11 V 09 - Moskauer Deutsche Zeitung
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N r. 1 6 ( 2 3 9 ) A u g u s t 2 0 0 8 w w w . m d z - m o s k a u . e u UNABHÄNGIGE ZEITUNG FÜR POLITIK, WIRTSCHAFT UND KULTUR • GEGRÜNDET 1870 Der Staat bin ich! A 09 Süss-sauer: Nach Höhen und Tiefen bei Olympia gibt es Kritik an den Sportlern - sie wollten sich nicht genug quälen. 11 Самый западный. «Мы – как в каменном мешке», – говорит президент Немецкорусского дома Калининграда Виктор Гофман V Foto: Reuters Schwarz-WEISS: Dem Bild von der Sondereinheit Omon fehlen die Zwischentöne - sagt ein ehemaliger Kommandeur. K o m m e n t a r Von Alexander Heinrich ls Premier Putin Ende Juli seine Attacke gegen den Bergbaukonzern Mechel ritt, der Börsenkurs des Unternehmens innerhalb eines Tages in den Keller rutschte, da fühlten sich viele Beobachter an den Fall Yukos erinnert. Auch damals sprach der Präsident von Steuerbetrug. Die Rhetorik ist gleich und doch liegt der Fall anders. Im Gegensatz zum Ex-Yukos chef Chodorkowskij hat der MechelMehrheitseigner Sjusin bisher keine politischen Ambitionen erkennen lassen. Worum also geht es? Der Kohlepreis hat sich innerhalb eines Jahres fast verdoppelt. Mit ihm und den weltweit wachsenden Erzpreisen steigen die Kosten der Stahlproduzenten. Dafür allein Mechel verantwortlich zu machen, ist abenteuerlich. Allerdings ist das Unternehmen größter russischer Kohlelieferant und unterhält eigene Stahlwerke. Das ist etwa so, als würde eine Airline eigene Ölquellen für ihr Flugbenzin besitzen. Es ist eine Marktmacht, die jede Kartellbehörde auf den Plan rufen muss. Die Attacke ist ein Warnschuss für die großen Montankonzerne. Sie dürfen an der Ausbeute russischen Bodens verdienen, aber der Staat will einen Teil vom Kuchen haben. Das ordnungspolitische Anliegen ist legitim, die Art und Weise, es durchzusetzen, ist es nicht. Putins Sprüche kommen stark daher, lassen aber einen schwachen Staat vermuten. Schlagkräftige Kartellbehörden und unabhängige Staatsanwälte, die nicht erst auf Zuruf von oben ermitteln, können diese Aufgabe besser erfüllen. So aber entsteht wieder einmal der fatale Eindruck: L’état, c’est moi! – „Der Staat bin ich!“. Ausländische Investoren reagieren verunsichert, sie dürften jetzt wieder stärker das politische Risiko einkalkulieren. Dabei ist Russland dringend auf sie angewiesen - auf ihr Knowhow für die einheimischen Industrien jenseits von Öl und Gas und als Türöffner für die Märkte in West und Ost. ABHÄNGIG UNABHÄNGIG: Südosseten gratulieren sich Ende August zur russischen Anerkennung der Unabhängigkeit. Die georgische Armee hatte zuvor die abtrünnige Provinz unter Kontrolle zu bringen versucht, sich nach Russlands Intervention jedoch zurückziehen müssen. Der Kreml bezeichnete die weltweit umstrittene Anerkennung von Südossetien und Abchasien als notwendigen Schritt, um „Menschenleben zu schützen”. Russland hatte beide Regionen bereits zuvor großzügig unterstützt. Alltag in Trümmern Nach dem Krieg beginnt in Südossetiens Hauptstadt Zchinwali der Wiederaufbau Ganze Stadtviertel liegen in Schutt und Asche, ausgebrannte Häuserskelette reihen sich entlang der Hauptstraße, die mit Glassplittern und zerbrochenen Eternitplatten übersät ist. Der Krieg hat deutliche Spuren hinterlassen in Zchinwali, der Hauptstadt Südossetiens. Wenige Tage nach den schweren Angriffen georgischer Truppen kehrt langsam der Alltag zurück. Die Geflüchteten kehren heim, russische Katastrophenschützer stellen die Strom- und Gasversorgung wieder her, Bagger räumen die Trümmer beiseite, der Wiederaufbau beginnt. Doch das Kriegstrauma wird viele Menschen in Zchinwali noch lange begleiten. Von Florian Willershausen Suliko Kamaido steht vor den Dann führt er seinen Besucher Trümmern seines Hauses und an den Ort, an dem es gescheknöpft sein schmutziges Hemd auf. hen ist: Ein dunkles Kellerverlies, „Das haben sie mir angetan, die in dem rund 100 Menschen aus Georgier“, möchte der 68-Jährige der Nachbarschaft während der wohl sagen. Doch er schweigt und drei Nächte dauernden Angriffe legt einen anklagenden Blick auf. Zuflucht gesucht hatten. Als er sich Über seinen Brustkorb zeichnen in der zweiten Nacht auf den Trepdunkelblaue Fäden die Wunde nach, peneingang wagte, um frische Luft die er bei der Detonation einer Gra- zu schnappen, ging in unmittelnate erlitten hat. Orangefarbenes barer Nähe eine Granate hoch und Desinfektionsmittel klebt auf der fegte Metallteile durch die Luft. Haut. Eine Woche hat der Rent- Ein Schulfreund und eine Frau, ner im Krankenhaus von Zchinwali die er nicht kannte, waren sofort verbracht. tot, erzählt Kamaido. Verzweifelt „Wir fürchten uns vor nichts, auch nicht vor der Aussicht auf einen neuen Kalten Krieg. Aber wir wollen keinen Kalten Krieg, und in dieser Situation hängt alles von der Haltung unserer Partner ab.“ Russlands Präsident Dmitirj Medwedew Ende August zur Nachrichtenagentur ITAR-Tass nach der Bekanntgabe, die Unabhängigkeit Abchasiens und Südossetiens offiziell anzuerkennen. „Das, was in Georgien passiert, macht mir ehrlich gesagt Angst. Das betrifft sowohl das Geschehen selbst als auch die Art und Weise, wie darüber in den Medien berichtet wird.“ Der tschechische Präsident Vaclav Klaus in einem Interview mit der Prager Zeitung „Mlada Fronta Dnes“ wenige Tage nach dem Krieg zwischen Russland und Georgien. fragt er nach dem Sinn des Krieges: „Warum? Warum mussten sie alle sterben?“ Es war die Nacht zum 8. August, in der sich das Leben von Suliko Kamaido und das der anderen Einwohner von Zchinwali schlagartig veränderte. Georgische Kampftruppen griffen Südossetiens Hauptstadt mit Kampfhubschraubern, Granaten und Raketenwerfern an, auch Streubomben sollen nach Berichten von Mitarbeitern humanitärer Organisationen verwendet worden. Auch wenn die offiziellen Angaben über Todesopfer in Zweifel zu ziehen sind – jeder der rund 35 000 Bewohner von Zchinwali hat mindestens ein Opfer im Familien-, Freundes- oder Bekanntenkreis zu beklagen. Die Stadt gleicht einer Trümmerwüste: Ganze Viertel liegen in Schutt und Asche, durch die verkohlten Häuserskelette kann man selbst von „Wir lassen uns von Moskau Energie liefern und wollen Investitions möglichkeiten für unsere Unter nehmen, ohne Russland dabei aber eine politische Rolle zuzuerkennen. Da schwelte eine Frustration, die jetzt leider explodiert.” Italiens Außenminister Franco Frattini im Gespräch mit Journalisten Ende August. einst verbauten Vierteln aus auf die nahe gelegenen Berge des Kaukasus blicken. Sämtliche Geschäfte sind verbarrikadiert, Glasscherben und zerbroche Eternitplatten liegen auf dem Boden, die Regale wurden leer geräumt, vermutlich von hungernden Plünderern. Lediglich die Apotheke an der Hauptstraße hat geöffnet. Dort gießt eine ältere Frau aus Fünf-Liter-Kanistern Trinkwasser in einen Plastikbecher, an dem reihum alle Wartenden nippen. Die Trinkwasserleitungen sind zerstört, Brauchwasser gibt es nur für mehrere Stunden am Tag, Gas können sich die Einwohner an einem Lastwagen in kleine Druckbehälter abfüllen lassen. Vor den russischen Gaslastern bilden sich wie auch vor der städtischen Brotfabrik lange Warteschlangen. 11 „Wir können der Welt heute sagen, dass Zchinwali eine Heldenstadt ist. Es ist wie Stalingrad – alles ist zer stört.“ Der Dirigent Walerij Gergijew Mitte August bei einem Gedenkkonzert für die Opfer der georgischen Raketenangriffe. A u s g a b e v o m 2 7 . A u g u s t b i s 9 . S e p t e m b e r. 02 POLITIK M o s k a u e r D e u t s c h e Z e i t u n g N r. 1 6 ( 2 3 9 ) A u g u s t 2 0 0 8 Gesuchter Kommandeur an der Front Der tschetschenische Bataillonschef Sulim Jamadajew kämpfte trotz Haftbefehl in Georgien Von Oliver Bilger Sulim Jamadajew kämpfte im ersten Tschetschenienkrieg mit den Aufständischen, wechselte im zweiten Feldzug aber die Seiten und zog zusammen mit russischen Truppen ins Gefecht. Mit seinen vier Brüdern spielte er eine wichtige Rolle bei der Rückeroberung Tschetscheniens im Winter 1999. Er baute die Eliteeinheit Wostok auf, die überwiegend aus ehemaligen tschetschenischen Widerstandskämpfern besteht und Teil der russischen Militäraufklärung ist. Die Soldaten zählen zu den kampferfahrensten des Landes. Jamadajew bekleidet den Rang eines Generalmajors und trägt den Orden „Held Russlands“. Menschenrechtler werfen seinen Kämpfern brutale Säuberungsaktionen, Folter und Vergewaltigungen vor. Anfang August wurde Haftbefehl gegen Jamadajew erlassen. Das tschetschenische Innenministerium teilte mit, der Bataillonskommandeur sei auf die föderale Fahndungsliste gesetzt worden. Er wird verdächtigt, in die Entführung und den Mord eines tschetschenischen Geschäftsmanns im Februar 1998 verwickelt zu sein. Der tschetschenische Präsident Ramsan Kadyrow erklärte, Jamadajew solle „ungeachtet seiner Medaillen und Verdienste“ verhaftet und verurteilt werden. Präsident Kadyrow und Jamadajew streiten um Einfluss in der Republik. Kadyrow sind die Sondertruppen von Wostok ein Dorn im Auge, da sie sich seinem Machtmonopol nicht unterordnen wollen. Das Bataillon untersteht dem Generalstab der russischen Streitkräfte. Im Mai dieses Jahres beschuldigte Kadyrow Jamadajew mehrerer Entführungen und Morde und rief Staatsanwälte zu Ermittlungen auf. Beobachter sehen darin den Versuch des Präsidenten, Jamadajew kaltzustellen, um seine Macht in der Republik zu festigen. Jamadajews Bruder Ruslan, Abgeordneter der Staatsduma, sagte dem „Kommersant“, dass sein Bruder seit dem Frühjahr in Moskau lebe und die Fahnder wüssten, wo er sich befindet. Er verstecke sich nicht. Der Gesuchte versteckte sich tat- Soldaten der Eliteeinheit Wostok in Zchinwali, der Hauptstadt Südossetiens. sächlich nicht: Das Verteidigungsministerium in Moskau erklärte, dass in Südossetien zwei Kompanien von Wostok und dem analogen Bataillon Sapad kämpften. Jamadajew gab nach Ende der Gefechte ein Interview und erklärte auf „Utro.ru“, dass seine Soldaten die südossetische Hauptstadt Zchinwali von georgischen Scharfschützen „gesäubert“ hätten. Menschenrechtsbeobachter von Human Rights Watch berichteten in den Kriegstagen unter Berufung auf eigene Leute im Konfliktgebiet von Plünderungen und Morden, an denen auch Wostok-Kämpfer beteiligt gewesen sein sollen. Der frühere US-Militärgeheimdienstoffizier Ralph Peters schrieb in der „New York Post“, Putin habe die „übelsten Verbrecher in Uniform auf die Georgier loslassen“. Jamadajew widersprach Gerüchten, seine Leute hätten Hunderte Georgier auf dem Gewissen. Auch ein Reporter der „Nowaja Gaseta“, der Wostok begleitete, bezeichnete solche Behauptungen als unwahr. Der russische Verteidigungsminister Anatolij Serdjukow entließ Jamadajew nach dem Krieg mit sofortiger Wirkung aus der Armee. Die tschetschenischen Ermittlungsbehörden erklärten den Haftbefehl für aufgehoben, nachdem Jamadajew in Moskau gefunden worden sei. Unklar blieb zunächst, ob er auch vor Gericht gestellt wird. „Historische Chance“ für Russland Die Krise im Kaukasus hat gezeigt, dass eine Außenpolitik der Konfrontation in die Isolation führt Das russische Vorgehen im Südkaukasus ist bei der eigenen Bevölkerung auf breite Zustimmung gestoßen. Im Ausland erklärten sich jedoch nur Kuba und Venezuela mit Russland solidarisch. Selbst die ehemaligen Sowjetrepubliken ergriffen öffentlich nicht Partei, mit Ausnahme der Ukraine und der baltischen Länder – sie verurteilten die Intervention als Aggression. Diese Isolation, schreibt die Internetzeitung Gazeta.ru in einem redaktionellen Kommentar, habe sich Russland selbst zuzuschreiben: Sie sei das Ergebnis einer Außenpolitik der Konfrontation. Die MDZ veröffentlicht den Beitrag in leicht gekürzter Form. In den vergangenen Jahren hat Russland die westliche Welt als seinen mehr oder weniger größten zivilisatorischen Feind hingestellt und tut das auch weiterhin. Jetzt steht die russische Regierung, die sich davon leiten lassen hat, dass die Politik der westlichen Länder weder auf gemeinsamen Werten noch auf moralischen Grundfesten basiert, vor der Wahl. Natürlich kann die verbreitete Unzufriedenheit mit dem russischen Vorgehen geradezu als Indiz dafür interpretiert werden, wie zutreffend doch die Ansicht über die westliche Doppelzüngigkeit ist. Denn die Intervention in Georgien weist schließlich viele Parallelen mit den westlichen humanitären Interventionen auf, und so wird sie in Russland auch wahrgenommen. Umso zynischer erscheint im Lande die Verurteilung von draußen. Die Wahl besteht nun darin, sich in dieser Meinung bestätigt zu fühlen oder herausfinden zu wollen, wie sich so eine breite antirussische Front – von Lukaschenko bis Bush – formieren konnte. Russland war in der Ära Putin, gelinde gesagt, nicht gerade ein Vorkämpfer für Freiheit und Menschenrechte. Der humanistische Aspekt seiner Außenpolitik klang nur sehr gedämpft durch die ständige Rhetorik im Geiste des Kalten Krieges. Bei allen Vorbehalten vieler Länder gegenüber den USA wird deren Rolle als Weltgendarm von den verschiedensten Staaten mitgetragen. An Operationen, die gemeinhin als Resultat amerikanischer Unbelehrbarkeit gelten, wie zum Beispiel im Irak, in Afghanistan und in Serbien, beteiligen sich Einheiten aus Dutzenden Ländern, wenn auch mitunter fast symbolisch. Das hat nicht nur damit zu tun, dass die Amerikaner es verstehen, diese Loyalität zu kaufen. Ein Grund dafür ist auch, dass für die „amerikanischen“ Werte der Bürgermacht, des Schutzes der persönlichen Freiheit nicht nur in den USA votiert wird. Russland hat sich bisher weder Verbündete kaufen können noch ist es für irgendwen zu einem nachahmenswerten Beispiel geworden. Es hat Russland auch niemand abgenommen, dass es Saakaschwili nicht stürzen will. Zu oft hat der Kreml versucht, Einfluss auf Wahlen zu nehmen, ob nun in der Ukraine oder selbst in Abchasien, wo nur im letzten Moment ein Bürgerkrieg verhindert werden konnte, ausgelöst durch die standhafte Weigerung von Putins Mannschaft, den Sieg von Sergej Bagapsch über ihren Favoriten Raul Chadschimba anzuerkennen. Unter solchen Vorzeichen wurde Russlands „humanitäre militärische Mission“ als gewaltsame Fortsetzung der Großmachtrhetorik eines Landes aufgenommen, das versucht, die schlimmsten Züge des sowjetischen Imperiums zu restaurieren. Als die russischen Truppen in Georgien das auch dem Westen wohlvertraute Existenzrecht eines Volkes zu verteidigen suchten (wobei die Südosseten fast ausnahmslos die russische Staatsbürgerschaft besitzen), zweifelte die Welt mechanisch an der Aufrichtigkeit der russischen Beteuerungen. Dmitrij Medwedews mutige und verantwortungsvolle Entscheidung zur Einstellung der Kampfhandlungen, vielleicht die erste, die er selbstständig getroffen hat, eröffnet Russland die historische Chance, eigene Werte zu formulieren, anstatt wie bisher Politik über die Negation des „Fremden“, „Feindlichen“ zu betreiben. Russland wird erst dann und nur dann Verbündete finden, wenn es der russischen Diplomatie gelingt, die Welt von der Rechtmäßigkeit seiner Interessen zu überzeugen, anstatt sich aufzuplustern und auf das Gasventil zu verweisen. Der Krieg in Georgien und die Reaktion der Weltgemeinschaft darauf haben der bisherigen Außenpolitik der Konfrontation ihre logischen Grenzen aufgezeigt. Russland ist, auch das wurde offenkundig, weitgehend isoliert. Will es als Großmacht agieren und tatsächlich Einfluss auf Entwicklungen nehmen, so sollten die Ursachen dieser Isolation ergründet werden, was bedeutet, den außenpolitischen Kurs der letzten Jahre zu korrigieren, der ganz eindeutig in die Sackgasse führt. Eine Zusammenarbeit mit den führenden Staaten der Welt im Namen demokratischer Werte ist nicht gleichbedeutend mit „Fremdsteuerung“ oder der Preisgabe der nationalen Souveränität. impressum Herausgeber Heinrich Martens Redaktion Jochen Stappenbeck, Chefredakteur Olga Silantjewa Stellv. Chefredakteurin Larissa Chudikowa (Moskowskaja Nemezkaja Gaseta) Oliver Bilger (Politik, Gesellschaft, Zeitgeschehen, Regionen) Tino Künzel (Politik, Russlands Nachbarn, Leben in Moskau, Letzte Seite) Alexander Heinrich (Wirtschaft, Feuilleton, Letzte Seite) Korrektur Nina Botschkarjowa Raissa Kraptschina Computersatz Andrej Morenko, Anna Wirz „Martens. Verlag & Consulting“ AG Designentwurf: Hans Winkler MDZ-Online Tino Künzel Verlagsvertretung Deutschland Wolfram Löbnitz [email protected] Tatjana Borina (Vertrieb) [email protected] Geschäftsführende Gesellschafterin Olga Martens Anzeigen Tel.: (499) 245 6757 [email protected] Vertrieb Tel.: (499) 246 4051 Fax: (499) 766 4876 [email protected] Adresse Russland, 119435 Moskau, Deutsch-Russisches Haus, Ul. Malaja Pirogowskaja 5, Office 54. Tel.: (495) 937 6544 Fax: (499) 766 4876 E-Mail: [email protected] Zwei Redakteure werden durch das Institut für Auslandsbeziehungen e.V. aus Mitteln des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland gefördert. Die Redaktion übernimmt keine Haftung für den Inhalt der veröffent lichten Anzeigen. Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. K u r z u n d K n a p p Zweifel an Opferzahlen Foto: Reuters Welche Rolle spielte Sulim Jamadajew im Kaukasuskrieg? Der Kommandeur des berüchtigten tschetschenischen Bataillons Wostok kämpfte mit den russischen Truppen gegen die Georgier, obwohl er per Haftbefehl gesucht wurde. Nach dem Krieg wurde er aus der Armee entlassen. Nachrichten Nachdruck nur mit Quellenangabe möglich. Registriert bei Roskompetschat. Registriernummer 017576 Redaktionsschluss: 27. August 2008. Gedruckt in der Druckerei „Pressa“. Auflage 25 000 Expl. Номер заказа 810914. Газета в розницу не распространяется. Das südossetische Statistikamt hat die Zahl der Todesopfer beim georgischen Angriff auf Zchinwali abschließend mit 1 492 beziffert. Worauf die Anga ben beruhen, bleibt jedoch unklar. Bereits am ersten Tag der Kämpfe hatte Südossetiens Präsident Eduard Kokojty von 1 400 Toten gesprochen und deren Angehörige als Quelle genannt. Flüchtlinge berichteten, die Stadt sei „voller Leichen“, doch sie beriefen sich dabei auf die Medien, die wiederum Zahlen der „russischen Seite“ verbreiteten. Wer die Toten gezählt hat, konnten auch unabhängige Experten vor Ort nicht in Erfahrung bringen. Anna Neistat von Human Rights Watch sagte der Deutschen Welle, es gebe „Anlass, die Echtheit der Zahlen in Zweifel zu ziehen“. Erfahrungsgemäß gebe es dreimal so viele Verletzte wie Tote. Man habe jedoch keine Kenntnis von Tausenden Verletzten. Arkadij Babtschenko, Reporter der „Nowaja Gaseta“, schrieb nach mehrtägigen Re cherchen in Zchinwali, seine Schätzun gen beliefen sich auf „150, 200“ Tote. Rascher aufbau gefordert Georgiens Präsident Michail Saaka schwili hat die Regierung seines Landes zum aktiven Wiederaufbau aufgerufen. „Wir müssen zerstörte Häuser und Wohnungen wieder bewohnbar machen und Entschädigungen auszahlen, nicht nur an die Angehörigen der gefallenen Militärs, sondern auch an die Familien der zivilen Einwohner, die bei diesem Konflikt ums Leben gekommen sind“, erklärte Saakaschwili bei einer Sitzung des nationalen Sicherheitsrates in Tiflis. Der Wiederaufbau solle unverzüglich begonnen werden, anstatt auf ausländische Finanzhilfe zu warten. Saakaschwili bewertete den russischen Truppenabzug aus Georgien als „einen guten Anfang und einen richtigen Schritt“ unter dem Druck der internationalen Völkergemeinschaft. Weiter betonte er: „Ich möchte nicht, dass unsere Gesellschaft auf Russland erbost ist. Wir sind ein zivilisiertes Volk. Zugleich müssen wir alle dessen bewusst sein, dass den Georgiern niemand Stolz und Freiheitsliebe wegnehmen wird.“ Ukraine will schnell in Nato Angesichts des Konflikts im Kaukasus hat der ukrainische Präsident Viktor Juschtschenko zu einem raschen NatoBeitritt seines Landes aufgerufen. „Wir müssen unsere Arbeit beschleunigen, um einen Beitritt zum europäischen Sicherheitssystem zu erreichen und das Verteidigungspotenzial unseres Landes zu stärken“, erklärte Juschtschenko in seiner Rede zum 17. Jahrestag der Unabhängigkeit der Ukraine. Z ahlen bitte! 7 ... Minuten ließ die Nachrichtenagentur Interfax Russland glauben, Michail Cho dorkowskij komme frei. Am 22. August verbreitete sie um 11.24 Uhr, sein Antrag auf vorzeitige Haftentlassung sei bewilligt. Um 11.31 Uhr wurde die Information per Eilmeldung zurückgenommen. In der Zwischenzeit hatten die „Blue Chips“ an der russischen Börse im Schnitt um zwei Prozent zugelegt. 03 M o s k a u e r D e u t s c h e Z e i t u n g N r. 1 6 ( 2 3 9 ) A u g u s t 2 0 0 8 P olitik Mit zweierlei Maß Nachrichten K u r z Europa kann nur dann eine Vermittlerrolle im Kaukasus-Konflikt einnehmen, wenn es glaubwürdiger Sachwalter beider Seiten ist. Das sagt die ehemalige ARDMoskau-Korrespondentin Gabriele Krone-Schmalz. Im Interview mit MDZ-Redakteur Alexander Heinrich spricht die Russlandexpertin über langjährige Provokationen im Kaukasus sowie die angestrebte Nato-Mitgliedschaft Georgiens und erklärt, warum für andere ehemalige Ostblockstaaten keine Gefahr von Russland ausgeht. Foto: Archiv Die russische Armee ist tief ins georgische Kernland eingedrungen, nachdem georgische Truppen gewaltsam in Südossetien eingerückt waren. Halten Sie Russlands militärische Reaktion für überzogen? Wenn man die georgische Militäraktion gegen Südossetien isoliert betrachtet, dann könnte man antworten: Ja, die russische Reaktion war überzogen. Wenn man allerdings die Weltpolitik der letzten zwanzig Jahre aus russischer Sicht bewertet, so hat Russland eine Provokation nach der anderen mehr oder weniger still hingenommen: Nato-Osterweiterung, amerikanische Militärberater in Georgien und so weiter. Das militärische Vorgehen des georgischen Präsidenten Saakaschwili hat den Bogen überspannt und diesen russischen Paukenschlag ausgelöst, nach dem Motto: jetzt reicht‘s, die Schmerzgrenze ist überschritten. Nicht nur der Kreml, auch viele Russen werfen dem Westen Doppelmoral vor, weil er die Unabhängigkeit des Kosovo von Serbien anerkennt, Südossetiens oder Abchasiens Sezession hingegen nicht. Misst der Westen mit zweierlei Maß? Natürlich misst der Westen mit zweierlei Maß. Das lässt sich über die Jahre mit vielen Beispielen belegen und fällt ja nicht nur Russen und dem Kreml auf. Was ist mit der territorialen Integrität Serbiens? War der Nato-Einsatz damals verhältnismäßig? Wenn westliche Truppen Zivilisten töten, dann nennt man das Kollateralschaden, bei russischen Truppen handelt es sich um vorsätzliche Menschenrechtsverletzung. Diese Schlichtheit ist für jeden halbwegs intelligenten Menschen eine Zumutung. Moskau hat in den vergangenen Jahren Pässe an Südosseten ausgegeben und sie damit zu russischen Staatsbürgern gemacht – völkerrechtlich ein problematisches Vorgehen. Hat Russland den Konflikt am Köcheln gehalten, um ihn nun für sich zu instrumentalisieren? Russland ist kein Unschuldslamm in dieser Angelegenheit und es geht auch nicht darum, die Position des einen oder des anderen schönzureden, sondern darum, Interessenlagen deutlich zu machen. Russlands Interesse ist es, den Einfluss der USA vor seiner eigenen Haustür zu verhindern oder einzudämmen. Das halte ich für legitim. Die USA handhaben das bei sich genauso. Mehrere ehemalige Ostblockstaaten fürchten nun, dass der große Nachbar Russland sie wieder stärker in seinen Einflussbereich zu bringen versucht – notfalls auch mit Gewalt. Sind solche Befürchtungen nachvollziehbar? Menschlich, psychologisch nachvollziehbar sind sie sicher. Die ehemaligen Ostblockstaaten haben nun mal überwiegend keine guten Erfahrungen mit Moskau gemacht, sie haben viel Unrecht ertragen müssen und jeder hat noch seine eigene Rechnung offen. Klar, dass sie sich in die weit geöffneten Arme des Westens begeben. Aber eine nüchterne Analyse russischer Interessen ergibt zweierlei: Russland ist innenpolitisch auf verschiedensten Feldern schwer beschäftigt, um das erklärte Ziel zu erreichen, den Menschen in einem verlässlichen staatlichen Rahmen zu mehr Wohlstand zu verhelfen. Und zweitens: Nach dem Zerfall der Sowjetunion um Russland herum Ruhe zu haben und in Ruhe gelassen zu werden. Gewaltsame Einverleibung anderer Staaten ist da nicht vorgesehen. Russland wehrt sich gegen die Aufnahme von Ländern wie der Ukraine und Georgien in die Nato, es sieht sich mit der Osterweiterung des Verteidigungsbündnis immer stärker eingekreist. Ist andererseits eine Entscheidung für das westliche Bündnis nicht das Recht souveräner Staaten? Die Sache ist kompliziert. Da die Zustimmung Moskaus zur Nato-Zugehörigkeit des vereinten Deutschland an die Zusicherung gebunden war, dass sich die Nato nicht weiter nach Osten ausdehnt, handelt es sich um eine Vereinba- Foto: Reuters Versäumnisse der EU in der Vergangenheit rächen sich jetzt – sagt Gabriele Krone-Schmalz Was ist das nächste Ziel eines russischen Angriffs? Ein Plakat in der georgischen Hauptstadt Tiflis beschreibt die Angst ehemaliger Ostblockstaaten. „Gewaltsame Einverleibung anderer Staaten ist nicht vorgesehen“, glaubt Krone-Schmalz. rung, die nicht dadurch hinfällig wird, dass andere, an diesen Verhandlungen nicht Beteiligte, etwas Anderes wollen. Wozu sollte man dann noch etwas vereinbaren? Mitte August hat Polen nun doch noch der Stationierung des umstrittenen US-Raketenschirms zugestimmt. Zerschlägt Russland mit Drohgebärden gegenüber „abtrünnigen“ Nachbarstaaten und nun mit dem Krieg in Georgien zu viel Porzellan? Auch da darf man Ursache und Wirkung nicht verwechseln. Bislang hatten Polen und die USA langwierig verhandelt, unter welchen Bedingungen die Stationierung in Polen möglich sein soll. Die Begründung für diese militärische Installation, man müsse gegen Angriffe aus dem Iran gewappnet sein, wird ja nicht nur von Russen angezweifelt. Und jetzt lässt man die Katze aus dem Sack und hängt gleich einen amerikanisch-polnischen Beistandspakt dran. Gegen eine iranische Bedrohung Polens wohl kaum. Fakt ist natürlich: Das schlechte Image Russlands wird durch sein Verhalten in Georgien noch schlechter. Aber was war die Alternative? Nach Ansicht der meisten Beobachter dürfte Georgien seine Provinzen Abchasien und Südossetien kaum halten können. Wären eine internationale Verwaltung unter UnoAufsicht oder gar die Unabhängigkeit eine verantwortbare Lösung? Ich kann mir nicht vorstellen, dass Südossetien und Abchasien nach allem, was gewesen ist, Teile Georgiens bleiben. Eine vorübergehende internationale Verwaltung wird nur dann – wenn überhaupt – Erfolg haben, wenn sie so neutral wie möglich besetzt ist und statt amerikanischer oder russischer Interessen südossetische und abchasische Interessen eine Rolle spielen. Wie das praktisch aussehen soll, ist natürlich die Frage. Jedenfalls gehört es zur Glaubwürdigkeit der internationalen Staatengemeinschaft, Meinungsäußerungen von Menschen, die mit ihrem Gebiet selbstständig werden wollen, auch dann zu respektieren, wenn sie sich anders entscheiden, als es sich die westliche Welt wünscht. Was bedeutet der Krieg für das Selbstverständnis Europas und seine Haltung gegenüber Russland? Welche Vermittlerrolle kann Europa übernehmen? Versäumnisse der Vergangenheit rächen sich jetzt bitter. Hätten die EU-Europäer damals, beim Zusammenbruch der Sowjetunion, mit Blick auf die USA und die Nato stärker darauf gedrängt, gemeinsam mit Russland eine neue Sicherheitsarchitektur zu erarbeiten, statt die Nato zu einer politischen Institution aufzublasen, hätte der Jugoslawienkrieg vermutlich so nicht stattgefunden. Es spricht eine Menge dafür. Wenn man nach vorne blickt, dann kann eine Vermittlerrolle Europas nur dann funktionieren, wenn Europa in der Lage ist, glaubwürdiger Sachwalter beider Seiten zu sein. Im Moment macht es nicht den Eindruck. Ich will mich nicht in Horrorszenarien ergehen, aber wenn Europa nicht endlich erkennt, dass es im ureigensten Interesse ist, Russland als Partner zu haben, wird Europa im Machtkampf künftiger Großmächte zerrieben werden. u n d K n a p p Chodorkowskij bleibt in Haft Der frühere Ölmagnat Michail Chodorkowskij bleibt weiter in Haft. Ein Gericht im ostsibirischen Tschita lehnte die vorzeitige Haftentlassung des wegen Steuerhinterziehung und Betrugs verurteilten Ex-Chefs des inzwischen zerschlagenen Ölkonzerns Yukos ab. Die Verteidiger dürfen binnen zehn Tagen Berufung gegen den Gerichtsbeschluss einlegen, meldete RIA Nowosti. Staatsanwalt Alexej Fjodorow und die Gefängnisleitung hatten sich während der Gerichtssitzung gegen eine vorzeitige Haftentlassung ausgesprochen. Chodorkowskij zeige sich nicht einsichtig und sei nicht auf dem Weg der Besserung, begründete Fjodorow seine Forderung. Die Begründung der Richter sei an den Haaren herbeigezogen, sagte ein Anwalt Chodorkowskijs dem Radiosender Echo Moskwy. Nun darf der 45-Jährige erst in einem Jahr wieder eine vorzeitige Freilassung beantragen, teilte sein Anwalt mit. Russlands bekanntester Häftling hat fünf Jahre einer insgesamt achtjährigen Gefängnisstrafe abgesessen. Zudem läuft ein zweites Strafverfahren, bei dem Chodorkowskij Unterschlagung und Geldwäsche von über 18 Milliarden Euro zur Last gelegt werden. Er bestreitet die Vorwürfe. Gemeinsame Verteidigung Die Präsidenten Russlands und Weißrusslands, Dmitrij Medwedew und Alexander Lukaschenko, haben Zeitungsberichten zufolge ein gemeinsames Luftverteidigungs system beschlossen. Das Abkom men, das Experten als Antwort auf die Stationierung des US-Raketen abwehrsystems in Polen gilt, soll im Herbst in Moskau unterzeichnet werden, berichteten die Zeitungen „Wedomosti“ und „Gazeta“. Polen und die USA besiegelten ungeachtet russischer Proteste ein Abkommen über den Aufbau des Raketenschilds. Lukaschenko habe der gemeinsamen Luftverteidigung zugestimmt, um seine Position zu Georgien zu kompensieren, sagte Jaroslaw Romantschuk, Experte des weißrussischen Mises-Zentrums: Der Staatschef habe den Betroffenen erst eine Woche nach Konfliktbeginn sein Beileid ausgesprochen, was im Kreml Unzufriedenheit hervorgerufen habe. Lukaschenko erklärte, er habe sich nicht eingemischt, weil Moskau auch ohnehin mit der militärischen Friedensoperation fertig geworden sei. Kritik an Schröder Alt-Kanzler Gerhard Schröder ist für Bemerkungen über den georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili scharf kritisiert worden. Schröder hatte in einem Interview mit dem „Spiegel“ den Einmarsch der Georgier in Südossetien als „auslösendes Moment“ der Kämpfe im Kaukasus bezeichnet und Saakaschwili einen „Hasardeur“ genannt. Der CSU-Außenpolitiker Karl-Theodor zu Guttenberg sagte der „Passauer Neuen Presse“: „Ich bekomme mehr und mehr das Gefühl, dass der Alt-Bundeskanzler ein gestörtes Verhältnis zu seiner früheren Betätigung hat. Sobald Russland ins Spiel kommt, ist sein Urteil in höchstem Maße unverhältnismäßig und unangemessen.