausragende Rollen für Männer als für
Frauen
existieren. Ich wünsche mir, dass die Zukunft noch schöne Herausneu
forderungen für mich bereithält!
Interview: FRANK BRENNER
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Lesen Sie die Langfassung unter: www.engels-kultur.de/roter-teppich
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Mit Filmtrailer, Hintergrund, Interview, Portrait ...
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JUSSI ADLER-OLSEN
„Selbst wer das Buch kennt,
sitzt gebannt im Kino.“ TV SPIELFILM
AB 23. JANUAR IM KINO
„Unbedingt sehenswert.“
KULTURSPIEGEL
LAURENCE
ANYWAYS
Ein Film von Xavier Dolan
Ab 23. Januar auf DVD, Blu-ray & VoD
neue filme
Robert Redford in Seenot
Wie Vater und Sohn: Razi und Sanfur
SOS
Zwischen den Fronten
Ein Mann treibt ohne Kontakt zur Außenwelt auf dem Meer.
C Überlebensdrama
Ein jugendlicher Spitzel gerät in die Schusslinie zwischen einer palästinensischen
Märtyrer-Brigade und dem israelischen Geheimdienst.
C Aufwühlender Nahost-Thriller
„All is lost“ von J.C. Chandor
„Bethlehem“ von Yuval Adler
Acht Tage lang kämpft der alte Mann ums Überleben. Dann wirft er eine Flaschenpost ins Meer, in der er letzte Worte an seine Hinterbliebenen richtet.
Er treibt verloren auf seiner Rettungsinsel, ohne Nahrung, ohne Wasser. Wie
es dazu kam, davon erzählt dieses atmosphärisch aufreibende Ein-PersonenDrama. Robert Redford stemmt diese Irrfahrt eines Namenlosen, dessen
Yacht im Indischen Ozean mit einem Container kollidiert und Leck schlägt.
Wasser dringt ein und zerstört die Elektronik. Stoisch rettet der Mann, was
zu retten ist. Machen, checken, fluchen, pumpen. Der Verlorene schöpft Kraft
über die Tat. Die Naturgewalten aber zeigen sich unerbittlich. J.C. Chandor
(„Der große Crash“) liefert intensives Katastrophenkino mit minimalem Cast.
HARTMUT ERNST
ALL IS LOST
USA 2013 - Abenteuer / Drama - Regie: J.C. Chandor - Kamera: Frank DeMarco mit: Robert Redford - Verleih: SquareOne
Start: 9.1.
Unterschlupf und Atelier: Der Künstler und seine Muse
Triumph der Natur
„Das Mädchen und der Künstler“ von Fernando Trueba
Ein 80-jähriger Künstler begegnet auf seinem Landsitz seiner Muse. Draußen tobt der
Zweite Weltkrieg.
C Poetisches Drama über eine anregende Begegnung
1943, ein französisches Dorf nahe der spanischen Grenze. Die junge Katalanin
Mercé (Aida Folch) ist auf der Flucht vor den Schergen Francos. Der greise Bildhauer Marc Cros (Jean Rochefort) gewährt ihr in seinem Atelier in den Bergen
Unterschlupf. Mercé soll ihm dafür Modell stehen. Während der Künstler auf
den entscheidenden kreativen Impuls wartet, taucht das Mädchen ein in ein
ihr fremdes Universum. Doch der Krieg ist allgegenwärtig. In betörend schönen
Schwarzweißbildern, die sich musikalischer Untermalung enthalten, bettet
Fernando Trueba seine anregende Auseinandersetzung mit dem Wesen der
Kunst. Eine poetische Annäherung an den wahrhaftigen Moment, an die Weiblichkeit, an den Künstler und seine Muse.
HARTMUT ERNST
Wenn sich das Kino mit dem Nahostkonflikt auseinandersetzt, dann passiert
das bevorzugt im Rahmen von Dramen und Dokumentarfilmen. Regiedebütant Yuval Adler setzt auf ein eher ungewohntes, trivialeres Genre: den Thriller. Doch Obacht, trivial heißt in diesem Fall alles andere als oberflächlich. Der
siebzehnjährige Palästinenser Sanfur (Shadi Mar’i) arbeitet seit zwei Jahren
als Spitzel für den israelischen Inlandsgeheimdienst. Er wurde von dem Agenten Razi (Tsahi Halevy) rekrutiert, der inzwischen eine väterliche Beziehung zu
dem aufbrausenden Jungen aufgebaut hat. Sanfurs großer Bruder Ibrahim ist
ein gesuchter Untergrundkämpfer in einer radikalen palästinensischen
Märtyrer-Brigade. Als der Geheimdienst den Mann unschädlich machen will,
nimmt man keine Rücksicht auf das Leben Sanfurs. Razi versucht, den Jungen
aus der Schusslinie zu halten. Schon bald schweben beide in Gefahr. Die
Bedrohung erwächst sowohl aus feindlichen als auch aus den eigenen Reihen.
Regisseur und Autor Yuval Adler ist israelischer Jude. Er verfasste das Drehbuch gemeinsam mit dem Moslem Ali Waked. Entsprechend vielschichtig gestalten sich die Perspektiven, die ihr Film einnimmt. Co-Produzent Steven
Hudson von Gringo Films in Köln erläutert, dass man sich ähnlich wie die USamerikanische Fernsehserie „The Wire“ über die Blickwinkel aller Protagonisten der komplexen Lage nähert. Vor allem aber sucht man den emotionalen
Zugang. Entsprechend komplex fallen die Profile der Protagonisten und ihre
Verhältnisse zueinander aus. Dass man in der Rolle des Spitzels einen Heranwachsenden besetzte, verleiht dem Unterfangen eine weitere dramaturgische
Nuance: Die Position des Jungen, der sich entscheiden muss in einem Konflikt,
der für den Nachwuchs nicht mehr überschaubar, geschweige denn unvoreingenommen herzuleiten ist. Adler inszeniert, ähnlich wie „The Wire“, unspektakulär und lebensnah, spinnt seinen Plot zugleich knackig und spannend.
Dieses triviale Element in Story und Inszenierung verschließt sich nicht dem
einen oder anderen Logikloch. Dies aber ist legitim, so wie es in allen Sparten
dieses Genres legitim ist. Zugleich erschließt sich der Film durch die emotionale Annäherung einer größeren Zuschauerschaft. Und überhaupt ist die
Emotion selbst grundlegendes Thema des Konflikts: Wie sie aus Männern
Zeitbomben macht, wie sie als Instrument der Manipulation genutzt wird.
Adler liefert einen spannenden Krimi ebenso wie einen beklemmenden Zustandsbericht aus einem scheinbar hoffnungslos aufgewühlten Land. Aus einer
Männerwelt, in der blinde Wut, Anarchie, verklärte Ehre, verklärter Stolz und
sakral idealisiertes Märtyrertum verheerend ineinander greifen. Adler spiegelt
dies bis in den Irrwitz und bleibt damit zugleich jede Sekunde erschreckend
authentisch. Das ist nicht zuletzt den Darstellern zu verdanken, die sich vornehmlich aus Laien rekrutieren und trefflich ausgesucht wurden. Alles ist aufregend in diesem Thriller, nichts hier ist reißerisch. Und man erfährt mehr über
die Zustände dieser Region als in so manchem Drama oder Dokumentarfilm.
HARTMUT ERNST
DAS MÄDCHEN UND DER KÜNSTLER
BETHLEHEM
Internationales Filmfestival San Sebastián 2012: Beste Regie, Fernando Trueba
ES 2012 - Drama - Regie: Fernando Trueba - Kamera: Daniel Vilar - mit: Jean Rochefort,
Aida Folch, Claudia Cardinale - Verleih: Camino
Start: 25.12.
Preis der Israelischen Filmakademie 2013: Beste Regie, Yuval Adler
ISR/B/D 2013 - Thriller - Regie: Yuval Adler - Kamera: Yaron Scharf - mit: Sahdi Marei,
Tsahi Halevy, Haitham Omari - Verleih: RealFiction
Start: 9.1..
www.engels-kultur.de/heute-im-kino
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Alle Filme, alle Kinos, alle Filmkritiken, alle Termine in Wuppertal
neue filme
Bricht das Tabu: Pierre Dulaine
Dickschädel mit Kratzern: Woody Grant
Gesellschaftstanz
Slow Story
Ein Tanzprofi aus New York bemüht sich um die Annäherung von palästinensischen und
jüdischen Kindern in Israel.
C Doku über eine schwierige Annäherung
Der alte Woody will seinen vermeintlichen Millionengewinn abholen. Sein Sohn begleitet ihn auf der Reise, die sie in die Vergangenheit führt.
C Tragikomische Familienaufstellung
Pierre Dulaine wurde in Jaffa geboren, heute arbeitet er in New York als Tanzlehrer. Um etwas für die Kinder seiner Heimat zu tun, besucht er in Jaffa drei
Schulen und möchte den Jungen und Mädchen den Gesellschaftstanz nahe
bringen. Kein leichtes Unterfangen in einer Stadt, in der israelische Palästinenser und Juden Seite an Seite leben. In der aber vor allem die Religion die
Berührung von Mann und Frau in der Öffentlichkeit verbietet. Dulaine bleibt
naiv ambitioniert und schafft Beachtliches. Wie er dabei den Tabubruch bei
Eltern und Kindern durchsetzt, bleibt weitestgehend im Unklaren, ein erweiterter Dialog mit den Beteiligten wäre hilfreich gewesen. Dass die Annäherung
funktioniert, ist aber allemal eine Betrachtung wert.
HARTMUT ERNST
David Lynch „The Straight Story“ begleitete 1999 einen alten Mann auf einer
Reise auf einem Rasenmäher. Ein bisschen schneller bewegen sich Woody
(Bruce Dern) und sein Sohn David (Will Forte) bei Alexander Payne schon vorwärts, allerdings führt es sie auch rückwärts in die Vergangenheit. Denn sie
stranden in Woodys Geburtsort und der alte Mann wird ebenso mit dem hinter ihm liegenden Leben konfrontiert wie der Sohn mit der Geschichte seiner
Eltern. Der Film erzählt die Auseinandersetzung der beiden und ihre langsame
Annäherung in einnehmend schönen Schwarzweißbildern. Das Erzähltempo
scheint sich an die Schrittgeschwindigkeit des alten Herrn anzugleichen, während der Humor so spröde ist wie Woodys Charakter.
CHRISTIAN MEYER
DANCING IN JAFFA
NEBRASKA
USA/ISR 2013 - Dokumentarfilm - Regie: Hilla Medalia - Kamera: Daniel Kedem Verleih: MFA
Start: 16.1.
USA 2013 - Abenteuer / Drama - Regie: Alexander Payne - Kamera: Phedon Papamichael mit: Bruce Dern, Will Forte, June Squibb - Verleih: Paramount
Start: 16.1.
Abgründig und rätselhaft: Marc tappt im Dunkeln
Walter Mitty: Träumer oder Major Tom?
„Dancing in Jaffa“ von Hilla Medalia
„Nebraska“ von Alexander Payne
Tief in den Abgrund
Kopfkino
Nach dem Selbstmord ihres Mannes holt Sandra ihren Bruder Marc zu Hilfe: Der soll den
Tod rächen.
C Zeitgenössischer Film Noir
Ein Tagträumer stellt sich dem wahren Leben und macht aus seinen Träumen Wirklichkeit.
C Phantasievolle Reise einer Selbstverwirklichung
Ein älterer Mann springt aus dem Fenster, eine junge Frau (Lola Créton) läuft
nackt durch die Straße. Sie ist seine Tochter und beide Szenen hängen
irgendwie miteinander zusammen. Die Verbindungslinien werden in Claire
Denis undurchsichtigem Film Noir langsam vor den Augen des Zuschauers
entschlüsselt. Doch wie der Protagonist Marc (Vincent Lindon) tappt der
Zuschauer lange im Dunkeln und auch am Ende bleibt vieles rätselhaft.
Claire Denis streift mit ihrem stimmungsvollen und von Agnes Godard ruhig
fotografierten Film Themen wie Kapitalismus, Ausbeutung, Macht und
Abhängigkeit auf beunruhigende Art. Ein Blick auf die Dreckskerle und tief
in den Abgrund.
CHRISTIAN MEYER
1939 schrieb der Amerikaner James Thurber eine Kurzgeschichte, in der sich
ein Mann namens Walter Mitty mehr seinen Tagträumen widmet als dem
Leben. Schon bald wurde „Walter Mitty“ in den USA zum Inbegriff eines Tagträumers. Ben Stiller bringt die Geschichte dieses Mannes nun ins Kino und
holt David Bowies Major Tom gleich mit ins Gepäck. Doch genug der Zitate:
Stiller gelingt ein etwas seichtes, aber aufregend bebildertes, romantisches
Märchen über einen Träumer, der endlich seine Sehnsüchte verwirklicht.
Dafür reist der Held auf der Suche nach einem Fotografen rund um den
Erdball. Ein Roadmovie ohne Road, das schmunzelnd, berührend und visuell
phantasievoll einer abenteuerlichen Selbstverwirklichung folgt.
LES SALAUDS – DRECKSKERLE
DAS ERSTAUNLICHE LEBEN DES WALTER MITTY
FR/D 2013 - Thriller - Regie: Claire Denis - Kamera: Agnès Godard - mit: Vincent Lindon,
Chiara Mastroianni, Julie Bataille - Verleih: RealFiction
Start: 9.1.
USA 2013 - Komödie - Regie: Ben Stiller - Kamera: Stuart Dryburgh - mit: Ben Stiller,
Kristen Wiig, Shirley MacLaine - Verleih: Fox
Start: 1.1.
„Les Salauds – Dreckskerle“ von Claire Denis
Mit Filmtrailer, Hintergrund, Interview, Portrait ...
„Das erstaunliche Leben des Walter Mitty“ von Ben Stiller
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HARTMUT ERNST
Mit Filmtrailer, Hintergrund, Interview, Portrait ...
hintergrund
Auge in Auge mit dem Sklaventreiber: Solomon Northup
Entmenschlichung
„12 Years a Slave“ von Steve McQueen
1841 wird der freie Bürger Solomon Northup gekidnappt und in die Sklaverei der
Südstaaten verschleppt. Dennoch verliert er den Glauben an seine Freiheit nicht.
C Intensives Historiendrama
Nach seinen Meisterwerken „Hunger“ und „Shame“ wurde der neue Film des
Künstlers und Regisseurs Steve McQueen bei seiner Premiere auf dem
Toronto Filmfestival nicht nur von den Kritikern frenetisch gefeiert, sondern
auch mit dem Publikumspreis ausgezeichnet, und gilt mit Abstand als TopFavorit bei der kommenden Oscar-Verleihung: vollkommen zurecht.
