Das Reduktionsverhalten von Pentacarbonylpyridin

Transcription

Das Reduktionsverhalten von Pentacarbonylpyridin
Das Reduktionsverhalten von Pentacarbonylpyridin-Komplexen
des Chroms, Molybdäns und Wolframs
The Reduction Behaviour of Pentacarbonylpyridinechromium, -molybdenum and
-tungsten Complexes
Wolfgang Kaim*
Institut für A norganische Chemie der U niversität,
N iederurseler H ang, D -6000 Frankfurt am Main 50
Z . N aturforsch. 3 9 b , 801 —807 (1 9 8 4 ); eingegangen am 30. Jan u ar 1983
C arbonyl C om plexes, Electrochem istry, E S R Spectra, M olecular O rbitals, Substituent E ffects
The reduction of group V IB metal pentacarbonyl com plexes and of iodom ethylates o f 4trimethylsilyl-, 4-acetyl- and 4-cyanopyridine has been investigated. Inform ations on the dissocia­
tion o f the com plexes and on the potential and reversibility of the one-electron reduction were
obtained by cyclic voltam m etry in D M F, w hereas electron spin resonance (E S R ) studies of the
prim ary reduction products in the 4-acetylpyridine series revealed the distribution of the unpaired
electron. The results suggest that the lowest unoccupied m olecular orbital (L U M O ) is a ligand
cen tered ;r*-orbital in the 4-acetyl- and 4-cyanopyridine com plexes, thus confirm ing assignm ents
from photochem istry. The results allow an assessment of both N -coordination and substituent
effects at the heterocyclic ligand.
Einleitung
Die Photochemie von d6-Metallkomplexen mit
elektronenarmen Stickstoffliganden wird seit einigen
Jahren intensiv untersucht [1, 2]. Viele dieser V er­
bindungen zeichnen sich durch niedrig liegende
Elektronenübergänge mit MLCT-(Metal-to-Ligand
Charge Transfer)-Charakter aus, d. h. niedrig liegen­
de angeregte Zustände kommen durch den Ü ber­
gang eines Elektrons von einem Metall-zentrierten
besetzten Molekülorbital (M O) in ein Ligand-zentriertes unbesetztes M O, meist ein ;r*-Niveau, zu­
stande (1, A ). Bei geringer Photolabilität sind derar­
tige Komplexe für lichtinduzierte ElektrontransferProzesse wie etwa die Wasserphotolyse von Interesse
[3]e
4
1
LUMO
----
\
\
+
HOMO —
}|—
L ig a n d - z e n tr i e r t
M e ta ll-z e n trie rt
-H-H -
-HHH
MLCT
Red u kt io n
(A )
(B)
* Sond erd ru ckanford eru ngen an D r. W . K aim .
0 3 4 0 -5 0 8 7 / 8 4 / 0 6 0 0 -0 8 0 1 / $ 01.00/0
Komplementär zum photochemischen Prozeß A
(H O M O -LUM O-Übergang) sind Redoxreaktionen,
hier die Einlagerung eines zusätzlichen Elektrons in
den Komplex (1, B ). Durch elektrochemische Mes­
sungen lassen sich Informationen über Energie (Po­
tentiale) und Reaktivität (Reversibilität) bei der
Elektronenaufnahme gewinnen, für den Fall ausrei­
chender Stabilität können die paramagnetischen
Einelektronen-Reduktionsprodukte, die KomplexRadikalanionen,
durch
Elektronenspinresonanz
(E S R ) charakterisiert werden. Hält sich das ungepaarte Elektron überwiegend im jr-System des elek­
tronenarmen Liganden auf, so sind hochaufgelöste
ESR -Spektren zu erwarten [4, 5]; mit Hilfe von K or­
relationen aus MO-Berechnungen ist es dann mög­
lich, zu Aussagen über das Reaktionsverhalten sol­
cher Systeme zu gelangen [5, 6 ].
