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5 Mittwoch, 26. Juni 2013 · Nr. 49 8 Amgen meistert Patentklippe Unternehmen 9 Novartis macht mit Biosimilars vorwärts 11 Wer im Steuerstreit in den Fokus rückt 14 Vodafone will mehr Festnetz «Wir müssen um das Wachstum kämpfen» KarL Gernandt Der Verwaltungsratspräsident und CEO von Kühne + Nagel will den Transportlogistiker agiler machen, doch von einer Grossübernahme Abstand nehmen Herr Gernandt, Transportlogistik ist am Puls der Weltwirtschaft. Wie rasch schlägt er derzeit? Der Puls schlägt nicht rascher oder langsamer als 2012 und 2011, aber an anderer Stelle und in seiner Dynamik weniger kalkulierbar als früher. Wir müssen mehr kämpfen, um den Puls in derselben Geschwindigkeit zu halten. Ganze Sektoren sind seit 2008 wegen Finanzierungsproblemen plötzlich weggefallen oder haben ihr gesamtes Produktionsund Absatznetz anders ausrichten müssen. Unsere Aufgabe als Logistiker ist es, solche Entwicklungen in den Branchen und den Regionen frühzeitig zu erkennen und entsprechende Initiativen zu ergreifen. Es ist nicht mehr selbstverständlich, dass jeder Anbieter von einem wachsenden Handel in jeder Weltregion profitiert wie in den fünfzehn Jahren vor der Finanzkrise. Was zeigen die Warenströme derzeit an? Überraschend erfreulich laufen die Transpazifik- und die Transatlantikrouten von und in die USA. Gut entwickelt sich auch Lateinamerika. Dort profitieren wir als Unsere Strategie ist nur dann erfolgreich, wenn wir mit einem schlankeren Apparat wachsen. ogistikunternehmen von einer wachsenL den Mittelschicht in marktwirtschaftlich ausgerichteten Ländern wie Brasilien und Chile. Höchst problematisch sind hingegen die mediterranen Länder, inklusive Frankreichs. Ausgerechnet in der besonders kauffreudigen Gruppe der bis zu 35-Jährigen ist die Arbeitslosigkeit überdurchschnittlich hoch. Und Asien? Hat Licht und Schatten. Der Verkehr von und nach Europa bewegt sich in Richtung Stagnation. Die neue Regierung in China propagiert ganz klar das Wachstum von innen. Daher ist der Handel von einer Region im Land zur anderen viel bedeutender geworden. Der IntraAsien-Handel wird zu einer besonderen Herausforderung für uns europäische Logistiker. Ein Transportlogistiker muss also die Fähigkeit entwickeln, sich an diese veränderten Warenströme möglichst rasch anzupassen? Genau. Wir müssen Kühne + Nagel auch in der Entscheidungs- und Kommuni kationsstruktur an diese Veränderungen anpassen. Nicht mehr die Zentrale in Schindellegi weiss am besten, wo es langgeht, sondern es sind besonders die Regional- und Länderverantwortlichen. Wir stärken die Managementfähigkeiten in unseren Regionen. Dieser Prozess ist unglaublich spannend, und ich hoffe, dass wir flexibel und dynamisch genug sind, es besser als andere zu tun. als die Seefracht, aber für die Kunden bindung wichtig sind. Wenn es allein um Return on Investment ginge, müssten wir nur noch Seefracht betreiben, das ist unser Königsprodukt. Doch dann wären wir in einer ungesunden Weise abhängig von einer Sparte. Zur Person Karl Gernandt ist seit zwei Jahren Präsident des Verwaltungsrats von Kühne + Nagel. Weil Reinhard Lange am 7. Mai als CEO des Konzerns vorzeitig zurücktrat, übernahm Gernandt bis auf weiteres auch die operative Führung des Transportlogistikkonzerns. Der Deutsche wurde im Herbst 2008 von Klaus-Michael Kühne zu seinem Nachfolger in der privaten Kühne Holding bestellt. Gernandt ist seither auch Geschäftsleiter der Privatstiftung des Mehrheitsaktionärs. Seine Karriere begann er bei der Deutschen Bank. Danach arbeitete er für die Unternehmensberatung A.T. Kearney und Holcim. 