Es gelingt ihm auf intensive und eindringliche Weise zu vermitteln, was das
dunkelste Kapitel der amerikanischen Geschichte, die Sklaverei, für alle Beteiligten bedeutet hat, vor allem für die Opfer. Die wie immer hervorragende Bildgestaltung und exzellente Schauspielleistungen machen „12 Years a
Slave“ zu einem in jeder Hinsicht historischen Film.
Solomon Northup (Chiwetel Ejiofor ) führt zusammen mit seiner Familie ein
bürgerliches Leben in New York, noch vor dem Sezessionskrieg. Er ist ein freier
Mann und verdient seinen Lebensunterhalt als Violinist. Obgleich er als AfroAmerikaner auch in den Nordstaaten hin und wieder Anfeindungen und Diskriminierungen ausgesetzt ist, gibt es für ihn die Möglichkeit zu einem selbstverwirklichten Dasein, das er voller Kultiviertheit und Anteilnahme für seine Nächsten gestaltet. Ein Angebot zweier Schausteller führt Northup in die Hauptstadt
Washington, doch nach dem gefeierten Vertragsabschluss gibt es ein böses
Erwachen: Am nächsten Morgen findet sich der zuvor Betäubte eingekerkert
und in Ketten wieder. Die Betrüger machen ein lukratives Geschäft damit, ihn
als Sklaven in die Südstaaten zu verkaufen, eine unfassbare Praxis, die Steve
McQueen mit der Adaption der Autobiographie Northups hier beleuchtet. Im
Gegensatz zu seinen Vorgängerfilmen gibt es ein größeres Identifikationsangebot mit der Hauptfigur, was die Fallhöhe für den Zuschauer noch stärker erfahrbar macht. Aus dem Blickwinkel des schmerzlichen Entzugs aller Rechte
führt Northup in eine erschreckende Welt der systematischen Entmenschlichung ein. Zunächst noch voller Aufbegehren, Trotz und Entrüstung – dann
zunehmend mit nackter Verzweiflung.
Solomons Martyrium verläuft entlang von verschiedenen Sklavenhaltern, die
McQueen schlüssig und präzise porträtiert. Darunter finden sich Charaktere wie
der eher wohlwollende William Ford (Benedict Cumberbatch), der an Solomons
wachem Geist Gefallen findet und sich ihn nutzbar zu machen weiß, aber auch
tief gestörte Sadisten wie Edwin Epps (Michael Fassbender), der das ernsthafte
Pendant zu Tarantinos Plantagen-Psychopathen Calvin Candy darstellen könnte.
Zu einer der größten Leistungen des Films gehört das eindringliche Spiel von
Chiwetel Ejiofor, der in seiner Verletzbarkeit große Stärke aufscheinen lässt,
aber auch Lupita Nyong'os fragile Darstellung einer in jeder Hinsicht ausgelieferten jungen Frau beeindruckt durch ihre Unmittelbarkeit. Steve McQueen
ist es als Brite gelungen, einen der relevantesten filmischen Beiträge zur Aufarbeitung amerikanischer Geschichte zu realisieren und bietet damit einen
herausragenden Auftakt des neuen Kinojahres.
SILVIA BAHL
12 YEARS A SLAVE
USA 2013 - Drama - Regie: Steve McQueen - Kamera: Sean Bobbitt mit: Chiwetel Ejiofor, Michael Fassbender, Benedict Cumberbatch - Verleih: Tobis
Start: 16.1.
12 YEARS A SLAVE – Am Rande
Die Sklaverei in den USA wurde formell mit Beendigung des Sezessionskriegs abgeschafft. Die Nachwirkungen der unmenschlichen Ausbeutung
und Erniedrigung ganzer Bevölkerungsgruppen dauern bis heute an, und
sei es als Beschäftigung mit der Materie in Film und Literatur. Vor einem
Jahr war es Tarantinos „Django“, der für beste Unterhaltung auf der Leinwand sorgte. Manch einem gefiel die Vermischung humoresker Elemente
mit Szenen von schockierender Grausamkeit nicht recht. Der Masse der
Zuschauer war’s egal, sie stürmten die Kinos. Gut 35 Jahre ist es her, dass
das Thema die Menschen (vor allem in den USA) in den eigenen vier Wänden fesselte. Alex Haleys Roman „Roots“ wurde als Fernsehserie verfilmt
www.engels-kultur.de/heute-im-kino
und erzählte die fiktive Geschichte des Kunta Kinte, der in Afrika gefangen genommen, nach Amerika überführt, dort von Sklavenhändlern verkauft wird und fortan in Gefangenschaft lebt. Der große Steven Spielberg
widmete sich bereits zweimal dem Gegenstand: Sowohl „Amistad“ als
auch „Lincoln“ gehen historisch und ethisch-argumentativ an die Sache
ran. Beide beruhen auf Tatsachen, in beiden wird das entmenschlichende
Wesen des Systems Sklaverei in exemplarischen Diskursen durchexerziert. In allen Filmen siegt am Ende das Gute – typisch amerikanisch mag
da manch Einer denken. Steve McQueen ist übrigens Brite.
BENJAMIN SEIM
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Alle Filme, alle Kinos, alle Filmkritiken, alle Termine in Wuppertal
neue filme
filmwirtschaft
Carl und Assad sammeln Indizien
Under Pressure
Atmos und Champus im Zoo
„Erbarmen“ von Mikkel Nørgaard
Eine Politikerin wird entführt. Fünf Jahre später nimmt ein unangepasster Polizist die
Spur auf.
C Nordischer Ermittlungsthriller
Polizist Carl Mørck (Nikolaj Lie Kaas, „Adams Äpfel“) ist ein sturer Hund. Als
er mit zwei Kollegen das Haus eines Verdächtigen observiert und die Verstärkung nicht zeitig eintrifft, stürmt er kurzentschlossen das Gebäude. Die Folgen sind verheerend, ein Polizist wird getötet. Drei Monate später liegt einer
seiner Kollegen gelähmt im Krankenhaus, Carl selbst nimmt Beruhigungsmittel und wird von seinem Chef in die Abteilung Q strafversetzt. Dort soll
sich der aufbrausende und schwer zugängliche Cop mit ungelösten Fällen
auseinander setzen, die schon längst ad acta gelegt wurden. Zu allem Überfluss wird ihm noch ein neuer Kollege zur Seite gestellt: Assad (Fares Fares,
„Kops“), der jünger, ambitionierter und vor allem empathischer ist als Carl
und wesentlich engagierter an die neue Aufgabe heran geht. Dann stoßen
die beiden Ermittler auf einen Fall, der vor fünf Jahren offiziell abgeschlossen, bei dem jedoch das Opfer nie gefunden wurde. Von einem Tag auf den
anderen verschwand damals die Politikerin Merete Lynggaard (Sonja Richter,
„Sons of Norway“) von der Bildfläche. Offiziell ist sie auf einer Fähre über
Bord gegangen. In Wahrheit wird sie noch immer von einem grausamen Entführer in einer Luftdruckkammer gefangen gehalten. Carl und Assad verfolgen die Spur, die über den Bruder der Vermissten führt. Der leidet allerdings
unter einem Schädel-Hirn-Trauma und liefert nichts Sachdienliches. Vorerst.
Und die Zeit läuft, denn der Entführer erhöht den Druck und will Merete endgültig den Garaus machen.
„Erbarmen“ setzt die Tradition des nordischen, leinwandtauglichen Krimis
fort, die mit Henning Mankells Kurt Wallander populär wurde und mit Stig
Larssons „Millenium“-Trilogie internationale Aufmerksamkeit erhielt. Anders
als seine schwedischen Vorgänger stammt Protagonist Carl Mørck ebenso
wie der Autor Jussi Adler-Olsen aus Dänemark. Doch auch dortzulande setzt
man auf psychologische Tiefe, auf menschelnde Helden mit sozialen Defiziten und auf Abgründe, die aus Menschen Monster machen und aus Opfern
Tätern. Adler-Olsen hat bereits vier Fortsetzungen zu „Erbarmen“ verfasst,
das Sequel „Schändung“ wird bereits gedreht. In Bezug auf Charaktere und
epische Größe mag das Geschehen rund um Carl Mørck nicht an den Kosmos
eines Stig Larsson heran reichen. Oder besser noch nicht. Denn auch wenn
die Story noch nicht die vergleichbare Fallhöhe aufweist, macht Regisseur
Mikkel Nørgaard handwerklich bereits alles richtig und vermag seinen sperrigen Helden gelungen zu etablieren. Die beiden Ermittler sind trefflich besetzt, die Spannungsschraube wird zum Ende hin effektiv angezogen und die
Bildsprache, die mit Kontrasten und blassen Farben arbeitet, ist allemal kinoreif. „Erbarmen“ bildet einen spannenden Krimi im nordischen Gewand, in
dem zwei Ermittler jenseits von Gehorsam und Dienstweg dem Grauen auf
die Spur kommen.
HARTMUT ERNST
ERBARMEN
DK/D/S 2013 - Thriller - Regie: Mikkel Nørgaard - Kamera: Eric Kress mit: Nikolaj Lie Kaas, Fares Fares, Sonja Richter - Verleih: NFP
Mit Filmtrailer, Hintergrund, Interview, Portrait ...
Neueste LED-Technik im Zoo-Palast Berlin
Start: 23.1.
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Berlin ist und bleibt die Kinohauptstadt Deutschlands. Dass sie diesen Status
nicht so schnell verlieren wird, liegt nicht nur an der Vielzahl der Kinos, den
glamourösen Filmpremieren, einer nahezu vollständigen Aufführung aller 500
erstaufgeführten Filme und der Berlinale sondern auch an dem Ende November
wiedereröffneten Zoo-Palast.
Der im alten Berliner Westen, zwischen Bahnhof und Zoo gelegene Kinobau
war einer der ersten Neubauten nach dem Krieg und wurde 1957 anlässlich der
Premiere des Films „Die Züricher Verlobung“ von Lieselotte Pulver eingeweiht.
Der Standort beherbergte schon seit 1913 ein Filmtheater, das nach diversen
Vergrößerungen als UFA Palast am Zoo 1943 zerstört wurde. Schnell wurde
der Palast zum Austragungsort der Berlinale, die es dort bis zur Eröffnung des
Potsdamer Platzes aushielt. Bis zur Schließung Ende 2010 wurde das Kino von
der Kette UCI betrieben. Dann drohte der Abriss, der unter anderem durch das
Engagement des Berlinale Direktors Dieter Kosslick verhindert werden konnte.
Dann erwarb die Bayerische Hausbau das noch weitere Gebäude umfassende
Gelände und vereinbarte einen Mietvertrag mit Hans-Joachim Flebbe. Der
aus der Programmkinoszene entstammende einstige Cinemaxx-Gründer hatte
sich in dieser Zeit schon aus dem operativen Geschäft mit den Multiplexen
verabschiedet und erfand für Deutschland den neuen Trend der Luxuskinos.
Mit dem Zoopalast hatte er ähnliches vor, einmal mehr wollte er das beste
Kino überhaupt errichten. Mit Leder, Luxus und Service in der geschwungenen
Nierentisch-Optik der 50er wurde der einst über 1200 Plätze umfassende Saal
auf 800 breite Ledersessel mit flexibler Rückenlehne reduziert, drei Vorhänge
geben den Blick auf die 200 qm große Leinwand frei und bei Premieren kommt
ein zusätzlicher Wasserfall als vierter Vorhang dazu. Doch auch technisch setzt
der große Saal Maßstäbe. Das Dolby-System Atmos schickt 150.000 Watt auf
insgesamt 68 eigens konzipierte Konzertlautsprecher. Neben den besten Digitalprojektoren (2 x 4K in Saal 1) können auch 16, 35 und 70 mm-Filme gezeigt
werden. Damit ist auch für künftige Festivalsegmente der Berlinale bestens
gesorgt.
Vier weitere Säle mittlerer Größe folgen dem gleichen luxuriösen Konzept, zwei
als Bibliotheken konzipierte Studios mit je 50 Plätzen und einer eigenen kleinen
Bar runden das Konzept ab. Neben Technik, Luxus und Komfort steht auch ein
besonderer Service bereit. Garderobe, Platzanweiser, diverse gastronomische
Angebote sollen das insbesondere ältere und zahlungskräftige Publikum wieder
zu verstärktem Kinokonsum verführen.
Rund 600.000 Besucher im Jahr werden erwartet. Und wer hier Schlangestehen
befürchtet, kann beruhigt werden. Seit drei Jahren verhandeln die Verbände der
Kinos und Filmverleiher über das papierlose Ticket, also den Zugang über den
Barcode auf dem Smartphone. Am Tage der Eröffnung einigte man sich auf ein
Procedere und Technik. In den nächsten Monaten werden demnach sukzessive
alle Kinos, die die technischen Voraussetzungen erfüllen, nicht nur den OnlineKauf sondern auch den einfachen Zugang zum Saal anbieten. Der Zoopalast
bietet es schon heute an.
Grand Cinema nennt Flebbe sein Kino in Anlehnung an Grand Hotel; passend,
denn direkt gegenüber hat Berlins neues Luxushotel Walldorf Astoria vor wenigen Monaten eröffnet. Zeit also, in Berlin den neuen Luxus zu genießen. Während im Hotel sicherlich stattliche Preise verlangt werden, sind die Tickets im
Zoopalast ohne 3D für unter 14 zu haben.
Übrigens: Lieselotte Pulver eröffnete auch diesmal das neue Kino und der Tagesspiegel schrieb: Der neue Zoopalast ist zum Weinen schön. Oder um einen
Filmtitel zu nutzen: Besser geht’s nicht.
KIM LUDOLF KOCH
Mit Filmtrailer, Hintergrund, Interview, Portrait ...
gespräch zum film
neue filme
Haben kaum etwas gemeinsam: Eltern eines verzweifelten Regisseurs
Regisseur Peter Liechti, Foto: Peter Liechti
In Liebe und Verzweiflung
Ein eigenes Genre
Filmemacher Peter Liechti versucht mit filmischen Mitteln, seinen Eltern näher zu kommen.
C Eine Annäherung an die Elterngeneration
Peter Liechti, 1951 in St. Gallen geboren, hat Kunstgeschichte und Kunst
studiert. Seit 1986 arbeitet er als Regisseur, Drehbuchautor, Kameramann
und Produzent. „Vaters Garten“ ist sein siebter Langfilm.
„Vaters Garten – Die Liebe meiner Eltern“ von Peter Liechti
Sie sind fast 90 Jahre alt und seit über 60 Jahren verheiratet. Die Eltern des
Filmemachers Peter Liechti scheinen aber kaum Gemeinsamkeiten zu haben.
