WP 2015_03.indb - Wasser

Transcription

WP 2015_03.indb - Wasser
Nr. 3/2015
JJ Grey & Mofro
Jeff Jensen
• Andy Fraser - Hans Theessink - Ben Poole - Bluesfestivals: im
Mai
• Album des Monats: Philipp Fankhauser - Home
• Texte von Uwe Saeger, Selma Lagerlöf
• Literatur-ABC: C wie Comic & Cartoon
• Bücher von John Grisham, Martell Beigang, Inger-Maria
Mahlke
2
I N H A LT
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Wasser-Prawda | März 2015
I N H A LT
3
INHALT
MÄRZ 2015
3
5
6
15
16
20
23
26
29
38
40
46
Inhalt
Editorial
Auf Tour
Musik
Andy Fraser (1952-2015)
Festivals: Alles Neu macht der Mai?
Frauen im Blues sind etwas Besonderes.
Hans Theessink: Kein Rentner in Sachen
Blues
Jeff Jensen: Memphis, Blues & Elefanten
Die Soulseele kocht über: JJ Grey & Mofro
in München
Ben Poole im Sotano
Blueskalender
Album des Monats
Philipp Fankhauser - Home
47 Rezensionen A bis Z
Feuilleton
58 Es ist 2015 und wir sprechen über
schwarze und weiße Haut. Warum?
61 Literatur ABC: C wie Comics & Cartoons
62 Kleine Frühjahrsschmökerei
65 Uwe Saeger: Gott In Ketten. Ein Film
(Auszüge)
68 Selma Lagerlöf: Die Vogelfreien
80 Die Vestalinnen
88: English Articles
Wasser-Prawda | März 2015
4
EDITORIAL
IMPRESSUM
Die Wasser-Prawda ist ein Projekt
des Computerservice Kaufeldt
Greifswald. Das pdf-Magazin
erscheint in der Regel monatlich.
Es wird kostenlos an die registrierten Leser des Online-Magazins
www.wasser-prawda.de verschickt.
Wasser-Prawda Nr. 3/2015
Redaktionsschluss: 20.03.01.2015
Titelseite: Jeff Jensen
Fotos links: Eliza Neals
REDAKTION:
C he f r e d a k t e u r : R a i mu nd
Nitzsche (V.i.S.d.P.)
Redaktion: Mario Bollinger,
Bernd Kreikmann, Matthias
Schneider, Dave Watkins, Darren
Weale
Mitarbeiter dieser Ausgabe:
Iain Patience, Gary Burnett,
Christophe Rascle
Die nächste Ausgabe erscheint am
23. April 2015.
Adresse:
Redaktion Wasser-Prawda
c/o wirkstatt
Gützkower Str. 83
17489 Greifswald
Tel.: 03834/535664
[email protected]
Anzeigenabteilung:
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Wasser-Prawda | März 2015
EDITORIAL
5
EDITORIAL
VON MARIO BOLLINGER
Ein Konzertbesuch ist auch immer ein Szenebesuch.
Man geht auf ein Konzert, um eine Band oder einen
Musiker zu sehen, aber auch um gesehen zu werden.
Im Publikum findet man Fans, die nichts lieber
hätten, als sich mit ihren Star ablichten zu lassen und
was ein legitimer Wunsch ist. Man findet bei einem
Konzert auch Schauspieler und Musikerkollegen.
Auch diese möchten gerne gesehen werden. Und
dann haben wir noch die Journalisten mit der
ganzen Entourage von Photographen, Sternchen
oder Anhängseln, die auch nur von einem Wunsch
beseelt: Gesehen zu werden. Und es gibt Journalisten,
die sich ernsthaft mit der Musik und den ausführenden Musikern beschäftigen. Ein Gespräch ist
wichtiger als das Gruppenbild mit Star, auch wenn
es das soundso immer gibt. Die Musiker, die von
uns interviewt werden, sind alle sehr freundlich
und verständnisvoll. Der Tourmanager von JJ Grey
ermahnte uns zwar, beim Interview nicht zu fotografieren. JJ Grey sei nämlich noch nicht geduscht.
Der Musiker selbst hatte nichts gegen Fotos, er ist
da ganz Naturbursche. Auch helfen wir mal auch
einem Kollegen ins Boot, der zum Beispiel keine
Akkreditierung bekommen hat. Man kennt sich
und bei der Art von Musikern sind Getue und
Starfotoalluren nicht angebracht, meist sogar nur
widerwillig von den Musikern mitgemacht. Und
gerade die Kollegen, denen man dann ins Boot
geholfen hat, rempeln dann am Bühnenrand, um das
beste Foto zu bekommen oder lassen einen dann bei
einem verpatzen Terminabsprache im Regen stehen.
Wenn das überhandnimmt, dass in unserer Liga im
Photographengraben vor der Bühne Grabenkämpfe
und beim Fototermin Starinszenierungen aufgezogen werden, wird es bald vorbei sein, dass wir
bei den uns bekannten Musikern per SMS oder
Facebook-Chat einen Interviewtermin bekommt.
Ich persönlich bevorzuge diese lockere Art der journalistischen Annäherung an den Musiker statt über
seine Presseabteilung zu gehen, um die besten Plätze
zu erbuhlen. Also, meine lieben Kolleginnen und
Kollegen – lasst die Ellbogen unten und nehmt
die Musiker so wie sie sind und nicht so, wie Ihr
sie hingestellt haben wollt. Auf weiterhin gute
Pressetermine und gute Zusammenarbeit.
Mario Bollinger
Wasser-Prawda | März 2015
6
TERMINE
Festivals
24. Rother Bluestage
21.-29. März in der Kulturfabrik Roth
27.03. Layla Zoe/Thobjörn Risager
28.03. Hundred Seventy Split/Vdelli
29.03. Jesper Munk
6. Chemnitzer Blues & More Festival
09.05. (Eiscafé Temmler, Zschopauer Str.)
Big Daddy Wilson Trio, Shanna Waterstown &
Wet Hands, Earl Thomas & The Royal Gard
26. BluesBaltica/Bluesfest Eutin
13.-17. Mai: „Modern Europe“
14.05. Petra Börnerova Trio, Joe Colombo, Nick
Moss Band
15.05. The Blueskollektivet, The Blues Overdrive,
Adriano Ba Tolba Orcherster
16.05. Marcus Levdal Band, Big Creek Slim &
The Cockroaches, John F. Klaver Band, Sean Carney Band feat. Shaun Booker
17.05. Krakow Street Band, Egidio Juke Ingala &
The Jackknives, Tee Dee Young feat, Henry Carpaneto Band, Earls Thomas & The Royal Guard
13. Internationales Blues & Rock Festival
Altzella
14./15.05. Kloster Altzella
Jonathan Blues Band mit Beata Kossowska & Mike Kilian, Rich Hopkins & The Luminarios, Kees
Schipper & Bemanning, AJ & The Wildgrooves,
Sasha Ploner, The Wake Woods, Florian Lohoff
Band, Wollmann & Brauner, Flo Kern
Muddy Lives Blues Festival
29./30.05. Lieberose Waldbühne
Johnny Mastro & Mama‘s Boys, Jürgen Kerth
& Band, Nick Moss Band, Kai Strauss Electric
Blues, Mason Rack Band, Footsteps, Carolyn
Wonderland, Chilly Willy und Micke Bjorklof &
Blue Strip.
Wasser-Prawda | März 2015
32. Bluesfestival Dresden
30./31.05. Tante Ju
Mike Andersen/Mike Seeber Band/Pass Over
Blues Band
Blues Caravan 2015
Girls With Guitars
08.04. Frick, Monti (CH)
09.04. Rankweil, Altes Kino (A)
10.04. Rubigen, Mühle Hunziken (CH)
11.04. Zug, Chollerhalle (CH)
13.04. Frauental, Bluegarage (A)
14.04. Linz, Kongresssaal (A)
15.04. Wien, Reigen (A)
17.04. Dresden, Tante Ju
18.04. Kellinghusen, PEP
20.04. Koblenz, Café Hahn
Auf Tour
3 Dayz Whizkey
30.04. Burglengenfeld, Vaz
09.05. Kufstein, Kulturfabrik (A)
21.6. Regensburg, Bürgerfest
Bad Temper Joe
02.04. Gütersloh, Brauhaus
08.04. Paderborn, Kulturwerkstatt
17.04. Ennigerloh, Alte Condorhallen
18.04. Paderborn, Kulturwerkstatt
30.04. Bielefeld, Black rose
08.05. Mühlheim, Musikspektakel
10.05. Osnabrück, Maiwoche
B.B. & The Blues Shacks
04.04. Frauenfeld, Dreiegg (CH)
17./18.04. Spiekeroog, 10. Int. Jazzfestival
24.04. Dessau, Sonnenköppe
25.04. Torgau, Kulturbastion (Elbe Day)
30.04. Halle, Objekt 5
01.05. Gronau, Jazzfest Gronau
TERMINE
Bernard Allison
27.03. Bern-Rubigen, Mühle Hunziken (CH)
28.03. Freiburg, Jazzhaus
29.03. Karlsruhe, Tollhaus
Big Daddy Wilson
19.04. Singen / EXIL
20.04. Weinheim / Muddy‘s
23.04. Lorenzberg / Gemeindesaal
08.05. Berlin / Quasimodo
09.05. Chemnitz / Blues + More Festival
10.05. Riesa / Live am Balkon
15.05. Leinzell / Cafe Leinmüller
16.05. Mettlach / De Keller
17.05. Leipheim / Zehntstadel
Billy Walton Band
17.04. Berlin, Quasimodo
18.04. Kiel, Räucherei
22.04. Greifswald, Sotano
24.04. Joldelund, Gerd‘s Juke Joint
25.04. Rostock, Pumpe
Blue Note Blues Band
25.04. Ingolstadt, Shamrock
05.06. Greifswald, Sotano
06.06. Bielefeld, Extra Blues Bar
Blues Company
02.04. Rheine, Hypothalamus
24.04. Dexheim, Kultur im Hof
25.04. Großkarlbach, Siebenmühlen
17.05. Osnabrück, Maiwoche
Cologne Blues Club
08.04. Bordesholm, Versorgungsbetriebe
25.04. Schönenberg, Gasthaus Schleppi
24.05. Prisser, Kulturelle Landpartie Festival
30.05. Zyfflich, Bluesfestival
16.07. Maggia, Magic Blues Festival (CH)
7
17.07. Feuerthalen, Kulturzentrum
Dolder (CH)
18.07. Winterthur, Music Bar (CH)
05.08. Saarbrücken, Kultur am Schloß
David Sinclair & Keith Bennett
08.04.. Mülheim an der Ruhr, Rolo’s House
09.04. Weilburg, Cafe Ententeich,
10.04. Neudrossenfeld, Brauerwerk
11.04. Oberweiling, Kneipenbühne
13.04. Hamburg, Soundyard
17.04. Neuruppin, Seehotel
18.04. Berlin, Berlin Guitars
22.04. Kiel, Kulturforum
23.04. St. Peter Ording, Café Instinkt
24.04. Bornholdt, Kulturkniepe
25.04. Frelsdorf, Kulturtransport
26.04. Ulm, Fiddler’s Green
27.04. Ulm, Sauschdall Ulm
28.04. Augsburg, Der Rabe Abraxas
29.04. Füssen
30.04. Unnersdorf, Gasthof Zur Linde
02.05. Runding-Vierau, Liederbühne
Delta Moon
07.04. Bremen, Meisenfrei
08.04. Celle, Herzog Ernst
09.04. Magdeburg, Feuerwache
10.04. Singwitz, Kesselhauslager
11.04. Affalter, Zur Linde
13.04. Wien, Reigen Live (A)
17.04. Herisau, Pontem (CH)
18.04. Bad Reichenhall, Magazin 4
19.04. Habach, Village
21.04. Köln, Yard Club
23.04. Thiersheim, Thorndal Guitars
24.04. Erfurt, Museumskeller
25.04. Ratingen, Manege Lintorf
East Blues Experience
27.03. Stralsund, Werkstatt
28.03. Rostock, Pumpe
Wasser-Prawda | März 2015
8
TERMINE
04.04. Tanna, Kuhstall
10.04. Aschersleben, Bestehornhaus
11.04. Cottbus, Bebel
Engerling
11.04. Frohburg, Rock-Club
18.04. Berlin, Kesselhaus - Kulturbrauerei
30.04. Dresden, Zeitgeist
01.05. Dresden, Bärenzwinger
09.05. Döbeln, KL17
13.05. Wriezen, Scheune Haselberg
15.05. Erfurt, Museumskeller
Georg Schroeter & Marc Breitfelder
30.03. Freiberg, Tivoli (feat. T. Zwingenberger)
02.04. Uelzen, Jabelmannhalle
04.04. Lutterbek, Lutterbeker
10.04. Itzehoe, Lauschbar
11.04. Hannover, Alter Bahnhof Anderten
17.04. Kosel, Koseler Hof
22.04. Kiel, Kulturforum (+ David Sinclair &
Keith Bennett)
25.04. Wilhelmshorst, Bluesgarage
Greyhound George
28.03. Gütersloh, A Tasca
18.04. Apfelstraße, Casa Mia - Solo
23.04. Düsseldorf, Till´s Eleven - Solo
25.04. Münster, Kreuzeck
Hamburg Blues Band
02.04. Halle/Saale, „Objekt 5“
03.04. Berlin, Quasimodo
04.04. Rostock, Pumpe
Hundred Seventy Split
28.03. Roth, Bluestage (Kulturfabrik)
30.03. Salzburg, Rockhouse (A)
31.03. Wien, Reigen (A)
09.05. Leinfelden, Guitars United Festival
Jeff Jensen Band
07.04. Suhl, Moist Corner
Wasser-Prawda | März 2015
08.04. Pfaffenhofen, Hotel Moosburger Hof
13.04. Celle, Herzog Ernst
14.04. Emmendingen, Mehlsack
15.04. Kandern, ChaBah
Jessy Martens & Jan Fischer‘s Blues
Support
04.04. Wedel, Theaterschiff Batavia
10.04. Lenzburg, Baronessa (CH)
11.04. Celerina, Hotel Cresta Palace (CH)
17.04. Berlin, Ratskeller Köpenick
18.04. Osterode am Harz, Freiheiter Hof
Klaus Major Heuser Band
02.04. Köln, Comedia Theater
17.04. Gummersbach, Halle 32
18.04. Bremen, Nachbarschaftshaus
23.04. Bonn, Harmonie
24.04. Bensheim, Musiktheater Rex
25.04. Wermelskirchen, Kattwinckelsche Fabrik
Marius Tilly Band
03.04. Berlin, Kiste
04.04. Fehmarn, Eventzelt
26.04. Oslo, Rockefeller (NO)
Mike Andersen
28.05. Dortmund, Piano
29.05. Hamburg, Downtown Blues Club
30.05. Dresden, Tante Ju, Bluesfestival
31.05. Greifswald, Sòtano
Morblus
11.04. Heerbrugg, Schloss Remise (CH)
29.05. Herisau, Bluesfestival Pontem (CH)
Mrs. Greenbird (D)
09.04. Rostock, MAUclub
10.04. Wilhelmshaven, Pumpwerk
11.04. Bremen, Bürgerhaus
15.04. Stuttgart, LKA Longhorn
TERMINE
16.04. München, Backstage
17.04. Augsburg, Spectrum Club
23.04. Hannover, Capitol
24.04. Hamburg, Große Freiheit
25.04. Berlin, Postbahnhof
28.04. Nordhorn, Alte Weberei
29.04. Essen, Weststadthalle
30.04. Köln, E-Werk
Pass Over Blues
14.04. Rostock, Stadthalle
13.05. Ratzeburg, Jazz in Ratzeburg
Patricia Vonne
17.04. Bergheim, BM Cultura
18.04. Goslar, Kubik
19.04. Parchim, Irish Pub
22.04. Schneverdingen, Habana
23.04. Lauenau, Kesselhaus
24.04. Bielefeld, Bielefelder Jazzclub
25.04. Worpswede, Music Hall
26.04. Twist, Heimathaus
29.04. Greifswald,Sotano
30.04. Schonberg, Rathaushotel
01.05. Hamburg, Downtown Blues Club
Richard Bargel & Dead Slow Stampede
17.04. Backnang, Kulturgut Hagenbach
18.04. Naunheim, Bürgerhaus
24.04. Berlin, Grüner Salon
25.04. Magdeburg, Songtage @ Feuerwache
08.05. Leverkusen, Scala
14.05. Ingolstadt, Bluesfest 2015 @ Neue Welt
15.05. Ulm, Charivari Bluesfestival
29.05. Eisenach, Alte Mälzerei
25.07. Eitorf, Siegtag Festival @ Theater am Park
26.09. Langen, Jazzclub Alte Ölmühle
Thorbjørn Risager & The Black Tornado
15.04. Bremen, Meisenfrei
16.04. Bonn, Harmonie
17.04. Münster, Hot Jazz Club
9
18.04. Meidelstetten, Adler
24.04. Verden, Domgymnasium
25.04. Berlin, Quasimodo
29.04. Hamburg, Downtown Blues Club
30.04. Twist, Heimathaus
Tommy Schneller Band
04.04. Münster, Hot Jazz Club
08.04. Bergkamen, Haus Schmülling
We Banjo 3
16.04. Leipzig, Moritzbastei
17.04. Dresden, Dreikönigskirche
18.04. Hildesheim, Bischofsmühle
19.04. Oldenburg, Theater Laboratorium
23.04. Waiblingen, Kulturhaus Schwanen
25.04. Ravensburg, Zehntscheuer
26.04. Schopfheim-Fahrnau, Kirche St. Agathe
28.04. Koblenz, Cafe Hahn
29.04. Waldkraiburg, Haus der Kultur
30.04. Offenburg, Salmen
25.06. Bad Rappenau-Bonfeld, Schlosshof Bonfeld
Wille and the Bandits (UK)
29.03. Fulda, Kulturkeller
30.03. Stuttgart, Universum
31.03. Fürth, Kofferfabrik
01.04. Wien, Reigen (A)
04.04. Berlin, Supamolly
05.04. Wredenhagen, Cafe Scheune
Clubs
Barnaby‘s Blues Bar
Braunschweig
04.04. Epitaph
10.04. Norman Beaker Trio
11.04. Kingfish Blues Band
17.04. Neal Black & The Healers
18.04. Tim Mitchell Band
24.04. Aynsley Lister Band
30.04. The Legendary Booze Band
Wasser-Prawda | März 2015
10
TERMINE
01.05. Daniel Puente Encina
02.05. The Youth Experience
Bielefelder Jazzclub
10.04. Blue Moon Quartett
17.04. Mississippi Campfire
24.04. Patricia Vonne
Bischofsmühle
Hildesheim
02.04. Paul Lamb & Chad Strentz
10.04. Till Seidel Band
11.04. Hiss
17.04. Elmar Braß Trio
18.04. We Banjo Three
Blue Notez
Dortmund
10.04. Robert Jon & The Wreck
24.04. Richard Güth & the L.A. Blues
15.05. Modern Earl
29.05. The Statesboro Revue
Blues & More
Eiscafe Temmler, Chemnitz
02.04. Namoli Brennet-Trio (im MiO Minicamping)
24.04. The 44‘s
Blues im Bahnhof
Mannheim, Hauptbahnhof
17.04. Norman Beaker
08.05. Don P. & The Blue Jags
12.06. Tolo Marton
11.09. Morblus & Justina Lee Brown
16.10. Otis Taylor
06.11. Blues Company (Support: Doctor‘s Order)
27.11. Glen David Andrews & The Sazerac Swingers
Bluesgarage
Hannover Isernhagen
02.04. Vargas Blues Band
Wasser-Prawda | März 2015
10.04. Layla Zoe
11.04. Man
12.04. Tito & Tarantula
18.04. Joe Lynn Turner
24.04. David Grissom
25.04. Danny Bryant
02.05. Lighthouse
08.05. Edo Zanki
09.05. Kai Strauss & Electric Blues Allstars
13.05. Jared James Nichols
15.05. Nick Moss Band
16.05. Lazy Younger Band
ChaBah
Kandern
01.04. Boogie-Rockets
08.04. Dani & Will Wilde
15.04. Jeff Jensen
22.04. Neal Black & The Healers
29.04. Tim Mitchell Band
06.05. Tomi Leino Trio
13.05. Leif de Leeuf
20.05. Todd Wolfe Band
Cotton Club Hamburg
30.03. Blue Silver
31.03. One Trick Pony
04.05. Hans Theessink & Terry Evans
05.05. Hans Theessink & Terry Evans
11.05. Tonky de la Pena & Band
24.05. Jessy Martens & Jan Fischer‘s Blues Support
31.05. Tommy Schneller Band
Downtown Bluesclub
Hamburg
03.04. Blues Package
08.04. Shelly Bonet
10.04. Man
17.04. Michael van Merwyk & Bluesoul
22.04. Steve Skaith
24.04. Blues Culture
25.04. Aynsley Lister
29.04. Thorbjorn Risager
TERMINE
01.05. Patricia Vonne
06.05. Downtown Bluesband feat Herbert
Hildebrandt
Extra Blues Bar
Bielefeld
29.03. The Black Lung
01.04. Krissy Matthews
04.04. The Lone Crows
11.04. One Man 100% Bluesz
18.04. Kevin Johnston‘s The Bright Silence
25.04. Michael van Merwyk & The Snooks
30.04. Pete Anthony Alderton
Harmonie
Bonn
30.03. John Illsley
01.04. Tamar Eisenmann
13.04. Silje Nergaard
14./15.04. Quadro Nuevo
18.04. THORBJÖRN RISAGER & BLACK
TORNADO
19.04. Triosence
21.04. Simon Phillips
22.04. Danny Bryant
23.04. Klaus „Major“ Heuser Band
25.04. Kraan
26.04. King King
27.04. The Levellers
Herzog Ernst
Celle
01.04. Fowokan
08.04. Delta Moon
13.04. Jeff Jensen
21./22.04. Tim Mitchell Band
27.04. Hungry Cats
Kulturbastion
Torgau
18.04. DEKAdance
25.04. B.B. & The Blues Shacks
11
30.04. Los Paperboys
02.05. Hannes Bauer‘s Orchester Gnadenlos
Kulturspeicher
(Bergstraße, Ueckermünde)
28.03. Kaluza & Blondell
18.04. Tonträger
25.04. Tino Martinho
Laboratorium
Stuttgart
14.04. Fanfare Ciocarlia
16.04. Blues Bones
17.04. Alina Manole & The Square Moon Band
23.04. Paul Lamb & The King Snakes
25.04. Dani & Will Wilde
01.05. The Delta Boys
Late Night Blues
Loev Hotel Binz/Rügen
09.05. Abi Wallenstein & Micha Maass
13.06. Sandera & Posch
Löwenherz
Binz
04.04. Namoli Brennet Trio
10./11.04. Muttis Kinder
02.05. The Wild Women Show
22./23.05. The Stimulators
14.06. Abi Wallenstein & All Star Festival Band
Meisenfrei
Bremen Hankenstr.
07.04. Delta Moon
08.04. Albert Lee & Hogan‘s Heroes
10.04. Wild Black Jets/Honkytonk Bucklers
11.04. Rihm Shots
14.04. Nine Below Zero/Blues am Dienstag
15.04. Thorbjørn Risager
16.04. Mad dog/Mad Dog Blues Band
18.04. Cojack Blues
21.04. Todd Wolfe
22.04. Adwoa Hackman
Wasser-Prawda | März 2015
12
TERMINE
29.04. Shelly Bonet/Moody Man
Music Hall Worpswede
10.04. Tito & Tarantula
18.04. Die Happy
19.04. Silje Nergaard
24.04. Saga
25.04. Patricia Vonne
30.04. Levellers
01.05. Mop Mop
09.05. Chuck Prophet
Musiktheater Piano
Dortmund
02.04. Marc Broussard
11.04. Renaissance
16.04. Vargas Blues Band
19.04. Danny Bryant
26.04. The Levellers
06.05. Hans Theessink & Terry Evans
Musiktheater Rex
Bensheim
03.04. Grand Sheiks
17.04. Friend & Fellow
23.04. Guru Guru
24.04. Klaus „Major“ Heuser Band
29.04. Pippo Pollina Trio
O‘ Man River
Friedensstraße 27, Heringsdorf
29.03. East Blues Experience
05.04. Sonny & Struch
10.04. O-Man-River-Band
17.04. Rhythm & Voice
21.04. Gotte Gottschalk
Quasimodo
Berlin
03.04. HAMBURG BLUES BAND
04.04. FUNK DELICIOUS
10.04. Mfa Kera & Black Heritage
Wasser-Prawda | März 2015
11.04. Tony Hurdle‘s Guardians of the
Groove
17.04. Billy Walton Band
24.04. Della Miles
25.04. THORBJØRN RISAGER
08.05. BIG DADDY WILSON
Savoy Bordesholm
28.03. Hamburg Blues Band
08.04. Cologne Blues Club
11.04. Thilo Taylor & Band
18.04. The Shee
24.04. Danny Bryant
30.04. Savoy Rock Company
01.05. Randy Hansen
09.05. Christina Martin & Band
Sótano
Greifswald, Markt
30.03. QEAUX QEAUX JOANS (Brasserie Hermann)
22.04. Billy Walton Band
23.04. PAPER AEROPLANES & LEE MacDOUGALL (Brasserie Hermann)
25.04. SPACEMAN SPIFF
29.04. PATRICIA VONNE
11.05. Michael McDermott & Heather Horton
(Brasserie Hermann)
31.05. Mike Andersen
Speicher
Schwerin
10.04. Bassa
16.04. Anne Clark
17.04. Purple Schulz
18.04. Ragnaröek
25.04. Marcel Rell & Band
Tante Ju
Dresden
17.04. Blues Caravan 2015
24.04. Monokel
TERMINE
16.05. Schipper & Bemanning/AJ &
The Wildgrooves
29.05. MasterPeace
Troisdorfer Bluesclub
Realschule Heimbachstrasse
17.04. Kris Pohlmann Band
22.05. The Random Players
19.06. The Working Blues Band
13
01.05. Whatever Rita Wants
02.05. Swing Cat Club
03.05. Lenard Streicher Tribute to Dean Martin
06.05. MarKuz
07.05. The Nepenthes
08.05. The Rathaus Ramblers
09.05. The Savoy Satellites
Yorckschlösschen
Yorckstr. 15, Berlin
01.04. Chris Rannenberg meets Dorry Lyles
03.04. Roger & The Evolution
04.04. Gaunerliebchen und Komlpizen
05.04. Desney Bailey Trio
08.04. Boogie Rockets
10.04. The Toughest Tenors
11.04. Igor Spallati Sextett
12.04. Whatever Rita Wants
17.04. Boogie Blasters
18.04. Helena & The Twilighters
19.04. Chris Rannenberg
22.04. Namoli Brennet Trio
24.04. Scarlett Andrews & Christian Christl
25.04. Lenard Streicher Band
26.04. Donna Brown‘s Black Pearls
29.04. Kat Baloun & Friends
Wasser-Prawda | März 2015
14
MUSIK
Wasser-Prawda | März 2015
MUSIK
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A NDY F R A S E R ( 1 9 5 2 - 2 0 1 5 )
VON RAIMUND NITZSCHE
Schon als Teenager schrieb er mit
„All Right Now“ den größten Hit
seiner Karriere. Bevor er zu den
Gründungsmitgliedern von Free
gehörte, ha e er schon in der Band
von John Mayall gehört. Später spielte
Bassist und Songwriter Andy Fraser bei
Bands wie Shark. Sein letztes Soloalbum
war 2005 erschienen. Am 16. März
ist Fraser in Kalifornien verstorben.
Seit Jahren li er unter AIDS.
Geboren wurde Andy Fraser 1952 in London. Schon
mit fünf Jahren begann er zu musizieren. Zuerst erhielt
er klassischen Klavierunterricht. Doch dann erhielt er
mit 12 seine erste Gitarre. Und kurze Zeit später wechselte er zum Bass. Schon mit 14 Jahren spielte er in
Londoner Clubs vor allem Soulmusik. Kurz zuvor war
er von der Schule geflogen, weil er sich weigerte, seine
Haare schneiden zu lassen. Mit 15 schrieb er sich am
Hammersmith F.E. College ein, wo er Sappho Korner,
die Tochter von Alexis Korner kennenlernte. Korner
wurde so etwas wie ein zweiter Vater für ihn und vermittelte ihm den Kontakt zu John Mayall, der grade auf
der Suche nach einem neuen Bassisten war. Innerhalb
kurzer Zeit bekam Fraser nicht nur einen neuen Bass
von Mayall, sondern auch eine gerichtliche Erlaubnis, als
professioneller Musiker auf Tour zu gehen. Und ehe er
sich versah, stand er gemeinsam mit Mayall und Mick
Taylor auf den Bühnen in Europa. Doch schon bald
tauschte Mayall die Rhythmusgruppe, zu der auch noch
Schlagzeuger Keef Heartley gehörte, wieder aus.
Korner vermittelte Fraser jetzt den Kontakt zum
Produzenten Mike Vernon. Und so lernte er den
Gitarristen Paul Kossoff, Sänger Paul Rodgers und
Schlagzeuger Simon Kirke kennen und gründete mit
ihnen 1968 Free. Ihr Debütalbum „Tons of Sobs“ wurde
mit Songs wie „The Hunter“ ähnlich wie die Alben
von Led Zeppelin zum Lehrbuch für nachkommende
Gitarristen. Und mit dem zurückgenommenen Tempo,
den harten Rhythmen und Kossoffs Gitarrensounds
änderte Free die Geschichte des britischen Bluesrock.
Die Songs von Free stammten damals zur einen Hälfte
von Rodgers, zur anderen von Fraser. Und auch wenn
ab und zu die ganze Band als Verfasser aufgeführt
wurde, bildeten die beiden in Wahrheit das entscheidende Songwriter-Duo der Truppe. Mit dem dritten
Album „Fire and Water“ und vor allem mit dem Lied
„All Right Now“ wurde Free weltweit bekannt. Keiner
von der Band liebte den Song wirklich, doch von jetzt
an wurden sie für immer an dieser Nummer gemessen.
1971 brach Free auseinander. Es gab Differenzen zwischen Rodgers und Fraser. Und Kossoff entwickelte
immer stärkere Drogenprobleme. Nur um „Free Live“
zu promoten kam Fraser noch mal kurz zurück. Doch
1972 war es vorbei mit der Urbesetzung der Band.
Rodgers zog los, um Bad Company zu gründen. Und
Fraser gründete Sharks, nur um gleich nach dem Debüt
„First Water“ gleich wieder auszusteigen.
Für viele überraschend kam in den 80er Jahren ein
Popalbum von Andy Fraser heraus. Aber eigentlich konzentrierte er sich zu der Zeit schon mehr auf seine Arbeit
als Songschreiber unter anderem für Joe Cocker, Chaka
Khan, Paul Young und Rod Stewart. Robert Palmer
hatte mit “Every Kind of People” einen großen Hit.
2005 schließlich erschien mit „Naked an Finally Free“
das persönlichste Werk Frasers. Hier outete er sich als
schwul und HIV-infiziert. Vorausgegangen waren lange
Gerüchte über seinen Aidstod, der sogar von einigen
Medien vermeldet wurde. In den letzten Jahren engagierte sich Fraser für verschiedene politische Themen.
Unter anderem setzte er sich für die Wahl von Barack
Obama.
Wasser-Prawda | März 2015
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MUSIK
Earl Thomas (Foto: Karsten Spehr)
ALLES NEU MA C HT D E R M A I ?
EIN AUSBLICK AUF DIE FESTIVALS DER NÄCHSTEN WOCHEN
VON RAIMUND NITZSCHE
Was ist los in Sachen Blues? Den besten
Überblick zum Stand der Musik kann
man im Frühjahr immer bekommen,
wenn man die Fes valprogramme
studiert, die spätestens im Mai in
ihre Saison starten. Chemnitz, Eu n,
Altzella, Schöppingen und Lieberose
sind die Orte unserer kleinen Vorschau
auf den Bluesfrühling 2015.
Wasser-Prawda | März 2015
9. Mai: Blues & More in Chemnitz
Klein aber fein: es gibt ein paar Veranstaltungen hierzulande, die ohne großes Budget - und oft auch mit
wenig überregionaler Resonanz - den Blues feiern.
Im Mai gönnt sich die Veranstaltungsreihe „Blues
& More“ in Chemnitz immer ein Festival mit drei
Künstlerinnen/Bands an einem Abend. 2015 findet das
erstmals im Eiscafé Temmler (Zschopauer Str.) statt,
was mittlerweile auch der Hauptspielort der anderen
Konzertveranstaltungen ist und es dem Publikum
ermöglicht, die auftretenden Musiker ganz aus der
MUSIK
17
Tee Dee Young
Nähe zu erleben: so eine intensive
Klubatmosphäre hat wohl kaum ein
anderes Festival zu bieten. Und wer
die Reise nach Sachsen macht, der
kann unter anderem die Premiere
des neuen Albums „Time“ von Big
Daddy Wilson erleben. Außerdem
werden dort Shanna Waterstown
& Wet Hands und Earl Thomas &
Royal Gard auftreten. Da der Platz
sehr beschränkt ist, sollte man sich
sein Ticket rechtzeitig über www.
bluesandmore.de/Kontakt reservieren lassen.
13.-17. Mai: Modern Europe
in Eutin
Spannend wie immer: In Eutin
beherrscht man seit mehr als 25
Jahren die Kunst, bekannte und
unbekannte Künstler auf die Bühne
zu holen und daraus ein Programm
zu gestalten, was die ganze Vielfalt
des Blues und der verwandten Musik
umfasst. Völlig verdient wurden
die Macher letztens in Memphis
mit dem „Keeping The Blues Alive
Award“ ausgezeichnet. 2015 stehen
im Mittelpunkt Künstler aus Europa:
So steht der Beginn auf der Bühne
des Festivals am Donnerstag ganz im
Zeichen Europas von der Eröffnung
mit der tschechischen Sängerin/
Akkordeonspielerin Petra Börnerová
und dem Schweizer Bluesrocker
Joe Colombo. Am Freitag sind
Norwegen (The Blueskollektivet),
Dänemark (The Blues Overdrive)
und aus Deutschland das Adriano
BaTolba Orchestra zu erleben.
