Cellon und der Zeppelin Hindenburg

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Cellon und der Zeppelin Hindenburg
Cellon und der Zeppelin „Hindenburg“
Aufmerksam geworden durch die pressemäßige Begleitung des RTLZweiteilers „Hindenburg“ stach mir ins Auge, dass das Baumwollgewebe
der Außenhaut des Luftschiffes LZ 129 „Zeppelin“ mit Cellon-Lacken
wetterbeständig gemacht worden war ( Bonner General Anzeiger vom 5/6.
Februar 2011). Dort sollen 22 Tonnen Cellon auf den 40.000 qm
Baumwollgeweben an Schutz- und Spannlack aufgebracht gewesen sein.
CELLON war ein Produkt der damaligen RWS in Troisdorf ab 1911 und
später der Dynamit AG und Dynamit Nobel AG (bis 1972); es wurden
Tafeln, Mehrschichtmaterial, Fäden, Rundstäbe und Rohre aus CELLON
hergestellt und angeboten. CELLON bestand aus Acetylcellulose,
Plastifizierungsmitteln und gegebenenfalls Füllstoffen und Pigmenten.
Diese Mischung wurde von der Dynamit AG , so z.B. im Verkaufsprospekt
von 1940 nachzulesen, auch als Rohstoff für den Spritzguss als TROLIT
vermarktet.
Dynamit AG vertrieb auch Lackrohstoffe, insbesondere Collodiumwollen
und andere Lackwalzmassen und Lackkunstharze.
Der Bearbeiter ist der Frage nachgegangen, ob der im Bonner General
Anzeiger angegebene Cellon-Lack für die Außenhaut des LZ 129
„Zeppelin“ aus Rohstoffen aus Troisdorf bestand.
Zuerst soll der Frage nach dem Zeppelin nachgegangen werden:
Das Luftschiff LZ 129 „Hindenburg“
Der nach dem deutschen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg
benannte Zeppelin LZ 129 war neben seinem Schwesternschiff LZ 130
eines der beiden größten jemals gebauten Luftschiffe; siehe http://de.
wikipedia.org/wiki/LZ_129.
Es wurde vom Chefkonstrukteur Ludwig Dürr entworfen und von der von
Graf Zeppelin 1908 gegründeten Zeppelin-Werft in Friedrichshafen am
Bodensee in der Zeit von 1931 bis 1936 unter der Leitung von Hugo
Eckener (1868 – 1954) gebaut.
Das Luftschiff LZ 129 „Zeppelin“ besaß einen Nenngasinhalt von 190.000
m³, hatte eine Länge von 246,7 m; sein größter Durchmesser betrug
41,2 m. und sein Dienstgewicht betrug etwa 215 t (beladen; leer: 118 t).
Mit diesen Dimensionen näherte es sich dem Volumen der „Titanic“
(269 m Länge, 66,5 m Höhe und 28 m Breite).
Die LZ 129 besaß 15 Hauptringe von Spanten aus Aluminium im Abstand
von je 15 m, die Platz für 16 Traggaszellen (mit Wasserstoff gefüllt) mit
einem maximalem Volumen von 200.000 Kubikmetern schufen.
LZ 129 „Hindenburg“ in Lakehurst, 1936
Die Räume für die Passagiere auf zwei Decks befanden sich im Inneren
des Flugkörpers. Sie waren mittschiffs gelegen und verfügten backbords
und steuerbords über schräg nach unten
stehende Fenster, von denen einige
geöffnet werden konnten. Es standen
anfangs 50 Betten, später nach dem Umbau
72 Betten für die Passagiere und
54 Schlafplätze für die Mannschaft zur
Verfügung. Im unteren Deck war auch ein
Rauchsalon vorhanden, der unter Überdruck
gehalten wurde, um jedwedes Eindringen
von brennbarem Wasserstoff-Gas sicher zu
unterbinden.
Passagierkabine, Innenansicht
Der Antrieb erfolgte durch vier speziell entwickelte Daimler-BenzDieselmotoren, die in Gondeln paarweise unter dem Rumpf angebracht
waren. Die Motoren hatten eine Dauerleistung von 588 bis 662 PS und
eine Höchstleistung von 1200 PS. Das Luftschiff erreichte eine
Marschgeschwindigkeit von etwa 125 Km/h und hatte eine Reichweite von
bis zu 16.000 km.
Der Dieselmotor der LZ 129 von Daimler-Benz:
Viertakt-Vorkammermotor mit 16 wassergekühlten
Zylindern in V-Anordnung;
Nenndrehzahl 1400 U/min
Druckluftanlasser ermöglichten Vorwärts- oder
Rückwärtsbetrieb.
Schmieröl und Kühlwasser konnten elektrisch
vorgewärmt werden.
Die aus Holz gefertigten vierflügeligen Druckpropeller
hatten einen Durchmesser von 6 m.
Die Außenhülle bestand aus Baumwollgewebe
und Leinen. Zum Zwecke größerer Wetterbeständigkeit (gegen Regen, Feuchte und IR- und
UV-Strahlung) waren die Außenbahnen mit einem
Spannlack auf Cellon-Basis mit Zumischungen
von Aluminiumpulver (spiegelnd zum Wärmeschutz
und zur Ableitung von elektrostatischer Aufladung
-Gewitter!-) und innen oben mit Eisenoxidpigmenten
als Schutz vor UV-Strahlung) versehen.