“ CDUGeneralsekretär Ronald Pofalla nannte Schröder einen „lupenreinen russischen Interessenvertreter“. Recht K u r z u n d K n a p p Änderungen im Baugesetzbuch Am 25. Juli 2008 ist das Föderale Gesetz Nr.148-FZ „Über die Einbringung von Änderungen in das Städtebaugesetz buch der Russischen Föderation und andere gesetzliche Bestimmungen“ in Kraft getreten (mit Ausnahme von Teil 1, Artikel 8 des Gesetzes). Das Gesetz wurde angenommen im Zusammenhang mit der wiederholt gescheiterten Abschaffung der Lizenzerteilung für Bautätigkeiten, Projektierungen und ingenieurtechnischen Untersuchungen, welche am 1. Juli 2008 hätte erfolgen sollen und die Regelung des schrittweisen Übergangs von der Genehmigungserteilung zur Schaffung einer Institution zur Selbstregulierung im Bereich Bauwesen zum Ziel hatte. Entsprechend den neuen Änderungen des Städtebaugesetzbuches wird eine neue Übergangsperiode festgesetzt, derzufolge die Ausstellung von Lizenzen zur Ausführung von ingenieurtechnischen Untersuchungen, Projektierungen und Bautätigkeiten zum 1. Januar 2009 und die Lizenztätigkeit zum 1. Januar 2010 enden. Bis zum 1. Januar 2010 werden Organisationen zur Ausführung von Bautätigkeiten zugelassen, welche über eine Lizenz oder eine Sondergenehmigung verfügen, die von so genannten „selbst regulierenden Organisationen“ erteilt wurden. Führungskräfte ohne Quoten Am 25. Juli 2008 hat das Ministerium für Gesundheit und soziale Entwicklung den Erlass Nr. 355n herausgegeben. Darin sind bestimmte Berufsgruppen aufgelistet, die von der Quote für den Erhalt einer Arbeitsgenehmigung für ausländische Mitarbeiter befreit sind. Es handelt sich um 22 Führungspositionen, unter anderem Biophysiker, Generaldirektoren einer Aktiengesellschaft, General direktoren eines Unternehmens, Repräsentanzleiter, Mikrobiologen, Ingenieure für die Automatisierung von Produktionssteuerungssystemen und Abteilungsleiter (IT-Abteilung). Die Quote des Föderalen Migra tionsdienstes für die Erteilung von Arbeitsgenehmigungen an ausländische Mitarbeiter in Moskau und in einigen weiteren Regionen Russlands wurde für das Jahr 2008 vorzeitig ausgeschöpft. Auch nach einer Erhöhung der Quote im Juli wurde der Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften in Russland bei weitem nicht gedeckt. Erteilung der Arbeitserlaubnis Am 25. Juli 2008 ist der Erlass über die neue Verwaltungsordnung über die Erteilung von Arbeitsgenehmigungen und Arbeitserlaubnissen durch vier Behörden (Föderaler Migra tionsdienst, Ministerium für Gesundheit und Sozialentwicklung, Transportministerium und Staats komitee für Fischerei) in Kraft getreten. Veröffentlicht wurde der Erlass (ohne Anlage Nr. 13) im „Bulletin der Rechtsvorschriften der föderalen Exekutivbehörden“ Nr. 28 am 14. Juli 2008. Dieser Infodienst wird unterstützt von: Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Rechtsanwälte Elektrosawodskaja Uliza 27, Gebäude 2, 107023 Moskau Tel.: +7 495 933 51 20 / 20 55 www.roedl.ru M o s k a u e r D e u t s c h e Z e i t u n g N r. 1 6 ( 2 3 9 ) A u g u s t 2 0 0 8 Konjunktur verliert an Schwung Regierung korrigiert Wachstumsprognose nach unten – und die Inflationsrate nach oben Sieben Jahre lang kannte Russlands Konjunktur nur eine Marschrichtung: vorwärts, und zwar im Eiltempo. Zur Jahresmitte mehrten sich jedoch die Anzeichen, dass sich die Wirtschaft künftig mit angezogener Handbremse entwickelt - noch vor dem Krieg in Georgien und den Turbulenzen an der Moskauer Börse. Das Wirtschaftsministerium dämpft die Prognosen für die Industrieproduktion, die Investitionen sowie die Rohstoffexporte. Gleichzeitig steigt der Inflationsdruck. Von Bernd Honef (bfai, Köln) Noch gehen Russlands Chefvolkswirte von einem Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP) von knapp acht Prozent für das Gesamtjahr 2008 aus – nachdem die Wirtschaft bereits in den ersten sechs Monaten durchschnittlich um diesen Wert gewachsen war. Insbesondere in den ersten drei Monaten zeigte sie sich überraschend stark. Seither jedoch nimmt das Wachstumstempo ab. Während das BIP im Mai noch bei 7,7 Prozent lag, waren es im Juni nur noch 6,5. Von einem „Ausrutscher“ wegen der Fußball-EM sprechen nur noch die wenigsten Volkswirte. Schließlich deutet sich auch im Juli keine deutliche Besserung an. Hinter anderen makroökonomischen Kennzahlen steht ebenfalls ein dickes Fragezeichen. Das russische Wirtschaftsministerium musste einige Prognosen nach unten korrigieren. So dürfte etwa die Industrieproduktion 2008 nur um 5,6 Prozent steigen. Im Juni stieg sie gerade einmal um knapp ein Prozent. Auch wenn das für Deutschland eine erstklassige Entwicklung wäre – für die zuletzt prosperierende russische Wirtschaft ist dies das schlechteste Ergebnis seit fünf Jahren. Auch die Investitionen in Bruttoanlagegüter, also zum Beispiel in Fabriken, Maschinen und Anlagen werden wohl kaum um die zunächst Foto: RIA Nowosti 04 WIRTSCHAFT „Danke für die Aufmerksamkeit!“ Wirtschaftsministerin Nabiullina blieb es vorbehalten, die Wachstumsprognose nach unten zu korrigieren. vorhergesagten 17,8 Prozent zulegen. Wirtschaftsministerin Elvira Nabiullina erwartet mittlerweile eine Steigerung von 16,5 Prozent. Dabei bleibt abzuwarten, ob selbst diese Prognose zutrifft. Schließlich sank das Wachstum der Bruttoanlageinvestitionen im ersten Halbjahr 2008 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um ein Drittel. Dabei wären gerade steigende Investitionen in Maschinen und Anlagen nötig, um die Wettbewerbsfähigkeit russischer Produkte gegenüber den Importen zu erhöhen. Statt in die Werksmodernisierung fließt das Geld in immer teurer werdende Energie und in die Taschen der Mitarbeiter. Deren Löhne und Gehälter steigen weiterhin: Während der Durchschnittslohn im Juni 2008 bei 17 808 Rubeln (knapp 500 Euro) lag, waren es im Vorjahr 13 848 Rubel (etwa 380 Euro). All diese Faktoren trugen dazu bei, dass sich die durchschnittlichen Produktionskosten in Russland von Juni 2007 bis Juni 2008 um mehr als ein Viertel verteuerten, von März bis Juni stiegen sie jeden Monat um vier bis fünf Prozent. Laut Valerij Mironow vom Zentrum für Entwicklung dürfte sich das Industriewachstum zum Ende des Jahres auf vier bis fünf Prozent verlangsamen und 2009 sogar bei drei Prozent stagnieren. Einer der größten Unsicherheitsfaktoren der russischen Wirtschaft ist und bleibt die Inflation. Das Wirtschaftsministerium erhöhte Ende Juli die Prognose für 2008 von 10,5 Prozent auf knapp zwölf Prozent. Diese Revision hielten Volkswirte seit langem für überfällig. Im Juni 2008 war der russische Durchschnittswarenkorb um 15 Prozent teurer als im Vorjahresmonat. Und in den ersten sieben Monaten des Jahres stiegen die Verbraucherpreise um knapp zehn Prozent. Nach wie vor gehen unabhängige Finanzinstitute von einer Teuerungsrate in Höhe von mindestens 13 Prozent aus – weit mehr als die Regierungsprognose besagt. Auch in einigen Branchen schrillen die Alarmglocken: Während die Stahlproduktion im ersten Halbjahr 2008 noch um fünf Prozent zugelegt hat, kämpft die Bauwirtschaft mit den Folgen der Hypothekenkrise und den daraus entstehenden Finanzierungsengpässen sowie fehlenden Baustoffen. Mit einem Wachstum im Wohnungsbau von lediglich knapp drei Prozent hat Russland so schlecht abgeschnitten wie lange nicht mehr. In der Stadt Moskau wurden nur halb so viele Wohnungen gebaut wie noch im Vorjahr. Das Moskauer Gebiet verzeichnete immerhin ein Minus von sieben Prozent. Selbst die russischen Erdöl-Konzerne dürften 2008 nicht die erwarteten 500 Millionen Tonnen des schwarzen Goldes aus den Böden des größten Landes der Erde pumpen, sondern bestenfalls 492 Millionen, glauben die Analysten im Wirtschaftsministerium. Im Vergleich zum Jahr 2007 wäre das zwar immer noch eine leichte Steigerung, aber nicht in der Höhe wie die Marktbeobachter ursprünglich angenommen hatten. Ebenso dürfte der Erdölexport hinter den Erwartungen zurückbleiben. Ende des Höhenflugs Der Kaukasuskonflikt macht Investoren nervös, ist aber noch keine Zäsur - sagt Thorsten Nestmann R Die beiden abtrünnigen georgischen Provinzen bergen Sprengkraft für die russische Wirtschaft: Ausländische Anleger zogen seit dem Krieg im Kaukasus ihr Kapital zurück, nach seinem Höhenflug im Mai verlor der Leitindex RTS mittlerweile bereits 40 Prozent an Wert. Über die Folgen des Konflikts für die russische und die georgische Wirtschaft sprach Alexander Heinrich mit Thorsten Nestmann, Analyst für die GUSLänder bei der Deutschen Bank. Was bedeutet der Kaukasuskonflikt für die russische Wirtschaft? Kurzfristig hat dieser Konflikt vor allem einen negativen Einfluss auf den russischen Finanzmarkt gehabt. Investoren haben vermehrt ihr Geld aus Russland abgezogen, die Währungsreserven sind innerhalb einer Woche um 16 Milliarden US-Dollar gefallen. Der russische Finanzminis- ter Kudrin rechnet damit, dass der Nettokapitalzufluss aus dem Ausland in diesem Jahr deutlich unter den 83 Milliarden US-Dollar im Jahr 2007 bleiben wird. Die Moskauer Börse reagierte nervös, der Leitindex fiel während des Krieges Anfang August auf den tiefsten Stand seit anderthalb Jahren. Eine Zäsur? Es ist zu früh, von einem dauerhaften Einschnitt zu sprechen. Man muss abwarten, wie es in Georgien weitergeht und auch, welche politische Strategie der Westen gegenüber Russland verfolgen wird: Etwa die Frage, ob und wann Russland der Welthandelsorganisation WTO beitreten wird. Der Bergbaukonzern Mechel und der russisch-britische Rohstoffkonzern TNK-BP stehen unter verschärfter Beobachtung staatlicher Behörden: Wie bewerten Anleger den russischen Wachstumsmarkt? Es könnte im Moment ein Umdenken stattfinden. Nach der YukosKrise 2003/2004 hatte sich ein Status quo herausgebildet, die Investoren hatten ein gewisses politisches Risiko akzeptiert. Nach den Ereignissen der letzten Wochen könnten sie den russischen Markt in einem anderen Licht sehen, es ist schlicht mehr Unsicherheit da. Hinzu kommt: Es gab schon seit Anfang dieses Jahres Überhitzungsphänomene in der russischen Volkswirtschaft, etwa die hohe Inflationsrate und eine starke Lohnentwicklung, die deutlich über dem Zuwachs an Produktivität in russischen Unternehmen liegt. Außerdem zeigt der Leitindex RTS immer wieder, wie stark Russlands Wirtschaft vom Ölexport abhängig ist, das gilt teilweise auch für börsennotierte Unternehmen, die nicht unmittelbar im Ölgeschäft tätig sind. Welche wirtschaftlichen Folgen hat der Konflikt für Georgien? Wer in Georgien investiert hat, hat wohl gewusst, dass es diesen eingefrorenen Konflikt gibt, allerdings nicht, dass er so schnell in ein so bedrohliches Szenario umschlagen kann. Ein großes Problem für die georgische Wirtschaft dürfte jetzt das fehlende Vertrauen der internationalen Investoren sein. Große Agenturen wie Fitch und Standard & Poor’s haben in ihren Ratings die Kreditwürdigkeit des Landes heruntergestuft und bewerten auch den Ausblick negativ, mit gutem Grund. Georgien hat ein sehr hohes Leistungsbilanzdefizit und das Land ist auf dessen Finanzierung aus dem Ausland angewiesen. Allerdings wird es vermutlich nicht zu einem regelrechten Einbruch kommen. Ich rechne eher damit, dass sich die Zusammensetzung der Kapitalgeber Kapitalzuflüsse ändern wird. Wenn private Geldgeber ausfallen, könnten sich zum Beispiel internationale Organisationen entscheiden, einzuspringen. Ebenso könnte der Anteil an kurzfristigen Krediten steigen, während der Anteil der Direktinvestitionen voraussichtlich zurückgehen wird. Designer gesucht im Bereich Messebau Einstellungsdatum: ab sofort Aufgaben: - Erstellen von Zeichnungen im Grundriss und 3D, - Autocad und 3D-Max - Entwerfen von Messeständen Fähigkeiten: - Kompetenz mit o.g. Programmen - Technisches Verständnis - Erfahrungen im Messebau Gehalt: ab 1000 Euro Bewerbungen an „RealExpo Service“ unter [email protected] oder (499)795-39-09 W irtschaft M o s k a u e r D e u t s c h e Z e i t u n g N r. 1 6 ( 2 3 9 ) A u g u s t 2 0 0 8 Säbelrasseln fürs Geschäft 05 Eine Schamfrist hat der Moskauer Messe-Kalender nicht vorgesehen: Die Kämpfe in Georgien lagen gerade einmal wenige Tage zurück, als sich russische und ausländische Rüstungskonzerne Ende August in Moskau auf dem „III. Internationalen Salon für Rüstungs- und Militärtechnik“ (IDELF) präsentierten. 600 Aussteller aus über 15 Ländern stellten Neuentwicklungen vor, darunter Panzer, Raketenwerfer und Marschflugkörper. Russlands Waffenschmieden verdienen mit dem Export von Kriegsgerät ins Ausland – vor allem nach China und Indien. Das Land ist nach den USA und vor Deutschland mit insgesamt 7,5 Milliarden US-Dollar der zweitgrößte Rüstungsexporteur der Welt. Kettenfahrzeuge, gepanzerte Transporter und mobile Raketenwerfer stehen eng aneinandergereiht auf dem Messegelände des ExpoZentrums am Ostufer der Moskwa. Ein Geschützrohr des T-90C Panzers, der in den kommenden 20 Jahren zur Grundausstattung der russischen Armee gehören soll, späht über die Köpfe der neugierigen Besucher hinweg zur anderen Seite des Flusses. Von André Naumann Bereits am ersten Ausstellungstag sind die Hallen voll gefüllt. Im so genannten „Forum“ präsentierten große internationale Rüstungsunternehmen ihre Produkte. Der indische Raketenentwickler „BrahMos Corporation“ wirbt zum Beispiel mit einem Marschflugkörper, dem „BrahMos“, eine Gemeinschaftsentwicklung mit dem russischen Raketenhersteller „NPO Maschinostrojenija“. Das Besondere Russland rüstet auf und modernisiert seine Waffentechnik: Der Panzer T-90C soll in wenigen Jahren zur Grundausstattung der russischen Landstreitkräfte gehören. an diesem Objekt: Es ist ein „Seezielflugkörper“, der Überschallgeschwindigkeit erreicht und sowohl von Schiffen und U-Booten als auch von Luftfahrzeugen und von Land aus gestartet wird. Der größte russische Waffenexporteur „Rosoboronexport“ ist der Hauptsponsor des diesjährigen Salons. Im vergangenen Jahr machte das staatliche Unternehmen einen Umsatz von mehr als sechs Milliarden US-Dollar. „Rosoboronexport“ wickelt rund 90 Prozent aller Waffentechnik-Exporte ab und beliefert unter anderem China, Indien, Venezuela, Ägypten, Vietnam, Kasachstan und die Ukraine. „Uns wird immer der Vorwurf gemacht: Ihr handelt mit dem Tod“, sagt „Rosoboronexport“-Sprecher Wjatscheslaw Dawidenko und setzt ein altbekanntes Argument der Branche dagegen: „Wenn sich Russland aus dem internationalen Rüstungsgeschäft zurückzöge“, rechtfertigt er sich, „würden eben andere Produzenten Waffen in der Welt verbreiten, zum Beispiel die USA.“ Insgesamt verkaufte die russische Rüstungsindustrie im vergangenen Jahr Waffen im Wert von mehr als sieben Milliarden US-Dollar. Michail Dmitrijew, Direktor der Föderationsbehörde für militärtechnische Zusammenarbeit erwartet, dass es in diesem Jahr bereits 8,5 Milliarden US-Dollar sein werden. Gefragt seien vor allem Waffen aus dem Bereich der Luftfahrtechnik und maritime Waffensysteme. Zum Beispiel „Almas-Antej“: Der größte russische Rüstungsproduzent nahm allein mit dem Verkauf von Raketenwerfern nach China und Indien knapp drei Milliarden US-Dollar Fotos: André Naumann Russland ist nach den USA der zweitgrößte Waffenexporteur der Welt Ihren Jeep „Tigr“ präsentieren die Hersteller WPK und AMS als russische Version des amerikanischen Armeefahrzeugs „Humvee“. ein. Oder „Suchoj“: Der Flugzeugbauer machte im Frühjahr mit dem Testflug seiner ersten zivilen Passagiermaschine „Superjet-100“ auf sich aufmerksam, er verdient sein Geld bisher vor allem mit Kampfjets: Sechs davon sollen bis 2009 nach Indonesien geliefert werden. Das weltweit bekannteste und am häufigsten nachgefragte Produkt aus russischen Waffenschmieden ist hingegen bereits mehr als 6o Jahre alt: Die AK-47 – die nach ihrem Entwickler Kalaschnikow benannt ist. Auf den Vorwurf, russische Militärtechnik sei veraltet, erwidert „Rosoboronexport“-Sprecher Dawidenko: „Russische Waffentechnologie kann 20, 30 oder gar 40 Jahre alt sein, aber sie bleibt immer noch funktionstüchtig und jeder Zeit einsatzbereit.“ Dass russische Waffenproduzenten ihre Entwicklungen weni- ge Tage nach dem Einmarsch russischer Truppen in Georgien präsentierten, war für manchen Besucher befremdlich. Während Russlands Nachbar China durch wirtschaftliche Dynamik und gesellschaftliche Modernität auf der internationalen Bühne an Einfluss gewinnt, scheint Russland stärker auf Abschreckung und militärischer Überlegenheit zu setzen. Dennoch ist für Rüstungsexperte Dawidenko Waffentechnik nicht nur zum Säbelrasseln gut, er sieht in ihr auch Verbindendes: „Wir kommen an Kooperation und Zusammenarbeit gar nicht vorbei“, meint Dawidenko und verweist auf das indisch-russische „BrahMos“Projekt: „Wir können uns heute kaum solche Projekte aus eigener Anstrengung leisten, deswegen setzen wir auf internationale Partnerschaften.“ Juristenkniffe in Dreipunkt-Schrift Welche Kosten Auslandskrankenversicherungen für Expats übernehmen, steht oft nur im Kleingedruckten Wer nach Russland reist, kennt die Prozedur: Neben Passbild und Visumantrag muss der Besucher im Konsulat auch den Nachweis einer Auslandskrankenversicherung vorzeigen. Was für Touristen nur wenige Euro kostet, wird für Expats mit längerem Aufenthalt schon deutlich teurer. Die Stiftung Warentest hat Krankenversicherung für das Ausland unter die Lupe genommen – die Preise liegen zwischen 36 und mehreren Tausend Euro, je nachdem, wie lange die Reise ist, wohin sie geht und wie alt der Versicherte ist. Von Catherine Zanev und Alexander Heinrich Es ist niemandem zu wünschen, aber Die Stiftung Warentest hat im Juni einmal angenommen, man ist längere dieses Jahres 23 AuslandskrankenZeit in Russland unterwegs und wird versicherungen für längere Reisen krank: Nicht bloß eine simple Erkäl- zwischen 90 Tagen und zwei Jahtung, sondern so krank, dass ein ren unter die Lupe genommen. Die Besuch beim Arzt oder im Hospital Preise der verschiedenen Anbieter dringend geboten ist. Was nun? liegen zwischen 36 Euro und mehNatürlich hat jeder EU-Bürger eine reren Tausend Euro – je nachdem, Auslandskrankenversicherung abge- wie lang die Reise ist, wohin sie geht schlossen, bevor er nach Russland und wie alt der Versicherte ist. Fast gekommen ist. Sonst hätte man ihn die Hälfte der getesteten Versichewahrscheinlich gar nicht erst herein- rungen haben mit „Sehr gut“ abgegelassen. Anders als zwischen den schnitten, keine war schlechter als Ländern der EU existiert zwischen „Befriedigend“. Deutschland und Russland kein SoziNur die „Barmenia“ schnitt in allen alversicherungsabkommen. Und das Punkten mit sehr gut ab, sie gehört heißt: Die gesetzliche Krankenkasse mit 179 Euro für eine 90-Tagespolice in Deutschland zahlt keinen Cent, aber schon zur höheren Preisklasse. der Expat muss für Arztrechnungen, Es geht auch deutlich preiswerter. Die Medikamente und Krankenhausko- „Hallesche“ berechnet für 90 Tage 33 sten selbst aufkommen. Aus diesem Euro, die „Victoria“ für den gleichen Grund braucht jeder, der in Deutsch- Zeitraum 36 Euro. land nicht privat versichert ist, eine Und bei längeren Aufenthalten im Auslandskrankenversicherung. Aber Ausland? „R + V“ bietet zum Beiwas genau bietet eine solche Kran- spiel einen Einheitstarif für knapp kenversicherung? Was macht die 350 Euro im Jahr, unabhängig vom Police, für die Sie sich entschieden Geburtsdatum – allerdings nur bis haben, so viel günstiger oder so viel zu einem Höchstalter von 69 Jahren. teuer als die der Konkurrenz? Jede dritte Police zieht eine solche Altersgrenze – eine deutliche Form von Altersdiskriminierung, meint die Stiftung Warentest. Doch auch ohne solche Einschränkungen zahlen ältere Reisende zumeist deutlich mehr: bei „Hanse-Merkur“, „LVM“, „Victoria“, „UKV“ und „Axa“ beispielsweise mit Tarifen zwischen 2 000 und 3 000 Euro für die Jahrespolice etwa zwei bis viermal so viel wie ein 30-Jähriger. Minuspunkte in der Bewertung gab es beispielsweise dann, wenn die Kasse bei medizinischen Behandlungen knausert, den Rücktransport nur unter bestimmten Bedingungen übernimmt und bei Vorerkrankungen des Versicherten nicht zahlt. Wie so oft stecken die Fallstricke im Kleingedruckten. Wie verhält es sich zum Beispiel mit der freien klären, bevor er sich ins Krankenhaus begibt.“ Und wie steht es mit der Bezahlung? Reisende werden im Ausland in der Regel wie Privatpatienten behandelt. Und das heißt: Sie werden oft zunächst einmal selbst zur Kasse gebeten, das Geld müssen sie sich dann später gegen Belege von ihrer Versicherung zurückholen. Isabell Pohlmann: „Auch hier gilt: Sofern der Versicherte dazu in der Lage ist, sollte er sich sobald wie möglich mit seiner Versicherung in Verbindung setzen. Wenn die rechtzeitig informiert ist, kann meist auch eine Lösung gefunden werden, zum Beispiel, wenn die Behandlungskosten das Budget des Versicherten deutlich übersteigen.“ Trickreich ist auch die folgende Ältere Reisende müssen deutlich tiefer in die Tasche greifen - eine klare Diskriminierung, meint die Stiftung Warentest. Arztwahl? Können sich Expats ohne weiteres zum Beispiel in Moskau in die Obhut privater Kliniken wie dem „European Medical Center“ begeben? „Das hängt vom Anbieter ab“, sagt Isabell Pohlmann von Finanztest: „Viele Versicherungen zahlen nicht für private Kliniken, sofern davon ausgegangen werden kann, dass ein staatliches Krankenhaus die gleichen Leistungen bietet. Der Versicherte sollte diese Frage auf jeden Fall mit seiner Krankenversicherung Formulierung: „Der Rücktransport erfolgt nur dann, wenn er aus medizinischen Gründen erforderlich ist.“ Enthält die Police eine solche Klausel, dann heißt das nichts anderes, als dass sich der Kranke wenig Hoffnungen darauf machen kann, möglichst schnell nach Deutschland zum Arzt oder zum Krankenhaus seines Vertrauens transportiert zu werden. Solange die Versicherung der Meinung ist, dass der Kranke im Ausland medizinisch ausreichend gut ver- sorgt wird, muss sie den Transport nicht übernehmen – so zum Beispiel die Victoria. Anders sieht es aus, wenn im Vertrag steht: „Der Rücktransport muss sinnvoll oder vertretbar sein.“ Dann übernimmt die Versicherung in der Regel die Kosten, wenn der Patient es wünscht. Und was ist mit jenen Expats, die in Russland Wurzeln schlagen? Sollen sie nicht lieber gleich die Krankenkasse in Deutschland verlassen, wenn diese ohnehin in Russland nicht zahlt? Wer sich mit dem Gedanken trägt, eines Tages zurückzukehren, sollte weiterhin in seiner gesetzlichen Kasse als freiwillig Versicherter in Deutschland bleiben – wer austritt, hat wenig Chancen, je wieder hineinzukommen. Einige gesetzliche Krankenkassen bieten die so genannte Anwartschaft, eine Art ruhende Mitgliedschaft, die deutlich preiswerter als eine freiwillige Versicherung ist. In Internetforen berichten Betroffene allerdings auch bei diesem Modell von Schwierigkeiten bei der Rückkehr nach Deutschland. In jedem Fall sollte sich der Versicherte vor seinem Umzug nach Russland mit seiner Gesetzlichen Krankenkasse in Verbindung setzen und sich von ihr erklären lassen, wie es bei der Rückkehr weitergeht – und zwar Schwarz auf Weiß. Die Testergebnisse finden sich kostenpflichtig unter www.test.de 06 son d erthe m a : R U S S L A N DD E U T S C H E M o s k a u e r D e u t s c h e Z e i t u n g N r. 1 6 ( 2 3 9 ) A u g u s t 2 0 0 8 Identitätswahrung durch Partnerschaften Der Beauftragte für Aussiedlerfragen, Christoph Bergner, sieht für die deutsche Minderheit in Russland gute Chancen Herr Bergner, was erwarten Sie von der bevorstehenden Zusammenkunft am 3. bis 4. September in Berlin? Die Konferenz ist notwendig, weil es wichtig ist, die enormen Entwicklungen, die sich in zwanzig Jahren Aussiedlerpolitik sowohl bei der Aufnahme der Aussiedler als auch bei der Förderung der deutschen Minderheiten vollzogen haben, bewusst zu machen, zu analysieren und zu dokumentieren. Der zweite Grund besteht darin, dass diese Politik auch eine angemessene Fortsetzung finden soll. Insbesondere die Hilfenpolitik zugunsten der deutschen Minderheiten. Dazu müssen wir über die Grundlagen dieser Politik offen diskutieren und gründlich nachdenken. Ihr Ursprung war die Kriegsfolgenbewältigung, deren Bedeutung mit jedem Jahr, das nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs vergeht, abnimmt. Das Anliegen aber, aus dem Zweiten Weltkrieg Lehren zu ziehen und Partnerschaften und friedensstiftenden Strukturen aufzubauen – das bleibt auch für die Zukunft aktuell. Deutsche Minderheiten und Minderheitenpolitik können zu einem Bestandteil solcher friedensstiftenden Strukturen werden. Ich hoffe, die Fachtagung hilft uns, zukünftige Förderziele zu definieren. Sind weitere Akzentverschiebungen in der Hilfenpolitik bereits vorgesehen? Ich hoffe, dass wir im Ergebnis der Fachkonferenz Spielräume für die Zukunft gewinnen, die uns ermöglichen, eigenständig, auf ganz spezifische Weise und gemeinsam mit den Titularnationen mitzuhelfen, die kulturelle Identität und die sprachliche Kompetenz der Deutschen zu stärken. Ich glaube, wir werden im Bereich der materiellen Hilfen weniger Handlungsnotwendigkeit haben. Es bleiben humanitäre Aufgaben, die wir noch erledigen müssen und denen wir uns stellen wollen, aber ein ganz wichtiges Anliegen wird in der Zukunft die Förderung der kulturellen Identität sein. Mein eigentlicher Wunsch ist, dass die Förderung, die das Bundesinnenministerium für die Nordschleswiger in Dänemark gibt, eine Art Vorbildfunktion für die Förderung der deutschen Minderheiten in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion und in den MOELändern hat. Welche Minderheit ist Ihrer Meinung nach am besten aufgestellt? Das ist eine schwierige Frage. Wie gesagt, sähe ich am liebsten eine solche Förderung wie für die deutsche Minderheit in Dänemark. Sie hat am längsten und schon vor 1989 eine umfassende Förderung bekommen. Sie bezieht sich auf die Pflege der muttersprachlichen Identität über Kindergarten und Schule. Wie lange wird die deutsche Unterstützung zugunsten der deutschen Minderheit in Russland noch gewährt? Mein Bestreben ist es, dass wir immer im Einvernehmen mit den Titularnationen hier eine kulturelle Aufgabe sehen, die nicht zeit- Foto: Olga Silantjewa Anfang September findet in der Berliner Akademie der Konrad-Adenauer Stiftung die Fachtagung „Zwei Jahrzehnte Politik für Aussiedler und natio nale Minderheiten – Bilanz und Perspektive“ statt, zu der Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble über 200 Teilnehmer begrüßen werden. Politiker, Wissenschaftler, Jugendliche und Vertreter der Minderheitenverbände werden in den Plenarsitzungen und Arbeitskreisen die Ergebnisse der bisherigen Aussiedler- und Minderheitenpolitik bilanzieren und nach neuen Bezugspunkten fragen. MDZRedakteurin Olga Silantjewa sprach im Vorfeld der Konferenz mit ihrem Veranstalter – dem Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten Christoph Bergner. „Ihr seid Deutsche!