Wobei diese Bigband sich ganz dem
Rockabilly und weniger den ganz
reinen Lehren des Blues verschrieben hat. Aber das dürfte dem Spaß
keinen Abbruch tun - ein solches
Ensemble ist in Europa wohl ziemlich einzigartig.
Dass die polnische Bluesszene
immer wieder gut für ganz besondere Projekte ist, konnte man in der
Vergangenheit etwa mit Harp Attack
erleben. In diesem Jahr kommt die
Kraków Street Band nach Eutin
mit neun Musikern aus ebensovielen Bands. Ursprünglich spielten sie
ihre Kombination aus New Orleans
Jazz und Blues nur auf dem dortigen Marktplatz. Mittlerweile waren
sie auch schon bei einer polnischen
Castingshow dabei. Auf jeden Fall
ist gehöriger Spaß angesagt. Das
Wasser-Prawda | März 2015
18
MUSIK
Nick Moss Band
dürfte auch auf den Jumpblues von
Egidio Juke Ingala & The Jacknives
aus Italien zutreffen.
Die bekannten Stars auf dem
Programm: Nick Moss Band, Earl
Thomas & The Guard und die Sean
Carney Band feat. Shaun Booker.
Das komplette Programm findet
sich unter http://bluesfest-eutin.de/
programm.html. Rechtzeitig vorher
werden wir einige der Künstler auch
im Crossroad Cafe auf radio 98eins
vorstellen.
14./15. Mai: Internationales
Blues & Rock Festival im
Kloster Altzella
Schon zum 13. Mal findet über
Himmelfahrt im Kloster Altzella das
Wasser-Prawda | März 2015
Festival statt, das in Sachsen von der
Bedeutung her das Erbe des scheintoten Dresdner Bluesfestivals weiterführt. Headliner ist in diesem Jahr
der Wüstenrocker Rich Hopkins,
der mit seinen Luminarios auf
großer Jubiläumstour in Europa
unterwegs ist. Aber auch die
anderen Acts versprechen interessante (und wesentlich bluesigere)
Unterhaltung. Gleich zwei Bands
aus den Niederlanden stehen mit
Kees Schipper & Bemanning und
AJ & The Wildgrooves auf dem
Programm. Und für die sächsische
Szene dürfte einer der selten gewordenen Auftritte der Jonathan Blues
Band aus Berlin schon ein Grund
zur Anreise sein. Für den Auftritt
haben sich die Männer um Peter
Papst mit Beata Kossowska (harp)
und dem ehemaligen RockhausSänger Mike Kilian als Gäste eingeladen. Das komplette Line-up
des Festivals findet sich auf http://
bluesundrock-altzella.de/.
23./24. Mai Grolsch Blues
Festival in Schöppingen
Das Grolsch Blues Festival in
Schöppingen hat immer einige Acts
auf dem Plan, die hierzulande noch
nie zu erleben waren. Unter dem
Motto „Crossover“ kann man heuer
dann nicht nur Blues und Bluesrock
hören, sondern auch Einflüsse aus
MUSIK
Hiphop, Rootsrock, Gospel und
afrikanischer Musik. So wird
Bassekou Kouyaté aus Mali mit
seiner Band Ngoni Ba seine Spielart
der Griots aus Westafrika zu Gehör
bringen. Als frisch gekürter Sieger
der International Blues Challenge ist
Eddie Cotton mit Band am Start,
um gospelgetränkten Soulblues
zu präsentieren. Beim inzwischen
bei Alligator gelandeten Jarekus
Singleton kann man nicht nur die
Tradition der Bluesgitarre zwischen
den Kings und SRV hören, sondern
immer auch Einf lüsse aus dem
Hiphop. Dagegen sind Bands wie
Little Hurricane, Heartless Bastards
oder Dragondeer auch für die
Rockfans die richtige Unterhaltung.
Hier treffen mal Rootsrock, mal
Psychedelic oder die Rocksounds
der Black Keys oder White Stripes
auf die klassischen Bluesformeln.
Die Homemade Jamz Blues Band
wurde nach ihrer Gründung
schon als Gruppe musikalischer
Wunderkinder gefeiert. Inzwischen
sind Ryan, Kyle und Taya Perry
nach Alben voller gutem Bluesrock
dem „Kindergarten“ entwachsen.
Irgendein Kritiker meinte mal, sie
könnten die Anführer einer neuen
Welle jugendlicher Bluesrocker
werden.
Gespannt sein darf man auch auf die
australische Sängerin und Gitarristin
Genevieve Chadwick, die manche
schon als das heimliche Kind von
Janis Joplin mit John Lee Hooker
anpreisen. Auf jeden Fall hat diese
Frau nicht nur eine Stimme, die
sich sofort ins Herz einschleicht. Sie
schreibt auch Lieder zwischen Blues
& Roots, die aufregender sind als der
19
Krakow Street Band
größte Teil der Songwriter-Platten
des letzten Jahres.
Natürlich kommt kein Festival
ohne die bekannten Namen aus. In
Schöppingen wird daher sowohl die
Nick Moss mit seiner Band als auch
die Texanerin Carolyn Wonderland
auftreten. Und nachdem sie 2013
erstmals in Deutschland bei diesem
Festival waren (und von vielen als der
Höhepunkt gefeiert wurden), wird
auch BabaJack aus Großbritannien
wieder am Start sein.
29.30. Mai: Muddy Lives
Blues Festival Lieberose
Neu auf dem Festivalkalender
hierzulande und gleich mit einem
äußerst spannenden Programm präsentiert sich das Muddy Lives Blues
Festival auf der Waldbühne im brandenburgischen Lieberose. Klar dass
Organisator Bernd Schulte vor allem
die Künstler seiner Agentur Muddy
Lives aufgestellt hat: Johnny Mastro
& Mama‘s Boys sind da ebenso zu
hören wie die Nick Moss Band,
Carolyn Wonderland, die australische Mason Rack Band oder die finnischen Bluesrocker Micke Bjorklof
& Blue Strip, die gerade erst bei
der European Blues Challenge im
Wettkampf stand. Hinzu kommen
aber auch noch andere hörenswerte
Künstler. Kai Strauss etwa wird mit
seinen Electric Blues Allstars dabei
sein, für die ostdeutschen Fans tritt
Jürgen Kerth auf. Und auch auf den
Garagenblues von Two Timer aus
Polen oder den Sound von Chilly
Willy aus Belgien darf man gespannt
sein.
Für diejenigen, die nicht genügend
Zeit für die Reise in die brandenburgischen Wälder haben: Muddy Lives
schickt seine Künstler einzeln natürlich noch auf Tour durch die hiesigigen Clubs.
Wasser-Prawda | März 2015
20
MUSIK
Die Laura Holland Band.
F R AUEN IM BLUE S S I ND
ETWAS BESONDERES.
DARREN WEALES 15. BRIEF AUS DEM VEREINIGTEN
KÖNIGREICH.
Blues“ -Special ist. Im Vereinigten
Königreich ist Kevin Black der
DJ, der am meisten die Frauen in
der Bluesmusik feiert in seinem
Podcast „Black on Blues“. Dort gibt
Während dieser Brief geschrieben er häufig den Frauen des Blues das
wird, weiß ich, dass Nathan Nörgels Rampenlicht.
neueste Show im Crossroad Cafe Diese Frauen waren schon seit den
auf radio 98eins ein „Women In frühesten Tagen wichtig, man denke
nur an Künstlerinnen wie Memphis
WELCOME TO THE
LETTER FROM THE
UNITED KINGDOM!
Wasser-Prawda | März 2015
Minnie und Bessie Smith. Doch
ihre Bedeutung reicht bis in die
direkte Gegenwart, zu der feurige
Gitarristinnen wie Joanne Shaw
Taylor und Chantel McGregor
gehören. Frauen sind aber nicht auf
Gesang oder Gitarre beschränkt.
Victoria Smith ist eine weit
bekannte Bassistin. Katie Bradley
singt nicht nur, sondern spielt auch
MUSIK
die Harmonica. In Detroit lebt die
faszinierende Drummerin Layla
Hall von P-A-U-L and the Detroit
Breakdown. Ebenso faszinierend
ist Donna Peters von der (oft) sehr
lauten und sehr guten britischen
Band Albany Down.
Bei den zeitgenössischen britischen
Sängerinnen zählte viele Jahre
Connie Lush zu den beliebtesten. Inzwischen kommen da auch
jüngere hinzu wie Laura Holland,
Malaya Blue und andere.
Aber auch hinter der Bühne sind
Frauen, die großartige Jobs machen:
sie organisieren Festivals wie das
in Colne, machen PR für und
mit Künstlern (wie für Half Deaf
Clatch). Man könnte auch dran
denken, wer die Kostüme fertigt,
an die Bookerinnen in Clubs und
so weiter. So verdienen die Frauen
im Blues nicht nur ein Special,
sie sind etwas ganz Besonderes.
Es ist eine gute Nachricht, dass
darüber eine Dokumentation
geplant ist (https://w w w.facebook.com/pages/Women-inBlues/1533486130241267?fref=nf)
Ebenso erfreut hat mich die Tatsache,
dass die Indie B-Bewegung, die nach
einer neuen Identität für den Blues
sucht, inzwischen schon T-Shirts
für Frauen und auch für Männer
im Angebot hat. So kann es weiter
gehen, Indie B! Die Leute haben auch
einen Wettbewerb auf Reverbnation
gestartet, der am 1. Mai endet. Das
sollte zumindest für Musiker von
Interesse sein.
BE PROSPEROUS
AND ENJOY YOUR
LIVE MUSIC AND ALL
THAT IS GERMAN!
21
Links
Alistair Cooke - http://www.bbc.
co.uk/programmes/b00f6hbp
Black on Blues - http://blackonblues.com/
Indie B competition - http://
www.makingascene.org/reverbnation-and-making-a-scene-teaming-up-to-find-the-best-indieblues/
Albany Down - http://www.albanydown.com/
Laura Holland - http://www.laurahollandband.co.uk/
Women in Blues im Crossroad
Ca fe - ht tp://w w w.m mvm e d i a t h e k . d e /s e n d u n g e n /
radio_98eins/14796-crossroad_
caf.html
Wasser-Prawda | März 2015
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MUSIK
Wasser-Prawda | März 2015
MUSIK
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HANS THEE SSINK : K E I N
R EN TNE R IN SA CHE N B LU E S
VON IAIN PATIENCE. FOTOS: KARSTEN SPEHR
Die letzten rund 50 Jahre
war Hans Theessink
unterwegs auf einer
interna onalen BluesRoute, die ihn von
seiner niederländischen
Heimatstadt Enscheder
durch die USA,
Großbritannien,
Australien und den
größten Teil Europas
geführt hat. Jedes
Jahr bringt neue
Herausforderungen und
seine weithin bekannten
Birthday Bashes
haben CDs und DVDs
hervorgebracht und sind
ein regelmäßiger Teil
seines Tourkalenders,
der ihn zurückbringt
zu seiner Basis in
der österreichischen
Hauptstadt Wien.
vorher schon Mandolinenunterricht
bekommen hatte. Anfangs konzentrierte er sich auf die Musik der
Zeit, vom Folk inspirierte Musik
der 60er Jahre von Pete Seeger,
Donovan, Dylan, Woody Guthrie,
The Kingston Trio und Joan Baez.
Heiß auf Blues wurde er, nachdem
er auf Radio Luxemburg des Picking
von Big Bill Broonzy gehört hatte,
ein zufälliges Erlebnis, das er als
Schlüsselerlebnis in seiner musikalischen Entwicklung beschreibt:
„Zu der Zeit wusste ich
nicht, das es Blues war,
aber ich mochte, was
ich hörte, wunderbares
Fingerpicking (es klang,
als würden drei Leute
gleichzei g spielen),
großar ger Gesang und
eine Menge Gefühl,“
erinnert er sich.
Es dauerte nicht lang und Teenager
Theessink hatte die Musik von
Theessink startete als 9-jähriges
Mississippi John Hurt, Leadbelly,
Kind mit einer Mandoline, ein
Lightnin‘ Hopkins, Elizabeth
Instrument, das ihm das Spielen
Cotton, Sleepy John Estes, Brownie
nahebrachte und schließlich dazu
McGhee, Fred McDowell und einer
führte, dass er ein paar Jahre später
Menge anderer entdeckt. Es stimmt,
zur Gitarre griff. Im Alter von vielwenn man sagt: Seitdem hat er nicht
leicht 12 oder 13 brachte er sich
zurück geschaut.
selbst seine ersten grundlegenden
Ungefähr 1965 machte er seine ersten
Gitarrenakkorde bei, nachdem er
zögernden Schritte auf die Bühne. Er
spielte in Jugendclubs und anderen
kleinen Läden, die in der Umgebung
seiner niederländischen Heimatstadt
und dem benachbarten Deutschland
einen Gig organisieren wollten. Von
diesen Anfängen an hat er sich eine
beneidenswerte Karriere aufgebaut,
die seit einem halben Jahrhundert
andauert und rund 30 Alben unter
eigenem Namen hervorgebracht hat.
Nach seiner Erinnerung waren
die ersten Aufnahmen 1964 in
den Niederlanden mit einer FolkSkiff le-Band. Seine erste SoloVeröffentlichung war 1970 die EP
„Next Morning At Sunrise“. Auch
wenn er keine Lieblingsplatte
hat, hat er in letzter Zeit häufiger eine von den eher jüngeren
Veröffentlichungen angehört, das
1992 erschienene „Lifeline“, ein
Album, das gemeinsam mit The
Holmes Brothers und dem kürzlich
verstorbenen Popsy Dixon entstanden ist. Von letzerem sagt Theessink
selbstlos, er habe wunderschön auf
dem Album gespielt.
Jetzt als Pensionär (mehr als 65 Jahre
alt) hat er seine Touren von rund 200
Gigs auf etwa 120 im Jahr reduziert.
Noch immer eine bemerkenswerte
Arbeitsbelastung, aber eine, die ihm
mehr Zeit für andere Projekte und
Aufnahmen und auch mehr Zeit zu
Hause lässt.
Wien ist der Ort für seine gelobten
Birthday Bashes. Gestartet wurden
Wasser-Prawda | März 2015
24
MUSIK
sie 1998 zu seinem 50. Dann gab
es eine Pause von zehn Jahren bis
zum nächsten Bash, um seinen
60. Geburtstag zu feiern. Da kam
eine große Liste von Top-Namen Terry Evans, Cowbay Jack Clement,
Donovan, The Dubliners und andere
- gemeinsam mit ihm auf die Bühne
um eine Party zu feiern, die auch als
Doppel-CD mit DVD veröffentlicht
wurde. Um ein Zeichen zu setzen,
dass er 65 wird, spielte er erneut einen
Bash, von dem das Livealbum „Hans
Thessink‘s 65th Birthday Bash“ herauskam. Im Jahr 2014 veranstaltete er schon einen weiteren Gig zu
seinem 66. Geburtstag und dachte,
er hätte jetzt eine Pause für einige
Jahre. Statt dessen hat man ihn zu
Wasser-Prawda | März 2015
einem weiteren überredet, der Teil
des bevorstehenden Festivals Vienna
Blues Spring ist. Das Festival dauert
einen ganzen Monat. Und Hans
wird am Ostersonntag, dem 5. April
auf die Bühne gehen. „Dran arbeite
ich gerade,“ meint er. „Es wird sehr
interessant.“
Theessink hat gerade die Arbeiten
an seinem nächsten Album abgeschlossen. „True & Blue“ wurde
gemeinsam mit dem amerikanischen Bluesman Terry Evans live
aufgenommen und soll im April auf
den Markt kommen. Dann wird er
auch wieder on the road sein für eine
Europatour im April und Mai. Da
wird er wieder gemeinsam mit Evans
auf der Bühne stehen. Evans war
auch schon auf einer Reihe jüngerer
Alben von Theessink zu hören, etwa
auf „Call Me“, „Visons“ oder zuletzt
auf dem großartigen „Delta Time“.
Theessink traf Evans, der früher als
Sänger zur Band von Ry Cooder
gehörte, 1991 beim Winnipeg Folk
Festival in Kanada. Seit damals sind
die beiden enge Freunde und musikalische Partner geworden.
„Ich speilte viele Festivals in
Nordamerika. Ich traf Terry
beim Winnipeg Folk Festival (wo
er gemeinsam mit Bobby King
als Duo auftrat). Nach unserem
Festivalauftritt hatten wir einige
großartige Jams im Hotel. Zu der
Zeit arbeitete ich an meinem Album
„Call Me“ und lud Terry und Bobby
MUSIK
für ein paar Backup-Vocals ein. Sie
machten einen großartigen Job. Seit
der Zeit hab ich mit Terry auf verschiedenen Alben gearbeitet. Er war
auch Teil meiner Band für einige
Touren in Europa und Nordamerika.
Wir singen und spielen wirklich
gerne zusammen und ich schlug vor,
ein „nacktes“ akustisches Album zu
machen. Das war „Visions“, aufgenommen in Los Angeles gemeinsam mit Richard Thompson, und
es bekam großartige Kritiken. Der
Nachfolger war „Delta Time“, wo
wir Terrys Sängerkollegen Willie
Greene Jr. und Arnold McCuller
für einige tolle Backing Vocals einluden. Auch konnten wir Terrys „alten
Boss“ Ry Cooder hinzuholen.“
Cooder benötigt keine Vorstellung
bei Gitarren- und Bluesfans,
allerdings soll er zeitwese etwas
schwierig sein. Diesen Mythos
allerdings zerstreut Theessink ganz
lapidar:
„Ich bin ein Fann
von Cooder seit den
70ern und es war ein
besonderes Vergnügen,
mit ihm im Studio zu
arbeiten. Er ist solch
ein geschmackvoller
Spieler - niemals um
ein Lick verlegen. Ich
war im Himmel.“
Die neue CD „True & Blue“ kommt
am 21. April auf den Markt. In
Deutschland wird sie bei in-akustik
veröffentlicht.
25
Hans Theessink & Terry
Evans – TRUE & BLUE Tour
23.04. Oslo, Buckleys (N)
24./25. 04. Trondheim (N),
Nidaros Blues Festival
29.04. Esbjerg, Tobakken (DK)
30.04. Roskilde, Gimle (DK)
01.05. Silkeborg, Rampelys (DK)
03.05. Fredericia, Det Bruunske
Pakhus (DK)
04./05.05. Hamburg, Cotton
Club
06.05. Dortmund, Piano
07.05. Bensheim, Rex
08.05. München, Schlachthof
09.07. Saalfelden, Kunsthaus
Nexus (A)
10.05. Fürth, St. Peter + Paul
11.05. Ingolstadt, Neue Welt
13.05. Braunau, Kultur im Gugg
(A)
14.05. Kufstein, Kulturfabrik (A)
15.05. Traun, Spinnerei (A)
16.05. Neusiedl am See, Impulse
(A)
19.05. Wien, Metropol (A)
21.05. Gleisdorf, Forum Kloster
(A)
23.05. Klagenfurt, Volxhaus (A)
25.05. Ehrenhausen, WeinART
Zweytick (A)
28.05. Rankweil, Altes Kino (A)
29.05. Rubigen, Mühle Hunziken
(CH)
30.05. Baden, Bluesfestival Baden
(CH)
01.06. Rovigo Deltablues
Festival (I)
Wasser-Prawda | März 2015
26
INTERVIEW
MEMPHIS, BLUES & ELEFANTEN
EIN INTERVIEW MIT JEFF JENSEN VON RAIMUND NITZSCHE
WP: Marshall Lawrence aus Kanada hat 2014 eine
sehr interessante Video-Serie in Memphis gedreht.
Er stellte den Leuten nur eine einzige Frage - und
ich will Dir diese Frage auch stellen: Warum liebst
Du den Blues?
Blues ist ein Gefühl, eine Geschichte und eine Kultur.
Es ist wirklich so viel mehr als nur eine Musik. Ich liebe
den Blues, weil er für mich der ehrlichste Weg ist, echte
Gefühle auszudrücken und zu fühlen auf die natürlichste Art, die es gibt.
WP: Mit Deiner Band hast Du dreimal an der
International Blues Challenge teilgenommen. Wie
wichtig ist so ein Wettbewerb für Bluesmusiker in
den Vereinigten Staaten? Hat sich Deine Karriere
nach der IBC verändert?
Die IBC ist eine fantastische Sache. Wir haben so viele
Wasser-Prawda | März 2015
großartige Menschen während der Veranstaltung getroffen: Fans, Talenscouts und andere Blueskünstler von
überall auf der Welt. Ich hab eine Menge gelernt, indem
ich all den großartigen Musikern bei ihren Auftritten
zugesehen hab. Das kann man mit Geld nicht bezahlen und ich würde jedem Fan und Musiker raten, sich
das mindestens einmal anzusehen!
WP: Ein Musiker hier in Deutschland sagte mir in
einem Interwiew: Im Blues ist kein Geld. Wie schwer
ist es, mit Deiner Musik den Lebenunterhalt zu verdienen? Oder welche anderen Jobs hast Du?
Es kann schwierig sein, aber um ehrlich zu sein, geht
es uns ziemlich gut. Ich mache nichts anderes außer
Musik. Ich trete viel live auf und hab die großartige
Möglichkeit, die Alben anderer Künstler zu produzieren. Wir versuchen, die Dinge gut zu planen und das
INTERVIEW
27
Budget einzuhalten, und Jahr für Jahr wachsen wir und
bauen unsere Fanbasis immer weiter aus. Und so zahlt
sich all die harte Arbeit für uns aus.
Luft sind gefüllt mit den Schwingungen der Kreativität.
Und um auf die Beale Street zu kommen: Sie wird von
vielen Touristen b-esucht. aber das macht die Musik
kein bisschen weniger authentisch. Meiner Meinung
WP: Im April bist Du für eine Tournee in Europa. nach ist die Beale Street heut wesentlich stärker, als sie
Ist das das erste Mal?
viele Jahre lang war. An jedem einzelnen Tag treten dort
Wir werden das erste Mal in Europa sein und können so viele wunderbare Blues- und Soulkünstler auf. Auch
es kaum erwarten. Europa hat einen gut begründeten viele tourende Bluesacts nennen Memphis ihre Heimat.
Ruf, Bluesmusik zu unterstützen und wir sind geschmei- Und viele von ihnen spielen auf der Beale Street, wenn
chelt, dass Ihr alle uns die Chance gebt, das wir für Euch sie mal nicht auf Tour sind. Wir beispielsweise spielen
spielen können. Wir freuen uns drauf, unsere Musik mit ab und zu im Rum Boogie Café, wenn wir zu Hause in
Euch zu teilen und gleichzeitig was über die faszinie- Memphis sind.
renden Kulturen, Städte und die Musik dort zu lernen.
WP: Hören Elefanten Blues? Oder was ist die Story
WP: Wie wichtig ist Memphis als Musikstadt für hinter dem Titel Deines neuen Albums?
Deine eigenen Songs? Hat die Beale Street noch Das ist von den Texten her das wichtigste Album, das
immer ihren eigenen Vibe – oder ist das heute nur wir gemacht haben. Und ich wollte einen Titel, der
noch ein Ort für Touristen?
dazu passt. Der Albumtitel „Morose Elephant“ fasst
Memphis hat eine solch kraftvolle Kultur und Geschichte, den Grundgedanken zusammen.
dass es unmöglich ist, dass mein Schreiben und meine „Morose“ (grieskrämig, mürrisch, verbissen) hat eine
Musik nicht davon beeinflusst wird. Boden, Wasser und
Wasser-Prawda | März 2015
28
MUSIK
Menge negativer Bedeutungen und
Assoziationen wie bitter, zornig, aufgeregt. Ich wollte dann den „Elefant“
als ein kraftvolles, spirituelles Tier
verwenden, das für Kraft, Stärke,
Langlebigkeit und Stoizismus steht.
Die Idee ist, dass wir alle durch
Dinge hindurch müssen, die schlecht
oder schwierig sind, das aber macht
uns nicht schlecht, wir gehen nur
durch einen Prozess. So kann slbst
ein Elefant mürrische Tage haben,
aber am Ende ist er noch immer ein
Elefant.
WP: Wenn Du Dich zum Schreiben
hinsetzt, was kommmt da zuerst:
der Text, die Melodie oder die Idee
für einen ganzen Song? Und was
ist für Dich wichtiger: Die Musik,
oder die Geschichte, die Du in
dem Lied erzählst?
Für mich ist das wichtigste an einem
Song, dass er ehrlich und echt ist. Ich
will keine Prosa schreiben. Ich will
einen Teil meiner Seele mit der Welt
teilen. So verändert sich die Art, wie
ich meine Lieder schreibe von mal zu
mal. Einige Songs wie „River Runs
Dry“ und „Ash and Bone“ kamen
zu mir komplett: Musik, Text und
alles. Andere Lieder wie „Fall Apart“
wurden über einen ganzen Zeitraum
erschaffen, sie wurden geschrieben,
geändert, neu geschrieben und dann
wieder geändert, bis am Ende alles
an seinem Platz war. Wenn es zum
Songschreiben kommt, will ich
Herz und Verstand offen halten. Ich
erzwinge es nicht, halte es aber auch
nicht zurüc. Und wenn das bedeutet,
dass ich in sechs Monaten kein Lied
schreibe oder ich sechs Lieder an
einem Tag verfasse, dann soll es so
sein. So lange es gefühlvoll, ehrlich
Wasser-Prawda | März 2015
und echt ist, ist es gut für mich.
WP: Ich höre auf Euerm neuen
Album eine Menge verschiedenartiger Musik: Blues, Bluesrock,
Boogie Woogie, Soul und auch ein
wenig Jazz – hatten Deine Eltern
eine große Plattensammlung?
Oder wie hast Du Deinen Weg in
diese Musik gefunden?
Ja, das hatten sie! Als ich aufgewachsen bin, hab ich den Rock & Roll
der 50er, 60er und 70er Jahre gehört.
Von da aus hab ich all die großartige
Musik gefunden, die davor kam wie
Blues und Jazz. Auch wenn ich mich
selbst zuerst als Bluesmusiker und
Bluesfan betrachte, höre ich doch
eine großes Sortiment an Musik.
Aber all das hat eines gemeinsam: Es
hat Soul! Ich mag Musik, die echt,
ehrlich und emotional ist. Mir ist es
egal, ob es ein Singer/Songwriter ist
oder ein Jazz-Saxophon: Wenn es
voller Seele ist, werde ich es wahrscheinlich lieben.
W P: Wie wichtig ist es, die
Geschichte des Blues zu kennen,
wenn man ein Bluesman sein will?
Das ist das Ein und Alles! Blues ist
nicht nur eine Musik, es ist keine
Reihe von drei Akkorden, die in
einer 12-taktigen Form gespielt wird,
es ist eigentlich eine Kultur und eine
Geschichte. In ihr dokumentiert
eine ganze Gruppe von Menschen
ihren Kampf, ihre Blickweise und
ihre Gefühle. Zu verstehen, woher
und warum alles so gekommen ist,
ist der einzige Weg zu erfassen, was
der Blues eigentlich ist. Blues ist ein
Gefühl, keine Musik! Die Musik ist
einfach nur das Mittel, um dieses
Gefühl auszudrücken.
W P: Welches Album könnte
ein guter Start für einen jungen
Menschen sein, der den Blues entdecken will?
Led Zeppelins frühe Alben sind
großartig dafür. Sie sind angefüllt mit einer verrückten Energie
und einer Aggressivität, die jüngere
Menschen gefangen nimmt. Für
mich war Buddy Guy derjenige, der
mich wirklich zum Blues gebracht
hat. Als ich ihn Gitarre spielen
hörte, hing ich am Haken! Wenn
man einmal akzeptiert hat, dass der
Blues in Ordnung ist, dann kann
man ihren Blick dahin wenden,
woher alles kam. Wir haben heute
viele Künstler, die einen großartigen
Job machen, die Tür zum Blues für
jüngere Leute zu öffnen.
07.04. Suhl - Moist Corner
08.04. Pfaffenhofen - Hotel
Moosburger Hof
09.04. Geneva (CH) - BRASSEUR
DES GROTTES
11.04. Ambon (F) - Nuit Du Blues
Fes val
13.04. Celle - Herzog Ernst
14.04. Emmendingen (GER)
- Mehlsack
15.04. Kandern - ChaBah
16.04. Interlaken (CH) - Brasserie
17
17.04. La Chaux-de-Fonds (CH) Le Pe t Paris
18.04. Lausanne - Taco’s Bar
19.04. Gooreind (B) - Cafe T’Goor
20.04. Ruiselede (B) - Banana Peel
Blues Club
22.04. Liege (B) - Blues Sphere
Bar
23.04. Menen (B) - CC De Steiger
25.04. Roermond (NL) - Cafe de
Weegbrug
26.04. Deume (NL) - Keeping the
Blues Alive
MUSIK
29
DIE SOUL S E E L E KO CH T
ÜBER: JJ G RE Y &
MOF R O I N MÜ N CH E N
VON MARIO BOLLINGER, FOTOS: CHRISTOPHE RASCLE.
Als ich im
Backstagebereich beim
letztjährigen Tedeschi
Trucks Band Konzert
erstmals JJ Grey&Mofro
als Opener sah und hörte,
war klar: Hier müssen wir
dran. Sobald der Tourplan
2015 stand, haben wir
den Kontakt zum Mascot
Management intensiviert
und verbunden mit der
Interviewzusage auch ein
Pre-Release der neuen CD
„Ol‘ Glory“ bekommen
und rezensiert. Umso
mehr waren wir gespannt,
ob sich der Eindruck von
2014 auch in diesem
Jahr wiederholt.
Wasser-Prawda | März 2015
30
MUSIK
Marc Broussard
Im Programm wurde als Support
Act Marc Broussard genannt. Ein
Blick in die Medien zeigte, dass
dieser Musiker, solo oder mit Band,
wohl vom gleichen Schlag wie JJ
Grey ist. Pünktlich um 20Uhr kam
ein junger, bärtiger Mann im T-Shirt
auf die Bühne und glänzte durch
einen phantastischen Gesang. Seine
Balladen und R&B Stücke, begleitet
nur durch seine Akustikgitarre und
später durch den Mofro-Keyboarder
Anthony Farrell schaff ten es, das
Publikum schnell in seinen Bann
zu ziehen. Der gespendete Applaus
war weit mehr als Höflichkeit des
Münchener Publikums. Als dann
Mofro komplett auf die Bühne
Wasser-Prawda | März 2015
kam, um Marc Broussard als Band
zu unterstützen, war klar, was in
wenigen Minuten auf das Publikum
einprasseln würde: ungebändigter
Soul, R&B und eine offen gezeigte
Begeisterung für die live gespielte
Musik. Marc Broussard stellte sich
mir als Opener für JJ Grey&Mofro
als die gleiche positive Überraschung
dar, wie es bei JJ Grey&Mofro und
Der TTB passiert ist. Auch Marc
Broussard schreibt Songs mit tiefen
Bezug auf seinem Leben: „Paradis“,
eine Geschichte über einen Freund,
dessen Familie über Generationen
im Beerdigungsgeschäft sind: Jeder
stirb mal im Leben – der Eine nur
ein bisschen, der Andere ganz. Marc
Broussard steht definitiv auf meiner
CD Shoppingliste.
Nach der Umbaupause dann der
Headliner – JJ Grey&Mofro. Die
Technicum-Halle ist gut gefüllt und
ich bin gespannt, wie das Publikum
reagieren wird. Ich sage jetzt schon:
Da haben sich zwei gesucht und
gefunden! Aber davon später.
Als erstes Stück „Hide&Seek“ vom
„Warhorse“ Album gefolgt von „99
Grades of Crazy“ vom „This River“
Album. JJ Grey gestikuliert, um den
Inhalt seiner Songs zu unterstützen.
Er diskutiert visuell mit seinem virtuellen Gegenüber des Songs.
Was mich wirklich überrascht hat
war die Begeisterung der Band. Es
MUSIK
31
Wasser-Prawda | März 2015
32
MUSIK
gab nur grinsende Gesichter auf der
Bühne. Nur die Bläser wirkten reserviert, lediglich Szenenapplaus für
deren Solos zauberten eine schüchternes Lächeln auf die Gesichter von
Dennis Marion und Art Edmaiston.
JJ Grey kündigt jeden Song mit einer
Geschichte an. Selbstverständlich
spielt er viele Songs aus der neuen
CD „Ol‘ Glory“ und jetzt werden
viele Dinge viel klarer. Brave Lil‘
Fighter: Die Geschichte eines alten
Freundes, der mal eine unwiederbringlich falsche Entscheidung
getroffen hat. „The Island“ – ein Platz
zum Runter- und Heimkommen.
Viele der Songs von JJ Grey&Mofro
erzählen von Daheim in Florida und
dem Leben dort. Was hat mich aber
wirklich überrascht? Das Publikum
und JJ Grey&Mofro waren eins. Bei
„Brighter Day“ singt das Publikum
textsicher den Song mit und das
erstaunt selbst JJ Grey, der an dem
Abend mehrmals das Mikrophon in
Richtung Publikum richtet, um den
Gesang einzufangen. Es scheint, dass
JJ Grey ein Stein vom Herzen fiel, zu
wissen, dass er gut beim Publikum
ankommt. Überhaupt ist JJ Grey
ein sehr emotioneller Sänger. Da
die Songs alle einen direkten Bezug
zu ihm haben, kommt es nicht nur
einmal vor, dass JJ Grey feuchte
Augen hatte. Der Song „Everything
is a song“ ist von seiner kleinen,
heute sechsjährigen Tochter initiiert, als sie etwas auf der Heimfahrt
vom Gemüsehändler summte. Da
erschien der Himmel noch blauer,
das Gras noch grüner und er als
Vater war noch „higher“. Der
Drummer Anthony Cole lachte und
murmelte was und JJ Grey erwiderte
Wasser-Prawda | März 2015
sofort mit Lachen, das der Zustand
des „High“-Seins von was ganz
anderem herkommt als was Anthony
Cole vermutete. Die Erinnerungen
und die Publikumsreaktionen
hauen JJ Grey nahezu um. Wie sein
Tourmanager mir erzählte, kann
JJ Grey emotionell schon an seine
Grenzen gelangen, wenn ihn seine
eigenen Geschichten auf der Bühne
einholen.