Um ihnen, ihrem gemeinsamen Leben und ihrem Verhältnis zu ihren beiden
Kindern näher zu kommen, begleitet Liechti ihren Alltag, während er intime
Interviews mit ihnen als Puppenspiel re-inszeniert. Wir sehen dann zwei Hasenpuppen, die offenherzig ihre Weltanschauung und ihren Blick auf das
Leben preisgeben. Liechti gelingt ein sehr privater Film, der zugleich ein Generationenporträt ist. Seine jugendliche Rebellion als 68er gegen die spießigen Eltern weicht hier einem distanzierten Interesse. Seine Verzweiflung an
diesen Eltern lebt auch er im Film als Puppe aus, die in wilden Zuckungen den
Kopf auf den Tisch hämmert.
CHRISTIAN MEYER
VATERS GARTEN – DIE LIEBE MEINER ELTERN
CH 2013 - Dokumentarfilm - Regie: Peter Liechti - Kamera: Peter Liechti, Peter Guyer Verleih: Salzgeber
Start: 26.12.
Lehrreiche Einblicke, phantastische Ausblicke
Leben, ohne sich zu bewegen
„Das Geheimnis der Bäume“ von Luc Jacquet
Wie wächst und lebt der Wald? Und wie arrangiert er sich mit der Tierwelt? Der Film gibt
Antworten.
C Phantasievoll gestaltete Dokumentation
Regisseur Luc Jacquet hat für seine „Reise der Pinguine“ den Oscar gewonnen.
Nun widmet er sich den Bäumen und zur Beruhigung vorab: Sie sprechen nicht!
Gemeinsam mit dem Botaniker Francis Hallé liefert Jacquet Wissenswertes über
den Lebenskreislauf eines Waldes. Einmal gerodet, braucht ein solcher 700 Jahre für den Wiederaufbau. Die von einem prächtigen Sound-Teppich unterlegten
Bilder vollziehen die Reise eindrucksvoll nach. Jacquet bedient sich pastellfarbener Animationen, um die Jahrhunderte lange Entwicklung nachzuvollziehen.
Damit gestaltet sich seine Dokumentation ebenso phantasievoll wie lehrreich.
Ein anschaulicher Reigen über ein Leben im Stillstand und über allerlei wundersame Strategien, die sich die Natur ausgedacht hat.
HARTMUT ERNST
Peter Liechti über „Vaters Garten – Die Liebe meiner Eltern“
engels: Herr Liechti, können Sie sich an den ersten Impuls erinnern, der Sie
dazu brachte, einen Film über ihre Eltern zu machen?
Peter Liechti: Das war eigentlich die Idee eines Freundes ... Doch dadurch ist
mir klar geworden, wie wenig Zeit in meinem Fall noch bliebe, um ein solches
Projekt anzugehen. Meine Eltern sind schon fast Neunzig, also war es höchste
Zeit. Im Übrigen glaube ich, dass diese Art von Familienbildnis ein eigenes Genre bildet, nicht nur im Film, und dass jeder Künstler irgendwann in seinem
Leben damit konfrontiert ist.
Hatten Sie anfangs ein mögliches Ergebnis im Kopf? Haben Sie sich bei den
Eltern eventuell mehr Selbsterkenntnis und -reflexion erhofft?
Ich versuche, am Anfang eines Projekts möglichst offen zu sein und nicht zu
sehr auf ein bestimmtes Ergebnis zu fokussieren. Ich will mich ja auch überraschen lassen – und ich bin tatsächlich überrascht worden, im positiven Sinn.
Meine Eltern waren viel zugänglicher und ehrlicher, als ich es mir erhofft hatte. Es herrschte ein Klima des gegenseitigen Vertrauens während des Drehs.
Selbsterkenntnis hatte ich mir bei den Eltern keine erhofft, hingegen bei mir
schon. Tatsächlich glaube ich, dass mir durch die Arbeit an diesem Film einiges
klar geworden ist.
Sie scheinen weder die Eltern vorführen noch sie beschönigen zu wollen.
Gab es ein Konzept, um die Balance zwischen den beiden Polen der Annäherung zu bewahren?
Diese Balance zu finden war vor allem unsere Aufgabe während des Schnitts.
Wir mussten unbedingt verhindern, dass der eine von beiden Elternteilen zu
viel an Empathie verliert gegenüber dem anderen, dass sie auch nie vorgeführt
oder bloßgestellt werden. Die Zusammenarbeit mit meiner Cutterin war entscheidend wichtig.
Ihre aufgestaute Wut verbergen Sie vor den Eltern und reagieren sie nur
als Puppe ab, unterlegt von Noiseattacken. Wie haben Ihre Eltern im
Nachhinein auf diese aggressiven Puppenszenen reagiert?
Meine Eltern haben überhaupt nicht reagiert auf diese Attacken. Vielleicht waren sie ihnen noch zu vertraut aus der Vergangenheit? Vielleicht waren sie beim
Anschauen des Films auch viel zu sehr mit ihrem eigenen Bild beschäftigt, mit
dem, was sie selbst zur Sprache bringen respektive was sie von ihrem Ehepartner zu hören/sehen bekommen.
F 2013 - Dokumentarfilm / Natur - Regie: Luc Jacquet - Kamera: Antoine Marteau Verleih: Weltkino
Start: 2.1.
Wie haben die Eltern insgesamt den Film wahrgenommen? Fühlten sie sich
nicht doch vorgeführt?
Beide waren sehr erleichtert, als sie den fertigen Film zum ersten Mal zu sehen
bekamen – in einer Sondervorführung in einem gemieteten Kino mit ausschließlich Familie und engen MitarbeiterInnen. Mutter sagte, sie hätte sich
gefürchtet vor dem Resultat, doch es sei ein sehr feinfühliger Film geworden.
Und Vater war offensichtlich zufrieden mit der Art, wie sein Garten und er
selbst, vor allem als Hase, ins Bild kamen. Er wollte unbedingt als Hase aufs
Poster – und nicht mit seinem eigenen Gesicht.
Interview: CHRISTIAN MEYER
www.engels-kultur.de/heute-im-kino
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DAS GEHEIMNIS DER BÄUME
Alle Filme, alle Kinos, alle Filmkritiken, alle Termine in Wuppertal
comickultur
wortwahl
Last Min. X-mas’13
Insolvenz rückwärts
Geschenktipps auf den letzten Drücker
Ungewöhnliche Erzählformen im Comic
Zwischen Tollwitz und Abermut: Ana Paula Maia lässt die Straßenköter los.
Ein entfesselter „Krieg der Bastarde“ [A1, 208s, 18,80], der in seiner tragikomischen Mischung aus niederträchtigem Verbrechen und situativem Slapstick ein riesiges Herz für die Bewohner von Rio de Janeiros Straße offenbart.
St. Pauli, Tennessee: »Punx dead«, denken sich Jonnie Schulz, Ted Memphis,
Digger Barnes und Butch Meier und heben 2000 auf dem Kiez eine Countryund Western-Combo aus der Taufe, die den Fleischverzehr mit Senfkanone
ankurbelt und nebenher die Szene in Schutt und Asche legt, bis es unweigerlich heißt: „Kein Zutritt für Hinterwäldler“ [Audiolith/Ventil]! Eine wahre
Geschichte; zu 73 %.
Kurz bevor 1986 die beiden bahnbrechenden Superhelden-Comics „Watchmen“ von Alan Moore und „Batman“ von Frank Miller das Genre nachhaltig
dekonstruierten, hat bereits Dean Motter die Postmoderne in den Comic
getragen: 1985 erschien die von ihm konzipierte Serie um den drogensüchtigen Wissenschaftler „Mister X“, dessen Zukunftsvision einer Stadt zum
Alptraum mutiert ist. Nun will er die Entgleisung korrigieren. Gezeichnet
wurde die Serie von damals noch wenig bekannten Erneuerern des Comics
wie Seth oder den Hernandez Brothers. Cooles New Wave-Design paart sich
mit Film Noir-Referenzen, Selbstreferentialität und trockener Humor charakterisieren die einflussreiche Serie, die nun erstmals auf deutsch in einem
dicken Hardcover-Band erscheint (Schreiber & Leser). Mit „Liongos Lied“ erscheint der zweite und letzte Teil von Benjamin Flaos „Kililana Song“. Flao
entfaltet mit seinen prächtigen Farbzeichnungen eine spannende Geschichte
um den Alltag an der Küste Kenias, die Auswüchse des Tourismus, Drogenhandel und Geistergeschichten. Im Zentrum steht der Junge Naim, der in
Lamu lebt, einer Stadt, die zum Weltkulturerbe gehört (Schreiber & Leser).
Dem Untergang entgegen: In China fällt ein Sack Reis um und nichts passiert. In Odessa schläft eine Frau mit ihrem Freund und die Apokalypse
nimmt ihren Lauf. Mit „Ostrov Moliga“ [Picus] hat Cordula Simon einen
poetischen Totentanz komponiert, dessen fantastischer Realismus einen eigenen Swing entwickelt.
Bond Is Back!: Dass er unsterblich ist, wussten wir schon immer. Zumindest
auf der Leinwand. Literarisch hat man sich jedoch schon lange nicht mehr
mit dem Leben und Wirken von 007 auseinandergesetzt. Doch genau 60 Jahre nach ’Geburt’ des Agenten im Dienste seiner Majestät hat die Ian Fleming
Productions keinen Geringeren als William Boyd beauftragt, ihm ein neues
„Solo“ [Berlin] auf den Leib zu schreiben, das die smarte Coolness von Mr.
Bond ohne Effekthascherei zelebriert. Geschüttelt, nicht gerührt!
Des Wahnsinns fette Beute: „Shooting Stars“ [Luftschacht]? Nichts als manische Schaumschläger in aufgeblasenen Luftschlössern! Herrlich agro setzt
sich wenigstens Martin Mandlers Protagonist gegen die multimedialen Vorbilder mit ihren ausgetüftelten Lebensläufen zur Wehr.
Kult mit Sinn und Verstand: Diesmal lässt Jim Jarmusch die Vampire los.
Und wieder wird ihm kultische Verehrung zuteil werden. Verdienter Maßen.
Denn neben seinem so coolen wie dichten Künstler-/Schauspielernetzwerk,
blitzt in seinen Filmen immer auch eine genialische Intertextualität auf. Mit
„Mind the Map“ [Schüren] führt Sofia Glasl durch die Galaxie hinter ejakulierenden Pferden und Zugabteilschatten.
Unverbrannt: Sie sind und bleiben große Literatur, „Die Märchen von Hans
Christian Andersen“ [Taschen]. Nicht nur für die Kleinen. Im Gegenteil. Seit
Erscheinen sind sie Quell der Inspiration für Künstler unterschiedlichster
Couleur – wie in dieser »phantastischen«, von Noel Daniel herausgegebenen
Ausgabe mit ihren mal verträumten, mal avantgardistischen Illustrationen,
Scherenschnitten und Vignetten.
Im Spiegelkabinett: An der Oberfläche mögen sie mal schräge, mal verschrobene Charaktere mit unheilbaren Macken sein. „In einer Bar unter
dem Meer“ [Haymon] entpuppen sie sich allerdings – ob uns das recht ist
oder nicht – als Menschen wie wir. Wohlpointierte Erzählungen, in denen
Christoph W. Bauer auf unprätentiöse Weise den Finger in ganz irdische
Wunden legt.
Die Magie des geschriebenen Wortes: Gut, der Hauptaufhänger dieses Magazins ist und bleibt der Film. Doch so grandios Adaptionen wie »No Country
For Old Men« auch waren, die voluminöse Tiefe von Cormack McCarthys
Werken bleibt auf der Leinwand immer unerreicht. Selbst wenn ein Ridley Scott Regie führt, ein Brad Pitt die Schmierbacke gibt und die Cruz das
Unschuldslamm mimt. McCarthys Drehbuch zu „Der Anwalt“ [rowohlt] ist
Hirnkino par excellence. Merry Christmas!
Lars Albat
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In Zusammenarbeit mit Philippe Otié erzählt der chinesische Zeichner Li
Kunwu in „Ein Leben in China“ in epischer Breite seine Autobiografie von
der Zeit Maos bis zur Gegenwart. Der Abschlussband „Die Zeit des Geldes“
beginnt 1980 und endet in der Gegenwart. Die groben Zeichnungen unterstreichen die Unsicherheit des Protagonisten, dessen Land sich in den letzten
60 Jahren seines Lebens so sehr verändert hat und voller Widersprüche steckt
(Edition Moderne). Mit „Apollinaire“ erscheint der zweite Band der Pablo
Picasso-Biografie „Pablo“ von Julie Birmant und Clément Oubrerie. Nachdem im ersten Teil sein bester Freund gestorben ist, streunt Pablo verzweifelt
durch Montmartre, unterhält eine Auf-und-Ab-Beziehung zu seiner Muse
Fernand und lernt neben Apollinaire auch Gertrude Stein kennen. Die tollen
Farbzeichnungen entführen in ein mit trockenem Humor skizziertes wildes
Paris des angehenden 20. Jahrhunderts (Reprodukt). Comic-Ignoranten gibt
es in Frankreich nicht so viele wie in Deutschland. Dennoch muss Étienne
Davodeau mit seinem Winzer-Freund Richard ein Abkommen schließen, um
ihn in die Kunst der Comics einführen zu dürfen: Im Gegenzug muss sich
Étienne mit der Winzerei beschäftigen. Schnell erkennen die beiden allerlei
Parallelen zwischen ihren Professionen. „Die Ignoranten“ erzählt in detaillierten Schwarzweiß-Zeichnungen von einer Annäherung, von der Leidenschaft und der Gabe der Neugier (Ehapa).
Sachcomics erfahren zur Zeit eine Renaissance. Neben biografischen Comics und Reportagen sind thematische Sachcomics noch eine Seltenheit.
Mit „Economics“ haben sich Michael Goodwin und Dan E. Burr vorgenommen, per Comic zu erklären, „wie unsere Wirtschaft funktioniert (oder auch
nicht)“. Ähnlich wie bei Scott McClouds berühmten Comics über das Medium Comic führt eine Figur durch das Buch und erläutert textreich, aber im
klassischen Comicaufbau das Thema kritisch und fundiert. Die Bilder veranschaulichen, kommentieren oder ergänzen den Textblock. Über 300 Seiten
kann das zwischendurch auch mal ermüden, bei leichter Verwirrung hilft das
Glossar (Jacoby & Stuart). Wem da das Narrative fehlt, dem sei „Scheitern
als Erfolg“ von David Cantolla empfohlen. Der Absturz des Unternehmers
Cantolla nach der IT-Blase wird rückwärts erzählt. Das stellt die innere Logik
auf den Kopf und führt zu überraschenden Erkenntnissen. Jan Diaz-Faes
erzählt die autobiografische Insolvenz in schlichten Zeichnungen.