“, rief Christoph Bergner den Teilnehmern des Bundestreffens der Russlanddeutschen in Wiesbaden zu. lich befristet ist. Anzustreben ist, innerhalb der EU aus dem Ganzen ein Projekt der kulturellen Kommunikation im vereinigten Europa zu machen und mit Blick auf die GUS-Staaten ein Projekt zivilgesellschaftlicher Partnerschaften zwischen den Ländern. Und wenn das gelingt, dann reden wir nicht über Befristung, sondern über eine Aufgabe, die sich in der Zukunft fortsetzt, ohne dass es eine äußere Begrenzung gibt. Wird sie dann noch notwendig sein? Ein junger Deutscher aus der Slowakei hat in einem vor kurzem durchgeführten Aufsatzwettbewerb zu Fragen der Bewahrung der kulturellen Identität geschrieben, dass die deutsche Minderheit in seinem Land, wo einst 150 000 Deutsche lebten, vor dem kompletten Aussterben steht. Wenn es keine deutschen Minderheiten gibt, gibt es auch keine Hilfenpolitik, das ist völlig klar. Der Schlüssel liegt darin, dass es Menschen gibt, die von ihrer Herkunft her, aber auch von ihrem allgemeinen Interesse her wollen, dass in den klassischen Siedlungsgebieten deutscher Minderheiten und deutscher Volksgruppen auch weiterhin diese kulturelle Besonderheit erhalten bleibt. Tschechien, Slowenien, Kroatien – es gibt Länder, in denen die deutschen Minderheiten zahlenmäßig so klein sind, dass man damit rechnen muss, dass sie assimiliert werden, dass sie verschwinden. Das ist ein Prozess, der von Deutschland aus nicht zu steuern ist. Uns geht es darum, dass diejenigen, die ihre Eigenständigkeit und die kulturelle Identität ihrer Volksgruppe in ihrem Land behalten wollen, einen Partner finden. Partner bedeutet nicht, dass Deutschland alles finanziert. Aber dass wir die Gelegenheit haben, über Hilfen mitzugestalten und mitzuhelfen – das ist das wesentliche Ziel. Wie sehen Sie die Zukunft der deutschen Minderheit in Russland? Für mich ist neben der Frage der Jugendarbeit einer der Schlüssel der Fortexistenz der deutschen Minderheit in Russland, dass Instrumente gefunden werden, in der Diasporasituation, in der Ruslanddeutsche heute leben, kulturelle Identität zu bewahren. Dabei spielt das System der Begegnungs- zentren eine ganz wichtige Rolle. Aber es wäre aus meiner Sicht eine Illusion, davon auszugehen, dass wir uns auf ein bestimmtes Siedlungsgebiet beziehen oder auf eine ganz bestimmte Region. Wir müssen davon ausgehen, dass wir eine Diasporasituation haben, so wie es auch bei anderen Volksgruppen in Russland der Fall ist, zum Beispiel bei den Armeniern. Der Wille, in der Diaspora kulturelle Identität zu bewahren, stößt auf besondere Schwierigkeiten. An dieser Frage wird es sich entscheiden, ob die deutsche Minderheit in Russland eine Zukunft hat. Ich denke, die Voraussetzungen sind gut, weil der russische Staat sich dafür engagiert. Er hat ein erkennbares Interesse daran, dass es eine deutsche Minderheit gibt. Und sie werden auch dadurch besser, dass wir Partnerschaften zu den Russlanddeutschen, die als Aussiedler in Deutschland sind, begründen und dass daher eine lebendige kulturelle Beziehung zur historischen Heimat besteht. Ich denke, dass das für die Bewahrung der kulturellen Identität sehr wichtig ist. Wer sind wir? Ein Heft voller Zuversicht, Hoffnungen und Wünsche, beseelt von den Träumen einer jungen Generation Deutscher aus zehn Ländern Osteuropas, der ehemaligen Sowjetunion und Dänemark. Ein Heft, das junge Menschen zusammenführt, die unterschiedlicher nicht sein können und doch eine innige Gemeinsamkeit miteinander teilen: eine Identität, die gefunden und geformt werden will, eine, die sich mit Kultur, Geschichte und vor allem Sprache gestalten lässt, die unabhängig und frei sein kann. Die Sonderausgabe der MDZ „Herausforderung und Auftrag für die junge Generation“ lebt von dieser Sprache. Das 24-seitige Heft vereint zahlreiche Stimmen aus einem Gebiet, das sich über Tausende Quadratkilometer erstreckt - von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer, von Kopenhagen bis Kirgisien. M o s k a u e r D e u t s c h e Z e i t u n g N r. 1 6 ( 2 3 9 ) A u g u s t 2 0 0 8 son d erthe m a : R U S S L A N DD E U T S C H E Aufgabe ersten Ranges 07 Im September 1988 beschloss das Bundeskabinett, einen Aussiedlerbeauftragten einzusetzen. In den 20 darauf folgenden Jahren kamen aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion über 2,5 Millionen Deutsche nach Deutschland. Die Mehrheit von ihnen hat sich erfolgreich in die deutsche Gesellschaft integriert. Seitdem wurden aber auch die in ihren Herkunftsgebieten verbliebenen Deutschen mit knapp einer Milliarde Euro unterstützt. Die Ergebnisse der zwei Jahrzehnte Politik für Aussiedler und Minderheiten sollen nun die Teilnehmer der Fachtagung am 3. und 4. September in Berlin bilanzieren und über ihrer Fortsetzung nachdenken. Damals, vor 20 Jahren, fing alles großartig und beeindruckend an. Der Eiserne Vorgang fiel. Die Wende ermöglichte Millionen Deutschen, die seit Jahrhunderten, zum Teil auch seit dem Mittelalter, in den mittel- und osteuropäischen Ländern lebten, in die historische wohlhabende Heimat auszureisen. Weit weg von den aus den Jahren der Deportation und Vertreibung gebliebenen Ängsten. Weit weg von den sozialen und wirtschaftlichen Krisen, die der Zusammenbruch des Ostblocks auslöste. In den Jahren 1991–1995 siedelten jährlich über 200 000 Menschen in die Bundesrepublik um. Die Schaffung würdiger Bedingungen in den Erstaufnahmeeinrichtungen für Tausende von Aussiedlern wurde für die Bundesrepublik Deutschland zu einer Aufgabe allerersten Ranges. Mehr als zwei Millionen neuer Bundesbürger benötigten dringend Wohnraum: Die Lösung des Wohnproblems wurde zu einer der wichtigsten Aufgaben von Horst Waffenschmidt (CDU), dem ersten Bundesbeauftragten für Aussiedlerfragen. Aber den Aussiedlern eine Unterkunft zu sichern, war nicht genug. Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration war das Beherrschen der deutschen Sprache: Aus diesem Grund setzten Bund und Länder Milliarden Mark für Sprachkurse frei. Von Olga Silantjewa Aber die Russlanddeutschen wurden nicht nur in ihrer Heimat aufgenommen und integriert, sondern auch in den Herkunftsgebieten unterstützt. Über Hundert Millionen Mark wurden in den Wohnbau und in die Infrastruktur investiert. Ins Gedächtnis prägte sich ein, wie Horst Waffenschmidt mit den großen Bundeswehrmaschinen, begleitet von deutschen Politikern und Journalisten, nach Sibirien einflog, um ihnen zu zeigen, wohin die Steuergelder der Deutschen fließen. Die Bundesrepublik wolle den Bleibewillen mit ihrer Hilfe stärken, hieß es damals. Vieles war grandios. Die Summen, die für die Integrations- und Aussiedlerpolitik ausgegeben wurden. Die Anzahl der Deutschen, die noch auf gepackten Koffern saßen. Selbst die Person des Aussiedlerbeauftragten, der einen direkten Zugang zu Helmut Kohl, aber auch zu Boris Jelzin hatte, wenn es darum ging, die Probleme der Russlanddeutschen zu lösen. Dem charismatischen Politiker will man nun ein Denkmal im Deutschen Nationalrayon Asowo in Westsibirien errichten – im Rayon, der vor allem dank der Politik Waffenschmidts jetzt ein Zuhause für die Russlanddeutschen bietet. Waffenschmidt war „eine Kraft, die wollte, dass wir uns von den Knien erheben“, sagt Bruno Reiter, Landrat des Rayons Asowo. Dass es nicht mit diesem Schwung weitergehen konnte, deutete sich an, als nach der Bundestagswahl 1998 die SPD in das Bundesinnenministerium einzog und Jochen Welt (SPD) zum neuen Aussiedlerbeauftragten ernannt wurde. Seitdem hieß es, dass große Wirtschafts- und Infrastrukturprojekte von der Vorgängerregierung „zu teuer, zu wenig effizient und weder im gewünschten Maße zu steuern noch effektiv zu kontrollieren waren. Die erhofften Erfolge sind nur begrenzt eingetreten und kamen nur wenigen Menschen zugute. Der Bleibewille der Russlanddeutschen konnte somit nicht entscheidend gefördert werden“, sagte Jochen Welt 2003 im Rahmen der Nordrhein-Westfälischen Migrationsgespräche in Dortmund. Die Unterstützung sollte nun als Hilfe zur Selbsthilfe erfolgen und nicht als „ständige Spritzen wie im Krankenhaus, weil diese süchtig machen. Man gewöhnt sich daran.“ Unter Welt kam es nicht nur zu Akzentverschiebungen in der Aussiedler- und Integrationspolitik, sondern auch zu starken Finanzkürzungen. Gleichzeitig wurde sein Aufgabenfeld erweitert: Dem Aussiedlerbeauftragten wurde die Betreuung der vier autochthonen Minderheiten - der Friesen, Dänen, Sorben und Sinti und Roma - in Deutschland übertragen. Mit dieser Zuständigkeitserweiterung rückte die Aussiedlerpolitik in den Kontext allgemeiner Fragen der Minderheitenpolitik. Ein weiterer Schritt zur Vermischung dieses Aufgabenfeldes mit ähnlichen Projekten wurde unter dem nächsten Aussiedlerbeauftragten, Hans-Peter Kemper (SPD), unternommen, als mit dem Zuwanderungsgesetz am 1. Januar 2005 Ausländer- und Aus- Horst Waffenschmidt (links), Wjatscheslaw Michajlow und Wladimir Jakowlew bei der Grundsteinlegung des Dorfes Neudorf-Strelna bei St. Petersburg (1996). siedlerintegration zusammengefasst wurde. Seitdem lernen die russlanddeutschen Spätaussiedler ihre Muttersprache in den Sprachkursen zusammen mit Afrikanern und Asiaten. Allerdings nimmt die Zahl der in die historische Heimat ausreisenden Deutschen ständig ab. Waren es 1994–1995 noch je 200 000 aus Russland und Kasachstan, sind es heute kaum 3 000. Die veränderte soziale und wirtschaftliche Situation verlangt die Verschiebung der Akzente in der Aussiedlerpolitik: Der heutige Aussiedler- und Minderheitenbeauftragte Christoph Bergner (CDU) spricht seit seinem Amtsantritt 2006 über verstärkte Identitätsförderung, die kulturelle Avantgarde der deutschen Minderheit und Brückenfunktion zwischen den Aussiedlern in Deutschland und den Deutschen in den Her- kunftsgebieten. Auch die Grundlage der Hilfenpolitik als Teil der Politik der Kriegsfolgenbewältigung soll überarbeitet werden. „Meine Ära ist vielleicht von der Suche geprägt, das Anliegen in einen größeren Zusammenhang zu stellen, nicht mehr allein die Ursprünge der Kriegsfolgenbewältigung zu sehen, sondern das Anliegen so zu behandeln, dass wir von Deutschland aus erkennbar mitverantwortlich für die Erhaltung der kulturellen Identität der deutschen Minderheiten sind.“ Die Fachtagung Anfang September in Berlin soll das Arbeitsmaterial für die Suche nach neuen Konzepten liefern, damit sie für die deutsche Bundesregierung wieder wichtiger erscheinen. Außerdem sollen sie den Deutschen den nötigen Mut geben, sich der kulturellen Assimilierung in ihren Herkunftsgebieten zu widersetzen. ANZEIGEN Ausschreibung für Journalisten In Erinnerung an Peter Boenisch, einen der bedeutendsten Nestoren der Publizistik in der Bundesrepublik Deutschland und Gründungsvorsitzenden des Petersburger Dialogs, schreibt der Petersburger Dialog den Peter-BoenischGedächtnispreis 2008 aus. Er wird verliehen an junge russische und deutsche Journalisten für Arbeiten, die sich mit Aspekten der deutsch-russischen Beziehungen befassen und die Einsicht in Lebensart und Probleme der beiden Völker fördern. Die Besonderheit der diesjährigen Ausschreibung besteht darin, dass die Preise an Teilnehmer aus beiden Ländern vergeben werden, d.h. pro Preis gibt es jeweils einen russischen und einen deutschen Gewinner. Zugelassen sind alle Arbeiten in deutscher und russischer Sprache für Printund Onlinemedien, für Hörfunk sowie Fernsehen. Die Beiträge müssen das Datum und das Medium, in dem der Beitrag veröffentlicht wurde, enthalten. Alle Bewerber sollten zudem ihren Lebenslauf einreichen. Die Beiträge werden von einer unabhängigen Jury ausgewertet, der russische wie auch deutsche Journalisten angehören. Einsendeschluss für die Ausschreibung 2008 ist der 10. September 2008 (Datum des Poststempels). Zum Zeitpunkt des Bewerbungsschlusses darf der Teilnehmer das 35. Lebensjahr nicht vollendet haben. Foto: IVDK 20 Jahre Aussiedler- und Integrationspolitik auf dem Prüfstein Der letztjährige Preiträger Benjamin Bidder (25) und Lothar de Maiziere bei der Preisverleihung 2007. 2-Zi-Wohnung am Neuen Arbat, 65 m2, 12 Stock, möbliert, voll ausgestattet, überwacht zu vermieten. Miete: 130 000 Rubel, Strom und Internet sind extra zu bezahlen. Telefon: +7 985 970 23 47 (deutsch) +7 495 233 17 04 (russisch) Dozentin mit Ausbildung im Konservatorium erteilt Erwachsenen und Kindern Klavierunterricht. Kontakt: 8 916 433 26 05, [email protected] Dozentin mit Ausbildung im Konservatorium erteilt Geigenunterricht Erwachsenen und Kindern. Kontakt: 8 926 832 66 50, [email protected] Vermiete günstig Autos für einen längeren Zeitraum. Service. 8 903 719 9540 1. Preis: Goldene Feder und 2.000 Euro 2. Preis: Goldene Feder und 1.500 Euro 3. Preis: Goldene Feder und 1.000 Euro Industrieböden aus Kunstharzen Tel.: +49 (0) 22 51/ 94 12-10 www.romex-export.de ANZEIGE Besonders schöne Villa im arabischen Stil auf der spanischen Insel Teneriffa zu verkaufen. Einmalige Lage, Grundstück 10.000 m2. Preis: 2,6 Mio. Euro. Zahle 100.000,- Euro Provision für eine erfolgreiche Vermittlung. Infos: [email protected] Telefon: +7 985 210 76 91 www.teneriffa.efreitag.info HOTEL ZU VERKAUFEN Die Preisverleihung findet im Rahmen des 8. Petersburger Dialogs im Oktober in St. Petersburg statt. Einsendungen (per Post oder per E-Mail) sind zu richten an die unten stehende Adressen. Bei Einreichungen per Post senden Sie bitte zusätzlich eine kurze E-Mail mit dem Hinweis, dass eine Postsendung unterwegs ist. 1. «Петербургский диалог», «Конкурс им. П. Бениша» 197022, С-Петербург, Инструментальня улица, д. 3, корп. Лит. Б, офис 107 E-Mail: [email protected] http://peterburgsky-dialog.org 2. 125 009, Москва, ул. Моховая, д. 9, Факультет журналистики, ауд. 235, СвРГИП Тел.: +7 (495) 629 5224 Fax: +7 (495) 629 5224 Е-Mail: [email protected] www.frdip.ru 3. Petersburger Dialog e.V. „Peter-Boenisch-Preis für Nachwuchsjournalisten“ Schillerstraße 59, 10627 Berlin E-Mail: [email protected] www.petersburger-dialog.de In der beschaulichen Kurstadt Kemer - an der türkischen Mittelmeerküste 50 km von Antalya gelegen - sucht ein Hotel einen neuen Eigentümer. 43 Zimmer mit Balkon • Schwimmbad mit Kinderabteilung • 2 Bars • Platz für Trainingssaal und Massageraum • Blick auf Berge und Fichtenwald • 10 Minuten Fußweg zum Meer nach Renovierung • Gebäude und Grund im Besitz • keine Schulden • Preis: 1,5 Mio. 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Deutsch wollte sie mit ihnen reden. In der Schule wurden die Wolgadeutschen deswegen gehänselt. Ihr Ältester, Wladimir, beschwerte sich: „Mama, warum sprichst du Deutsch mit uns. Sie nennen uns Faschisten – lass das.“ Also ließ sie es. Heute sagt ihr Junge: „Mutter, warum hast du nie Deutsch mit uns geredet.“ Mittlerweile könnten sie die Sprache gut gebrauchen, wissen aber nur „bitte“ und „danke“, „guten Tag“ und „auf Wiedersehen“ zu sagen. Nimmt man es genau, so ist die alte Frau wieder zurück nach Russland gereist, weil außer ihr in der Familie niemand Deutsch spricht. Es ging ihr nicht schlecht dort unten in Bayern. Sie hatte eine kleine Wohnung für sich. Sie lächelt und zählt auf: „Fließendes, warmes Wasser aus der Leitung. Die Sonne scheint oft, es ist dort nicht so kalt wie hier.“ Bequem und gemütlich. Und trotzdem wurde sie krank. Zuerst war es nur das Heimweh. Sie konnte nicht aufhören sich zu grämen, vermisste ihre Kinder. Dann ließ die Sehkraft auf dem linken Auge nach. Ein Nerv war gereizt. Später wurde noch eine Gallenoperation erforderlich. Erna Korbmacher verfiel immer mehr. Eines Tages sagte die Hausmeisterin zu ihrer Mieterin: „Wenn du nicht vorzeitig an Heimweh sterben willst, dann fahr doch zurück nach Hause.“ Und sterben wollte Erna Karlowna noch lange nicht. Nach sieben Monaten setzte sie sich wieder ins Flugzeug nach Omsk. Ihre Kinder holten sie ab. Sie wohnt wieder dort, wo sie mit ihrer Tochter und zwei Söhnen schon zehn Jahre lang gelebt hat: im kleinen blauen Häuschen an der Komsomolskaja. Gänse marschieren vor dem Tor entlang. Im Hof liegen Holzscheite gestapelt. Der Herbst hat sich bereits angekündigt. In den Blumenkübeln wachsen keine Blumen mehr. In der Diele köchelt das warme Wasser auf dem Herd. „Ich habe versucht, dort zu leben, aber es ist einfach nicht meine Heimat“, sagt die alte Dame, so als wolle sie sich entschuldigen. „Aber wenn ich abends im Bett liege und die Augen schließe, dann bin ich in Deutschland.“ Z! Erna Karlowna Korbmacher ist aufgeregt. „Ach, ein Foto“, sagt sie und wird rot. „Da muss ich mir doch etwas Hübsches anziehen.“ Mit flinken Schritten trippelt die alte Dame durch das Wohnzimmer. Ein breites, niedriges Zimmer. Samtene Sofas nebeneinander, bunt bemustert, Kissen, Decken darauf gestapelt – wer sich da hinein setzt, versinkt wahrscheinlich tief im bunten Plüschmeer. Ein großer Fernseher in massiver Anbauwand. Dahinter, winzig, ein weiß-blaues Zimmerchen. Ein Bett, steife, weiße Kissen mit tiefem Knick in der Mitte, die Bettdecke ordentlich glatt gezogen. Gegenüber ein Schrank. Davor nun steht Erna Karlowna und zieht sich hastig um. Raus aus der Kittelschürze. Das Kopftuch abgestreift. Die gute rote Bluse unter das schwarze Kleid gezogen. Mit den Händen noch einmal die Haare zurechtgestreift, den Zopf geradegerückt. Frau Korbmacher strahlt. Als junge Frau muss sie einmal sehr hübsch gewesen sein: Die Rundungen am richtigen Fleck, dichtes, dunkelblondes Haar, blaue Augen und ein spitzbübisches Lächeln. Wenn Erna Karlowna lächelt, glitzern silberne Zähne im Mund. Wenn sie spricht, klingt es wie eine Mischung aus Bayerisch und Jiddisch. „Verstehen Sie mich überhaupt“, fragt sie. Natürlich. „In Deutschland war das eine ganz andere Sprache, die die da gesprochen haben“, erklärt sie. Vor drei Jahren hatte sie versucht, sich ihren Lebenstraum zu erfüllen: nach Deutschland reisen. Vielleicht dort bleiben und sterben. Da war sie 77 Jahre alt. Geblieben ist Von Christina Wittich sie nur sieben Monate. Heute sitzt sie wieder an ihrem Küchentisch in Asowo, unweit der sibirischen Metropole Omsk. „Deutschland war nicht meine Heimat“, sagt sie und knautscht ein Taschentuch in ihren Händen. „Ich habe es versucht. Aber ohne meine Familie konnte ich nicht sein.“ Ganz klein und schon nicht mehr so gut zu Fuß stand sie damals am Omsker Flughafen. Ihr Flug war kein Direktflug, in Moskau stieg sie um. Die großen Koffer gepackt mit dem Nötigsten, was man in der vielleicht neuen Heimat so gebrauchen könnte: Warme Sachen, die schöne rote Bluse, die Kittelschürze, der lange Rock, Bilder von der Familie. „Wir kommen nach“, haben die Kinder gesagt. Erna Karlowna wollte in Bayern auf sie warten. Dort, in der Nähe von München, blieb sie dann trotzdem allein. Die drei Söhne und ihre Tochter durften nicht einreisen. Sie sprechen kein Deutsch. Konnten, durften, wollten es nicht lernen. Mutter Korbmacher beherrscht noch, was sie in ihrer Kindheit gelernt hat. Bis zur fünften Klasse lebte sie mit ihren vier Geschwistern im deutschen Siedlungsgebiet bei Saratow an der Wolga. Der Unterricht war auf Deutsch. Ihre Mutter sprach Deutsch mit den Kindern, die Kinder untereinander unterhielten sich nur in der Sprache ihrer Vorväter. Nicht in der des Landes, in dem sie lebten. Dann brach der Krieg aus, und Familie Korbmacher wurde nach Kasachstan umgesiedelt. 1937 war der Vater bereits gestorben. Die Mutter überlebte den Krieg nicht. Die Kinder wohnten bei Foto: Christina Wittich „Es gibt nur zwei Unglücke: Wenn sich ein Traum nicht erfüllt und wenn er sich erfüllt.“ Dieses Bonmot von Oscar Wilde wurde für die heute 80-jährige Erna Korbmacher wahr. Endlich hatte sich ihr Lebenstraum erfüllt: nach Deutschland auszusiedeln. Ihre Kinder würden bald folgen. Dann kam alles ganz anders. Wenige Monate später kehrte sie wieder zurück nach Sibirien. Nicht etwa, weil sie es ihr nicht gefallen hatte in Deutschland. Erna Korbmacher wollte einfach nicht vor der Zeit an Heimweh sterben. Heute sagt sie: „Ich habe versucht, dort zu leben, aber es ist einfach nicht meine Heimat.“ Suchen Sie ie M D Business-Partner in Russland? re n Si ed Ich möchte die MDZ in Deutschland 12 Monate lang zum Preis von 106 Euro abonnieren. ie Name bo nn Straße, Hausnummer PLZ, Stadt Land A Geben Sie in der Moskauer Deutschen Zeitung Anzeigen auf und Ihre potenziellen Geschäftspartner erden sich schnell finden lassen! w Für weitere Informationen kontaktieren Sie uns unter Tel.: +7 (495) 937 65 44 oder per E-Mail: [email protected], [email protected] Ich möchte die MDZ in Moskau 12 Monate lang zum Preis von 2100 Rubel abonnieren. Telefon E-Mail Datum Unterschrift Bitte faxen Sie diesen Coupon an: +7 (499) 766 4876 oder kontaktieren Sie uns unter +7 (495) 937 6544 oder per E-Mail an [email protected] № 16 (239) АВГУСТ 2008 w w w . m d z - m o s k a u . e u Н Е З А В И С И М А Я ГА З Е Т А О П О Л И Т И К Е , Э К О Н О М И К Е И К У Л Ь Т У Р Е • О С Н О В А Н А В 1 8 7 0 Г О Д У О т Фото участников молодежного обмена «Томск–Галле». Голос меньшинств р е д а к ц и и К ажется, что события, связанные с грузино-осетинским конфликтом и повлекшие напряжение германо-российских отношений, затмили собой другие информационные поводы. Ни набирающее обороты падение конъюнктуры в Германии, ни пессимизм немецких промышленников, констатирующих отсутствие на будущее заказов, большая часть которых сегодня поступает из России, Китая, Индии и Бразилии, не вызывают такого беспокойства как ежедневно, словно с поля дипломатической битвы поступающая информация о шагах России и Запада в противоположные стороны. Возможно, также потонет в общем потоке информации и важное для немцев Европы событие, которое состоится на следующей неделе в Берлине: 3–4 сентября в Академии фонда им. Конрада Аденауэра пройдет конференция, официально приуроченная к 20-летию введения должности уполномоченного федерального правительства по делам переселенцев и начала политики помощи немецким меньшинствам Центральной и Восточной Европы и стран бывшего Советского Союза. Она уже тем важна для российских немцев и их соотечественников, что определит пути развития немецкого меньшинства на будущее. «Представьте себе, что природа стала бы одноцветной, – написала в сочинении самая молодая участница конференции Вероника Ковзель из Казахстана. – Представить-то можно, но вот как-то тускло получится, однообразно. Так и народы, населяющие нашу планету – у каждого своя культура, язык, свое богатство. И все вместе делают они наш мир красочнее». Более двухсот участников конференции – политики, ученые, молодежь, представители общественных организации более 10 стран Европы и Центральной Азии – могут ответить для себя на вопрос, нужно ли сохранять национальную идентичность, традиции и обычаи национальных меньшинств, как дать народам право на самоопределение, как обеспечить их мирное сосуществование с другими народами, исключающее образование новых грузино-осетинских конфликтов. Найдя ответы, они могут предложить их Германии, многонациональной России, другим странам. Голос одного меньшинства может быть услышан и понят другими. В ПУТЬ ЗА ЗНАНИЯМИ Немцы Томска и молодежь Галле подписали соглашение о партнерстве. Подробнее – на стр. V. Кризис-менеджмент В повестке дня предыдущих встреч федерального канцлера Ангелы Меркель с российским президентом традиционно стоял вопрос ущемления прав человека. С повесткой дня нынешней встречи долго не могли определиться. Дней за десять до нее министр иностранных дел Франк-Вальтер Штаймайер предположил, что речь пойдет о модернизации России и возможном участии в этом процессе Германии. За неделю до запланированной на 15 августа встречи Медведева и Меркель в Сочи события в Южной Осетии дали тему для беседы: снова ущемление прав, только на сей раз Грузии. Ее прав на сохранение территориальной целостности. Итоги своей полуторачасовой беседы лидеры двух государств подвели на пресс-конференции. «Некоторые акции российских военных были чрезмерными, особенно, вторжение российских подразделений на территорию Грузии, – заявила Ангела Меркель. – В остальном, я уверена, что в таком очень сложном конфликте редко бывают случаи, когда вину несет кто-то один». Реагируя на слова Дмитрия Медведева о «гуманитарной катастрофе», «жестокой грузинской агрессии» и «геноциде», Меркель отметила, что она приехала в Сочи не выяснять, кто виноват: «Сейчас не время искать точные причины и анализировать развитие ситуации, II Ангела Меркель начала образовательное путешествие по Германии Ольга Силантьева сейчас нам нужно идти вперед». Канцлер потребовала срочно приступить к реализации плана «шести пунктов», инициированного ее французским коллегой Николя Саркози, председательствующим в этом полугодии в Евросоюзе. План был подписан несколькими днями раньше, но российские войска к 15 августа еще передвигались по Грузии. «По Центральной Грузии», – уточняет сама Меркель, как будто внося этим термином ясность в свои слова: она подразумевает под территорией, которую российским войскам следует покинуть, Грузию без Абхазии и Южной Осетии. Сравнение нынешней ситуации с февральской ситуацией в ЕВРОПЕЙСКИЙ РАЗНОБОЙ III Немецкая пресса о событиях в Южной Осетии Косово, когда Запад поддержал часть Сербии в ее стремлении к независимости, для Меркель не является очевидным. Тогда якобы были соблюдены резолюции ООН. На несоблюдении резолюции № 1244 Совбеза ООН, принятой в 1999 году и гарантирующей территориальную целостность Сербии, канцлер заострять внимание не стала. Она перешла сразу к своему сравнению: если сейчас, как уверяет господин президент, Россия прислушается к голосу народов, проживающих в Абхазии и Южной Осетии, то почему никто не спросил когда-то чеченцев, хотят ли они быть независимыми. «Если каждая нация, желающая стать независимой, получила бы на это право, то мир выглядел бы совсем иначе. России ведь эта проблема знакома», – сказала Меркель на пресс-конференции в Сочи 15 августа. За ней последуют еще прессконференции в Тбилиси, Стокгольме, Таллине, Вильнюсе. Канцлер совершает одну зарубежную поездку за другой. Она пытается что-то делать, чтобы САМЫЙ ЗАПАДНЫЙ Чем живет и как выживает Немецко-русский дом Калининграда V Они не забыты 28 августа в сотнях центров немецкой культуры в России и других странах бывшего Советского Союза пройдет День скорби и памяти. О трагических последствиях, вызванных декретом Президиума Верховного Совета от 28 августа 1941 года, будут вспоминать и в Германии. 30 августа перед Рейхстагом пройдет траурная церемония памяти павших в годы депортации и трудармии, в которой примут участие представители Землячества немцев из России, федерального объединения «Родина», других общественных организаций российских немцев. На церемонии будет принята резолюция «Они не забыты», в которой заявляется, что немцы из России «не понимают, как спустя 63 года после окончания Второй мировой войны ни в одной стране бывшего Советского Союза не состоялось фактической реабилитации немцев из России, которые до сих пор живут с обвинениями, выдвинутыми против них в декрете от 28 августа 1941 года». выйти из «самого серьезного внешнеполитического кризиса за годы ее пребывания в должности канцлера», как характеризует еженедельник «Шпигель» то состояние, в котором пребывает сейчас Меркель, уделяющая очень много внимания внешней политике. Даже слишком много, по мнению самих немцев. Но эксперты говорят не только о кризисе федерального канцлера. Очередной кризис наблюдается и во внешней политике Евросоюза. Грузиноосетинский конфликт разделил страны ЕС на два лагеря. В стан критиков России и приверженцев ее изоляции входят некоторые восточно-европейские соседи, переживающие, скорее, за себя, чем за Грузию, Швеция и Великобритания. Немцы, французы, итальянцы и другие выступают, напротив, за продолжение диалога с Россией. На заседании кабинета министров за три дня до поездки в Сочи Меркель сказала, что ЕС такую двойственность позволить себе сегодня не может. РЕГИОНЫ ГЕРМАНИИ VII Кёльн: собор, карнавал, одеколон и не только… II Г е р ма н и я К О Р ОТ К О Л ЕН Т А Н О В О С Т Е Й Бэтмены помогут Летучие мыши приостановили строительство моста через Эльбу в Дрездене, которое должно было начаться 13 августа. Существующий пока только на чертежах мост стал уже печально известным: в том случае, если проект все же будет претворен в жизнь, столица Саксонии, вернее, приходящаяся на нее долина реки Эльбы, лишится статуса «объект всемирного культурного наследия» и будет вычеркнут из списка ЮНЕСКО. На референдуме, проведенном три года назад, жители города высказались в пользу строительства моста, который улучшит связь новых промышленных районов с другими частями города, поэтому, несмотря на протесты организации ООН по вопросам образования, науки и культуры, было решено учесть волеизъявление народа. До этого суды различных инстанций также выносили решение в пользу строительства. Однако сейчас административный суд Дрездена прислушался к поданному недавно иску экологов, забивших тревогу: строительство нового моста может отразиться на популяции редкого вида летучих мышей – малого подковоноса. Власти города собираются оспаривать судебное решение. Дорогая вода Предприятия Германии платят за потребление водопроводной воды гораздо больше, чем фирмы в других странах, сообщает «Немецкая волна» со ссылкой на компанию NUS Consulting. Тогда как во Франции стоимость одного кубического метра воды для компаний составляет 1,27 евро, а в США всего 47 евроцентов, в Германии промышленное предприятие платит за один кубический метр водопроводной воды 1,91 евро за вычетом всех налогов и сборов. Там поступления от оплаты потребления воды считаются источником дохода местных бюджетов и используются для финансирования определенных проектов. «Тарифы на использование воды устанавливаются местными органами власти, и средства, поступающие в бюджет, используются для финансирования местных программ, которые в ином случае финансировались бы из налоговых средств», – отмечает сотрудник NUS Consulting. Зато и повышения тарифов на воду в ближайшее время не ожидается, несмотря на постоянный и повсеместный рост цен на ресурсы. Z ahlen bitte! 55 ...процентов составил рост цен в Германии на отопление и электричество за последние шесть лет. Такие данные сообщает информагентство dpa. При этом потребители платят за потребляемые в бытовом секторе энергоресурсы на 55,7 процента больше, чем шесть лет назад, а стоимость топлива выросла за это время на 54,4 процента. Московская немецкая газета №. 