Internationale Nachrichtenströme:

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Internationale Nachrichtenströme:
Philosophische Fakultät
Institut für Kommunikationswissenschaft
Internationale
Nachrichtenströme:
Unterschiedliche Kanäle –
unterschiedliche Weltanschauungen.
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Dresden, 19. Dezember 2012, Susan Schenk M.A.
Spannend, weil...
•  ...Medien bestimmen können, worüber wie nachdenken
(Stichwort: Agenda Setting)
•  ...sie unsere Weltbildapparate sind (Stichwort: Reduktion
von Komplexität, Medien als „Realitätskonstrukteure“)
•  ...sie beeinflussen können, was wir über andere Völker
wissen und denken (Stichwort: Imagebildung)
•  ...sie politisches Bewusstsein schaffen und Themen auf die
politische Agenda stellen können (Stichwort: ‚CNN-Effect‘)
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Gliederung des Vortrags
1.  Akteure der internationalen Berichterstattung
2.  Merkmale der internationalen Berichterstattung/
Auslandsberichterstattung
3.  Neue internationale Welt- und Informationsordnung
4.  Die alternative Stimme? Der Sender Al Jazeera
5.  Eigene empirische Betrachtungen: Al Jazeera und die
Berichterstattung über den Iran-Wahlkampf 2009
6.  Fazit
7.  Literatur
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1. Wichtige Akteure der internationalen
Berichterstattung
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1. Wichtige Akteure der internationalen
Berichterstattung
New York
Dominante
Richtung des
Informationsflusses von N-S
London
Berlin
Moskau
Paris
Heutige
Weltagenturen:
• AFP (Paris)
• AP (New York)
• Reuters (früher
London, heute New
York)
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1. Wichtige Akteure der internationalen
Berichterstattung
•  Schätzung: in knapp 2/3 der 200 international anerkannten
Staaten gibt es eine Nationalagentur (Sebgers, 2007 zit. in
Schulz, 2009)
•  ABER: meisten Nationalagenturen sind organisatorisch zu
schwach und greifen demnach auf Agenturen westlicher
Staaten zurück (Schulz, 2009, S. 369)
Nord-Süd-Gefälle des Informationsflusses als Ausdruck der
politischen und ökonomischen Ungleichheit zwischen
westlichen Industrienationen (nördliche Hemisphäre) und
Entwicklungsländern (südliche Hemisphäre)
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2. Merkmale der internationalen
Berichterstattung/ Auslandsberichterstattung
•  Dominanz von westlichen Elitenationen (Ähnlichkeit von
Status und Macht)
•  Beachtung eines Landes in der Berichterstattung weitgehend
von Wirtschaftskraft, Handelsbeziehungen, politischer
Rolle als Kooperationspartner oder Gegner bestimmt
•  ‚Dritte-Welt-Länder‘ werden als strukturarm,
gewaltreich und defizitär präsentiert
•  ‚Stimme‘ der Menschen in den Ländern der südlichen
Hemisphäre zu wenig beachtet
Quellen: Hagen et al., 1998; Becker, 1979; Harmon & Muenchen, 2009; Hafez, 2002; Schulz,
2009
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2. Merkmale der internationalen
Berichterstattung/ Auslandsberichterstattung
•  Veröffentlichte Nachrichten ohne Bezug zu Industrieländern
beinhalten überwiegend Katastrophen, Sensationen und
Kriege
Nachrichtenfaktoren: u. a. Bezug zu Elite-Nationen, Bezug
zu wirtschaftlichen Partnern, Relevanz, Negativismus, Neuheit
(Überraschung) (vgl. z. B. Nachrichtenfaktoren von Galtung & Ruge
1965)
Quellen: Hagen et al., 1998; Becker, 1979; Harmon & Muenchen, 2009; Hafez, 2002; Schulz,
2009
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3. Neue internationale Welt- und
Informationsordnung
•  in 70er Jahren Forderung der blockfreien Staaten und
Entwicklungsländer nach neuer Informationsordnung
•  Programm der UNESCO „International Programme for
the Development of Communication – IPDC“
•  Ungleichgewichte sollten durch Kooperationen mit kleinen
lokalen Medien im ‚Süden‘ und gezielter Entwicklungshilfe
beseitigt werden
•  Dominanz des Nord-Süd-Flusses soll durch Förderung
des Süd-Nord-Flusses aufgebrochen werden
•  Medien und Nachrichtendienste sollten Menschen im ‚Süden‘
eine Artikulationsmöglichkeit geben