CHRISTIAN MEYER
unterhaltungsmusik
textwelten
Lesesaal im Museum Ludwig, Foto: Kunst- und Museumsbibliothek Köln
Beinahe ein Heimspiel: Stephen Malkmus and the Jicks, Foto: Leah Nash
Männer kaufen spontan Kinderliteratur
Locker und luftig
Das Interesse an Kinder- und Jugendliteratur steigt stetig
Avantgarde-Easy Listening und dissonanter Indie-Pop
Für Generationen von Kindern erschöpfte sich ihre literarische Anregung
in einer zerlesenen Ausgabe des „Struwwelpeter“. Als sich die Literatur für
Kinder und Jugendliche in ganzer Breite zu entwickeln begann, blieb ihr die
literarische Anerkennung lange Zeit versagt. Kann Literatur für Kinder überhaupt „richtige“ Literatur sein? Über Astrid Lindgren sind viele lobende Worte
gefallen, aber den Nobelpreis – wie immer einmal wieder gefordert wurde –
mochte man ihr dann doch nicht verleihen. Und dabei ist es auch nach ihrem
Tode geblieben, höhere Weihen bleiben der Erwachsenenliteratur vorbehalten.
Der gebürtige Kölner Patric Catani hat als Teenager unter dem Alias E De
Cologne irrwitzigen Gabber gemacht. Als Candie Hank widmet er sich Hip
Hop, Ghetto Funk und anderen urbanen Definitionen von Cool, um sie betont uncool mit Spielzeugsounds, Country oder anderen galoppierenden
Rhythmen zu verzieren. Hin und wieder kommt auch der Gabber-Reflex zum
Vorschein und es wird ein wenig geschreddert (27.12., 20 Uhr, King Georg).
Chilly Gonzales spielt nun schon zum dritten Mal kurz vor Jahreswechsel in
der Philharmonie. In der Show präsentiert sich der kanadische Wahlkölner
zusammen mit Streichorchester als Edutainer, der Comedy, Musikschule und
Konzert miteinander verbindet (28.12., 21 Uhr, Philharmonie). Am 29.12.
läuft um 15 Uhr mit Miloš Formans „Amadeus“ der Lieblingsfilm des Pianisten im Filmforum NRW. Gonzales ist anwesend und gibt eine Einführung.
Seit fünf Jahren veranstaltet die c/o-pop in der Winterzeit die „Cologne
Musik Week“. Das einwöchige Festival gibt Newcomer-Bands aus der Region die Möglichkeit, sich einem größeren Publikum vorzustellen. Vom 14. bis
zum 19. Januar werden in 13 Locations in ganz Köln zahlreiche junge Bands,
aber auch elektronische Acts und DJs bei meist freiem Eintritt ihre Musik
präsentieren. Im Programm finden sich auch immer wieder langjährige Wegbegleiter des musikalischen Lebens der Region wie z.B. Justus Köhncke, der
sein gerade erschienenes Album „Justus Köhncke & The Wonderful Frequency Band“ im Gepäck hat (www.colognemusicweek.de). Fast zeitgleich findet in der Kölner Apostelkirche das Ambientfestival „Zivilisation der Liebe“
statt. Vom 17. - 21. Januar kann man dort kontemplative Konzerte von Nils
Frahm, Thomas Köner oder dem Piano-Maniac Lubomyr Melnyk mit seiner
Continous Music genießen (www.ambientfestival.de).
Semi-Elektronischen Indie-Pop macht das Quartett Caged Animals. Ihre
smarten Popsongs wirken wackelig wie erste Gehversuche, die wohl dosierte Mischung aus Catchyness, Dissonanzen und Low Fi-Sound macht aber
schnell klar, dass die Band aus New Jersey sehr wohl weiß, was sie da tut
(19.1., 20.30 Uhr, Studio 672). Gerade ist die Kraftwerk-Biografie von David
Buckley auf deutsch erschienen, wo auch Karl Bartos zu Wort kommt, demnächst erscheint außerdem Bartos‘ Autobiografie über seine 15 Jahre bei
Kraftwerk. Mit seinem Album „Off the Record“ hat der Co-Autor von Klassikern wie „Das Model“ oder „Taschenrechner“ in diesem Jahr Skizzen aus
jenen Tagen ausformuliert. Die klingen irgendwie nach Kraftwerk, hängen
aber auch etwas unglücklich irgendwo zwischen dem Damals und dem Heute (25.1., Live Music Hall). Der Hamburger Elektronik-Künstler Felix Kubin
hat sich mit der polnischen Mini-Big Band Mitch and Mitch zusammengetan, um Gebrauchsmusik für alle Lebenslagen zu entwerfen. Das Konzert
aus der Reihe Reconstructing Song beschert uns neben einer vollen Bühne
vielleicht auch so etwas wie Avantgarde-Easy Listening (30.1, 20.30 Uhr,
Stadtgarten). Der ehemalige Pavement-Frontmann Stephen Malkmus lebt
seit ein paar Jahren in Berlin, in Köln war er jüngst häufig zu Gast. Nicht
zuletzt, um beim letzten Week-End Festival zusammen mit den Kölnern Von
Spar das Can-Album „Ege Bamyasi“ zu interpretieren. Das neue Album „Wig
Out at Jagbags“ ist dann auch – wie er selbst angibt – nicht nur von seinen
Berlin-Eindrücken, sondern auch von seinen Köln-Besuchen beeinflusst. Es
ist mit Hilfe von Malkmus‘ eingespielter Band The Jicks ein lockeres, luftiges
Rockalbum geworden, das gleichermaßen leicht und komplex klingt. Das
Konzert ist dann beinahe ein Heimspiel (31.1., 19.30 Uhr, Gebäude 9).
Warum sollte sich daran im Zeitalter der Digitalisierung etwas ändern? Dass
sich aber tatsächlich etwas verändert, zeigt jetzt die Kinder- und Jugendbuchstudie, die der Börsenverein des Deutschen Buchhandels in Auftrag gegeben
hat. Demnach kaufen immer mehr Männer Bilderbücher und Jugendliteratur.
Bei genauerer Nachfrage zeigt sich, dass es sich um spontane Kaufentscheidungen handelt, die sich während des Stöberns in den Buchhandlungen ergeben. Offenbar lässt man sich verführen von einem Angebot, das starke Titel
und gut gemachte Illustrationen bietet.
Ein Erwachen geht offenbar durch die Generationen. Um 50 Prozent stieg der
Zuspruch der Jugendlichen zwischen 10 und 19 Jahren. Und die Zehnjährigen
verbindet mit den über Dreißigjährigen die Tatsache, dass ein Viertel der Käufer die Bücher erwerben, um sie selbst zu schmökern.
Die spezifische Situation des E-Books zeigt sich deutlich in den Statistiken.
Interessant ist das E-Book für erfahrene Leser und für die Vielleser unter ihnen. Mit dem E-Book lockt man keine Lesemuffel ins Paradies der Belletristik.
Erst wenn man sich schon in ihm auskennt, lernt man auch die Möglichkeiten
des E-Books schätzen. So greift nur ein Prozent der Kinder und Jugendlichen
nach dem E-Book und nur fünf Prozent können sich vorstellen, in ferner Zukunft einmal ein E-Book zu favorisieren. Gerade die jungen Leser, die sich gut
mit den digitalen Medien auskennen, bevorzugen zu über zwei Dritteln den
Kauf in einer Buchhandlung um die Ecke. Kinder schätzen „kleine Buchhandlungen“, weil 93 Prozent dort die Ruhe beim Ansehen und Reinlesen finden,
die sie sich wünschen. Also eine Absage an die Sitzlandschaften der großen
Buchhandelsketten.
Diese Einschätzung wird bestätigt durch die Aussage, dass Kinder und Jugendliche gerade die Beratung in einer Buchhandlung besonders schätzen.
Interessant auch, dass erst im Kreis der über 50Jährigen das Internet beim
Erwerb eines Buches gut im Rennen liegt. Für junge Leser ist die Buchhandlung offenbar reizvoller als das Netz, wenn sie Entdeckungen machen wollen.
Obwohl die Jahresumsätze in den letzten Jahren stetig sanken und niemand
mehr damit rechnet, dass einstige Gipfel noch einmal erklommen werden können, zeigt sich doch, dass es an der Basis, im Bereich der Kinder und Jugendlichen, noch einen Hunger auf Bücher gibt. Hier sind zwar auch die Verluste
jener Teenager, die nie mit einem Buch in Berührung kommen, gravierend,
aber die Statistiken zeigen auch, dass es sich lohnt, um diese Käuferschicht zu
kämpfen. Denn unter den 80.000 Besuchern, die in diesem Frühjahr innerhalb
von einer guten Woche in Köln zur lit.Cologne strömen, gehört ein Drittel zum
Nachwuchs. Mit dem müsste sich doch noch etwas entwickeln lassen wenn
nun auch die Erwachsenen schon ein interessiertes Auge auf das Angebot für
die Kleinen werfen.
THOMAS LINDEN
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CHRISTIAN MEYER
improvisierte musik in NRW
klassik in NRW
Bonner Musiker als Filmstars
Festivalgründerin Angelika Niescier
Geheimnis gelüftet
Tradition erreicht
Von Olsf Weiden
Die meisten freien Dokumentarfilmer erleben seit Jahren magere Zeiten.
Es wird gespart, auch die öffentlich-rechtlichen Sender stöhnen unter dem
selbst verordneten Diätplan. Doch gebiert die Not bekanntlich auch frische
Blüten: Immer mehr Filmer nehmen ihr
Schicksal selbst in die Hand und reagie„Der Filmemacher ist
ren nicht erst, wenn der Sender eingereibekennender musikalischer
chte Vorschläge abgenickt hat. Das geht
Analphabet“
natürlich nur, weil die Produktionsteams
in unseren Tagen durch technische Entwicklung in der Personalstruktur und
-dichte wie durch eine natürliche Wirtschaftsberaterfirma gestrafft und
konzentriert wurde – eine Person sollte reichen.
Von Olaf Weiden
Der Termin ist extrem günstig. Am ersten Wochenende im Neuen Jahr klingeln die guten Vorsätze noch lautstark in den Ohren: Weniger coachen
oder chillen, weniger fernsehen, weniger ausgeben, auch mal Kultur genießen statt nur abzuhängen. Und da steht
der „Winterjazz“ vor der Tür, ein einziger „Da laufen spontan alarmierte
Termin, vollgestopft mit Jazz und engaMusiker zusammen“
gierten Musikern aus dem Umland, die
Gelegenheit für einen Ein- oder Überblick auf einen Schlag – und Einritt
frei! Jetzt zündet diese Bombenidee aus New York zum dritten Mal im
Kölner Stadtgarten. Schön, dass diese Institution weiter unangepasst auf
Konfrontation setzt. Denn weitestgehend handelt es sich um Musiken, die
bei Laien häufig so beschrieben werden: Jazz ja, aber nicht diese(s) … Und
genau diese Spielarten auf dem breiten Acker des Jazz werden beim Winterjazz geerntet. Das ist sehr ungewöhnlich, denn fast alle Festivals und
Jazzevents planen zwangsläufig nach der Einschaltquote und weiten ihren
Jazzbegriff in populäre Gefilde. Die löbliche Ausnahme in Moers reduziert
sich zunehmend. Dagegen expandiert das kleine Winterjazz-Fest wie versprochen: Weitere fußläufig erreichbare Spielorte rund um den Stadtgarten
wurden erschlossen und integriert. Nach dem bereits im Vorjahr aktivierten
„Zimmermann’s“ ist jetzt noch das irische Lokal „The Harp“ mit einbezogen
worden. Nun also auf fünf Bühnen an drei unterschiedlichen Orten werden
dieses Mal einundzwanzig Bands – etwa 70 Musikerinnen und Musiker –
zu hören sein.
Ein Film zeigt, wie Musik entsteht
Zum dritten Mal färbt sich der Kölner Winter blue
Dass dabei sehr schöne Produkte entstehen können, zeigt ein aktuell erstelltes Orchesterportrait des Bonner Beethovenorchesters. Dabei lüftet der
Filmemacher Gerhard von Richthofen das „Geheimnis der Sinfonie“. Er hat
das Orchester auf einer dreiwöchigen Amerika-Tournee begleitet und ist
dabei auf Tuchfühlung mit den künstlerischen Persönlichkeiten gegangen,
die in einer Masse namens Orchester berufsbedingt abtauchen. Sehr sympathisch gelingt dieser Ansatz, weil Richthofen bekennender musikalischer
Analphabet ist und daher schamlos nützliche Fragen stellt. So entwirrt diese filmische Spurensuche das abstrakte Bild des sinfonischen Orchesters
in seine Protagonisten, die ihre Instrumente und deren Besonderheiten
und Funktionen erklären. Der Zuschauer erfährt nicht nur Privates über die
Solisten im Orchester, sondern hört auch, wie der Solotrompeter ohne Instrument nur auf den Lippen eine Tonleiter bläst, warum die Holzbläser an
ihren sogenannten Blättchen herumfeilen und wie total verschieden sich
ein Geigenton artikulieren lässt. Der Film nimmt sich die Zeit, die er hat
– drei Wochen Haut an Haut mit den Akteuren, da landet einiges auf dem
Schnittpult. Mit Musik werden die Einzelszenen gebunden, das hat Richthofen pädagogisch wertvoll gestaltet. Die Musiker haben allerdings auch begeistert mitgemacht bei diesem Portrait, das auch unterschwellig die Musik
von Ludwig van Beethoven vermittelt – die Tournee der Bonner hatte nur
Musik ihres prominentesten Sohnes an Bord, entsprechend heißt der Film
nun „Beethovens Orchester“.
Olaf Weiden
Musiker und
Musikkritiker
Der Film wurde finanziert durch eine Crowdfunding
Kampagne auf www.startnext.de und u.a. unterstützt
vom Beethoven Orchester Bonn, ohne dass daraus ein
Werbefilm entstanden wäre. Es ist eine interessante Studie, die nichts verkaufen muss. Und es kommt tatsächlich
alles aus einer Hand, ohne dass ein Redakteur abschließend daran gefummelt hat. Die DVD kann man kaufen
oder den Film gegen Gebühr herunterladen – ein toller
Film über Musik und wie sie entsteht.