16 (239) Август 2008 Хладнокровная полиция и «миловидные нацистки» В середине августа в Эрфурте во время футбольного матча местной команды полтысячи скинхедов начали скандировать с трибун нацистские и антисемитские лозунги. В конце августа в Берлине неонацисты вышли на демонстрацию, выступая против строительства индийского храма в столице. В середине августа на самом большом в мире памятнике жертвам Холокоста, расположенном в центре Берлина, появились свастики. В прошлом году на территории Германии полицией было зарегистрировано более 11 000 «правых» преступлений, из них – 595, связанных с насилием. Больше всего таких преступлений было совершено в земле Северный Рейн-Вестфалия, на втором месте Берлин, далее – Нижняя Саксония, Саксония и Бавария. Такого большого количества преступных акций неонацистов не наблюдалось с 2001 года. При сравнении этих данных с данными позапрошлого года, становится очевидным, что число правоэкстремистских преступлений увеличилось практически на 20 процентов. Эта возрастающая тенденция вызывает все большую тревогу в обществе. «Чрезвычайно тревожным» назвал увеличение числа противозаконных акций правых председатель Комитета по внутренним делам бундестага социал-демократ Себастиан Эдати. Заместитель председателя фракции ХДС Вольфганг Босбах считает, что после провала процесса по делу о запрете Националдемократической партии Германии (НДПГ) правые экстремисты почувствовали себя сильнее. Саксонский министр внутренних дел Альбрехт Буттоло Григорий Крошин призвал демократические партии в дрезденском ландтаге не ограничивать борьбу с правым экстремизмом борьбой с НДПГ. Для сторонников НДПГ решающую роль играют темы, а не отдельные партийные активисты. «Мы должны не концентрироваться на личностях, а противопоставлять лозунгам НДПГ политические альтернативы», – говорит Буттоло. Он призвал партии, церкви, союзы, а также объединения добровольных пожарных больше заботиться о молодом поколении. И именно этот министр своей властью запретил в 2007 году одиозную организацию скинхедов «Шторм 34» из саксонского городка Миттвайда, больше года державшую в постоянном страхе целый регион вокруг Хемница. Характерно, что название банды скинхеды взяли от одноименной организации СА, орудовавшей в регионе в нацистский период, чьей целью была «национальная очистка территории», а средством – насилие. Нынешние неонацисты, бритоголовые парни в черных комбинезонах, с жестокостью нападали на турецкие закусочные, на темнокожих пешеходов, на «панков» на народных празднествах, на офис местной левой партии, который мешал им. Все это время полиция, похоже, лишь хладнокровно наблюдала за действиями банды. Но последней акцией, переполнившей чашу терпения общества и полиции, было нападение 15 скинхедов на бензоколонку и зверское избиение нескольких молодых мужчин. После этого пятеро главарей банды в возрасте от 20-ти до 40 лет были арестованы и привлечены к суду. Следствие доказало, что неонацисты были тесно связаны с националистической партией НДПГ, получая от нее задания и руководство к действиям. В суде, прошедшем в начале августа, выяснилось одно пикантное обстоятельство: один из активнейших членов группировки состоял одновременно на службе в… государственном Ведомстве по охране конституции ФРГ в качестве штатного осведомителя. По приговору суда трое неонацистов получили довольно мягкий приговор: 3,5 и 3 года тюрьмы, а двое вообще были оправданы. Всего в банде состояло около 50 членов и вдвое больше сочувствующих, из которых – весьма любопытный факт – минимум 53… женщины. Последняя тенденция вызывает сейчас в немецком обществе все большую настороженность и является предметом пристального изучения учеными-социологами. Так, самый известный немецкий специалист в этой области Микаэла Кёттиг из университета Гёттингена убеждена: «За этими приветливыми и внешне весьма симпатичными женщинами скрывается угрожающая система проникновения в общество „миловидных неонацисток“». По данным Кёттиг, максимум 10% всех актов насилия со стороны неонацистов совершаются женщинами. Но, говорит ученый, «стереотипы, согласно которым большинство преступлений совершают мужчины, все еще преобладают, поэтому в полицейских отчетах женщины по-прежнему чаще выступают лишь в качестве свидетельниц преступлений». Однако сегодня много еще женщин среди неонацистов, которые – в соответ ствии с планами их группировок – выбирают себе профессии в области социальной работы или воспитания: они готовят подрастающее поколение к «четвертому Рейху». То есть здесь наблюдается планомерное создание «системы подготовки неонацистов», в котором женщины – «миловидные нацистки» – играют все возрастающую роль. В путь за знаниями Ангела Меркель начала образовательное путешествие по Германии К началу октябрьской конференции на высшем уровне по вопросам образования федеральный канцлер Ангела Меркель планирует завершить поездку по десяти федеральным землям и познакомиться с рядом инновативных образовательных проектов. Начатое в середине августа турне дало повод федеральным землям попросить у правительства десятки миллиардов евро. На инвестиции в образование. Федеральный канцлер планирует посетить за поездку ряд детских садов, школ и университетов, чтобы поближе познакомиться с немецкой образовательной системой, с проблемами и задачами, стоящими перед грядущей реформой образования. Особый интерес Меркель (ХДС) проявит к тем учебным заведениям, в которых используются новые педагогические методы – именно они могут послужить образцами для реформы. Начало турне было положено в Гессене: 21 августа канцлер посетила евангелический детский сад во Франкфукте-на-Майне, прославившийся заботой об интеграции детей мигрантов, и евангелическую высшую школу прикладных наук для воспитателей в Дармштадте. Всего федеральный канцлер посетит 12 учебных заведений. Во всех поездках ее будет сопровождать министр образования Аннетте Шаван (ХДС). Кроме того, предполагается присутствие министр-президентов соответ ствующих земель. Людвиг Экингер, председатель Союза «Образование и воспитание» высказал опасение, что инициатива Ангелы Меркель может превратиться в показательный тур: «Когда федеральный канцлер отправится в свое Екатерина Келлер образовательное путешествие, речь не должна идти исключительно о показательных проектах. Немецкая система образования незамедлительно нуждается в основательных реформах. Увеселительная поездка в этом случае неуместна». Несмотря на наличие многочисленных инновативных проектов, говорить об успехах в системе образования рано, полагает Экингер. Слишком много в ней неразрешенных проблем. Одна из проблем состоит в том, что инвестиции немецкого правительства в образование слишком незначительны и до сих пор не рассматриваются в качестве инвестиций. На это указывают все международные исследования. О необходимости вложений заявляет и Андреас Пинкварт (СвДП), министр образования земли Северный Рейн-Вестфалия. Он считает нужным выделить дополнительно 10 миллиардов евро на расширение университетов. «Сверх того, я исхожу из минимума 10 миллиардов евро на образование, которые в ближайшее десятилетие потребуются Германии дополнительно. Федеральное правительство должно взять на себя по меньшей мере половину этой суммы», – полагает Пинкварт. Наряду с финансовыми вопросами остаются вопросы урегулирования актуальных проблем в сфере образования. Экингер указывает, к примеру, на такие аспекты как селекция в школах, интеграция детей из семей мигрантов, стигматизация общеобразовательной школы, реформа школьной структуры, необходимость улучшения образования для учителей. Будут ли заниматься решением этих и других проблем федеральные земли или существует необходимость решать образовательный вопрос во всех его нюансах на общегосударственном уровне, продолжает дискутироваться. По мнению министра образования и к ее сожалению, тема образования еще не стоит в центре немецкой внутренней политики. Между тем, полагает Шаван, в землях наблюдается страх перед конкуренцией друг с другом. Каждая инициатива другой земли воспринимается как угроза. В интервью газете «Бильд» Ангела Меркель от имени правительства высказала готовность с землями, при этом подчеркнув, что государство «не собирается забирать у земель их компетении и играть во всезнайку». И указала, что землям следовало бы лучше распоряжаться финансовыми ресурсами, образовавшимися вследствие снизившегося числа школьников. Перед политикой в сфере образования стоят на сегодняшний день и вполне насущные задачи. Меркель призвала школы особо обратить внимание на поддержку технических профессий. «Немецкая экономика ежегодно теряет 7 миллиардов евро только потому, что нам не хватает 95 тысяч инженеров». Продолжает катастрофически не хватать и учителей. Профсоюз «Воспитание и наука» называет нехватку драматической: по данным председателя профсоюза Ульриха Тёне в следующие пять лет выходят на пенсию около 100 тысяч учителей, нуждающихся в замене. Через 5 лет понадобятся и 80 тысяч воспитателей. В области высшего образования, отмечают эксперты, было уже достигнуто многое, например, сформированы элитные университеты. Однако еще острее стоит необходимость открыть высшие учебные заведения для работающих. Шаван уже объявила конкурс учебных курсов на вечернюю форму обучения. Росс и я – Г ЕР М А НИЯ Московская немецкая газета №. 16 (239) Август 2008 Европейский разнобой К О Р ОТ К О Л ЕН Т А Немецкая пресса о событиях в Южной Осетии На немцев решительно и строго смотрит Путин. Целую неделю с обложки влиятельного журнала «Шпигель», продаваемого во всех газетных ларьках и лежащего на прилавках магазинов. Немцы проходят мимо, задерживая взгляд на надписи «Опасный сосед. Владимир Путин и бессилие Запада». Рядом выставлены другие издания, с изображениями русских танков на первых страницах. Приходя домой, немцы включают телевизор и опять видят и слышат информацию про события на далеком, мало им известном Кавказе. Военный конфликт стал центральной темой новостей в Германии, соревнуясь по частоте упоминания лишь с Олимпийскими играми. «Все эти страны одинаковы», – говорят бюргеры через неделю, устав от постоянно повторяемых новостей: Россия не выводит войска, Меркель протестует, Грузия призывает. События в Афганистане, Ираке, Палестине, а теперь и на Кавказе слились для них в единый информационный поток. Правда, последний регион все же выделяется на общем фоне: если Грузия еще далека и неизвестна, то Россия, участвующая в конфликте, пусть и неизвестна, но недалека: она – необходимый игрок в сегодняшнем мире, и с ним, к сожалению многих, приходится считаться. Поэтому и мнения прессы представляют всю палитру мнений, начиная от защитников интересов России и заканчивая защитниками территориального единства Грузии. – Исходным моментом сегодняшних боев на Кавказе стало вторжение грузин в Южную Осетию, – напоминает экс-канцлер ФРГ Герхард Шрёдер в интервью журналу «Шпигель». Бывший федеральный канцлер, называя Саакашвили авантюристом, приветствует миротворческую миссию ОБСЕ в Южной Осетии, также при германском участии. Но если подобная миссия будет проводиться без четкого согласия России, «я бы не хотел, чтобы там участвовали немецкие солдаты», – говорит он. Шрёдер, получивший в немецких СМИ прозвище «рупора России», убежден: «Россия не проводит на Кавказе политики аннексии». Либеральный еженедельник «Цайт», как и многие другие издания, вынес тему событий на Кавказе на первую полосу: над фотографией неизвестных бегущих солдат, заголовок: «Русская угроза», чуть пониже подпись: «Своим нападением на Грузию, сверхдержава показала себя жестокой, как в советские времена». Будет ли новая «холодная война»? И далее: «Российско-грузинская война стала тяжелейшим мировым кризисом со времени американского вторжения в Ирак в 2003 году. Для европейцев и Запада от нее зависит еще и вопрос: действительно ли закончилось время революций, начавшееся в 1989-м, действительно ли начался откат от демократии и самоопределения на Востоке. Михаил Саакашвили, самовластный и авантюристский грузинский президент, который, с помощью непродуманного наступления на Южную Осетию, первым вызвал всю эту катастрофу, не идентифицируется с фигурами среднеевропейских героевосвободителей, таких как Вацлав Гавел или Иоанн-Павел II». Далее «Цайт» продолжает: «На Кавказе Грузия – единственная страна, которая, как минимум, похожа на демократию. В лице Грузии российский премьер Путин напал на единственного союзника Америки в регионе. Когда Джордж Буш посетил Тбилиси в 2005 году, в его честь собралось 150 000 человек. Сегодня одна из улиц города носит его имя. Примерно 130 служащих армии США обучают сегодня грузинских военных. Тщетно: российские войска за пять дней продемонстрировали всему миру, как они могут гнать солдат, тренированных американцами». Еженедельник «Штерн» назвал свой фоторепортаж с Кавказа «Кровавый ответ России» и сопроводил его комментарием, в котором пишет, что «Саакашвили решился напасть, возможно, потому что верил в помощь из Америки. Но, когда он в прошлую пятницу просил о под- Своевременный ответ Казалось бы, о событиях в Южной Осетии сказано уже много. И в российской прессе, и в западной, хотя лучше бы она рассказывала про Олимпиаду в Пекине. «Россия возвращается к советским временам… Грядет ли новая «холодная война»? «Огромная Россия напала на маленькую демократическую Грузию», – такими заголовками с незначительными вариациями пестрели в августе немецкие газеты. – Если Грузия – демократическая страна, то Россия – супердемократическая, – прокомментировал расхожее определение кавказского государства московский телеведущий Максим Шевченко, один из модераторов встречи в «Адлоне». Переполненный зал шикарного берлинского отеля, собравший Фото: Дитмар Густ «После войны на Кавказе. Перспективы и сценарии». Под таким названием в отеле «Адлон», что у Бранденбургских ворот в центре Берлина, прошла 22 августа публичная дискуссия, органи зованная по инициативе известного немецкого политолога Александра Рара, эксперта Германского общества внешней политики. Александр Рар и Максим Шевченко дали немцам возможность взглянуть на конфликт с позиции России. многих российских журналистов, которые сами пережили грузинское вторжение в Южную Осетию, – явление для Германии сегодня крайне неординарное. В подиумной дискуссии принимал участие и Епископ Ставропольский и Владикавказский Феофан, который прилетел на конференцию сразу после концерта, состоявшегося во Владикавказе под управлением дирижера Валерия Гергиева, пожалуй, самого известного осетина в мире. Рассказ священника о грузинской агрессии против Южной Осетии прошел при встревоженном, если не испуганном молчании зала. Но это было только начало. Затем начали говорить журналисты, которые пережили войну на самых разных ее этапах. Они рассказывали о трупах, которые валялись на улицах. Девушкаосетинка рассказала о том, как нашла развалины дома своих родителей. По немецкому телевидению о страданиях осетин не передают. III держке, Белый дом заявил, что вмешается в конфликт в лучшем случае на дипломатическом уровне». «Статус героя, который Саакашвили получил после перехвата власти в результате т.н. «революции роз» в 2003 году, сильно шатается», – продолжает «Штерн». На обложке журнала «Шпигель» фотография решительного и строгого Владимира Путина, с подписью: «Опасный сосед». Чуть ниже – снимок колонны российских танков и подзаголовок: «Владимир Путин и бессилие Запада». «Ангела Меркель хотела объяснить Медведеву в Сочи, как действует подобная имперская Россия на мир. Какие представления возникают, когда танки катятся через независимую страну. Эти картины ее потрясли. Медведев дал ей понять, что российское отношение к стремящимся отделиться провинциям весьма противоречиво. «Кто говорит, что Абхазия и Южная Осетия сами должны решать вопрос о своей независимости, пусть решит сначала аналогичные проблемы в собственных провинциях, например, в Чечне», – парирует Меркель. Как пойдут дела дальше? Еще нет рецепта, как обращаться с имперской державой Россия, даже никаких идей. Ясно только одно: «Это будет, несомненно, тяжело», – сказал министр иностранных дел Штайнмайер на прошлой неделе за чашкой кофе, и растерянно посмотрел вдаль». Реакция немецких журналистов последовала вялая. «Мы режим Саакашвили демократическим не называли… России угрожает потеря международного престижа… Да, всякая война – человеческая трагедия… Россия раздавала свои паспорта всем желающим в Южной Осетии»… Представитель грузинской прессы и чеченский сепаратист пытались, как это называется, «перевести стрелки», но на фоне рассказов очевидцев подобные попытки выглядели вяло. Все это было ново для немецкой публики. Она не привыкла к таким выражениям, как «грузинская агрессия», «геноцид осетин». Она не слышала о том, как грузинские солдаты бросали гранаты в подвалы с беженцами… Для большинства немецких слушателей эта конференция была шоком. Станет ли она терапией? Если люди захотят прислушаться и задуматься, очень даже возможно. Это уже зависит от них самих. Организаторы конференции сделали для этого все. Материалы полосы подготовил Андрей Окулов Н О В О С Т Е Й Суперпоезд из Германии в Россию Уже через пару недель германская компания «Сименс» представит общественности новый скоростной поезд Velaro Rus, созданный специально для России, который к декабрю прибудет в российскую столицу. К этому же времени завершится создание инфраструктуры на линии Санкт-Петербург – Москва в рамках организации скоростного движения. Договор о поставке восьми высокоскоростных поездов типа Velaro Rus был подписан еще два года назад: таким образом, Россия стала после самой Германии, Испании и Китая четвертой страной, приобретшей высокоскоростные поезда серии Velaro. Первые поезда в Китае были пущены к началу Олимпийских игр. В целом в мире всего восемь стран, которые могут позволить себе высокоскоростные поезда, развивающие скорость до 300 км / час. Россия станет девятой. Защита от нежелательных связей Правительство Германии под держало в августе законопроект о защите немецкой экономики от нежелательных иностранных инвесторов. О необходимости подобного закона заговорили еще год назад: тогда начали высказывать опасения, что зарубежные государственные инвестиционные фонды, в частности, российские и китайские, собираются приобрести акции немецких компаний. После того, как в закон о внешнеэкономической деятельности будут внесены соответствующие поправки, Минэкономики ФРГ получит право в течение трех месяцев после приобретения зарубежным инвестором немецкой фирмы постфактум аннулировать сделку, если под угрозой, по его мнению, окажется общественный порядок или безопасность Германии. Наша промышленность в Дрездене В сотрудничестве с Петербургским диалогом правительство Саксонии и Восточный комитет немецкой экономики проводят в середине сентября в Дрездене День промышленности России. Симпозиум, в котором примут участие представители политики, экономики и прикладных наук России и Германии, должен, по словам министра экономики и труда Саксонии Томаса Юрка, стать «двигателем для качественно новых коммуникаций и кооперации между немецкими и российскими предприятиями, исследовательскими учреждениями и мультипликаторами из ключевых отраслей машиностанкостроения, автомобильной промышленности и энергетики». К участникам встречи обратится экс-канцлер Герхард Шрёдер, который выступит с докладом «Россия – партнер с будущим». IV В то р а я р о д и н а Ю рИДИЧЕСКАЯ КОНСУЛЬТАЦИЯ Рубрику ведут адвокат Томас Пуэ и Михаил Рушанов (ФРГ) Испытательный срок В этом выпуске нашей рубрики мы продолжаем разговор о том, как иностранец на законном основании может остаться в Германии, и, в частности, о том, как быть одному из супругов, если распался брак с гражданином ФРГ. Обычно после фактического распада брака, существовавшего более двух лет, ведомство по делам иностранцев продляет вид на жительство на период до одного года. После окончания этого испытательного года иностранец должен финансово стоять на собственных ногах. Ведомство по делам иностранцев может по собственному усмотрению продлить испытательный срок на период более одного года, особенно, если имеются некоторые основания и обстоятельства. Например, в исключительной ситуации ведомство по делам иностранцев может отказаться от правила двухлетнего проживания и выдать иностранному супругу независимый от семейных отношений вид на жительство в ФРГ и по результату краткосрочного брака. Такими признанными исключениями по § 31AufentG считаются невозможность продолжения брачной жизни (насилие по отношению к супругу и/или ребенку, постоянный супружеский обман, алкоголизм или наркомания, а также иное аморальное поведение супруга). матери покинуть Германию, а затем из-за границы реализовывать его немецкое гражданство. Происходит это потому, что, по мнению ведомства, муж матери может оспорить свое отцовство, ребенок может не родиться по медицинским причинам, по медицинским показаниям беременная женщина может считаться нетранспортабельной, что может отсрочить ее высылку из Германии. Отсрочить высылку могут такие факторы, как тяжелые физические заболевания, психические проблемы, депрессии, угроза самоубийства. Но только если это будет документально подтверждено и надлежащим образом обосновано. С юридической точки зрения речь идет о том, когда же ино странца можно рассматривать в качестве самостоятельной правовой фигуры, независимой от состояния семейных отношений с правомочным жителем Германии? Частично это урегулировано в § 31 закона о пребывании (Aufenthaltsgesetz, AufenthG). Как было сказано выше, если «семейное сообщество» сообщество существовало не менее двух лет на территории ФРГ, ведомство по делам иностранцев продляет вид на жительство и после прекращения семейной жизни. Под «семейным сообществом» понимаются фактические семейные отношения, а не формальное свидетельство о браке. Если супруги не ведут общего хозяйства и семейной жизни, то они Стаж семейной жизни за рубежом Германии в требуемый двухлетний период не засчитывается Грозящая иностранцу по возвращении в страну происхождения опасность также может послужить основанием для продления вида на жительство. Например, если мусульманской женщине, состоявшей в браке с западным мужчиной, дома грозит «побитие камнями» от единоверцев. Такие случаи встречаются в консервативных мусульманских странах, но для стран СНГ – нетипично. Известно, что порой живущий в семье ребенок немецкого супруга от первого брака развивает теплые, прочные отношения со своей мачехой. Здесь требование о продлении вида на жительство бывшей иностранной супруги отца такого ребенка можно подкрепить прочным контактом с немецким ребенком, потому что внезапный обрыв этой важной человеческой связи может нанести ущерб его развитию. Смерть немецкого супруга в период семейной жизни на территории ФРГ также дает основание требовать продления вида на жительство. Беременность иностранной супруги в отдель ных случаях может служить аргументом для продления вида на жительство, особенно, если отец ребенка – гражданин Германии, от которого он наследует немецкое гражданство. Не надо, однако, автоматически уповать и на очевидный аргумент о немецком гражданстве еще не родившегося ребенка. Ведомство по делам иностранцев может предложить будущей не смогу отговориться тем, что брак пока еще существует «на бумаге». Не так просто подсчитывается общий стаж супружеской жизни на территории ФРГ. Например, стаж семейной жизни за рубежом Германии в требуемый двухлетний период не засчитывается. Здесь между ведомством и ино странцем могут возникать споры о методике подсчета. В случае краткосрочного существования семейных отношений ведомство по делам иностранцев имеет обыкновение подозревать фиктивный брак. Ведомство должно надежно обосновать свои обвинения, простые подозрения или ссылки на внешне необычные обстоятельства (например, большая разница супругов в возрасте, принадлежность к различным культурным или этническим группам) не считаются надежной аргументацией. Обычные, связанные с выездом из ФРГ, неудобства не считаются основаниями для продления вида на жительство иностранца. Не впечатляют немецкие власти и указания иностранца на отсутствие места работы и жилья в стране происхождения. Они указывают на обязанность структур страны происхождения заботиться о благополучии своих граждан. Также напрасны ссылки на хорошую интеграцию ребенка иностранного супруга от первого брака в немецкое общество и его отставание от школьной программы в стране происхождения. Московская немецкая газета №. 16 (239) Август 2008 Эра Бергнера JAHRE Aussiedlerbeauftragter Рубрику ведет Ольга Силантьева В феврале 2006 года министр внутренних дел Германии Вольфганг Шойбле (ХДС) представил нового уполномоченного по делам переселенцев и национальных меньшинств, которым стал парламентский статс-секретарь в МВД Кристоф Бергнер (ХДС). Интервью с ним накануне конференции, приуроченной к 20-летию введения должности уполномоченного, завершает серию материалов об основных этапах политики помощи, осуществляемой федеральным правительством для переселенцев и национальных меньшинств в 1988–2008 годах. Г-н Бергнер, почему именно Вы получили предложение стать уполномоченным, и из каких соображений Вы его приняли? Я был удивлен, когда в январе 2006 года министр сообщил, что передаст мне как парламентскому статс-секретарю должность уполномоченного по делам переселенцев. Я с удовольствием принял его предложение. Во-первых, тем самым пост вновь занял замминистра, как это было во времена Хорста Ваффеншмидта. Это большое преимущество, так как парламентский статс-секретарь обладает особыми компетенциями и полномочиями. Вторая причина заключалась в том, что я проявлял интерес к проблемам немецких меньшинств еще с тех пор, когда в 70-х годах встречался с их представителями в Румынии и Польше. Мои родители помогали в 1990–1991 годах в Тюрингии принимать переселенцев из стран бывшего Советского Союза. Они даже до сих пор дружат с некоторыми из них. Что изменилось в политике помощи немецким меньшинствам с тех пор, как Вы заняли эту должность? Мне понадобилось около полугода, чтобы войти в дело. Постепенно я осознал, что нам необходимо внести коррективы в политику помощи таким образом, чтобы она имела будущее. Что касается стран СНГ, то, я считаю, мы должны прикладывать усилия для укрепления системы самоорганизации российских немцев, поддержки молодежи и особенно создания авангарда российских немцев. Кроме того, мы должны развивать связи между переселенцами в Германии и российскими немцами. Определив эти акценты, мы теперь можем двигаться дальше. Что касается стран Центральной и Восточной Европы, то тут я столкнулся с ситуацией ожидания вступления в ЕС, после которого финансирование со стороны МВД должно было прекратиться, что уже к тому времени и начали претворять на примере Польши. Я считаю это ошибочным. Теперь для меня важно найти обоснование для того, чтобы федеральное правительство было заинтересовано в финансовой поддержке немецких меньшинств в этих странах. Для этого мы должны обстоятельно обсудить сложившуюся ситуацию, определиться с потенциалом – для этого мы и проводим конференцию в сентябре. Что Вы еще ожидаете от этой конференции? Конференция необходима, потому что она подведет итог 20-летней политики для переселенцев и национальных меньшинств, будут проанализированы ее этапы, озвучена необходимость ее продолжения, для чего предстоит открыто обсудить ее основы. Сегодня политика помощи – еще часть общей политики преодоления последствий Второй мировой войны. Значение этой политики снижается с каждым годом, что проходит с момента окончания войны. Однако желание вынести урок из прошлого, выстроить партнерские отношения и миротворческие структуры – останется актуальным и для будущего. Сейчас важно найти инструмент, который позволит немецким меньшинствам стать частью этих структур. Я надеюсь, что на конференции мы сможем это сделать и, таким образом, определиться с целями поддержки. Этапы, которые Вы упомянули, связаны с именами уполномоченных? Нет, скорее с тем, какая политическая партия стояла у власти. Уполномоченный и являлся представителем правящей партии. Да, это сложная история. Бесспорно, была эра Ваффеншмидта. Эра, когда принципиально была признана ответственность перед немцами в странах их проживания. Тогда начали увлеченно работать, располагая довольно большими средствами. Затем пришла эра Вельта и Кемпера, когда сказали, что все это – общая политика для меньшинств и поле деятельности уполномоченного расширили, вверив ему и признанные меньшинства Германии – сорбов, фризов, датчан, синти и рома. Это был совсем другой акцент: подчеркивалось значение не особой ответственности перед немцами, а в целом перед национальными меньшинствами. Что определяет мою эру? Это поиск общей взаимосвязи, которая подтолкнет Германию признать и разделить ответственность за сохранение культурной идентичности немецких меньшинств. Как это уже мы делаем, отвечая за немцев в Дании. Эра должна длиться больше трехчетырех лет, чтобы стать эрой. Мы можем пожелать Вам и нам ее продолжения? Если Вы спрашиваете, хотел бы я продолжать работать в этом направлении, то скажу, что работа эта мне нравится, и я бы с удовольствием продолжил ее в той или иной форме. В какой именно, будет ясно после выборов в бундестаг, которые пройдут через год. Но как бы то ни было, история показывает, что все время находятся люди, которые хотят посвятить себя этой работе. Как долго правительство Германии будет оказывать поддержку немецким меньшинствам? Я стремлюсь к тому, чтобы в полном согласии с титулярными нациями мы видели в поддержке культурную задачу, которая не ограничена никаким сроком. Каким Вы видите будущее немецкого меньшинства в России? Я считаю, что важно найти инструменты, которые позволят сохранять культурную идентичность в условиях диаспоры, что и удается другим народам, например, армянам. При этом система центров встреч будет играть важную роль. Иллюзорно считать, что мы будем поддерживать только одну область или один регион. Я думаю, предпосылки для того, чтобы у немцев России было будущее, есть, особенно, учитывая, что Российское государство заинтересовано в этом. И они будут еще лучше, если будут развиваться партнерские отношения между немцами в России и переселившимися в Германию – это будет способ ствовать укреплению национального самосознания. НЕ М Ц Ы Р О С С ИИ Московская немецкая газета №. 