Kurzinformation über wichtige Ereignisse und Aktivitäten

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Kurzinformation über wichtige Ereignisse und Aktivitäten
Dresden, 20. Oktober 2008
Kurzinformation über wichtige Ereignisse und
Aktivitäten extremistischer Organisationen
im Monat September 2008
Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen
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Inhaltsübersicht
1.
Rechtsextremismus
Ereignisse mit rechtsextremistischem Hintergrund
Ehemaliger Bundesschatzmeister der „Nationaldemokratischen Partei
Deutschlands“ (NPD) wegen Untreue verurteilt ............................................................... 3
Demonstration des „Arbeitskreises Zukunft“ im „Freien Widerstand der Lausitz“
am 6. September 2008 in Kamenz (Lkr. Bautzen)............................................................ 4
2.
Linksextremismus
Ereignisse mit linksextremistischem Hintergrund
Linksextremistische Aktivitäten am 18. September 2008 in Annaberg-Buchholz........... 6
3.
Ausländerextremismus
3.1
Islamismus/Islamischer Terrorismus
BKA-Fahndung nach Islamisten ....................................................................................... 7
Festnahme von zwei Terrorverdächtigen .......................................................................... 7
3.2 Sicherheitsgefährdende Bestrebungen von Kurden – „Volkskongress Kurdistans“ (KONGRA GEL)
16. Internationales Kurdisches Kulturfestival ................................................................... 7
Infostand des Vereins „Kurdisches Haus Leipzig e.V.“ ................................................... 8
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1.
Rechtsextremismus
Ereignisse mit rechtsextremistischem Hintergrund
Ehemaliger Bundesschatzmeister der NPD wegen Untreue verurteilt
Das Landgericht Münster verurteilte am 12. September 2008 den ehemaligen NPD-Bundesschatzmeister Erwin KEMNA zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und acht Monaten. Er hatte
gestanden, in 80 Fällen Parteigelder in Höhe von insgesamt 741.000,- € auf Konten seiner inzwischen insolventen Küchenfirma überwiesen zu haben. Die Ermittlungen ergaben, dass innerhalb der NPD Kontrollmechanismen fehlen. Der Bundesvorsitzende Udo VOIGT gab an,
er habe zwar die finanziellen Probleme seines Schatzmeisters gekannt, jedoch keinen wirklichen Einblick in das Finanzgebaren gehabt.
Der finanziell angeschlagenen NPD drohen in diesem Zusammenhang neue Probleme. Gegen
den mittlerweile aus der Partei ausgetretenen KEMNA laufen weitere Ermittlungen. Überprüft wird, inwieweit bei diesem Finanzgebaren auch gegen das Parteiengesetz verstoßen
wurde. Sollte sich dies bestätigen, könnte die NPD mit massiven Rückzahlungsforderungen
der Bundestagsverwaltung konfrontiert werden.
VOIGT, der sich noch zum Bundesparteitag im Mai 2008 vor KEMNA gestellt und die
Ermittlungen als staatliche Maßnahme gewertet hatte, um an Daten der NPD zu gelangen,
zeigte sich in einer ersten Stellungnahme „zutiefst enttäuscht“ und „erschüttert“. KEMNA
habe sein Vertrauen missbraucht. Eine Mitverantwortung an dem Vorfall wies er zurück. Es
sei weder seine noch die Aufgabe des Parteivorstandes, „Kontoauszüge zu durchforsten“.
Dafür gebe es „Kassenprüfer und vereidigte Wirtschaftsprüfer“. Für die künftige Parteiarbeit
habe man bereits neue Regeln erstellt, „um einen Missbrauch zumindest nach dem System
‚KEMNA’ künftig weitgehend auszuschließen“. Man erwarte nun eine Erklärung KEMNAs,
wie er gedenke, den Schaden „wieder gut zu machen“.1
In einer zweiten Erklärung räumte VOIGT ein, dass Kontrollmechanismen versagt hätten. Er
wolle aber trotzdem nicht zurücktreten, da der Parteivorstand auf dem Bundesparteitag „überzeugende Rückendeckung“ erhalten habe und es den Gegnern gefallen würde, wenn „wir uns
in gegenseitigen Vorwürfen selbst zerfleischen und die NPD sich im Wahljahr 2009 mit Personaldebatten aus der aktuellen Politik ausklinken würde“. Er wolle dem Parteivorstand deshalb vorschlagen, den für 2010 vorgesehenen Wahlparteitag auf den November 2009 vorzuziehen.2 Laut dem Bundespressesprecher der NPD soll auch der im Oktober 2008 geplante
Programmparteitag ausfallen – angeblich sei keine Räumlichkeit gefunden worden.