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3. Neue internationale Welt- und
Informationsordnung
•  Förderung der Journalistenausbildung, Etablierung von
technischer Struktur
•  Gründung und Etablierung von Nachrichtenpools und –
austauschsystemen, z.B. Pan African News Agency (PANA),
Organization of Asia-Pacific News Agencies (OANA)
ABER: auch wenn es wichtige und erfolgreiche Bestrebungen
gab, „the contention between the North and the South
seems to have remained“ (Wu, 2008, S. 11)
Quellen: Becker, 1979; Schulz, 2009; Wu, 2008
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4. Die alternative Stimme? Der Sender Al Jazeera
•  1996 erster Nachrichtensender
aus dem Nahen Osten (Sitz in
Doha, Katar), der über Satellit
weltweit empfangbar ist
•  2006 ging englische Tochter Al
Jazeera English (AJE) auf Sendung
•  ‚westliche‘ Berichterstattung soll
durch neue Perspektiven
ergänzt werden (contra-flow)
•  exklusiver Zugang zur Region
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„Al Jazeera tells stories
that other networks do
not!“ (Selbstverständnis)
„The Opinion and the
other Opinion“ (Selbstverständnis)
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4. Die alternative Stimme? Der Sender Al Jazeera
„Propagandamittel gegen den Westen und Israel“ (Hafez, 2005, S. 110)
„Sprachrohr des Terrorismus“ (Scholtys, 2006)
„Osama Bin Laden TV“ (Richter, 2006; Hoff, 2007)
„Stimme der arabischen Menschen“ (Miles, 2005, S. 10)
„Pionier der Pressefreiheit“ (Hahn, 2005, S. 248) in der
arabischen Welt“
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4. Die alternative Stimme? Der Sender Al Jazeera
•  Journalisten bei Sendestart vorwiegend Journalisten der BBC
(des damals eingestellten Services - BBC Arabic)
 Al Jazeera sollte nach BBC Vorbild entstehen
•  Anfangsfinanzierung durch Emir von Katar, 137 Millionen
Dollar (Miles, 2005, S. 30), heute ‚Mischfinanzierung‘, obwohl
Hauptgewicht auf Emir liegt  wirtschaftliche
Abhängigkeit
•  gilt im Vergleich zum Staatsfernsehen in den meisten
arabischen Ländern als relativ ‚politisch unabhängig‘ (Hahn,
2005, S. 242)
•  gehört zu den wichtigsten Nachrichtenquellen für Menschen
in z.B. Ägypten, Kuwait, Marokko (Powers & Gilboa, 2009, S.
56)  ca. 35 mio Zuschauer in der arab. Welt
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4. Die alternative Stimme? Der Sender Al Jazeera
•  Hauptaufmerksamkeit bekam der Sender durch seine
Berichterstattung im Irak- und Afghanistankrieg und
zuletzt auch während des ‚Arabischen Frühlings‘ (wichtiger
Nachrichtenlieferant für westliche Medien)
•  westliche Medien zitieren vorwiegend Bilder, Diskurse der
arabischen TV-Sender werden selten übernommen (Hahn,
2005, S. 243, 254)
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Informationsquellen
in der deutschen
IrakBerichterstattung,
20.3. bis 9.4.2003
Krüger, 2003, S. 412
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4. Die alternative Stimme? Der Sender Al Jazeera
empirische Studien zum Inhalt sind bis heute ambivalent:
•  CNN präsentiert eher „militär-technische Seite des
Krieges“ (Hahn, 2005, S. 244)
•  Al Jazeera zeigt eher „wo die Bomben der USA
einschlagen“ (Hahn, 2005, S. 244), zeigt eher die gewaltsame
Seite des Krieges (Sharkey zit. in Hahn, 2005, S. 244)
  Nisbet et al. 2004 kommen zum Ergebnis, dass antiwestliche
Einstellungen resultieren können
•  Proarabische Verzerrungen während der 2. Intifada (Hahn, 2005)
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5. Eigene empirische Betrachtungen: Iran 2009
Bildquelle: zeit.de
Bildquelle: cryptome.org
Bildquelle: wordpress.com
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5. Eigene empirische Betrachtungen: Vorgehen
• 
Analyse der Folge-Berichterstattung zum Iran Wahlkampf
2009 von Al Jazeera Arabisch und CNN International
• 
Untersuchungseinheiten: Hauptnachrichten Al Jazeera
news und CNN Today
Methode: Inhaltsanalyse
Zeitraum: Juli und August 2009
• 
• 
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5. Eigene empirische Betrachtungen: Design
Frame elements
(Entman, 1993, S. 52)
Items for the issue
Frame 1
problem definition
as general subject
e.g.