16 (239) Август 2008 Томск плюс Галле В начале августа состоялся молодежный обмен «Россия, Томск – Германия, Галле». Полные впечатлений молодые российские немцы, вернувшись домой, поделились своими впечатлениями с читателями МНГ. Друзья из Галле встречали нас в аэропорту с цветами, а мы в ответ показали наш «коронный номер» – танец с флагами и презентацию томского клуба Wir+Sie. Программа пребывания в Ширке – маленьком городке у подножья горы Броккен, которую еще в XIX веке в своих стихах воспевал сам Генрих Гейне, была насыщенной. Мы посетили множество замков и музеев, аквапарк, пещеры, музей авиации, поднялись по канатной дороге и спустились с горы на санках с колесами, поднялись на знаменитую гору Броккен, а все оставшееся время «выстраивали международные отношения». Этому весьма способствовали дискотеки, прогулки по паркам, и, конечно Андрей Котов, Таня Кушнер же, многочисленные спортивные мероприятия: волейбол, пионербол, футбол, катание на роликах, теннис…. А по вечерам мы с немецкими друзьями собирались в зале, чтобы попеть песни под гитару, рассказать о своих впечатлениях за день. Ну и, конечно же, проводили развлекательные мероприятия – ролевые игры на знаком ство, поэтический вечер (от которого немецкие друзья расчувствовались и прослезились). Больше всего понравилась старинная немецкая «игра в Ангела», которая сплотила всех нас. Мы стали закадычными друзьями и решили дружить и в будущем. Тем более что мы – молодежные организации из Томска и Галле – подписали соглашение о партнерстве. Теперь у нас появилась уникальная возможность реализовывать различные совместные мероприятия и проекты. Уже в следующем году молодежный клуб Wir+Sie примет друзей из Галле в Томске, а пока ребята вместе отправились в Берлин. За два дня мы успели побывать на обзорной экскурсии и своими глазами увидеть здание Рейхстага, Gedächniss Kirche, Бранденбургские ворота, Берлинский собор, который поражает своей мощью, Потсдамскую площадь… Побывали в знаменитом берлинском зоопарке, на Александрплатц, покатались по реке Шпрее на катере… Но самое главное, мы побывали в Министерстве внутренних дел ФРГ и целый час общались с уполномоченным федерального правительства Германии по делам переселенцев и национальных меньшинств д-ром Бергнером. Он ответил на все интересующие нас вопросы и назвал нас «пионерами», поскольку заключенное накануне нашими молодежными организациями соглашение о партнерстве – «первая ласточка» в истории молодежных российско-герман ских обменов. Мы также посетили центральный офис GTZ в Берлине, узнали много интересного о деятельности этой организации и даже поиграли в интеллектуальную игру. Этот проект был задуман и организован в рамках соглашения о партнерстве между Международным союзом немецкой культуры, Немецким молодежным объединением (Москва, РФ) и Землячеством немцев – выходцев из России (Штутгарт, ФРГ), подписанного в мае прошлого года в Висбадене. В молодежном обмене приняли участие 19 ребят из молодежного клуба Wir+Sie Томского областного российсконемецкого дома и 20 – из моло- V дежной организации Землячества немцев – выходцев из России города Галле. Разумеется, в организации проекта помогали и представители «взрослых» объединений: референт по молодежной работе Людмила Копп (от Землячества), руководитель интеграционного проекта в г. Галле Ольга Эберт, а также активисты недавно созданного при Землячестве «Молодежного и студенческого объединения немцев – выходцев из России и центральное бюро djo – Deutsche Jugend in Europa. Финансовую поддержку оказали фонд «Германо-российский молодежный обмен», МВД ФРГ, Федеральное ведомство по делам миграции. С российской стороны организатором выступил Томский областной РНД при финансовой поддержке ЗАО «Общество развития Новосибирск» и администрации Томской области. Самый западный «Мы – как в каменном мешке», – говорит президент НРД Калининграда Виктор Гофман МНГ уже писала о нескольких Российско-немецких домах, которые в 2008-м отмечают круглые или полукруглые даты. Немецко-русский дом Калининграда – еще один юбиляр этого года. Он был основан 15 лет назад. Лариса Худикова, фото автора В течение этих лет НРД традиционно возглавляли граждане Германии, но недавно последнего из них – Петера Вунша сменил российский немец Виктор Гофман, который изначально являлся соучредителем и вицепрезидентом этого Дома, а теперь стал его президентом. В 1989 году Виктор Яковлевич создал первое в Калининград ской области объединение российских немцев и пруссов Eintracht («Согласие»). Оно и выступило учредителем НРД. – Ни к чему нам было шуметь в Калининградской области в то время, поэтому мы «не пустили» в наш регион такие крупные федеральные организации российских немцев, как «Видергебурт» и другие, которые проводили излишне активную и иногда скандальную политику, – говорит Виктор Гофман. – Было у нас создано и свое Землячество, потом – Немецкая национально-культурная автономия. Хочу обратить внимание, что все общественные организации немцев Калининградской области объединены под крышей НРД. Разногласий у нас нет, для решения всех вопросов создан Координационный совет. Важно, что нам доверяют, и что после немецких директоров все осталось под нашим – российских немцев Калининградской области – контролем. – А раньше российские немцы не контролировали ситуацию? – Нет, это вовсе не значит, что раньше мы не контролировали ситуацию. Но сейчас – в большей мере. Мы – единственный Немецко-русский дом, который на 80 процентов финансирует Германия, остальную сумму на свои нужды мы ищем сами. Я, например, пытаюсь выделять средства из своей предпринимательской деятельности. У наших партнеров – федеральных немцев – есть такая установка: Дом должен зарабатывать ровно столько, сколько ему надо, но не больше. Я считаю, что это неправильно. Этот Дом нам стал явно мал, а мы могли бы привлекать и больше средств. Мы уже арендуем в городе дополнительно два помещения для курсов немецкого языка. Вскоре несколько групп придется сократить, потому что в этом году Германия выделила нам на 70 тысяч евро меньше, чем в прошлом. – Какой может быть выход, и за счет чего вы можете привлекать дополнительные средства? – Мы могли бы сделать языковые курсы платными, если бы нам разрешили, все равно российских немцев на них учится процентов 60. Если все сложится удачно, то, может быть, в ближайшее время мы получим лицензию на эту деятельность. Еще одна возможность зарабатывать: при нашем НРД создан Попечительский совет из предп р и н и м ат ел е й – р о сс и й с к и х немцев, многие из которых весьма успешны в бизнесе. Например, праздничные мероприятия, посвященные 15-летию Дома, на 70 процентов финансировали они. Около 500 тысяч рублей обошелся только ремонт. – А что правительство Калининградской области? Молчит? – Мы зарегистрированы как некоммерческое партнерство, а не учреждение культуры. Правительство области нам вообще не помогает, хотя мы работаем для всего города, для людей всех национальностей. Наш Дом очень популярен в Калининграде. Например, мы даем возможность выставлять свое творчество в стенах НРД художникам, причем бесплатно. Но попасть к нам непросто. А на этом тоже можно зарабатывать. Или, например, использовать по пря- Виктор Гофман провожает «золотую молодежь» в лингвистический лагерь. мому назначению наш уютный «пивной садик» во дворе Дома. – Почему такую возможность художникам не предоставляют другие национальные дома? Или их нет? – В сентябре появится Армянский дом, но до этого ни у одной диаспоры города не было своего здания, и мы давали возможность представителям каждой национальности один раз в год (причем тоже бесплатно) в стенах НРД представить свою культуру. Иногда для проведения крупных «чужих» мероприятий мы берем какую-то сумму, но чисто символически. По сути, все эти годы Немецко-русский дом Калининграда выполнял функции Дома дружбы. – Поговаривают, что ранее уехавшие в Германию немцы охотно возвращаются в Калинин градскую область, едут и из стран СНГ и других регионов России – в рамках специальной программы по переселению соотечественников. Вы наблюдаете этот процесс? – На мой взгляд, эта программа не продумана. К примеру: дают переселенцам 200 тысяч рублей на приобретение жилья (а за эти деньги ничего приличного не купишь у нас) и 20 тысяч – на ребенка. Предположим, приехала молодая семья, ей надо решить социальные вопросы. Но нет регистрации – не купишь жилье, нет жилья – не получишь регистрацию. Замкнутый круг. Кроме того, людей приглашают на должности, оплата которых – мизерна, да еще порой переселенцы слышат вслед: «Чем вы лучше других, что вам все на блюдечке принести надо?». В Калининградской области проживают около 3–4-х тысяч до сих пор не легализованных граждан с еще советскими паспортами. А Калининград – анклав, окруженный странами–членами ЕС. Как, например, человеку взять в Карабахе или Нахичевани «справку о выбытии», если у него паспорт просрочен, и он из области никуда выехать не может? Зато собакам паспорта дают. Поймите: у нас особая ситуация: мы – как в каменном мешке. Некоторые дети прекрасно знают Европу, но не знают, что такое «большая Россия». Иногда даже можно слышать: «Раньше я жил в России, а потом переехал в Калининград». Виктор Гофман уверен, что в свое время, когда политика помощи Германии российским немцам была более щедрой, в Калининградской области можно было получить землю и нормально обустроить хотя бы одно немецкое поселение. Но в те годы политическая ситуация в России этому не способствовала. Теперь же «отцы города» вроде бы не против поселить у себя трудолюбивых и аккуратных немцев (разумеется, за немецкий же счет), да помощь из Германии с каждым годом становится все меньше и меньше. Так что в вопросах переселения всем – и не только немцам – приходится рассчитывать только на себя. – Зато у нас – золотая молодежь! – радуется Виктор Гофман, провожая молодых немцев Калининградской области в лингвистический лагерь. Он традиционно организуется для активистов МК и проходит в живописнейшем месте Балтийского побережья – на Куршской косе. На этот раз 32-м участникам, вожатым и преподавателям предстояли насыщенные и интересные 11 дней: занятия немецким языком, лаборатории страноведения, краеведения, танцев и даже… йоги. Познакомиться с принципами этого древнего учения пожелала сама молодежь. Лаборатории работали «по записи», так что ребята смогли принять участие в каждой из них. Родителям участников лагеря платить (или доплачивать) за отдых и учебу своих детей необходимости нет: все расходы берет на себя Немецко-русский дом Калининграда. В Калининградской области создана и единая немецкая молодежная организация, которой сейчас руководят три сопредседателя. – Время покажет, кто из них сильнее, – говорит Виктор Гофман. – Мы будем пытаться развивать молодежные обмены. А еще хочется дать им больше самостоятельности – например, в разработке и реализации новых проектов. Возможно, в следующем году наши молодые активисты проведут вместе с представителями других национальностей области спортивную олимпиаду, и тогда лучших из них (а если получится, то и всех участников) мы наградим поездкой по Европе. VI И С Т О РИЯ И К У Л Ь Т У Р А Московская немецкая газета №. 16 (239) Август 2008 Григорий Крошин На фото: работы с выставки Х. ф. Маре На выставке вниманию посетителей предложено в общей сложности около 120 работ Маре из коллекции самого Von der Heydt-Museum (более 20 полотен), а также из собраний Национальной галереи Берлина и Новой пинакотеки Мюнхена, отдельные работы получены для показа на выставке из других музеев и частных собраний Германии и Италии. Удивительно, но до последнего времени имя художника, родившнгося в 1837 году в Эль- «Гребцы» (1873) берфельде (тогдашнем пригороде Вупперталя, а сегодня – его центральном районе) почти ничего не говорило современникам. Сегодня же пресса наперебой комментирует не только сами работы, представленные на нынешней выставке, но и рассказывает любителям искусства о жизни и творческом пути доселе изрядно подзабытого Маре. В частности, о том, что будущий классик свой начальный период обучения живописному мастерству провел в Академии художеств в Берлине, в мастерской известного художника-баталиста и мастера по изображе- С 1873 года и до конца жизни Ханс фон Маре жил и работал в Италии. Сначала – в Неаполе, потом во Флоренции, в Риме. В том же 1873-м вместе со своим другом, скульптором Адольфом фон Хильдебрандом Маре занимался оформлением помещения Зоологической станции в Неаполе, расписывая стены библиотечного зала станции. Объемно и в то же время свободными энергичными мазками изображал Маре мощные фигуры гребцов, выходящих в море на лов рыбы («Гребцы», 1873), женщин в саду, всадника, рвущего апельсины, а в одной «Автопортрет в японском плаще» (1872) из композиций изобразил даже групповой портрет… сотрудников станции. Этот цикл, по единодушному признанию искусствоведов, стал одним из главных созданий художника, вершиной его творчества. Посетители выставки в Вуппертале имеют возможность видеть выполненные маслом масштабные эскизы, графические наброски к росписям Зоологической станции. Больше того, весь комплекс фресок можно увидеть в фильме, специально снятом для демонстрации на вуппертальской выставке. В последний период своей жизни художник увлекся идеями известного немецкого философа и теоретика искусства Конрада Фидлера (1841–1895). Он вошел в так называемый римский кружок, образованный в 1860–1870-х годах немецкими художниками в Италии. Их идейным вдохновителем и стал философ и теоретик искусства Конрад Фидлер, по убеждению которого художник должен не копировать повседневность, а изучать ее, постигая таящиеся в глубине «хаоса действительности» ритм и гармонию, которые составляют суть подлинного искусства. По мнению современников, взгляды Фидлера наилучшим образом воплотил в живописи Ханс фон Маре, ставший к тому времени одним из руководителей кружка. В 1870–1880 годах Маре вместе с К. Фидлером и А. фон Хильдебрандом разрабатывали новое направление в немецком искус- стве – неоидеализм. В этот период Маре в своих работах стремился в аллегорических образах воплотить мечту о «золотом веке» человечества, добивался пластической выразительности и классической композиционной уравновешенности (такова, например, картина «Золотой век», 1879–1885). В центре вуппертальской экспозиции – крупноформатные эскизы, написанные маслом, к тем самым фрескам для Зоологической станции в Неаполе. Впервые выставка приобщает скульптуры его учеников, а также коллег и друзей художника – Адольфа фон Хильдебранда и Артура Фолькманна. Кроме На фото: работы с выставки Х. ф. Маре Во всемирно известном музее Von der Heydt-Museum в Вуппертале открылась выставка Ханса фон Маре (Hans von Marees). Это, по сути дела, первая столь содержательная персональная экспозиция мастера на родине – не считая маленькой выставки, устроенной еще в… 1904 году. нию лошадей Карла Штеффека, под пристальным присмотром которого Маре впоследствии создавал свои ставшие знаменитыми батально-исторические полотна, как, например, «Атака» (1860) и «Отдыхающие кирасиры» (1861–1862). Затем Маре несколько лет работал в Мюнхене, увлекся портретным жанром, создав серию психологически достоверных картин – «Автопортрет» (1862), «Портрет Адольфа фон Хильдебранда» и «Портрет бородатого мужчины» (оба – 1863). Критики особо отмечают мастерство автора в таких оригинальных портретных композициях, как «Автопортрет с Францем Ленбахом» (1863), выполненный в традициях романтизма, где впечатления загадочности художник достигает с помощью точно найденных деталей – в частности, это очки, скрывающие взгляд Ленбаха, и шляпа, затеняющая его лицо. В дальнейшем художник будет обращаться к жанру портрета на протяжении всей своей жизни, создав солидную серию прекрасных работ. «Портрет К. Фидлера» (1879) свидетельствующих о необычайной трудоспособности мастера. Фотографии итальянского периода жизни художника и его непубликовавшиеся письма проливают дополнительный свет на неизвестные стороны сложной биографии художника. В последние годы жизни Ханс фон Маре перестал выставляться и умер практически в безвестности. Это произошло в Риме 5 июня 1887 года. А спустя два года, в 1891-м, его полотна были выставлены на Мюнхенской выставке, и их ценность вдруг стала очевидной. А еще через десять лет, к началу XX века, почти забытый при жизни Маре был провозглашен… велиНа фото: работы с выставки Х. ф. Маре В ЕРНИCAЖИ На фото: работы с выставки Х. ф. Маре Возвращенный классик «Автопортрет с Францем Ленбахом» (1863) того, на выставке мы видим поэтичные пейзажи, полные психологизма портреты и яркие жанровые сценки, сотни рисунков, набросков, черновиков, чайшим немецким художником века предыдущего. По крайней мере, в его родном Вуппертале сегодня в этом абсолютно уверены. K a l e n d e r b l a t t 1 сентября 6 сентября 10 сентября 11 сентября 11 сентября 263 года назад (в 1745 г.) состоялась свадьба наследника русского престола Петра и немецкой принцессы Софии Августы Анхальт-Цербской. Дочь прусского генерала из мелких вла детельных принцев АнгальтЦербст впоследствии стала российс кой императрицей Екатериной II, заняла престол после кончины мужа вследствие дворцового переворота. Период ее правления часто считают «золотым веком» Российской империи. Именно по ее Указу немцы-колонисты стали массово селиться в разных районах страны, прежде всего – в Поволжье. 9 лет назад (в 1999 г.) немецкая фирма «Рургаз-АГ», мини стерство культуры РФ и Государс твенный музей-заповедник «Царское село» подписали соглашение о воссоздании Янтарной комнаты. Работы были завершены в 2003 году. Открытие вновь созданного шедевра стало одним из ключевых в торжествах, посвященных юбилею Cеверной столицы. Комната была создана в XVIII веке немецкими и датскими мастерами для прусского короля Фридриха I. В отделке преимущественно использовался янтарь. 70 лет назад (в 1933 г.) в Гамбурге родился Карл Лагерфельд – немецкий кутюрье, создатель духов и фотограф. В 1955 г. он получил первую премию в конкурсе дизайна пальто, который организовал Международный секретариат шерсти. С 1963 года стал работать сразу с четырьмя домами моды — Chloe, Krizia, Charles Laurdan и Fendi, создавая для каждого абсолютно разные коллекции. В 1974 г. Карл Лагерфельд основал собственную линию – Karl Lagerfeld Impression. В 1979 году он получил приглашение преподавать в Венской высшей школе прикладного искусства. 210 лет назад (в 1798 г.) в Иохимстале родился Франц Эрнст Нейманн – немецкий физик, создатель научной школы, иностранный член-корреспондент Петербургской академии наук. Он учился в Берлине, проявлял большой интерес к минералогии, преподавал в Кёнигсбергском университете, в 1829 году стал профессором, в 1834 году сотрудничал со знаменитым физиком Якоби. 63 года назад (в 1945 г.) родился Франц Беккенбауэр, легендарный немецкий футболист, тренер, чемпион и вице-чемпион мира и Европы. С 1994-го – президент ФК «Бавария», с февраля 2002-го – председатель наблюдательного совета этого футбольного клуба. В 1972-м и 1976 г. был признан лучшим футболистом Европы. В 1974-м в составе сборной Германии стал чемпионом мира. В качестве главного тренера сборной ФРГ выиграл чемпионат мира 1990 г. Календарь подготовила Татьяна Мейснер Р е г и о н ы Г е р ма н и и Московская немецкая газета №. 16 (239) Август 2008 Кёльн: собор, карнавал, одеколон и не только... VII Гитлеру жители этого города бросали цветы… вместе с горшками «Кёльн – добрый, щедрый, веселый город, открытый всему миру и глубоко самобытный не только в суматошной пестроте карнавалов»… Так сказал об этом городе известный правозащитник и германист Лев Копелев. Константин Григорьев, фото автора А начиналось так… Юлия Агриппина, родившаяся на левом берегу Рейна, была правнучкой императора Августа, внучкой полководца Марка Випсания Агриппы, дочерью Агриппины Старшей и полководца Германика и сестрой императора Калигулы. В 49 году н.э. эта решительная женщина вышла замуж за императора Клавдия – родного дядю. Она и заставила мужа основать на месте ее рождения колонию под названием Колония Клаудио Ара Агриппиненсиум. Постепенно от этого названия осталось только слово Колония, превратившееся в нынешний Кёльн. Русский историк-германист Лев Копелев писал о Кёльне: «Возник он 2000 лет тому назад, построен римлянами, воздвигавшими здесь укрепления, пролагавшими дороги на запад, на юг и на север и многие километры водопроводов. Здесь встречались и смешивались кельтские, германские и италийские племена, и разноплеменные римские легионеры, среди которых были представители балканских, малоазиатских и африканских народов… Уже в нашем тысячелетии Кёльн был 73 раза отлучен Папой за своеволье, но всегда находились бесстрашно упрямые священники или монахи, которые в подземных помещениях романских церквей, в криптах, правили службу вопреки папским запретам, крестили, причащали, венчали, отпевали отлученных кёльнцев… Кёльн с 1794-го до 1814 года принадлежал сначала Французской Республике, потом Французской империи. С 1815 года он стал прусским городом, но в 70-е годы XIX века упрямо сопротивлялся имперской унификации Бисмарка, отстаивая свою католическую независимость. Нацисты в свои самые удачливые годы не набирали в Кёльне даже половины голосов, и о Гитлере говорили, что он неохотно приезжает в этот негостеприимный город, где цветы ему бросают вместе с горшками. Первый в федеральной земле Когда поезд преодолевает мост Гогенцоллернов над Рейном и тормозит перед вокзальным перроном, за окном встает каменной громадой, закрывая все другие виды, стена Кёльнского собора. А над бесчисленными рельсовыми путями во всю ширь вокзального ангара светится известная миру виньетка: «4711 ЕСНТ KÖLNISCH WASSER». Так с первой минуты древний город на Рейне открывает путешественнику свои сокровенные символы. Имя Кёльна слышится на всех европейских языках: «о-де- В Средние века кёльнские патриции и богатые купцы приглашали ювелиров, художников, скульпторов из Южной Германии и Франции, из Фландрии и Праги. Они украшали монастыри, храмы, фасады домов, создавали скульптуры и алтари. Но история сохранила нам только одно великое имя: Стефан Лохнер (1410–1451 гг.). Алтари и фрески старинных церквей свидетель ствуют о том, что в своих трудах этот уроженец Констанца был не одинок, и это позволяет говорить о «кёльн ской школе живо писи». Тогда же, в XIV веке, был основан Кёльн ский университет, один из древнейших в Европе. Но к 1388 году город Вид на Кёльнский собор с берегов Рейна. давно уже обладал устоявшейколонь», «кёльнская вода»… ся образовательной традицией Собор, слава и гордость Кёль- благодаря монастырским шкона, высится над старинными лам. Год основания Кёльнского кварталами и виден в городе собора (1248) совпадает с годом отовсюду. Город издревле стоит открытия «высшей школы» на пересечении важных торго- доминиканского, францискансвых путей, что в каждую новую кого и августинского орденов. историческую эпоху обеспечи- В 1388 году в Кёльнском унивало ему стремительный взлет. верситете вели занятия 20 проПо численности населения фессоров, учились 600 человек. Кёльн (1 млн. 20 тыс.) – пер- Теперь студентов здесь в 100 с вый в земле Северный Рейн- лишним раз больше, и это сказыВестфалия и четвертый город в вается на облике города и уровФРГ (после Берлина, Гамбурга и не его культурной жизни. Мюнхена). Количество рабочих мест здесь приближается к 431 тысяче, большинство из них – в сфере услуг, торговле, банковсДостопримечательности Кёльна кой и страховой сферах, в авто- начинаются прямо у вокзальной мобильной промышленности и площади, и первой из них можно станкостроении, в химической, считать само здание Главного электротехнической и фарма- вокзала. Как памятник архитекцевтической промышленности. туры охраняется так называеТолько заводы Ford обеспечи- мый перронный зал, перекрытый вают работой 21 тыс. человек. цилиндрическим сводом (ажурДавнюю традицию имеет фаб- ной конструкцией из металла и рика Stollwerk, выпускающая стекла), сквозь который виден шоколад и другие кондитерс- северный фасад Собора. На кёлькие изделия. Это и крупнейший нский вокзал каждый день прив земле Северный Рейн-Вест- бывает до 1300 поездов. фалия медиа-центр. Из тех, кто Слева от выхода ступени лестзанят в сфере массовых ком- ницы ведут к Кёльнскому собомуникаций ФРГ, каждый 10-й ру. Площадку перед ним называчеловек работает в Кёльне. ют Domplatte. Это одна из самых популярных точек Кёльна. Тут группами и поодиночке гуляют туристы с фотоаппаратами. Старый Домгород (Domstadt) Тут устраивают митинги стона Рейне известен в первую ронники чего-нибудь и борцы очередь как город искусства с чем-то. Гоняют на роликах и и интернациональный город скейт-бордах мальчишки. Воовыставок. Благодаря Кёльн- ружившись цветными мелками скому собору и 12-ти римским и кружкой для монеток, набивцерквям, он считается одним шие руку художники невозмутииз важнейших культурных мо воспроизводят на мостовой центров Германии. Бесцен- «Джоконду» или «Автопортрет» ные находки римской эпохи Рембрандта. Летом 1998 года Кёльн праздсобраны в городских музеях. Строительство и археология новал 750-летие с того дня, когда в Кёльне теснейшим образом архиепископ Конрад фон Хохштавзаимосвязаны. Почти каж- ден заложил первый камень в фундая попытка «рыть в глуби- дамент нового Собора, на строину» оборачивается здесь цен- тельство которого понадобилось… 632 года и 2 месяца! ной находкой. Под сенью Собора Истоки культуры Неисчислимы художественные сокровища храма, обретенные за прошедшие столетия. Его величайшая святыня – мощи Трех Королей-волхвов – хранится в саркофаге, выполненном мастером Николаем из Вердена. Этот золотой саркофаг (длина 2,2 м; высота 1,53 м; ширина 1,1 м; вес 600 кг) – самый большой из подобных ему в Европе, имеет форму трехнефной базилики. Идем по Старому городу Неподалеку от Собора расположены важнейшие музеи Кёльна: Музей прикладного искусства, Городской, Музей шоколада, Музей спорта и Олимпийских игр, Архиепископский музей. А непосредственно с Собором соседствует Римско-германский музей, посвященный наследию римских времен и эпохи переселения народов. Обогнув его слева, видишь Музей Людвига, где представлена солидная коллекция фабриканта Петера Людвига: американский попарт, немецкий экспрессионизм, работы Пикассо, Леже, Клее, Кандинского, Дали. Кёльнская филармония расположена в буквальном смысле слова под Площадью Генриха Бёлля, образующей ее кровлю. Нижняя точка амфитеатра находится глубже уровня Рейна; от воды и грохота автомобилей в туннеле под набережной филармонию защищает двойной бетонный корпус. Между прочим, Рейн весьма строптив: наиболее сильные наводнения Кёльн пережил в 1993-м и 1995 годах, когда уровень воды достиг рекордной за последнее столетие отметки – 10, 26 м, улочки Старого города превратились в каналы… Романская церковь Св. Мар тина выстроена там, где когда-то были римские купальни, потом римские склады и, наконец, монастырь. Но в середине XII века церковь уничтожил пожар, а на ее месте возник нынешний храм. Кукольный «Хеннешен-театр», где представления идут на кёльнском диалекте, находится недалеко отсюда, на Eisenmarkt. На Ostermannplatz находится пивная с самым знаменитым в Кёльне названием – Päffgen. Многие кёльнцы считают лучшим сортом «Кёльш». Это пиво продается только в розлив. Готическую башню Ратуши, которая была самым высоким сооружением города до завершения в 1880 году Собора, украшают 124 фигуры людей, связанных с историей Кёльна, – курфюрсты и правители, политики, ученые и так далее. Среди них – архиепископ Хильдебольд, Карл Маркс, Конрад Аденауэр, Генрих Бёлль и другие. Но выше всех располагаются, конечно, Три Короля и святые покровители города. Прежде со второго яруса башни бургомистр оповещал граждан о решениях Совета. Теперь он появляется на площади раз в год, ровно в 11 часов 11 минут 11 ноября, в день начала знаменитого кёльнского Карнавала… От средневекового еврейского квартала, очертания которого выложены на площади цвет- Городские ворота. ным булыжником, сохранилась только ритуальная купальня – Миква. Под стеклянной пирамидой винтовая лестница ведет на 16-метровую глубину. Рядом расположено новое здание Музея Вальрафа-Рихарца, представляющего живопись XIII–XIX вв., скульптуру и графику XIX в.; в коллекции – работы Стефана Лохнера и его школы, картины Кранаха Старшего, Дюрера, Рубенса, Ван Дейка, Рембрандта и др. А за площадью Ноймаркт виден могучий силуэт романской церкви Св. Апостолов. Рядом – памятник Конраду Аденауэру, первому бургомистру Кёльна и первому послевоенному канцлеру ФРГ. «Кёльнское чудо»… Еще несколько шагов вперед, и перед нами – самое мрачное из мемориальных мест Кёльна — «Эль-Де-Хаус», куда в 1935 году вселилось кёльнское гестапо. В подвалах устроили камеры, где содержали до 33 заключенных, а во дворе – братскую могилу. Постоянная выставка посвящена теме «Кёльн во времена национал-социализма». Напомним: за годы Второй мировой войны в бомбежках погибли 20 тыс. кёльнцев и столько же на фронтах; 7100 евреев были уничтожены в конц лагерях. Когда 6 марта 1945-го в Кёльн вошли американцы, он был разрушен почти на 90 процентов. Но кёльнцы, возвращаясь к руинам своих жилищ, взялись за дело с немыслимым рвением, совершив то, что вошло в историю Германии под названием «кёльнское чудо»: по историческим чертежам и планам были заново отстроены целые кварталы у Рейна. Восстановление Кёльна заняло более 20 лет и было завершено к 1970 году, а 1985-й объявили «годом романских церквей» – именно тогда двенадцать знаменитых храмов засияли, наконец, прежней красотой. VIII Д О С У Г Московская немецкая газета №. 