Bewertung
Die gegenwärtige Situation könnte sowohl die finanzielle Lage der Partei weiter verschlechtern als auch den internen Machtkampf um den Bundesvorsitz verschärfen. Bereits vor dem
Bundesparteitag gab es Spekulationen über einen Machtwechsel an der Parteispitze als Konsequenz aus dem Fall. Dort war es VOIGT vor dem Hintergrund des laufenden Verfahrens
noch gelungen, seine Position zu festigen. Obwohl der Parteiführung vom Gericht ein völliges
Versagen von Kontrollmechanismen bescheinigt wurde, ist er nicht bereit, persönliche Konsequenzen zu ziehen und bringt unmissverständlich seinen Führungsanspruch zum Ausdruck.
Hier wird offensichtlich auf Zeit gespielt. Die Angelegenheit KEMNA soll in Vergessenheit
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Homepage „altermedia“ vom 17.09.08.
Homepage des Bundesvorstandes der NPD vom 18.09.08.
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geraten. Man hofft, durch eventuelle Erfolge bei den anstehenden Wahlen, die Delegierten
beim nächsten Wahlparteitag wieder für sich zu gewinnen.
Demonstration des „Arbeitskreises Zukunft“ im „Freien Widerstand der Lausitz“ am
6. September 2008 in Kamenz (Lkr. Bautzen)
An der Demonstration unter dem Motto: „Eine Zukunft für unsere Kinder? Nicht in diesem
System!“, die der bekannte Rechtsextremist Silvio ANDERS angemeldet hatte, beteiligten
sich ca. 180 Personen, darunter Angehörige der sogenannten „Freien Kräfte“. Ein Großteil der
Teilnehmer war aus Südbrandenburg angereist.
Die Demonstranten führten Trommeln, schwarze Fackeln und Transparente mit Aufschriften
wie
„Zukunft und Heimat schützen gegen Globalisierung und Kapitalismus - Freie Kräfte Osterzgebirge/Dresden“
„Zuwanderung stoppen Kapitalismus zerschlagen“
gezeigt.
Während der Demonstration wurden mit einem Megaphon Parolen gerufen, durch die Demonstrationsteilnehmer im Chor beantwortet und von Trommelschlägen begleitet. So zum
Beispiel:
„Wer hat uns Verraten? Die Demokraten! Wer macht damit Schluss? Nationaler Sozialismus!“
„Wer, wenn nicht wir – wann, wenn nicht jetzt. Nationaler Sozialismus – jetzt, jetzt, jetzt.“
„Wie heißt das System? BRD. Und was wird es? Untergehen.“
„Todesstrafe für Kinderschänder.“
Foto: LfV Sachsen
Während der Kundgebung auf dem Kamenzer Marktplatz sprach ein bekannte Rechtsextremist.
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Am Anfang seiner Rede nahm er Bezug auf ein im August 2008 in Leipzig getötetes Kind.
Als dieses vermisst wurde, hätte der nationale Widerstand selbst Suchaktionen organisieren
müssen. Wenn allerdings, so behauptete er, in Mecklenburg national gesinnte Jugendliche der
„Heimattreuen Deutschen Jugend e. V.“ (HDJ) ein Zeltlager abhielten, gäbe es genug Polizei,
dieses zu stürmen.
Sinngemäß äußerte er weiter, dass es in Deutschland, Sachsen und insbesondere der Lausitz
einen schleichenden Volkstod gäbe. Es gäbe in Deutschland nicht 80 Mio. Deutsche, da jeder
der hier geboren würde für die „BRD-Deutschen“ Deutscher sei. Alle Menschen seien - jedoch von Geburt an unterschiedlich aufgrund ihrer Genetik.
Er schloss mit den Worten: „Unsere Idee ist kein Traum mehr. Lasst also die Forderung nach
einer besseren Zukunft für alle Deutschen Wirklichkeit werden! Setzt euch massiv ein für eine
radikale Umwälzung der bestehenden Strukturen! Wehrt euch mit aller Kraft! Es gibt nur eine
Lösung – Nationaler Sozialismus.“
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2.
Linksextremismus
Ereignisse mit linksextremistischem Hintergrund
Linksextremistische Aktivitäten am 18. September 2008 in Annaberg-Buchholz
An der Demonstration unter dem Motto „Kein Bock auf Nazis – im Kreistag und anderswo“,
die durch das nicht-extremistische „Bündnis gegen Rechts Erzgebirge“ angemeldet worden
war, beteiligten sich ca. 150 Personen, darunter Autonome. Zur Teilnahme an der
Veranstaltung hatte im Vorfeld u. a. die linksextremistische „Autonome Antifa
Westerzgebirge“ (AAWE) aufgerufen.
Die teilweise vermummten Teilnehmer führten Transparente mit folgenden Aufschriften mit:
 „Keine Akzeptanz für Nazis in Jugendzentren, sozialen Einrichtungen & öffentlichen Räumen. NPD Verbot jetzt. Kampf dem freien Netz. (…)“
 „Nazistrukturen aufdecken und zerschlagen!!!; Good Night White Pride“,
 „Kein Friede mit Nazis, RassistInnen und AntisemitInnen – Autonome Antifa Westerzgebirge“ und
 „Wie weit werden sie gehen? So weit wie wir sie lassen. Nazis und anderen Rassisten entgegentreten. Antifaschistische Aktion“.