Bei „Country Ghetto“ sind JJ
Grey&Mofro und das Publikum
wieder komplett eine Einheit. Die
Leute singen mit, applaudieren mit
Szenenapplaus den Solos und das vor
allem der Bläser, die kräftig für Soul
sorgen.
JJ Grey hat mir im Interview erzählt,
dass er viel mit PSR Gitarren spielt.
Heute ist er mit einer Starla auf der
Bühne, getrieben von einer BOLT
Combo.
Das Konzert dauert nun schon weit
über eine Stunde. Mit „A night
to remember“ leitet JJ Grey die
Vorstellung der Band ein. Anthony
Cole an dem minimalistischen
Drums und Todd Smallie wechseln
sich mit Solos ab, Todds Bassspiel
ist perkussativ und ergänzt sich toll
mit den Drums. Es ist erstaunlich,
was Anthony Cole aus dem kleinen
Drumset an Rhythmus und Drive
zaubert. Die Soloteile des Songs
haben eine Dynamik sonders gleich:
Die Band spielt, das Publikum singt
den Refrain mit und dann ein Brake,
abbremsten auf null, Ansage der
Bandmitglieder um dann wieder die
volle Fahrt aufzunehmen. JJ Grey
singt, tanzt und grooved. Und dann
das warm-schwülstige „Slow, Hot
and Sweaty“, man spürt förmlich
die Schwüle und Hitze der Sümpfe
Floridas. „Ho Cake“, eine weitere
schweißtreibende Nummer über die
kulinarischen Köstlichkeiten aus
JJ’s Heimat. Ein Solo reiht sich an
das Andere, JJ Grey am Keyboard
und die phantastischen Bläser mit
Saxophon und Trompetensolos.
Soul und R&B vom Feinsten.
„Lochloosa“ und das Publikum singt
mit und bringt JJ Grey an den Rand
seiner emotionellen Kondition. Das
hat er nicht erwartet, hier auf sein
Publikum zu treffen.
Für das letzte Stück bei den Zugaben
holt JJ Grey noch mal Marc Broussard
auf die Bühne und die beiden singen
im Duo, das aber mehr Shout and
Reply ist. Emotionen pur von zwei
Vollblutsängern. Die Soulseele kocht
über und das Publikum gibt einen
frenetischen Abschiedsapplaus. JJ
Grey versprach mir im Interview,
mit seinem neuen Managment
Provogue/Mascot die Türe nach
Europa etwas weiter aufgestoßen zu
haben. Wir freuen uns, wenn er bald
wieder kommt.
INTERVIEW
33
EIN „SOUTHY“ VON DER
S OUT H E A S T MA F I A
JJ GREY IM GESPRÄCH MIT MARIO BOLLINGER.
FOTOS: CHRISTOPHE RASCLE.
W P: Um Dein neues Album
“Ol’ Glory” zu produzieren, bist
Du von Alligator Records zu
Provogue/Mascot Music gewechselt. Was waren die Gründe dafür?
JJ Grey: Ich dachte, es wäre mal
Zeit, da ich Ed, den Eigentümer von
Mascot, getroffen habe. Ich habe
zwei Verträge mit Alligator gehabt
und beendet und ich dachte, das ist
es was ich tun musste.
WP: War es wichtig, eine Firma zu
bekommen, die in Europa präsent
ist?
JJ Grey: Ja, das ist ein Teil vom
Ganzen. Mascot hat wesentlich mehr
Power mit einer starken Präsenz hier.
WP: Heißt das, dass Du öfters
nach Europa kommst?
JJ Grey: Aber ja, wesentlich
regelmäßiger als wir das ab 2010
gemacht haben. Ich weiß nicht, ob
wir in jede Stadt kommen können, aber wir werden jedes Jahr
kommen.
WP: Du bist ein musikalisches
Multitalent, singst und spielst
alle möglichen Instrumente und
komponierst alle Songs selbst. Ab
welchen Zeitpunkt kam für „Ol‘
Glory‘“ die Band mit dazu?
JJ Grey: Wir waren hier auf
Tour und ich hatte schon einige
Demoaufnahmen dabei und die
Arrangements im Kopf. Ich zeigte
den Jungs die Songs. Es war die Tour
Wasser-Prawda | März 2015
34
INTERVIEW
kurz vor dem Studioaufenthalt und dem Song „Tic-Tac-Toe“?
wir nutzen die Soundchecks, um die JJ Grey: Es geht um ein altes
Stücke anzuspielen.
Sprichwort: Der Mann, der immer
nur sein Leben im Bösen gelebt hat
WP: Habt Ihr die Tour zum Testen und einen Höllenleben hatte und
benutzt?
Mann, der immer nur Gutes getan
JJ Grey: Ja, wir haben aber nur die hat und ein himmlisches Leben
Soundchecks zum Proben verwen- gelebt hat. Und der Song geht
det und das eine oder andere Mal darum, dass man am Kampf Aller
ein Stück live gespielt.
teilnimmt statt 5 Sekunden alleine
WP: Ist “Ol’ Glory” mehr als nur zu sein. Als ich jung war, erlebte ich
eine berühmte Fahne? Was bedeu- ähnliche Situationen und der Song
tet dieser Ausdruck?
reflektiert das. Man könnte auch
JJ Grey: Ja, aber der Titel hat nichts sagen, dass man nicht alle Menschen
mit der Fahne zu tun. Du hast Recht unter einem Mikroskop beobachten
mit der Fahne, allerdings habe ich kann, wenn man selbst nicht beobnie über die Fahne nachgedacht. achtet werden will.
Mein Onkel hat das während der
Beerdigung meiner Großmutter WP: Du singst auf “Ol’ Glory”
hinausgerufen, als sie „Fly Away“ wesentlich stärker und melodigespielt haben. Er ist aufgesprun- scher als auf früheren Aufnahmen.
gen und hat das laut gerufen. Es ist Die Texte können die Herzen der
etwas, was man lange in der Kirche Menschen berühren.
sagt, lange bevor man an die Fahne JJ Grey: Der Prozess, die Songs zu
„ol‘ glory“ gedacht. Es geht um die schreiben, ist immer der gleiche
geblieben. Aber bei den älteren
Herrlichkeit des Lebens.
Aufnahmen und speziell bei
WP: Also etwas aus Deinem perBlack Water und Lochloosa oder
sönlichen Umfeld?
auch Country Ghetto haben wir
JJ Grey: Ja, es geht um die Elektri- z.B. 5 Tage im Studio verbracht.
zität, die alles und uns bewegt.
Davon haben wir in 4.5 Tage die
WP: Was ist das Sinnbild hinter Instrumente aufgenommen und
Wasser-Prawda | März 2015
nur einen halben Tag für den gesamten Gesang verwendet. Ich war mit
einigen Songs nicht vertraut genug,
da wir sie kaum gespielt haben und
ich sie nur mit akustischer Gitarre
und Piano kannte. Dieses Mal haben
wir aufgenommen, habe die Sache
über Monate setzen lassen und als
ich wusste, wie ich es singen wollte,
habe ich es aufgenommen. Ich habe
mehr Zeit verwendet, um die Songs
zu lernen und um zu wissen, wo ich
mit dem Gesang hinwollte. Wenn
ich mit die alten Sachen anhöre,
möchte ich das eine oder andere
oder auch nur den Gesang neu aufnehmen. Im Laufe der Zeit und
bei Liveauftritten hat sich meine
Stimme verändert oder wo anders
hinbewegt. Diese Aufnahme jetzt
gibt es das Bild wieder, das ich heute
gesanglich bei Liveaufritten abgebe.
WP: Die Songs haben Phrasen wie
“Home in the sky” oder “I just
hear those angels sing” oder Du
sprichts vom Schöpfer. Sind Deine
Songs spirituell?
JJ Grey denkt kurz nach: Ja und
das aus mehreren Gründen. Einer
der Gründe ist: Ohne Absicht und
Zweck schreiben sich die Songs von
MUSIK
persönliches Bild von Florida?
JJ Grey: Es ist anders, als ich es verstehe. Jeder Ort hat schlechte Dinge.
Neun meiner Freunde wurden
ermordet. Wo ich aufgewachsen
bin oder wo ich zu High-School
gegangen bin, war es grausam und
hart. Genauso wie jeder andere Ort
auf der Welt und es gibt sicherlich
noch härtere Orte. Aber ich bin
da aufgewachsen und es ist eine
Hassliebe. Dinge passieren und die
Welt dreht sich weiter. Man muss
auf hören, diesen Dingen mehr
Aufmerksamkeit zu geben als wie es
wert ist und darüber hinweg sehen.
In anderen Worten: Es gibt auch
überall schöne Dinge.
WP: Du warst in den neunziger
Jahren in Großbritannien. Was
hast Du da gemacht?
JJ Grey: Meine damalige Frau
lebte in Nordlondon. Ich lebte
in Jacksonville oder in den
Wäldern von Jacksonville. Ich
hatte keine Ahnung, was in der
WP: Derzeit ist die ganze Welt Musikgeschäftswelt los war und
in politischen oder gesellschaft- ich kannte niemand außerhalb von
lichen Problemen verstrickt. Jacksonville. London war irgendIst das Leben in Florida, so wie wie ein Ort für das Musikgeschäft.
Du es erlebst, ähnlich wie in der Also bin ich dort hingezogen und
ganzen Welt oder ist das Dein
alleine und das bedeutet für mich,
dass sie vom Geist oder der Seele
kommen. Wenn ich mich auf meine
eigenen Fähigkeiten verlassen würde,
Texte zu schreiben, wäre ich verloren.
Die Texte schreiben sich von selbst.
Das bin nicht ich, der sie schreibt.
WP: Glaubst Du an Gott?
JJ Grey: Ich weiß nicht. Wenn man
damit die Kräfte meint, die größer
als die Menschheit sind - Yeah! Was
immer das ist.
W P: Du bist in Jacksonville/
Florida aufgewachsen. Du beziehst
Dich immer auf die Menschen
dort, auf den Geist und die Natur
dieser Gegend. Kannst Du Dir
vorstellen, wo anders zu leben?
JJ Grey: Ja, es gibt ein paar Plätze,
wo es wärmer ist. Puerto Rico,
Trinidad oder sogar Australien. In
Florida kann es kalt sein, so 5°F
oder -15°C. Nicht ganz so kalt wie
in Deutschland. Ich muss da nicht
immer leben, gelegentlich langt.
35
hatte einen Plattenvertrag mit einer
Firma, die mich rübergeholt hat.
Dann waren sie aber zahlungsunfähig. Also blieb ich eineinhalb
Jahre. Ich bekam dann Kontakt
zu Dan Prothero, der seit dem alle
Aufnahmen von mir produzierte
und seine eigene Plattenlabel Fog
City Records hatte. Und so machte
ich dann Black Water und Lochloosa
für und mit ihm.
W P: Hast Du damals Deine
Heimat vermisst?
JJ Grey: Manchmal, ich habe
Lochloosa in London geschrieben.
Ich bin ein Mensch, der dort zu
Hause ist, wo er gerade weilt. Ich
rufe gerne zu Hause an und würde
gerne meine sechsjährige Tochter
jeden Tag sehen. Am Ende einer
Tour werde ich dann schon ganz
nervös, wenn es heim geht. In 2
Tagen wird mein Sohn 27 Jahre.
WP: Warum bist Du zurück in die
USA?
JJ Grey: Weil Dan mir erzählt hat,
dass er mit mir eine Platte machen
wollte. Ich mochte, was er tut.
Seine Platten sind wirklich gut und
deshalb kam ich zurück.
WP: Welche Gitarren benutzt Du
Wasser-Prawda | März 2015
36
MUSIK
auf der Bühne?
JJ Grey: Ich spiele meist Paul Reed
Smith Starlas. Zu Hause habe ich
eine wesentlich größere Ausrüstung ,
hier habe ich ein kleiner Ausrüstung,
die ich in Rotterdam deponiere, wo
die Plattenfirma ist. Normalerweise
spiele ich auf PRS Dallas Combo
Amps oder einen Victoria 58 oder
59 Twin. Ich spiele auf Aufnahme
und manchmal auch live eine alte
64er Guilt T100D – meine Beste
überhaupt. Paul Reed Smith hat
mir eine gebaut mit den gleichen
Pickups und dem Hollowbody aber
die Guilt spielt sich ganz leichter. Die
Bilder mit den SG Gitarren sind alt.
Ich liebe meine 4 SGs und die Gold
Top hat derzeit mein Gitarrist und
ich muss schauen, dass ich sie auch
wieder zurück bekomme. Ich habe
auch eine Gibson ES 175, aber meist
spiele ich die PRS
WP: Sind das für Dich Werkzeuge
oder haben sie einen speziellen
Wert für Dich?
JJ Grey: In erster Linie sind es
Werkzeuge, aber es ist auch ein
Kunstwerk, wenn jemand alles in
diese Gitarre hineinsteckt, was er
kann.
Bitte zu 3 Namen einen kurzen
Kommentar.
BRUCE IGLAUER:
Das wird ein längerer Kommentar.
Er ist prima. Es ist mir eine Freude,
ihn zu kennen. Wir arbeiten immer
noch zusammen, weil ich mit ihm
den Deal gemacht habe, dass er nach
wie vor meine alten Platten noch mal
auflegen darf. Ich fühle mich nach
wie vor als Mitglied von Bruce und
seiner Alligator-Familie
DEREK TRUCKS:
Einer der größten Gitarristen seit je
her, nicht nur von jetzt. Sein Sound
W P:
Derek
T r u c k s ist so ausgeprägt genau so wie Louis
Gitarrentechniker hat Bobby Tis Amstrong Spiel auf der Trompete. Er
hat mir erzählt, das Derek großen spielt nicht auf der Gitarre sondern
Wert auf die Wartung und Pflege singt mit durch seine Gitarre.
legt. Teilst Du diese Akribie?
MARC BROUSSARD:
JJ Grey: Wenn sich da einer aus- Einer der besten Sänger, mit denen
kennt, dann Bobby Tis. Er kennt alle ich gespielt habe. Ein wahnsinniDetails der Gitarren. Ich behandle ger Gitarrist, der unendlich viele
meine Gitarren nicht schlecht. Zu Akkorde kennt. Ein toller Songwriter
Hause sind sie alle in klimatisierten und ein Freund der Familie.
Räumen im Studio, weil das Klima WP: Warum haben diese Musiker
in Florida die Gitarren kaputt macht. neuerdings solche großen Bärte?
WP: Letzter Teil meiner Fragen.
Wasser-Prawda | März 2015
JJ Grey lacht: Ich weiß nicht, ich
kann da nicht mitreden, weil bei mir
da nicht so viel wächst
WP: Woher kommt der Name
Mofro?
JJ Grey: Ein Typ nannte mich jahrelang so „Hey, was machst Du,
Mofro?“. Aber es ist ein Ausdruck
für schlechte Menschen. Man sagt:
Du bist ein schlechter Mofro und
man meint einen Motherf…
WP: Seit dem ich Dich letztes
Jahr bei der TTB gesehen habe,
bin ich begeistern und das damals
schon bei dem ersten Song. Wir
waren der Meinung : Zu gut für
einen Support Act. Wir hoffen Du
kommst öfters.
JJ Grey: Toll, das ist nett. Aber unter
Freunden tun wir das. Wir alle,
also Susan und Derek, die Allman
Brothers, Warren Haynes and Govt
Mule und alle die Band da unten
sind Freunde. Ich nenne das die
South East Mafia. Warren kommt
von South Carolina. Wir sind alle
“Southies”.
MUSIK
37
Wasser-Prawda | März 2015
38
MUSIK
B EN POOL E I M S O TA N O
VON RAIMUND NITZSCHE..
und in der Auswahl von Coverversionen immer auch
seine Liebe zum Soul und anderen Sounds. Und genau
diese Mischung konnte man im Sotano auch erleben.
Klar: Ben Poole und seine Mitstreiter sind noch jung.
Und das merkte man in Greifswald auch daran, dass
dieses perfekt aufeinander eingespielte Quartett gerne
mal gehörig laut wurde. Um dann ebenso schnell wieder
auf leise Klänge zu setzen. Das Publikum im Sotano
brauchte eine Weile. Doch dann kannte die Begeisterung
irgendwann keine Grenzen mehr. Der Keller am
Greifswalder Markt fängt erst an, sich als Location für
Blueskonzerte zu etablieren. Doch wenn man nicht nur
Für mich stand am Anfang Ben Pooles Livealbum aus auf das erste Konzert mit Ben Poole, sondern auch auf
der Royal Albert Hall. Das überzeugte mich vor allem die weiteren geplanten Veranstaltungen schaut, dann
damit, dass dieser Junge Gitarrist sich eben nicht in die könnte sich hier ein Ort etablieren, der Bluesmusiker
Riege derer einreiht, die bei ihrem Rock immer häufiger auch in den Nordosten Deutschlands locken kann.
den Blues vergessen. Nein, Poole zeigt in seinen Songs
In seiner Heimat nennt man den
Gitarristen BEN POOLE schon mal
„Mr. Muscle“. Warum, das konnten
die Besucher seines Konzertes am
7. März im Greifswalder Sotano
nachvollziehen: Kra voll, voller Energie
und mit jeder Menge Spielfreude
präsen erte Poole mit seiner Band
eigene Songs ebenso wie Klassiker
etwa von Jimmy Hendrix.
Wasser-Prawda | März 2015
MUSIK
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Wasser-Prawda | März 2015
40
BLUESKALENDER
BLUESKALENDER
Zusammenstellung: Matthias Schneider (blueskalender.
blogspot.de)
1895
1897
1917
1927
1962
01.04.
Alberta Hunter*
Lucille Bogan*
Scott Joplin+ *zwischen Juni 1867 und Januar 1868
Amos Milburn*
Barrelhouse Buck McFarland+
Zakiya Hooker*
Brian Kramer*
1918
1952
1952
1996
J. T. Brown*
Alex Conti*
Dave Bronze*
Guitar Gabriel+
1932
1936
1951
1955
1958
1970
1990
2001
2002
03.04.
Leopold von Knobelsdorff *
James Harrell „Jimmy“ McGriff *
Mitch Woods*
John Mooney*
Adam Gussow*
Rusty Zinn*
Sarah Vaughan+
Big Daddy Kinsey+
Big Bad Smitty aka John H. Smith+
1896
1913
1913
1929
1937
1948
1952
1960
Marion Harris*
Muddy Waters*
Cecil Gant*
John Dee Holeman*
Robert Cage*
Pick Withers*
Gary Moore*
Sylvester Weaver+
Alberta Hunter
02.04.
Big Daddy Kinsey
Memphis Minnie
04.04.
Muddy Waters
*1940
B L U E S K A L E N D E R 41
1969
1982
Billy Bizor*
Jorge Salan*
Becky Tate*
05.04.
Hans Theessink
1939
1948
1950
1960
1963
Beverly Watkins*
Hans Theessink*
Paul Oscher*
Larry McCray*
Tim Mitchell*
1919
1953
1955
1960
1968
1981
06.04.
Big Walter Horton*
Gisbert „Pitti“ Piatkowski*
Blind Mississippi Morris*
Warren Haynes*
Rosa Henderson+
Bob Hite+
07.04.
1915
1919
1932
1950
2009
2014
Big Walter Horton
1908
1931
1944
1960
1895
1950
1953
1989
1997
2004
Billie Holiday
Billie Holiday*
Jimmy Nelson*
Louis Bo Collins*
Darrell Mansfield*
Michael „Dr. Mike“ James+
Tim Kaihatsu+
Reynhard Boegl*
08.04.
Tommy McClennan*
Robert Lowery*
Keef Hartley*
Andreas ‘Andi’ Hofmann*
09.04.
Mance Lipscomb*
Junior Watson (born Michael Watson)*
Tom Shaka*
Michael Thomas Doyle*
Yank Rachell+
Curtis Butler+
42
BLUESKALENDER
10.04.
Shemekia Copeland
1922
1928
1930
1936
1958
1979
2013
John Brim*
Rosco Gordon*
Ray Agee*
Bobby Smith*
Chuck Willis+
Shemekia Copeland*
Jimmy Dawkins+
1913
1939
1977
2011
11.04.
John Lee Granderson*
Luther Johnson*
‚Little Frank‘ Krakowski*
Lacy Gibson+
Ryan Hartt*
1867
1915
1921
1929
1929
1945
1945
1954
1979
Luther Johnson Jr.
1922
1944
2005
1954
1992
1894
1906
1931
1936
Johnnie Johnson
12.04.
Johnny Watson (Daddy Stovepipe)*
Hound Dog Taylor*
Shakey Jake Harris*
Andrew ‚Blueblood‘ McMahon*
John Lee Ziegler*
Ann Rabson*
Miller Anderson*
Pat Travers*
Pernell Charity+
Werner Rudigier*
13.04.
Roy Dunn*
Jack Casady*
Johnnie Johnson+
Gary Small*
14.04.
Lil Green+
Sammy Price+
Kelly Rucker*
15.04.
Bessie Smith*
Carl Martin*
Little Sonny Jones*
Frank Frost*
B L U E S K A L E N D E R 43
1943
1955
1955
2014
1931
1937
1954
Tommy Castro
J J Milteau
1901
1919
1926
1933
1950
1956
2003
1906
1924
1946
1955
1974
Mighty Sam McClain*
Tommy Castro*
Jeff Golub*
Little Joe Cook+
16.04.
John Littlejohn*
Artie „Blues Boy“ White*
Texas Alexander+
Patrick Rynn*
17.04.
Clifford Gibson*
Jimmy Nelson*
Sam Carr*
Byther Smith*
Jean Jacques Milteau*
Lonnie Shield*
Earl King+
John Parker*
18.04.
Little Brother Montgomery*
Clarence Gatemouth Brown*
Tommy Shannon*
Lil‘ Ed Williams*
Johnny „Man“ Young+
19.04.
Alexis Korner
1898
1928
1938
1985
1994
2012
Peter Clayton*
Alexis Korner*
Bee Houston*
Willie Mabon+
Larry Davis+
Levon Helm+
Demi Evans*
1875
1929
1940
1940
Cowboy Roy Brown*
Johnny Fuller*
Calvin Leavy*
Tim Drummond*
20.04.
,+unbekannt
44
BLUESKALENDER
1958
1992
2013
Gary Primich*
Johnny Shines+
Artie „Blues Boy“ White+
1938
1944
1946
1964
1969
1970
2003
Eddie King*
Paul Geremia*
Doug MacLeod*
Georg Schroeter*
Keri Leigh*
Earl Hooker+
Nina Simone+
1919
1922
1950
1950
1951
1966
1975
1990
22.04.
Bull Moose Jackson*
George „Harmonica“ Smith*
Forrest Howard McDonald*
Peter Frampton*
Paul Carrack*
Hank Shizzoe*
Walter Vinson+
Little Joe Blue+
1894
1929
1944
1980
1995
Cow Cow Davenport*
Calvin Owens*
Marion Harris+
Luca Giordano*
Lonesome Sundown+
1970
1986
2000
2013
Otis Spann+
Eli Cook*
Barkin‘ Bill Smith+
Bob Brozman+
1913
1923
1950
1965
Earl Bostic*
Albert King*
Roxy Perry*
Paul Lassey*
Chris Whiteley*
21.04.
Georg Schroeter
23.04.
Peter Frampton
24.04.
25.04.
Albert King
B L U E S K A L E N D E R 45
26.04.
1886
1915
1926
1945
1948
1988
Ma Rainey*
Johnny Shines*
J. B. Hutto*
Mike Finnigan*
Luboš Andršt*
Arbee Stidham+
1927
1942
1956
Hop Wilson*
Jim Keltner*
‚Sista Monica‘ Parker*
1891
1940
1950
1952
1974
1984
28.04.
Charley Patton*
Phil Guy*
Lloyd Jones*
Chuck Leavell*
Gary Pushkin oder in Realität Igor Vedeneev*
Moses „Whispering“ Smith+
27.04.
Ma Rainey
29.04.
Phil Guy
1927
1935
1935
1937
1941
1957
1967
1990
Big Jay McNeely*
Otis Rush*
Leroy Carr+
Lefty Dizz*
Frankie Lee*
Pat Cohen*
J.B. Lenoir+
Sam Lawhorn+
Johnny Gale*
1896
1917
1931
1970
1983
Gary Davis*
Frankie Lee Sims*
Jimmie Lee Robinson*
Wayne Baker Brooks*
Muddy Waters+
30.04.
Wayne Baker Brooks
46
A L B U M D E S M O N AT S
PH ILI PP FAN K H A U S E R
- HOM E
ALBUM DES MONATS MÄRZ 2015
Soulblues, Texasblues und
eine akustische Nummer: Seine
Herkunft aus der Schweiz hat man
seiner Gitarre noch nie angehört.
Mit „Home“ hat Philipp Fankhauser
ein Studioalbum veröffentlicht, das
nah an der Perfektion ist.
klingen. Denn selbst wenn Balladen wie „Once Is Not
Enough“ hart an der Schmalzgrenze sind. Immer ist der
Bluesman zu hören, der einem an seinen Gefühlen teilhaben lässt und damit die Zuhörer in die Lage versetzt,
mit dem eigenen Gefühlschaos umzugehen. So kann
der Blues seine Funktion als heilende Musik entfalten.
„Home“ ist ein zeitlos elegantes Bluesalbum, wie es nicht
Wenn die CD mit „Daily Bread“ beginnt, dann wird nur in Europa sehr selten veröffentlicht wird. Schön,
sofort klar, dass es Fankhauser ernst damit war, so live dass Fankhauser jetzt endlich auch in Deutschland
wie möglich im Studio zu arbeiten. Die akustische einen Vertrieb gefunden hat, der diesen Namen verGitarre springt einem förmlich entgegen und liefert dient. Vielleicht schafft er es ja auch hierzulande, was
dem Sänger die perfekte Begleitung für den von Johnny in der Schweiz schon fast zum normalen Zustand
gehört: Ein Einstieg in die normalen Charts wäre ihm
Copeland geschriebenen Song.
Auch bei den anderen Nummern - elektrisch und bei zu wünschen.
Raimund Nitzsche
Bedarf mit voller Honrsection - ist die Energie und der
Druck (und bei Bedarf auch die nötige Zurückhaltung:
hört einfach mal, wie sie Musiker bei „Rainy Night
in Georgia“ Fankhausers Stimme ganz sanft untermalen, ohne jemals beiläufig oder beliebig zu klingen) der
Darbietung einer live spielenden Band sofort zu spüren.
Nicht nur als Sänger und Gitarrist ist Fankhauser großartig - nach Jahren, wo er immer wieder auch in den
USA unterwegs war, ist er auch ein Songwriter, dem
man gerne zuhört.
Ob funkige Grooves, treibende Rhythmen oder sanfte
Balladen: Fankhauser und seine Band bleiben auf dem
Album fern von unvermittelten Stilexkursionen oder
Experimenten. Nach Jahrzehnten auf Tour hat dieser
Musiker seine musikalische Heimat gefunden und
denkt nicht im Traum daran, irgendwelche Rockismen
als Zugeständnis an vermeintliche Hörererwartungen
zu pflegen. Wie B.B. & The Blues Shacks in
Deutschland oder Musiker wie Greg Nagy pflegt er
die klassischen Sounds, ohne dabei nach akademischer
Lordsiegelbewahrer oder als reiner Retro-Musiker zu
Wasser-Prawda | November 2014
P L AT T E N
47
REZENSIONEN A BIS Z
B
Down Howlin‘ 57
Black Patti: No Milk, No Sugar 50
S
C
Shoutin‘ Red – Introducing 58
Caro Bluesband - Gezeiten 50
V
Chris Foreman - Now ist the Time
51
Various - Movements Vol. 7 58
E
Eliza Neals - Breaking and Entering
51
H
Henrik Freischlader - Live 2014 52
J
Jeff Jensen – Morose Elephant 53
Joe Bonamassa - Muddy Wolf at
Red Rocks 54
Jorma Kaukonen – Ain‘t In No Hurry
54
L
Laurence Jones – What‘s It Gonna
Be 55
Layla Zoe - Live At Spirit of 66 55
M
Mitch Hillford - Music From The
Front 56
Mojo Juju & The Snake Oil
Merchants - Anthology 56
R
Reno Jack The Bear - Lightning
Fried 57
Ron Hacker & The Hacksaws - Goin‘
Wasser-Prawda | März 2015
48
Black Pa
P L AT T E N
- No Milk, No Sugar
So ist guter Kaffee und so ist der
Blues: Schwarz, ohne Milch, ohne
Zucker. Nachdem die beiden
Musiker Peter Krause aka Peter
Crow C. und Ferdinand “Jelly Roll”
Kraemer das Land auf und ab bereist
haben, gibt es nun das Debutalbum
des Roots Blues Duos Black Patti:
„No Milk, No Sugar“. Und es hält,
was man von den Beiden erwartet:
Akustische Bluesnummern, wie sie
an einem Juke Point im Delta gespielt hätte werden können. Auf
der sparsam dokumentierten CD
sind 12 Stücke mit Traditionals
und Leihgaben von Muddy Waters,
Charley Patton oder Sonny Boy
Williamson I. Aber Peter Krause
und Ferdinand Kraemer können
auch selbst ordentliche und authentische Stücke schreiben. So gehört
„I‘m So Worried About My Baby“ zu
den eigenen Stücken der Beiden, die
aber auch zu meinen Favoriten gehören. Aber warum sind die Stücke
so interessant? Weil hier spannend
im Duett gesungen wird, weil Jelly
Roll die Mandoline geschickt einbringt, weil gepickt, geslided und
gestampft und mit der Blues Harp
Wasser-Prawda | März 2015
mächtig Fahrt gemacht wird. Das
Album ist nie langweilig und
immer spannend. Wenn man die
Augen spielt, hört man Black Patti
an einer heißen Straßenecke spielen, im staubigen Hut die Nickels
and Dymes einsammeln und einen
T-Model Ford vorbeirattern. Im
„Morning Train“ schwer stampfende Gitarrenrhythmen unterlegt
mit Jelly Rolls trauriger Mandoline,
die den Wunsch äußert, mit dem
verspäteten Abendzug bald heimzukommen. Eine Selbstpositionierung
in einem weiteren eigenen Stück als
Ragtime: „Black Patti Boogie“
Die gesamte Aufnahme ist natürlich analog gehalten, alte
Instrumente aus der Vorkriegszeit,
Bändchenmikrophone: So haben
alle Deltamusiker damals aufgenommen und so kommt es auch rüber.
Man kann immer nur ein Wort dazu
heranziehen: Authentisch!
Erschienen ist die CD „No Milk,
No Sugar“ bei Rhythm Bomb Rec.
Das Label arbeitet nicht profitorientiert, alle Gewinne werden in
Musiker und deren Aufnahmen reinversiert. Auf dem Label sind außer
Black Patti Bands und Künstler aus
dem Rockabilly- und R&B-Bereich
zu hören. Wir werden hier in der
nächsten Zeit ein paar CDs von
dem Label vorstellen.
Mario Bollinger
Caro Bluesband - Gezeiten
Frauenpower im Blues ist ja momentan stark angesagt. In diesem
Zusammenhang möchte ich auf die
Caro Bluesband mit der Powerfrau
Carin Bertenbreiter hinweisen.
Die Band gibt es schon recht lange,
feierte sie doch im Jahr 2010 ihr
25-jähriges Bandjubiläum. 25 Jahre
Banderfahrung spiegeln sich auch
im lupenreinem Sound der Band
wieder. Caro steht für Carin und
Roland Bertenbreiter. Roland zupft
die Gitarre und Frontfrau Carin
übernimmt den Gesangspart und
spielt die Bluesharp. Ich bezeichne
sie einmal als „Stacie Collins“ von
Donauwörth. Sie glänzt durch ihre
markante Stimme und ihr stilsicheres Blasen auf der Harp. Weiterhin
gehören zur Band: Gerhard Winter
(Bass), Mathias Netter (Gitarre) und
Armin Loder (Schlagzeug).
Den Blues präsentiert die Band in
ihrer heimischen Mundart. Da muss
man durch, auch wenn man Blues
nur auf englisch hört und ich verspreche, es lohnt sich. In den Texten
werden alltägliche Geschichten aus
dem Leben erzählt aber es wird auch
schon mal Gesellschaftskritik geübt.
Die hier kurz vorgestellte CD
P L AT T E N
„Gezeiten“ ist auch schon aus dem
Jahr 2010 und man kann sie über
die Bandseite beziehen. (https://
carobluesband.wordpress.com/
discographie/)
Matthias Schneider
gen Stücken zwischen der Orgel und
einem akustischen Piano wechselt.
Obgleich die Orgel im Vordergrund
steht, vermeidet er so den Hauch
von Langeweile, den ich bei manch
anderer Produktion verspürt habe.
Dazu tragen seine exzellenten
Mitmusiker bei. Andy Brown an
der Gitarre und Diane ‚Lil Sax‘
Ellis am Alt Saxophon setzen deutliche Akzente. Bei der Auswahl der
Stücke bedient sich Chris Foreman
aus dem traditionellen Blues- und
Gospelrepertoire. Charlie Parkers
‚Cotton Boy Blues‘ oder Neil Heftis
durch Count Basie bekannt gewordene Ballade ‚Lil Darlin‘, Foreman
interpretiert alle Stücke auf seine eigene ganz besondere Art. ‚Now ist
Chris Foreman - Now is the
the Time‘ ist ein zeitloses Album
Time
für anspruchsvolle, traditionell oriSteven Dolins ist mit seinem fei- entierte, Blues- und Jazzliebhaber.
nen, exklusiven Sirens Records Es ist ein audiophiles Album zum
Label immer wieder Garant für au- Zurücklehnen und Zuhören. (The
ßerordentlich spannende im Blues-, Sirens Records SR 5022)
Gospel- und Jazz-Bereich angesieBernd Kreikmann
delte Produktionen. Zu Beginn des
Jahres überrascht er mit dem ersten
Chris Foreman Album, das dieser
unter eigenem Namen veröffentlicht hat. Der in Chicago ansässige
blinde, 57jährige B3-Virtuose gehört mit Jimmy McGriff und Jimmy
Smith zu den ganz Großen Jazz- und
Blues Organisten. Weltweit bekannt
wurde Chris Foreman durch seine
Aufnahmen mit dem Deep Blue
Organ Trio und dem Kimberly
Gordon Trio.