16 (239) Август 2008 Письма оттуда Радость общения и всерьез Привет тебе, Василий! Какое же это счастье, что мы с тобой общаемся, верно? Хотя, может, для тебя это – пустяки, а мне-то отсюда ох как важно! Двумя русскими словами с нормальным другом переброситься иногда просто невтерпеж. Хотя, конечно, есть и тут укромные русскоязычные места, не без этого. Вот на днях в одном тутошнем явно торговом заведении-продмаге-супермаркете, куда охотно приходят наши люди, картинку наблюдал. Никто вроде ничего не покупает, то есть процесса «товарденьги-товар» как такового не наблюдается, а очередь к прилавку грудится, да еще легкие и непринужденные беседы друг с другом и с продавщицей без толку ведет. Ну, я, терпел все это, но спеша, как всегда, куда-то и видя, что очередь – как та подмосковная речка у Соловьева-Седого: «движется и не движется», неназойливо так намекаю громко продавщице (ну, чтоб не враз ее женское достоинство тупостью своей оскорбить): – Извините, говорю, а выручкато у вас какая-никакая тоже бывает? Минут двадцать уж прошло, а... не похоже как-то, чтоб кто чего ценного купил у вас... Она же, наша закаленная труженица прилавка, совсем не обиделась на мою тупость, терпеливо разжевывает клиенту: – А у нас, дорогой, здесь не прос- Не стал я, Вась, достаивать эту бесцельную очередь, отвел душу куда подальше из магазина в тот раз... Но, как говорят и у нас, и у немцев, «не плюй в колодец…». Через какое-то время и меня прихватило: с утра пораньше поругался с женой Любой, хлопнул ей даже дверью, и – голодный! – стал бесцельно мотаться по городу. А на углу у нас тут как раз знакомый и вполне русский ресторан. Прохожу в хорошо знакомый зал и сажусь за столик к хорошо знакомому официанту Мише. – О, сколько лет, сколько зим! – подбегает ко мне на родном языке знакомый официант Миша, подает меню и подсаживается, хотя ему вроде и не положено. – Мне вроде не положено, но тут такой редкий гость, в кои-то веки!.. Как наши дела? – Есть охота, Миш, – признаюсь я ему как на духу. – Та-ак... Значит, на первое мне... – А что, поссорились с супругой Любой? И очень хорошо! А то прямо тут поболтать не с кем! Все куда-то, черти, спешат, подгоняют, будто официант – не человек. – Не обращайте внимания, Миша, – говорю. – Мне, значит, на первое принесите рассольник «по-нижневартовски», на второе... – Да как же не обращать-то!? Не все ж понимают нас, как вы. И что, тяжелая вышла ссора? Миша придвинулся ближе. – Да нет, не волнуйтесь, из-за ерунды. Просто... я считаю Элизабет Тейлор хорошей актрисой, а жена моя Люба... В общем, как я сказал, рассольник «по-нижневартовски», лангет «по-крыжопольски», со сложным гарниром... – Со сложным? – переспросил Миша. – Хорошо, Миша, не надо со сложным, если вам сложно… Несите с простым. Чтоб вам попроще. И, если можно, – побыстрее, а то уже мутит… – Понято. А жена? – Что жена? – вздрогнул я. – Ах, это... Ну... у нее другое мнение. Она считает, что я вообще бабник. Что для меня любая – талант, лишь бы грудь во весь экран... Да, и еще, пожалуй, томатный сок. Ну, и салатик, конечно. – Конечно! А ей-то, наверное, Тома Круза подавай, не меньше, да?! – Да-да, – сказал я. – Причем, если можно, – с креветками... – И все? – удивился он. – Нет. Еще сказал ей, что не приду сегодня обедать. Вот и зашел к вам... – И очень правильно сделали! – поддержал Миша. – Надо же с кем-то отвести душу по-русски! Он вдруг о чем-то вспомнил, вскочил со стула и скрылся на кухне, а минут через десять появился с кучей блюд на подносе – радостный, словно нес мне спасение от голодной смерти. Однако... раздав все направо и налево, Миша с пустым подносом подсел ко мне. – Заждались? – участливо поинтересовался он. – Да-а, вы совершенно правы, не разбираются у нас еще в киноискусстве. Да вы возьмите хотя бы позднего Антониони! – Поздно, – мрачно пошутил я. – На голодный желудок его не возьмешь. – Ха-ха-ха! А как вам эта его пресловутая некоммуникабельность, а?!.. Его окликнули слева. Криво улыбнувшись мне, Миша умчался. Вернулся быстро, минут через пятнадцать, подав соседям какую-то аппетитную дичь с яблоками. – Извините, что отвлекся... Черти, сбили мысль! Не дадут спокойно с нашим человеком пообщаться от души! Так на чем мы с вами?... Ах да! Так если взять последние ленты Куросавы... – Куропатки!.. – Что?! Я говорю: Куроса... – Куропатки! Конечно, куропатки, – догадался я. – Им там, на соседний столик, вы принесли куропатки с яблоками, да?!! Его окликнули справа... Когда он вернулся, я этого даже не заметил. – Ну, как вам у нас?.. – улыбнулся Миша. – Аллес кляр? – Аллес... Вернее, нет – все, Миша, хватит, – выдавил я из себя. – Рассольник по-..., лангет по-... не надо, бог с ними, пошли они все по-... А вместо сока можно стакан молока. Чтоб вам попроще... – Мо-ло-ка... – Миша глубоко задумался. – По-моему, его нет. Но знаете, для ВАС я найду! Кстати, в одной рецензии писали, что если в фильме все эпитеты и метафоры доведены до гиперболы, то... не помню дальше... Надо поискать эту газету... Я сию минуту! Спустя полчаса он пришел сияющий. Наверное, нашел-таки для меня молоко. – Нашел!!! – обрадовано шепнул он мне, пробегая с подносом мимо, к другим столикам. Рассчитавшись с соседями, он снова склонился надо мной: – Нашел, представьте себе! Конечно, валялась в кармане плаща. Вот! Он положил передо мной измятую газету с рецензией. – У них там, в Голливуде, говорят, на актеров жуткий голод! – У них... голод?! – я посмотрел ему в глаза. – А у нас? Вернее, у вас, здесь – не голод?!.. Рассольник, салат с креветками! Вы случайно не забыли?! – Что вы!? Как же можно! – официант Миша, обиженный, открыл свой блокнот. – И еще лангет. И молоко вместо сока, верно? Все четко. Видите, ничего не забыл, это же моя работа. Вот вам и счет: девять семьдесят. Что-то вы сегодня скромно... Я уплатил ему по счету и, шатаясь от голода, вышел из знакомого и абсолютно русского ресторана. И представь, Вась, я шел и думал, что эта самая Элизабет Тейлор – не такая уж, в сущности, и талантливая, а? И чего я из-за нее полез в бутылку?! Жена Люба, пожалуй, в чем-то права... Ты-то сам, Васёк, как соображаешь? Но… с другой стороны, и этот Миша вроде прав: иногда с кем-то отвести душу, как вот мы с тобой, особенно на чужбине, – очень даже полезно. Для здоровья. Чего и тебе, Василий, желаю. И жена Люба желает, хотя мы с ней пока не разго вариваем, но оба – все еще с приветом… Пока-пока. Гр. Кр. Ответьте, пожалуйста, по-немецки КРОССВОРД cоставила Валентина Васильева По горизонтали: 1. Ясность, четкость. 4. Мудрость. 9. Жанр песни. 10. Обмен. 11. Железный. 12. Дорожка для конькобежцев. 13. Близость. 16. Африканское государство. 18. Защитное голов ное покрытие. 19. Бог любви в греческой мифологии. 22. Мясной продукт. 24. Вьющееся растение. 26. Здание для постановки спектаклей. 29. Сторонник защиты экологии. 30. Обметать край материи. 31. Смесь. 32. Нравиться. 33. Основатель. ä=ae, ü=ue, ö=oe, ß=ss По вертикали: 1. Съедобный плод. 2. Чувство опьянения. 3. Порода дерева. 5. Внутри. 6. Крупное животное. 7. Псевдоним. 8. Надменный человек. 14. Возбудитель болезни. 15. Составная часть, компонент. 16. Воинское звание. 17. Небольшое европейское государство. 20. Движение. 21. Разделяемый. 23. Женское имя. 25. Государство в Азии. 26. Район Берлина. 27. Вид пения. 28. Немецкая фирма – производитель стеклопакетов. Senkrecht: 1. (die) Kastanie. 2. (der) Rausch. 3. (die) Eiche. 5. innen. 6. (der) Hirsch. 7. (der) Tarnname. 8. (der) Snob. 14. (der) Erreger. 15. (das) Element. 16. (der) General. 17. Andorra. 20. (die) Bewegung. 21. trennbar. 23. Stella. 25. Indien. 26. Tegel. 27. (die) Arie. 28. Rehau. И то торгуют. У нас здесь – разгова- в шутку, ривают. Душу отводят то есть. Waagerecht: 1. (die) Klarheit. 4. (die) Weisheit. 9. (das) Chanson. 10. (der) Tausch. 11. eisern. 12. (die) Eisbahn. 13. (die) Naehe. 16. Ghana. 18. (der) Helm. 19. Eros. 22. (die) Wurst. 24. (die) Liane. 26. (das) Theater. 29. (der) Gruene. 30. endeln. 31. (das) Gemisch. 32. gefallen. 33. (der) Gruender. Над выпуском работали редакторы Лариса Худикова и Ольга Силантьева. Корректор русских текстов Марина Лищинская. Адрес редакции: 119 435, Москва, ул. Малая Пироговская, д. 5, оф. 54. E-mail: [email protected] Тел.: +7 (495) 937 65 44, +7 ( 495) 246 94 48. Отпечатано в типографии: ФГУП «Издательский дом «Красная звезда», 123007, Москва, Хорошевское ш., 38 Тел.: +7 (495) 941 21 12 G esellschaft M o s k a u e r D e u t s c h e Z e i t u n g N r. 1 6 ( 2 3 9 ) A u g u s t 2 0 0 8 „Wir müssen Stärke zeigen“ 09 Wie arbeitet die berüchtigte Polizei-Sondereinheit Omon? Ein Ehemaliger gewährt Einblick. Omon ist eine Elite-Einheit des Innenministeriums. Wie schwer ist der Einstieg in die Truppe? Omon ist eine Kampfeinheit, dementsprechend werden die Bewerber ausgewählt: Um den körperlichen Gesundheitstest zu bestehen, müssen sie in Topform sein. Sie müssen auch über bestimmte intellektuelle Fähigkeiten verfügen, es gibt eine psychologische Untersuchung. Bedarf an Kräften gibt es ständig, aber die Personalarbeit ist so erfolgreich, dass wir fast immer voll besetzt sind. Von 100 Bewerbern werden ungefähr 30 genommen. Wer entscheidet sich für den Dienst? Die Motivation ist unterschiedlich. Meistens sind es junge Leute, die gerade ihren Wehrdienst absolviert haben. Leute, die noch keine ganz genaue Vorstellung über ihren weiteren Lebensweg besitzen. Andere haben sozusagen gewisse romantische Vorstellungen, weil bei Omon gekämpft wird und sie im Umgang mit Waffen ausgebildet werden. Auch der große Zusammenhalt der Truppe ist für viele ausschlaggebend. Das gilt besonders für jemanden, der die Armee verlassen hat, aber weiterhin ein mit einem Kollektiv verbundenes Leben führen will. Gibt es auch Kollegen, die keinen Militärdienst absolviert haben? Sehr wenige. Ein Prozent etwa. Wer nicht in der Armee war, wird meistens nicht genommen. Korruption ist alltäglich in Russland. Erleichtert eine finanzielle Zuwendung auch die Aufnahme bei Omon? Ich kann von meiner persönlichen Erfahrung erzählen: Als ich damals die medizinische Untersuchung gemacht habe, stellten die Ärzte leichte Plattfüßigkeit fest und versuchten mir so den Weg zu versperren. In so einer Situation muss man einen Umweg finden. Was kostet ein solcher „Umweg“? Das kommt drauf an, welche Diagnose festgestellt wird. Sie sagten es bereits: Plattfüße. Ich hatte Glück: Ich bin in eine andere Klinik gegangen, dort gab es einen anderen Befund. Was wird in der Ausbildung gelehrt? In erster Linie Disziplin. Man muss gut schießen können und Kampfsportarten beherrschen. Man lernt Zurückhaltung und Verhaltensstrategien bei Massenunruhen. Erhalten Sie während der Ausbildung auch eine politische Prägung? Es gibt keinerlei politischen Aspekt in unserer Arbeit. Bewerber werden nicht nach ihren Ansichten gefragt. Ein Beispiel: Vor den Duma- und den Präsidentschaftswahlen gab es überhaupt keine Wahlwerbung bei Omon, auf die Mitarbeiter wurde kein Druck ausgeübt. Nur zur Abstimmung mussten wir alle gehen. Aber für wen wir stimmen, das war völlig unserem Gewissen überlassen. Wie hoch ist das Gehalt bei Omon? Mein letzter Lohn als Kommandeur waren 23 000 Rubel. Anfänger bekommen etwa 15 000 bis 17 000 Rubel im Monat. Der russischen Armee eilt der traurige Ruf von Gewalt unter Kameraden voraus. Kommt dies auch in Ihrer Spezialeinheit vor? Es ist überall so, dass bestimmte Menschen ein bisschen schikaniert werden. Das passiert jedem in einer Gemeinschaft, in die er nicht passt. So jemand wird dann gezwungen zu gehen. Manchmal ist das härter, manchmal ist es weniger hart. Bei Omon ist es härter als anderswo. Sie prügeln ungeeignete Kandidaten raus? Wir wenden keine Gewalt an. Dafür schlägt Omon auf die politische Opposition ein. Bei den oppositionellen Märschen von Garri Kasparow im vergangenen Jahr waren viele Beobachter schockiert über die Gewalt, die auch vor friedlichen Demonstranten nicht Halt machte. In St. Petersburg wurde ein deutscher Fernsehreporter geschlagen, als er über eine Kundgebung berichtete. Der „Marsch der Unzufriedenen“ von Herrn Kasparow war eine unerlaubte Demonstration. Es war eine politische Aktion, es versammelte sich eine große Menschenmenge, Demonstranten blockierten die Straße. Das war eine Störung für das Leben in der Stadt. Deswegen wurde Omon eingesetzt. Wäre es eine erlaubte Demonstration gewesen, hätte es keine Probleme gegeben. Es gibt auch genehmigte Kundgebungen der Kommunisten, bei denen keine Schwierigkeiten entstehen und Omon nicht eingesetzt wird. Beim „Marsch der Unzufriedenen“ ging es den Organisatoren aber um die Destabilisierung der Situation. Die Aufmerksamkeit der Medien versuchten sie dann für ihre Eigenwerbung auszunutzen. Aber hätte Omon nicht weniger brutal vorgehen können? Hintergrund: Die „Schwarzen Barette“ Markenzeichen von Omon-Angehörigen sind der Tarnanzug und ihre Kopfbedeckung. Umgangssprachlich ist deshalb oft von den „Schwarzen Baretten" die Rede. Die Abkürzung Omon bedeutet übersetzt „Milizbrigade besonderer Bestimmung“, die paramilitärische Polizeitruppe untersteht dem russischen Innenministerium. Omon-Angehörige kommen bei Massen veranstaltungen, Razzien oder dem Objektschutz sensibler Einrichtungen zum Einsatz. Eine speziell ausgebildete Untereinheit übernimmt besonders heikle Aufgaben wie Geiselbefreiungen und Anti-Terror-Kampf. Den Polizisten wird dabei häufig eine unverhältnismäßige Gewaltanwendung vorgeworfen. Aus dem Tschetschenienkrieg sind Menschenrechtsverletzungen der Spezialeinheit überliefert. Omon war auch bei der Befreiung des Moskauer Dubrowka-Theaters im Oktober 2002 beteiligt und spielte eine entscheidende Rolle beim dramatischen Ende der Geiselnahme von Beslan im Jahr 2004. Beide Male starben viele unschuldige Menschen. Foto: Reuters Die Spezialeinheit Omon ist bekannt für ihre Härte. Im vergangenen Jahr fielen die Polizisten in den blau-grauen Kampfanzügen durch ihr HaudraufVorgehen bei Demonstrationen der Opposition auf. Wie aber bewertet ein Omon-Angehöriger dieses Verhalten? Ein ehemaliger Mitarbeiter spricht im MDZ-Interview über Gewalt gegen Demonstranten, Korruption im Arbeitsalltag und das Ansehen der Truppe in der russischen Bevölkerung. Der Mittdreißiger arbeitete acht Jahre lang bei der Spezialeinheit der russischen Miliz, zuletzt befehligte er als Zugkommandeur 36 Polizisten. Vor einiger Zeit hat er Omon verlassen, ist aber weiterhin im Staatsdienst tätig. Er möchte anonym bleiben, denn eigentlich ist es ihm nicht erlaubt, öffentlich über seine Tätigkeit zu berichten. Omon-Polizisten griffen bei einem Oppositionsmarsch im April 2007 in Moskau durch und nahmen Dutzende Aktivisten in Gewahrsam. Unsere Hauptaufgabe ist es, bei Massenveranstaltungen, wie Sport ereignissen, Konzerten oder politischen Kundgebungen keine Störungen zuzulassen. Omon greift nur hart durch, wenn es sich um verbotene Aktionen handelt. In diesen Fällen müssen wir einfach unsere Stärke zeigen, um andere abzuschrecken. Wenn wir zu liberal sind, wird das die Menge als Schwäche verstehen und aktiver werden – und wir scheitern bei der Erfüllung unserer Aufgabe. Ich muss aber sagen, dass niemand einfach so verprügelt wird. Das sind einfach Lügen. Ich kenne diese Bilder in den Medien: Dass ein Mensch auf dem Boden liegt, von Polizisten in den Bus geschleppt wird oder dass jemand geschlagen wird. Die Ausgangssituation wird dabei nicht gezeigt: Oft gibt es Provokationen. Jemand schlägt mir von hinten auf den Kopf oder er hat eine Waffe in der Hand. Haben Sie gesehen, wie Omon-Einheiten ruhig dastehen und geduldig ausharren, obwohl sie bespuckt und mit Eiern beworfen werden? Aber darüber wird nicht berichtet. Sie haben wahrscheinlich selbst schon zugeschlagen. Sicher. Wie fühlt sich das an? Glauben Sie, dass es angenehm ist? Ich bin ein ausgeglichener Mensch und aus dem Alter raus, in dem es vielleicht Spaß macht, sich zu prügeln. Der Zweck ist nicht, jemanden zu erniedrigen, sondern schwere Folgen zu vermeiden. Ich muss noch erwähnen, dass wir bei Massenveranstaltungen keine Waffen mit uns führen. Es wird nur physische Gewalt angewendet. Gibt es jüngere Kollegen, die eine andere Einstellung zu Gewalt haben? Das ist eine Frage der Bewerber auswahl. Wenn die Psychologen einen Fehler gemacht haben, dann kann es passieren, dass so jemand zu Omon kommt. Ja, wahrscheinlich gibt es solche Menschen. Was denken Sie über den KremlKritiker Kasparow? Er ist ein großer Schachspieler. Über seine menschlichen Eigenschaften kann ich nichts sagen. Ich verstehe nicht, was er will: Es ist einfach, die Machthabenden zu kritisieren. Aber was er selbst tun würde, wenn er an der Macht wäre, weiß ich nicht. Was halten Sie von der außerparlamentarischen Opposition? Sie ist schwach. Ich glaube ihnen nicht. Sie verfolgen nur ihre eigenen Ziele: Es geht um die Steigerung ihrer eigenen Bekanntheit. Ihre Popularität hängt davon ab, wie viel über die Bewegung gesprochen wird. Das ist alles reine PR. Wie bewerten Sie die acht Jahre unter Präsident Wladimir Putin? Ich sehe sie positiv. Man muss bedenken, in welchem Zustand sich der Staat befand, als Putin an die Macht gekommen ist und in wel- chem Zustand sich der Staat heute befindet. Es gibt noch immer einige Probleme, die werden sich allerdings mit der Zeit auch lösen lassen. Ist Russland eine Demokratie? Nein. Ich glaube auch nicht an Demokratie. Nur im alten Griechenland gab es eine Demokratie. Der politische Ton unter Dmitrij Medwedew ist sanfter, als er unter Präsident Putin war. Macht sich diese Veränderung auch bei Omon bemerkbar? Es gibt eine Auswirkung auf unsere Arbeit: Jede Führungspersönlichkeit beginnt ihre Tätigkeit damit, Autorität herzustellen. Medwedew will sich durch die Bekämpfung der Korrup tion profilieren. Ein Sprichwort besagt doch, dass der Fisch vom Kopf her stinkt. Medwedew trifft mit seiner Anti-Korruptionskampagne hingegen die unteren Stufen, die ausführenden Mitarbeiter. Deswegen ist die Arbeit für Omon oder die Miliz schwieriger geworden. Wäre es nicht besser, wenn es keine Korruption mehr gäbe? Das ist unmöglich. Korruption gibt es überall: In Amerika, in China, in Russland, auch in Deutschland. Also werden auch Omon-Angehörige bestochen. Ja. Bitte nennen Sie ein Beispiel. Es geschieht meistens bei Festnahmen: Jemand versucht seiner Strafe zu entkommen und bietet Geld an. Das ist genauso wie bei der Verkehrspolizei: Das sind Situationen aus dem täglichen Leben. Was war die höchste Summe, die Sie jemals angenommen haben? Ich habe noch nie etwas angenommen. Ich kann aber sagen, was mir jemand angeboten hat. Gerne. Der höchste Betrag waren 60 000 Rubel. In welcher Situation war das? Bei einer Festnahme wegen Drogenbesitzes. Kamen Sie gar nicht in Versuchung, das Geld anzunehmen? Ich denke in solchen Fällen an meine Familie. Sie ist mir wichtiger, als das Risiko einzugehen, unehrenhaft entlassen zu werden. Natürlich kommt man in Versuchung: 60 000 Rubel sind eine große Summe, vor allem bei meinem niedrigen Lohn. Doch derjenige, der die Bestechung anbietet, kann später gegen den Polizisten, der das Geld angenommen hat, klagen. Wenn ich wüsste, dass ich kein Risiko eingehe, hätte ich das Geld möglicherweise genommen. Aber das Risiko ist hoch. Wir sprechen über Korruption und Gewalt: Können Sie verstehen, dass Omon einen schlechten Ruf hat? Wer sagt das? Es ist von vielen Russen zu hören. Menschen, die das sagen, verstehen die Bedeutung von Omon nicht oder es sind Menschen aus einer bestimmten politischen Richtung, die vielleicht Konfrontationen mit der Einheit hatten und deswegen Kritik üben. Bei großen Menschenmengen kann es ein Gedränge geben und so eine Gefahr für die Menschen entstehen. Wenn wir versuchen diese Mengen auseinander zu treiben, geschieht das zum Schutz der Bevölkerung und nicht zur Abschreckung oder zur Drohung. Man muss das verstehen, um die Arbeit von Omon richtig zu bewerten. Das negative Ansehen in der Bevölkerung stört Sie also nicht? Wer glaubt, dass Omon einen schlechten Ruf hat, ist im Unrecht. Das Gespräch führte Oliver Bilger. 10 RUSSLANDS NACHBARN M o s k a u e r D e u t s c h e Z e i t u n g N r. 1 6 ( 2 3 9 ) A u g u s t 2 0 0 8 Foto: RIA Nowosti „Wer sagt denn, dass der Zerfall der Sowjetunion bereits abgeschlossen ist?“ Georgien wird ohne Abchasien und Südossetien ein besseres Land werden, so wie Serbien ohne das Kosovo – glaubt Nikolaj Slobin Der Ton zwischen dem Westen und Russland verschärft sich immer mehr. Ist diese Konfrontation ratio nal mit den Ereignissen rund um Südossetien erklärbar? Nein, das ist Aktionismus und völlig unproduktiv. Wir erleben eine emotionale Phase der Auseinandersetzung, die davon geprägt ist, dass Rechnungen beglichen werden. Es hat sich viel an Kränkung aufgestaut, und nun wird zurückgeschlagen. Seriöse Politik sieht anders aus. Allerdings bin ich deshalb auch nicht so beunruhigt, als wenn das alles wohlüberlegte Schritte wären. Dieses Drama kann nicht von langer Dauer sein. Das darf es auch nicht, denn dafür ist die Lage im Kaukasus inzwischen viel zu akut. Allen war klar, dass der Status quo in Abchasien und Südossetien nicht ewig so bleiben kann, dass man früher oder später etwas unternehmen muss. Aber man hat sich immer wieder für später entschieden. Jetzt ist zumindest Bewegung in die Statusdiskussion gekommen. Nur sehe ich lediglich Improvisa tion, sonst nichts. Die USA schlagen vor, zur Konstellation zurückzukehren, wie sie vor Kriegsausbruch war, aber das ist unmöglich. Die Europäer wollen erstmal eine Friedenstruppe schicken und dann weitersehen, was auch immer das heißt. Selbst Russland hat im Grunde kein Konzept. Abchasien und Südossetien die Anerkennung zu verweigern, ging nach den jüngsten Entwicklungen nicht. Die beiden Regionen anzuerkennen, ohne sich vorwerfen lassen zu müssen, mit zweierlei Maß zu messen, setzt jedoch die Anerkennung des Kosovo voraus. Dazu hat sich Russland bis heute nicht durchgerungen. Ist die Unabhängigkeit von Abchasien und Südossetien eine tragfähige Lösung? Zumindest macht es aus meiner Sicht keinen Sinn mehr, die territoriale Integrität Georgiens zum Maß aller Dinge zu erheben. Abchasien und Südossetien sind in der Realität schon lange unabhängig von Georgien, ob das nun zum Beispiel die EU anerkennt oder nicht. Auf einem anderen Blatt Papier steht, wie unabhängig eine Provinz wie Südossetien tatsächlich sein kann. In diesen Statusfragen gibt es keine verbindlichen Mechanismen, aber Territorialkonflikte rein aus juristischer Sicht zu bewerten, führt in die Sackgasse. Ich finde, man sollte sie schöpferisch angehen. Recht ist, worauf man sich einigen kann. Es wandelt sich sowieso ständig. Gesetze werden abgeschafft, neue angenommen. Jede Revolution ist ein Angriff auf die geltende Verfassung. Wenn sich alle immer an die Gesetze gehalten hätten, dann würden wir heute noch im Alten Rom leben. Folgt man Ihrer Logik, könnte sich die Landkarte erheblich verändern. In Europa hatten wir 50 Jahre lang eine stabile politische Geografie. Jetzt beobachten wir einen Prozess der Veränderung von Grenzen. Ich als Historiker halte das für ganz normal. Wer sagt denn, dass der Zerfall der Sowjetunion bereits abgeschlossen ist? Ich würde weniger die formale und völkerrechtliche Seite betonen. Gerade die oft willkürlich gezogenen sowjetischen Grenzen für unantastbar zu erklären, erscheint mir eine Dummheit. Aber ist nicht eine Kettenreaktion zu befürchten, wenn separatistische Bestrebungen nachträglich legitimiert werden? Foto: Archiv Der Krieg im Südkaukaus hat die Fronten zwischen Ost und West nachhaltig verhärtet. Entspannung ist nicht in Sicht. Erst schlug das russische Vorgehen in Georgien diplomatische Wellen, nun hat Russland auch noch die Unabhängigkeit von Abchasien und Südossetien anerkannt. Nikolaj Slobin, Direktor der Russland- und Eurasien-Programme am World Security Institute in Washington, spricht im Interview mit MDZ-Redakteur Tino Künzel über Auswege aus der Krise. Mehrere Zehntausend Menschen demonstrierten Mitte August im Zentrum von Abchasiens Hauptstadt Suchumi für die Unabhängigkeit der Provinz. Die Gefahr besteht natürlich. Das erklärt möglicherweise auch die passive Reaktion der GUS-Staaten. Die sind alle noch nicht so gefestigt, als dass ihnen in dieser Hinsicht keine eigenen Probleme drohen. Das gilt im Übrigen sogar für Russland. Georgien hat bereits erklärt, dass es eine Unabhängigkeit seiner abtrünnigen Republiken niemals akzeptieren wird. Für Georgien wäre es hilfreich, sich von Abchasien und Südossetien zu lösen, so wie Serbien von der Unabhängigkeit des Kosovo profitiert, davon bin ich überzeugt. Das öffnet den Weg für eine politische Gesundung und stellt die Nationalisten ins Abseits. Anstatt sich den Kopf zu zerbrechen, wie Zchinwali zurückzuerobern sei, beschäftigt sich die Politik endlich damit, die Lebensverhältnisse zu verbessern. Wir befinden uns im 21. Jahrhundert. Die Frage, wo Menschen leben möchten, wird zunehmend über die Lebensqualität entschieden. Warum wollen denn so viele nach Deutschland? Weil man es dort gut hat. Georgien hätte in Abchasien investieren sollen, hätte Schulen und Kranken- häuser bauen sollen, das wäre der beste Weg gewesen, sich einander anzunähern. Aber man hat vom umgekehrten Ende angefangen und versucht, den Konflikt mit den Mitteln des 19. Jahrhunderts zu lösen. Wie könnte Russland die Beziehungen zu Georgien normalisieren? Der Kreml hat sich viel zu schnell eingeredet, Georgien sei nun feindliches Ausland. Dass daran ein politisches Interesse besteht, verstehe ich natürlich. Feinde zu haben, besonders wenn sie noch dazu schwach sind, ist immer gut. Und Russland behandelt Georgien auch weiterhin als Feind. Unter diesen Umständen kann Georgien gar nicht anders, als wirklich Feind zu sein. Saakaschwili als antirussischer Politiker hat keinen besseren Verbündeten als Russland. Was konkret würden Sie dem Kreml also raten? Russland kann es sich leisten, die Hand auszustrecken und beispielsweise sein Bedauern auszudrücken über die Opfer der georgischen Seite. Es könnte seine Bereitschaft äußern, das bilaterale Verhältnis zu verbessern, ohne Vorbedingungen. Das wäre eine starke Geste. Osteuropäische Länder wie Polen, die Ukraine und die baltischen Staaten haben sich in dem Konflikt eindeutig hinter Georgien gestellt. Wie erklären Sie sich das? Man muss schon festhalten, dass es Georgien war, das Südossetien angegriffen hat. Saakaschwili trägt die Verantwortung für den Tod vieler Zivilisten. In Osteuropa scheinen zahlreiche Politiker zu glauben, dass ihr Wert für den Westen darin besteht, eine antirussische Position einzunehmen. Aber das ist ein Irrtum. Viel wichtiger wäre es, wenn sie zeigen könnten, dass sie mit Russland zu reden verstehen. Zweifelhaftes Rückkehrrecht Die Regierung von Südossetien hat Flüchtlingen aus den georgisch bewohnten Orten der abtrünnigen Provinz die Rückkehr garantiert, einem Zusammenleben aber offenbar bereits die Grundlage entzogen. Bei einem Treffen mit UNO-Flüchtlingskommissar Antonio Guterres in Zchinwali sicherte Präsident Eduard Kokojty zu, dass es keine Diskriminierung der georgischen Minderheit geben werde. Außerdem habe sich Kokojty für die Sicherheit aller Volksgruppen in Südossetien verbürgt, so Guterres vor der Presse. In der russischen Tageszeitung Kommersant war zuvor ein Interview mit Südossetiens Präsidenten erschienen, in dem er erklärte, eine Rückkehr der georgischen Bevölkerung komme nicht in Frage. Das russische Außenministerium bezeichnete diesen Standpunkt als emotionale Überreaktion und verwies auf internationales Recht. Die Komsomolskaja Prawda zitierte derweil den südossetischen Parlamentschef Snaur Gassijew mit den Worten: „Ich weiß, wir haben etwas Scheußliches getan, alle Häuser der Georgier in Brand gesteckt. Aber es gab keinen anderen Weg, den Knoten zu zerschlagen. Wir haben diesen Krieg nicht angefangen.