Im folgenden wird über elektrochemische und reso­
nanzspektroskopische Ergebnisse bei einem photo­
chemisch besonders intensiv untersuchten System [2,
7, 8 ] berichtet. Es sind dies die PentacarbonylmetallKomplexe des Chroms, Molybdäns und Wolframs
mit Pyridin-Derivaten. Da insbesondere bei 4-Acceptor-substituierten Pyridinen die MLCT-Zustände
wesentlich niedriger liegen als die Ligandenfeld(d ^ d )-Z u stän d e [7], wurden drei derartige Ligan­
den verwendet: 4-Trimethylsilylpyridin (1), 4-Acetylpyridin (2) und 4-Cyanopyridin (3) (2). Im Unter­
schied zu Verbindung 1 mit dem schwachen Elektronenacceptor (CH 3)3Si sind bei den Pyridinen 2 und 3
Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschung
in Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der
Wissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht:
Creative Commons Namensnennung-Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland
Lizenz.
This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift
für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the
Advancement of Science under a Creative Commons Attribution-NoDerivs
3.0 Germany License.
Zum 01.01.2015 ist eine Anpassung der Lizenzbedingungen (Entfall der
Creative Commons Lizenzbedingung „Keine Bearbeitung“) beabsichtigt,
um eine Nachnutzung auch im Rahmen zukünftiger wissenschaftlicher
Nutzungsformen zu ermöglichen.
On 01.01.2015 it is planned to change the License Conditions (the removal
of the Creative Commons License condition “no derivative works”). This is
to allow reuse in the area of future scientific usage.
W . K aim •D as R ed u ktion sverh alten von P entacarbon ylpyrid in -K om plexen
802
starke jr-Acceptor-Substituenten wirksam, zur weite­
ren Charakterisierung der Liganden sind in (3) ihre
pKs-Werte angegeben. Über die Resultate der che­
mischen und elektrochemischen Reduktion wird im
folgenden berichtet, zum Vergleich mit den M etall­
komplexen a —c wurden außerdem die elektrochemi­
schen Daten der Quartärsalze d bestimmt (2).
0
X
X
X
X
X
= nN
= C r(C O )5
- M o (C O ),
= W (C O )s
= C H 3+/ r
ö
1
X
1
la
lb
lc
ld
CN
COCH,
SiMe-,
N
1
X
2
2a
2b
2c
2d
PK S (1) = 5 ,5 7 [9]
PK S (2) = 3 ,62 [10]
pK s (3) = 2 ,2 6 [11]
6
N
1
X
3
3a
3b
3c
3d
(3)
Ergebnisse
Darstellung der Neutralkomplexe
Die Verbindungen l a —3 c wurden nach der M e­
thode von Strohmeier [12] durch Umsetzung der
Pentacarbonylmetall-THF-Addukte mit den Ligan­
den 1—3 erhalten. Durch diese Reaktionsführung
wird eine etwaige photolytische Zersetzung der
Komplexe ausgeschlossen. Trotz der unvollständigen
Bildung von M o(C O )5-TH F [13] konnten auch die
Molybdänkomplexe in reiner Form dargestellt wer­
den. Einen ersten Hinweis auf unterschiedliche elek­
tronische Strukturen lieferten die Absorptionsspek­
tren und mithin die Farben der Komplexe: Die gel­
ben Verbindungen l a —l c absorbieren im Gegensatz
zu den orangefarbenen Komplexen mit den Ligan­
den 2 und 3 bei deutlich höherer Energie (s. exp. Teil
und [7]).
E [ V ] vs .SCE
A bb. 1. Beispiele für cyclische Voltam m ogram m e der
K om plexe l c (ob en ), 2b (M itte) und 3 a (unten).
Elektrochemische Prozesse und begleitende che­
mische Reaktionen sind in den Reaktionsgleichun­
gen (4) bis (11) zusammengestellt, die Tabelle I zeigt
die elektrochemischen Meßergebnisse.
M (C O ),L
L+
e“
+ e~
^
[M (C O )s]'
- e“
(C
[M2(C O )10] -
(7
DMF ^
M (C O )5 D M F + L
(8
2 [M (C O )s] -
Die Reduktion der Verbindungen 1—3 sowie ihrer
Komplexe und Quartärsalze wurde durch cyclische
Voltammetrie in Dimethylformamid (D M F) unter­
sucht [14]. Abb. 1 zeigt einige typische Voltammogramme.