Bei der Eröffnungskundgebung wurde ein Redebeitrag über rechtsextremistische Strukturen
im Erzgebirge gehalten. Ebenso wurden die in den Kreistag des Erzgebirgskreises gewählten
NPD-Mitglieder namentlich erwähnt und beschrieben. Während des Demonstrationszuges
wie auch während der Abschlusskundgebung skandierten die Teilnehmer Parolen und Forderungen wie z.B. „(…) Nazis von der Straße fegen!“ und „Antifaschista“. Bei der Abschlusskundgebung wurde die aktuelle Situation im „antifaschistischen Widerstand“ in AnnabergBuchholz thematisiert.
Bewertung
Die Szene zieht eigenen Bekundungen zufolge ein positives Resümee, „(…) da in AnnabergBuchholz bis jetzt viel zu wenig gegen Rechts agiert wurde.“. Ebenso sei die Beteiligung
„(…) in der Woche und in der Provinz ein großer Erfolg.“3
Die Demonstration belegt den gegenwärtigen Trend der verstärkten Aktivitäten von
Autonomen außerhalb der großen Städte im Freistaat Sachsen.
3 Homepage der AAWE vom 26.09.2008.
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3.
Ausländerextremismus
3.1
Islamismus/ Islamistischer Terrorismus
BKA-Fahndung nach Islamisten
Am 25. September 2008 wurde bekannt, dass der deutsche Konvertit Eric BREININGER in
Begleitung des gebürtigen Libanesen Houssain AL-MALLA auf dem Weg nach Deutschland
ist, um hier möglicherweise einen Anschlag zu begehen. Beide haben nach Erkenntnissen der
deutschen Sicherheitsbehörden Ausbildungen in Terrorlagern der „Islamischen Jihad-Union“
(IJU) im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet absolviert.
Gegen BREININGER und AL-MALLA ermittelt der Generalbundesanwalt seit Frühjahr
2008 wegen des Verdachts der Unterstützung bzw. der Mitgliedschaft in einer terroristischen
Vereinigung im Ausland. In diesem Zusammenhang war am 10. bzw. am 11. April 2008
Haftbefehl erlassen worden.
Seit dem 25. September 2008 wird nach AL-MALLA und BREININGER öffentlich gefahndet.
Festnahme von zwei Terrorverdächtigen
Am 26. September 2008 wurden durch das LKA Nordrhein-Westfalen auf dem Flughafen
Köln/Bonn zwei Personen festgenommen. Dabei handelt es sich um einen 23-jährigen Somalier und einen 24-jährigen in Somalia geborenen Deutschen. Gegen beide bestand der Verdacht, dass sie in den Jihad ziehen und möglicherweise Selbstmordanschläge verüben wollten.
3.2
Sicherheitsgefährdende Bestrebungen von Kurden – „Volkskongress
Kurdistans“ (KONGRA GEL)
16. Internationales Kurdisches Kulturfestival
An der Veranstaltung am 6. September 2008 in Gelsenkirchen beteiligten sich mehrere zehntausend Kurden. Das Festival stand unter der Schirmherrschaft der „Föderation kurdischer
Vereine in Deutschland e. V.“ (YEK-KOM) und dem Motto: „Trotz Verleugnungs-, Vernichtungs- und Assimilationspolitik des türkischen Staates beharren wir auf Frieden und Freiheit“.4 Die Eintrittskarten waren mit den Slogans „Freiheit für Abdullah Öcalan – Frieden in
Kurdistan“ und „Die Freiheit von APO ist unsere Freiheit“5 bedruckt.
Die Eröffnungsrede hielt der Vorsitzende der YEK-KOM, Achmet CELIK. Zwischen Musikund Tanzeinlagen wurden Botschaften eines KONGRA GEL-Führungsfunktionärs und Abdullah ÖCALANs übermittelt. Die Teilnehmer führten zum Teil Flaggen der vom Betätigungsverbot für die „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK) mitbetroffenen „Nationalen Befreiungsfront Kurdistans“ (ERNK) mit sich, die jetzt Symbol der „Neuen PKK“ sind.
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Yeni Özgür Politika, Ausgabe vom 28.07.2008.
Anhänger Abdullah ÖCALANs gaben ihm den Ehrennamen APO.
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Die gesamte Veranstaltung wurde von dem ebenfalls mit Betätigungsverbot in der Bundesrepublik Deutschland belegten Sender ROJ TV live übertragen.
Kurdische Jugendliche aus Deutschland und dem benachbarten Ausland führten ab dem
30. August 2008 den ebenfalls inzwischen traditionellen Marsch zum Festival durch.
Infostand des Vereins „Kurdisches Haus Leipzig e .V.“
Am 23. September 2008 führte der Verein auf dem Augustusplatz in Leipzig einen Infostand
zum Thema „Verbot kurdischer Medien“ durch.