“ tk Unfrei in die Freiheit Drei begnadigte weißrussische Oppositionelle fordern ihre vollständige Rehabilitierung Sie waren die letzten drei politischen Häftlinge in Weißrussland, deren Freilassung der Westen zu einer der Vorbedingungen für eine Normalisierung der Beziehungen zu Minsk erhoben hatte. Mitte August wurden Alexander Kosulin, Sergej Parsjukewitsch und Andrej Kim, die Haftstrafen wegen Protestaktionen gegen die Staatsmacht absaßen, innerhalb weniger Tage von Präsident Alexander Lukaschenko begnadigt. Doch sie gelten nun als vorbestraft – und sind damit nicht wählbar. Noch im Frühjahr hatte Alexan der Lukaschenko in seiner Rede an Parlament und Volk die inhaftierten Oppositionellen der Lächerlichkeit preiszugeben versucht. Es handele sich um „gewöhnliche Randalierer“, die von interessierter Seite zu Helden stilisiert würden. „Sogar einen Namen hat man sich für sie ausgedacht: politische Häftlinge!“ Auf Von Tino Künzel Alexander Kosulin, der im März 2006 bei den Präsidentschaftswahlen gegen ihn angetreten war, ging Lukaschenko besonders ein. Der habe zu Jahresbeginn, als andere Oppositionelle freikamen, sogar ein Angebot zum Erlass der verbleibenden Haftstrafe ausgeschlagen. „Es muss sich ja erst die ganze Welt für ihn einsetzen und der Staatsap- parat in Weißrussland unter diesem Druck zusammenbrechen. Aber braucht dich etwa jemand?“ Nun öffneten sich für Kosulin tatsächlich die Tore der Strafkolonie „Witba-3“. Der frühere Rektor der Weißrussischen Staatsuniversität und spätere Vorsitzende der sozial demokratischen Partei „Gramada“ hat zweieinhalb Jahre in Gefangenschaft verbüßt, unterbrochen nur von drei Tagen Hafturlaub zur Beerdigung seiner Frau Irina. Verurteilt worden war der führende Oppositionelle 2006 wegen Verletzung der öffentlichen Ordnung und Widerstands gegen die Staatsgewalt zu fünfeinhalb Jahren Haft: Er hatte die Präsidentschaftswahlen als gefälscht bezeichnet und eine Demonstration angeführt. Kosulin dankte in Interviews ausdrücklich dem deutschen Botschafter Gebhardt Weiss für seine Vermittlungsbemühungen. Die weißrussischen Behörden hätten im Winter in der Tat eine Freilassung in Aussicht gestellt, falls er mit seiner Familie nach Deutschland ausreise. Doch Kosulin machte klar, dass er Weißrussland nicht zu verlassen gedenkt, und will sich auch politisch weiter betätigen. Da er als Vorbestrafter jedoch nicht für ein Amt kandidieren kann, fordert der 52-Jährige die EU und die USA auf, seine Begnadigung erst dann als Freilassung zu akzeptieren, wenn sie mit einer Rehabilitierung verbunden wird. Eine entsprechende offizielle Erklärung ist in Vorbereitung. Ihr wollen sich auch der 43-jährige Unternehmer und Politiker Sergej Parsjukewitsch und der 22-jährige Jugendaktivist Andrej Kim anschließen, die seit Anfang des Jahres in Haft waren und kurz nach Kosulin begnadigt wurden. Alle drei hatten sich vor Gericht nicht schuldig bekannt. Experten kommentierten die Freilassung der Oppositionellen als ein Signal Lukaschenkos an den Westen. Eine nächste Nagelprobe für die politische Kultur in Weißrussland werden die Parlamentswahlen am 28. September. ZEITGESCHEHEN M o s k a u e r D e u t s c h e Z e i t u n g N r. 1 6 ( 2 3 9 ) A u g u s t 2 0 0 8 „Ausruhen, müde, ausruhen, müde“ 11 72 Medaillen hat Russland bei den Olympischen Spielen in Peking gewonnen. Ist das viel oder wenig? Weder das eine noch das andere, lautet der Tenor in der Heimat: Es ist Ausdruck eines Leistungsniveaus, mit dem sich Russland international als dritte Kraft behauptet, während gleichzeitig der Rückstand auf China und die USA gewachsen ist. Unaufgeregter sind die Russen noch mit keinem Sportgroßereignis umgegangen. Trotzdem werden hinter den Kulissen die Posten neu verteilt. Von Tino Künzel Pierre de Coubertin wird das Credo der Olympischen Spiele zugeschrieben, dem zufolge die Teilnahme wichtiger ist als der Sieg. In Ramsan Kadyrow hat er offenbar keinen Gefolgsmann. Bei der Rückkehr der tschetschenischen Sportler aus Peking wurden sie vom Präsidenten Tschetscheniens auf dem Flughafen von Grosnyj vor einem riesigen Transparent empfangen, das ihn unter den olympischen Ringen und mit dem Schriftzug „Lieber tot als Zweiter sein!“ zeigt. Das ließ für Salamu Meschidow und Artur Biterbijew, die im Judo und Boxen noch nicht einmal die Vorrunde überstanden hatten, geschweige denn Zweite geworden waren, das Schlimmste befürchten, sollte aber wohl eher metaphorisch gemeint sein. Meschidow und Biterbijew bekamen sogar Drei-RaumWohnungen in Grosnyj geschenkt. Das war dann allerdings tatsächlich ein Trostpreis gegen die fürstliche Belohnung für die tschetschenischen Olympiasieger Buwajssar Sajtijew und Islambek Albijew. Kadyrow holte die beiden Ringer in einem Rolls-RoyceCoupé direkt von der Gangway ab und fuhr sie in die Stadt. Sajtijew und Albijew, die zu Ehrenbürgern Tschetscheniens erklärt wurden, erhalten je 500 000 Dollar Siegprämie aus dem so genannten Kadyrow-Fonds und Vier-Raum-Wohnungen in Grosnyj. Obendrauf gibt es 100 000 Euro vom Staat und weitere 500 000 Dollar vom Ehrenvorsitzenden des Ringerverbandes, dem Milliardär Sulejman Kerimow. Dass Olympia aus Sportlern über Nacht Millionäre macht, ist allerdings nicht nur nicht im Sinne des Erfinders, es erscheint auch dem übrigen Russland befremdlich. Ein solcher Geldregen wurde nirgendwo sonst ausgeschüttet, und auch die Staatskasse hatte sich vor Peking schwer getan, ihre Goldprämie auf 100 000 Euro mehr als zu verdoppeln. Schon das galt so manchem als enormer psychologischer Ballast: Vor allem junge Athleten könnten im entscheidenden Moment versagen, wenn dermaßen viel auf dem Spiel steht. Und sie versagten dann tatsächlich reihenweise – warum auch immer. Russland erlebte bei der Olympiade zu Beginn ein Debakel nach dem anderen. Die Schwimmer, die Turner, die Schützen, die Radfahrer, die Gewichtheber – sie holten zusammen nicht eine einzige Goldmedaille. Russland mit seinen fast 500 Olympioniken brauchte lange, bis es in der Medaillenbilanz wenigstens Michael Phelps überholte, Amerikas achtfachen Olympiasieger im Schwimmen. Auch in den populären Ballsportarten war die Ausbeute mit Silber für die Handballerinnen sowie Bronze für Basketballerinnen und Volleyballer bescheiden. Besonders das frühe Aus der Basketballer, immerhin Europameister, hatte niemand eingeplant. Nach einer ersten Woche, in der die Russen quasi nicht teilnahmen, kamen sie dann aber doch aus den Startblöcken. Die russischen Tennis-Damen um Olympiasiegerin Jelena Dementjewa nahmen gleich das gesamte Siegerpodest für sich ein – so etwas war zuletzt vor mehr als hundert Jahren der Fall gewesen. Russlands Ringer sorgten mit sechsmal Gold für Furore, die Kunstturnerinnen und Synchronschwimmerinnen gewannen, was es zu gewinnen gab. Und auch in der prestigeträchtigen Leichtathletik ließen die Russen alle anderen Länder hinter sich, mit Jelena Isinbajewas 5,05-Meter-Raumflug im Stabhochsprung als Krönung – ein neuer Weltrekord. Mit 23 Goldmedaillen überflügelte Russland im Endspurt noch die überraschend starken Briten und belegte wie schon in Athen vor vier Jahren Platz drei in der Nationenwertung. Damals schienen China und die USA jedoch nur eine Nasenlänge voraus, diesmal lagen schon Welten dazwischen. 2004 hatte Russland insgesamt 92 Medaillen gewonnen, 2000 waren es 88 gewesen. In Peking reichte es nur zu 72. Dabei hatte das NOK im Vorfeld „berechnet“, es sollten mindestens 80 sein – und das war noch tiefgestapelt. Russland liebäugelte mit Platz zwei, wollte China überflügeln und musste erkennen, dass man die Konkurrenz gnadenlos unterschätzt hatte. Doch die Reaktion war auffallend gelassen, eine Mischung aus Selbstkritik und Freude auch über kleine Erfolge, die bei der Jagd nach Quantität früher gern übersehen wurden. In der Tageszeitung „Sowjetskij Sport“ sagte Sportminister Vitalij Mutko, das Gesamtergebnis sei die heutige Leistungsgrenze. Es gebe keinen Grund, nun übereinander herzufallen und nach Sündenböcken Foto: RIA Nowosti Russlands Olympiabilanz ist durchwachsen – auch die Einstellung der Sportler wird kritisiert Erfolgreiche russische Olympioniken bei ihrer Rückkehr nach Moskau. zu suchen, eine gründliche Analyse tue freilich Not. In einigen Sportarten müsse dringend etwas passieren. Die „Komsomolskaja Prawda“ zitierte NOK-Chef Leonid Tjagatschew mit den Worten, Russland brauche eine neue Generation von Managern, mit der alten Trainerschule allein käme man nicht weit. Aber auch Zweifel an der nötigen Leistungsbereitschaft der Sportler wurden laut. Giovanni Caprara, ita lienischer Trainer von Russlands Volleyballerinnen, trat nach der Viertelfinal-Niederlage in Peking zurück und nahm kein Blatt vor den Mund: „In Russland höre ich immer nur zwei Worte: ,Ausruhen, müde, ausruhen, müde“. Dabei braucht es das Gegenteil: Arbeiten, arbeiten und nochmal arbeiten. Aber ich kann nicht gegen ganz Russland ankämpfen.“ Andere Fachleute bliesen ins selbe Horn. Doch Konsequenzen dürfte das Abschneiden von Peking vor allem auf höchster Ebene haben. Bereits im Vorfeld deutete sich ein Hauen und Stechen zwischen der Regierungsbehörde Rossport und dem NOK an, das in öffentlichen Anschuldigungen gipfelte. Im „Sport-Express“ wetterte Ex-Eishockey-Star Wjatscheslaw Fetissow als Chef von Rossport nun frustriert gegen „Nichtstuer, Amateure und Phrasendrescher“, die nichts weiter könnten, als sich im Lichte der Erfolge von Sportlern und Trainern zu sonnen und lautstarke Erklärungen abzugeben. Das richtete sich offenbar gegen die NOK-Führung. Für Fetissow war Olympia nach eigener Aussage eine „Lehrstunde“, Doppelstrukturen an der Spitze abzuschaffen. Vermutlich wird Mutko, der seit März im Amt ist, ein Machtwort sprechen. Doch Rossport scheint dabei die kleinste Lobby zu haben. Fetissow war in Peking noch nicht einmal für die Wettkämpfe akkreditiert und schaute sich die Spiele vom Hotelzimmer aus im Fernsehen an. 01 Foto: Florian Willershausen Und doch schöpfen die Menschen wieder Hoffnung. Die Stadt ist fest unter russischer Kontrolle, an jeder Ecke steht ein Schützenpanzer mit schwer bewaffneten Soldaten der 58. russischen Armee. Nur ab und an sind Detonationen in den Bergen zu vernehmen, die letzten hörbaren Zuckungen des Kriegs. Die Russen sagen, es sei die Sprengung von Mienen. Vielleicht werden auch georgische Dörfer zerstört, damit deren Einwohner nicht mehr zurückkom- Rentner Ruslan vor den Trümmern seiner Stadt. men können und die zuletzt regelmäßigen Schießereien mit südossetischen Separatisten aufleben lassen. Die Überlebenden von Zchinwali und russische Soldaten sind sich einig: Die schwere Zerstörung geht auf das Konto der georgischen Armee. „Dort oben hat ein ‚Grad’ gestanden“, sagt Rentner Ruslan und deutet mit dem Arm auf eine grüne Wiese am Horizont, von wo aus die Georgier mit dem Mehrfach-Raketenwerfer mit dem russischen Namen „Hagel“ auf sein jüdisches Viertel geschossen haben. Dann bückt er sich und hebt zum Beweis ein Blechteil auf, das dem Heck einer Rakete ähnlich sieht. Tatsächlich ist der Bezirk völlig zerbombt – anscheinend haben die Angreifer ihre schweren Waffen auf die Delmana-Straße gerichtet und stundenlang draufgeballert. Ruslan und seine Familie sind verschont geblieben, zwei Nachbarn starben. Jetzt lebt er in jener Hälfte seines Hauses, deren Decken noch nicht eingestürzt sind. Wie gut, dass Sommer ist in Südossetien. „Die schwere Zerstörung von Zchinwali ist nicht darauf zurückzuführen, dass die Georgier schlecht geschossen haben“, sagt Anatolij Korobowskij, ein Oberst der russischen Armee. Die Bombardierung hätte psychologische Gründe gehabt: „Solch einen schweren Beschuss hält die menschliche Psyche nicht aus.“ Die Menschen sind gebrochen – und leisteten keinen Widerstand. Doch es bleiben auch Fragen offen: Vertreter der russischen Friedens- truppen, die seit dem letzten Krieg im Jahr 1992 in Südossetien stationiert sind, behaupten, sie hätten keine schweren Waffen zur Verteidigung besessen. Die Georgier griffen zuallererst die Kommandantur auf einem Hügel über der Stadt an – und nahmen die Kaserne trotz heftiger Bombardierungen nicht ein. Die Friedenssoldaten warteten, bis mehr als ein Tag nach Beginn der Attacke die Kampftruppen aus Russland einrückten und die Stadt eroberten. Haben sich die Russen dem Angriff bis dahin bloß mit Kalaschnikow-Gewehren widersetzen können? Offen bleibt auch, ob der erste Schuss von georgischer Seite ausging oder ob Tiflis einen Schusswechsel mit südossetischen Separatisten zum Anlass für den Großangriff nahm. Doch Details und Ursachen kümmern die Menschen von Zchinwali derzeit wenig. Sie haben im Krieg alles verloren – und denken jetzt an den Wiederaufbau. Den übernehmen zunächst Tausende Einsatzkräfte des russischen Katastrophenschutzes. Sie baggern unweit der zerstörten Stadtverwaltung den Boden auf und reparieren die Trinkwasserleitung. Ein Panzer war dort eingebrochen und hatte sie beschädigt. Anderswo rattern Caterpillar-Bagger durch Vorgärten und schieben Trümmer beiseite, aus denen ohnehin kein Haus mehr zu bauen wäre. Auf einzelnen Dächern sitzen Menschen und befestigen notdürftig den Dachstuhl, damit er nicht einbricht. Viele Bewohner packen aber noch Foto: Reuters Alltag in Trümmern Trümmerwüste Zchinwali: Ganze Stadtviertel der Hauptstadt Südossetiens liegen in Schutt und Asche, ausgebrannte Häuserskelette reihen sich aneinander. nicht mit an. Es sind ältere Menschen, die gedankenversunken auf den Straßenbänken sitzen, trauern und klagen. Oder Frauen mittleren Alters, die bei den Helfen Lebensmittel organisieren und nach Hause tragen. Einige der Männer scheinen nach wie vor unter Waffen zu stehen – in Uniformen der Separatisten, die anhand von Sprache und Uniform von den russischen Soldaten unterscheiden lassen. Den Einwohnern von Zchinwali fehlt es nicht nur an Baumaterial, sondern auch an Geld, um die Stadt wieder aufzurichten. Die russische Regierung hat 269 Millionen Euro für den Wiederaufbau versprochen. Die Frage ist nur, ob es bei den Menschen auch ankommt. Seit Jahren zahlt Moskau Entwicklungshilfe an die kremltreue abtrünnige Republik Georgiens. Doch das Geld soll oft in den Taschen des korrupten Regimes um den dubiosen Präsidenten Eduard Kokojty verschwunden sein. Unterdessen sind viele Menschen auf den Straßen, der Alltag kehrt langsam nach Zchinwali zurück. Doch die schrecklichen Erinnerungen an die Nacht zum 8. August werden die Einwohner der Stadt so schnell nicht aus ihren Köpfen vertreiben können. 12 FEUILLETON M o s k a u e r D e u t s c h e Z e i t u n g N r. 1 6 ( 2 3 9 ) A u g u s t 2 0 0 8 Der Preis, ein Mensch zu bleiben Orlando Figes' „Die Flüsterer“ gibt den namenlosen Opfern des stalinistischen Terrors eine Stimme Jelena Bonner wuchs in Leningrad auf. Ihre Eltern sah sie kaum, denn sie widmeten ihre gesamte Zeit der Parteiarbeit. Jelena lebte bei ihrer Großmutter, doch vermisste sie ihre Eltern sehr. Sogar den Sommerurlaub verbrachten sie getrennt. So wie Jelena erging es vielen Kindern von Parteiaktivisten. „Ich wurde schon in frühem Alter dazu angehalten, Unabhängigkeit zu beweisen und alles selbst zu erledigen“, erinnert sich Marxena Karpizkaja, die in Leningrad als Tochter hoher Parteifunktionäre aufwuchs. Die Kollektivierung der Landwirtschaft war ein weiterer tiefgreifender Einschnitt in die jahrhundertealten Gesellschaftsstrukturen Russlands. Sie machte aus den russischen Bauern ein Volk von Nomaden. Ganze Bauernfamilien wurden verhaftet und deportiert, ihre Häuser in Brand gesteckt, Vieh und sonstiges Eigentum zwangskollektiviert. Als Klassenfeind auf dem Land galt der „Kulak“, ein „reicher“ Bauer, in Wirklichkeit waren das meist die fähigsten und tüchtigsten Männer im Dorf. Millionen Menschen wurden entwurzelt und zu Zwangsarbeit in die „Sondersiedlungen“ der Gulags geschickt. Das „Umschmieden“ der Menschen nach ideologischem Bilde stellte alles auf den Kopf. Wer überleben wollte, versuchte, dem Sowjetkult zu huldigen und seine Loyalität dem Staat gegenüber zu beweisen. Das führte zu einem Klima der Denunziation, von der selbst Blutsverwandte nicht verschont blieben. Orlando Figes' Buch „Die Flüsterer“ bildet ein starkes Gegengewicht zum Von Moritz Senarcles de Grancy Optimismus mancher heutiger russischer Lehrbücher über die Sowjetgeschichte, weil es sich am Innenleben gewöhnlicher Familien und Individuen orientiert. Hier sprechen die Opfer, die Verurteilten, die Ermordeten und Geschädigten und ihre Nachkommen, die mit dem Stigma der sowjetfeindlichen Herkunft leben mussten. In ihren Tagebüchern, Korrespondenzen und besonders in den Hunderten Interviews mit Zeitzeugen und ihren Nachfahren, die Figes und seine Mitarbeiter geführt haben, erzählen sie die unendlichen Geschichten ihres Leids und der Gewalt in Stalins Russland. So zeigte Pawlik Morosow, ein fünfzehnjähriger Junge, seinen Vater Trofim, einen fleißigen Bauern, bei der örtlichen Miliz als „Kulaken“ an. Die Sowjetpropaganda stilisierte Pawlik zum mustergültigen Pionier, den bald jedes Kind im Land kannte. Sein Vater Trofim wurde zu Arbeitslager verurteilt und später erschossen. Die Menschen gewöhnten sich an ein Leben wie unter Feinden, die man ständig fürchten müssen. Wurden Verwandte oder Bekannte verhaftet, geriet man selbst in den Verdacht, nicht wachsam genug zu sein oder gar deren „volksfeindliche“ Einstellung zu teilen. Viele hassten das Sowjetsystem heimlich und versuchten zugleich, ihre Ablehnung durch besondere Hingabe an die sowjetische Sache zu überwinden. Doppelleben wurden zur Normalität. In den engen und überfüllten Gemeinschaftswohnungen war die Nähe besonders bedrückend. Der Filmregisseur Rolan Bykow wuchs als Kind in den dreißiger Jahren in einer Foto: Verlag Unter bestimmten Voraussetzungen kann Flüstern zwei Ursachen haben: Furcht vor Repression oder Verrat. In der Geschichte der Sowjetunion wurde den Menschen das Flüstern zur Gewohnheit – aus dem einen sowohl als aus dem anderen Grund. Wie es sich damit im Einzelnen verhielt, versucht das Buch des englischen Historikers Orlando Figes „Die Flüsterer“ aufzuarbeiten. land gesagt. Mit dem „Großen Terror“ wollte er jegliche potenzielle Opposition im Land vernichten, um für den Krieg mit den Faschisten keine Spione und Feinde in den eigenen Reihen fürchten zu müssen. In den beiden Jahren 1937 und 1938 wurden mindestens 681 692 Menschen wegen angeblicher „ St a at s v e r b re chen“ erschossen. Der „Große Terror“ brachte das Sowjetvolk endgültig zum Schweigen. Ein unbedacht geäußertes Wort genügte, um wegen „Volksverbrechen“ zu Lagerhaft oder zum Tod Den Opfern einen Namen geben: Serafima Osemblowski mit durch Erschießen ihren beiden Söhnen. verurteilt zu werGemeinschaftswohnung auf. Er erin- den. Automatisch galt die Familie des nert sich, dass man versucht habe, Verhafteten als mitschuldig, denn jedes Zeichen von Individualität aus- wenn sie ihn nicht angezeigt hatte, zulöschen. Die Enge dieser Lebens- war davon auszugehen, dass sie ihn umstände formte viele Bewohner. unterstützte. Und es konnte jeden Vorsicht, Selbstkontrolle und Anpas- treffen. Aus Furcht vor behördlichem sung waren stets angebracht. Druck, aber auch aus egoistischem Viele Wellen von Massenverhaftun- Streben nach dem persönlichen Vorgen waren bereits über das Land teil leiteten viele Menschen Informagegangen, als schließlich der „Große tionen über Nachbarn und Kollegen Terror“ einsetzte. Im Jahr 1937 war an die Behörden weiter oder arbeiteStalin überzeugt, dass der Sowjetuni- ten als Spitzel in Fabriken und on ein Zweifrontenkrieg mit Hitler- Gemeinschaftswohnungen. Zur deutschland und Japan bevorstand. Rechtfertigung seines Handelns „Unsere Feinde aus den kapitalisti- erklärte ein Betroffener später: „Wir schen Kreisen sind unermüdlich. Sie glaubten, dass wir es tun mussten ... infiltrieren alles“, hatte Stalin schon Alle schrieben ...“ Andere, die von der 1935 dem Schriftsteller Romain Rol- Unschuld ihrer als „Volksfeinde“ ver- hafteten Angehörigen überzeugt waren, vermuteten, dass der NKWDChef Nikolaij Jeschow ohne Stalins Wissen die Verhaftungen zu verantworten habe. Sie schrieben an Stalin: „Es muss sich um einen Irrtum handeln.“ Doch es passierte nichts und dann folgten weitere Verhaftungen und Ächtungen, der Verlust der Wohnung, des Eigentums, der Karriere und der sozialen Kontakte. Im selben Zeitraum wuchs die Zahl der Insassen von Arbeitslagern auf fast zwei Millionen. Die Gulags waren weit mehr als Straflagerkomplexe. Sie gehörten zur Industriewirtschaft der Sowjetunion, dort arbeitete ein Riesenheer von Ingenieuren und Forschern mit der Möglichkeit, beruflich aufzusteigen. Doch das waren Ausnahmen, für die meisten Insassen bedeutete der Gulag Entbehrung, Gewalt und Tod. Die persönlichen Zeugnisse in „Die Flüsterer“ geben ein erschütterndes Bild der Sowjetunion unter Stalin. Figes, dessen Buch „Die Tragödie eines Volkes“ (1998) mittlerweile zu den Standardwerken über die russischen Revolutionen gehört, versucht mit seiner Geschichtsarchäologie, das stalinistische Phänomen über einen langen Zeitraum zu begreifen. Neben der unvorstellbaren Härte der Schicksale dieser Menschen lassen ihre Lebensgeschichten aber auch die große Willenskraft eines Volkes erahnen, das Jahrzehnte in Unterdrückung und individueller Unfreiheit verbracht hat. Auf jeder Seite des Buches ist zu spüren, dass die größte Herausforderung in Stalins Russland darin bestand, Mensch zu bleiben. Wie hoch der Preis ist, den Russland für seinen Weg durch die Geschichte zahlt, muss nach Figes‘ Buch neu bewertet werden. Orlando Figes: „Die Flüsterer: Leben in Stalins Russland“, Berlin Verlag, 2008, 1088 S., 34 Euro. Ein Löffel Teer im Honigfass Boris Saidmans Roman „Hemingway und die toten Vögel” schildert eine jüdische Kindheit in der Sowjetunion Trolleybusse verwandeln sich zu Fleischwölfen mit Trollfiguren auf dem Dach und vom Himmel fallen halberfrorene Vögel, die ein geheimnisvoller jüdischer Onkel mit seinem Atem zum Leben erwecken kann. Der israelische Autor Boris Saidman hat einen sehr persönlichen Roman geschrieben, in dem er an den Ort seiner Kindheit in der Sowjetunion der 60er Jahre zurückkehrt. Von Alexander Heinrich Tal Schani mag nicht Russisch sprechen, auch nicht am Telefon. Der Werbegraphiker aus Tel Aviv schaltet dann die Lautsprecherfunktion an seinem Handy aus und drückt das Ohr fest ans Gehäuse. „Wie eine Blondine mit schwarzer Vergangenheit“ fühlt er sich. So ist es auch diesmal, als ihn ein Anruf der Jewish Agency erreicht, die ihn zu einer Lesereise einlädt, ausgerechnet in jene ukrainische Stadt, in der der kleine Tolik Schnajderman aufwuchs, der Tal war, bevor er mit seinen Eltern aus der Sowjetunion nach Israel auswanderte. Saidmans Romandebüt ist eine Reise in die sowjetische Vergangenheit und mit viel Gespür für Figuren und ihre Sprache, für jüdische und russische Flüche am Küchentisch zum Beispiel, die um Gottes willen „das Haus nicht verlassen dürfen“. Es ist eine Welt, in der sich Trolleybusse zu Fleischwölfen mit Trollfiguren auf dem Dach verwandeln, und ein geheimnisvoller Onkel Vögel retten kann, die vom eisigen Himmel fallen wie Hagelkörner. Saidman tastet sich über den erwachsenen Tal langsam an seine Romanfigur heran, er will dem kleinen Tolik die Hand reichen, ihm ein großer Bruder sein, den dieser nie hatte. Auch seine Großeltern hat er nie kennen gelernt. Sie sind beim Einmarsch der deutschen Truppen im Zweiten Weltkrieg ermordet worden, weil sie Juden waren, und wenn der kleine Tolik nach ihnen fragt, dann fällt der Vater in eisernes Schweigen. Das ändert sich auch später nicht, in Israel, als aus Tolik ein erwachsener Tal geworden ist und nicht mehr fürchtet, dass die Deutschen, die „Fritze“, plötzlich anrücken, um eine „‚Aktion’ oder eine ‚Selektion’ oder weiß der Teufel was für eine andere -tion' “ anzurichten. Das Schicksal der Familie ist immer präsent, auch wenn Tolik es in seiner ganzen Tragweite noch nicht verstehen kann. „Fritz, so sagte man, war der häufigste Name bei ihnen. Sogar ihre Kinder hießen Fritz. Aber wie nur kann man ein Kind Fritz nennen? Sascha ist ein Kinderna- me. Kolja und Mischa. Ljoschka und Pawlik. Aber Fritz? Der Name ist hässlich und fremd, beginnt wie ein Weichtier und endet spitz wie ein Dorn. Rostig und scharf. Fritz-spitz und Blut-spritz.“ Es muss eine einsame Kindheit gewesen sein: Tolik hat kaum Kontakt zu Gleichaltrigen. Auch die Fahrt ins Ferienlager Artek fällt regelmäßig aus. Um dort zu punkten, musste man schon im Fußball gut sein, aber wer war er schon, „ein Bücherwurm, ein Brillenträger“. Noch dazu mit einem Makel, der Schwarz auf Weiß im Pass seines Vaters eingetragen ist, jener „Löffel Teer in einem Fass Honig“, der Tolik schon früh begreiflich macht, dass etwas mit ihm angeblich etwas nicht stimmt. „Nationalität“ steht dort im Pass „Nicht ‚Religion’ – schließlich war die Religion nur ein Rest der dunklen vergangenen Welt, in der man Menschen nach ihrer Religion unterschieden hatte, nach ihrem Glauben und ihrer Rasse, sondern ‚Nationalität’. Und unter dieser Überschrift stand das gewisse Wort. Ein unbequemes Wort – Jewrej, Jude. Punkt. Das war’s. Nicht zu ändern.“ Toliks Bezugspersonen sind die Erwachsenen, der Vater, die Mutter vor allem, oder Rosa, mit ihrem wilden Garten und dem Gutshaus mitten im Zentrum der Stadt, die ihm die Tante ersetzt. Im Bücherzimmer hängt ein Bild, das sich Tolik für seinen Onkel Niuma zusammen fantasiert, Niuma, der Weltbürger, der zwischen Dnjepr und Donau feststeckte, stolzer jüdischer Offizier in der Roten Armee, der aus dem Krieg heimkehrt und der dann im Gulag verschwindet. Später entpuppt sich der Mann auf dem Bild als Ernest Hemingway und mit dieser Enttäuschung wächst bei Tolik die Erkenntnis, dass Niuma wohl nie mehr aus dem Lager irgendwo im Norden zurückkommen wird. Schon mit zehn weiß Tolik die Sprache der Erwachsenen zu deuten, er weiß, was „sitzen“ und was „rauskommen“ bedeutet, er weiß, was „Mischka im Norden“ heißt, was zwar einerseits ein beliebtes Kinderkonfekt, andererseits ein Synonym für den Gulag war. Vor allem aber erfährt Tolik, dass Juden auch im „besten Vaterland der Welt“ keine vollwertigen Bürger sind. „Hemingway und die toten Vögel“ entzaubert fortwährende kindliche Illusionen – und nebenbei auch manch eine Erwachsene über die sowjetische Vergangenheit. Aber diese Illusionen platzen nicht mit lautem Knall, sondern wie Seifenblasen, denen ein verträumter Junge auch dann noch hinterher blickt, wenn er bereits ihren giftigen Geschmack auf den Lippen spürt. „Alle Bürger des Landes sehnten sich nach allem, was westlich aussah, sich westlich anhörte oder westlich roch. Nach allen Symbolen der Dekadenz, deren Bestimmung es war, sehr bald von der Erde zu verschwinden, sobald die Welt aufstehen und das Joch des Kapitalismus von ihren starken Schultern abschütteln würde. Doch bis die Welt aufstehen und abschütteln würde, rannten die Bürger, um möglichst viel von dieser Dekadenz zu riechen und zu schmecken, abzubeißen und zu schlucken.“ Boris Saidman: Hemingway und die toten Vögel. Berlin Verlag, Ber lin 2008, 238 S., 18,90 Euro. Zeichen von oben 13 Moskau, was hast du drunter? Befürchtete Feindseligkeiten gegen Georgier ausgeblieben Russen und Georgier sind nicht nur Nachbarn von Staats wegen, sie leben zum Teil auch tatsächlich Tür an Tür. Bei 30 000 Russen in Tiflis und 100 000 Georgiern in Moskau hat der Krieg um Südossetien deshalb Befürchtungen geweckt, zur Zielscheibe von Aggressionen zu werden. Doch selbst in Moskau, wo Minderheiten von Alltagsgewalt bis zu Behördenschikanen schon alles erlebt haben, ist bisher eher der gegenteilige Effekt eingetreten. Es war eine Gelegenheit, die Trittbrettfahrer nicht ungenutzt verstreichen lassen konnten. Kurz nach Kriegsausbruch im Kaukasus brachte sich die „Bewegung gegen illegale Immigration“ (DPNI) in Erinnerung und regte an, in Russland lebende Georgier in Lagern zu internieren – als Spione und Diversanten. Ihr Eigentum solle nationalisiert werden. Außerdem empfahl DPNIKopf Alexander Below die Dienste seiner Organisation beim Aufspüren illegaler georgischer Immigranten in Moskau. Listen mit Adressen entsprecher Wohnungen, aber auch von Treffpunkten „krimineller Autoritäten“ georgischer Herkunft, würden bereits erstellt. Die Rechtsaußen blieben mit ihrem Versuch des Kriegsgewinnlertums allein. Dennoch nehmen Menschenrechtler die Gefahr einer neuen Welle an Fremdenfeindlichkeit ernst. Bei einer Veranstaltung im Unabhängigen Pressezentrum in Moskau sagte Alla Gerber, Leiterin der Holocaust-Stiftung, sowohl der Von Tino Künzel Staat als auch die Zivilgesellschaft seien gefragt, um rechtzeitig gegenzusteuern. Die Warnungen kommen nicht von ungefähr. Vor zwei Jahren hatte schon weniger gereicht, um Moskau in antigeorgische Hysterie zu versetzen. Nach der Verhaftung von vier georgischen Militärs in Georgien war eine staatliche Kampagne angelaufen, unter der besonders die große georgische Diaspora in der russischen Hauptstadt zu leiden hatte. Die Migrationsbehörde erklärte, unter allen Ausländern in Russland verstießen die Georgier am häufigsten gegen das Gesetz. Nur ein Prozent halte sich legal im Lande auf. Georgische Unternehmer wurden der Wirtschaftskriminalität beschuldigt, Casinos und Restaurants nach Razzien geschlossen. Die Miliz förderte bei Kontrollen reihenweise Gastarbeiter ohne Aufenthaltserlaubnis zu Tage. Deportiert wurden nach Angaben des georgischen Konsulats mehr als 2 000 Menschen, mehrere überlebten die Abschiebung nicht. Feindseligkeiten in der Bevölkerung spielten vor diesem Hintergrund nur eine untergeordnete Rolle. Allerdings sprachen sich in einer Umfrage des Lewada-Instituts 38 Prozent für die Deportation aller Georgier aus, sogar derjenigen, die russische Staatsbürger sind. Diesmal scheinen die staatlichen Stellen im Gegenteil deeskalierend auf die Situation einwirken zu wollen. Präsident Dmitrij Medwedew sprach noch während der Kriegshandlungen bei einem Treffen mit den Chefs der Parlamentsfraktionen davon, dass „nationale Toleranz und Verständigung“ unbedingt gewahrt bleiben müssten. Und bei den Georgiern in Moskau heißt es, offenbar habe die Miliz Instruktionen aus dem Rathaus erhalten, sich betont korrekt zu verhalten. Igor Gwritischwili von der Pressestelle der Union der Georgier in Russland sagt, nennenswerte Vorfälle gebe es bisher nicht: „Das ist keine Wiederholung von 2006.