[M (C O )5L ] “
(5
- » M (C O )5-D M F
[M 2( C O ) 10]~+
Elektrochemie
(4
[M (C O )5L ] “
e"
[M2(C O )10]2- M (C O )5L +
^
[L ]"
^
[M2(C O )10]2-
D M F — M (C O )5 D M F + [M (C O )5] -
(c
(1C
- > [M (C O )s] - + L
M = C r, M o, W ; L = 1, 2, 3
Aus den in Tab. I zusammengestellten Daten wird
zunächst deutlich, daß die Metallcarbonyl-Komplexe
in D M F teilweise dissoziiert vorliegen ( 8 ), denn
(111
803
W . K aim •D as R ed u ktion sv erh alten von P entacarbonylpyrid in-K om plexen
Verbindung
E pc(4 )
ia/ic(4 )
E pc(5)
ic(4)/ic(5)
E pa(6)
E pa(7)
1
la
lb
lc
ld
/
- 1 ,8 6
- 1 ,8 2
-1 ,7 3
- 1 ,1 8
/
0
0
0
0
- 2 ,4 6
- 2 ,4 6
- 2 ,4 6
- 2 ,4 5
/
/
1,5
0,2
2,5
/
/
- 1 ,3 8
- 1 ,3 4
- 1 ,3 8
/
- 0 ,3 3
- 0 ,3 8
- 0 ,2 5
2
/
- 1 ,2 3
- 1 ,2 3
- 1 ,1 9
- 0 ,6 7
- 1 ,4 2
/
0 ,0 5
0 ,8 5
0 ,9 0
1,00
1,04
- 1 ,6 1
- 1 ,6 1
- 1 ,6 1
- 1 ,6 1
/
/
0,05
0,15
0,5
/
/
b
b
b
/
/
- 0 ,2 9
b
b
/
/
- 1 ,2 3
- 1 ,2 3
-1 ,2 3
-0 ,6 3
-1 ,5 6
/
0
0
1,03
0 ,7 5
c
- 1 ,7 6
- 1 ,7 6
- 1 ,7 5
- 1 ,7 6
/
/
0,25
0 ,02
0,2
/
/
- 1 ,3 8
- 1 ,2 6
- 1 ,3 8
/
/
- 0 ,3 1
- 0 ,4 0
- 0 ,2 5
/
2a
2b
2c
2d
3
3a
3b
3c
3d
selbst bei ideal reversiblem Verhalten der Komplexe
(4) werden sowohl die Reduktion des freien PyridinLiganden (5) als auch M (C O )5-typische Redoxprozesse ( 6 , 7) [15, 16] beobachtet. Bei irreversiblem
Verhalten ist erwartungsgemäß bereits die Ein-Elektronen-Einlagerung in den Komplex dissoziativ (11).
Im Reduktionsverhalten der Verbindungen fällt
auf, daß der Effekt der Pentacarbonylmetall-Koordination am Liganden etwa halb so groß ist wie der
einer Quatärnierung am Pyridinstickstoff. Entspre­
chend folgt, daß alle Verbindungen mit den Ligan­
den 1 schwerer zu reduzieren sind als die Komplexe
mit den Liganden 2 und 3, auch dies steht in Ein­
klang mit den Absorptionsspektren.
Eine aufschlußreiche Abstufung wird bei der U n­
tersuchung der Reversibilität der Ein-ElektronenReduktion erkennbar: Während die Komplexe des
silylierten Liganden 1 unter den angegebenen Bedin­
gungen generell einer irreversiblen Reduktion unter­
liegen, zeigen bei den anderen Verbindungen nur die
Chromkomplexe 2 a und 3 a sowie das Pentacarbonyl(4-cyanpyridino)molybdän 3b irreversibles R e­
duktionsverhalten. Diese Resultate beziehen sich
zwar nur auf das vorliegende System mit DM F als
Lösungsmittel [18] und es ist daher möglich, unter
anderen Reaktionsbedingungen (13) paramagneti­
sche Chrompentacarbonylkomplexe als beständige
Ein-Elektronen-Reduktionsprodukte zu erhalten
(vgl. Abb. 2), trotzdem macht die Abstufung der
elektrochemischen Reversibilität deutlich, daß bei
Tab. I. E lek trochem ische D aten zur
Reduktion der Verbindungen 1—3
und ihrer K om p lexe3.