2007 wurde er Chef der Region Westeuropa des Zementherstellers. Karl Gernandt (Jg. 1960) studierte an der Hochschule St. Gallen Betriebswirtschaft. Zuvor war er Bankkaufmann. Er ist verheiratet und Vater dreier Töchter. As Auch in der Kontraktlogistik glänzt Kühne + Nagel nicht besonders. Ganz so schlimm ist es aber auch nicht – wir sind vielleicht zu rasch gewachsen. Die Marge wurde immer geringer. Nun Der grösste Wettbewerber ist in der Tat nicht DHL, sondern es sind die vielen kleinen «Lokalhelden». aben wir die Anzahl Länder, die wir beh arbeiten, um 20% reduziert. Durch das Vermeiden von unrentablem Geschäft wird die Kontraktlogistik dieses Jahr deutlich mehr als 2012 zum Gesamtergebnis beitragen. Die Massnahmen greifen, das ist erfreulich. Aber hat die Gründung neuer regionaler Strukturen nicht höhere Kosten zur Folge? Die hohen Strukturkosten sind eine Herausforderung für die gesamte Branche. Wir haben uns entschlossen, an einigen Stellen des Globus in Marktnähe zu investieren und andernorts die Strukturen zu verschlanken. Unter dem Strich wird dadurch eine geringere Kostenbelastung entstehen. Sprechen Sie jetzt vom 2012 lancierten Effizienzprogramm Fit for Success? Richtig. Wir haben uns gesagt, unsere Strategie ist nur dann wirklich erfolgreich, wenn wir mit einem schlankeren und agileren Apparat wachsen. Ziel ist, 60 Mio. Fr. Ergebnisbeitrag pro Jahr herauszuholen. Das sind rund 10% unseres Gesamtgewinns. Gegebene Entwicklungen wie allgemeine Lohnerhöhungen müssen kompensiert werden. Was bedeutet das für den Personalbestand im Konzern? Insgesamt werden wir am Ende nicht viel weniger Personal beschäftigen. In der Kontraktlogistik werden wir entsprechend dem Geschäftsvolumen eher mehr Mitarbeiter haben, während wir generell in Europa und teilweise im Verkauf Stellen abbauen. Es klingt widersprüchlich, näher an den Markt zu gehen und gleichzeitig im Verkauf zu reduzieren. Doch wir bauen auf Verkaufspersonal mit spezifischen Branchen- und Produktkenntnissen. Bleibt noch die Luftfracht. Hat Kühne + Nagel dort ähnliche Probleme wie Panalpina? Im Gegenteil, die Luftfracht liegt über unseren Erwartungen. Der Gesamtmarkt schrumpft, wir aber wachsen sehr gut. Offensichtlich setzen wir auf die richtigen Produkte, zum Beispiel den Bereich der Frischwaren. Bild: Yvon Baumann V iele Jahre lang glänzte Kühne + Nagel mit hohem Wachstum in Umsatz und Gewinn. Selbst nach der Finanzkrise hielt der Translogistikkonzern die Rendite auf dem eingesetzten Kapital auf hohem Niveau. Dann kam das enttäuschende 2012: Der Gewinn ging fast ein Fünftel zurück. Doch Karl Gernandt, Verwaltungsratspräsident und seit Mai vorübergehend auch operativer Leiter des Konzerns, ist zuversichtlich, dass Kühne + Nagel «zur alten Stärke zurückfindet». Mit einer Verschlankung der Strukturen will er das Unternehmen agiler machen. «Mit unseren Aktien hat der Investor ein globales Portfolio», sagt Karl Gernandt von K+N. Wie gross ist die Gefahr, dass die 60 Mio. Fr. Einsparungen vom Wettbewerb und von niedrigeren Margen zunichtegemacht werden? Das wird zum Teil leider der Fall sein. Aber warten wir die Entwicklung ab. Wie sieht es denn in den einzelnen Sparten derzeit aus? In der Seefracht erleben wir einen brachialen Preisdruck. Die Frachtraten der Kaufen und liegen lassen Kühne + Nagel ist einer der weltweit Kurs: 100.20 Fr. SPI-Gesamtindex angegl. grössten Speditions- und