“ Auch die Miliz und der Kongress Nationaler Vereinigungen erklärten, über keine Hinweise auf antigeorgische Übergriffe zu verfügen. Inzwischen haben die georgische und die ossetische Diaspora in Moskau eine gemeinsame Spendensammlung für Opfer des Krieges gestartet. Die Aktion läuft unter dem Dach der Russisch-Orthodoxen Kirche. Der Festkalender für den 861. Stadtgeburtstag am ersten SeptemberWochenende ist eine stattliche Lektüre: Er umfasst 587 Punkte. Nur scheint diesmal etwas mit dem Timing nicht gestimmt zu haben. Bürgermeister Jurij Luschkow, der traditionell mit der Schere durch die Stadt eilt, um rote Bänder zu durchschneiden, wird anno 2008 noch nicht einmal ein klitzekleines Metrostatiönchen einweihen können, geschweige denn ein Objekt vom Schlage Zarizyno, wo im Vorjahr halb Moskau die Augen übergingen. Ein bisschen Eröffnung ist aber doch: Das künftige Fünf-Sterne-Hotel „Moskau“ am Manegeplatz (Foto) macht sich hübsch – und frei. Weil die Außenarbeiten auf der Langzeitbaustelle inzwischen abgeschlossen seien, werde sich das Gebäude erstmals ohne Baugerüste und Umzäunungen präsentieren, sagte Bauamts-Chef Wladimir Ressin. Moskaus zwischenzeitlich größter Werbeträger wird sich damit vermutlich auch der bunten Reklametafeln für Luxusgüter entledigen. Die Moskauer können also einen unverstellten Blick auf die Fassade werfen. Mehr dürfte den meisten auch dann nicht vergönnt sein, wenn der Innenausbau Ende nächsten Jahres beendet sein soll. Das Hotel, dessen Vorgängerbau 2003 abgerissen worden war, wird im ohnehin hochpreislichen Moskau die teuersten Zimmer anbieten. tk Dem Himmel ein Stück näher Nachrichten Es soll Jelena Glinskaja gewesen sein, die Mutter von Iwan dem Schrecklichen, die das Frauenkloster auf dem Iwan-Berg gegründet hat. Damals lag es jenseits der Stadt, oberhalb der Straße nach Wladimir. Heute genügt ein kurzer Spaziergang von der Metrostation Kitaj-Gorod. Das Kloster, benannt nach Johannes dem Täufer, hat eine reiche, widersprüchliche Geschichte. Unter den Zaren und später den Bolschwiken wurde es als Verlies missbraucht, war dann mehr als 80 Jahre geschlossen. Seit dem Jahr 2000 stehen seine Tore wieder offen. Die engagierten Nonnen kämpfen mit den Schatten der Vergangenheit – unterstützt von den deutschen Katholiken. Nur wenige Tage nach dem Tod von Alexander Solschenizyn hat Moskau auf einen Erlass von Präsident Dmitrij Medwedew reagiert, den Namen des Dichters zu verewigen – und dafür sogar das Gesetz gebrochen. Im Stadtbezirk Taganka wurde die Große Kommunistische Straße in Solschenizynskaja umbenannt. Nach geltender Gesetzeslage kommen als Namensgeber nur Personen in Frage, die vor mindestens zehn Jahren gestorben sind. Dem Stadtparlament soll nach dem Sommerurlaub jedoch ein geänderter Gesetzentwurf vorgelegt werden. Das Rathaus nahm die Entscheidung nun bereits vorweg. K u r z Schwester Romana flüstert, obwohl außer uns niemand in der Kirche ist: „Wollen Sie mal hinter den Altar gehen, solange er noch restauriert wird? Wenn erst einmal alles fertig ist, darf da nur noch der Priester hin.“ Die zierliche Nonne klettert über das wackelige Holzgerüst, vorbei an Farbeimern und Leitern. Zu Sowjet zeiten diente das Gotteshaus dem Innenministerium als Archiv. Bis unter die Decke stapelten sich hier Polizeiakten. Die Kirche steht auf dem Gelände des Ioanno-Predtetschenskij-Frauenklosters, das als Iwanowskij-Kloster einst ein Wallfahrtsort der Zaren war. Doch seine rund 500-jährige Geschichte hat auch viele dunkle Seiten. Hinter den Klostermauern verschwanden zahlreiche missliebige Mitglieder der Zarenfamilie bis ans Ende ihrer Tage. So wurde Prinzessin Augusta Tarakanowa, eine Tochter von Zarin Elisabeth, 1785 gezwungenermaßen zur Nonne Dossifeja, weil Katharina die Große eine Konkurrentin in ihr sah. Zur selben Zeit verbüßte Massenmörderin Darja Saltykowa in Einzelhaft eine lebenslange Gefängnisstrafe. Die Gutsherrin hatte innerhalb von sieben Jahren 139 ihrer untergebenen Bauern auf sadistische Weise umgebracht, vor allem Frauen und Mädchen. Dafür wurde sie 1768 zum Tode verurteilt, fristete dann jedoch noch 33 Jahre ein abgeschiedenes Dasein im Kloster. Von Catherine Zanev 1917 zählte das Frauenkloster etwa 300 Bewohnerinnen. Schon ein Jahr später wurde es geschlossen und in Moskaus erstes Konzentrationslager umgewandelt. In seinen Kellern erzählen Einschusslöcher in den Wänden noch heute das Schicksal vieler Insassen. Erst im Jahr 2000 konnte das Kloster offiziell wieder eröffnet werden. Doch die mehr als 20 Nonnen sind bis heute in der Unterzahl. Eine Polizeischule nimmt immer noch drei Viertel des Geländes ein. Nicht alle Nonnen wohnen im Kloster – entweder, weil kein Platz für sie ist oder weil sie noch mit einem Bein im weltlichen Leben stehen. So wie Schwester Nikolaja. Als Archäologin Dr. Natalija Winogradowa leitet sie Ausgrabungen in Tadschikistan – und erfuhr bei einem Archäologie-Kongress in Bayern vor 15 Jahren über einen anderen Teilnehmer von Renovabis. Renovabis ist lateinisch für „Du wirst erneuern“. Dahinter verbirgt sich die Solidaritätsaktion der deutschen Katholiken mit den Menschen in Mittel- und Osteuropa. 1993 von den deutschen Bischöfen gegründet, fördert Renovabis pastorale, soziale und karitative Projekte. Dabei richtet sich die Förderung nicht nur an katholische Gemeinden. Unter der Überschrift der Ökumene werden beispielsweise auch zwei Projekte der rührigen orthodoxen Nonnen Foto: Catheine Zanev Moskaus umtriebigstes Frauenkloster ist die Polizei als ungeliebten Mitbewohner los u n d K n a p p Solschenizyn ist eine Strasse Kunstviertel an der Moskwa Auch das leibliche Wohl kommt nicht zu kurz: Vor dem Eingang zum Frauenkloster in KitajGorod lädt ein Imbiss zur Einkehr ein. aus Moskau unterstützt: der Bau eines Altenheims vor den Toren der Stadt und ein orthodoxes Gymnasium auf dem Klostergelände. Sechsstellige Beträge hat Renovabis dafür zur Verfügung gestellt. Dr. Jörg Basten, Projektreferent für Russland und den Südkaukasus in der Zentrale von Renovabis in Freising bei München, sagt zur Begründung: „Die russische orthodoxe Kirche unterhält wenige soziale Projekte.“ Zudem zeichne sich die Arbeit der Wladimir-Gemeinde durch ein „hohes Maß an Qualität und Professionalität“ aus. Es wirkt tatsächlich sehr professionell, wenn Natalija als Schwester Nikolaja die Homepage des Klosters (www.ioann.org.ru) aktualisiert und dabei per Handy die Bauarbeiten am Altenheim koordiniert. Es gibt viel zu tun zwischen Morgenpredigt und Abendgebet: Die Nonnen betreiben ein kleines Restaurant, eine Bäckerei und eine Schneiderei. Soeben haben die Schwestern nach jahrelangem Ringen eine Einigung mit dem Innenministerium erzielt – die Polizeischule wird weichen. Als Erstes soll ein neues Schwesternhaus gebaut werden. Die Nachfrage sei sehr groß, berichtet Natalija. Immer mehr Frauen würden in das Kloster eintreten wollen. In einer eigenen Werkstatt entstehen schon die Türen und Fenster für den neuen Wohnraum. Was danach folgen wird, das weiß Natalija noch nicht. Aber Ideen gibt es jede Menge. Das Zentralhaus des Künstlers (ZDCh) wird abgerissen. Der 1979 eröffnete modernistische Bau in Nachbarschaft zum Gorki-Park soll einem Kunstvier tel mit verschiedenartiger Bebauung weichen. Darauf haben sich die Stadt und die Betreiber geeinigt. Das ZDCh beherbergt die Filiale der TretjakowGalerie für Kunst des 20. Jahrhunderts. Außerdem stellt es seine Räume für rund 250 Ausstellungen pro Jahr zur Verfügung, darunter Schwergewichte wie „Art Moskwa“, „Arch Moskwa“ und „Non fiction“. Lebensschule am 1. September Zu Beginn des neuen Schuljahres wird in Moskau nicht nur das Lernen, sondern auch das Sein thematisiert. Wie der Radiosender „Echo Moskwy“ berichtete, stehen an allen Schulen am 1. September Unterrichtsstunden in Toleranz auf dem Programm. Motto: „Wir sind verschieden, und das macht uns reich. Wir sind zusammen, und das macht uns stark.“ Foto: Tino Künzel L eben in Moskau M o s k a u e r D e u t s c h e Z e i t u n g N r. 1 6 ( 2 3 9 ) A u g u s t 2 0 0 8 14 F reizeit M o s k a u e r D e u t s c h e Z e i t u n g N r. 1 6 ( 2 3 9 ) A u g u s t 2 0 0 8 WO und WAS in MOSKAU 5 KINO R estaurant B ü hne K onzert M useum Highlights Frisches Blut der Kunst Eine moderne Ausstellung stellt mit „Fresh Blood“ junge herausragende Künstler der russischen und ukrainischen Kunstszene vor. Traditionelle Malarbeiten, kulturelle Abbildungen, Skulpturen aus Plastik, die auf Neonröhren montiert sind, Collagen, spielerischer Umgang mit Zitaten und eine Dokumentation der deutschen Loveparade durch vergrößerte Portäts von Teilnehmern erwarten hier die Besucher. Den ausgestellten Künstlern ist eine neue Sichtweise auf ihre Umwelt und eine eigene Verwendung der Kunstelemente gemein. Durch die ungewöhnliche Arbeitsmethodik präsentieren sie den aktuellen Charakter Russlands und der Ukraine in einem internationalen Kontext. Bis 13. September Diehl+Gallery One Smolenskaja Nabereschnaja 5/13 M. Smolenskaja geöffnet Di.-Sa. 11 bis 19 Uhr Tel.: 244 0248 Fax: 244 0183 www.diehlandgalleryone.com [email protected] Snoop Dogg live Schwarz, düster, kriminell. So muss amerikanischer Gangsta-Rap sein. Die USA-Musiklegende Snoop Dogg erfüllt alle diese Klischees. Der 37-Jährige prägte mit seiner Musik Anfang der 90er Jahre den G-Funk. Schlagzeilen brachten ihm aber auch seine Schwierigkeiten mit der Polizei und seine Gefängnisaufenthalte ein. Trotzdem wurde er im Laufe der Jahre für seine Arbeit vielfach ausgezeichnet und seine Platten bekamen Platin-Status. Neben der Musik ist er Producer, Schauspieler, hat ein eigenes Bekleidungslabel, einen Skateboard-Vertrieb, brachte ein Cadillac-Modell und eine eigene Action-Figur heraus. Nun ist das Multitalent auch in Moskau live zu sehen. 7. September, 21 Uhr Club B1-Maximum Ul. Ordschonikidse 11 M. Leninskij Prospekt Tel.: 648 6777 www.b1club.ru [email protected] Musiktheater mit Burleske Alle Probleme Russlands lassen sich bekanntlich auf zwei zurückführen: Straßen und Idioten. So jedenfalls das geflügelte Wort aus Gogols „Revisor“. In Moskau sollen sich nun die Wege all derer kreuzen, die sich offenherzig mit dem zweiten Problem identifizieren. „Die Weltkonferenz der Narren“, so sei es neutral übersetzt, ist die erste ihrer Art. Mit internationalen Größen wie dem spanischen Anarcho-Clown Leo Bassi, der sich vom klassischen Familienzirkus abwandte, um als „gefährlichster Clown der Welt“ sein Publikum mit skurrilen Aktionen zu unterhalten oder dem russischen KongressInitiator Slawa Polunin mit seiner seit 1993 international bekannten „Slava’s Snowshow“ wollen die Veranstalter Meilensteile in der Auslotung des Humors setzen. Nachdenklich stimmt allerdings, dass Kinder unter zwölf nicht zugelassen sind. Offenbar sind ihre Ansprüche höher als die der Erwachsenen. 4.-15. September Theater „Saz“ Prospekt Wernadskogo 5 M. Universität Tel.: 930 5240 www.teatr-sats.ru www.slavasnowshow.com Brücke der Expressionisten Ernst Ludwig Kirchner, Fritz Bleyl, Erich Heckel und Karl SchmidtRottluff gründeten 1905 die Künstlergemeinschaft „Brücke“, die sich ausschließlich dem Expressionismus widmete. Weitere Künstler wie Otto Müller und Max Pechstein traten der Gruppe bei, die nicht nur eine neue Kunstform des 20. Jahrhunderts schuf, sondern sich auch durch unkonventionelle Lebensweise abhob. 1913 zerfiel diese Gemeinschaft, nachdem viele bekannte Werke geschaffen wurden, die die spätere Kunst- und Filmwelt prägten. Nun präsentiert das Puschkin-Museum zusammen mit dem Berliner Museum „Brücke“ Arbeiten der „Brücke“Mitglieder. Insgesamt 131 Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen und Grafiken der bekannten deutschen Expressionisten können die Besucher bewundern. 6. September – 2. November Design des Alltags Zum zweiten Mal veranstaltet die Galerie Winsawod das internationale Forum für Industriedesign „Design Act“ 2008. Die Besucher können an Veranstaltungen wie „Design Forum“, „Design Market“ und „Design Exhibition“ teilnehmen, bei denen verschiedene Ausrichtungen des Industriedesigns vorgestellt werden. Ausstellungen ungewöhnlicher Designobjekte und ihr Verkauf, Kurse und Diskussionsrunden mit russischen und internationalen Designern erwarten hier die Gäste. Eine kleine Stärkung bietet das „Design Café“ und unterhält mit Lounge-, Funky-, JazzHouseoder NewJazz-Musik. Auf der „Design Party“ am letzten Veranstaltungstag werden neben musikalischer Unterhaltung, Performance und ArtVideo auch die Gewinner des Wettbewerbs bekannt gegeben. 29.-31. August 4er Syromjatnitscheskij Pereulok 1, Gebäude 6 M. Kropotkinskaja Tel.: 917 4646 www.designact.ru www.winzavod.ru [email protected] Puschkin-Museum Ul. Wolchonka 12 M. Kropotkinskaja geöffnet Di.-So. 10 bis 19 Uhr Tel.: 203 7998 oder 203 9578 www.museum.ru/gmii/ [email protected] Kein leeres Geflimmer Kunst ist nicht nur ein Bild in einer Galerie und auch nicht eine Skulptur im Museum. Film und Musik sind ebenfalls Kunst. Und die Stadt mit ihren Häusern, Straßen und Bäumen ist auch Kunst. Das Videoart-Festival „PUSTO“ verbindet diese Sichtweise: Es bringt nun zum siebten Mal die Kunst auf die Straßen Moskaus und erobert leere Flächen dieser durch bunt flimmernde Filmprojektionen. Von Anna Wirz Wer gewohnt ist, Bilder in sau- schon ein unbenutztes Werbeschild beren, schicken Galerien präsen- am Puschkin-Platz und Hauswände tiert zu bekommen, wird sich bei am Lawruschinskij Pereulok, am diesem Festival wundern. Keine Platz des Kulturzentrums ARTHallen, keine Dekoration, noch Strelka oder dem Dach des legennicht mal Räumlichkeiten machen dären Hauses „Dom Kommuny“. die Veranstaltungsplätze hier aus. Sitzplätze sind nicht vorgesehen. Die verschiedenen Videoproduk- Die Zuschauer versammeln sich tionen werden dem Publikum auf und suchen sich auf den Wiesen eine ganz neue Weise vorgeführt. oder sonst wo ein Plätzchen. Die Organisatoren entschieden Dieses Jahr findet das Festival sich, bei dem Festival „PUSTO“, bereits zum siebten Mal statt und wie der Name schon sagt, einfach gilt noch immer als das einzige für leere, verlassene Orte Moskaus. offene Public-Art-Projekt in MosUnd mit großem Erfolg! Gleich bei kau. Versuchte „PUSTO“ die Jahre der Premiere des Festivals 2002 zuvor, ein Teil der Architektur Mosfand das Konzept starke Befürwor- kaus zu sein, so erobert es in diesem tung der Presse. Und 2006 wurde Jahr die Nische des Landschaftses im Bereich „Innovation“ mit der designs und tritt diesmal nicht in Staatsprämie für moderne Kunst den Dialog mit Gebäuden, sondern als das beste Kuratorprojekt ausge- mit Bäumen. Der Veranstaltungsort zeichnet. ist nun die Grünfläche vor dem Dabei versucht das Festival immer Sacharow-Museum am Semljanoj wieder neue Plätze Moskaus zu Wal 57. erschließen und wechselt jedes Das geplante Programm lässt wieJahr seinen Standort. So dienten als der große Erwartungen hegen. Es Projektionsflächen unter anderen nehmen unter anderen am Festival Foto: PUSTO Das Videoart-Festival "PUSTO" erobert verlassene Orte Moskaus Mehr als 7 000 Besucher zählte das Festival im Jahr 2007. russische Künstler, wie Alexandra Mitlanskaja, Elena Kowylina, Xenia Peretruchina und die Gruppen Volga Drive“, „ESCAPE Program“ und „Blauen Nasen“ teil. Der Kurator des „PUSTO“, Dmitrij Bulnygin, zählt mit seinen „Verlorenen Zwillingen“ zu den besten Vorführungen dieses Jahres. Weitere gezeigte Projekte sind „FOTOFOBIE“, „Videos as stars in the sky“, „OUTVIDEO“ und einige Neuerscheinungen. Eine Sonderstellung nehmen die Videos von Jascha Kaschdan ein. Alle seine gezeigten Arbeiten wur- den große Erfolge des Festivals in den Jahren ihrer Teilnahme. Gleichzeitig bietet Kaschdan für die Zuschauer von „PUSTO“ eine Führung durch seine Ausstellung „223°C“, die in den Räumen der „Surab“-Galerie stattfindet. Treffpunkt für Interessierte ist am 30. August um 17 Uhr der Twerskoj Bulwar 9 in der Galerie. „PUSTO“ versucht in seinen Vorführungen stets auch eine Präsentation eines bestimmten Gebietes. Dieses Jahr taucht das Festival in die Welt der usbekischen Videoart ab. Auch internationale Künstler aus Frankreich und Amerika sind dabei. Deutschland ist durch das Programm der Experimental-Videoclips von 2003 bis 2007 unter dem Namen „Zur Rettung der Popkultur“ ebenfalls vertreten. Wie bereits die Jahre zuvor, unterstützt das GoetheInstitut die Veranstaltung. Seinen Abschluss findet „PUSTO“ in der GazGallery am 31. August. Neben den audio-visuellen und poetischen Projekten „Multimediales Schattentheater“ und „Wie man schaut“ wird auch diesmal als Sahnehäubchen eine Sammlung der Clips „Verbotene Früchte“ vorgeführt, die durch dank ihres pikanten Inhalts nicht open air vorgeführt werden können. 7. Videoart-Festival „PUSTO“ 28. – 30. August, 20 bis 22 Uhr Semljanoj Wal 57, Gebäude 6 Vor dem Sacharow-Museum M. Kurskaja, Taganskaja Abschluss des Festivals „PUSTO“ 31. August, 20 Uhr GazGallery, Nischnij Sussalnyj Pereulok 5, Gebäude 3a M. Kurskaja www.gazgallery.com F reizeit M o s k a u e r D e u t s c h e Z e i t u n g N r. 1 6 ( 2 3 9 ) A u g u s t 2 0 0 8 Hoch hinaus Eine Künstleroase feiert Von Anna Wirz Die weiße runde Kugel mit dem kleinen Korb schwebt langsam in die Höhe. Sanft gleitet sie an einem Stahlseil befestigt hoch über Moskau und offenbart den staunenden Passagieren die Stadt aus einer neuen Sicht. Der Fernsehturm, das Monument des Kosmonautenmuseums, das Ausstellungsgelände WWZ – alles sieht ganz nah und gleichzeitig ganz fern aus. Bis zu 18 Insassen gleichzeitig kann der Ballon „Aerolift“ diese Welt aus der Vogelperspektive von 150 Metern präsentieren. Somit bietet die seit 2002 betriebene Attraktion die derzeit höchste mögliche öffentlich zugängige Aussicht auf die Stadt. Dabei ist für die Sicherheit stets gesorgt, denn der Flug wird nur bei gutem Wetter und bei Windstille durchgeführt, damit der Ballon nicht abtreiben kann. Gesteuert wird das Fluggerät von ausgebildeten Piloten, die den Ballon bei einem Reißen des Seiles sicher landen können. Der Ballon selbst ist Foto: RosAeroSystems aus stabilem Kunststoff gefertigt. Gefüllt ist er mit nicht brennbarem Helium-Gas. Die Sicherheit des Aerolifts wurde auch durch Zertifizierungen von der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA) und dem Internationalen Flugkomitee (IAC) bestätigt. Während der Sommersaison gönnen sich 30 000 Besucher den zwölfminütigen Flug. Eine spezielle Einund Ausstiegsvorrichtung macht das Erlebnis noch komfortabler. Erwachsene zahlen 450 Rubel für die Fahrt und für die Kinder kostet sie 300 Rubel. Ein vorheriges Anrufen ist empfehlenswert, da der Flug vom Wetter abhängig ist. Aerolift M. WDNCh Neben dem Kosmonautenmuseum Tel.: 8 901 517 4877 Foto: FAQ Café Vier ungewöhnliche Räume für kreative Menschen Mit dem Ballon über Moskau schweben Hochhäuser, überfüllte Straßen, Autos und Menschen, Parks. Moskau ist aus der Vogelperspektive wie ein großer Ameisenhaufen: interessant und voller Bewegung. Schade, dass die Menschen nicht einfach hochfliegen und diese Aussicht genießen können. Ein Blick aus der Höhe ist aber trotzdem möglich - mit dem Ballon „Aerolift“. 15 In jedem noch so pragmatisch orientierten Menschen schlummert ein Künstler. Und Künstler brauchen ein besonderes Ambiente, um ihre strapazierten Nerven zu regenerieren und neue Ideen zu schöpfen. Die MDZ stellt einen solchen Ort vor. Von Katharina Esau Das „FAQ Café“ feiert am 30. August seinen vierten Geburtstag und lädt alle seine Freunde und die, die es werden wollen, zu einer großen Feier ein. Der Internetauftritt des Cafés verspricht einen Ort, an dem Menschen, die auf irgendeine Weise künstlerisch aktiv sind, zusammen treffen. Sie können dort singen, malen, dichten, schreiben, Spiele spielen, Ideen austauschen oder einfach nur nachdenken. Der kreative Gast ist König und soll alles tun können, was ihm in den Sinn kommt, solange es die anderen Gäste nicht störrt. Der erste Eindruck, den das „FAQ Café“ vermittelt, täuscht. Die Tür ist unscheinbar und auch die schmale, steile Treppe wahrscheinlich nicht das, was ein Gast vorher erwartet. Der erste Raum: schon besser. Er erinnert an einen stilvollen Steinkeller mit gewölbter Decke. Was sofort auffällt, sind die Gäste. Es scheint, als sei keiner wie der andere. Ein interessantes Publikum. Das nächste Zimmer ist noch viel einladender. Die Decke: in einem leichten Gelbton getüncht, Kissen und ein Hochbett im „Schlafzimmer“ des „FAQ Cafés" laden zum Ausruhen ein. viele bunte Kissen auf bunten Sofas. Der Blick wandert. Schließlich durchwandert er alle vier Räume, die das Café bietet. Das Gesamtbild erinnert an ein riesiges bewohntes Appartement. Nicht umsonst hat jedes Zimmer einen Namen: Gästezimmer, Kinderstube, Schlafzimmer und Bibliothek. Jedes ist seinem Namen entsprechend eingerichtet. Das Schlafzimmer hat mit seiner komplett bemalten Decke das interessanteste Design. In der Ecke thront ein Hochbett. Das Menü ist vielfältig und die Preise halten sich im Rahmen des Erträglichen. Abends lassen sich die Organisatoren des Cafés viel einfallen, um für Abwechslung zu sorgen. Besonders am Wochenende finden verschie- dene Veranstaltungen statt. Sänger, DJs, teilweise bekannte Bands und andere Künstler sorgen für Stimmung. Auch Kinoabende finden statt. Seinen ganz eigenen Film will das „FAQ“ an seinem Geburtstag drehen. Es ruft die Gäste dazu auf, sich an diesem Tag zu verkleiden, um alte russische Filme wie „Brilliantowaja Ruka“ nachzuspielen. Der Eintritt beträgt 500 Rubel inklusive Snacks und einer großen Überraschung, die noch nicht verraten wird. FAQ Café Gasetnyj Pereulok 9, Gebäude 2 M. Ochotnyj Rjad Tel.: 629 0827 www.faqcafe.ru, [email protected] Restaurant Chamowniki Russische und europäische Küche Tanzboden, jeden Abend Livemusik, Unterhaltungsprogramm am Wochenende Business-Menü Veranstaltung von Banketten und Kinderfesten M. Park Kultury Ul. Lwa Tolstogo 23, Geb. 3 (495) 248 39 31, 248 37 41 www.hamovniki-beer.ru Alchimik q Restaurant r R rskij Club“ „Ryza t n ra ussichtsplattform „W tau he der A em Panorama auf orobjow s Mos e Nä schön y er nder d russische Küche, ausges kau Gor y d u “ n u ch in t w che u e, Bildergalerie, Somme te Wei m i g is u ä r r nk te m or amin VeranstaVlteurn angsvtaorrasse arte e Parkplatz ntuFe G ei K achter l r ngsten D erw Ul. Kossygina 28 vo b n Ü (495) 930 0726. www.rytclub.ru Eingelegte Speisen aus Europa, Gerichte aus dem Tandori-Ofen, köstliche Desserts und der Genuss eleganter Wasserpfeifen – all das erfreut Sie im Restaurant Alchimik! Ul. Pokrowka, 43-2 Tel.: 495 644 49 29 [email protected] q r 16 L etzte S eite Rad und Staat Tscherepowez Dubna Nowosibirsk H i n ter l a n d M o s k a u e r D e u t s c h e Z e i t u n g N r. 1 6 ( 2 3 9 ) A u g u s t 2 0 0 8 Ganz grosses Kino Nowosibirsk. Ein 34-jähriger Moskauer hat in Nowosibirsk mit schauspielerischem Talent die Frau fürs Leben gesucht. Er gab sich als Chef eines Kinostudios aus und lud per Flyer „junge Damen mit Modellmaßen“ zu einem Casting ins Hotel „Sibir“ ein. Die Hoffnung auf eine Filmkarriere ließ die Kandidatinnen zum vereinbarten Termin förmlich Schlange stehen. 46 Frauen zwischen 18 und 25 Jahren füllten Fragebögen zu ihren persönlichen Vorlieben aus, ließen sich fotografieren und spielten kurze Szenen. Mit einigen führte der falsche Kinodirektor Vier-Augen-Gespräche, verabredete Treffen im Café oder Spritztouren in den Altai. Als eine der Auserwählten in Begleitung der Polizei erschien, flog der Schwindel auf. Der Moskauer entpuppte sich als Fotograf, der bei seinen Eltern Urlaub machte. Strafbar fanden die Beamten seine Scharade nicht. Dubna. Der russische Innenminister Raschid Nurgalijew hat mit einem eigenwilligen Plädoyer für das Radfahren ausgerechnet die Radfahrer gegen sich aufgebracht. In Dubna, einer radfreundlichen Kleinstadt nördlich von Moskau, warb er bei der Eröffnung eines neuen Gebäudes der Verkehrspolizei auch für den nichtmotorisierten Verkehr. „In manch europäischem Land sitzt fast die Hälfte aller Verkehrsteilnehmer im Sattel. Das ist gut für die Umwelt und also auch für die Menschen", trat der Minister verbal in die Pedale. Dann schaltete er einen Gang höher. Im Ausland seien nach seinen Beobachtungen an den Fahrrädern Kennzeichen befestigt, nahm der Monolog eine amtstypische Wendung. Nurgalijew schloss eine Meldepflicht auch in Russland nicht aus. Damit erntete er bissige Reaktionen in Internetforen und -blogs. Während die einen ulkten, eine behördliche Regulierung des Radverkehrs bedeute vermutlich radelnde Beamte mit Blaulicht und eingebauter Vorfahrt, spotteten andere, bald müssten wahrscheinlich auch Skateboards und Inlineskates von der Polizei abgenommen werden. Obdachlose wohnen denkmalgeschützt Tscherepowez. Mit dem Kauf eines verwahrlosten Holzhauses im nordrussischen Tscherepowez hatte eine Moskauer Unternehmerin kein Glück. Die einstöckige Baracke war früher Sitz der örtlichen Parteiorganisation der Kommunisten, seitdem steht sie leer und bot zuletzt Landstreichern ein Dach über dem Kopf, was in drei Bränden und einem Mord endete. Bei einer Auktion wurde die Immobilie von der Stadt abgestoßen und von der Moskauerin Irina Baskakowa erworben, die heute versichert, von Denkmalschutzauflagen nichts gewusst zu haben. Als durchsickerte, sie wolle an der Stelle einen Büroneubau errichten lassen, stellte sich das städtische Komitee für das Geschichts- und Kulturerbe quer: Das mehr als einhundert Jahre alte Holzhaus sei von historischem Wert und ein Abriss damit ausgeschlossen. Die Geschäftsfrau kapitulierte und will den Besitz nun ihrerseits verkaufen. In Tscherepowez, das als Industriestadt vor allem Nachkriegsbebauung aufweist, gehen nur rund 20 Gebäude auf das Ende des 19. und den Anfang des 20. Jahrhunderts zurück. Die meisten sind Privateigentum, der Rest soll bis zum 1. Januar 2009 von der Stadt versteigert werden. Die Nachfrage ist gering. Moskauer Sechskampf P Moskau lanet Von Alexander Heinrich Während die Athleten ihre Körper in Peking zu immer neuen Höchstleistungen antreiben, misst man in Moskau ganz andere Kräfte: Der Herbst naht, die Stadt füllt sich, und Tausende von Zugezogenen suchen nach einer Bleibe in der chronisch überfüllten Stadt. Wohnungssuche in Moskau ist moderner Fünfkampf. Oder besser Sechskampf, denn hier gibt es noch eine zusätzliche Disziplin: Der Kampf gegen die Tränen. Meist bleibt den Neuankömmlingen gar nichts anderes übrig, als vorläufig mit einer älteren Dame Dach und Tisch zu teilen. Und das heißt: Zwischen DDT-Postern und Spielzeuglokomotiven ihres Sohnes aufzuwachen, der mittlerweile den Kinderschuhen entwachsen ist und in London arbeitet, manchmal allerdings zu Besuch kommt und dann das Bett in Anspruch nimmt. Manche dieser Herbergsdamen beginnen nach einiger Zeit, den Gast zu kritisieren und äußern merkwürdige Wünsche, zum Beispiel jenen, dass man die Pantoffeln stets mit den Spitzen zur Wand stellen solle und nicht mit den Nachbarn zu sprechen habe. Im Zweifel wählen jüngere Expats deshalb lieber die Wohngemeinschaft. Das mag auch damit zu tun haben, dass sie auf diesem umkämpften Markt gewisse Vorteile haben. Der Ladenhüter auf dem Moskauer WG-Markt ist nämlich russisch und männlich. Russische WG-Män- ner stehen im zweifelhaften Ruf, in Geschirrhandtücher zu schnauben, zu nachtschlafender Zeit als schnaufendes Ungeheuer durch die Wohnung zu poltern und eine Spur der Verwüstung hinter sich zu ziehen – wobei sich die MDZ ausdrücklich nicht mit diesen Vorurteilen gemein machen will! WGs sind der Keim, in dem der Gedanke der Völkerverständigung gedeihlich sprießen kann. Sie sind eine Art UN-Sicherheitsrat im Kleinen. Jahrhundertelang haben sich die Europäer gegenseitig mit Kriegen überzogen – bis sie endlich auf den Flitz kamen, den Nachwuchs ins Auslandssemester und in Wohngemeinschaften zu schicken. Wer in Rom oder Warschau mit dem französischen Mitbewohner Socken und Schlüpfer aufhängt, wird beim nächsten Konflikt wohl kaum mit schwerem Geschütz ins Nachbarland einfallen. Wenn Russen stets darauf pochen, sich vom Rest der Welt unverstanden zu fühlen, dann sollten sie mehr WGs gründen. Moskau könnte mit einem großen Investitionsprogramm ein Vorreiter sein. Die MDZ-Redakteure wissen aus eigener Erfahrung, worauf es ankommt: Sanierter Altbau in ruhiger Lage in fünf Gehminuten zur nächsten Metrostation am Ring, Balkon mit Blick ins Grüne, gerne auch Kremlblick, und das Ganze natürlich zu moderaten Preisen. Entsprechende Angebote leiten Sie bitte gern vertrauensvoll an diese Zeitung.