Gerhard von Richthofen: Beethovens Orchester
Eine Centaurusfilm Produktion | www.Beethovens-orchester-derfilm.de
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Der Stadtgarten bleibt das Zentrum des Festivals, hier agieren die Musiker
im flotten Wechsel vom Keller bis ins Restaurant. Bisher war der Zustrom
der Gäste beängstigend gewaltig und schwappte jeweils wie eine große
Welle über das Gebäude. Musik konnte nur eingepresst in eine Menschentraube konsumiert werden, die Musiker kamen teilweise gar nicht mehr
an ihre Einsatzorte. Gemeinhin wird solches Versagen der Institution als
triumphaler Erfolg der Veranstaltung gewertet, da darf man geteilter Meinung sein. Toll ist aber, dass sich zu diesem von der in Köln lebenden Saxophonistin Angelika Niescier ins Leben gerufene Fest so viele neugierige
Menschen angezogen fühlen. Um das Event auch in der Stadt präsent zu
halten, initiiert die Musikerin am Tag des Winterjazz einen Flashmob auf
dem Neumarkt – da laufen spontan alarmierte Musiker aus der ganzen
Stadt mit ihren Instrumenten zu einer gewaltigen Masse zusammen und
werden gehörig Krach machen. Musik am Abend steuern gestandene
Stadtgartenmusiker wie Patamaster Norbert Stein oder der Piano-Weltmusiker Hans Lüdemann bei – und natürlich die Erfinderin des Kölner Winterjazz persönlich. Die Musikerin mit polnischen Wurzeln hat eine schöne
Gemeinde aus jungen Talenten und versierten Recken aufgestellt, darunter
auch den Raab-Gitarristen Hanno Busch oder den komponierenden Pianisten Jürgen Friedrich. Stilistisch gibt es in dieser heterogenen Gesellschaft
keine Grenzen: Alles ist möglich.
„Winterjazz Köln“ | Fr 4.1. 18.30 Uhr | Stadtgarten Köln
www.winterjazzkoeln.com
kompakt disk
popkultur in NRW
Mal beschleunigt, mal entschleunigt
Von High-Speed House zu Slowmotion-Metal
Das achte Album von Mogwai heißt „Rave Tapes“, und tatsächlich kann
man sich über den elektronischen Einschlag wundern. Zwar gab es das auch
vorher schon, aber in Stücken wie „Simon Ferocious“ oder „Remurdered“
sind die Synthesizer schon sehr präsent. Allerdings lassen die aufsteigenden
Gitarrenwände dann auch nicht lange auf sich warten und man kann sich
schnell wieder am typischen Mogwai-Sound laben (Rock Action). Der ehemalige Pavement-Frontmann Stephen Malkmus lebt seit ein paar Jahren
in Berlin, und in Köln war er zuletzt auch häufig zu Gast. Nicht zuletzt, um
beim letzten Week-End Festival zusammen mit den Kölnern Von Spar das
Can-Album „Ege Bamyasi“ zu interpretieren. „Wig Out at Jagbags“ ist dann
auch – wie er selbst angibt –nicht nur von seinen Berlin-Eindrücken, sondern
auch von seinen Köln-Besuchen beeinflusst. Es ist mit Hilfe von Malkmus‘
eingespielter Band The Jicks ein lockeres, luftiges Rockalbum geworden, das
gleichermaßen leicht und komplex klingt. Ein Jahr davor haben Family Fodder auf dem Mitte Dezember in die dritte Runde gegangenen Week-End
Festival gespielt. Die inzwischen fast vergessene New Wave Band hat fröhlich-experimentellen Pop gemacht und gerne auch Reggae-Elemente in ihre
Songs eingebaut. Ihre Musik klingt gleichermaßen unbekümmert wie raffiniert. Das Berliner Label Staubgold veröffentlicht das erste Album „Monkey
Banana Kitchen“ von 1979 und die EP „ScHiZoPhReNiA pArTy!“ von 1981 auf
Vinyl. Auf CD gibt es nicht nur die beiden Platten zusammen, sondern als
Bonus außerdem noch die Singles „Film Music“ (‚81) und „The Big Dig“ (‚82).
How slow can you go? Die Mülheimer Band Bohren & der Club of Gore hat
sich in den letzten 18 Jahren dem Lounge-Doom verschrieben. Ihr jazziger
Sound – Rührbesen, Rhodes Piano, Saxophon – geht gedanklich von Doom
Metal und Film Noir aus und scheint in seiner Gedehntheit beinahe nach
jedem Ton stehen zu bleiben. „Piano Nights“ führt diese Tradition erbarmungslos fort. Songtitel wie „Fahr zur Hölle“ treffen die Stimmung ebenso
wie „Segeln ohne Wind“ (Pias).
Weihnachtliche und winterliche Stimmung verbreitet wie jedes Jahr die
Compilation „Pop Ambient“ aus dem Hause Kompakt. Die Stücke für das
Jahr 2014 sind von alten Bekannten wie The Bionaut (Jörg Burger alias The
Modernist), Wolfgang Voigt, Ulf Lohmann oder Thomas Fehlmann und tragen mit flächigen Sounds zur feierlichen Entschleunigung bei. Über zehn
Jahre stand das Label Dance Mania für den Clubsound von Chicago. In der
zweiten Hälfte der 80er Jahre war es House und Acid von Marshall Jefferson, Farley Jackmaster Funk. L‘il Louis und Anderen, in der ersten Hälfte
der 90er wurde es mit DJ Rush, Robert Armani oder Paul Johnston härter
und technoider und führte Mitte der 90er Jahre direkt zu explizitem Ghetto
House, der heute als Chicago Juke und Footwork firmiert. Das Label Strut
würdigt Dance Mania mit der Compilation „Hardcore Traxx: Dance Mania
Records 1986-1997“, die 24 Stücke auf zwei CDs versammelt. Das Label wird
demnächst wiederbelebt.
In seiner „Kraftwerk“-Biografie lässt David Buckley nicht nur zahlreiche
Wegbegleiter wie Wolfgang Flür, Karl Bartos, Michael Rother uva. zu Wort
kommen, er erkundet auch den großen Einfluss der Düsseldorfer Band auf
die elektronische Musik seit Mitte der 70er Jahre – von Gary Numan und
Human League bis zu House und Techno. Neben dem musikalischen Phänomen untersucht er auch das Erscheinungsbild des Gesamtkunstwerks
Kraftwerk – vom visuellen Aspekt bis zu dem Umgang mit Medien. Dabei
entfaltet sich nebenbei auch eine Geschichte des Nachkriegsdeutschlands
(Metrolit).
CHRISTIAN MEYER
Die Drums stolpern rhythmussicher von einem Glitch in den nächsten: Low Leaf
Die Beat-Wissenschaftler
Melting Pot Music erforschen den Nischen-HipHop
Von Christian Werthschulte
Die Nische wohnt im Erdgeschoss. Zumindest bei Melting Pot Music ist
das so. Mitten in Ehrenfeld hat das Label von Oliver von Felbert das, was
andere Leute als „Geschäftssitz“ bezeichnen: ein Zimmer mit Vinylverkauf
vorne, einen Büroraum + Lager hinten, „Ein Label hat heute gemeindazwischen ein paar Schreibtische. Was
schaftsstiftende Funktion“
man von außen nicht sieht: Hier residiert Kölns feinstes HipHop-Label. Vor gut zehn Jahren wagte von Felbert
nach einer Zeit als Musikjournalist und A&R bei einem Kölner Vertrieb den
Sprung in die Selbständigkeit – zu einer Zeit, in der sich die Krise der Musikindustrie langsam abzeichnete. „Es gab damals Producer, bei denen wir
gedacht haben, das ist so gut, das muss man rausbringen“, erzählt von Felbert. Denn damals wie heute lag der Fokus auf HipHop als Beat Science,
als Wissenschaft der geraden und ungeraden Schläge aus der ganzen Welt.
Und die Wissenschaft praktiziert das Label bis heute – und zwar in seiner
ganzen Bandbreite. Die Kölner Fleur Earth Experiment produzieren soulige
Beats, die weit von einer loungigen Gemütlichkeit entfernt sind und durch
die idiosynkratische Stimme von Sängerin Fleur an Roughness und Tiefe
gewinnen. Im Sound der Fillippina Low Leaf legen sich Harfensprengsel und
Synthmotive über entspannte HipHop-Beats, bei denen die Drums rhythmussicher von einem Glitch in den nächsten holpern, während sie ihre Texte
wahlweise als Diva, Rapperin oder entrückter Hippie ins Mikrofon haucht.
Der Wahl-Berliner Suff Daddy türmt dagegen seine Cratedigging-Funde zu
meterhohen Beat-Sample-Wolkenkratzern auf, denen trotz der handverlesenen Zutaten niemals die Derbheit verloren geht oder sich in dulldreister
Geschmackssicherheit verliert. Und das Kölner Produzenten-Duo Hade +
DWFL kondensiert die international zirkulierenden Bassmusik-Memes zwischen Trap, Ghettofunk und Footwork zu Tanzflur-Füllern zeitgenössischer
Bauart.
“Es wäre wirklich schwer, einen Labelsound zu beschreiben“, meint Oliver
von Felbert. „Es ist halt Melting Pot Music.“ Was nicht bedeutet, dass die
Releases keine Signatur haben. Abseits der durchgängig hohen musikalischen Qualität bestechen sie durch ein liebevoll designtes Artwork, das
den Releases nicht nur eine haptische Qualität, sondern auch ein wenig Unverwechselbarkeit verleiht. Denn die Funktion von Labels hat sich während
der knapp zehnjährigen Existenz von Melting Pot Music gewandelt. Früher
waren Labels nötig, um überhaupt seine Musik unter die Leute zu bringen,
heute hat ein Label eher eine gemeinschaftsstiftende Funktion, eine Art
Familie, die sich nicht nur um Tonträger kümmert, sondern auch um das
Konzert- und DJ-Booking. „Für mich ist ein Label auch eine Art Filter, mit
der ich klar mache, dass ich an einen Künstler glaube“,
meint von Felbert. Wie weit dieser Glauben geht? „Naja,
man muss sich schon einmal in der Woche bei seinen
Künstlern melden“, meint von Felbert und lacht und ist
schon wieder auf dem Sprung. In Köln-Mülheim dreht
sein neuester Act Veedel Kaztro, ein Reimschmied erster
Kajüte, ein neues Musikvideo. Und wie das halt in der
Christian Werthschulte Nische so ist, darf einer beim Dreh nicht fehlen: der LaJournalist und
belchef.
Musikkritiker
Weitere Infos: www.mpmsite.com
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kunst & gut
Silke Schatz, Ausstellungsansicht Neuer Kunstverein Wuppertal, © Silke Schatz, Neuer Kunstverein Wuppertal, Foto: Andreas M. Wiese
Orte und Biographien
Silke Schatz stellt im Neuen Kunstverein aus
Die monumentalen Buntstiftzeichnungen, die Architektur in fluchtenden Farblinien fixieren, dabei Fassaden und Innenräume verschränken die durchlässig für Raumtiefen sind, bilden einen Schwerpunkt im Werk von Silke Schatz.
Überlebensgroß, dabei lapidar von der Papierrolle geschnitten, verbinden sie
präzise Bestandsaufnahme und Sprödigkeit mit vitalem Ereignis und Geschichte. Geschwindigkeit mit Langsamkeit. In der entschiedenen, geometrisch bestimmten Klarheit der Linien und Strichbündel, werden Motive und Themen
zum Urbanismus, zum architektonischen Wandel, aber auch zum Umgang mit
privater und kollektiver Erinnerung angesprochen. Damit wurde Silke Schatz
ab Ende der 1990er Jahre bekannt und etwa zur Manifesta 2004 nach San
Sebastian eingeladen. Fortan zählt sie zu den wichtigen Künstlern im Bereich
der Zeichnung.
Die Buntstiftzeichnungen sind nicht das einzige Medium, in dem Silke Schatz
arbeitet, aber sie takten ihr Oeuvre. Schnipsel aus derartigen Zeichnungen können sogar in anderen Werken wiederkehren. Im Neuen Kunstverein im Kolkmannhaus ist nun die neueste Zeichnung zu sehen. Sie zeigt das Schauspielhaus Wuppertal als gläserne Struktur aus Aufriss und Grundriss. Auch wenn
das Gebäude wiedererkennbar ist, lässt sich nicht alles aufdröseln, darum geht
es Silke Schatz gerade nicht. Ihr liegt vielmehr an der Durchdringung objektiver und subjektiver Ebenen. Sie spinnt gewissenhaft Assoziationsfäden, die im
Kopf weiterzudenken sind. Sie verdeutlicht die Architektur und spricht implizit
das traurige Ende des Theaters an. Natürlich denken wir an das Tanztheater
von Pina Bausch. Vielleicht weisen die Kleidungsstücke, die daneben an einem
grünen Garderobenständer hängen, auf Theater und Theatralik, Fremdheit und
kulturelle Identität. Im Kolkmannhaus separiert der Ständer die Zeichnung vom
Eingangsbereich und forciert ihre frontale Ansicht. Und gibt der Ständer nicht
auch der seitlichen Türöffnung, hinter der sich ein Lager befinden könnte, einen
Sinn? Übrigens stammen die Kleidungsstücke aus dem familiären Umfeld von
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Silke Schatz – autobiographische Momente schwingen in den meisten ihrer
Arbeiten mit. Hier sind sie vor allem Surrogat für den theatralischen Kontext.
In Wuppertal arbeitet Silke Schatz dezidiert mit dem Ausstellungsraum. Hinter
den Säulen sind Neonröhren angebracht, welche den Raum ausleuchten und
wie eine Unterführung aussehen lassen. Die skulpturalen Szenen erhalten den
Charakter von Relikten, wirken teils abgestellt und tragen augenblicklich Momente der Erinnerung. Licht erweist sich als Leitmotiv, überhaupt im Werk von
Silke Schatz. Die Blütenkelche der Physalis, eines Nachtschattengewächses,
leuchten von innen. Sie betonen die Künstlichkeit des Kübels, in den sie einbetoniert sind. Anfassen möchte man nichts – die Giftigkeit von Asbest deutet sich
an, Silke Schatz erwähnt es im Gespräch, ein Problem generell in vielen Städten.
Aber noch ein weiteres Mal geht es um Wuppertal, im Film, der auf einem
Monitor an der Stirnwand die Ausstellung sozusagen beschließt. Silke Schatz
hat mit ihrem i-Phone eine Fahrt mit der Schwebebahn aufgenommen, mit
dem Sound der Umweltgeräusche in Echtzeit. Alles ist alltäglich, unspektakulär, wirkt austauschbar, aber ohne es recht zu merken, nähern wir uns dem
„Eigentlichen“ von Wuppertal. Über seine urbanen Sünden und kleinen Schönheiten hinaus erfahren wir den besonderen Klang dieser Stadt.
Indes ist konsequent, dass am Anfang der Ausstellung die Selbstvergewisserung
der Künstlerin, die aus Celle stammt, in Braunschweig studiert hat und in Köln
lebt, steht: Silke Schatz zeigt die fast lebensechte Puppe „Ich“ mit Socken im
Look der 1970er Jahre, beleuchtet von einer Stehlampe, deren Glühbirne als einziges Licht außerhalb der Öffnungszeiten leuchtet: Nacht in der Großstadt eben.