Logistikkonzerne. Im Bereich 120 Seefracht ist das Un100 ternehmen vor DHL/ Deutsche Post füh80 rend. Über die Hälfte 10 11 12 13 des Betriebsgewinns Quelle: Thomson Reuters / FuW stammt aus diesem Bereich. In der Luftfracht besetzt K+N den zweiten Rang. Zudem ist sie in der Kontraktlogistik sowie im Landverkehr (Strasse/ Schiene) positioniert; diese Sparte schreibt bislang operativ Verlust. Die 1890 gegründete K+N strebt im Fünfjahresplan bis 2014 einen Umsatz von 30 bis 40 Mrd. Fr. (doppelt so viel wie 2010) und einen Gewinn von 1 Mrd. Fr. an. Das Gewinnziel wird wegen der schleppenden Konjunktur in Europa ein oder zwei Jahre später erreicht. 2013 hat sich K+N vorgenommen, doppelt so rasch wie der Markt zu wachsen. Der Fokus soll aber verstärkt Kühne + Nagel N auf der Kostenkontrolle liegen. 2012 hatte der Konzern zu optimistisch budgetiert und operativ enttäuscht. Seit der Publikumsöffnung 1994 hat der Transportlogistiker stets Gewinn ausgewiesen und immer Dividende gezahlt, mit steigender Tendenz. Die Gefahr, dass die Dividende einmal ausfällt, ist mit Blick auf die Marktposition, die Gewinnstabilität und die sehr solide Bilanz (mit einem Nettogeldüberschuss von über 1 Mrd. Fr.) höchst unwahrscheinlich. Die Aktien über eine längere Frist zu halten, lohnt sich. Mit Kühne + Nagel haben Investoren seit dem IPO oder über die vergangenen zehn Jahre klar mehr verdient als mit dem Gesamtindex. Die Bewertung an der Börse ist mit einem Kurs-Gewinn- Verhältnis von 20 hoch. Sie spiegelt jedoch ein günstiges Chancen-Risiko-Profil für Anleger und ein Geschäftsmodell, das mit wenig Kapital auskommt. Selbst seit Ausbruch der Finanzkrise hat K+N laufend eine Rendite von über 20% auf dem investierten Kapital erwirtschaftet. AS Reedereien sind so niedrig wie noch nie. Je kleiner die Rate, desto geringer die Chance für uns, eine Marge zu verdienen. Von den insgesamt 634 Mio. Fr. Betriebsergebnis im vergangenen Jahr stammen zwei Drittel aus der Seefracht. Wenn diese Sparte schwächeln würde, dann hätten wir wirklich ein Problem. Wir können als Logistiker jedoch nichts daran ändern, dass zu viel Schiffskapazität auf dem Markt angeboten wird. Es herrscht ein harter Verdrängungswettbewerb. Ein veritables Sorgenkind ist der Bereich Landverkehr. Ein Geschäft, das seit fünf Jahren Verlust macht, passt nicht zu Kühne + Nagel. Was tun Sie? Das wird passend gemacht. Mit aller Bescheidenheit eines Spätankömmlings glaube ich, dass wir uns früher zu sehr auf das nationale Stückgutgeschäft konzentriert haben. Damit lässt sich nur schwer Geld verdienen. Wir werden dieses defizitäre Geschäft runterfahren. Im Ge genzug werden wir den Anteil des inter nationalen Verkehrs ausbauen und uns auf Komplettladungen konzentrieren. So können wir unsere Grösse und unser internationales Netzwerk ausspielen. Im laufenden Jahr wird es im Landverkehrsbereich Verbesserungen, aber noch keine schwarzen Zahlen geben. Warum den Bereich nicht aufgeben? Wir stehen zu diesem Geschäftsbereich, weil wir auf diese Weise noch näher am Kunden sind und ihn besser verstehen lernen. Wenn wir uns als ein global integrierter Logistikanbieter positionieren wollen, müssen wir auch Produkte haben, die zwar unternehmerisch weniger attraktiv An einem Vortrag vor der Schweizerischamerikanischen Handelskammer haben Sie etwas Erstaunliches gesagt. Kundenorientierung und Profitabilität seien bislang keine Stärke der Branche gewesen. Wie das? Ich hatte dies vor allem im Vergleich zu anderen Dienstleistungsbranchen formuliert. Wir