Chris Foreman versteht sich nicht Eliza Neals - Breaking and
als Avantgardist – er ist ein technisch Entering
brillianter Traditionalist. Ich bin au- Detroit ist für seine großen Musiker
ßerordentlich beeindruckt, mit wel- bekannt. John Lee Hooker, Bob
cher Leichtigkeit Foreman bei eini- Seger und Mitch Ryder stammen aus der Motor City, Motown
49
Records war in den 60ern und
70ern stilbestimmend. An großen
Vorbildern für junge Künstler mangelt es nicht. Jetzt tritt Eliza Neals
mit „Breaking and Entering“ an. Die
junge Sängerin und Keyboarderin
hat bereits mehrere Alben veröffentlicht. 2012 erhielt sie den Detroit
Music Award. Mit dem vorliegenden
Album sollte ihr der entscheidende
Durchbruch gelingen. Das Zeug zu
einer internationalen Karriere hat
sie allemal.
Eliza Neals Stimme eignet sich perfekt für den von ihr bevorzugten
Bluesrock. Sie röhrt rauh und ungeschliffen den Opener „Detroit
Drive“ um später eher sanft „Sugar
Daddy“ zu besingen. Die insgesamt 12 Stücke der CD sind gut
geschrieben und eröffnen Eliza
die Möglichkeit, Stimme und
Temperament voll auszureizen. Ein
Paradebeispiel ist das balladenhafte
„Spinning“. Begleitet von Howard
Glazers schwerem Gitarrenspiel
dominiert Elizas Stimme den Song
– einfach ganz große Klasse. Das
sich anschließende „Breaking and
Entering“ ist ebenfalls ein besonderer Leckerbissen.
Rezensenten vergleichen Eliza gern
mit Janis Joplin. Abgesehen davon,
dass ich nun schon jede Menge
Janis-Nachfolgerinnen auf der
Bühne erlebt (und danach nie wieder von Ihnen gehört) habe, trifft
dieser Vergleich auf Eliza nicht zu.
Hier steht eine temperamentvolle
junge Sängerin auf der Bühne, die
ihren eigenen Gesangsstil entwickelt
hat. Sie eifert keinem Vorbild nach,
sondern sucht und findet erfolgreich
ihren Weg im Blues(rock).
Wasser-Prawda | März 2015
50
P L AT T E N
Eliza hat dreizehn exzellente
Musiker für die Mitarbeit am
Album gewinnen können. Ganz
besondere Erwähnung verdient
Detroits Spitzengitarrist Howard
Glazer. Sein einfühlsames Dobround Gitarrenspiel setzt die richtigen Akzente, treibt die Songs und
unterstützt Elizas Gesang. Howards
Begeisterung und Engagement
für das Projekt ist spür- und hörbar. Mit Eliza und Howard haben
sich zwei Musiker getroffen,
deren Zusammenspiel ungeahnte
Synergien erzeugt.
Ich hoffe, dass die beiden
ihre Zusammenarbeit fortsetzen und weitere Alben einspielen. (Selbstveröffentlichung Bezugsquellen über Redaktion zu
erfragen)
Bernd Kreikmann
Greg Nagy - Stranded
Verlorene Liebe, zerbrochene
Beziehungen: eigentlich ein völlig „normales“ Thema für ein
Bluesalbum. Doch die Intensität,
wie sich Greg Nagy auf seinem neuestem Album „Stranded“ dem emotionalen Chaos widmet, ist außerordentlich. Ebenso auch wie seine daraus entstandenen Songs.
Wasser-Prawda | März 2015
Erst war da diese Single: „I Won‘t
Give Up“ erschien vor über einem
Jahr und machte seinen Weg durch
die diversen Bluessendungen
überall auf der Welt: Auch wenn
alles dunkel und zweifelhaft erscheint - die Musik gibt die Kraft
zum Durchhalten. Ein Song zum
Heulen - und zum Heulen schön.
Dann folgte eine Kampagne auf
Kickstarter, um das Geld für das
Album zusammen zu bekommen
Doch danach war lange nichts mehr
vom Songwriter und Gitarristen aus
Flint (Michigan) zu hören. Jetzt
aber, wo „Stranded“ sich im Player
dreht wird klar: die Single ist beileibe nicht das einzige Highlight auf
dieser Scheibe voller Liebesleid. Mit
düsterem Groove etwa macht sich
Nagy „Ain‘t No Love In The Heart
Of The City“ zu eigen. Die erstmals
von Bobby Bland aufgenommene
Nummer ist auch hier Soulblues
in der pursten und eindrücklichsten Form bis hin zum Gitarrensolo,
bei dem wirklich keine einzige Note
zuviel ist. Auch von Nagy selbst
geschriebene Nummern wie der
Titelsong oder „Been Such a Long
Time“ passen in diese Kategorie.
Aber eigentlich sind diese
Schubladen überflüssig: „Stranded“
ist persönlich bis weit über die
Schmerzgrenze hinaus. Und damit
sind die Stücke über Nagys persönliche Kämpfe die richtige Medizin
für Menschen, die in ähnlicher Lage
sind - oder eben einfach nur unsicher sind über ihre Beziehungen,
die einsam sind oder bei denen die
Leidenschaft schon lange verloschen
ist: Diese Musik reißt einen aus der
Erstarrung und Lethargie. Das ist
BLUES!
Raimund Nitzsche
Henrik Freischlader - Live 2014
Für viele Fans kam die Ankündigung
überraschend: Die Tour zum Album
„Night Train To Budapest“ wurde
gleichzeitig als Abschiedstour der
Henrik Freischlader Band angekündigt. Nach zehn Jahren
schickte Deutschlands zur Zeit bester Bluesrockgitarrist seine Gruppe
in den Ruhestand. Ausschnitte der
Farewelltour hat er jetzt auf seinem Label Cable Car Records
veröffentlicht.
Neulich am Tresen während eines
Konzertes: „Klar, der Gitarrist ist
gut, aber in Deutschland gibt es
einfach keinen besseren als Henrik
Freischlader.“ Diese Aussage, besonders wenn sie von einem großartigen
Gitarristen kommt, ist ebenso bezeichnend wie die besorgte Anfrage,
die mich kurz nach Ankündigung
der Abschiedstour von Freischlader
aus Großbritannien erreichte:
Wird er jetzt nie wieder spielen?
Bei Fans und Kollegen gleichermaßen Respekt und Anerkennung,
ja Verehrung zu finden - und das
über die Grenzen Deutschlands
hinaus - ist in den letzten Jahren
P L AT T E N
wohl wirklich nur ihm geglückt.
Und das liegt nicht nur an seiner
technischen Brillanz, sondern vor
allem daran, dass Freischlader auch
als Songwriter zwischen sämtlichen
Stilen immer den richtigen Ton findet. Wie vielseitig er war, das zeigen die zehn Stücke auf „Live 2014“
wunderbar: Ob der jugendliche
Überschwang von „Dissapointed
Woman“ im zeitlichen Abstand
mit gehöriger Selbstironie aufgenommen oder das lyrische „A Better
Man“ den Beginn des Albums markiert: Hier wird Bluesrock ohne
zu viele Schörkel gespielt, manchmal wirds funky. Immer aber ist
da diese gut eingespielte Band, die
das rhythmische und musikalische
Fundament für die gitarristischen
Exkursionen des Chefs liefert: Ohne
Organist Moritz Fuhrhop und die
Rhythmusgruppe von Theofilo
Fotiadi (b) und Schlagzeuger Dirk
Sengotta wäre das Hörvergnügen
nur halb so groß.
Zehn Songs zum Abschiednehmen
und Erinnern an eine der besten
deutschen Bands im Bluesrock: Man
darf gespannt sein, was Freischlader
nach der selbst auferlegten Pause für
neue Wege einschlagen wird. Dieser
Band jedenfalls wird mir fehlen!
(Cable Car Records)
Raimund Nitzsche
Jeff Jensen – Morose Elephant
Schon auf dem Vorgänger „Road
Worn And Ragged“ hatte Jeff Jensen
für mich seine Vielseitigkeit und
absolute Qualität als Songwriter
und Bluesgitarrist unter Beweis gestellt. Auf dem Nachfolger „Morose
Elephant“ zieht er die musikalischen Grenzen so weit wie die seiner Wahlheimat Memphis: Vom
klassischen Blues über Bluesrock
bis hin zum Soul und jazzigen
Klängen reicht das Spektrum auf
einem der Highlights des bisherigen Bluesjahres 2015.
Wenn ich etwas bedauere, dann das
Jeff Jensen live lediglich in einer reduzierten Bandbesetzung zu erleben
ist. Zu gerne würde ich ihn so erleben,
wie er sich etwa im Opener „Make
It Through“ anhört: Gitarrenriffs
tief aus dem Mississippi-Delta treffen auf Keyboards direkt aus einem
Gospelgottedienst und Horns aus
dem Memphis Soul. Das ist ein
Song nahe an der Perfektion!
Andere Stücke des Albums (neben seiner eingespielten Rhythmusgruppe
war unter anderem auch wieder
Victor Wainwright am Piano wieder mit von der Partie) sind defti-
51
ger Bluesrock, zeigen Jensens überragendes Können, atmosphärische
Balladen zu singen und mit seiner
Gitarre meisterlich zu begleiten oder
bringen Klassiker des Genres in die
heutige Zeit. „What‘s The Matter
With The Mill“ etwa ist einfach umwerfender boogielastiger Blues.
Keine Ahnung, was Jensen auf den
Elephanten btingt - wahrlich kein
Tier, was man gemeinhin mit dem
Blues in Verbindung bringt. Oder
ist es das sprichwörtliche lange
Gedächtnis dieser Tiere? In seinen Songs zeigt sich ein ähnliches
Gedächtnis in Sachen verschiedener Spielarten des Blues, die alle zu
einem großartigen Personalstil zusammenfinden. Und so ist „Morose
Elephant“ ein Album, das die gesamte Bluesgemeinde ansprechen
und begeistern kann.
Raimund Nitzsche
Joe Bonamassa - Muddy Wolf
at Red Rocks
Als exzellenter Gitarrist war uns
Joe ja bekannt, jetzt können wir
ihn auch als großartigen Bluesman
bezeichnen. „Muddy Wolf At Red
Rocks“ ist wohl die bluesigste
CD, die Joe je gemacht hat. Das
Wasser-Prawda | März 2015
52
P L AT T E N
Konzert vor über 9000 begeisterten Bluesfans war eine Hommage
an seine Vorbilder Muddy Waters
und Howlin´ Wolf. Das exklusive
Konzert wurde am Labor-DayWochenende 2014 im spektakulären Red Rocks Amphitheatre gespielt und aufgenommen.
Dass das Album so bluesig rüber
kommt liegt zum einem am Thema
und zum anderen an der Besetzung:
Der Einsatz einer Bläsergruppe und
vor allem einer Bluesharp machen
dieses Konzert zu einem bluesigem
Ereignis. Zur Band dieses Konzerts
gehörten Anton Fig (Schlagzeug),
Michael Rhodes (Bass), Reese
Wynans (Klavier, Hammondorgel),
Lee Thornburg (Trompete, BläserArrangements), Ron Dziubla
(Saxofon), Nick Lane (Posaune),
Mike Henderson (Mundharmonika)
und Kirk Fletcher (Gitarre).
Joe spielt je eine halbe Stunde
Titel von Muddy Waters und
von Howlin´ Wolf gemischt mit
Originalaufnahmen der beiden
Blueser. Ein sehr gutes Beispiel ist
hier „Tiger in your tank“. Es geht mit
Muddy Waters‘ Originalaufnahme
des Songs los, ehe Joe den Song
übernimmt. Das ist sehr gelungen gemacht. Ausgezeichnet gefallen hat mir auch die Fassung von
„Spoonful“. Erstmals wurde der von
Willie Dixon geschriebene Song
1960 von Howlin Wolf aufgenommen. Durch zahllose Cover anderer Blues- und Rockmusiker wurde
er zu einem Standard.
Das Konzert ist als CD, LP, DVD
und als Blue-Ray erhältlich.
Matthias Schneider
Wasser-Prawda | März 2015
Jorma Kaukonen – Ain‘t In No
Hurry
Ein neues Album von Jorma
Kaukonen ist immer willkommen
und wird freudig von der Legion
seiner Fans in aller Welt erwartet.
„Ain‘t No Hurry“ ist ein typisch entspanntes Werk mit Kaukonens patentiert würzigem Gitarrenspiel und
packend rauhem Gesang, die hervorragend zusammen passen.
Wie mittlerweile üblich wird er von
alten Kumpels aus den RockstarZeiten von Jefferson Airplane und
Hot Tuna begleitet. Am Bass ist
der unvergleichliche Jack Casady.
Und an der Mandoline hört man
Berry Mitterhoff von Hot Tuna.
Im Ergebnis verbreitet das Album
ein fast Tunaesques Feeling. Einen
guten Beitrag zu der Mixtur des
Albums leisten auch Larry Campbell
und Teresa Williams.
Die elf Titel umfassen Standards
wie „Nobody Knows You When
You‘re Down And Out“, Thomas
Dorseys witzige Nummer „The
Terrible Operation“ und eine glanzende Fassung von Yip Harburgs uraltem Song „Brother Can You Spare
A Dime“. Auch Woody Guthries
selten gehörtes und aufgenommenes
Stück „Suffer The Little Children To
Come Unto Me“ hat seinen Platz
gefunden. Und die meisten anderen Stücke stammen von Kaukonen
selbst.
Thema des Albums ist, wie Kaukonen
in den Liner Notes erklärt, seine
Dankbarkeit für einen relativ friedlichen, ereignisreichen und reichhaltigen musikalischen Lebensstil,
den er jetzt schon seit mehr als 50
Jahren pflegen kann. Mittlerweile
fühle er sich relaxed und zufrieden,
habe er kein Bedürfnis oder fühle
den Druck sich hektisch anzupassen oder zu experimentieren. Wie
bei einem Puzzle fügen sich Leben
und Musik bei ihm in eines zusammen mit der Unterstützung seiner
ältesten und verlässlichsten musikalischen Freunde. Dies ist eines der
Alben, die wir nur bewundern können – und wie wir es erwarten konnten von einem echten Meister des
akustischen Blues.
Iain Patience
Laurence Jones – What‘s It
Gonna Be
Das neueste Album (das dritte)
des heißen jungen britischen
Bluesrockers ist ein echter Kracher.
Ein wunderbares Album voll feuri-
P L AT T E N
gem Gitarrenspiel gepaart mit einigen gekonnten Texten, die geprägt
sind von Selbstbewusstsein und
Reife. Und das in einer Weise, die
vergessen lässt, dass er noch wirklich jung an Jahren ist. Das spricht
Bände darüber, was man in den
kommenden Jahren noch erwarten
kann.
Alle elf Stücke sind stark, voller
positiver treibender Gitarrenriffs,
-läufe und -phrasen, die viele seiner
frühen persönlichen Einflüsse widerspiegeln: Walter Trout (mit dessen Band er bereits gespielt hat), old
Slowhand Clapton, Albert Collins
und Rory Gallagher. Ich bin sicher, auch Anklänge an Stevie Ray
Vaughan entdeckt zu haben.
Jones ist im letzten Jahr heftig besprochen worden, einerseits mit seinem eigenen Album „Temptation“,
aber auch für sein Mitwirken
am Album (und der Tour) Blues
Caravan 2014 von Ruf Records.
Kein Zweifel: Dieser Typ hat eine
wunderbare musikalische Zukunft
vor sich, wenn er jetzt schon von
musikalischen Weggefährten, den
Medien und einer wachsenden
Fanarmee weltweit gelobt wird.
Wenn man Jones‘ Lyrics, das großartige Gitarrenspiel und eine
kraftvolle, reife Stimme addiert,
kommt wie hier ein eigenständiges
Qualitätswerk heraus. Bei einem
Stück singt die Schottin Sandi
Thom mit, bei einem anderen die
New Yorker Sirene Dana Fuchs. Ein
höchst empfehlenswertes Album!
(Ruf Records)
Iain Patienc
53
Sängerin, die bei aller Power auf der
Bühne doch immer noch Sehnsucht
danach hat, Weihnachten zu Hause
bei Mutter und Schwestern zu sein,
die Liebeslieder an einen grünäugigen Gitarristen singt. Wenn sie sich
den Ereignissen außerhalb des privaten Umfelds widmet, dann sind
ihre Schlussfolgerungen kein Aufruf
zur Revolution sondern zum kleinen
Beginn im persönlichen Umfeld.
Und das macht diese Sängerin noch
sympathischer.
Layla Zoe - Live At Spirit of 66 Zwei CDs voller kraftvoller
Nach „Sleep Little Girl“ und Rockmusik mit einer der besten
„The Lily“ (bei Downbeat immer- Sängerinnen im Bluesrock begleitet
hin auf der Liste „Best Albums of von einer sie perfekt begleitenden
2014) kommt jetzt bei Hendrik und vorantreibenden Band: „Live
Freischladers Cabel Car Records At Spirit of 66“ ist ein Live-Album,
ein Doppel-Live-Album der kana- wie es sein sollte. Sehr empfehlensdischen Bluesrocksängerin Layla wert! (Cable Car Records)
Nathan Nörgel
Zoe heraus. Mitgeschnitten wurde
es 2014 in Belgien.
Der Name der Location ist schon
mal passend für Layla Zoe. Denn
die Sängerin verkörpert mit ihren
Songs immer wieder verblüffend
den Geist der späten 60er, wo
Blues, Rock, Psychedelic und jede
Menge Optimismus zusammenkamen. Nein - ich will hier nicht die
oft gezogene Janis-Joplin-Karte spielen (damit kann man eine Sängerin
schneller als Nachahmer abqualifizieren, als sie es verdient hätte. Nein: Mitch Hillford - Music From
Ob Layla Zoe, Dana Fuchs oder an- The Front
dere junge Sängerinnen: Sie spie- Aus Bremen stammt Gitarrist/
len und singen ihren Bluesrock mit Songwriter Mitch Hillford. Schon
ähnlicher Leidenschaft wie Janis da- seit zehn Jahren ist er dort unter anmals. Aber sie erzählen ihre eigenen derem mit seiner Band „The Mitch
Geschichten. Und bei Layla Zoe sind Hillford Front“ unterwegs. Schon
das Geschichten, die oftmals weit 2013 erschien das Album „Music
weg sind von der selbstzerstöreri- From The Front“.
schen Unrast von Janis - hier ist eine Bluesrockgitarristen scheinen eine
Wasser-Prawda | März 2015
54
P L AT T E N
natürliche Disposition hin zur
Triobesetzung zu haben. Jedenfalls
die Gitarristen, die sich selbst für
unwiderstehlich halten. Dabei ist
das Konzept des Power-Trio eigentlich schon seit Cream bis an die
Grenzen ausgereizt. Und die immer
größere Annäherung an Hardrock
und Metal macht den Bluesrock
auch nicht aktueller und publikumswirksamer. Wirklich große
Bluesrock-Gitarristen wie Henrik
Freischlader oder Alan Nimmo
haben daher schon lange auch
Organisten/Keyboarder an ihrer
Seite, die den nötigen Kontrast zu
den sechs Saiten setzen können.
Auch die Mitch Hillford Front ist
seo eine Kapelle, wo nicht nur der
namensgebende Star wichtig ist,
sondern eben auch der Rest der
Truppe (und hier besonders der
Tastenmann Andreas Hölscher).
Die Musik ist eine feine Mixtur:
Blues und Bluesrock treffen auf
Fusionjazz, Soul und Funk. Ganz
klassisch etwa die Akustiknummer
„I Am A Pilgrim“, während der
nächste Titel „Hoochie“ als funkiger Soulblues daherkommt. Meist
wird die Musik dargeboten in einer
sehr relaxten Stimmung. Und noch
dazu klingt „Music From The Front“
blitzsaube produziert und druckvoll.
Eine Scheibe für all die, die gerne
auch jenseits der Genregrenzen ihre
Unterhaltung suchen.
Raimund Nitzsche
Wasser-Prawda | März 2015
ger als so ziemliche jede der RetroSwing-Bands in den 90er Jahren.
Einfach auch deswegen, weil hier
nichts Retro ist, weil die Band um
die charismatische Sängerin sich
eben nicht für eine kurz- oder längerlebige Welle und ihre Fans muszieren sondern in ihren Liedern viel
tiefer graben. Stücke wie „God &
the Devil“ oder „Sacred Heart of
Mary“ gehen viel tiefer und machen klar, weshalb die Mojo Juju auf
Facebook schreibt: „Mojo Juju sings
songs that sound just like that night
Mojo Juju & The Snake Oil
you can´t quite remember, in that
Merchants - Anthology
Düster, sündig, verrucht und un- bar you swear you weren´t at, with
geheuer lebendig: Was Mojo Juju that girl you promise you´ve never
vor dem Beginn ihrer Solokarriere met.“ Düster, lebendig und fasziniemit den Snake Oil Merchants in rend - und wer nicht reinhört, verAustralien auf Platte gebannt hatte, passt wirklich großartige Musik. (off
war hierzulande noch nicht erhält- label/Timezone)
Nathan Nörgel
lich. Jetzt hat Off Label Records eine
Sammlung der besten Nummern
neu veröffentlicht. Denn die Musik
der Band spielt eine Hauptrolle im
Film „bestefreunde“, der zur Zeit
in den Programmkinos des Landes
läuft.
Die Energie des Punk bleibt. Auch
oder gerade auch wenn die Musik
sich wandelt. Mojo Juju & The
Snake Oil Merchants können das
kaum verheimlichen: Ihr Jazz Noir
(oder wie soll man diese Musik aus
Reno Jack The Bear - Lightning
Swing, Jazz, Musette, Tango und
Fried
Soundtrack eigentlich nennen?)
In den letzten 50 Jahren hat Reno
klingt gleichzeitig nach düsteren
Jack schon auf diversen Platten mitFlüsterkneipen der 30er Jahre, nach
gespielt. Aber erst jetzt veröffentPunkschuppen Ende der 70er und
licht er sein erstes eigenes Album.
nach wilden Parties irgendwann in
„Lightning Fried“ (produziert von
der letzten Woche: Zeitlos ist das im
Reno Jack, Sunday Wilde und
besten Wortsinne. Und Stücke wie
Rusty McCarthy), ist eine Mixtur
„Transient Being“ oder der wilde
aus Blues, Country und Rockabilly,
„Scat Song“ sind wilder und deftibei der der Songwriter unter ande-
P L AT T E N
rem von Watermelon Slim, Rusty
McCarthy, Robert Hiughes und
Janelle Frost begleitet wird.
Schneidend rauh und gleichzeitig
sanft kommt diese Stimme daher.
Und die Geschichten, die Reno
Jack erzählt, sind auch nicht die
alltägliche Radiokost (auch nicht
bei Country- oder Bluessendern im
Internet): Es geht um den Irrsinn
des Internetzeitalters ebenso wie
um die Wirkungen von Salz auf
den menschlichen Körper, um die
Zerstörungen, die ein Tornado anrichten kann wie um Marotten der
heutigen Gesellschaft. Reno Jack
will zum Denken anregen. Und das
gelingt ihm mit seinen Liedern auf
jeden Fall.
Zwischendurch spielt er auf
„Lightning Fried“ auch noch paar
seiner Lieblingssongs, etwa „Trying
To Get To You“ von Elvis, Arthur
Alexanders „Baby This Baby That“
oder Herald Nix‘ „Such A Funny
Little Thing“. Mit letzterem hatte
er schon in den 80ern Rockabilly
gespielt und in Vancouver gar ein
Konzert von The Clash eröffnet.
Vom Cowpunk der 80er und 90er
hört man jetzt allerdings weniger: Eher kann man schon eine gewisse Altersweisheit in Renos Songs
hören. Ja, Reno Jack hat beides zu
bieten: Country und Western, aber
auch Blues, Folk und etwas Jazz
sind zu hören. Aber vor allem ist
er ein großartiger und meist relaxter Geschichtenerzähler, dem mit
„Lightning Fried“ ein tolles Album
gelungen ist. (Hwy 11 Records)
Nathan Nörgel
Ron Hacker & The Hacksaws
- Goin‘ Down Howlin‘
Um es gleich vorwegzunehmen,
der 1945 geborene Ron Hacker ist
für mich einer der überzeugendsten und ehrlichsten Blueser unserer
Zeit. Der seit langen Jahren in San
Francisco ansässige Slide Virtuose
wird nicht umsonst als der „White
Trash Blues Man“ bezeichnet. Er
benennt in seinen Texten deutlich,
was ihn und seine Mitmenschen berührt und scheut sich nicht vor klaren Aussagen.
Auch bei ihm kann das Baby mal
gehen oder der Whisky zu gut
schmecken, das sind aber nicht seine
Themen. Überzeugen kann man
sich davon auf den mittlerweile (mir
bekannten) sieben Alben, die er teils
als Ron Hacker oder Ron Hacker &
The Hacksaws eingespielt hat.
Den Freunden der etwas härteren Gangart seien besonders die
Alben „Back Door Man“ (2000)
und „Burnin‘„ (2003) empfohlen. Für Freunde von Club- und
Soloauftritten sind die Alben „Mr.
Bad Boy“ (2007) und „Live in San
Francisco“ (2012) ein Muß.
Ron ist bei sämtlichen großen West
Coast Festivals einschließlich des
Monterey Jazz Festivals sowie in
55
Europa (auch in Deutschland) aufgetreten. Leider hat es bei uns noch
nicht den großen Durchbruch gegeben - Ron Hacker ist unverändert
ein Geheimtipp.
Hoffentlich ändert seine gerade
erschienene CD „Goin‘ Down
Howlin‘„ etwas daran. Ron Hacker
(guit., voc.) und seine Hacksaws
Artis Joyce (bass) und Ronnie Smith
(drums) greifen überwiegend auf
große Songs der Bluesmusik zurück. Ron steuert mit dem Opener
„Evil Hearted Woman“ (akustisch)
und „Big Brown Eyes“ gelungene
Eigenkompositionen mit dem Zeug
zum Klasssiker bei.
Die anderen 9 Stücke wurden von
Little Walter („Hate to see you
go“), Sleepy John Estes („Ax sweet
Mama“), Jimmy Reed („Baby what
you want me to do“) und anderen geschrieben. Chuck Berry’s
„Nadine“ ist ebenso vertreten wie
Chester Burnett’s „Howling for my
Darling“.
Ron Hacker präsentiert eine
stimmige Mischung aus
Eigenkompositionen und bekannten Songs auf seine sehr eigene,
mitreißende Art. Hacker ist ein gestandener, gereifter Musiker jenseits des Mainstreams und jeglicher Profilneurose. Ihm zuzuhören
ist ein großes Erlebnis, ihn live zu
erleben, einer meiner bislang unerfüllten Wünsche. (Hacksaw Music/
Bear Family)
Bernd Kreikmann
Wasser-Prawda | März 2015
56
P L AT T E N
Shou n‘ Red – Introducing
„Introducing“ ist genau das: Eine
Einführung eines neuen Gesichts
in der skandinavischen Bluesszene.
Felicia Nielsen aka Shoutin‘ Red
kommt aus Schweden, eine neue,
junge Performerin mit einem
Debütalbum, das mit zwölf Songs
traditionellen Blues der 1930er
Jahre mit einigen Folk-Standards
vereint.
Red wird bereits ziemlich prominent in der dynamischen BluesSzene Schwedens mit Auftritten
bei Festivals und anderen Gigs.
Und mit diesem interessanten, frischen Album sollte sie auch jenseits des Baltikums einen größeren
Hörerkreis gewinnen.
Die Tracks umfassen beispielsweise Tom Dicksons „Labour
Blues“, „When The Levee Breacks“,
„Hesitation Blues“, Willie McTells
Klassiker „Statesboro Blues, den
„Millman Blues“ von Bily Bird, den
„Crazy Blues“ von Perry Bradford
(ein guter und starker Opener!= und
John Hurts „Frankie and Albert“.
Schon von Anfang an ist klar,
woher der Name „Shoutin“ kommt:
Nielsons Stimme hämmert die
Texte förmlich heraus zu einem
passenden Spiel auf der akustiWasser-Prawda | März 2015
schen Gitarre. Zeitweise errinnert
der Gesang an Rory Block, eine andere tolle Bluessängerin mit starker
Stimme und positiver Ausstrahlung.
Auch wenn Reds Gitarrenspiel noch
die Höhen von Blocks Picking erreichen muss, gibt es doch hier
deutliche Anzeichen für eine
Weiterentwicklung in der nächsten
Zeit. Mit emotionaler und enthusiastischer Unterstützung eines weiteren Paars von Schwedens bekannteren Spielern, die an ihre Chance
in der großen, böden Blueswelt
glauben – Brian Kramer und Sofie
Reed – sieht es so aus, als würde
Shoutin Red bald nur noch wenig
Vorstellung in nächster Zeit brauche. Wenn es eine Schwäche bei diesem Album gibt, liegt sie am ehesten
bei dem Folk-Material, das hier zum
größten Teil unnötig ist. Insgesamt:
Eine neue Stimme, die es wert ist,
entdeckt zu werden und ein mehr
als annehmbares erstes Album.
(Rootsy 117)
Iain Patience
Various - Movements Vol. 7
Tramp Records fordert wieder zum
Tanz auf. Teil sieben der Reihe
Movements ist wieder randvoll mit
jazzigen, souligen und funkigen
Grooves aus Vergangenheit und
Gegenwart.
Wo bekommt Tobias Kirmayer
nur immer diese wundervollen Songs her? Bobby Wade etwa
macht aus T-Bone-Walkers „Stormy
Monday Blues“ eine dahinjahgende
Soulnummer. „California Dreamin“
wird mit der Orgel des Nu Art
Quartett zu einer eleganten BarJazz-Nummer. Und Al Jarreau dreht
völlig frei bei seiner Vokalarkustik
zu Dave Brubecks „Take Five“.
Das sind einfach so tolle Stücke,
die jedes für sich den Kauf wert
wären. Und auch die „Neulinge“
der Eminent Stars (eine der tollsten Neuentdeckungen des Labels
im letzten Jahr) passen mit ihrem
„Hearts Are Jumping“ genau in die
Mixtur.
Wer auf der Suche nach dem
Tanzalbum des Frühlings ist Movements 7 könnte genau der
richtige Kauf sein. Jedenfalls dann,
wenn man nicht gerade nach Musik
für den gepflegten Discofox sucht.
Aber die Fans dieser Musik lesen
meine Empfehlungen ja eher selten. (Tramp Records)
Raimund Nitzsche
58
F E U I L LTO N
E S IST 2015 UND W I R
S PR ECHE N ÜBER S CHWA R Z E
UND WE ISSE HAU T. WA R U M ?
VON GARY BURNETT
Ich habe mir letztens den Film
„Selma“ angeschaut. Er ist einfach
gesagt herausragend - absolut
fesselnd, aber ebenso auch
inspirierend und herausfordernd.
Aufstieg der Bürgerrechtsbewegung in den Vereinigten
Staaten in den 50er und 60er Jahren geführt hat, ist es
ein Film, den jeder gesehen haben sollte.
Nicht zuletzt auch deshalb, weil der Rassismus eindeutig nicht verschwunden ist in den USA und auch nicht
in Europa. Gerade in dieser Woche wurde ein Franzose,
Der Film funktioniert auf einer Vielzahl von Ebenen, der von der Arbeit nach Hause kam, von einer Gruppe
zu der auch die gehört, uns einen faszinierenden Blick englischer Fußballfans in der Metro misshandelt. Er
auf Martin Luther King Jr. zu bieten. Schon allein weil wurde aus dem Zug geworfen und verbal angegriffen
er uns an den brutalen Rassismus erinnert, der zum
Wasser-Prawda | März 2015
F E U I L LTO N
mit rassistischen Gesängen. Der Vorfall wurde mit
einem Mobiltelefon aufgenommen und weit verteilt.
Das Opfer, Souleymane, der nicht will, dass man seinen
Nachnamen kennt, sagte: „Es ist 2015 und wir sprechen
über schwarze und weiße Haut. Warum?“
In der Tat: Warum? Immer noch begleitet der Rassismus
unsere Gesellschaften. In einem erzählenden Artikel im
Guardian berichtet Chris Amade: „Eine Woche nachdem
Barack Obama zum Präsidenten gewählt worden war,
ging ich in die Bar in meiner alten Heimatstadt in
Zentral-Florida und bekam zu hören: Wenn ein Nigger
Präsident werden kann, dann kann ich auch noch einen
trinken. Reich mir doch gleich noch nen Whiskey! Ich
war nur einen Tag in der Stadt und dachte: Verdammter
Süden.“
Frau Arnade arbeitet an der Wall Street in New York
City, erkennt aber selbst dort, dass „die arme Seite der
59
Stadt in New York noch immer fast komplett dunkelhäutig ist.“ Sie weist darauf hin, dass Amerika die
Geschichten von Schwarzen und Hispanics feiert, die es
geschaff t haben. Die, die es geschaff t haben machen es
den Leuten möglich, die anderen zu vergessen, die nicht
in der Lage sind, die schlechten Chancen und all die
Dinge zu überwinden, die sich ihnen in Nachbarschaften
voller Armut, Arbeitslosigkeit, Verbrechen und Drogen
entgegen stellen.
„Gegangen ist der offene, gewalttätige und legale
Rassismus meiner Kindheit“, sagt sie „Er wurde ersetzt
von eine wesentlich subtileren Version.“ Aber vielleicht
ist sie gar nicht so subtil: Schwarze Demographen
weisen darauf hin, dass über 28 Prozent der schwarzen
Familien in Armut leben, verglichen zu den ungefähr 12
Prozent über alle Rassen, dass Schwarze dreimal häufiger von Polizisten angehalten und durchsuchtwerden
Wasser-Prawda | März 2015
60
F E U I L LTO N
als Weiße. Und sie machen 38 Prozent der Bevölkerung
in den Gefängnissen aus, obwohl sie nur 13 Prozent der
Bevölkerung ausmachen. Und wir haben noch gar nicht
angefangen, die jüngsten Ereignisse in Ferguson oder
New York City zu diskutieren.