THOMAS HIRSCH
„Silke Schatz – Sunshine Day and Night“ | noch bis 12. Januar im Neuen
Kunstverein Wuppertal | www.neuer-kunstverein-wuppertal.de
kunst-kalender
KÖLN – Photographische Sammlung
www.photographie-sk-kultur.de
Bernd und Hilla Becher bis 26.1.
Vorgestellt wird die Motivgruppe der
Hochöfen, welche das Fotografen-Paar
über Jahrzehnte in dokumentarischer
Sachlichkeit aufgenommen hat
KÖLN – Museum Ludwig
www.museum-ludwig.de
Not Yet Titled bis 26.1.
Neupräsentation der Sammlung mit den
Neuerwerbungen und noch nicht
gezeigten Werken, die dem Verhältnis
amerikani-scher und europäischer Kunst
nachgeht
KÖLN – Rautenstrauch-Joest-Museum
www.museenkoeln.de
Made in Oceania bis 27.4.
Thematisiert wird der Tapa, ein rötlicher
Stoff, der aus der Baumrinde gewonnen
ist und im Pazifik ebenso im alltäglichen
Leben wie im Kunstbetrieb verwendet wird
KÖLN – Wallraf-Richartz-Museum
www.wallraf.museum.de
Geheimnisse der Maler bis 9.2.
Meisterwerke der Kunst des Mittelalters
aus Köln, unter anderen mit Stefan
Lochner; zugleich werden Aspekte der
Restaurierung alter Kunst vorgestellt
KREFELD – Museum Haus Esters
www.kunstmuseenkrefeld.de
Sven Drühl, F.H. (Neon), 2013, Neonröhren auf Plexiglaskasten, 210 x 160 x 15 cm, © VG Bild-Kunst, Bonn; Von der Heydt-Kunsthalle, Wuppertal
Museumslandschaft NRW
LEVERKUSEN – Museum Morsbroich
www.museum-morsbroich.de
AACHEN – Ludwig Forum
Dortmund – MKK
ESSEN – Museum Folkwang
Nancy Graves bis 16.2.
Werkschau mit Installationen, Skulpturen,
Gemälden und Filmen der einflussreichen
amerikanischen Künstlerin zwischen
Spurensuche und Hyperrealismus
Herlinde Koelbl bis 2.3.
70 Doppelporträts, die Menschen in
ihrem Alltag und in ihrer Berufskleidung
vorstellen und so den Einfluss von
Kleidung für unsere Wahrnehmung
verdeutlichen
Douglas Gordon bis 2.3.
Der berühmte schottische Videokünstler
mit einer Rauminstallation mit 180 Fotos
und genauso vielen Spiegeln, die von
Wahrnehmung und Identifikation handelt
www.kunsthalle-bielefeld.de
Dortmund – Museum Ostwall
www.ruhrmuseum.de
To Open Eyes bis 16.2.
Zentrale Positionen zur Textilkunst
und zur Kunst mit Stoffen zwischen
Handwerk und Konzept von den Wiener
Werkstätten und Sonia Delaunay bis zu
Sergej Jensen
www.museumostwall.dortmund.de
Anybody can have an idea bis 8.2.
Die Dortmunder Sammlung in einer
Neupräsentation, die vom frühen 20.
Jh. bis in die Gegenwart reicht, mit
Schwerpunkten auf Fluxus und ZERO
Ausgewählt bis 27.4.
Vorgestellt werden wichtige Exponate
der Sammlung aus der vorindustriellen
Zeit vom 5. bis 18. Jh., die die Geschichte
und Bedeutung des Ruhrgebiets
dokumentieren
BOCHUM – Kunstmuseum
www.kunstmuseumbochum.de
DÜSSELD. – Museum Kunstpalast
www.smkp.de
GELSENKIRCHEN – Kunstmuseum
Aliento bis 2.2.
Ein Einblick in die zeitgenössische Kunst
Kolumbiens mit 10 Positionen von der
Malerei bis zu den Neuen Medien, aus
dem Bestand der Daros Collection
Candida Höfer bis 9.2.
Überblick über das Werk der bekannten
Fotografin anhand von Fotografien und
Diaprojektionen, die Orte und Räume in
Düsseldorf zeigen
ZERO bis 19.1.
Die Rekonstruktion der ZERO-Ausstellung,
die vor 50 Jahren im Halfmannshof zu
sehen war und die Protagonisten dieser
Avantgarde-Bewegung vorstellte
BONN – Kunst- und Ausstellungshalle
www.kah-bonn.de
Florenz! bis 9.3.
Eine kultur- und kunstgeschichtliche
Ausstellung mit zahlreichen
Meisterwerken, welche die Bedeutung
von Florenz von der Renaissance bis ins
19. Jh. dokumentieren
DÜSSELDORF – K21 Ständehaus
HAGEN – Emil Schumacher Museum
Tomás Saraceno bis Herbst 2014
Eine raumgreifende Installation direkt
unter der Kuppel des Ständehauses, zum
Betrachten aber auch zum Betreten in
schwindelerregender Höhe
Kricke und Schumacher bis 14.4.
Eine dialogische Präsentation mit
dem Bildhauer Kricke und dem
Maler Schumacher, deren Werke seit
den 1950er Jahren Linie und Raum
thematisierten
bottrop – Museum Quadrat
www.lehmbruckmuseum.de
www.ludwigforum.de
Bielefeld – Kunsthalle
www.quadrat-bottrop.de
Josef Albers als Lehrer bis 30.3.
Der berühmte Farbfeldmaler als Lehrer
am Bauhaus, am Black Mountain Collage
und der Yale University mit Werken von
sich und von seinen Schülern
BRÜHL – Max Ernst Museum
www.maxernstmuseum.lvr.de
Das 20. Jahrhundert bis 13.4.
Werke von Max Ernst als Schenkungen
und Leihgaben der SchneppenheimStiftung, ausgehend vom wichtigen
Gemälde „The Twentieth Century“ (1955)
mkk.dortmund.de
www.kunstsammlung.de
DUISBURG – Lehmbruck Museum
Bilder des Aufbruchs bis 9.2.
Wilhelm Lehmbruck als Bildhauer,
Maler und Zeichner im Kontext der
Avantgarde des frühen 20. Jahrhunderts
in Deutschland und Paris
DUISBURG – Museum Küppersmühle
Alicja Kwade bis 16.2.
Objekte und Installationen mit
unterschied-lichen Materialien und
Fundstücken, die ein komplexes Geflecht
wissenschaftlicher und ökonomischer
Systeme entwerfen
www.museum-folkwang.de
ESSEN – Ruhr Museum
www.kunstmuseum-gelsenkirchen.de
www.esmh.de
HAGEN – Osthaus Museum
www.osthausmuseum.de
Hans Kotter bis 12.1.
Lichtobjekte, die geometrische
Verläufe mittels Spiegelungen in die
Unendlichkeit fortsetzen und die
Wahrnehmung von Farbe thematisieren
www.museum-kueppersmuehle.de
KÖLN – Kolumba
Fred Thieler bis 2.2.
Werküberblick zu dem Berliner Maler
(1916-1999), der mit seinen Bildern, für
die er die Farbe auf die Leinwand goss,
zu den Pionieren der informellen Kunst
gehört
zeigen verhüllen verbergen bis 15.8.
Ausgehend vom Schrein der christlichen
Liturgie visualisiert die Jahresausstellung
die Ästhetik des Unsichtbaren im Dialog
mit Kunst unserer Gegenwart
www.kolumba.de
26
Zilla Leutenegger bis 12.1.
Eine „Biographie in Bildern“ der Schweizer
Künstlerin (geb. 1968), die Zeichnungen
etwa mit Kleidungsstücken kombiniert und
poetische Assoziationsräume schafft
NEUSS – Langen Foundation
www.langenfoundation.de
Bernard Réquichot bis 23.3.
Farbintensive Malerei zwischen
Abstraktion und Surrealismus sowie
Papiercollagen mit Fundmaterial des
heute legendären Pariser Künstlers
(1929-1961)
OBERHAUSEN – Ludwiggalerie
www.ludwiggalerie.de
Andy Warhol 19.1.-18.5.
Ein Überblick über das Werk von Andy
Warhol als Pop Art-Künstler, mit
einem Schwerpunkt auf den bekannten
Druckgraphiken der frühen Jahre
RECKLINGHAUSEN – Kunsthalle
www.kunst-re.de
Kunstpreis junger westen bis 2.2.
Endauswahl zu diesem wichtigen Preis:
18 Positionen zeitgenössischer junger
Malerei vom Ungegenständlichen über
die Abstraktion hin zum Realismus
WUPPERTAL – Von d. Heydt-Museum
www.von-der-heydt-museum.de
Sven Drühl bis 26.1.
Überblick über die konzeptuell
motivierte Malerei von Sven
Drühl (geb. 1968), der Kunst- und
Architekturgeschichte als Basis seiner
eigenen Bilder verwendet
WUPPERTAL – Von d. Heydt-Museum
www.von-der-heydt-museum.de
Sammlung Gigoux bis 23.2.
Der Maler Jean Gigoux (1806-1894) mit
seiner Sammlung von der Renaissance
bis ins späte 19. Jahrhundert mit
Werken von Lucas Cranach, Rembrandt,
Goya u.a.
Empfehlungen von Thomas Hirsch
sammlung
Radikal einfach arbeiten
Von Künstlern heiß begehrt:
Kunstpreis „junger westen“
Der Kunstpreis „junger westen“ 2013 in der Kategorie Malerei steht fest: Nach intensiver Diskussion entschied sich die Jury einstimmig für Florian
Meisenberg. Der Künstler (Jahrgang 1980) wurde
in Berlin geboren, studierte an der Kunstakademie Düsseldorf, in der Klasse von Peter Doig und
lebt derzeit in New York und Düsseldorf. Er kann
auf Einzelausstellungen in London, New York, Ber- Große Bilder im Museum auf einen Pfeiler zu hängen, würde sich so ohne weiteres kein Kurator trauen, Fotos: Kunsthalle Recklinghausen
lin und München zurückschauen. Der Kunstpreis
„junger westen“ wird seit 1948 alle zwei Jahre als und man hat die Kunsthalle lange Zeit als ein ver- Das moderne Lebensgefühl war eines der SchlagFörderpreis für Bildende Kunst von der Stadt Reck- längertes Wohnzimmer verstanden. So hat es hier worte mit denen Franz Große-Perdekamp versuchte,
linghausen vergeben. Er erinnert an die 1948 in ein Sprachrohr gegeben und dieses Sprachrohr „junger westen“ auch ideologisch zu fassen. Er war
ja angestochen von Josef Albers, seinem JugendRecklinghausen gegründete Künstlergruppe „junger existiert nach wie vor.
freund, und für die Idee des Bauhauses begeistert.
westen“. In diesem Jahr beteiligten
sich insgesamt 804 Bewerber mit „Kunstpreise mittlerweile 10.000 Euro sind kein Pappen- Ihm schwebte gewissermaßen die Gründung einer
ja inflationär“
2.925 Arbeiten am Wettbewerb.
stiel. Ist das die Ursache für 800 Künstlergruppe vor, die sich eng an das Bauhaus
anlehnt, und im Grunde aus der Tradition zeitgeTeilnehmen konnten Künstler und
Bewerbungen?
Künstlerinnen, die ihren Wohnsitz in der Bundes- Der Kunstpreis „junger westen“ wird alle zwei nössisch operieren sollte – zukunftszugewandt. Das
republik Deutschland haben, ab Jahrgang 1978 Jahre ausgeschrieben und dann immer gattungs- war nach 1945 ein ganz wichtiges Moment. Florian
einschließlich.
spezifisch. In diesem Jahr war es Malerei, in zwei Meisenberg hat seinen ersten Meriten schon wähJahren werden es die grafischen Techniken und rend des Studiums bei Peter Doig an der Düsselengels: Der Preisträger malt Nasen, Phantasie- zeitgenössische Fotografie, also Arbeiten auf Pa- dorfer Kunstakademie erlangt, mit sehr opulenten
tiere und komische Bilder mit sexuellen Posen pier sein. Und in vier Jahren dann wieder Bildhau- Malereien, die sich deutlich absetzen von anderen
– was ist heute noch von der Gruppe „junger erei und Installation. Die Einsendungen sind bei Dingen, und hat sich im Grunde sukzessive auch
westen“ zu spüren?
Malerei doppelt so hoch wie bei Bildhauerei oder wieder neu erschaffen. Mittlerweile sind seine imDr. Schwalm: Von der Künstlergruppe „junger wes- Installation, vor zwei Jahren hatten wir knapp un- mer sehr großformatigen Arbeiten – 250 x 240 cm
ten“ lebt niemand mehr. Der letzte Überlebende ter 400 Einsendungen und jetzt sind es 800. Der – sehr reduziert, ich will nicht sagen minimalistisch,
Thomas Grochowiak ist 2012 verstorben. Was ge- Preis, immerhin der älteste kommunale Förder- denn das sind sie nicht. Sie sind immer noch figublieben ist, ist der Name in Form des Kunstpreises. preis Deutschlands und nach dem Zweiten Welt- rativ, also gegenstandsbezogen, auch wenn es nur
Wobei auch Tote durchaus lange Schatten werfen. krieg 1948 etabliert, hat sich doch in den Köpfen eine einfache Hose ist, die wie ein Scherenschnitt
Die Gruppe „junger westen“ hat sich ja schon 1962 von Künstlerinnen und Künstlern festgesetzt. Das auf einer nicht grundierten Leinwand klebt. Ich
endgültig aufgelöst und jeder hatte seinen indi- ist, wenn man sich umhört und nachfragt, immer glaube, dass der Mut radikal einfach zu arbeiten,
viduellen Weg gefunden und ist den auch weiter noch ein wichtiger Kunstpreis, wenngleich Kunst- auch von der Jury honoriert wurde. Und wenn man
schaut, fallen seine Sachen auch aus der Präsentagegangen. So gesehen war die Gruppe der Geburts- preise mittlerweile ja inflationär sind.
tion, die er ja selbst vorgenommen hat. Großformahelfer für die einzelnen künstlerischen Karrieren.
tige Bilder auf einen Pfeiler zu hängen, würde sich
Aber die Gruppe hat es geschafft, die zeitgenössi- Wie hoch war denn das erste Preisgeld 1948?
sche Kunst auch in einer kleinen Stadt wie Reck- Das erste Preisgeld betrug 1.000 DM. Und weil so ohne weiteres kein Kurator trauen oder nur mehr
linghausen zu etablieren. Die Kunsthalle ist ja hier das jeder gebrauchen konnte, wurde der Preis nach Rücksprache.
wie von einem anderen Stern eingebrochen. Man gleich gevierteilt, also jeder Künstler erhielt dahatte in Recklinghausen nur ein kleines Heimat- mals 250 DM. Damit konnte man schon einiges Mit 34 Jahren auch seine letzte Chance ...
museum, das hat sich zwar damals schon auch um bewerkstelligen oder sich zumindest die nötigen Ja. Michael Sailstorfer hatte sich ja – und das geht
zeitgenössische Kunst bemüht, aber es war kein Materialien kaufen, die ja noch sehr rar und teuer nicht häufig – für Bildhauerei sogar zwei Mal beworben. Er war jetzt vor zwei Jahren 35 Jahre alt,
richtiges Ausstellungsterrain. „junger westen“ hat waren. Das ist dann sukzessive gestiegen.
als er ihn gewonnen hat. Schon beim ersten Mal
es immerhin geschafft, hier ein Haus zu etablieren
Es bewerben sich viele junge Künstler, aber se- war er schon so einer, wo man merkte, das ging
hoch. Leider war unser Ankaufsetat damals nicht so
hen wir auch junge Kunst?