a P eak-Potentiale E p in V gegen
S C E ; a = anodische, c = kathodische
Prozesse; cyclische V oltam m etrie in
D M F /0,1 M ',B u 4 N +C 1 0 4 _ ; R egistrier­
geschwindigkeit 0,1 V /s; b nicht beob­
ach tet; c quasi-reversibler P rozeß.
den höheren Metallhomologen die Bedingungen für
die Beständigkeit der Radikalkomplexe günstiger
werden. Dies erklärt auch, warum mit einigen Radikalanion-Liganden zwar Wolfram- und Molybdänpentacarbonylkomplexe, aber keine derartigen
Chrom-Verbindungen erhalten werden [5].
Die bereits erwähnte Dissoziation ( 8 ) der Komple­
xe l a —3 c in D M F läßt sich vergleichsweise abschät­
zen, indem das Verhältnis ic(4)/ic(5) der elektroche­
misch gemessenen Ströme für die Reduktion des
Komplexes (4) und des Liganden (5) gebildet wird
(Tab. I). Obwohl diese Verhältnisse nur bei identi­
schem Reduktionsverhalten exakt verglichen werden
können, zeigt doch Tabelle I, daß sich die Molybdänpentacarbonyl-Komplexe generell durch eine beson­
ders starke Neigung zur Dissoziation auszeichnen,
während Pentacarbonylchrom und -wolfram wesent­
lich fester am heterocyclischen Liganden koordiniert
sind. In bezug auf die Liganden selbst manifestiert
sich deutlich der Einfluß der Basizität am Stickstoff­
atom (3), die Neigung zur Komplex-Dissoziation
nimmt in der Ligandenreihenfolge 1 < 2 < 3 zu.
Elektronenspinresonanz an Radikalprodukten
Während von den Komplexen des 4-Trimethylsilylpyridins bei Raumtemperatur keine beständigen
Einelektronen-Reduktionsprodukte erhalten werden
konnten [19], wurde über die paramagnetischen
804
W . K aim •D as R edu ktionsverhalten von P entacarb on ylp y rid in -K om p lexen
Komplexe des 4-Cyanopyridins bereits berichtet
[17]. Es bleibt die Charakterisierung der Spezies
2 a T—2 c T offen, wobei allerdings mit der Komplika­
tion einer in bezug auf die ESR -Z eitskala langsamen
Rotation der Acetylgruppe (12) zu rechnen ist [20,
21
].
COCH,
(13)
COCH,
( 12 )
1 / 2 [ M 2(CO)101
TH F
M = C r , M o. W
Die Radikalkomplexe können auf mehreren W e­
gen erzeugt werden; sowohl eine Reduktion der
Komplexe (13 a), die Substitution am Hexacarbonylmetall durch das Ligand-Radikalanion (13 b) als auch
die Umsetzung des neutralen Heterocyclus mit über­
schüssigem Decacarbonyldimetallat (13 c) liefern die
ESR-spektroskopisch charakterisierten Radikalkom­
plexe in Lösung.
Mit Hilfe von Computer-Simulationen lassen sich
die ESR-Spektren analysieren (Abb. 2), den so er­
haltenen Daten zufolge (Tab. II) handelt es sich wie­
der [5, 6 , 17, 22, 23] um Spezies, in denen das ungepaarte Elektron nahezu ausschließlich auf das J t - Sy­
stem des heterocyclischen Liganden lokalisiert ist.
Dies bestätigt die photochemisch gewonnene V or­
stellung über den M LCT-Charakter des niedrigsten
elektronisch angeregten Zustandes der Neutralkom­
plexe 2b und 2c [2, 7, 8 ].
A bb. 2. (A ) H ochaufgelöstes
Radikalkom plexes 2 a T bei 300
K +. (B ) Com puter-Sim ulation
Tab. II und einer Linienbreite
E S R -S p ek tru m des
K in T H F . G egenion
mit den D aten aus
von 25 /u l.