  Ahmedinejad won the
election campaign
  military repressions
a causal interpretation
as reasons and
responsibilities
  mistrust in Ahmedinejad
  possible election fraud
  mistrust in Mousavi
moral evaluation
as tone of coverage and
national and international
reactions
treatment recommendation
as proposed solutions
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  national „outrage about
the stolen votes“
  international scepticism
about its legitimation
Frame 2
Frame …
  re-count
  end of military repressions
  acceptance of the poll
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Identification of News Frames - inductive-quantative approach of Matthes & Kohring, 2008
5. Eigene empirische Betrachtungen:
Gemeinsamkeiten
Frame elements
Al Jazeera
problem definition
as general subject
  Ahmedinejad won the election
  national demonstrations
(Entman, 1993, S. 52)
CNN
International
a causal interpretation
as reasons and
responsibilities
moral evaluation
as tone of coverage and
national and international
reactions
treatment recommendation
as proposed solutions
  new dialogue between the
parties
  end of military repressions
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N Al Jazeera=29, N CNN International=37, based on the absolute frequency
5. Eigene empirische Betrachtungen:
Unterschiede
Frame elements
(Entman, 1993, S. 52)
problem definition
as general subject
Al Jazeera
CNN
International
Al Jazeera focus on a more generally
political dissatisfaction.
  mistrust in
Ahmedinejad
  election fraud
a causal interpretation
as reasons and
responsibilities
  mistrust in Ahmedinejad
  public desire to
change Iranians policy
moral evaluation
as tone of coverage and
national and international
reactions
  national disappointment   national refusal of
about the victory
Ahmedinejad
  general political
  national support for
dissatisfaction
Mousavi
treatment recommendation
as proposed solutions
N Al Jazeera=29, N CNN International=37, based on the absolute frequency
5. Eigene empirische Betrachtungen:
wichtigster Frame
desire to
change (.9)
desire to
change (.8)
Hope
frame
fight for freedom/
press freedom (.8)
f
Hope
frame
fair and
objective
verification (.7)
re-count (.8)
right for political
participation (.6)
political
dissatisfaction
(.7)
national:
disappointment
about the victory
(.7)
* extraction method; main component analysis with varimax rotation, r>0.5
6. Fazit
Internationale Rolle von Al Jazeera
•  immer noch ambivalent: anti-westliche, anti-israelische
Tendenzen werden unterstellt
•  gilt jedoch bei vielen westlichen Nachrichtenmedien als
glaubwürdige externe Quelle (Hahn, 2005)
•  es werden vorwiegend Bilder des Senders zitiert (Krüger,
2003)
•  westliche Medien haben Kooperationsvereinbarungen (Hahn,
2005)
 „globales Monopol der US- und europäischen Sender in der
Berichterstattung über (...) den Nahen und Mittleren Osten
[ist] aufgebrochen“ (Hahn, 2005)  Entstehung von contraflows
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5. Fazit
Bedeutung für die arabische Welt
•  wichtiges Meinungsführermedium
•  hohe Reichweiten
•  hohe Glaubwürdigkeit
•  Novum: Darstellung der „anderen Meinung“, offene
Diskurse, Kritik an autoritären Regimes (bis auf das in
Katar!)
• 
ABER: Transformationsprozess steht am Anfang und ist nicht
allein durch Medien bestimmt, kann aber durch solche
beeinflusst werden
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Literatur
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Becker, J. (1970). Free flow of information. Informationen zur Neuen
Internationalen Informationsordnung. Gemeinschaftswerk der Evangelischen
Publizistik: Frankfurt am Main.
Hafez, K. (2002). Die politische Dimension der Auslandsberichterstattung.
Band I. Theoretische Grundlagen. Baden-Baden: Nomos Verlag.
Hafez, K. (2005). Mythos Globalisierung. Warum die Medien nicht grenzenlos
sind. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften.
Hagen, L. M.; Berens, H.; Zeh, R.; Leidner, D. (1998). Ländermerkmale al
Nachrichtenfaktoren. Der Nachrichtenwert von Ländern und seine
Determinanten in den Auslandsnachrichten von Zeitungen und Fernsehen aus
28 Ländern. In: Holtz-Bacha, C.; Scherer, H.; Waldmann, n. (Hrsg.), Wie die
Medien die Welt erschaffen und wie die Menschen darin leben. Opladen:
Westdeutscher Verlag, S. 59-82.
Hahn, O. (2005). Arabisches Satelitten-Nachrichtenfernsehen. Medien- und
Kommunikationswissenschaft. S. 241ff.
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Literatur
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War: Fox V CNN and other U.S. broadcast news programs. A Review of
General Semantics, 66 (1), S. 12-26
Hoff, H. (2007). Profil gesucht. Al Jazeera English: Eine Bilanz nach neun
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medien_index_51394.html, 15.10.2007 (Link leider nicht mehr verfügbar)
Krüger, U. M. (2003). Der Irak-Krieg im deutschen Fernsehen. Media
Perspektiven (3), S. 398-413.
Matthes, J.; Kohring, M. (2008). The Content Analysis of Media Frames:
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Nisbet, E.; Nisbet, M. Scheufele, D., Shanahan, J. (2004). Public Diplomacy,
Television News, and Muslim Opinion. The Harvard International Journal of
Press/Politics, S. 9-17.
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Literatur
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www.zeit.de/online/2006/46/Al-Dschasira-Kommentar?page=all, 15.11.2006.
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Wu, H. (2008). Homogeneity around the world? Gazette. The International
Journal for Communication Studies, S. 9-24
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