Ja, sehen wir. Wenn man die 804 Bewerbun- groß, ich hatte mir schon eine Arbeit von ihm ausgen durchsieht, kommen sie aus allen Ecken der geguckt – damals noch in DM. Heute müsste man
Republik. Es gibt natürlich einen Schwerpunkt, das zehnfache auf den Tisch legen.
Nordrhein-Westfalen mit seinen beiden Kunst- akademien Düsseldorf und Münster. Es sind viele INTERVIEW: PETER ORTMANN
Akademieabgänger, die sich bewerben, der ein oder
andere Autodidakt ist auch dabei, aber es ist ja Kunstpreis „junger westen“ | Preisträger Florian
ZUR PERSON
auch ein Förderpreis. Sie dürfen nicht älter als 35 Meisenberg und 17 weitere Bewerber | bis 2.
Dr. Hans-Jürgen Schwalm, 1955 geboren in Bochum, Stuneu
Jahre sein, ansonsten ist es sehr offen.
Februar
| Kunsthalle Recklinghausen
dium Kunstgeschichte, Archäologie und Philosophie an der
neu
neu
Ruhr-Universität Bochum, 1989 Promotion über das Gruppenportrait im 20. Jahrhundert, seit 1990 stellvertretender
Direktor der Museen der Stadt Recklinghausen.
Es ging einmal um das moderne Lebensgefühl.
Warum hat Florian Meisenberg gewonnen?
27
Lesen Sie die Langfassung unter:
www.engels-kultur.de/sammlung
neu
neu
kunst in NRW
zungen
mit
-zungen
Foto: I. Arndt, Montage: K. Nikolic
Wilhelm Lehmbruck, „Der Gestürzte“, 1915, Bronze, Foto: Pinakothek der Moderne München, Blauel/
Gnamm/Artothek; courtesy Bundeskunsthalle
Vor 100 Jahren
Fortsetzung des Briefs von Karl Marx aus Karlsbad vom 21.8.1875:
Zwei Ausstellungen in Bonn
Lieber Fred,
Von Thomas Hirsch
In der Frühzeit des 20. Jahrhunderts überschlugen sich die Ereignisse. Technische Errungenschaften machten das Leben schneller und führten zu einem
Wandel der Gesellschaft. Der Widerstreit von Tradition und Fortschritt verstärkte sich. Die Großstädte wuchsen, damit „Ein Seismograph ihrer Zeit“
gingen soziale Fragen einher. In Deutschland lebte ein Teil der Bevölkerung in Saus und Braus, der andere verarmte. In
diesem Gebräu aus ambivalenten Erfahrungen brach der Erste Weltkrieg aus,
im August 1914 … Die erste globale Katastrophe des 20. Jahrhunderts jährt
sich nun zum hundertsten Mal und auch in NRW werden die damaligen Ereignisse beleuchtet. Bereits im vergangenen Herbst hat das Landesmuseum Bonn
die Schau „1914 – Welt in Farbe“ eröffnet. Ausgestellt sind Ausschnitte der
„Archive des Planeten“, die der französische Bankier Albert Kahn 1908-1930
zusammentrug, um so zum Verständnis für fremde Völker beizutragen und
den heraufziehenden Krieg zu verhindern. Er beauftragte Fotografen, überall
auf der Welt, auch in den Kolonien, den Alltag aufzunehmen. Die 72.000 Fotografien und die Filme, die er gesammelt hat, bilden ein phänomenales ethnographisches Archiv, das Kulturen vor ihrem Aussterben festhält. Natürlich
ist der Blick von Kahns Fotografen westlich geprägt; die Fotos sind in Farbe
aufgenommen und wirken dadurch fast wie von heute, mit dem Anspruch des
Dokumentarischen.
Hingegen sind die Gemälde, Zeichnungen und Skulpturen, die derzeit in der
Bundeskunsthalle Bonn gezeigt werden, gelebte Erfahrungen der Kriegsjahre
und der Jahre davor. Die Kunst war ein Seismograph ihrer Zeit und äußerte
sich in großer stilistischer Vielfalt. Zentren waren Paris und Berlin. Aber der
rege Austausch unter den Künstlern in Europa brach mit Kriegsbeginn ab. Etliche der berühmtesten Künstler wurden in den Krieg eingezogen, einige von ihnen fielen. Jeder verbildlichte den Krieg auf eigene Weise in seiner Kunst. Teils
wurde der Krieg heroisiert, teils wurden die Schrecken dramatisch vor Augen
geführt; wieder andere Künstler widmeten sich dem Leid, und das mit den Mitteln der künstlerischen Avantgarde. Aus diesem Themenkomplex hat die Bundeskunsthalle nun eine kunsthistorisch gediegene, ausgesprochen informative
Ausstellung geschaffen, die auch das einzelne Werk würdigt. Begleitend werden fotografische und historische Zeugnisse gezeigt, etwa ein Stahlhelm und
– bereits im Radius der Kunst – der Kamm von Marcel Duchamp. Zu sehen sind
Werke von Max Beckmann, Malewitsch, Picasso, Egon Schiele und etlichen
weiteren Protagonisten der avantgardistischen Kunstströmungen zwischen
Abstraktion und Realismus. Übrigens ist Wilhelm Lehmbrucks „Gestürzter“ als
Bronzeguss derzeit auch im Duisburger LehmbruckMuseum ausgestellt. Dort wird ausgehend von dem expressionistischen Bildhauer die stilistische Verzahnung in diesen
Jahren beleuchtet. Und von Mai bis August zeigt dann das
Hagener Osthaus Museum die Ausstellung „Weltenbrand“.
Der Erste Weltkrieg und die Kunst dieser Jahre werden
2014 jedenfalls noch einige Male Thema einer Ausstellung
Thomas Hirsch
sein: Auch wenn Etliches verschollen ist, die Zeit existenKunsthistoriker,
Kurator und Journalist zieller Bedrohung hat viele Meisterwerke hervorgebracht.
[…]
Nachdem ich Dir nun meine bis jetzt neu gewonnenen Einsichten
in das Weltgetriebe in nuce mitgeteilt, einiges über meine Reiseerlebnisse.
In London stieg in unsren wagon in großer Hast ein pfiffig aussehendes Jüdel, mit einem kleinen Koffer unter dem Arm. […] Auf dem
Schiff eröffnet mir das Jüdel sein Herz. „So eine Betriegerei ist noch
nicht in der Welt gewesen“, rief er aber und abermals. Die Geschichte war die: Ein deutscher Yankee namens Börn- oder Bernstein, ihm
empfohlen von seinem Berliner Freund Neumann, hat ihn um 1700 £
geprellt, ihn, der für einen der gescheidesten Handelsleit gilt! Dieser
Bursche, der angeblich afrikanischen Handel treibt, zeigte ihm Rechnungen für viele 1000 £ Waren, die er in Bradford und Manchester
gekauft bei den ersten Häusern; das Schiff damit liegt in Southampton. Er gab ihm darauf den verlangten Vorschuß. Da er aber weiter
nichts von dem Mann hört, wird’s ihm bang. Er schreibt nach Manchester und Bradford, zeigt mir auch die Antwortsbriefe, des Inhalts:
Der Börnstein habe bei ihnen Muster genommen und Waren gekauft,
der Preis für beide sollte bei Abnahme der Ware gezahlt werden;
die Rechnungen waren nur formell; Waren nie abgenommen worden. In Southampton wird Beschlag belegt und findet sich, daß die
verschifften Waren des B. nur aus Ballen bestehen, die mit Strohmatratzen gefüllt sind. Unser Jüdel, den außer den 1700 £ noch vor
allem ärgerte, daß man einen so geriebnen Handelsmann übers Ohr
gehauen, schrieb an seinen Freund Neumann und an seinen Bruder
in Berlin. Letzterer hatte ihm telegraphisch mitgeteilt, man habe den
B. in Berlin entdeckt, Polizei benachrichtigt, die ihn überwache, er
müsse sich flugsstreichs auf den Weg machen.
[…]
Und nun vale faveque [lebe wohl und bleib mir zugetan]. Ich muß
wieder ins Geschäft. Besten Gruß an Madame Lizzy.
Dein Mohr
engels zungen in der Engels-Stadt:
Wir lassen Zeitgenossen des
Kapitalisten und Revolutionärs zu
Wort kommen, zitieren Briefe an
Wuppertals berühmten Sohn.
Marx, selbst jüdischer Herkunft, wie
auch Engels verwendeten in ihren
Briefen häufig abwertende Stereotype, um Juden zu charakterisieren.
Oft aus einer Mischung aus Neid und
Verachtung heraus, wie etwa gegenüber Ferdinand Lassalle.
Madame Lizzy ist Lydia Burns, Engels‘
Lebensgefährtin.
„1914 – Die Avantgarden im Kampf“ | bis 23. Februar
in der Bundeskunsthalle Bonn | www.bundeskunsthalle.de
„1914 – Welt in Farbe“ | bis 23. März im LVR-Landesmuseum Bonn
www.landesmuseum-bonn.lvr.de
28
Quellenangabe: Karl Marx in seinen Briefen. Ausgewählt und kommentiert von
Saul K. Padover, München 1981, S. 341344; Abbildung: Marx als Briefmarke (DDR
1948-54).
auswahl
Bühne
BANDFABRIK WUPPERTAL
Fr 17.1. 20 Uhr
Lieben Sie noch?
lassen ihn in Erinnerungen schwelgen
und so bietet er seinem Publikum die
neuesten und frischesten Pointen, so,
wie die Fans es von ihm gewohnt sind.
Tatsächlich kann er sich noch an seinen
ersten Auftritt, das war damals, im Jahre
1978, erinnern: Da beehrte er nämlich
Stefan Roth in der Jazz-Galerie in Bonn.
Diese und viele weitere Geschichten aus
35 Jahren Bühnenleben bietet Beikircher
in seiner Jubiläumsshow.
Info: 0202 563 64 44
die geschrieben haben, die vor allem die
großbürgerliche Spießigkeit anklagte.
Schwungvoll geht es auf der Wuppertaler
Bühne demnach zu, wenn sich Polkas mit
Walzern abwechseln und das Ensemble
das Stück temporeich und mit brillanter
Situationskomik vorantreibt.
Info: 0202 569 44 44
MÜLLERS MARIONETTENTHEATER
Wenn die Tage kürzer werden, es draußen dunkel und ungemütlich ist, dann ist
es am Schönsten, im Warmen zu sitzen
und einen guten Film zu schauen. Die
neue Filmreihe „cine:ort“ bietet sich
dazu geradezu an. Das Neue Jahr beginnt
mit einem Dokumentarfilm über eine der
besten westdeutschen Jazzsängerinnen –
Inge Brandenburg. Sie war eine schillernde Persönlichkeit, hat durch die Zeit des
Nationalsozialismus viel Leid erfahren
und ihr Leben schließlich an den Alkohol
verloren. Der Film „Sing, Inge, sing!“, den
die neue Filmreihe „cine:ort“ zeigen wird,
wurde von Regisseur Marc Boettcher im
Jahre 2011 uraufgeführt.
Info: [email protected]
So 19.1./Mi 22.1./Sa 25.1./So 26.1./Mi
29.1. 16 Uhr
Die Liebe ist schier unerschöpflich, was
ihre Themen und deren Gestaltung angeht. Marion Schüller (Schauspielerin,
Sängerin, Autorin und Regisseurin) hinterfragt die Liebe in all ihren Facetten.
Die Liebe, die gerade beginnt, die Liebe,
die urplötzlich endet und die Liebe, die
so stark sein kann, dass sie vielleicht
auch ihre dunkle Seite offenbart. Mit
Chansons und Texten versucht Schüller
die Liebe zu begreifen und zu beschreiben. Das Publikum nimmt sie dabei mit
auf eine literarisch-musikalische Reise
zwischen Sentimentalität, tiefer Abgründigkeit und frechem Charme.
Infos: 0202 69 85 19 33
CINEMAXX
Sa 25.1. 12 Uhr
Stücke der 80er Jahre –
Archivmaterial
Das Jahr 2013 steht in Wuppertal ganz im
Zeichen von der berühmten Pina Bausch.
Zum 40-jährigen Jubiläum des Tanztheaters in Wuppertal, das von Pina Bausch
gegründet und maßgeblich geprägt
wurde, zeigen die Veranstalter über das
Jahr verteilt bekanntes und unbekanntes
Material der Ausnahmetänzerin, lassen
Freunde und Mitarbeiter zu Wort kommen. Der Filmmarathon mit und über die
2009 verstorbene Tänzerin, das sich insbesondere den Stücken der 80er Jahre widmet, komplettiert die Hommage „Pina40“.
Info: 01805 24 63 62 99
Der kleine Schneemann
Von der Tragik der Liebe: Der kleine
Schneemann weiß, dass er, wenn der
Winter endet, nicht mehr weiterleben
kann. Dass er schmilzt, möchte er jedoch
mit allen Mitteln verhindern. Unterstützung bekommt er von seinem Freund,
dem Hund. Doch dann passiert etwas Unerwartetes und der kleine Schneemann
verliebt sich ausgerechnet in einen Ofen.
Ob seine Gefühle eine Zukunft haben und
ob es der Schneemann schafft, nicht nur
seine Liebe, sondern auch sich selbst zu
retten, können sich Klein und Groß zur
Musik Tschaikowskys anschauen.
Infos: 0202 44 77 66
LCB
Sa 11.1. 20 Uhr
Konrad Beikircher:
Das Beste aus 35 Jahren
Seit 35 Jahren sind sie ein Paar. Sie, das
sind Konrad Beikircher und sein Publikum. Zum Bühnenjubiläum lässt Beikircher diese Partnerschaft Revue passieren.