805
W . K aim •D as R ed u ktion sverh alten von P en tacarbon ylpyrid in -K om plexen
Tab.
II. Elektronenspinresonanz-D aten der reduzierten Verbindungen 2 • und 2 a -—2d-
Radikal
a , ( 14N)
a2(H ) a3(H ) a4(C H 3)
2~ [20]
2aT
2b"
2c"
2d" [21]
436
570c
580c
560c
576d
50
103
105
126
358e
296
248
246
224
48
559
506
504
480
195
as(H ) a6(H ) g
339
290
272
268
88
18
62
61
80
294e
b
2,0036
2,0038
2 ,00 46
b
Während der g-Faktor der Komplex-Radikalanionen die erwartete Zunahme mit schwerer werden­
dem Metallatom zeigt [23], erfolgt die Zuordnung
der sechs beobachteten Kopplungskonstanten für die
Spezies 2~—2d T aufgrund von Hückel-McLachlanMolekülorbitalrechnungen, wobei die Unsymmetrie
wegen eingeschränkter Acetyl-Rotation über einen
Störparameter hCj = —0,15(12) berücksichtigt wird
[20]. Eine Korrelation der Orbitalenergien £jHMO und
der McLachlan-Spinpopulationen g71 [24] in Abhän­
gigkeit vom Coulomb-Integral hN (der StickstoffElektron eg ativität“) ist in Abb. 3, B dargestellt.
Der Vergleich mit den entsprechenden experimen­
tellen D aten, den Reduktionspotentialen E und den
ESR-Kopplungskonstanten aH (Abb. 3, A ) zeigt ei­
ne gute Übereinstimmung und erlaubt eine sichere
Zuordnung. Ebenso wird deutlich, daß die Pentacarbonylmetall-Koordination zwar die Energie (Poten­
tiale), erheblich weniger jedoch die Verteilung des
CrICO),- Mo(CO),- W(C0)c CH,
a Messungen bei R au m tem p eratur in T H F ;
Kopplungskonstanten a in juT (1 /uT — 0,01 G ); Z u ­
ordnung entsprechend (12) gemäß M O -R echnungen (A bb. 3 ); b nicht b erichtet; c M etallisotopenKopplungen nicht beobachtet (vgl. [1 7 ]); d a(N C H 3)
= 513 ,wT; e Zuordnung gegenüber [21] geändert.
ungepaarten Elektrons beeinflußt; wesentlich stär­
ker wirkt sich hier die Koordination eines Carboka­
tions in den Quartärsalzen aus.
Zusammenfassung
Die vorliegende Untersuchung demonstriert, wie
Elektrochemie und ESR-Spektroskopie Inform atio­
nen über die Elektronenstruktur in Komplexen lie­
fern können. Insbesondere bei der Frage nach unbe­
setzten Molekülorbitalen ist diese spektroskopische
Kombination eine wertvolle Ergänzung zu Photoche­
mie und Photoelektronenspektroskopie [25], da bis­
lang direkte Informationen hierüber bei Komplexen
kaum vorliegen [26]. Störungsbetrachtungen erlau­
ben eine Abschätzung von Koordinations- und Sub­
stituenteneffekten; so erweist sich im Fall der Pentacarbonylmetall-Pyridine das 4-Acetylpyridin als best­
geeigneter Ligand mit relativ hoher Basizität und
gleichzeit niedrig liegendem ^ -N iv eau , während in
A bb. 3. Experim entelle (links) und
berechnete P aram eter (rech ts) für die
Reduktion der Verbindungen 2—2d.
Die linke Korrelation zeigt den Gang
der Reduktionspotentiale E (oben)
und ESR -K opplungskonstanten aH
(u n ten ), die rechte K orrelation aus
H M O -M cL achlan-B erechn un gen
zeigt die Abhängigkeit der Energie
fjHMO des zu besetzenden M olekülor­
bitals und der Spinpopulationen Qn
vom Störp aram eter hN.