sind durch die Globalisierung der Märkte ohne Zweifel begünstigt worden. Das Geschäft wuchs mit dem Wachstum der Kunden. Was die Profitabilität betrifft: Gemessen am Umsatz gehören wir nicht zu den hochmargigen Branchen. Das wollen wir verbessern und setzen auf integrierte Logistiklösungen, mit denen wir uns differenzieren können. Die Branche wird traditionell für Volumen und Gewicht bezahlt. Beides schrumpft, etwa im Technologiebereich. Wie gehen Sie dieses Problem an? Heute finden in einem Frachtcontainer vielleicht fünfmal so viele Fernseher Platz wie früher, und statt Laptops transportie- Der neue CEO muss unsere Kultur kennen, aber auch genügend frische Ideen für einen Aufbruch einbringen. ren wir kleinere und leichtere Tablets. Profitabilität rückt also in den Vordergrund, und da gehört auch ein «unternehmerisches Nein» bei renditeschwachen Ausschreibungen dazu. In der Automobilindustrie haben einzelne Kunden angefangen, mit elektronischen Auktionen Logistik einzukaufen. Bei solchen Bietergefechten machen wir nicht mit, selbst wenn es ein sehr attraktiver Kunde ist. Unsere Branche hat jahrelang vieles leicht richtig machen können. Heute kann man vieles sehr leicht falsch machen. Fortsetzung auf Seite 6 Industrie 6 Mittwoch, 26. Juni 2013 · Nr. 49 Fortsetzung von Seite 5 «Wir müssen um das . . .» Kühne + Nagel sucht derzeit einen CEO. Sollte er mit Blick auf die vielen Veränderungen in der Branche nicht eher von aussen kommen? Dass eine so grosse und traditionelle Firma so erfolgshungrig ist, habe ich anderswo nicht gespürt. In einem Traditionsunternehmen wie Kühne + Nagel muss man ausbalancieren zwischen der Akzeptanz eines langjähri gen internen Managers, der die Kultur kennt und verinnerlicht hat, und befruch tenden Ideen, die ein Externer in das Unternehmen einbringen könnte. Wenn eines von beiden fehlt, ist es suboptimal. Kühne + Nagel wurde während rund 120 Jahren von drei Generationen der Familie Kühne geführt. Die zentrale Frage lautet: Wie gelingt es uns, das stabilisierende Familiengepräge zu erhalten, aber gleich zeitig den Hunger nach neuen Trends und vifen Entwicklungen ins Unter nehmen zu bringen? In den vergange nen fünf Jahren haben wir einige Kolle gen von aussen in die Konzernleitung geholt und gleichzeitig darauf geachtet, die Kernkompetenz der Firma in den Hauptsparten Seefracht und Luftfracht von innen zu erhalten. Der CEO nur noch als letztes Puzzleteil? Ja, er muss die Kultur von Kühne + Nagel kennen, aber gleichzeitig genügend fri sche Ideen für einen Aufbruch einbrin gen. Es ist eine ganz spannende Aufgabe für einen Verwaltungsrat, einen solchen entscheidenden Schritt mitzubegleiten. Es stört mich, dass eine solche Phase im Finanzmarkt eher als Schwäche oder Un sicherheit gewertet wird. Wir empfinden sie als Chance für die Zukunft. Wie weit ist die Suche nach dem CEO fortgeschritten? Ich bin zufrieden. Wenn die Ankündigung des neuen Konzernleiters später als Okto ber kommt, könnten Sie schreiben, wir haben lange benötigt. Spasseshalber liesse sich sagen, Kühne + Nagel habe eine neue Filiale in Basel. Haben die relativ vielen Abgänge von Spitzenkräften zum Konkurrenten Panalpina Sie geärgert? Durchaus, aber auf der anderen Seite muss man auch sportlich sein. Ich habe lieber starke Gegner im Wettbewerb als solche, die mit purem Aktionismus die Kunden verunsichern. In den vergange nen zwei Jahren haben uns lediglich rund 30 von 1000 Spitzenkräften aus unter schiedlichen Gründen verlassen. Da muss sich Kühne + Nagel