Vom 26. bis 29 März führte das Luftschiff eine
Streichen der Außenhülle
Deutschlandfahrt durch. Danach kam die
mit Cellon-Spannlack
„Hindenburg“ vor allem auf den Transatlantikrouten,
meistens von Frankfurt am Main aus, zum Einsatz – meist nach Rio de
Janeiro/Brasilien und Lakehorst/New Jersey, USA. Insgesamt fuhr die
„Hindenburg“ zehnmal in die USA und sechsmal nach Brasilien.
LZ 129 legte bis zum Unglück am 6. Mai 1937 etwa 337.000 Kilometer
während 63 Fahrten unfallfrei zurück.
Am 6. Mai 1937 kam es beim Landevorgang in Lakehurst/New Jersey
zum vernichtenden Unglück. Beim Andocken
brach im Heckteil des Schiffes ein
Wasserstoff-Feuer aus, das sich sehr schnell
ausbreitete. Das Luftschiff verlor seinen
statischen Auftrieb und sank in etwa einer
halben Minute auf den Boden.
35 der 97 Personen an Bord kamen ums Leben.
Es war das erste Unglück mit
Zeppelin-Luftschiffen nach dem ersten
Weltkrieg.
Lakehurst, 6.5.1937, 18:25
Als mögliche Unfallursachen wurden genannt: Während der Landeanfahrt
entstand in der Zelle 4 oder 5, vielleicht durch Reissen eines
Spanndrahtes, ein Leck, durch das Wasserstoffgas in den Raum zwischen
Zelle und Hülle strömte.
Wegen des hohen Potentialgefälles nach dem Gewitter kam es beim Erden
zu Büschelentladungen am Heck und dort zur Zündung austretenden
Wasserstoffgases.
Oder: Nach dem Gewitter kam es zu einem Potentialgefälle zwischen der
Außenseite der Hülle und dem Aluminium-Gerippe, das einen
Spannungsausgleich durch einen Funken hervorrief, der das zündfähige
Gas/Luftgemisch über den Zellen 4 oder 5 zündete.
Die Zerstörung des LZ 129 läutete das vorläufige Ende der
Verkehrsluftschifffahrt ein.
Erst rund 60 Jahre nach der Katastrophe von Lakehurst startete am 18.
September 1997 das erste Zeppelin-Luftschiff einer neuen Generation. Der
Zeppelin NT ist einer mit einem inneren Gerüst, ein sogenanntes
halbstarres Luftschiff. Es ist mit nicht-brennbarem Helium als Auftriebsgas
gefüllt.
Wer hat das „Cellon“ für die Außenhülle gefertigt und geliefert?
Wie oben ausgeführt hatte die damalige Dynamit AG zu jener Zeit
CELLON-Halbzeuge und Rohstoffe für den Spritzguss im
Verkaufsprogramm.
Obwohl die Dynamit AG „traditionsbedingt“ Collodiumwolle (niedrignitrierte Cellulose) für den Lackeinsatz selbst herstellte und lieferte, ist
nicht davon auszugehen, dass Dynamit auch CELLON-Pulver für den
Lackbereich herstelle.
In dem technischen Bericht über CELLON-Rezepturen (s. www-kunststoffmuseum.de, Bibliothek, CELLON-Rezepturen, 1956) werden verschiedene
Rezepturen für verschiedene Halbzeuge genannt – so auch für
Sicherheitsglasfolien; solche für Lackrohstoffe sind nicht erwähnt.
Es ist wahrscheinlicher, dass das beim Zeppelin verwendete Cellon aus
anderer Quelle stammte.
Der Chemiker Arthur Eichengrün hatte Cellon
(Celluloseacetat oder Acetylcellulose, CA) 1909
patentiert und die Cellon-Werke in Berlin errichtet.
Die RWS hatte eine Nutzungslizenz 1911von
Eichengrün genommen und aus Cellon CELLONHalbzeuge und Spritzgussmassen hergestellt, selbst
Celluloseacetat
aber kein Celluloseacetat produziert, sondern für seine
Halbzeugproduktion extern zugekauft. Als Rohstoffquelle kamen die
Cellon-Werke/Berlin, später auch Bayer, British Celanese und RhonePoulenc in Frage (s. Technischer Bericht, 1956) .
Nach dem zweiten Weltkrieg machte Celluloseacetat eine große Karriere
als hochtransparentes und farbenfreudiges Spritzgussmaterial für
Werkzeuggriffe, Auto-Lenkräder, Armaturen und Leuchten und Lampen
- und weiterhin als Halbzeug zur Herstellung von Brillengestellen,
Kämmen, Bijouterien etc.
Heute werden Zigarettenfilter aus Celuloseacetatfasern gefertigt -und
immer noch und immer mehr modische Brillengestelle aus CELLON-Tafeln.
Weiterführende Literatur: Barbara Waibel, „LZ 129 Hindenburg, Luxusliner
der Lüfte“, Sutton Verlag GmbH, Erfurt, 2010
Bearbeitet: Dr. Volker Hofmann, Troisdorf, 9. Februar 2011