Der Song, der während des Abspanns von Selma läuft,
ist „Glory“, gesungen von Common und John Legend.
Es verursacht einem Gänsehaut, wie es nach vorn zu
einem Tag ohne Rassismus und Ungerechtigkeit schaut:
One day, when the glory comes
It will be ours, it will be ours
Oh, one day, when the war is one
Faszinierend die Worte: „Ein Sohn starb, sein Geist
besucht uns.“ Das ist ganz klar ein Hinweis auf Martin
Luther King und seine noch immer andauernde
Inspiration im fortgesetzten Kampf gegen Rassismus.
Man kann es aber in diesem Kontext auf auf Jesus beziehen, der gesagt hat: „Selig sind, die hungern und dürsten
nach Gerechtigkeit“, und der in seiner Zeit durch die
Hände eines Unterdrückerregime gestorben ist, um
einen neuen Tag des Friedens und der Gerechtigkeit zu
bringen. Sein Geist ist da, um all diese zu inspirieren
und zu stärken, die seinen Weg des Friedens und der
Suche nach Gerechtigkeit gehen wollen.
Ich war sehr ergriffen von den Worten von Martin
Luther Kings in einer seiner Reden in Selma:
“A man dies when he refuses to stand
up for that which is right
A man dies when he refuses to stand
up for justice
A man dies when he refuses to stand
up for the truth.”
Das sind Worte, die inspiriert sind von Kings Verständnis
der Bibel und von Jesus. David Oyelowo, der King in
dem Film so überzeugend spielt, sagt über ihn: „Das war
ein Man, der von seinen Überzeugungen angetrieben
wurde. Jeder, der diese Reden erlebt hat, kann bestätigen, dass da durch diesen Mann mehr geflossen ist als
nur Intellekt. Da ist ein tiefer spiritueller Antrieb in ihm,
der will, dass alle Menschen Gerechtigkeit erfahren…
Ich teile seinen Glauben. Als Christ weiß ich, wie es ist,
Wasser-Prawda | März 2015
wenn man durch mehr als seine eigenen intelligenten
Gedanken ergriffen wird.“
Kings Worte sind eine Herausforderung an uns
alle, ob wir glauben oder nicht: In einer Welt voller
Ungerechtigeit, wie werden ihr und ich aufstehen für
Gerechtigkeit, für Frieden, für Wahrheit und für das,
was richtig ist?
F E U I L LTO N
61
L ITER ATUR A BC : C W I E
COMIC S & C A RTOONS
die Textfragmente den Charakteren zu. Die Frage, ob
Comics und Cartoons zur Literatur gehören, steht schon
lange im Raum. Die FAZ hatte sich diesem Thema angeund Comics sind für Nerds! Das
nommen und eine Rubrik eingeführt mit dem Titel:
„Klassiker der Comic-Literatur“. Ziel war es Comics als
nimmt man allgemein an.
Literatur zu etablieren und sie aus ihrer Nische herausDabei sind Cartoons im ursprünglichen Sinne durch zuholen. Ob das gelungen ist, bleibt zu urteilen, da sich
eine komische oder satirische Note geprägt und sollten doch noch viele Klischees um Comics und Cartoons
mit einer Pointe enden. Also doch gar nicht nur halten. Sie werden weiterhin als ‚Literatur‘ für kleine
Kinderkram…
und große Kinder angesehen.
Der Definition nach sind Cartoons eine Unterart der
Comics. Ihre Gemeinsamkeiten sind offensichtlich:
mehr Bild als Text, und Denk- oder Sprechblasen ordnen
Cartoons sind etwas für Kinder
Wasser-Prawda | März 2015
62
BÜCHER
K LEINE FRÜHJAHR S S CHM ÖK E R E I
VON RAIMUND NITZSCHE
ex Machina der russische Gangster auf? Der Wechsel
hin zu einem Gangsterplot bekommt dem Buch überhaupt nicht – diese Wendung ist derartig unglaubwürdig, dass man sich als mitdenkender Leser verarscht vorkommen muss. Schade drum!
Martell Beigang: Viel Lärm um mich
Europa Verlag Zürich 2015
ISBN: 978-3906272269
€ 18,00
Martell Beigang: Viel Lärm um mich
Was macht man als Rockgitarrist, wenn das Gehör
nicht mitspielen will? Erst hatte Sebastian, Gitarrist bei
Voodoo Psycho lediglich ein nervenzerfetzendes Pfeifen
im Ohr. Doch nach einer experimentellen Behandlung
hört er plötzlich alles überlaut. Schluss mit „Lautstärke
ist Sex“, was er im Interview gesagt hat. Schluss mit dem
Leben in der Großstadt. Vielleicht bringt ja die Flucht
in die Einsamkeit des Gebirge Erholung? Doch noch
mehr hoff t er, die Frau zu der Stimme zu finden, in die
er sich bei der Telefonauskunft verliebt hat.
Martell Beigang, Schlagzeuger bei m. walking on
the water und Dick Brave & The Backbeats hat
mit „Viel Lärm um mich“ einen flott geschriebenen Unterhaltungsroman veröffentlicht. Gerade die
Vergleiche zwischen dem unbewussten Lärmpegel der
Stadt und der für Städter unfassbaren Stille weit oben
in den Bergen des Nationalparks Bayrischer Wald ist
faszinierend zu lesen. Auch die Bemerkungen über
das Rockerleben zwischen Bühnenextase, Groupies,
Tourbuslangeweile und Kreativgezänk sind amüsant
zu lesen.
Doch leider vertraute der Autor seinem Plot nicht wirklich. Denn warum sonst taucht plötzlich wie der Deus
Wasser-Prawda | März 2015
Inger-Maria Mahlke: Wie Ihr wollt
Verbittert lebt sie im Hausarrest. Und nichts kann sie
dagegen tun. Denn Elisabeth I. hat Mary Gray die unerlaubte Eheschließung nicht verziehen. Zu groß wäre die
Gefahr, dass plötzlich doch noch Erben auftauchten, die
die Thronfolge durcheinander bringen.
Es ist kein historischer Roman, den Inger-Maria Mahlke
hier zu Papier gebracht hat. Die historische Konstellation
ist für sie lediglich die Folie, auf der sie den unerbittlichen Machtkampf zweier Frauen schildert. In bitterbösen Formulierungen lässt sie die kleinwüchsige
Mary Grey Bilanz ziehen über ein völlig verpfuschtes
Leben. In einer höchst modernen Sprache schreibt sie
über die Ränkespiele damals, über Intrigen, den Kampf
BÜCHER
um Macht und Einfluss und über eine völlig verloren
gegangene Moral. Bei Mahlke gibt es keine positiven
Heldenfiguren, weder Glanz noch Gloria, nur Gier,
Verfall und Verbitterung. Und diese Schilderungen
passen nicht nur auf das elisabethanische Zeitalter in
England sondern letztlich auch auf das 21. Jahrhundert.
Denn auch wenn heute andere Ziele für Machtgierige
vorhanden sind als die Nähe zum Königshof und dessen
Familienclan: Wo der eigene Anspruch aufs private
Glück verwechselt wird mit dem Streben nach persönlicher Macht, wo Liebe keine Rolle zu spielen scheint
und Sex nur dem Ausbau der persönlichen Netzwerke,
da sind wir nahe dran an dieser von Mahlke treffend
düster gezeichneten Welt.
Inger-Maria Mahlke: Wie Ihr wollt
Berlin Verlag 2015
ISBN: 978-3827012135
€ 19,99
John Grisham: Anklage
Nachdem John Grisham zuletzt mit „Die Erbin“ an
sein Frühwerk und die Auseinandersetzung um den
Rassismus angeknüpft hatte, ist er bei seimem 27. Buch
wieder in der Gegenwart der Vereinigten Staaten angekommen. „Anklage“ (im englischen Original: Gray
Mountain) setzt sich mit den verheerenden ökologischen und sozialen Folgen des Kohletagebaus in den
Appalachen auseinander.
Aus den Romanen von John Grisham hab ich in den
letzten Jahren mehr über die Mentalität und letztlich
63
auch die Realität der Vereinigten Staaten gelernt als
in ach so gut recherchierten Reportagen europäischer
Journalisten. Vor allem in den letzten Jahren hat sich der
Bestseller-Autor immer mehr zu einem scharfen Kritiker
des Rechtssystems der USA entwickelt. Und das hat er
in spannende und unterhaltsame Romane verpackt, die
zum Besten gehören, was es an Justizthrillern derzeit zu
kaufen gibt.
Samantha, von ihrer großen New Yorker Anwaltskanzlei
nach der Pleite der Lehman-Brothers für ein Jahr freigestellt, landet bei den Hinterwäldlern, um kostenlos in
einer „Law Clinic“ auszuhelfen. So richtig kann sie sich
nicht mit ihrer neuen Situatin anfreunden - auch wenn
sie voller Erstaunen feststellt, dass sie, die sonst lediglich Schriftsätze in ihrer Firma gegenlesen und prüfen
musste, plötzlich ganz reale Fälle auch vor Gericht vertreten kann. Das Leben fern der Großstadt allerdings
entwickelt für sie überhaupt keinen Reiz. Und auch als
sie sich für Opfer des Kohletagebaus einsetzt und damit
plötzlich unter Beobachtung mysteriöser Firmen steht,
ist sie kaum wirklich aus der Reserve zu locken.
„Anklage“ ist als Roman eine herbe Enttäuschung. Das
Thema des Kohletagebaus und seine Auswirkungen auf
die Natur in den Appalachen wird in aller technischen
Ausführlichkeit geschildert. Und auch die Folgen für die
von Umweltvergiftung oder Staublungen geschädigten
Bewohner des Gebirges werden dargestellt. Doch eine
wirklich überzeugende Geschichte wird daraus nicht.
Nein: in dem Moment, wo die eigentliche Entwicklung
der Heldin und der Geschichte sich andeutet, bricht der
Roman unvermittelt ab. So was hab ich bei Grisham
noch nie erleben müssen: Ein wirklich absolut missratenes Buch!
John Grisham: Anklage
Originaltitel: Gray Mountain
Aus dem Amerikanischen übersetzt von Kristiana DornRuhl, Bea Reiter und Imke Walsh-Araya
Heyne Verlag 2015
ISBN: 978-3453269095
€ 22,99
Wasser-Prawda | März 2015
64
SPRACHRAUM
In der Gedenkstätte Ravensbrück trifft
die Enkelin von Danuta Sombrowicz auf
einen Fürstenberger Historiker. Dani,
deren Baba im Konzentrationslager
die eigene Identität aufgeben musste,
und Simon, dessen Großvater einst
den Lagerkommandanten die Haare
schnitt, kommen sich auf ihrem Weg
durch die Geschichte näher. Zwei
Generationen später findet etwas
zusammen, was lange nicht zusammen gedacht werden konnte.
Wasser-Prawda | März 2015
Uwe Saeger: Gott in Ketten. Ein Film
Erscheinungstermin: 17. April 2015
freiraum-verlag Greifswald
114 Seiten; Softcover
ISBN: 978-3-943672-59-6
13,95 EUR (D)
SPRACHRAUM
65
GO T T I N KE T TE N . E I N
F ILM (A U S Z Ü GE )
VON UWE SAEGER
12
Danuta Sombrowicz auf der Terrasse ihre Wohnung.
Sie blickt auf den Stettiner Hafen – ein Panorama der
Weltläufigkeit. Sie legt das schnurlose Telefon griff bereit
auf dem Tisch vor sich ab. Sie hält ihr Gesicht in die Sonne,
schließt die Augen, wischt über die Lider, als
würde ein feines Gespinst ihr dort lästig sein.
Rückblende
Ein ähnlicher schöner Sommertag. Der Transportzug,
mit dem die achtzehnjährige Danuta Sombrowicz nach
Ravensbrück verbracht wird, fährt in den Bahnhof ein, ist
im Abbremsen begriffen. Danuta blickt aus dem Fenster,
sieht das aufgestellte Wachpersonal und die SS-Leute, die
kläffenden Schäferhunde und im Hintergrund einige Gaffer
aus Fürstenberg.
Der Zug hält. Die Türen werden von außen aufgerissen
und das Gebrüll beginnt. Danuta wird mit den anderen
Häftlingsfrauen aus dem Waggon getrieben. Es wird geschlagen und getreten. Die wütend gemachten Hunde sind mit
ihren Mäulern immer nah dran am Fleisch der Frauen.
Über sechshundert Frauen werden so auf dem Bahnsteig
zu einer Kolonne in Fünferreihen formiert. Panik wird
mit Terror erledigt, genauso Schwäche, Weigerungen,
Unkonzentriertheiten.
Danuta erhält von einer Aufseherin einen Schlag auf den
Rücken und wird beinahe zu Boden getreten, weil die Szene,
die sie mit ansehen muss, sie lähmt in ihrer widerlich brutalen Art. Sie hat in der Hektik nicht mitbekommen, in welche
Richtung sie selektiert wurde, nun aber blickt sie zurück
und sieht: Vor den SS-Leuten, die die Häftlinge selektieren,
stehen eine Mutter und ihre Tochter eng umschlungen, sie
wollen sich nicht trennen, was ihnen aber die Aufseherin
Binz befiehlt – sie befiehlt es und schlägt zu, aber Mutter
und Tochter lassen nicht von einander, die Tochter schreit
„Mama! Mama!“, die Mutter weint, bleibt aber stumm,
streicht ihrer Tochter das Haar. Da kommt der zweite Befehl
der Aufseherin: „Auseinander!“ Und ein Schlag zwischen
die beiden und ein Zerren, das sie auseinanderbringt. Die
Mutter stolpert zur Seite. Die Tochter schreit wieder „Mama!
Nein!“, will der Mutter nach, will mit ihr zusammenbleiben. Doch da stößt die Aufseherin die Tochter zu Boden,
tritt sie nieder, trampelt auf ihr rum, bringt das Kind vor
den Augen der Mutter mit ihren Tritten um. Das wird von
den Aufseherinnen und den SS-Leuten ohne Regung geduldet, ihr Geschäft ist die Selektion und der Marsch ins Lager
Ravensbrück. Und den Häftlingsfrauen bleiben nur das
Entsetzen und das Sich-Fügen, es geht für sie ums eigene
Überleben.
Der Marsch vom Bahnhof Fürstenberg ins Lager
Ravensbrück. Durch Fürstenberg. Es stehen einige
Fürstenberger Spalier. „Was sind das für Menschen?“, fragt
ein vielleicht fünfjähriges Mädchen einen alten Mann, der
es bei der Hand hält, es mag ihr Großvater sein. Der winkt
ab. Aber eine Frau, die neben ihm steht, antwortet dem
Mädchen: „Das sind Verräter, Verbrecher und Huren, das
sind unsere Feinde.“
Danuta marschiert in der äußeren Reihe der
Fünferformation an dem Mädchen vorbei. Und das Mädchen
weist auf sie und fragt: „Ist das eine Hure?“ Der alte Mann
zieht das Mädchen zurück, womöglich schämt er sich?
Danuta, die das Mädchen gehört hat, stolpert. Sofort wird
sie von einem Hund angebellt und angesprungen, dem die
Aufseherin dafür mehr Leine gibt. Und die Frau sagt: „Das
sind alles Huren. Das sind alles Verbrecher.“ Danuta passt
sich verängstigt in den Gleichschritt der Kolonne.
Die Kolonne marschiert durch das Tor ins Lager
Ravensbrück. Aus dem Schlot des Krematoriums quillt
Rauch, der vom Wind auf die Lagerstraße gedrückt wird.
Und so, wie die ersten Füße auf den staubigen Schlackebelag
der Lagerstraße gesetzt werden, wirbelt der trockene schwarze
Staub auf und hüllt die Kolonne bis über die Köpfe ein. Die
Häftlingskolonne im Stillgestanden. Der Staub wird durch
den Wind verweht und in Wirbeln über den Boden getrieben.
Danuta wird von einer Aufseherin mit einem Stoß in
Wasser-Prawda | März 2015
66
SPRACHRAUM
die Seite zu aufrechter Haltung gezwungen. Gespräche mit
anderen Häftlingen werden sofort unterbunden – das einzige,
was sie verbindet, ist das Entsetzen.
Der Lagerkommandant Fritz Suhren, flankiert von
seinen Chargen, tritt vor die angetretenen Häftlinge.
Seine Aussage ist zynisch und er will das Ganze schnell
hinter sich bringen.
KOMMANDANT SUHREN:
Es gefällt euch hier. Das ist verständlich.
Die Unruhe unter den Häftlingsfrauen wird von den
Aufseherinnen niedergebrüllt, niedergeschlagen, niedergehetzt. Suhren beobachtet mit beifälliger Miene.
KOMMANDANT SUHREN:
Aber ich habe für einige von euch noch Besseres.
Saubere Luft. Schönere Unterkünfte. Und eine
Arbeit, die eurer Natur entspricht. Und diejenige von euch, die ein halbes Jahr lang ohne
Beanstandung erfüllt, kriegt ihre Papiere und
ist frei. – Also! Freiwillige vortreten!
Danuta blickt scheu um sich – sie reflektiert, dass sie
nichts zu verlieren hat, stellt vorsichtig einen Fuß vor.
Da wird ihr zugeflüstert:
Tu’s nicht. Das ist eine Finte. Besser ist’s
nirgendwo.
Danuta will darauf reagieren. Aber schon ist eine
Aufseherin bei ihr und drückt Danuta einen Schlagstock
an den Hals.
rempelt die Aufseherin dabei an.
DANUTA:
Ich! Ich melde mich freiwillig.
Und da steht Danuta einsam vor den anderen im
Kreuzfeuer der Blicke und im Staub, der um ihre Füße
gewirbelt wird. Für den Moment Stille. Noch eine weitere
junge Frau tritt vor. Der Kommandant Suhren winkt, dass die
drei Frauen zur Seite abgehen sollen, wo sich zwei SS-Leute
postieren, um die „Freiwilligen“ zu empfangen. Es folgt den
dreien noch eine Frau nach. Als sie an den SS-Leuten vorbeigehen, stoppt einer Danuta.
SS-MANN:
DANUTA:
SS-MANN:
DANUTA:
Wie alt?
Neunzehn.
Hast du Erfahrung?
gespielt selbstbewusst Ich bin neunzehn.
Der SS-Mann zuckt mit den Schultern, winkt sie weiter.
Danuta geht weiter, die anderen „Freiwilligen“ sind nun
vor ihr. Sie blickt auf die Lagerstrasse zurück. Eine Böe
wirbelt den Staub über die Angetretenen, verhüllt sie.
13
Danuta sitzt noch immer auf der Terrasse. Und noch immer
hält sie die Augen geschlossen. Mit einer Hand tastet sie über
ihr Gesicht. Das schnurlose Telefon klingelt. Danuta öffnet
wie in einem heftigen Erwachen die Augen, greift nach dem
Telefon, stößt es vom Tisch auf den Boden. Das Telefon klingelt. Danuta hat Mühe, es aufzuheben. Ihre Stimme klingt
angestrengt.
DANUTA: Hallo!
Dani in der Bibliothek der Gedenkstätte. Auf dem Tisch
vor ihr liegen Bücher, Fotos, Aktenauszüge. Sie hat das
Handy am Ohr, durch das Fenster hat sie den Blick auf
juckt’s? Welche will was zwischen die Zähne? noch erhaltene Gebäude aus der Lagerzeit.
Sie schlägt unbedacht und nicht sonderlich kräftig
nach den Seiten. Inzwischen ist eine einzelne
DANI:
Baba? – Endlich. Das dauerte ja ewig, bis du am
Frau vorgetreten, die vom Aussehen und Alter
Telefon warst. – Was heißt das konkret, es geht dir
das Gegenteil von Danuta ist, die trotz der phynicht gut? – Soll ich zu dir kommen?
sischen Strapazen und seelischen Peinigungen
noch immer ihre jungmädchenhafte Ausstrahlung Danuta ist aufgestanden, geht mit ihrer Gehhilfe in die
Wohnung zurück.
besitzt.
Zu Danuta: Dich merke ich mir vor. Sie schlägt
DANUTA:
Nein. So schlimm ist es nicht. Ich bin eben eine
den Stock pfeifend vor Danuta durch die Luft.
sehr alte Frau. – Was gibt es?
Und ich habe noch nie ein Gesicht vergessen.
DANI: Sag mal, Baba!
Und also vergesse ich auch deins nicht. Auch
Sie schiebt die Papiere auf dem Tisch durcheinanwenn du hier in einer Stunde nur noch eine
der. Kann es sein, dass es damals hier im Lager
Nummer sein wirst.
noch eine Danuta Sombrowicz gab?
Da tritt Danuta schnell vor, reißt einen Arm hoch,
Sie horcht, es kommt keine Antwort.
AUFSEHERIN:
Was gibt’s? Zu den anderen Frauen ringsum: Wen
Wasser-Prawda | März 2015
SPRACHRAUM
Baba! Hast du gehört, was ich gefragt habe?
DANUTA:
Was hast du gesagt? Sie setzt sich, hört auf das,
was Dani sagt, und streicht mit der freien Hand
67
Nacht.
FRAU: wie erschrocken Was?
ihre Beine dort, wo die Narben sind unter dem
Stoff. Resolut: Nein. Nein. Das ist ausgeschlossen. Nein.
DANI: nicht so entschieden wie Danuta
Woher willst du das so genau wissen? Warum
sollte das nicht möglich gewesen sein? Es
waren zigtausende Frauen hier. Und es gibt
Unterlagen …
DANUTA:
Nein. Sie legt das Telefon zur Seite, greift mit beiden
Händen in das Fleisch an ihren Beinen, als wolle,
als müsse sie es sich von den Knochen reißen. Sie
hört Danis Stimme aus dem Telefon, aber darauf
reagiert sie nicht mehr.
Dani legt das Handy irritiert ab. Was sie vor dem Fenster
sieht, das Gedenkstättenambiente, verärgert sie. Sie
schiebt, was vor ihr auf dem Tisch liegt zusammen,
schlägt die Hände darauf.
Die Frau, die Aufsicht hat, blickt zu ihr, sagt:
FRAU:
Vorsicht, bitte! Das sind Dokumente von
historischem Wert.
Dani blickt die Frau an, fragt provokant:
DANI:
Was ist ein historischer Wert?
Die Frau ist überrumpelt, weiß nichts zu antworten.
Dani bleibt in ihrer gespielt naiven Haltung.
DANI:
Was ist an einem Eintrag in einer Sterbeliste des
Frauenkonzentrationslagers Ravensbrück vom
31. März 1945, der vermerkt, dass Danuta
Sombrowicz an einer Lungenentzündung verstorben sei, ein historischer Wert?
FRAU: nun sofort
Sie sollten nicht scherzen mit den tragischen
Schicksalen und den Namen dieser bedauernswerten Frauen.
Dani geht auf die Frau zu, steckt dabei ihr Handy ein.
Dani bricht die Situation mit einem Celan-Zitat, das
wie ein Axthieb wirken mag:
Lesetermine Uwe Saeger
17.04. Kulturspeicher Ueckermünde 8 €
25.04. Literaturzentrum Vorpommern 5/3 €
28.04. Literaturhaus Rostock 7/5 €
DANI:
Im Spätrot schlafen die Namen: Einen weckt deine
Wasser-Prawda | März 2015
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SPRACHRAUM
DIE VOGELFREIEN
VON SELMA LAGERLÖF
Ein Bauer, der einen Mönch ermordet hatte, floh in
die Wälder und wurde geächtet. Er traf dort einen
anderen Vogelfreien an, einen Fischer von den äußersten Inseln in den Schären, der wegen Diebstahls eines
Heringsnetzes angeklagt war. Die beiden taten sich
zusammen, wohnten in einer Höhle, legten Schlingen,
schnitzten sich Pfeile, backten Brot auf einem flachen
Granitblocke und wachten für einander. Der Bauer
verließ den Wald nie, doch der Fischer, der kein so
schweres Verbrechen begangen hatte, nahm bisweilen
das erlegte Wildbret auf die Schulter und schlich sich in
die Wohnungen der Menschen. Dort vertauschte er den
schwarzen Auerhahn und das blauglänzende Birkhuhn,
den langohrigen Hasen und das zarte Reh gegen Milch
und Butter, Pfeilspitzen und Kleider. Hierdurch waren
die Vogelfreien imstande, ihr Leben zu fristen.
Die Höhle, in der sie wohnten, war in einen
Hügel gegraben. Breite Steinplatten und struppige
Schlehdornsträucher schützten den Eingang. Auf dem
Hügel stand eine riesengroße Fichte. An ihrer Wurzel war
der Rauchfang der Höhle. Der emporsteigende Rauch
zog durch die dichten, mit Nadeln besetzten Zweige und
verschwand unbemerkt in der Luft. Um ihre Wohnung
zu erreichen, wateten die Männer in dem Waldbache,
der am Abhange des Hügels entsprang. Keiner suchte in
dem munter rieselnden Bache die Spur der Friedlosen. –
Anfangs wurden sie wie wilde Tiere gehetzt. Die Bauern
versammelten sich wie zu einer Treibjagd auf Bären oder
Wölfe. Bogenschützen umringten den Wald. Speerträger
betraten ihn und ließen keine dunkle Kluft, kein dichtes
Gebüsch undurchsucht. Während die Treibjagd lärmend
über die Waldberge dahinzog, lagen die beiden Friedlosen
in ihrer dunklen Höhle und lauschten atemlos und vor
Entsetzen keuchend. Der Fischer hielt es einen ganzen
Tag aus, den Mörder aber trieb die unerträgliche Angst
in das Freie, wo er seinen Feind sehen konnte. Da wurde
er entdeckt und gehetzt, doch dies war ihm siebenmal
lieber als das Stilliegen in ohnmächtiger Untätigkeit. Er
Wasser-Prawda | März 2015
floh vor seinen Jägern, er glitt Abhänge hinunter, sprang
über Ströme, kletterte lotrechte Bergwände hinauf. Alle
in ihm liegende Kraft und seine ganze Geschicklichkeit
machte sich unter dem Sporne der Gefahr geltend. Sein
Körper wurde so elastisch wie eine Stahlfeder, der Fuß
glitt nicht ab, die Hand ließ nicht los, Auge und Ohr
waren doppelt so scharf wie gewöhnlich. Er verstand das
Flüstern des Laubes und die warnenden Rufe der Steine.
Wenn er einen Abhang erklommen, wandte er sich nach
seinen Verfolgern um, sie mit Spottliedern in beißenden Reimen begrüßend. Wenn die sausenden Speere
in der Luft pfiffen, griff er sie blitzschnell und schickte
sie seinen Feinden wieder. Wenn er sich durch die ihn
ins Gesicht schlagenden Zweige drängte, sang etwas in
seinem Innern ein Loblied auf sein Tun.
Da lief der kahle Bergrücken durch den Wald, und
einsam auf seinem Kamme stand die himmelhohe Föhre.
Der rötlich braune Stamm war kahl, doch in dem astreichen Gipfel schaukelte das Raubvogelnest. So überaus
mutig war nun der Flüchtling, daß er dort hinauf kletterte, während seine Verfolger ihn auf den bewaldeten
Abhängen suchten. Dort sah er, den jungen Habichten
den Hals umdrehend, indes die Hetzjagd tief unter ihm
dahinzog. Der Habicht und die Habichtin stießen rachgierig auf ihn hinab. Sie flatterten ihm vor dem Gesichte,
sie zielten mit dem Schnabel nach seinen Augen, schlugen ihn mit den Flügeln und kratzten ihm die wettergebräunte Haut blutig. Er kämpfte lachend mit ihnen.
Aufrecht in dem schwankenden Neste stehend, hieb
er mit seinem scharfen Messer nach ihnen und vergaß
über der Lust des Spieles die Lebensgefahr und die
Verfolger. Als er Zeit fand, sich nach diesen umzusehen, waren sie in einer andern Richtung fortgezogen.
Keiner hatte daran gedacht, die Jagdbeute auf dem
kahlen Bergrücken zu suchen. Keiner hatte die Augen
zu den Wolken erhoben, um ihn Knabenstreiche und
Nachtwandlertaten verüben zu sehen, während sein
Leben in größter Gefahr schwebte. Der Mann zitterte,
SPRACHRAUM
69
Prinz Eugen, Ansicht von Vadstena (1920)
als er sich gerettet sah. Mit bebenden Händen griff er
nach einer Stütze, schwindelnd maß er die Höhe, die
er erklettert. Und aus Angst vor dem Fallen stöhnend,
bange vor den Vögeln, bange vor der Möglichkeit,
gesehen zu werden, bange vor allem, glitt er am Stamm
hinunter. Er legte sich auf die Erde, um ungesehen zu
bleiben, und kroch über das Berggeröll dahin, bis ihm
das Unterholz Schutz gewährte. Dort verbarg er sich
unter den verworrenen Zweigen der jungen Fichten.
Schwach und kraftlos sank er auf das Moos nieder. Ein
einzelner Mann hätte ihn fangen können.
Tord war der Name des Fischers. Er war erst sechzehn
Jahre alt, aber stark und kühn. Er hatte schon ein Jahr im
Walde gelebt.
Der Bauer hieß Berg, mit dem Beinamen »der Riese«.
Er war der größte und stärkste Mann im ganzen Gaue,
dazu schön und gut gewachsen. Er war breitschultrig
und doch schlank. Seine Hände waren so fein gebildet,
als hätten sie sich nie an harter Arbeit versucht. Das
Haar war braun, das Gesicht aber zart gefärbt. Nachdem
er einige Zeit im Walde gelebt hatte, erhielt er in jeder
Hinsicht ein furchteinflößenderes Aussehen, als er sonst
gehabt. Sein Blick wurde stechend, die Augenbrauen
buschig, und die Muskeln, die sie zum Runzeln brachten, lagen fingerdick über der Nasenwurzel. Es trat auch
deutlicher als früher hervor, daß der obere Teil seiner
Athletenstirn über den untern vorgeschoben war. Die
Lippen schlossen sich jetzt fester als früher, das ganze
Gesicht wurde magerer, die Grübchen an den Schläfen
vertieften sich und die kräftig entwickelten Kinnbacken
traten deutlicher hervor. Sein Körper verlor an Fülle,
die Muskeln aber wurden stahlhart. Das Haar ergraute
schnell.
An diesem Manne konnte der junge Tord sich nicht
satt sehen. Etwas so Schönes und so Gewaltiges hatte er
Wasser-Prawda | März 2015
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SPRACHRAUM
noch nie erblickt. In seiner Phantasie stand er hoch wie
der Wald, stark wie die Brandung da. Er diente ihm wie
einem Herrn und verehrte ihn wie einen Gott. Es war
so natürlich, daß Tord den Jagdspeer trug, das Wildbret
heimschleppte, Wasser holte und Feuer anfachte. Berg
der Riese ließ sich alle seine Dienste gefallen, gönnte
ihm aber beinahe nie ein freundliches Wort. Er verachtete ihn, weil er ein Dieb war.
Die Friedlosen führten kein Räuber- oder
Weglagererleben, sondern ernährten sich durch
Fischfang und Jagd. Hätte Berg der Riese nicht einen
heiligen Mann erschlagen gehabt, würden die Bauern
bald mit der Verfolgung aufgehört und ihn oben in den
Bergen in Frieden gelassen haben. Doch nun fürchteten
sie großes Unheil für die Gegend, weil derjenige, welcher
Hand an einen Diener Gottes gelegt, noch ungestraft
umherging. Wenn Tord mit Wildbret ins Tal kam, boten
sie ihm Geld und Gut und Vergebung für sein eigenes
Verbrechen, falls er ihnen den Weg nach der Höhle des
Riesen zeige, damit sie diesen, während er schlief, greifen
könnten. Der Knabe sagte jedoch stets nein, und wenn
sich ihm jemand nach dem Walde hinauf nachschlich,
so führte er ihn so schlau in der Irre herum, daß er die
Verfolgung aufgab.
Einmal fragte ihn Berg, ob die Bauern ihn nicht zum
Verrate überreden wollten, und als er erfuhr, welche
Belohnung sie ihm versprochen hatten, sagte er höhnisch, daß Tord dumm sei, wenn er ein solches
Anerbieten nicht annehme.
Tord sah ihn da mit einem Blicke an, wie ihn Berg der
Riese noch nie gesehen hatte. So hatte ihn kein schönes
Weib in seiner Jugend, so hatten seine Kinder, seine
Gattin ihn nicht angeblickt. »Du bist mein Herr, der von
mir selbst erwählte Herrscher,« sagte der Blick. »Wisse,
daß du mich schlagen und schimpfen darfst, soviel du
willst. Ich bleibe dir doch treu!«
Von nun an gab Berg mehr acht auf den Knaben und
merkte, daß er Mut zum Handeln hatte, zum Reden
aber zu schüchtern war. Der Tod flößte ihm kein
Entsetzen ein. Wenn die Seen eben übergefroren oder
das Sumpfland im Frühlinge am gefährlichsten waren,
wenn sich die Schwankmoore unter reich blühenden
Moltebeeren und üppigem Wollgrase verbargen, schlug
er am liebsten den Weg über diese ein. Es schien ihm
Wasser-Prawda | März 2015
ein Bedürfnis zu sein, sich der Gefahr auszusetzen; er
fand darin gleichsam einen Ersatz für die Stürme und
das Grausen auf dem Meere, denen er jetzt nicht mehr
entgegenging. Nachts war er bange im Walde, und selbst
am hellen Tage konnte das dunkle Dickicht oder die
weitgreifenden Wurzeln einer umgestürzten Föhre ihn
erschrecken. Doch wenn Berg ihn darüber ausfragen
wollte, schwieg er verlegen.