Ein Mix aus alten Radiosendungen, Klassiker und unveröffentlichtem Material
Dracula
Do 9.1. 20 Uhr
Sing, Inge, sing! – Der zerbrochene
Traum der Inge Brandenburg
SCHAUSPIEL WUPPERTAL
Fr 10.1. (Ganztagsgymn. Johannes Rau) /
Fr 31.1. (Gymnasium am Kothen) je 19:30
Die Irrfahrten des Odysseus
Es kann einfach nur den Einen geben,
egal, wie viele Vampirfilme oder -bücher geschrieben werden: Bram Stokers
Dracula ist und bleibt die Nummer Eins
auf der Hitliste aller Vampirklassiker und
Möchtegernvampirgeschichten. Rumänien im 19. Jahrhundert: Advokat Jonathan
Harker reist aus dem viktorianischen
London ins weit entfernte Transsilvanien,
um den Grafen Dracula bei dem Kauf von
englischen Immobilien zu beraten. Dass
sich der Graf ganz plötzlich tatsächlich
für ein Grundstück interessiert, hat jedoch vielmehr damit zu tun, dass Dracula
ein Auge auf Harkers Verlobte Mina Murray geworfen hat. In ihr sieht er nämlich
seine eigene große, anscheinend wiedergeborene Liebe. Ob Dracula und Mina
zusammenfinden oder ob der belgische
Gelehrte Van Helsing doch noch rechtzeitig zur Stelle ist, dürfen sich alle Vampirfans ab 16 Jahren im Talton-Theater
anschauen.
Info: 0202 247 98 60
Sa 4.1. 19.30 Uhr
Die Fledermaus
Wuppertaler Lokalkolorit und eine gehöri-
Dinner for One – Wie alles begann ge Portion Witz sind die Zutaten zu der
Elvira und Klaus haben sie bekommen,
die Rollen für den legendären Sketch
um Miss Sophie und ihren Butler James.
Eigentlich war es gar nicht so selbstverständlich für den Regisseur, das Ehepaar
für diese Rollen auszuwählen, präsentierten sie sich bei den Proben doch als
zänkisches Katastrophen-Duo. Doch am
Ende spielen beide das „Dinner for One“,
wie man es traditionell aus dem Fernsehen gewohnt ist… oder etwa doch nicht?
Denn alle Entgleisungen konnte der Regisseur doch nicht verhindern.
Infos: 0202 94 69 99 20
Sa 11.1. 20 Uhr/So 12.1. 18 Uhr
ORT
opernhaus
KAMMERSPIELCHEN
Sa 4.1. 20 Uhr
(Kammerspielchen Mettmann)
TALTON THEATER
berühmten Strauß’schen Oper in der Inszenierung von Johannes Weigand. In nur
42 Tagen soll Strauß die Musik zu der
champagnerseligen Verwechslungskomö-
Gern gelesen, gern interpretiert und gern
gesehen: Homers Odyssee überdauert
nun schon mehrere Jahrhunderte und
doch hat die Erzählung an Nichts eingebüßt. Zu faszinierend ist einfach die Suche des Menschen nach sich selbst, dargestellt in der Figur des Odysseus. Stanley
Kubrick und James Joyce verarbeiteten
diesen Epos bereits, nun ist es an Regisseur Dimitri Zertakis, die Geschichten des
antiken Helden darzustellen und dies tut
er mit Laterna Magica und aus der Odyssee vertonten Liedern. Dabei nimmt er
das Publikum mit auf eine Sinnsuche der
besonderen Art.
Info: 0202 569 44 44
Josef Albers Museum . Quadrat Bottrop
Kunst als Erfahrung
Josef Albers als
Lehrer – der Maler und
seine Schüler
15.12.2013
30.3.2014
www.quadrat-bottrop.de
Fon 02041 29716
Impressum
Herausgeber: engels Verlag
Joachim Berndt
Büro Bochum
Dr.-C.-Otto-Str. 196,
44879 Bochum
E-Mail: [email protected]
Tel. 0234-94191-0, Fax -94191-91
Redaktion:
Ramona Krieger (v.i.S.d.P.)
Mitarbeit an dieser Ausgabe:
Lars Albat, Stefanie Alzer, Silvia Bahl, Frank
Brenner, Klaus Bunte, Lutz Debus, Valeska
von Dolega, Hartmut Ernst, Rolf-Ruediger
Hamacher, Thomas Hirsch, Kim Ludolf Koch,
Anna Lenkewitz, Thomas Linden, Karsten
Mark, Christian Meyer, Peter Ortmann,
Kerstin Maria Pöhler, Benjamin Seim, Olaf
Weiden, Christian Werthschulte, Jon Witte,
Miriam Wolter, Hans-Christoph Zimmermann
Grafik: Dominik Empl, Amélie Kai,
Thomas Müller
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44879 Bochum
E-Mail: [email protected]
Tel. 0234 941 91 0, Fax 0234 941 91 91
Partner des Museums
Buchhaltung: Karin Okniewski
Alle nicht gesondert
gekennzeichneten Bilder sind Pressefotos.
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Musik
BÜRGERBAHNHOF WUPPERTAL
Fr 31.1. 19.30 Uhr
Gillian Grassie und Fallinn Wolff –
Endstation Sehnsucht
tig gut ist? Seit fünf Jahren begleiten
die Alten Schweden ihr Publikum in die
Abenteuer, Hochs und Tiefs des neuen
Jahres und jedes Mal überraschen sie
mit neuen Liedern und neuer Show. Auch
2014 bleiben sie der Tradition treu und
locken mit Klassikern und Neuheiten, mit
extra einstudierten Tanzschritten sowie
einer gehörigen Portion Witz. Hochmotiviert und mit Charme erwarten die Alten
Schweden ihre Gäste zum traditionellen
Neujahrskonzert in der Börse.
Infos: 0202 24 32 20
Liebhaber des Operngesangs dürfte dieses Konzert ein erstes Highlight des Neuen Jahres sein.
Infos: 0202 64 19 69
MATHE’S NUDELTÖPFCHEN
So 26.1. 19 Uhr
Velvet Swing
worden war – eine weltweite Ausstrahlung. Dazu trugen auch die Schüler aus
den unterschiedlichen Fachbereichen
bei, etwa Max Bill, Eugen Batz oder Fritz
Winter. In Kooperation mit dem Bauhaus
Dessau wird nun ein Überblick über die
Werke der Schülergeneration gezeigt.
Infos: 02191 16 27 98
VON DER HEYDT-MUSEUM
bis 25. Mai, Di-So 11-18, Do 11-20 Uhr
Alte Meister
Immanuelskirche
Sa 11.1. 20 Uhr
Seit 2010 lädt die „Endstation Sehnsucht“ regelmäßig zu einer Mischung
aus Akustik Pop und urbanem Folk. Dieses Mal sind es Gillian Grassie, die mit
Opernstimme und irischer Harfe IndiePop und Folk-Rock-Songs interpretiert,
sowie das Duo Fallinn Wolff aus Köln, die
das Publikum in eine Welt des DreamPop entführen. Von Grassies neuem
Album „The Hinterhaus“ und Songinterpretationen von Doris Day geht es über
zu den Geschichten von Farmerstochter,
Hexen und natürlich der Liebe, die Fallinn
Wolf mit Klavier und Cello zum Leben erwecken. Endstation Sehnsucht bittet zur
Ladie‘s Night.
Info: 0202 89 79 89 53
DIE BÖRSE
Sa 4.1. 20 Uhr
Die Alten Schweden
Kann das neue Jahr besser starten als
mit Altbewährtem, das auch noch rich-
culture club
German Tenors – Glanzlichter
Wenn Sonora Vaice, die German Tenors
und Claudia Hirschfeld zusammenkommen, ist es Zeit für ihr mitreißendes Programm, in dem sie Arien, Duette und die
beliebtesten Weihnachtslieder gemeinsam interpretieren. So ist auch der Name
Programm, denn was sie präsentieren,
sind wahrlich die Glanzlichter der Musikgeschichte. Die hochkarätigen Sängerinnen und Sänger sind international bekannt und haben auf den bekanntesten
Bühnen und mit den bekanntesten Musikern zusammengearbeitet. Nicht nur für
Angela Scheven, Uwe Sköries und Judith
Hofmann laden zum Swingen ein. Mit
Klavier, Saxophon, Gesang und Gitarre nimmt das Trio die Besucher mit auf
eine Reise in die Welt des Swings. Dabei
warten viele altbekannte Lieder, die als
Klassiker gelten und nichts von ihrem
Charme verloren haben. Mitsingen und
Mitwippen und Mittanzen ist erwünscht,
wenn die drei Songs aus Jazz, Soul und
Pop interpretieren.
Info: 0202 74 03 11
STADTHALLE A. JOHANNISBERG
Fr 3.1. 20 Uhr
Gregorian
Frans Snyders, Stillleben mit Wildschweinkopf,
um 1645, © Von der Heydt-Museum, Wupp.
Im ersten Obergeschoss ist ein Einblick
in die phänomenale Sammlung des Von
der Heydt-Museums zu sehen: Ausgestellt sind Gemälde, Zeichnungen und
Grafiken vom 16. bis 18. Jahrhundert in
Italien, Flandern, den Niederlanden und
Spanien. Quasi als Ergänzung zur Sammlung Gigoux liefert die Ausstellung einen
Überblick über die gängigen Genres und
Sujets, wobei die Schau weniger durch
Einzelwerke als durch die Zusammengehörigkeit und die Akzentuierung stilistischer Eigenheiten beeindruckt.
Infos: 0202 563 26 26
HERMANNSHÖHE
Verlängert bis 30.3.14
culture club
Körperwelten
Gregorian: Amelia Brightman,
Foto: Benjamin Hüllenkremer
präsentiert: Ausstellung
präsentiert: Show
Nancy Graves
Project
Mother Africa –
Umlingo
Nancy Graves zählt zu den wichtigsten
Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts. Das
Ludwig Forum zeigt eine umfassende
Retrospektive mit etwa 70 Skulpturen,
Installationen, Zeichnungen, Gemälden und Filmen. Dazu kommen „special
guests“, also Werke von Weggefährten
und Zeitgenossen – darunter etwa Eva
Hesse, Joseph Beuys und Robert Rauschenberg.
UMLINGO („Magie“) ist eine rasante,
bunte und fantasievolle Show voller Gefühl und magischer Momente. Auf der
Suche nach dem Glück macht ein afrikanischer Junge sich auf eine fantastische
Reise durch den Kontinent – eine Show
voller Artistik, mitreißender Musik, traditioneller afrikanischer und moderner
Zirkus- und Showelemente.
Ludwig Forum
Jülicher Straße 97-109,
52070 Aachen
engels verlost 3x2 Karten.
E-Mail bis 19.01. an
[email protected],
Kennwort: Nancy Graves
30
bis 16.02.14
Seit den 90-er Jahren existiert die Band
mit den mittelalterlichen Kostümen und
den eindrucksvollen Stimmen. Obwohl
selten in den Top Ten vertreten, hat die
Band Gregorian Millionen Fans, die die
CDs, Singles und DVDs über Jahre hinweg
kontinuierlich konsumieren. Ursprünglich
stammte die Idee aus Deutschland, während die aktuelle Besetzung jedoch nur
aus englischsprachigen Sängern besteht.
In der 2014 geplanten „Epic Chants“Tour vertont Gregorian die Klassiker der
Filmmusik. Von den Songs der „Titanic“
über „James Bond“ oder „Batman Forever“ interpretieren die zwölf Sänger
die Lieder ganz im Stile des gregorianischen Chorals. Gesang und Performance
werden den Fans einen unvergesslichen
Abend bereiten.
Infos: 0202 24 58 90
Kunst
STÄDTISCHE GALERIE
REMSCHEID
bis 26.1., Mi-So 14-18, Sa 11-18 Uhr
Historische Stadthalle
Johannisberg 40,
42103 Wuppertal
Karten: 01805 85 38 86
engels verlost 1x2 Karten.
E-Mail bis 19.1. an
[email protected],
Kennwort: Mother Africa
So 15.12. 15 Uhr
Bauhaus. Der Kunst der Schüler
Das Bauhaus in Weimar und dann Dessau war eine Ausbildungsstätte zwischen
freier und angewandter Kunst mit einem
festen Programm und einem favorisierten Formkanon, der sich im Wesentlichen
dem Konstruktiven zurechnen lässt. Das
Bauhaus hatte – auch nachdem es 1933
von den Nationalsozialisten verboten
30
Bereits seit vier Monaten läuft die Ausstellung rund um Gunther von Hagens‘
Plastinate in Bochum. Rund 180.000 Besucher haben in dieser Zeit die Halle an
der Hermannshöhe aufgesucht, um sich
selbst ein Bild vom Innern des menschlichen Körpers zu machen. Der Andrang ist
so groß, dass die Ausstellung nun bis
Ende März verlängert wurde. Die Erlebnis-Reise durch die Welt der menschlichen Anatomie präsentiert 200 Präparate und Ganzkörperplastinate. Ein leichtes
Gruselgefühl gehört anfangs vielleicht
dazu, dann aber weckt die Schau beim
Besucher die Neugier, sich intensiv mit
den Funktionen des eigenen Körpers auseinanderzusetzen. Gunther von Hagens
selbst meint: „Im Plastinat erkennen wir
uns selbst, unsere Verletzlichkeit und das
Wunder, das wir sind. Diese körperliche
Selbsterkenntnis entfacht ein neues, auf
Gesundheit bedachtes Lebensgefühl.“
Infos: 01806 57 00 00
Empfehlungen von Thomas Hirsch,
Anna Lenkewitz und BENJAMIN SEIM
Infos an: [email protected]
Atemberaubend - Einzigartig - Unvergesslich
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INFOBOX
KÖRPERWELTEN & Der Zyklus des Lebens
Bochum, Hermannshöhe 42 NÄHE HBF
bis zum 30. März 2014
ÖFFNUNGSZEITEN
Mo. - Do.: 9 – 19 Uhr (letzter Einlass 18 Uhr)
Fr.: 9 – 21 Uhr (letzter Einlass 20 Uhr)
Sa. + So.: 10 – 19 Uhr (letzter Einlass 18 Uhr)
Durchführung: Gubener Plastinate GmbH, Heidelberg / EVENTSTIFTER GmbH, Ludwigsburg
TICKETS IM VORVERKAUF
Tickets bei www.eventim.de,
Tel. 01806 - 5 700 00* (Mo.-Fr.
8-22 Uhr, Sa./So.
8-20 Uhr // *0,20 EUR/Anruf inkl. MwSt aus den Festnetzen,
max. 0,60 EUR/Anruf inkl. MwSt aus den Mobilfunknetzen),
Bochum-Marketing und in allen LeserLäden
und LeserServices mit Ticketing der WAZ,
sowie an der Tageskasse der Ausstellung.
Schulklassen- und Gruppenbuchung über
Bochum-Marketing, Tel. 0234-963020
(Mo.-Fr. 10-17Uhr, Sa. 10-16Uhr)
BOCHUM bis 30.3.14
Hermannshöhe 42
NÄHE
HBF
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