gewiss keine Gedan ken machen, kein attraktiver Arbeitgeber mehr zu sein. Sie selbst arbeiteten früher für die Deutsche Bank und waren Europa-Chef des Zementherstellers Holcim. Was ist im Vergleich speziell an der Unternehmenskultur von Kühne + Nagel? Die unglaubliche Erfolgsorientierung. Dass eine so grosse und traditionelle Firma so erfolgshungrig ist, das habe ich anderswo nicht gespürt. Das liegt auch daran, dass Logistik ein Niedrigmargen geschäft ist. Holcim verbucht 30 bis 35% Ebitda-Marge, wir freuen uns, wenn wir einen kleineren Teil dessen erreichen. Das ändert die Mentalität. Wir laufen hochtouriger. Zu den Aussichten der Branche. 2000 bis 2007 waren die goldenen Jahre. Ist dieser Wachstumstrend auf längere Zeit gebrochen? Ja, dieser Trend ist Vergangenheit. Wir werden nicht mehr so schnell ein zwei stelliges Wachstum haben, und es wird nicht mehr eine derart lang anhaltende Aufschwungphase geben. Gleichwohl gibt es Chancen, und wir werden sie zu nutzen wissen. Gemäss Aussagen eines Finanzanalysten einer Grossbank werden 2013 und 2014 «dürre» Jahre. Stimmen Sie diesem Befund zu? Für Kühne + Nagel würde ich das nicht unterschreiben. Im Bereich Seefracht werden 95% des gesamten Welthandels abgewickelt. Dort haben wir einen Markt anteil unter 5%. In der Luftfracht sind es gemessen am Umsatz 7%. Wachstums potenzial ist also da, auch wenn der Markt kaum noch wachsen würde. Wächst Kühne + Nagel rein organisch, oder gibt es jetzt mehr Möglichkeiten als früher, andere Transportlogistiker zu übernehmen? Auf das Risiko einer Grossübernahme verzichten wir. Die anschliessende Integ ration hat im Dienstleistungsbereich in den meisten Fällen nicht funktioniert. Wir ziehen es vor, gezielt kleinere Unter nehmen mit besonderem Know-how zu kaufen. Kühne + Nagel verfügt über mehr als 1 Mrd. Fr. Nettoliquidität. Was gedenken Sie damit zu tun? Die naheliegende und ehrliche Antwort lautet, wir halten so viel, damit wir an die Aktionäre etwas ausschütten können und weil wir einen Sicherheitspuffer haben wollen. Aber wenn Sie weiter nachfragen, reicht diese Antwort wahrscheinlich nicht, zumal wir einen so hohen freien Cashflow haben, dass sich die Nettoliqui dität jedes Jahr erhöht. Warum nicht mehr an die Aktionäre ausschütten? Unsere Ausschüttungsquote ist in den vergangenen fünf Jahren in der Tendenz gestiegen und ist bereits sehr hoch, im vergangenen Jahr über 80%. Wie präsentieren Sie Kühne + Nagel als Unternehmen und als Aktie vor Investoren? Das Unternehmen steht für eine grosse Innovationskraft. Die IT zählt zu den bes ten der Branche. Dazu kommt unser we Dank unserem Geschäftsmodell sind wir nie Gefangener, sondern können uns selbst befreien. nig kapitalintensives Geschäftsmodell, das im Vergleich etwa zur Schwerindust rie rasches Reagieren in der Krise ermög licht. Wir sind somit nie Gefangener, son dern können uns selbst befreien. Das Unternehmen hat sich verpflichtet, ein ordentliches organisches Wachstum un abhängig von der Marktentwicklung hin zulegen. Mit unseren Aktien hat der In vestor ein globales Portfolio, das alle Teile der Welt abdeckt und die verschiedensten Währungen ausbalanciert. Sie sind ein stabiles Investment mit einer guten Divi dendenrendite. In den zurückliegenden zwölf Monaten sind die Aktien aber hinter dem Gesamtmarkt zurückgeblieben. Ja, und das ärgert mich. Wir haben lange gebraucht, um zwei Dinge zu korrigieren: unsere zu optimistische Markteinschät zung von 2012, da haben wir zu lange gewartet, um zu korrigieren. Und eine gewisse