Tord pflegte nicht auf dem hinten in der Höhle dicht
beim Herde aus weichem Moose und warmen Fellen
gebetteten Lager zu schlafen, sondern kroch allnächtlich,
sobald Berg eingeschlafen war, nach dem Eingange und
legte sich dort auf eine Steinplatte. Berg merkte dies und
fragte ihn, obwohl er den Grund erriet, was dies heißen
solle. Tord gab ihm hierüber keine Auskunft. Um dem
Fragen ein Ende zu machen, lag er zwei Nächte nicht
an der Tür, dann nahm er seinen Wachtposten wieder
ein. Eine Nacht, als der Schneesturm in den Wipfeln
des Waldes wirbelte und selbst durch das am besten vor
dem Winde geschützte Dickicht brauste, drangen die
tanzenden Schneeflocken in die Höhle der Friedlosen.
Tord, der vor dem von Steinen verdeckten Eingänge
lag, befand sich, als er am Morgen erwachte, mitten in
einer schmelzenden Schneewehe. Einige Tage darauf
erkrankte er. Die Lungen pfiffen, und wenn sie sich beim
Atmen erweiterten, empfand er stechende Schmerzen.
Er hielt sich aufrecht, solange es seine Kräfte erlaubten,
doch eines Abends, als er sich niederbeugte, um das
Feuer anzublasen, fiel er um und blieb liegen.
Berg trat zu ihm und bat ihn, sich auf sein Bett zu legen.
Tord stöhnte vor Schmerzen und war außerstande. sich
zu erheben. Berg schob da den Arm unter seinen Rücken
und trug ihn dahin. Er hatte dabei das Gefühl, als fasse er
eine feuchtkalte Schlange an, und einen Geschmack im
Munde, als hätte er von dem unheiligen Pferdefleische
gegessen, so zuwider war es ihm, diesen gemeinen Dieb
anzurühren.
Er deckte ihn mit seinem eigenen, großen Bärenfelle
zu und gab ihm Wasser, mehr konnte er nicht tun. Es
wurde auch nicht schlimm. Tord war bald wieder hergestellt. Doch dadurch, daß Berg seine Arbeit verrichten und ihn bedienen mußte, waren sie einander nähergetreten. Tord wagte nun, ihn anzureden, wenn er des
Abends in der Höhle Pfeile schnitzte.
SPRACHRAUM
»Du bist von guter Herkunft, Berg,« sagte Tord. »Die
Reichsten im Tale sind deine Verwandten. Die Männer
deines Stammes haben Königen gedient und in ihrer
Schildburg gestritten.«
»Meistens haben sie unter den Aufrührern gekämpft und
den Königen viel Schaden zugefügt,« erwiderte Berg.
»Deine Vorfahren hielten in der Weihnachtszeit große
Gelage, und das tatest auch du, als du auf deinem Hofe
saßest. Hunderte von Männern und Weibern konnten
auf den Bänken in deiner großen Halle, die schon
erbaut war, ehe Sankt Olaf hier in Viken [Fußnote]
taufte, Platz finden. Du besaßest uralte Silberschalen
und große Trinkhörner, die, mit Met gefüllt, im Kreise
herumgingen.«
Wieder mußte Berg den Knaben ansehen. Er saß mit
über den Rand herabhängenden Beinen aufrecht im
Bette und stützte den Kopf in die Hände, mit denen
er zugleich das wirre Haar, das ihm über die Augen
fallen wollte, zurückhielt. Das Gesicht war unter der
Verheerung der Krankheit fein und bleich geworden.
Die Augen glänzten noch fieberisch. Er lächelte über
die Bilder, die er heraufbeschworen: die geschmückte
Halle, die Silberschalen, die festlich gekleideten Gäste
und Berg den Riesen, in der Halle seiner Väter auf dem
Ehrenplatze sitzend. Der Bauer dachte, daß ihn noch
nie jemand mit solchen vor Bewunderung leuchtenden
Augen angesehen oder ihn in seinen Feierkleidern so
herrlich gefunden habe, wie ihn dieser Knabe in seinem
abgetragenen Lederwamse fand. Er war gerührt und
zugleich gereizt. Der gemeine Dieb hatte kein Recht,
ihn zu bewundern.
»Gab es in deinem Hause denn kein Gelage?« fragte er.
Tord lachte. »Draußen auf der Klippe bei Vater und
Mutter! Vater ist ja Wrackplünderer und Mutter eine
Hexe. Zu uns will niemand kommen.«
»Ist deine Mutter eine Hexe?«
»Das ist sie,« antwortete Tord ohne jegliche Verlegenheit.
»Bei stürmischem Wetter reitet sie auf einem Seehunde
den Schiffen entgegen, über welche die Sturzwellen hinspülen, und diejenigen, welche da über Bord gerissen
werden, gehören ihr.«
»Was macht sie damit?« fragte Berg.
»Oh, eine Hexe braucht stets Leichen. Sie kocht wohl
Salben davon oder ißt sie vielleicht auf. Während der
71
Mondscheinnächte sitzt sie draußen in der Brandung,
wo die Wellen am weißesten stürmen und der Schaum
über sie hinspritzt. Sie soll dort nach den Fingern und
Augen ertrunkener Kinder suchen.«
»Das ist scheußlich!« sagte Berg.
Der Knabe antwortete mit unbeschreiblicher Zuversicht:
»Bei andern wäre es das, aber nicht bei Hexen. Sie
müssen so handeln.«
Berg fand, daß er hier auf eine neue Art, die Welt und
die Dinge anzuschauen, stoße.
»Müssen auch Diebe stehlen, so wie Hexen zaubern
müssen?« fragte er scharf.
»Ja freilich,« antwortete der Knabe, »ein jeder muß das
tun, wozu er bestimmt ist.« Doch mit verstohlenem
Lächeln fügte er hinzu: »Es gibt auch Diebe, die nie
gestohlen haben.«
»Was meinst du damit, sprich!« sagte Berg.
Der Knabe behielt sein geheimnisvolles Lächeln und war
stolz, dem andern ein unlösbares Rätsel zu sein. »Wie
man von Vögeln spricht, die nicht fliegen, kann man
auch von Dieben reden, die nicht stehlen.«
Berg der Riese stellte sich dumm, um etwas zu erfahren. »Niemand kann wohl Dieb heißen, ohne gestohlen zu haben,« sagte er.
»Nein, nein!« erwiderte der Knabe und kniff die Lippen
zusammen, wie um die Worte zurückzudrängen. »Wenn
nun jemand einen Vater hätte, der stiehlt,« warf er nach
einer Weile hin.
»Gut und Hof erbt man,« erwiderte Berg, »aber den
Namen »Dieb« trägt nur der, welcher ihn selbst verdient hat.«
Tord lachte leise. »Wenn nun jemand eine Mutter hat,
die einen bittet und anfleht, das Verbrechen des Vaters
auf sich zu nehmen. Und wenn einer dann dem Henker
eine Nase dreht und in die Wälder flieht. Wenn einer
um eines Fischnetzes willen, das er nie gesehen hat, für
vogelfrei erklärt wird?«
Berg schlug mit der Faust auf den Steintisch. Er war
wütend. Da hatte dieser schöne Jüngling sein ganzes
Leben fortgeworfen. Weder Liebe noch Reichtum, noch
Ansehen unter den Männern konnte er hinfür gewinnen. Die elende Fürsorge für Speise und Kleider war
alles, was ihm blieb. Und der Tor hatte ihn, Berg den
Riesen, einen Unschuldigen verachten lassen. Er fuhr
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SPRACHRAUM
ihn mit strengen Worten an, aber Tord wurde nicht
einmal so bange, wie das kranke Kind vor der Mutter,
wenn sie es schilt, weil es sich im Frühlinge beim Waten
im Bache erkältet hat.
Auf einem der breiten, bewaldeten Berge lag ein dunkler
Sumpfsee. Er war viereckig und hatte so gerade Ufer und
so scharfe Winkel, als sei er von Menschen gegraben. Auf
drei Seiten umschlossen ihn steile Felswände, an denen sich
die Fichten mit armdicken Wurzeln anklammerten. Unten
am Sumpfsee, wo die Rasenplagge nach und nach fortgespült worden war, guckten diese nackten und eigentümlich ineinander verschlungenen Wurzeln aus dem Wasser
empor, einer unendlichen Menge Schlangen gleich, die auf
einmal hatten aus dem See kriechen wollen, sich aber ineinander verwickelt hatten und so erstarrt waren. Oder war es
eine Masse dunkelgewordener Skelette ertrunkener Riesen,
die der Sumpfsee hatte auswerfen wollen? Arme und Beine
krümmten sich umeinander, die langen Finger gruben sich
sogar in den Felsen ein, um dort Halt zu finden, die ungeheuren Rippen bildeten Rundbogen, die uralte Bäume trugen.
Es war jedoch vorgekommen, daß die eisenharten Arme,
die stählernen Riesenfinger, mit denen die Fichten sich festhielten, nachgegeben hatten, und der gewaltige Nordwind
einen Baum vom Bergkamme in weitem Bogen in den Sumpf
geschleudert hatte. Mit der Spitze voran war er tief in den
schlammigen Boden eingedrungen und dort stecken geblieben. Nun fand die Fischbrut einen guten Zufluchtsort zwischen seinen Zweigen, während die Wurzel, einem vielarmigen Ungeheuer gleich, über das Wasser emporragte und mit
ihren schwarzen Wurzelzweigen dazu beitrug, den Sumpfsee
häßlich und furchteinflößend zu machen. Auf der vierten
Seite des Sumpfsees senkte sich das Gebirge. Dort trug ein
kleiner schäumender Fluß sein Wasser fort. Ehe dieser Strom
den einzig möglichen Weg finden konnte, mußte er zwischen
Steinen und Erdschollen umhersuchen und bildete so eine
kleine Welt von Inseln, von denen einige nur die Größe eines
Erdhaufens hatten, andere hingegen wohl zwanzig Bäume
trugen.
Hier, wo die umgebenden Felsen die Sonne nicht verdeckten, gedieh auch Laubholz. Hier standen durstige,
graugrüne Erlen und Weiden mit glatten Blättern. Die
Birke war da, wie sie überall zur Stelle ist, wo es gilt, das
Nadelholz zu verdrängen, sowie der Faulbaum und die
Eberesche, die die Waldwiesen einzufassen pflegen, sie
mit Duft erfüllen und ihnen Anmut verleihen.
Hier beim Ausflusse gab es auch einen manneshohen Binsenwald, durch den das Sonnenlicht grün auf
Wasser-Prawda | März 2015
das Wasser fiel, wie es im eigentlichen Walde über das
Moos fällt. Im Schilfe gab es freie Stellen, kleine, runde
Teiche, und dort schwammen Wasserrosen. Die hohen
Binsen sahen mit mildem Ernst auf diese empfindlichen
Schönheiten nieder, die übellaunig ihre weißen Blätter
und gelben Staubfäden in der lederharten Hülle verwahrten, sowie die Sonne sich nicht zeigen wollte. An einem
sonnigen Tage kamen die Vogelfreien an diesen Teich,
um zu angeln. Sie wateten nach zwei hohen Steinen im
Binsenwalde hin und saßen dort, den großen, grüngestreiften Hechten, die dicht unter der Wasserfläche
schliefen, Lockspeise hinwerfend.
Diese Männer, welche beständig im Gebirge und in den
Wäldern umherstreiften, waren, ohne daß sie darum
wußten, ebenso unter die Herrschaft der Naturmächte
geraten, wie die Pflanzen und die Tiere. Bei Sonnenschein
waren sie offenherzig und mutig, doch abends, sowie
die Sonne untergegangen war, wurden sie still, und die
Nacht, die ihnen viel größer und gewaltiger erschien
als der Tag, machte sie beängstigend kraftlos. Nun versetzte das grüne Licht, das durch die Binsen fiel und
das Wasser goldstreifig, braun und schwarzgrün färbte,
sie in eine Art Wunderstimmung. Jegliche Aussicht war
verdeckt. Bisweilen wogte das Schilf in kaum bemerkbarem Winde, die Binsen pfiffen und die langen, bandähnlichen Blätter schlugen ihnen ins Gesicht. Sie saßen
in grauen Lederanzügen auf den grauen Steinen. Die
verschiedenen Farben des Leders stimmten in der
Schattierung mit den Steinen überein. Ein jeder sah
den Kameraden in seiner stummen Unbeweglichkeit
in ein Steinbild verwandelt. Doch drinnen im Schilfe
schwammen Riesenfische, deren Rücken in allen Farben
des Regenbogens glänzten. Als die Männer die Angeln
auswarfen und die Ringe sich bis in die Binsen hinein
ziehen sahen, schien es ihnen, als würde die Bewegung
immer stärker, bis sie merkten, daß dies nicht allein von
ihrem Wurfe herkam. Eine Nixe, halb Mensch, halb glitzernder Fisch, lag schlafend im Wasser. Sie lag auf dem
Rücken mit dem ganzen Leibe unter der Wasserfläche.
Die Wellen schmiegten sich so dicht an ihren Körper
an, daß die Männer sie nicht eher erblickt hatten. Es
waren ihre Atemzüge, die den Wellen nicht erlaubten,
stille zu stehen. Doch es war nichts Wunderbares darin,
daß sie da lag, und als sie im nächsten Augenblicke
SPRACHRAUM
73
Prinz Eugen, Ankernde Schiffe, Winter (1908(
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SPRACHRAUM
verschwunden war, wußten sie nicht recht, ob daß ganze
nicht nur eine Sinnestäuschung gewesen war.
Das grüne Licht drang durch die Augen in das Gehirn
wie ein sanfter Rausch. Die Männer starrten stumpfsinnig vor sich hin und sahen in den Binsen Gesichte,
die sie einander nicht anzuvertrauen wagten. Aus dem
Angeln wurde nicht viel. Der Tag war Träumereien und
Offenbarungen gewidmet. Drinnen im Schilfe ertönten Ruderschläge, und sie schreckten aus einem Taumel
auf. Im nächsten Augenblicke zeigte sich ein schwerer, kunstlos aus einem Stamme ausgehöhlter und in
den Fugen mit Moos bewachsener Kahn mit Rudern so
schmal wie Stöcke. Ein junges Mädchen, das Teichrosen
geholt hatte, ruderte ihn. Sie hatte dunkelbraune, lange
Zöpfe und große dunkle, Augen, war aber eigentümlich bleich. Doch ihre Blässe hatte einen rosa, keinen
grauen Ton. Die Wangen hatten keine lebhaftere Farbe
als das übrige Gesicht, die Lippen waren ebenfalls kaum
röter. Sie trug eine Bluse von weißem Leinen und einen
Ledergürtel mit goldenem Schlosse. Der Rock war blau
mit rotem Saume. Sie ruderte dicht an den Vogelfreien
vorüber, ohne sie jedoch zu sehen. Sie verhielten sich
still, weniger aus Furcht entdeckt zu werden, als um sie
wirklich gut sehen zu können. Sowie sie verschwunden
war, wurden sie aus Steinbildern wieder zu Menschen
und blickten einander lächelnd an.
»Sie war so weiß wie die Wasserrosen,« sagte der eine.
»Sie war so dunkeläugig wie das Wasser dort hinten
unter den Fichtenwurzeln.«
Sie waren so heiter, daß sie hätten lachen mögen, wirklich lachen, wie sie nie zuvor an diesem Sumpfe gelacht,
so lachen, daß die Felswände widerhallten und die
Wurzeln der Fichten sich vor Schreck lösten.
»Fandest du sie schön?« fragte der Riese.
»Oh, ich weiß es nicht, ich sah sie so flüchtig. Vielleicht
war sie es.«
»Du wagtest sie natürlich nicht anzuschauen. Du hieltest sie wohl für die Nixe?«
Und wieder wurden die beiden von derselben unerklärlichen Lachlust ergriffen.
jede Woge einen Toten vor die Füße warf. Er sah auch alle
Holme und Inseln der Schären mit Ertrunkenen bedeckt,
die tot waren und dem Meere angehörten, sich aber dennoch
bewegen und sprechen konnten und ihm mit den starren,
weißen Händen drohten.
So ging es ihm auch jetzt. Das Mädchen, das er im
Schilfe gesehen, erschien ihm im Traume. Er begegnete
ihr am Boden des Sumpfsees, wo die Beleuchtung noch
grüner war als in den Binsen, und er hatte dort Zeit zu
sehen, daß sie schön war. Er träumte sich auf der großen
Fichtenwurzel mitten in dem dunklen See sitzend, doch
der Baum schwankte und schaukelte so, daß er manchmal ganz unter Wasser war. Da zeigte sie sich auf den
kleinen Holmen. Sie stand unter den roten Ebereschen
und lachte ihn aus. Im letzten Traumbilde brachte er
es so weit, daß sie ihn küßte. Da war es Morgen, und
er hörte Berg aufstehen, doch er hielt eigensinnig die
Augen geschlossen, um weiter träumen zu können. Als
er erwachte, war er wie schwindlig und betäubt von dem,
was ihm über Nacht erschienen war. Er dachte nun viel
mehr an die Maid als am Tage vorher. Gegen Abend fiel
es ihm ein, Berg zu fragen, ob er ihren Namen wisse.
Berg blickte ihn wie prüfend an. »Es ist vielleicht am
besten, daß du es gleich erfährst,« sagte er. »Es war Unn.
Wir sind miteinander verwandt.«
Da wußte Tord, daß diese bleiche Maid an Bergs friedlosem Umherwandern in Gebirg‘ und Wald schuld war.
Er suchte sich ins Gedächtnis zurückzurufen, was er von
ihr wußte. Unn war die Tochter eines Freibauern. Ihre
Mutter war tot, und sie führte das Regiment auf dem
Hofe ihres Vaters. Dies gefiel ihr, denn sie war herrschsüchtig und hatte keine Lust, einen Mann zu nehmen.
Unn und Berg waren Geschwisterkinder, und es war
schon lange das Gerede gegangen, daß Berg lieber bei
Unn und ihren Mägden sitze und mit ihnen scherze,
als auf seinem Hofe arbeite. Als bei Berg das große
Weihnachtsgelage gegeben wurde, hatte seine Gattin
einen Mönch aus Draksmark eingeladen, denn sie
wollte, daß dieser Berg vorhalte, wie unrecht er tue, sie
einer andern wegen zu vernachlässigen. Dieser Mönch
war Berg und manchen andern seines Äußern wegen
Tord hatte einmal als Kind einen Ertrunkenen gesehen. verhaßt. Er war sehr feist und vollständig weiß. Der
Er hatte die Leiche bei hellem Tage am Strande gefunden und seinen kahlen Scheitel umgebende Haarkranz, die
sich gar nicht erschrocken, des Nachts aber hatte er entsetz- Brauen seiner wässerigen Augen, die Gesichtsfarbe, die
liche Träume gehabt. Er sah in ihnen ein Meer, in dem ihm Hände und die Kutte, alles war weiß. Viele konnten
Wasser-Prawda | März 2015
SPRACHRAUM
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Prinz Eugen - Sommernacht bei Tyresö (1895)
seinen Anblick kaum ertragen.
Bei Tisch, in Gegenwart aller Gäste sagte nun dieser
Mönch, denn er war furchtlos und glaubte, daß seine
Worte größeren Eindruck machen würden, wenn viele
sie hörten: »Man pflegt den Kuckuck den schlechtesten der Vögel zu nennen, weil er seine Jungen nicht
im eigenen Neste aufzieht, doch hier sitzt ein Mann,
der nicht für Haus und Kinder sorgt, sondern seine
Lust bei einem fremden Weibe sucht. Ihn will ich den
schlechtesten der Männer heißen.« – Unn stand da auf.
»Dies, Berg, ist dir und mir gesagt,« rief sie aus. »Nie bin
ich so beschimpft worden, aber mein Vater ist ja auch
nicht hier.« Sie wollte gehen, doch Berg eilte ihr nach.
»Rühre dich nicht!« sagte sie. »Ich will dich nicht mehr
vor Augen sehen.« Er hielt sie in der Vorhalle auf und
fragte, was er tun solle, damit sie bleibe. Mit funkelnden Augen hatte sie geantwortet, das müsse er selbst
am besten wissen. Da ging Berg hinein und erschlug
den Mönch.
Nun waren Berg und Tord mit denselben Gedanken
beschäftigt, denn nach einer Weile sagte Berg: »Du
hättest sie sehen sollen, als der weiße Mönch gefallen
war. Meine Hausfrau versammelte die Kleinen um
sich und verfluchte Unn. Sie wandte die Gesichter der
Kinder ihr zu, damit sie sich stets derjenigen erinnern
möchten, die ihren Vater zum Mörder gemacht. Doch
Unn stand so ruhig und schön da, daß die Männer
bebten. Sie dankte mir für die Tat und bat mich, gleich
in die Wälder zu ziehen. Sie ermahnte mich, kein Räuber
zu werden und zum Messer nur für eine ebenso gerechte
Sache zu greifen.«
»Deine Tat hatte sie erhoben,« sagte Tord.
Hier stand Berg der Riese nun vor demselben, was ihn
schon früher bei dem Knaben in Erstaunen versetzt
hatte. Er war ein Heide, ja schlimmer als ein Heide, er
verurteilte nie das, was unrecht war. Er kannte keine
Verantwortlichkeit. Was kommen mußte, das geschah.
Gott, Christus und die Heiligen kannte er, aber nur dem
Namen nach, wie man die Götter fremder Länder kennt.
Die Gespenster der Schären waren seine Götter. An die
Geister der Toten hatte seine zauberkundige Mutter ihn
glauben gelehrt.
Da unternahm Berg eine Arbeit, die ebenso töricht war,
als wenn er sich einen Strick für seinen eigenen Hals
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SPRACHRAUM
gedreht hätte. Er zeigte den Augen dieses Unwissenden
den großen Gott, den Herrn der Gerechtigkeit, den
Rächer der Missetaten, der die Schuldigen in die ewige
Höllenpein niederstößt. Und er lehrte ihn Christus
und seine Mutter lieben und die heiligen Männer und
Frauen, welche mit erhobenen Händen vor Gottes
Thron liegen, um den Zorn des großen Rächers von
den Sündenscharen abzuwehren. Er lehrte ihn alles, was
die Menschen tun, um Gottes Zorn zu versöhnen. Er
beschrieb ihm die nach heiligen Stellen wallfahrenden
Pilgerzüge, die sich selbst peinigenden Büßer und die
Flucht der Mönche aus dem Weltleben.
Je länger er sprach, desto bleicher und aufmerksamer
wurde der Knabe, und seine Augen erweiterten sich
wie vor entsetzlichen Gesichten. Berg wollte aufhören, doch der Strom der Gedanken riß ihn fort und
er mußte weitersprechen. Die Nacht senkte sich auf
sie herab, die schwarze Waldesnacht, in der die Eulen
und der Uhu kreischen. Gott kam ihnen so nahe, daß
sie seinen Thron die Sterne verdunkeln und die Engel
der Strafe sich bis auf die Waldgipfel herablassen sahen.
Doch unter ihnen flackerten die Flammen der Unterwelt
bis an die platte Scheibe der Erde und leckten gierig an
diesem bebenden Zufluchtsorte des von Weh bedrückten Menschengeschlechts.
Der Herbst war gekommen und mit ihm der scharfe
Sturm. Tord ging allein in den Wald hinaus, um die Dohnen
und Fallen zu untersuchen. Berg blieb zu Hause, um seine
Kleider zu flicken. Tords Weg ging eine bewaldete Höhe
hinan. Es war ein breiter Pfad.
Jeder Windstoß, der durch die dichten Bäume dringen
konnte, jagte das welke Laub in raschelnden Wirbeln
den Weg entlang. Tord hatte einmal über das andere das
Gefühl, daß jemand hinter ihm gehe. Er sah sich mehrmals um. Bisweilen blieb er stehen, um zu lauschen,
doch sowie er sich überzeugt hatte, daß es der Wind
und die Blätter waren, ging er weiter. Sowie er wieder
im Gehen war, hörte er jemand in seidenen Schuhen den
Hügel hinauftanzen. Kleine Kinderfüße kamen getrippelt. Elfen und Kobolde spielten hinter ihm. Wandte
er sich um, so war da keiner, immer wieder keiner. Er
drohte den raschelnden Blättern mit der Faust und ging
weiter.
Sie waren dadurch nicht zum Schweigen gebracht,
nahmen aber einen andern Ton an. Sie begannen hinter
Wasser-Prawda | März 2015
ihm zu schnauben und zu zischen. Eine große Kreuzotter
schlängelte sich heran. Die geifernde Zunge hing ihr
aus dem Munde, und der glänzende Leib hob sich
blank gegen die dürren Blätter ab. Neben der Schlange
tappte ein Wolf, ein großer, magerer »Graubein«, der
sich anschickte, ihn im Nacken zu packen, sobald die
Kreuzotter sich ihm zwischen die Füße schlängelte und
ihn in die Ferse stach. Manchmal waren sie beide ganz
still, wie um ihn unbemerkt einzuholen, doch gleich
darauf verriet sie ihr Schnauben und Zischen, und bisweilen schlugen die Krallen des Wolfes klingend gegen
einen Stein. Tord beschleunigte unwillkürlich seine
Schritte, doch die Tiere eilten ihm nach. Als er glaubte,
daß sie nur zwei Schritt hinter ihm seien und sich zum
Sprunge anschickten, drehte er sich um. Dort war keiner,
und das hatte er die ganze Zeit über gewußt.
Er setzte sich auf einen Stein, um sich auszuruhen. Da
spielten die dürren Blätter zu seinen Füßen, wie um ihn
zu erfreuen. Da waren sie, alle Blätter des Waldes: hellgelbes, kleines Birkenlaub, rotbunte Ebereschenblätter, die
trockenen, schwarzbraunen Blätter der Ulme, die zähen,
hellroten der Espe und die gelbgrünen der Palmweide.
Verwandelt und verschrumpft, benarbt und eingebrochen waren sie und glichen nicht mehr den dunenweichen, hellgrünen, zarten Scheiben, die sich vor einigen
Monaten den Knospen entrollt hatten.
»Sünder,« sagte der Knabe, »Sünder, nichts ist rein vor
Gott. Die Flammen seines Zornes haben euch schon
erreicht.« Als er weiter wanderte, sah er den Wald unter
sich wie ein Meer im Sturm wogen, doch auf dem Pfade
war es still und ruhig. Er aber hörte, was er nie vernommen. Der Wald war voller Stimmen.
Es tönte wie Flüstern, wie Klagelieder, wie grobe
Drohungen, wie lautes Fluchen zu ihm herüber. Es
lachte und es klagte, es war wie der Lärm vieler Leute.
Dieses Unbekannte, das hetzte und aufreizte, prasselte
und zischte, das etwas zu sein schien und doch nichts
war, machte ihn wild. Er empfand wieder Todesangst,
wie damals, als er auf dem Boden seiner Höhle lag und
die Menschenjagd durch den Wald stürmte. Er hörte
wieder das Knacken der Zweige, die schweren Schritte
der Volksmenge, das Klirren der Waffen, die widerhallenden Rufe, das wilde, blutdürstige Stimmengewirr
des Haufens.
SPRACHRAUM
Doch nicht nur dies allein lag im Waldessturme. Es lag
darin noch etwas anderes, etwas noch Schrecklicheres:
Stimmen, die er nicht deuten konnte, ein Gewirr von
Lauten einer, wie es ihm schien, fremden Sprache. Er
hatte gewaltigere Stürme als diesen durch Takelwerk und
Taue brausen hören. Doch nie hatte der Wind auf einer
so vielseitigen Harfe gespielt. Jeder Baum hatte seine
Stimme, die Fichte sauste anders als die Espe, die Pappel
nicht wie die Eberesche. Jede Kluft hatte ihren Ton, das
laute Echo jeder Bergwand seinen eigenen Klang. Und
das Murmeln der Bäche sowie das Bellen der Füchse
vermischten sich mit dem wunderlichen Waldessturme.
Doch alles dies konnte er deuten, er hörte aber auch
andere, noch seltsamere Laute. Und diese waren daran
schuld, daß es in ihm um die Wette mit dem Sturme
schrie, hohnlachte und jammerte.
Allein im Waldesdunkel hatte er sich stets gefürchtet. Er
liebte das offene Meer und die nackten Klippen. Geister
und Schatten schlichen zwischen den Bäumen umher.
Da auf einmal wußte er, wer im Sturm zu ihm
sprach. Gott war es, der große Rächer, der Gott der
Gerechtigkeit. Er verfolgte ihn um seines Kameraden
willen. Er forderte, daß er den Mörder des Mönches der
Rache überantworte.
Tord begann mitten im Sturm zu reden. Er sagte Gott,
was er habe tun wollen, aber nicht vermocht. Er habe
mit dem Riesen sprechen und ihn bitten wollen, sich
mit Gott zu versöhnen, sei jedoch zu blöde gewesen.
Die Schüchternheit habe ihn stumm gemacht. »Als ich
erfuhr, daß ein gerechter Gott die Welt regiert,« rief er
aus, »sah ich ein, daß er ein verlorener Mann ist. Ich
habe Nächte hindurch über meinen Freund geweint.
Ich wußte, daß Gott ihn findet, wo er sich auch verstecke. Doch ich vermochte weder zu reden, noch ihn
dies einsehen zu lehren. Ich fand keine Worte, weil ich
ihn so sehr liebe. Begehre nicht, daß ich mit ihm rede;
fordere nicht, daß das Meer sich so hoch wie die Gebirge
erhebe.«
Er verstummte, und die tiefe Stimme im Sturme, die
ihm Gottes Stimme erschienen, schwieg. Es wurde
auf einmal Windstille und grelles Sonnenlicht, ein
Plätschern wie von Rudern und ein stilles Rascheln wie
von steifen Schilfblättern. Diese milden Töne zauberten ihm Unns Bild hervor. – Der Vogelfreie kann nichts
77
gewinnen, nicht Gut, nicht Frauen, nicht Ansehen bei
den Männern. – Wenn er Berg verriete, würde er wieder
unter den Schutz des Gesetzes aufgenommen werden. –
Doch Unn mußte Berg lieben, nach allem, was er für sie
getan. Aus allem diesen gab es keinen Ausweg.
Als der Sturm wieder zunahm, hörte er wieder Schritte
hinter sich und von Zeit zu Zeit ein atemloses Keuchen.
Jetzt wagte er sich nicht umzusehen, denn nun wußte er,
daß er den weißen Mönch hinter sich hatte. Er kam vom
Gelage in Bergs Halle, blutbespritzt und mit einem klaffenden Axthiebe in der Stirn. Und er flüsterte: »Gib ihn
an, verrate ihn, rette seine Seele. Überantworte seinen
Leib dem Scheiterhaufen, auf daß die Seele verschont
bleibe. Überliefere ihn der langsamen Qual der Folter,
damit seine Seele Zeit zur Reue habe.«
Tord lief. Alles dies Schreckenerregende, das an und für
sich nichts war, wuchs, da es so unaufhörlich auf das
Gemüt wirkte, zu einem großen Entsetzen heran. Er
wollte ihm entfliehen. Als er zu laufen begann, erdröhnte
wieder die tiefe, fürchterliche Stimme, die Gottes Stimme
war. Gott selbst jagte ihn mit Schreckschüssen, damit er
den Mörder ausliefere. Bergs Verbrechen erschien ihm
abscheulicher als je zuvor. Ein waffenloser Mann war
ermordet, ein Gottesmann mit blankem Stahle durchbohrt worden. Das hieß dem Herrn der Welt trotzen.
Und der Mörder wagte zu leben! Er freute sich des
Sonnenlichtes und der Früchte des Bodens, als sei der
Arm des Allmächtigen zu kurz, ihn zu erreichen.
Er blieb stehen, ballte die Fäuste und stieß kreischend
eine Drohung aus. Dann lief er wie ein Wahnsinniger
aus dem Walde, dem Reiche des Schreckens, in das Tal
hinab.
Tord brauchte sein Anliegen nur anzudeuten, gleich waren
zehn Bauern bereit, ihm zu folgen. Es wurde beschlossen, daß
Tord allein nach der Höhle zurückkehren solle, damit Berg
keinen Verdacht schöpfe. Doch er sollte unterwegs Erbsen
ausstreuen und so den Bauern den Weg zeigen. Als Tord in
die Höhle trat, saß der Geächtete auf der Steinbank und
nähte. Das Feuer gab schwaches Licht, und mit der Arbeit
schien es nicht recht gehen zu wollen. Dem Knaben schwoll
das Herz von Mitleid. Der herrliche Riese schien ihm arm
und unglücklich zu sein. Und sein einziges Gut, das Leben,
sollte ihm nun auch genommen werden. Er mußte weinen.
»Was ist das?« fragte Berg. »Bist du krank? Hast du dich
gefürchtet?«
Zum erstenmale sprach da Tord über seine Furchtsamkeit.
Wasser-Prawda | März 2015
78
SPRACHRAUM
»Es war unheimlich im Walde. Ich hörte Geisterstimmen
und sah Gespenster. Ich sah weiße Mönche.«
»Bei Gott, Bube!«
»Sie sangen mir auf dem ganzen Wege nach der Breitalp
hinauf die Messe vor. Ich lief, aber sie begleiteten mich
singend. Kann ich das Unwesen nicht los werden? Was
habe ich mit ihnen zu schaffen? Ich meine, sie könnten
einem, dem es nötiger ist, die Messe lesen.«
»Du bist heute abend wohl verrückt, Tord?«
Tord redete, ohne recht zu wissen, welcher Worte er sich
bediente. Seine Schüchternheit hatte ihn verlassen. Die
Rede floß ihm ungehemmt von den Lippen.
»Es sind weiße Mönche, weiße, leichenblasse. Alle haben
Blut auf der Kutte. Sie ziehen die Kapuze in die Stirn,
aber die Wunde leuchtet doch darunter hervor. Die
große, rote, klaffende Wunde von dem Beilhiebe.«
»Die große, rote, klaffende Wunde von dem Beilhiebe?«
»Habe ich sie denn geschlagen? Weshalb soll ich sie
sehen?«
»Das mögen die Heiligen wissen, Tord,« sagte der erbleichende Riese mit finsterm Ernste, »weshalb du Wunden
von Beilhieben siehst. Ich erstach den Mönch mit einem
Messer.«
Bebend und die Hände ringend stand Tord nun vor Berg.
»Sie fordern dich von mir. Sie wollen mich zwingen, dich
zu verraten.«
»Wer? Die Mönche?«
»Ja freilich, sie, die Mönche. Sie zeigen mir Gesichte.
Sie zeigen mir Unn. Sie zeigen mir das glatte, sonnenbeglänzte Meer. Sie zeigen mir die Lagerplätze der
Fischer, wo Tanz und Munterkeit herrscht. Ich schließe
die Augen und sehe doch alles. Laßt mich zufrieden,
sage ich. Mein Freund hat einen Mord begangen, aber
er ist nicht schlecht. Laßt mich in Ruhe, so will ich mit
ihm sprechen, damit er bereue und Buße tue. Er wird
sein Unrecht einsehen und nach dem heiligen Grabe
ziehen. Wir werden beide nach Orten pilgern, die so
heilig sind, daß alle Sünde von dem genommen wird,
der sich ihnen naht.«
»Was antworteten die Mönche darauf?« fragte Berg. »Sie
wollen meine Absolution nicht. Sie wollen mich auf der
Folterbank und auf dem Scheiterhaufen sehen.«
»Soll ich meinen teuersten Freund verraten? fragte ich
sie,« fuhr Tord fort. »Er ist mein Alles auf der Welt.
Wasser-Prawda | März 2015
Er hat mich von dem Bären befreit, dessen Tatze mich
an der Kehle packte. Wir haben zusammen gefroren
und mancherlei Not gelitten. Er hat mich mit seinem
eigenen Bärenfell zugedeckt, als ich krank war. Ich habe
ihm Holz und Wasser geholt, seinen Schlaf bewacht
und seine Feinde irregeführt. Weshalb halten sie mich
für einen, der seine Freunde verrät. Mein Freund wird
bald von selbst zum Priester gehen und ihm beichten,
und dann begeben wir uns zusammen in das Land der
Versöhnung.«
Berg lauschte ernst, die scharfen Augen forschend auf
Tords Antlitz gerichtet. »Du sollst selbst zum Priester
gehen und ihm die Wahrheit sagen. Du mußt wieder
unter Menschen.«
»Was habe ich davon, wenn ich allein gehe? Um deiner
Sünde willen verfolgen mich die Schatten und der Tote.
Siehst du nicht, wie mir vor dir graut. Du hast gegen
Gott selbst die Hand erhoben. Kein Verbrechen kommt
dem deinen gleich. Ich meine, es müsse mich freuen,
dich unter dem Rade zu sehen. Wohl dem, der hier
auf Erden seine Strafe erhält und dem künftigen Zorne
entgeht. Weshalb erzähltest du mir von dem gerechten
Gotte? Du zwingst mich, dich zu verraten. Erlasse mir
diese Sünde. Gehe zum Priester!« Und er sank vor Berg
auf die Knie. Der Mörder legte ihm die Hand auf den
Kopf und blickte ihn an. Er maß seine Sünde an der
Angst des Gefährten, und sie wuchs vor seinem geistigen Auge zu fürchterlicher Größe heran. Er sah sich
im Streite mit dem Willen, der die Welt regiert. Die
Reue zog in sein Herz ein. »Weh mir, daß ich tat, was
ich getan,« sagte er. »Was mich erwartet, ist zu schwer,
als daß ich ihm freiwillig entgehen könnte. Überliefere
ich mich den Priestern, so werden sie mich in stundenlangen Qualen foltern. Sie werden mich in langsamem Feuer braten. Und ist dieses elende Leben, das wir
voll Angst und Not führen, nicht Buße genug? Habe
ich nicht Haus und Hof verloren? Lebe ich nicht von
Freunden und allem, was die Freude des Mannes ausmacht, getrennt? Wessen bedarf es mehr?«
Als er so redete, fuhr Tord in wildem Entsetzen auf.
»Kannst du bereuen?« rief er aus. »Können meine Worte
dein Herz bewegen? Komm sofort mit! Wie hätte ich
dies ahnen können? Komm, laß uns fliehen! Noch ist
es Zeit.«
SPRACHRAUM
Berg, der Riese, sprang ebenfalls auf. »Du hast es also
getan – «
»Ja, ja, ja. Ich habe dich verraten. Doch komm schnell!
Komm nun, da du bereuen kannst! Sie müssen uns
gehen lassen. Wir werden ihnen entkommen.«
Der Mörder beugte sich da zum Boden herab, wo seine,
ihm von den Vätern vererbte Streitaxt ihm zu Füßen
lag. »Du, Sohn eines Diebes!« sagte er, die Worte zwischen den Zähnen hervorzischend. »Dir habe ich vertraut! Dich habe ich lieb gehabt!«
Da aber Tord ihn sich nach der Axt bücken sah, wußte
er, daß es jetzt sein Leben galt. Er riß seine eigene Axt
aus dem Gürtel und hieb auf Berg ein, ehe dieser sich
aufrichten konnte. Die Scheide fuhr sausend durch die
Luft in den niedergebeugten Kopf. Berg fuhr mit dem
Haupte voran zu Boden, der ganze Leib fiel hinterdrein.
Blut und Hirn spritzten hervor, das Beil fiel aus der
Wunde. Zwischen den zottigen Haarbüscheln sah Tord
eine große, rote, klaffende Wunde von einem Beilhiebe.
Nun stürmten die Bauern in die Höhle. Hocherfreut
priesen sie die Tat.
»Jetzt steht deine Sache gut,« sagten sie zu Tord.
Tord blickte auf seine Hände nieder, als sehe er daran
die Fesseln, an denen er dazu herbeigezogen worden
war, den, welchen er liebte, zu töten. Sie waren wie
die Bande des Fenrirwolfes aus nichts geschmiedet.
Aus dem grünen Lichte im Schilfe, aus dem Spiel der
Schatten im Walde, aus dem Gesange des Sturmes, aus
dem Rascheln der Blätter, aus dem Zauber der Träume
waren sie gemacht. Und er sagte laut: »Gott ist groß.«
Doch dann verfiel er wieder in seine früheren Gedanken.
Er kniete neben der Leiche nieder und schob den Arm
unter den Kopf des toten Freundes.
»Tut ihm nichts,« sagte er. »Er bereut, er will nach dem
heiligen Grabe pilgern. Er ist nicht tot, doch fesselt ihn
nicht. Wir wollten gerade gehen, als er fiel. Der weiße
Mönch wollte wohl nicht, daß er bereuen solle, aber
Gott, der Gott der Gerechtigkeit, liebt die Reue.«
Er blieb neben der Leiche liegen, sprach weinend mit
dem Toten und bat ihn, zu erwachen. Die Bauern
machten eine Bahre aus Speeren. Sie wollten die Leiche
des Freibauern nach seinem Hofe tragen. Sie empfanden
Ehrfurcht vor dem Toten und dämpften ihre Stimmen
in seiner Nähe. Als sie ihn auf die Bahre hoben, stand
79
Tord auf, schüttelte das Haar aus dem Gesichte und
sprach mit vor Schluchzen bebender Stimme:
»Sagt Unn, die Berg, den Riesen, zum Mörder gemacht,
daß Tord, der Fischer, dessen Vater Wrackplünderer
und dessen Mutter eine Hexe ist, ihn erschlagen hat,
weil er ihn lehrte, daß der Grundpfeiler dieser Erde
Gerechtigkeit heißt.«
Carl Larsson, Selma Lagerlöf
Wasser-Prawda | März 2015
80
SPRACHRAUM
DIE
VESTALINNEN
Eine Reise um die Erde. Abenteuer zu Wasser und zu Lande. Erzählt
nach eigenen Erlebnissen. Band 1. Von Robert Kra
22. EVELYN UND CHARLES
Die Gesellschaft war schon vor zwei Stunden zur
Jagd aufgebrochen. Im Arbeitszimmer des Obersten war
dessen Ordonnanz damit beschäftigt, die Fenster zu
putzen, wobei ihm der eingeborene Diener des Kapitäns
O‘Naill half. Die beiden schienen sich nicht eben gut
zu verstehen; denn es wurde zwischen ihnen während
der Beschäftigung kein Wort gewechselt.
Da jagte plötzlich durch das offene Hofthor des
Quartiers ein mit Schaum bedecktes Roß, dessen
Reiter von dem Posten nicht aufgehalten wurde; denn
er trug die weiße Tropenuniform eines englischen
Kavallerieregiments. Das Gesicht des Mannes war
mit einer Schichte von Staub bedeckt, welcher an dem
Schweiß hängen geblieben war. Jedenfalls hatte er einen
weiten Weg mit Aufbietung aller Schnelligkeit seines
Pferdes zurückgelegt.
»Oberst Walton da?« rief er, ehe er noch das Tier vor
dem Eingang des Hauses pariert hatte, dem herzuspringenden Reitknecht zu.
»Nein, ist fort!«
»Nein? Wo ist er?«
Der Reiter schien es sehr eilig zu haben. Seine Augen
hingen an den Lippen des Eingeborenen.
»Weiß nicht, ist heute morgen mit noch vielen anderen
zur Jagd geritten.«
Da öffnete sich ein Fensterflügel des Hauses, und
Wasser-Prawda | Januar 2015
Evelyns Stimme sagte:
»Kommen Sie ins Arbeitszimmer des Obersten; er
muß jeden Augenblick zurückkommen.«
Der Reiter sprang vom Pferde und betrat das Zimmer
des Obersten, dessen Thür ihm Evelyn selbst öffnete.
»Was wollen Sie von ihm?« fragte sie.
»Ich habe einen Brief an den Obersten persönlich
abzugeben, Fräulein.«
»Geben Sie ihn mir,« sagte Eveline ruhig und streckte
die Hand nach dem versiegelten Schreiben aus, welches
der Bote aus der Brusttasche gezogen hatte.
»Kann ich nicht, Fräulein, es ist mir aufgetragen
worden, ihn persönlich abzugeben.«
»Ich bin vom Obersten ermächtigt, für ihn die Briefe
einstweilen anzunehmen. Wissen Sie, was drinnen
steht?«
Der Bote lächelte. »Das weiß ich natürlich nicht, es
ist ein geheimer Eilbrief.«
»So geben Sie ihn mir,« sagte Evelyn wieder, die noch
immer die Hand ausgestreckt hielt.
»Ich kann ihn nicht eher aus der Hand geben, als bis
diese Quittung mit dem britischen Gouvernementssiegel
von Sabbulpore gestempelt worden ist,« meinte der Bote
zögernd.
»Sie mißtrauen mir wohl?« fragte Evelyn lächelnd.
»Sehen Sie hier den Beweis, daß ich die Vollmacht dazu
SPRACHRAUM
habe, Briefe in Empfang zu nehmen.« Sie zog einen
Schlüsselbund aus der Tasche, suchte einen Schlüssel
und öffnete den Schreibtisch des Obersten.
»Nimm mir das Fenster ab, Ramel,« fuhr die
Ordonnanz ihren Gehilfen an, der ganz ins Träumen
gesunken zu sein schien.
Willig griff dieser nach dem hingehaltenen
Fensterflügel, um ihn abzuwaschen, aber da flog ihm
plötzlich der Schwamm aus den Händen und zum
Fenster des Hochparterres hinaus.
»Wohin willst du, Ramel?« fragte die Ordonnanz den
Burschen, der nach der Thür ging.
»Ich will meinen Schwamm holen, komme gleich
wieder,« sagte Horatios Diener, der der verkleidete
Williams war.
Evelyn, welche auf die beiden Diener gar nicht achtete,
von denen der eine nicht einmal ein Wort englisch verstand, schloß ein Kästchen auf und entnahm ihm den
81
Stempel von Sabbulpore, welcher nur im Besitze des
Obersten war.
»Geben Sie mir die Quittung!«
Die Ordonnanz reichte sie ihr.
Sie drückte den Stempel darunter.
»So – hier haben Sie die Quittung, geben Sie mir
jetzt den Brief!«
Ohne jedes Zögern reichte ihr der Bote den Brief; er
hatte keine Verantwortung mehr.
Evelyn betrachtete den Brief; er war als Geheimsendung
an Oberst Walton adressiert und trug das britische
Staatssiegel.
»Wann reiten Sie wieder fort? Heute noch?« fragte sie
den Boten.
»Es ist nicht möglich; ich habe die 32 englische Meilen
von der nächsten Bahnstation in zwei Stunden gemacht,
und mein Pferd ist völlig erschöpft. Vor morgen früh
kann ich es nicht mehr benutzen.«
»Ordonnanz,« rief sie dem noch im Zimmer
befindlichen Diener zu, »führe diesen Mann in die
Bedientenstube und sorge für ihn!«
Der Reiter grüßte militärisch und ging in Begleitung
des Burschen hinaus. Sinnend blickte Evelyn ihm nach.
»Sein Verhängnis will es, daß auch er bald nicht mehr
unter den Lebenden sein wird,« murmelte sie. »Doch
mag er in den Tod gehen; die Engländer haben das
Leben meines Vaters auch nicht geschont.« Sie betrachtete wieder den Brief, und ein häßliches Lächeln entstellte ihre Züge.
»Es ist ganz gleich, ob ihn Walton empfängt oder
nicht, und enthielt das Schreiben auch den für uns
schlimmsten Befehl, deckte er auch alles auf, die Sache
wird dadurch nicht anders. Oberst Walton wird diese
Stube nur als Gefangener betreten, und ich werde von
jetzt ab für ihn unterschreiben. Allerdings ein gewagtes
Spiel, aber es ist nötig, um die anderen Gouvernements
in Sicherheit zu wiegen. Hahaha, ich werde günstige
Berichte über die hier herrschende Ruhe abgehen lassen.«
Eben wollte sie das Schreiben erbrechen, als die Thür
plötzlich aufgerissen wurde und Leutnant Werden, ein
blutjunger, knabenhaft aussehender Mann ins Zimmer
stürzte.
»Wo ist der Brief, Miß Valois, den eben der Kavallerist
brachte?« rief er atemlos, noch halb im Thürrahmen
Wasser-Prawda | Januar 2015
82
SPRACHRAUM
stehend.
»Wie,« fuhr er fort, mitten im Zimmer plötzlich stehen
bleibend, »der Schreibtisch des abwesenden Obersten
offen! Wie soll ich mir dies erklären, Miß Valois?«
Evelyn hatte für einen Moment die Fassung verloren;
aber sofort war sie wieder gesammelt.
»Was haben Sie hier zu suchen, Leutnant Werden?«
fuhr sie ihn in herrischem Tone an. »Ist Ihr Dienst nicht
auf der Festung. Warum sind Sie hier im Quartier?«
»Den Brief, den Brief,« drängte dieser. »Kümmern Sie
sich nicht um Angelegenheiten, die Sie nichts angehen!
Zum letzten Male, geben Sie mir den Brief, oder ...«
Die letzten Worte wurden drohend hervorgestoßen.
Evelyn hatte diesem jungen Manne, den sie immer nur
halb als Kind betrachtete, ein solches Auftreten nicht
zugetraut.
»Oder was?« fragte sie mit finster gerunzelter Stirn.
»Oder ich brauche Gewalt!«
»Leutnant Werden, vergessen Sie nicht, vor wem Sie
stehen!«
»Den Brief her! Sie haben keine Befugnis, ein
Schreiben für den Obersten in Empfang zu nehmen.
Ich weiß, daß er schon lange auf einen Eilbrief wartet.«
»Leutnant Werden, Sie benehmen sich manchmal noch sehr kindlich,« sagte Evelyn völlig ruhig.
»Allerdings hat mich der Oberst damit betraut, diesen
Brief anzunehmen und ihm denselben nachzuschicken.
Ich selbst hätte Sie gebeten, zu mir zu kommen und die
Weiterbeförderung desselben zu befehlen. Sie hätten
diese Szene vermeiden können, wenn Sie nicht so hitzig
gewesen wären. Hier haben Sie den Brief!«
Freundlich lächelnd reichte sie ihm das Schreiben hin.
»Entschuldigen Sie meine Heftigkeit, Miß, ein plötzlicher Gedanke beunruhigte mich,« bat der Offizier. »Der
Oberst selbst hat mich beauftragt, wenn ein Bote ins
Quartier kommen sollte, denselben zu ihm zu führen.
Da die Quittung nun aber bereits gestempelt und der
Reiter sehr ermüdet ist, so werde ich ihm das längst
ersehnte Schreiben selbst bringen. Nochmals, entschuldigen Sie mein Betragen!«
»Fragen Sie den Obersten auch, ob ich wirklich die
Befugnis hatte, den Stempel zu benutzen,« rief Evelyn
lachend dem Hinauseilenden nach.
Sie sah durch das Fenster, wie der pfl ichtgetreue
Wasser-Prawda | Januar 2015
Offizier ein Pferd bestieg und in Karriere aus dem Hof
sprengte.
»So oder so, murmelte sie höhnisch, »deinem dir
bestimmten Schicksal entkommst du nicht, thörichter
Knabe! Fällst du nicht in meine Hände, so fällst du in
die des Rajah. Doch wer mag ihn so schnell benachrichtigt haben, daß ich dem Boten den Brief abgenommen?
Es muß mich jemand verraten haben; seine Aufregung,
als er ins Zimmer stürzte, läßt darauf schließen.«
Evelyn sollte nicht lange auf die Beantwortung dieser
Frage warten. –
Sir Charles Williams, der als eingeborener Diener
Verkleidete, hatte sich höchlichst gewundert, daß
Evelyn in der Abwesenheit des Obersten einen für
diesen bestimmten Brief dem Boten durchaus abnehmen wollte, und als sie sogar den Schreibtisch öffnete,
schoß ihm ein Gedanke durch den Kopf, an den er bis
jetzt noch gar nicht gedacht hatte.
Nick Sharp, der Detektiv, hatte abends sein Liebesspiel
mit Evelyn regelmäßig fortgesetzt, und ebenso in der
Bedientenstube mit ihm in der gewohnten scherzhaften
Art geplaudert. Charles wußte wohl, daß der Detektiv
ein Geheimnis Evelyns ergründen wollte, aber nicht
welches, darüber sprach sich der schlaue und manchmal sehr grob werdende Detektiv nicht aus. Jedenfalls
aber mußte es irgend eine private Sache sein, für die er
bezahlt wurde, denn umsonst that Sharp nichts.
Da hatte eines Abends der Detektiv so nebenbei
gemeint, er glaube fest, Evelyn halte es mehr mit den
Indiern, als mit den Engländern, ja, er habe sogar die
Vermutung, das Mädchen führe die Engländer an der
Nase herum, suche ihre Geheimnisse zu erforschen,
denn auch an ihn, den vermeintlichen Kapitän der
Festung, stellte sie manchmal so harmlos verfängliche
Fragen. Sharp kümmerte sich nicht darum, denn er war
Amerikaner, er gab sich prinzipiell nicht mit Sachen ab,
die ihn nichts angingen.
Seinetwegen hätten die Indier ganz Sabbulpore in
die Luft sprengen können, er würde ruhig zugesehen
und seine Pfeife geraucht haben. Dies zu verhüten, war
Angelegenheit der Offiziere, und so lange diese ihn nicht
aufforderten, ihnen zu helfen, verbrenne er seine Finger
nicht an fremden Geschäften, wie er oft sagte.
Ganz anders dachte Charles. Er war Engländer, und
SPRACHRAUM
zwar mit Leib und Seele, er wäre für sein Vaterland
durchs Feuer gegangen, und seit der Detektiv ihm seinen
Argwohn mitgeteilt hatte, beobachtete er Evelyns Thun
und Treiben aufs genaueste, ohne aber etwas Verdächtiges
zu bemerken. Als er jedoch sah, wie Evelyn den Brief
mit dem britischen Siegel dem Boten abnahm und selbst
den Schreibtisch des Obersten aufschloß, bestätigte sich
seine Vermutung, daß das Mädchen ein doppeltes Spiel
trieb, denn nie glaubte er, daß der Oberst dem Mädchen
die Schlüssel zum Schreibtisch anvertraut habe, welcher
alle geheimen Schriftstücke barg. Nein, Evelyn wollte
den Brief lesen, ohne wahrscheinlich den Siegelabdruck
zu verletzen, und das so erfahrene Geheimnis zu irgend
etwas Schlechtem anwenden. Dem mußte er vorbeugen.
Aber wie? Hätte er als Eingeborener ihr den Brief
einfach entrissen, so wäre er im nächsten Augenblick
von herbeigerufenen Dienern festgenommen worden;
gab er sich als Engländer zu erkennen, so war seine
Rolle hier ausgespielt, er konnte nicht mehr auf Ellens
Wunsch beobachten, wer im Hause des Obersten ausund einging, was unter den Eingeborenen in der Festung
und auf dem Lande für Gerüchte über den Rajah zirkulierten. Beides ging also nicht. Er warf absichtlich den
Schwamm hinaus und lief aus dem Hause, vorgebend,
er wollte das Verlorene wiederholen, thatsächlich aber,
um irgend einen Engländer, womöglich einen Offizier zu
suchen, der Evelyn am Erbrechen des Briefes hinderte.
Glücklicherweise traf er den jungen Werden, der von
der Festung aus den Boten ansprengen gesehen hatte.
Er war vom Oberst beauftragt worden, ihm eventuell einen Boten nachzusenden und befand sich jetzt zu
diesem Zwecke unterwegs.
Da kam der Diener des Kapitäns O‘Naill gerannt.
»Leutnant Werden,« rief der Indier, von dem jener
wußte, daß er kein Wort englisch verstand, in dieser
Sprache, »schnell in das Arbeitszimmer des Obersten!
Evelyn will einen Brief mit dem britischen Siegel
erbrechen.«
»Was,« rief der Leutnant erstaunt, »du, Ramel ...?«
»Wundern Sie sich nachher, nur schnell ins Zimmer,
das Weib hat den Schreibtisch des Obersten geöffnet!«
und Charles schob den Zögernden in die Thür.
Jetzt wurde der Leutnant stutzig und eilte in das
Zimmer, wo sich die eben geschilderte Szene abspielte.
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Was sollte aber nun Charles beginnen? Er sah sich in
einer Klemme, aus der er nicht so leicht wieder herauskommen konnte. Doch langes Besinnen war nicht seine
Sache. Mit harmloser Miene, ganz unbefangen, trat er
wieder in das Haus zurück.
Da fühlte er sich plötzlich von einem Dutzend Armen
gepackt. Vergebens suchte sich Charles seiner Gegner
zu erwehren, alle seine Gewandtheit half ihm nichts
– nach kurzem Ringen lag er gebunden am Boden
und, was das Schlimmste war, einer der Inder hielt den
kurzen, falschen Vollbart von Charles in der Hand, seine
Verkleidung war verraten, denn unter dem aufgerissenen
Hemd konnte man die weiße Haut schimmern sehen.
Die Ordonnanz des Obersten, welche selbst bei der
Überwältigung mit thätig gewesen, trat in das Zimmer,
in dem Evelyn eben einem Indier einen Brief abnahm.
»Miß Valois,« meldete er, »der Mann, der Sie soeben
verraten hat, des Kapitäns Diener, ist gar kein Hindu,
sondern ein Engländer, denn er flucht in seiner Sprache.«
»Was,« rief Evelyn erstaunt, »er ist kein Hindu?«
Sie sann einen Augenblick nach, dann sagte sie,
während sie den Brief öffnete:
»Haltet ihn einstweilen in sicherem Gewahrsam; ich
habe jetzt keine Zeit, ihn zu verhören. Du bürgst mir
mit Deinem Leben dafür, daß er vor mir steht, wenn
ich ihn rufen lasse.«
Evelyn überflog die ihr gesandten Zeilen. Sie lauteten:
»Alle sind gefangen, mit Ausnahme des Burschen
des Kapitäns. Er entfloh, ich schoß nach ihm und
sah selbst, wie er in eine Schlucht stürzte. Also ist
kein Verrat zu fürchten. Leutnant Werden brachte
einen Brief für den Obersten, wurde von einem
Tiger angefallen und liegt auf den Tod. Ich fing den
Brief noch rechtzeitig auf, ehe der Oberst durch ihn
gewarnt wurde; denn er enthielt den Rat, auf der
Hut zu sein. Sorge dafür, daß heute Nacht das Fort
planmäßig genommen wird!
Abudahm.«
»Abudahm,« flüsterte Evelyn, »er bemüht sich um
meine Gunst und immer vergebens. Er wäre es wert, daß
ich ihm meine Liebe schenkte. Aber Horatio!« Sie seufzte.
»Ich kann sein Schicksal nicht wenden. Man sagt, des
Weibes Liebe sei das mächtigste aller Gefühle. Bei mir
wird es übertroffen durch die Sucht nach Befriedigung
Wasser-Prawda | Januar 2015
84
SPRACHRAUM
meiner Rache. Ich werde seinen Tod weder verhindern
können -noch wollen.«
Finster schritt sie ihren Gemächern zu.
Unterdes wurde der gebundene Charles emporgehoben und in ein vollständig zugemauertes Kellerverließ
getragen. Nachdem die schwere Thüre verschlossen
worden war, blieb er die erste Zeit wie betäubt liegen,
dann aber begann er über seine Lage nachzudenken.
Verrat! Das war sein erster Gedanke!
Die Indier in Sabbulpore hatten einen Aufstand vor,
um die Herrschaft der verhaßten Engländer abzuschütteln. Evelyn, das teuflische Weib, stak mit den Indiern
unter einer Decke und verriet ihnen die Absichten des
Obersten. Er hatte manchmal Mitleid mit dem Mädchen
gehabt, wenn der unbarmherzige Detektiv, der gar keine
Gefühle besaß, mit der liebenden Evelyn spielte, aber
jetzt –
Charles knirschte kochend vor Wut laut mit
den Zähnen. Was sollte nur sein Schicksal sein?
Unwiderruflich der Tod; Charles zweifelte nicht im
geringsten daran.
Gut, sie sollten einmal sehen, wie ein rechter Mann
sterben könne!
Was aber war inzwischen aus der Jagdgesellschaft
geworden?
Was war aus seinen Freunden, was war aus den Damen
und vor allen Dingen aus Miß Thomson geworden?
Was war deren Schicksal?
Hölle und Teufel! Charles strengte vergeblich alle
seine Kräfte an, um die Hanfstricke zu zerreißen, sie
schnitten nur ins Fleisch ein, ohne einen Millimeter
nachzugeben.
Die Einsamkeit ließ ihm genügend Zeit, sein vergangenes Leben noch einmal durchzuträumen.
Fast nur heitere Bilder tauchten vor seinen Augen auf.
Waren doch einmal Sorgen an ihn getreten, so hatte er
sie immer wieder fortzuscherzen gewußt.
Dies war das erste Mal, daß er fast den Mut verlor.
Was hatte er sich daraus gemacht, wenn er draußen
von einem ganzen Hundert Menschen verfolgt worden
wäre. Den Tod fürchtete er nicht, er hatte ihm schon
unzählige Male in‘s Auge gesehen, aber gefangen zu sein,
während er wußte, daß andere ihn notwendig brauchten
und herbeisehnten, das war zu viel für ihn.
Wasser-Prawda | Januar 2015
Doch es dauerte nicht lange, so fand Charles selbst in
diesem finsteren, dumpfen und nassen Kerker seine gute
Laune wieder. Er hätte sich ja vor sich selbst schämen
müssen, wenn er mit hängendem Kopfe aus diesem
Leben geschieden wäre. Noch lebte er ja, noch atmete er,
und noch hatte er Aussicht, befreit zu werden; von wem,
wußte er allerdings nicht, aber er hoff te, und Hoffnung
läßt nicht zu Schanden werden.
»Wenn sie mich belauschen, dann sollen sie wenigstens denken: das ist ein verfluchter Kerl,« dachte Charles
und fing an, Walzermelodien zu pfeifen.
Er wußte nicht, wie lange er so gelegen hatte, als
plötzlich draußen ein Kanonenschuß ertönte. Gleich
darauf erschallte das Knallen von Flinten; er hörte
Schwertgeklirr, Geschrei und gellendes Geheul, den
Kriegsruf der Indier.
Charles war sich gar nicht im Unklaren darüber,
was dieser kurze, nur einige Minuten währende Kampf
bedeutete. Die aufrührerischen Indier hatten die Festung
überrumpelt; die führerlosen Engländer, nur eine
Handvoll, konnten ihnen natürlich keinen Widerstand
leisten. Das alles war ein wohlüberlegter Plan, wahrscheinlich ausgeheckt von dieser Teufelin, der Evelyn.
Sie war eine Französin und haßte die Engländer.
Ach, hätte doch Charles mit draußen sein können!
Wie hätte er diesen verdammten Indiern auf den Köpfen
SPRACHRAUM
herumpochen wollen. Seufzend wälzte er sich auf die
andere Seite und pfi ff die englische Nationalhymne.
Plötzlich horchte er auf, ohne aber das Pfeifen einzustellen: es näherten sich der Zelle Schritte. Die Thür wurde
aufgerissen, mehrere Männer mit Laternen traten ein
und hoben den an Händen und Füßen Gebundenen auf.
»Jetzt geht‘s an den Kragen,« dachte Charles. »Na meinetwegen, meinen Gefährten geht es auch nicht anders.
Ob ich nun ein paar lumpige Jahre mehr oder weniger
lebe, darauf kommt es nicht an; die Weltgeschichte steht
deshalb noch nicht still.«
Charles ward aus dem Keller herausgetragen, durch
den Korridor – er merkte dabei, daß die Nacht bereits
angebrochen war – und dann durch das Arbeitszimmer
des Obersten direkt nach den Gemächern Evelyns. Alles
sah in dem Hause so friedlich aus, daß Charles fast
daran zu zweifeln begann, daß wirklich ein Aufstand
hier stattgefunden habe. In einem Zimmer – es war
ihre Schlafstube – stand Evelyn vor ihrem Sekretär und
starrte mit glanzlosen Angen in die geöffneten Fächer.
Sie bemerkte gar nicht, wie die Indier den gebundenen Engländer an eine Wand lehnten und sich wieder
entfernten. Im Nu hatte Charles begriffen, um was es
sich hier handelte. Evelyn hatte etwas in ihrem Sekretär
gesucht, sie hatte ihn aufgeschlossen und fand, daß
jemand ihre Papiere, wahrscheinlich für sie sehr wertvolle, entwendet hatte, und dieser jemand war Nick
Sharp gewesen, der Detektiv, mit dem sie so manche
Nacht als vermeintlichem Horatio gekost, und der nach
und nach Abdrücke von ihren Schlüsseln genommen
hatte.
Charles gab sich für verloren; die Jagdgesellschaft war
jedenfalls vernichtet, die englische Besatzung überrumpelt, und auch ihn erwartete wahrscheinlich der Tod,
so oder so. Aber an diesem Mädchen wollte er noch
einmal seinen ganzen Spott auslassen, er wollte sie so
lange reizen, bis sie den dort auf dem Tische liegenden
Dolch in sein Herz stieß, und mit einem höhnischen
Lachen wollte er von dieser Welt scheiden. Seinem bisherigen Leben sollte auch sein Tod entsprechen. Jetzt
deutete Evelyn mit der ausgestreckten Hand nach
dem offenen Sekretär und wandte den Kopf langsam
dem Gefangenen zu, bis sich beider Augen begegneten. Charles konnte sehen, wie die ihrigen halb fragend,
85
halb entsetzt blickten.
»Guten Abend,« sagte Charles im ruhigsten Tone,
»schönes Wetter heute.«
Evelyn überhörte ihn ganz.
»Was ist das?« fragte sie langsam, jedes Wort betonend.
»Ein Sekretär.«
Sie ließ die Hand sinken und trat mit drohend gefalteter Stirn auf den an der Wand Lehnenden zu.
»Glaubst Du, ich treibe mit Dir Scherz?«
In furchtbar drohendem Tone wurde diese Frage
hervorgestoßen, aber sie vermochte nicht, Charles
einzuschüchtern.
»Wenn Du keinen Spaß machst, ich mache welchen!«
Er redete sie ebenso mit »Du« an, wie sie ihn.
»Wer bist Du? Sprich!« – »Sir Charles Williams,
Baronet von England, zu dienen.«
Erstaunt betrachtete Evelyn den Gefesselten.
»So sind Sie jener Herr, von dem sich die amerikanischen Damen so oft unterhalten?«
»Habe die Ehre! Können Sie mir vielleicht auch sagen,
ob eine Miß Thomson öfters von mir gesprochen hat?«
Evelyn schritt nach dem Tische und nahm den Dolch.
»Ich habe keine Lust zu scherzen. Sehen Sie diesen
Dolch?«
»Halt, zeigen Sie mir ihn genauer,« unterbrach sie
Charles.
»Geben Sie mir keine Antworten auf meine Fragen,
so stoße ich Ihnen denselben in‘s Herz!«
»Danke, nun fragen Sie mal los.«
»Was veranlaßte sie in dieser Verkleidung in unser
Haus zu kommen?«
»Ich wollte ein bißchen spionieren, mit wem Sie
verkehren.«
»Wer veranlaßte Sie dazu?«
»Stellen Sie eine andere Frage, die beantworte ich
nicht!«
Evelyn spielte sinnend mit dem Dolche, sie bemerkte
nicht, wie Charles‘ Augen seltsam aufleuchteten.
»Weiter, weiter,« drängte er, »ich habe nicht lange Zeit,
ich will heute abend noch verreisen!«
»Sind Sie verrückt, daß Sie angesichts des Todes noch
spaßen können, oder glauben Sie, Sie werden dieses
Haus lebendig verlassen? Antwort! Wer hat dort den
Sekretär erbrochen und mir Papiere geraubt? Ich halte
Wasser-Prawda | Januar 2015
86
SPRACHRAUM
Sie, den verkleideten Indier, für den Thäter.«
»Da sind Sie allerdings auf einer ganz falschen Spur,
mein liebes Fräulein. Nicht ich war es, sondern Ihr
Geliebter, mit dem Sie abends immer im Garten schäkerten. Der hat sich die Freiheit genommen, sich etwas
für Ihre Korrespondenz zu interessieren.«
»Horatio? Sie lügen!« rief das Weib außer sich.