Lähmung nach dem ausserge wöhnlichen Schock der Kartellbussen 2011 und 2012. Doch die ersten fünf Monate im laufenden Jahr stimmen mich zuversichtlich, dass wir zur alten Stärke zurückfinden. Interview: Arno Schmocker Alle Finanzdaten zu Kühne + Nagel im Online-Aktienführer: fuw.ch/KNIN Bilder: Iris C. Rit ter Kühne + Nagel muss flexibler werden. Gereicht dem Konzern da nicht die Grösse zum Nachteil? Der grösste Wettbewerber ist in der Tat nicht DHL, sondern die vielen kleinen «Lokalhelden». Wenn wir uns mit den anderen Grossen vergleichen, sind wir stolz darauf, dass wir in vielen Bereichen effizienter sind. Unsere bestehenden Pro zesse beherrschen wir. Doch mit 60 000 bis 70 000 Mitarbeitern gibt es immer Doubletten und Routine, unter denen die Agilität leidet. Mit Fit for Success möch ten wir wieder agiler werden. Mit mehr Effizienz und dem Verkauf von Teilen der Distribution will das Management die Mittelbindung verringern. S+B-Verwässerung für Altaktionäre eingrenzen Schweiz Kapitalerhöhung um 330 Mio. Fr. sollte reichen – Aktionär Büttiker setzt Vetorecht durch Adrian Blum Wie viel Kapital benö tigt Schmolz+Bicken Kurs: 2.87 Fr. SPI-Gesamtindex angegl. bach? Das ist ausser der Zusammenset 15 zung des Verwal 10 tungsrats (vgl. FuW 5 vom Samstag) der zweite Streitpunkt 2 zwischen Verwal 10 11 12 13 tungsrat und Gross Quelle: Thomson Reuters / FuW aktionär im Hause Schmolz+Bickenbach. Die zu hohen Schul den machen eine Kapitalherabsetzung mit anschliessender Kapitalerhöhung un ausweichlich, verbunden mit einer massi ven Verwässerung der Altaktionäre und Verschiebungen im Aktionariat. An der Generalversammlung des Spe zialstahlherstellers am Freitag sind zwei unterschiedliche Kapitalmassnahmen traktandiert. Schmolz+Bickenb. N 194 Mio. Fr. Schuldentilgung Der Verwaltungsrat von S+B schlägt eine Kapitalherabsetzung von 413,4 Mio. auf 82,7 Mio. Fr. (Nennwertreduktion von 3.50 auf 0.70 Fr.) vor, mit anschliessender Wieder aufstockung durch Ausgabe von 472,5 Mio. neuen Aktien, mit einem Bezugsverhältnis von 1 zu 4. Die Banken (CS, Commerzbank, BNP) werden neue Aktien nicht ausgeübter Bezugsrechte übernehmen. Der Mittel zufluss beträgt brutto 330 Mio. Fr. Gemäss Informationen der FuW fallen Emissions kosten von 26 Mio. Fr an. Für die Rückzah lung von Krediten sollen rund 194 Mio. Fr. verwendet werden, was die Zinslast verrin gert. Als Cash-Erlös bleiben 110 Mio. Fr. Hauptaktionärin S+B KG zusammen mit Victor Vekselbergs Renova traktandiert eine Kapitalherabsetzung auf 118,3 Mio. Fr. (Nennwertreduktion von 3.50 auf 1 Fr.) mit anschliessender Aufstockung um ma ximal 434 Mio. neue Papiere (Nennwert 1 Fr., Bezugsverhältnis 1 zu 3,67). Der Mit Umsatz nach Divisionen telzufluss soll brutto rund 435 Mio. Fr. betragen. Die KG ist finanziell nicht in der Lage, alle Bezugsrechte auszuüben, wes halb sie Renova ins Boot geholt hat. Renova soll bisher keine bindenden Ga rantien abgegeben haben, der RenovaTochter Venetos sollen aber alle vom KGUmfeld nicht ausgeübten Bezugsrechte zur Zeichnung angeboten werden. Die Zusammensetzung des Aktionariats ändert sich massiv. Kommt an der GV der Vorschlag der KG durch, würde die Düs seldorfer Grossaktionärin (bisher 40,46%) voraussichtlich 15 bis 20% halten und Renova 20 bis 25%, abhängig davon, wie viele Bezugsrechte den Besitzer wechseln. Wird an der GV jedoch der Vorschlag des Verwaltungsrats gutgeheissen, würde die KG ohne Verbündeten dastehen und mög licherweise weniger als 15% halten. Der VR hat mit der Artemis von