»Horatio?« spottete Charles. »Wer sagt Ihnen denn,
daß es Horatio war? Nein, nicht der Kapitän war es, in
dessen Armen Sie gelegen, dessen Lippen Sie geküßt
haben, verehrtes Fräulein, sondern es war sein Bursche,
der sich als Horatio O‘Naill verkleidet hatte. Hahaha!«
Atemlos hatte ihm Evelyn zugehört: »Nicht möglich,«
hauchte sie, »es war Horatio.«
»Trauen Sie meinem Wort! Sein Bursche war der
Detektiv Nick Sharp, von dessen Verstellungskunst Sie
vielleicht schon gehört haben. Während nun der Kapitän
ruhig schlief, verkleidete er sich als solchen und gab
Ihnen die Rendezvous. Sie herzten sich und drückten
sich und küßten sich, und dabei machte Ihr Geliebter
hinter Ihrem Rücken immer Wachsabdrücke von den
Schlüsseln.«
Charles weidete sich an dem Entsetzen, welches sich
auf dem Antlitz des Weibes abspiegelte.
»Und Sie wußten davon?« sagte sie endlich.
»Gewiß, ich freute mich herzlich darüber, daß eine
Verräterin, wie Sie, von einem Schlaueren betrogen
wurde.«
»Schurke,« schrie Evelyn und hob den Dolch.
»Schurkin, Verräterin,« entgegnete Charles ebenso
schreiend.
Fast war es, als ob Evelyn ihm den Dolch in die Brust
stoßen wollte, aber sie hielt noch einmal inne. »Wußte
Horatio davon, daß ein solches Spiel mit mir getrieben
wurde?« fragte sie tonlos.
»Er hat den Detektiven dazu engagiert.«
»Unglücklicher, weißt Du auch, daß Horatio tot ist,
und alle die, welche heute dieses Haus zur Jagd verließen, und daß auch jener Detektiv mit zerschmetterten Gliedern in einer Schlucht liegt? Nur wenige
Augenblicke noch, und Du wirst ihnen nachfolgen!«
»Was wetten wir, daß der Detektiv nicht tot ist?« sagte
Charles kaltblütig. »Was wetten wir, daß Sie mich ebensowenig morden werden?«
Wasser-Prawda | Januar 2015
Evelyn schaute zweifelnd diesen Mann an, der eine
Minute vor seinem Tode noch wetten konnte. War er
verrückt, oder hatte er irgendwelche Hoffnung, sein
Leben erhalten zu sehen? Langsam hob sie den Dolch.
»Es ist genug!« zischte sie.
»Recht so! Setze deinem Verbrechen die Krone auf!
Erst Mädchenraub, dann Verrat an deinen Beschützern
und zuletzt Mord an einem Wehrlosen. Pfui, du
Scheusal!« Charles spuckte dem Weibe ins Gesicht.
Ein Wutschrei rang sich von Evelyns Lippen.
Blitzend fuhr der Dolch durch die Luft auf das Herz
des Gefesselten zu.
Charles lächelte kalt. Aber das Erwartete geschah
nicht. Im letzten Moment wurde Evelyns Handgelenk
von einem eisernen Griff gepackt, ein anderer schnürte
ihr die Kehle zu, sodaß sie keinen Laut von sich geben
konnte. Ehe sie eigentlich wußte, wie ihr geschah, lag
sie auf dem Rücken, und ein Mann, um den Kopf einen
Verband, beugte sich über sie, um ihr einen Knebel in
den Mund zu stoßen. Im nächsten Augenblick waren ihr
die Hände gebunden und Charles‘ Bande zerschnitten.
»Meine süße Braut,« flüsterte der Mann, der sich
über Evelyn beugte, zärtlich, »kennst du mich denn
nicht nicht, deinen Horatio? Komm, wir wollen ein
Viertelstündchen kosen!«
Wie ein Kind wurde Evelyn emporgehoben. Entsetzt
starrte sie den Mann an, der sie auf den Armen hielt.
Es war die Stimme Horatios, das Gesicht aber das eines
Bedienten, dieses dumme Gesicht, über das sie so oft
gespottet hatte. Das war also der Detektiv, von dem
Williams vorhin gesprochen.
Ein dumpfes Röcheln entrang sich ihrem Munde.
»Jetzt schnell!« flüsterte Nick Sharp dem Befreiten
zu, der durch Beweguugen das stockende Blut wieder
in Umlauf brachte. »Sie haben die Unterhaltung zu sehr
ausgedehnt. Alles ist zur Flucht bereit. Steigen Sie aus
Fenster, ich werfe Ihnen das Mädchen herunter.«
»Sie wollen Evelyn mit sich nehmen?« fragte Charles
erstaunt.
»Ich werde doch meine Braut nicht im Stich lassen,«
lachte der Detektiv, »der ich Treue bis in den Tod
geschworen habe!«
Einige Minuten später war in Evelyns Zimmer
niemand mehr zu sehen.
SPRACHRAUM
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Wasser-Prawda | Januar 2015
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ENGLISH
Wasser-Prawda | März 2015
ENGLISH
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Hans Theessink
BY IAIN PATIENCE
For the past fifty
years or so Hans
Theessink has
been on the road,
an international
blues-trail that has
taken him from
his hometown
of Enschede in
the Netherlands
through the USA,
UK, Australia and
most of Europe.
Each year brings
fresh challenges
and his well-known
Birthday Bashes
have spawned CDs,
DVDs and become
a regular feature
in his touring
calendar, taking him
back home to his
base in Austria‘s
capital city, Vienna.
Theessink started
out as a 9-year-old
kid with a Mandolin,
an instrument that
introduced him to
playing and which
eventually led to his
picking up a guitar
a few years later.
At around the age of 12 or 13, he
taught himself his first few basic
guitar chords, having previously
taken Mandolin lessons. Initially
he concentrated on the music
of the time, sixties folk-inspired
stuff from Pete Seeger, Donovan, Dylan, Woody Guthrie, The
Kingston Trio and Joan Baez.
He was turned-on to blues after
hearing the picking of Big Bill
Broonzy on Radio Luxemburg,
a chance encounter he describes
was ‚a key experience‘ in his musical development:
‚At the time I didn‘t know it was
blues but I liked what I heard,
beautiful fingerpicking (sounded
like three people playing at once),
great singing and lots of emotion.‘
He recalls.
Before long, the teenage Theessink had discovered the work of
Mississippi John Hurt, Leadbelly,
Lightin‘Hopkins, Elizabeth Cotton, Sleepy John Estes, Brownie
McGhee, Fred McDowell and a
raft of others. It would be true to
say he never looked back.
In about1965 he took his first
faltering stage-steps playing in
youth-clubs etc., small venues
willing to organise a gig, around
his Dutch hometown and in
neighbouring Germany. From
this beginning he has gone on to
carve an enviable career for half
a century with around 30 albums
to his name. He recalls his first recording was in Netherlands with a
folk-skiffle band in 1964, his first
solo release being an EP, ‚Next
Morning At Sunrise‘ in 1970.
Although he has no favourite recording, recently he finds himself
listening to one of his fairly recent
releases, from 1992 , ‚Lifeline‘,
an album featuring The Holmes
Brothers with Popsy Dixon, who
passed recently and Theessink
generously says, ‚plays beautifully
on that album.‘
Now a pensioner (65+years
old), he has cut his touring from
around 200 gigs to about 120 gigs
a year. Still a significant workload but one that gives him more
time for other projects and recording, together with more time at
home. Indeed Vienna is the venue
for his lauded Birthday Bashes.
Starting in 1998, his 50th, there
then followed a ten year gap till
his next bash to celebrate his 60th
birthday when an array of top names - Terry Evans, Cowboy Jack
Clement, Donovan, The Dubliners and others - joined him onstage, for a party and double-CD
release plus DVD recording of the
performance. To mark turning
65, he again played a Bash with
the live album, ‚Hans Theessink‘s
65th Birthday Bash‘ following on
its heels.
Last year, 2014, he hosted anoWasser-Prawda | März 2015
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ENGLISH
ther gig for his 66th birthday and
thought to have a break for a few
years. Instead, he has been ropedin to another as part of Vienna‘s
forthcoming ‚Vienna Blues Spring‘
festival (a month-long music
feast), where he will take to the
stage on April 5th (Easter Sunday). ‚I‘m working on that right
now,‘ he confirms. ‚It‘s going to be
interesting.‘
Theessink confirms he has just
completed recording his next
album ‚ True & Blue‘, with US
bluesman Terry Evans, due for
release in April. To coincide with
the launch, he will again take to
the road with a European tour in
April and May,with Evans, who
has also featured on a number of
recent recordings by Theessink.,
‚Call Me‘, ‚Visions‘, and ‚Delta
Time‘.
Theessink first met Evans, a former vocalist with US bluesman Ry
Cooder‘s band, at the Winnepeg
Folk Festival in Canada in 1991.
Since then, they have become
firm friends and musical associates:
‚I used to play many festivals in N
America. I met Terry at the Winnepeg Folk Festival (he performed
in a duo with Bobby King). After
our festival performance we had
some great jams in the hotel.
Around that time I was working
on my album, ‚Call Me‘, and
invited Terry and Bobby for some
backing vocals. They did a great
job. Since that time I‘ve worked
with Terry on several albums; he
was also part of my band for some
Wasser-Prawda | März 2015
European and N. American tours.
We enjoy singing and playing
together and I suggested we do a
‚naked‘ acoustic album. This was
‚Visions‘ recorded in LA it featured Richard Thompson and got
great reviews. The follow up was
‚Delta Time‘, where we invited
Terry‘s singing colleagues Willie
Greene Jnr and Arnold McCuller
for some serious backing vocals.
We also got Terry‘s ‚old boss‘ Ry
Cooder involved.‘
Cooder needs no introduction to
both guitar and blues fans, though
he does appear to have something
of a reputation as being at times
difficult. Theessink dispels this
myth succinctly: ‚I‘ve been a fan
of Cooder since the 1970s and it
was a treat to work with him in
the studio. He‘s such a tasty player
- never stuck for a lick. I was in
heaven‘.
For now, Theessink is preparing
for the Vienna Blues Spring Festival, his Spring tour with Terry
Evans in April/May, appearances
at Denmark‘s premiere roots
music festival in Tonder in August, followed by a transatlantic
trip with tour dates in America in
October/November. Meantime,
the new CD/album, ‚True & Blue‘
hits the market on April 21st, so,
far from cutting-back, he seems to
have plenty to keep him occupied.
Hans Theessink & Terry
Evans – TRUE & BLUE Tour
23.04. Oslo, Buckleys (N)
24./25. 04. Trondheim (N),
Nidaros Blues Festival
29.04. Esbjerg, Tobakken (DK)
30.04. Roskilde, Gimle (DK)
01.05. Silkeborg, Rampelys (DK)
03.05. Fredericia, Det Bruunske
Pakhus (DK)
04./05.05. Hamburg, Cotton
Club
06.05. Dortmund, Piano
07.05. Bensheim, Rex
08.05. München, Schlachthof
09.07. Saalfelden, Kunsthaus
Nexus (A)
10.05. Fürth, St. Peter + Paul
11.05. Ingolstadt, Neue Welt
13.05. Braunau, Kultur im Gugg
(A)
14.05. Kufstein, Kulturfabrik (A)
15.05. Traun, Spinnerei (A)
16.05. Neusiedl am See, Impulse
(A)
19.05. Wien, Metropol (A)
21.05. Gleisdorf, Forum Kloster
(A)
23.05. Klagenfurt, Volxhaus (A)
25.05. Ehrenhausen, WeinART
Zweytick (A)
28.05. Rankweil, Altes Kino (A)
29.05. Rubigen, Mühle Hunziken
(CH)
30.05. Baden, Bluesfestival Baden
(CH)
01.06. Rovigo Deltablues
Festival (I)
ENGLISH
91
Memphis, Blues & Elephants
AN INTERVIEW WITH JEFF JENSEN BY RAIMUND NITZSCHE
WP: Marshall Lawrence from Canada did a very
interesting video-series in Memphis in 2014. He
asked the people only one question - and I want to
ask this question: Why do you love the blues?
Blues is an emotion, a history, and a culture. It’s truly so
much more than just a ‘music’. I love the Blues because
it’s the truest way for me to express and feel real emotion
in the most organic way possible.
WP: You played the International Blues Challenge
three times with your band. How important is such
a challenge for blues musicians in the US? Did your
carrer was changed after the IBC?
The IBC is an amazing thing! We have met so many
great people during this event; fans, talent buyers, and
other blues artists from around the world. I have learned
so much from watching all the great musicians perform,
it’s truly priceless and I encourage every blues fan and
artist to come to at least one of these!
WP: Some musician here in Germany told me in an
interview: There‘s no money in the Blues. How difficult is it, to make a living with your music? Or what
other jobs do you do?
It can be difficult, but to be honest, we are doing just
fine. I don’t do anything other than music, I perform
lots of live shows and I’ve been blessed with the opportunity to produce albums for some other artist as well.
We try to plan well and budget well, and year after year
we are growing and we continue to increase our fan base
and all that hard work is paying off for us.
WP: Starting in April you‘ll come to Europe for a
tour. Is this the first time?
This will be our first time in Europe and we cannot
wait. Europe has a well-founded reputation for supporting Blues music and we are honored that y’all are
Wasser-Prawda | März 2015
92
ENGLISH
giving us a chance to come perform for you. We are
excited to share our music with you as well learn about
your amazing cultures, cities and music.
WP: How important is Memphis as a music city for
your own songs? Has the Beale Street still his own
vibe - or is it just a place for tourists today?
Memphis has such a powerful culture and history it’s
impossible for it not to influence my writing and my
music. The soil, water, and air are filled with the vibes
creativity. And as for Beale Street, It is frequented by
many tourists, but that doesn’t make the music any
less authentic. In my opinion, Beale Street today is
stronger than it has been in years. There are so many
amazing blues and soul artists that perform there every
single day. There are also a lot of international touring
blues acts that call Memphis home, and many of them
play Beale when not on tour. As a matter of fact, we
play Rum Boogie Café from time to time when we are
home in Memphis.
WP: I‘m getting a lot of different music on your new
album: Blues, Bluesrock, Boogie Woogie, Soul and
also some Jazz - did your parents have a great record
collection or how did you find your way into this
kind of music?
YES they did! I grow up listening to 50’s, 60’s and 70’s
rock’n’roll. From there I found all the great music that
came before that, like Blues and Jazz. Even though I
consider why self a blues artist and a blues fan first and
foremost, I do listen to a huge assortment of music, but
it all has one this in common; It has soul! I like music
the is real, honest and emotional, I don’t care if it’s a
singer-song writer or jazz saxophone; if it’s soulful I will
probably love it.
WP: How important is it, to know the history of the
Blues when you want to be a bluesman?
It is EVERYTHING! Blues is not just a music, it’s not
a series of three chords played in a 12-bar form, it truly
is a culture and a history. It is an entire group of people
documenting their struggle, view point and emotion.
To understand where it all came from and WHY, is the
only way to grasp what the point actually is. BLUES IS
AN EMOTION, NOT A MUSIC; the music is simply
the outlet for expressing it.
WP: Which album would be a good start for a young
Wasser-Prawda | März 2015
guy who wants to discover the Blues?
Led Zeppelin’s early albums are great for that. They are
filled with a crazy energy and aggression that captivates
younger people. Buddy Guy was the one that really got
me in to the blues. When I heard him play the guitar
I was hooked!!! Once it’s accepted that ‘blues is alright’
then one can open their minds to where it all came from.
We have many artists today that are doing a GREAT job
of opening the ‘blues door’ for younger folks.
WP: Are Elephants listening to the Blues? Or what‘s
the story behind the title of your new album?
This is the most lyrically significant album we’ve done
and I wanted a title that matched it. The album title
“Morose Elephant” is a concept idea. “Morose” having
lots of very negative connotations such as; bitter, angry,
upset. I then want to use “Elephant” as a powerful spiritual animal representing power, strength, longevity, and
stoicism. The idea is we all go through things that are
bad or tough, but that doesn’t make us bad, we are just
going through a process. So even an Elephant, can have
his Morose days, but in the end, he’s still an Elephant.
WP: When you sit down to write, what comes first the lyrics, the tune or an idea for a whole song? And
what‘s more important for you: the music or the story
do you tell in the song?
The most important thing to me in a song is that it is
honest and real. I don’t want to write fiction, I want to
share a part of my soul with the world. So how I write
my songs changes from song to song, some songs like
“River Runs Dry” and “Ash and Bone” have come to me
all at once, music, lyrics, everything. Other songs like
“Fall Apart” were created over time. They were written,
changed, re-written and then changed again, until they
finally fell in place. I try to keep an open mind and an
open heart when it comes to song writing, I don’t push it,
and I don’t hold it back either, I just let it flow as it will.
And if that means I don’t write a song for 6 months or
I write 6 songs in one day, so be it. As long as it’s emotional, honest and real, I’m good with it.
ENGLISH
93
Laura Holland Band
Women in Blues are Special
LETTER FROM THE UK #15 BY DARREN WEALE
Willkommen zum Brief
aus dem Vereinigten
Königreich.
the Blues.
Those ladies have been important
since the earliest days, with performers like Memphis Minnie and
As this Letter is written, I know
Bessie Smith, through to the latest
that Nathan Norgel‘s newest show
crop, which include fierce guitar
on Crossroad Cafe at radio98eins is
players like Joanne Shaw Taylor
a ‚Women In The Blues‘ special. In
and Chantel McGregor. Nor are
the UK, the DJ who most celebrates
women confined to vocals and
women in Blues music is Kevin Black
guitar. Victoria Smith is a wellwith his Black on Blues podcast
known bassist; Katie Bradley both
(http://blackonblues.com/) which
sings and blows the harmonica. In
frequently showcases the ladies of
Detroit, Layla Hall of P-A-U-L and
the Detroit Breakdown is an exciting drummer, as is Donna Peters
of a (frequently) very loud and very
good British act, Albany Down.
Of contemporary British vocalists,
Connie Lush has been much respected for many years, and younger
ones are coming though, such as
Laura Holland, Malaya Blue, and
more. Behind the scenes, there are
ladies who do a great job in other
ways. Organise festivals – Colne.
Do PR for and with acts - Half
Deaf Clatch. More and more could
Wasser-Prawda | März 2015
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ENGLISH
be thought up who make costumes, or are the bookers at venues,
and so on and on. So, the women
in Blues don‘t just deserve a Special,
they are Special. It is good news
that there is a documentary on the
subject coming – see https://www.
facebook.com/pages/Women-inBlues/1533486130241267?fref=nf.
So I was pleased to see that the Indie
B movement which is aiming to
provide a hot new identity for the
Blues has a T-shirt for the ladies as
well as for men. Way to go, Indie
B. They have a competition ending
on 1st May with Reverbnation that
should be of interest to musicians as
well.
Wasser-Prawda | März 2015
Seid glücklich und
erfreut Euch an Eurer
Live-Musik und allem
was Deutsch ist!
Links
Alistair Cooke - http://www.bbc.
co.uk/programmes/b00f6hbp
Indie B competition - http://
www.makingascene.org/reverbnation-and-making-a-scene-teaming-up-to-find-the-best-indieblues/
Albany Down - http://www.albanydown.com/
Laura Holland - http://www.laurahollandband.co.uk/
ENGLISH
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The Cast of „Selma“.
IT’S 2015 AND WE ARE
TA LK ING A BOUT B LA CK A ND
WH ITE SKIN. WH Y?
BY GARY BURNETT
I went to see the movie Selma
recently. It was quite simply
outstanding – utterly engrossing,
but also inspiring and challenging.
The movie works at a number
of levels, including giving us
a fascinating insight into Rev.
Martin Luther King Jr., but simply
in terms of reminding us of the
brutal racism that gave rise to
the Civil Rights movement in the
1950s and 60s in the US, it is a
film that everybody should see.
Wasser-Prawda | März 2015
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ENGLISH
Not least because racism has clearly not gone away, not
in the United States and not in Europe. Just this past
week, a French man returning home from work was
abused by a group of visiting English football fans on
the French Metro. He was bundled off the train and
assaulted verbally with racist chanting. The incident
was caught on a mobile phone video and then widely
distributed. The victim, Souleymane, who doesn’t want
his surname known, said, “It’s 2015 and we are talking
about black and white skin. Why?”
racism and injustice:
One day, when the glory comes
It will be ours, it will be ours
Oh, one day, when the war is one
Intriguingly its says, “One son died, his spirit is revisitin’
us,” clearly a reference to Martin Luther King and his
continuing inspiration in the continuing struggle against
racism. It’s equally applicable, though, in this context to
Jesus, who said “blessed are those who hunger and thirst
Why indeed. Yet racism continues to dog our socieafter justice,” and died at the hands of the oppressive
ties. In a telling article in the Guardian, Chris Arnade
regime of his day, to bring in a new day of peace and
recounts: “A week after Barack Obama was elected prejustice. His spirit is available to inspire and empower all
sident in 2008, I walked into my old hometown bar in
those who would walk in his way of peace and in the
central Florida to hear, “Well if a nigger can be presipursuit of justice.
dent, then I can have another drink. Give me a whiskey
I was greatly taken by the words of Martin Luther King
straight up.” Only one day in the town and I thought,
in one of his Selma speeches:
“Damn the south.””
“A man dies when he refuses to stand
Ms Arnade works in Wall Street in New York City,
up for that which is right
but recognizes that even there, “the poor side of town
A man dies when he refuses to stand
in New York is still almost entirely dark skinned.” She
makes the point that America celebrates the stories of
up for justice
self-made blacks and Hispanics, the ones who make it,
A man dies when he refuses to stand
to enable people to forget the others who are not able to
up for the truth.”
overcome the long odds and everything stacked against
them in neighborhoods racked by poverty, unemploy- These are, in fact, words inspired by King’s understanment, crime and drugs.
ding of the Bible, of Jesus. David Oyelowo who plays
King so convincingly in the movie says of King, “This
“Gone,” she says, “is the overt, violent, and legal was a man driven by his spiritual convictions. Anyone
racism of my childhood. It has been replaced by a who has seen those speeches can tell there is something
subtler version.” But maybe it’s not so subtle – Black flowing through this man other than just intellect. There
Demographics suggests that over 28% of black families is a deep spiritual drive within him to see all peoples
are living in poverty, compared to around 12% percent experience justice…I share his faith, in terms of being
across all races, that blacks are three times more likely a Christian myself, so I know what it is to be taken
to be stopped and searched by the police than whites up by something else other than your own intellectual
and they constitute 38% of the prison population whilst thoughts.”
only accounting for 13% of the population. And that’s
before we start discussing recent events in Ferguson or King’s words are a challenge to all of us, of faith or no
New York City.
faith – in a world full of injustice, how are you and I
The song that plays out during the credits for Selma
is Glory performed by Common and John Legend.
It’s spine-tingling, as it looks forward to a day without
Wasser-Prawda | März 2015
going to stand up for justice, for truth, for what is right?
ENGLISH
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Reviews
Excellent musicians contribute to
the album. Andy Brown on guitar
and Diane, Lil Sax ‚Ellis on Alto
Saxophone reinforced the message.
When selecting the pieces Chris
Foreman uses the traditional blues
and gospel repertoire. Charlie
Parker’s ,Cotton Boy Blues’, ‚Neil
Hefti’s ballad ,Lil Darlin‘ (known
by Count Basie), Foreman interpreted all the pieces in his very own
special way.
,Now is the Time‘ is a timeless
Chris Foreman - Now Is The
album for demanding, traditionally
Time
oriented blues- and jazz-lovers. It is
Steven Dolins with its fine, exclu- an audiophile album – you should
sive Sirens Records label always gua- lean back and listen.
rantees extremely exciting and thril- For Chicago travelers: Chris
ling album productions in the blues-, Foreman performs each Friday at
gospel- and jazz-area.
the Green Mill Jazz Club (5 pm to
At the beginning of the year he sur- 8 pm). (The Sirens Records SR 5022)
prised with the first album that Chris
(BK)
Foreman has released under his own
name. The Chicago bound, blind,
57 year-old B3 virtuoso belongs like
Jimmy McGriff and Jimmy Smith to
the greatest jazz and blues organists
of our time.
Chris Foreman became known
worldwide through his recordings
with the <Deep Blue Organ Trio>
and the <Kimberly Gordon Trio>.
Foreman does not see himself as
the avant-garde - he is a technically
brilliant traditionalist. I am extremely impressed with the ease with Eliza Neals - Breaking and
which Foreman changes in some of Entering
his pieces between the organ and an Detroit is known for its great musiacoustic piano. Although the organ cians. John Lee Hooker, Bob Seger
is in the foreground, so it avoids the and Mitch Ryder come from the
hint of boredom, I have felt at some Motor City, Motown Records was
other production.
the dominant style in the 60s and
70s. So great role models for young
artists do not lack.
Now Eliza Neals occurs with
„Breaking and Entering“. The young
singer and keyboardist has already
released several albums. In 2012 she
received the Detroit Music Award.
The new album should succeed in
Eliza’s decisive breakthrough. The
requirements of an international
career, she has them all.
Eliza Neals voice is perfect for her
preferred Blues Rock. She roars
rough and unpolished the opener
„Detroit Drive“ to sing rather gently
„Sugar Daddy“ later. The 12 pieces
on the CD are well written and open
for Eliza the possibility of using her
voice and temperament fully unlocked. A prime example is the ballad-like „Spinning“. Accompanied
by Howard Glazer‘s heavy guitar
playing Eliza‘s voice dominates the
song really great. The subsequent
„Breaking and Entering“ is also a
special treat.
Reviewers compare Eliza with Janis
Joplin. Besides the fact that I have
been through a lot of Janis successors on stage (and then never heard
anything again from most of them),
this comparison does not meet Eliza.
Here is a spirited young singer on
stage, that has developed an own
style of singing. She does not copy
any model, but seeks and finds its
own successfully way in blues(rock).
Eliza has won thirteen excellent
musicians for collaboration on the
album. Very special attention should
be given to detroit’s top guitarist
Wasser-Prawda | März 2015
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ENGLISH
Howard Glazer. His empathetic
dobro- and guitar-play sets the right
tone, drives the songs and supports
Eliza‘s vocals at it’s best. Howard‘s
enthusiasm and commitment to the
project is felt and heard.
With Eliza Howard and Howard
Glazer two musicians cooperate in
a way that their interaction produces amazing synergies. I hope that
the two will continue their cooperation – it is worth it.
(BK)
Jorma Kaukonen – Ain‘t In No
Hurry
feature in the stew to good effect.
Eleven tracks include standards
like ‚Nobody Knows You When
You‘re Down And Out‘; Thomas
Dorsey‘s wisecracker, ‚The Terrible
Operation‘ and a splendid take on
Yip Harburg‘s classic old perenniel,
‚Brother Can You Spare A Dime‘.
Woody Guthrie‘s seldom heard/
recorded ‚Suffer The Little Children
To Come Unto Me‘ also earns its
place. Most of the remainder come
from Kaukonen himself.
The theme of the album, explains
Kaukonen in the sleeve notes, is
his thanks for a relatively peaceful,
eventful and affluent musical lifestyle that now spans some fifty-plus
years. Nowadays, he feels relaxed
and content, with no need or pressure to rush around or experiment.
Like a jigsaw, his life and music
merge as one with tangential support
from his oldest and most trusted
musical buddies. This is very much
an album of the kind that we‘ve
come to admire and expect from a
genuine acoustic blues master.
Iain Patience
A new release from Jorma is always
welcome and eagerly anticipated by
his legion of fans worldwide. ‚Ain‘t
In No Hurry‘ is a typically laid-back
bit of work with Kaukonen‘s trademark, spicy guitar-work and gripping gritty vocals both working full
tilt.
As usual these days, he‘s joined
by his old buddy from Jefferson
Airplane rock-star days, and Hot
Tuna Bassman the incomparable
Jack Casady together with Tuna
Mando-man, Barry Mitterhoff. As
a result, there is a clear Tunaesque
feel and aim to the album. Larry Laurence Jones – What‘s It
Campbell and Teresa Williams also Gonna Be
Wasser-Prawda | März 2015
The latest, third, release from young,
hot-shot British rock-bluesman,
Laurence Jones is a true cracker. A
wonderful album of searing guitar
work coupled with some deft lyrics
that have a stamp of confidence and
maturity about them that simply
belie his relatively tender years and
must speak volumes of what might
yet lie tantalisingly in store for the
years ahead.
All eleven tracks are solid, full of
positively pounding guitar riffs and
runs and licks that echo many of his
personal early influences - Walter
Trout (whose band he has already
played with); old Slowhand Clapton;
Albert Collins and Rory Gallaher.
There are also shades of Stevie Ray
Vaughan there, I‘m sure.
Jones featured heavily in last year‘s
blues charts with both his own
album, ‚Temptation‘ gathering accolades worldwide and his participation on German record company
Ruf‘s talent showcase album ‚ Blues
Caravan 2014‘. There‘s no doubt this
guy has a warm, wonderful musical
future ahead of him, with praise
coming from his musical peers, the
media and a growing army of global
fans.
When you take Jones‘ lyrics, great
fretwork and add a powerful, mature
voice to the mix, you end up, as here,
with a genuine bit of quality. On
one track he is joined on support
vocals by Scot, Sandi Thom, and on
another by New York siren, Dana
Fuchs. Both lend a strength and
purpose to the project. A highly
recommended release. (Ruf Records)
Iain Patience
ENGLISH
Ron Hacker & The Hacksaws
- Goin‘ Down Howlin‘
Ron Hacker, born in 1945, for me
is one of the most compelling and
honest blues men of our time. The
Slide Virtuoso, who is based since
long years in San Francisco is not
known in vain as the ‚White Trash
Blues Man>. He calls in his texts
clearly what touches him and his
fellow man and he is not afraid
before clear statements.
The Baby is gone or the whiskey
tastes too well, those are not his subjects. You can convince yourself by
listening to the seven albums he has
recorded - partly as Ron Hacker &
the Hacksaws or Ron Hacker.
Friends of something harder pace
will be happy with the albums <Back
Door Man> (2000) and <Burnin‘>
(2003). For friends of solo or Club
performances <Bad Boy> (2007)
and ‚Live in San Francisco> (2012)
is a must. Ron has occurred in all
major West Coast festivals including
the Monterey Jazz Festival, as well
as in Europe (including Germany).
Unfortunately, it has not yet given
the big breakthrough in our area Ron Hacker is still an insider’s tip.
Hopefully his just-released CD
<‘Goin‘ Down Howlin ‚> will change
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that marries traditional 1930s acoustic blues with a few standard traditional folk songs to provide this
12-track album. Red is already
gaining prominence in the vibrant
Swedish blues scene with festival
appearances and gigs and with this
interestingly, fresh release should also
now reach a wider blues audience
beyond the Baltic. Tracks covered
include Tom Dickson‘s ‚Labour
Blues‘; When the Levee Breaks‘;
‚Hesitation Blues‘; Willie McTell‘s
classic ‚Statesboro Blues‘; ‚Millman
Blues‘ from Bily Bird; ‚Crazy Blues‘
by Perry Bradford - a good, strong
opener here - and John Hurt‘s
‚Frankie and Albert‘. From the very
off it‘s apparent where the moniker
‚Shoutin‘ originates, as Nielsson‘s
voice hammers out the lyrics alongside some fine, well aimed acoustic
guitar-work. At times, the vocal delivery is reminiscent of Rory Block,
another fi ne blues-woman with a
strong voice and positive presence.
And while Red‘s fretwork has yet to
reach the heights of Block‘s picking,
there is clearly scope and time for
development in that department.
With strong emotional and enthusiastic support from another couple of
Sweden‘s better known players who
both fancy her chances in the big,
bad blues world, - Brian Kramer and
Sofie Reed - Shoutin‘ Red looks like
she‘ll be needing little more introduction in the near future. If there‘s
Shou n‘ Red – Introducing
a weakness in this release, it probably
‚Introducing‘ is exactly that, an intro lies in the folk-based material which
to a new kid on the Scandinavian is largely unnecessary here. Overall
blues block. From Sweden, Felicia a new voice worth catching and a
Nielsen, aka Shoutin‘ Red, is a new, more than decent first album.
young performer with a debut release
Iain Patience
that. Ron Hacker (guit., voc.) & his
Hacksaws - Artis Joyce (bass) and
Ronnie Smith (drums) - engage
extent on great songs of blues music.
Ron contributes with the opener
<Evil Hearted Woman> (acoustic)
and <Big Brown Eyes> successfully
own compositions that have a good
chance to become classics itself. The
other 9 pieces are written by Little
Walter (<Hate to see you go>), Sleepy
John Estes (<Ax sweet Mama>),
Jimmy Reed (<Baby what you
want me to do>) and others. Chuck
Berry‘s <Nadine> is represented as
well as Chester Burnett‘s‘ <Howling
for my Darling>. Ron Hacker presents a harmonious blend of some
classic popular songs on his very
own, intoxicating nature. Hacker is a
seasoned, mature musician far from
mainstream and any image complexes. Listening to him is a great experience to see him live on stage is one
of my unmet needs.
(BK)
Wasser-Prawda | März 2015
In der Gedenkstätte Ravensbrück trifft die Enkelin
von Danuta Sombrowicz auf
einen Fürstenberger Historiker. Dani, deren „Baba“ im
Konzentrationslager die eigene Identität aufgeben musste,
und Simon, dessen Großvater einst den Lagerkommandanten die Haare schnitt,
kommen sich auf ihrem Weg
durch die Geschichte näher.
Zwei Generationen später
findet etwas zusammen,
was lange nicht zusammen
gedacht werden konnte.
Uwe Saeger nähert sich
dieser Vergangenheit mit der
ihm ganz eigenen Sprache
– zuweilen schroff wie die
Landschaft, in der er geboren
ist, derb wie die Menschen
dort und immer einfühlsam
und treu seinen Figuren
gegenüber. Ihm gelingt ein
Text, der die individuellen
Traumata und die der Region
beschreibt. Dabei stellt er die
großen Fragen im Kleinen,
ganz subjektiv und persönlich.
Ab 17.04.2015
ihm Handel
Uwe Saeger: Gott in Ketten
114 Seiten; Softcover; 14,8 x 21,0 cm
ISBN: 978-3-943672-59-6
13,95 EUR (D)