Michael Pieper auch einen Investor (angeblich noch einen weiteren) hinter sich, der ein substanziel les Minderheitspaket übernehmen will. Für die Publikumsaktionäre interes sant ist nicht nur die Stimmverteilung, sondern die finanziellen Folgen der Kapi talerhöhung. Um eine Verwässerung zu vermeiden, muss gemäss Unternehmens angaben ein Altaktionär beim Vorschlag des VR wertmässig 93% seines aktuellen Engagements aufbringen, beim Gegen vorschlag wären es 122%. Schmolz+Bickenbach hat von einer Gruppe von siebzehn Banken Kreditlinien von 930 Mio. € erhalten. Zu dieser Gruppe gehören gemäss Informationen der FuW Commerzbank, Credit Suisse, BNP Pari bas, UniCredit und weitere deutsche Insti tute und schweizerische (Kantonal-)Ban ken. Die Kreditvereinbarungen lassen laut S+B-Management Luft nach oben. Die vom VR anvisierte Kapitalerhöhung von 330 Mio. Fr. sollte ausreichen unter der Bedingung, dass angekündigte Deves titionen und Restrukturierungsmassnah men mit Erfolg umgesetzt werden. Ge plant ist, bis 2016 den Ebitda auf über 300 Ebitda-Marge Produktion Verarbeitung Produktion Distribution + Services steht zum Verkauf Verarbeitung Distribution + Services in % 8 in Mrd. € 6 4 4 2 3 0 –2 2 –4 1 –6 0 –10 –8 2008 2009 Quelle: Unternehmen / Grafik: FuW, phg 2010 2011 2012 2008 2009 2011 Quelle: Unternehmen / Grafik: FuW, phg 2010 2012 Mio. € zu verbessern und im Verhältnis zu Nettoschulden auf unter 2,5 zu drücken. Ausserdem hat sich CEO Johannes Nonn zu Devestitionen entschlossen. Zum Ver kauf steht in der Division Distribution & Services der Teilbereich Distribution Deutschland (Umsatz: 700 Mio. €). Die Di vision erzielt minimale Margen (vgl. Gra fik) und bindet viel Mittel, und die Dis tribution Deutschland erzielt 85% ihres Umsatzes mit Fremdprodukten. Gehörige Bringschuld Fest steht aber auch, dass nach den Vor schlägen der Seite KG/Renova im Ver gleich zu denen des VR die finanzielle Basis des Unternehmens gesünder wäre und Kennzahlen wie Eigenmittel- und Verschuldungsquote näher an Werten lie gen würden, wie sie Branchennachbarn wie Salzgitter oder Voestalpine aufweisen, wie KK Research aufzeigt. Die Eigenkapi talquote würde von derzeit 25% auf 32 bis 35% (Vorschlag VR) respektive 34 bis 39% (Vorschlag KG) steigen. KK Research warnt ausserdem, eine Erhöhung des Stahlprei ses und ein steigendes Absatzvolumen würden Mittelbindung und Nettoumlauf vermögen steigen lassen und zu negativen freien Cashflows führen. FuW rät den Aktionären, dem Modell des VR zuzustimmen und ihre Bezugs rechte auszuüben. Die ohnehin massive Gewinnverwässerung für Altaktionäre wäre im Vorschlag des VR zumindest etwas geringer als in dem der KG. Dem neuen Management (CEO Nonn und CFO Wiecha) ist es zuzutrauen, die geplanten Restrukturierungen umzusetzen und auch von dieser Seite her die finanzielle Situa tion zu verbessern. Sollte sich der Verwal tungsrat an der GV durchsetzen, besteht eine gehörige Portion Bringschuld. Alle Finanzdaten zu S+B im Online-Aktienführer: fuw.ch/STLN Etappensieg des VR Das Handelsgericht des Kantons Zürich hat mit einer vorsorglichen Massnahme verfügt, dass die Hauptaktionärin der Schmolz+Bickenbach – die S+B KG – an der GV am Freitag mit 20,46% stimmen darf. Die KG hält 40,46%, doch 20% sind über einen Aktionärsbindungsvertrag mit Gero Büttikers Gebuka (6%) eingebunden. Die Chancen der KG, sich an der GV durchzusetzen, sind nun gesunken. Gleichwohl wird es sehr knapp werden, die Präsenz spielt eine Rolle (vgl. FuW vom Samstag und www.fuw.ch/260613-1). BA