806
W . K aim •D as R ed u ktion sverh alten von P entacarb on ylp y rid in -K o m p lexen
der Reihe der Metallfragmente sich die W (C O )5Gruppe durch feste Koordination und hohe Bestän­
digkeit der Radikalkomplexe auszeichnet.
Experimenteller Teil
'H -N M R: Varian T 60, CDC13-Lösungen mit TM S
als internem Standard. — Elektronenspektren: PyeUnicam SP 1800, Hexan-Lösungen. Elementarana­
lysen wurden im Arbeitskreis von Prof. W. Ried,
Universität Frankfurt, durchgeführt. - Cyclische
Voltammetrie: P A R 173/175 mit Glassy Carbon A r­
beitselektrode und ges. Kalom el-(SCE)-Referenzelektrode. Als Lösungsmittel diente getrocknetes
und im Vakuum destilliertes D M F mit 0,1 M Tetrabutylammoniumperchlorat als Leitsalz. — E SR : V a­
rian E 9 im X-Band, Eichung mit Perylen-Radikalanion in D M E [27], — Computer-Simulationen [28]
und HMO-McLachlan-Berechnungen [24] wurden
am Hochschulrechenzentrum Frankfurt durchge­
führt. Die Parameter für die McLachlan-Rechnung
waren: kCN = 1., kCo = 1*6, kc 4c 7 = 0,9, hCj = —0,15,
h 0 = 1,5 [2 0 ], X = 1,2 ß.
4-Acetylpyridin (2) und 4-Cyanopyridin (3) wur­
den von Aldrich bezogen und ohne weitere Reini­
gung eingesetzt. 4-Trimethylsilylpyridin (1) wurde
nach der Methode von Sulzbach [29] hergestellt.
Die Komplexe sind nach folgender allgemeiner
Arbeitsvorschrift hergestellt worden: Lösungen der
durch Bestrahlung erhaltenen M (C O ) 5 ■THF-Addukte [12] wurden stöchiometrisch mit den PyridinLiganden umgesetzt. Nach Einengen wurden im
Hochvakuum überschüssiges Metallhexacarbonyl
und Pyridin-Derivat entfernt und der Komplex aus
Heptan/Toluol umkristallisiert.
[1] P. C. F o rd . D . Wink und J . D ibenedetto. Progr.
Inorg. Chem . 30, 213 (1983) und zitierte Literatur.
[2] A . J. L ees und A . W . A dam son, J. A m . Chem . Soc.
104, 3804 (1 9 8 2 ).
[3] Vgl. V . B alzani, F . B olletta. M. Ciano und M.
M aestri. J. C hem . E du c. 60, 447 (1983).
[4] H. tom D ieck . K .-D . Franz und F . H ohm ann, Chem.
B er. 108, 163 (1 9 7 5 ).
[5] W . K aim , Inorg. Chim. A cta 53, L151 (1 9 8 1 ): Chem .
B er. 115, 910 (1 9 8 2 ).
[6] W . K aim . J . O rganom et. Chem . 262, 171 (1984).
[7] M. S. W righton. H. B . A braham son und D. L. M orse.
J. A m . C hem . Soc. 98, 4105 (19 7 6 ).
[8] A . J. L ees. J. A m . Chem . Soc. 104, 2038 (1982).
[9] D. G. A nd erson , J. R . Chipperfield und D. E . W eb ­
ster, J. O rganom et. Chem . 12, 323 (1968).
[10] M. R. C h akrabarty, C .S . H andloser und M. W . M o­
sher. J. C hem . S o c., Perkin Trans. II 1973, 938.
Pentacarbonyl(4-trimethylsilylpyridin)chrom (1 a)
'H -N M R: d 0,28 (s, 9 H ), 7,28, 8,55 (sm, 4 H);
UV/VIS: vmax 25000 (7000), 27500 (sh).
C 13H 13NOsSiCr
Ber. C 45,48
Gef. C 45,18
H 3,82
H 3,82
N 4,08,
N 4,23.
Pentacarbonyl(4-trimethylsilylpyridin)molybdän
(lb )
'H -N M R: <3 0,30 (s, 9 H ), 7,30, 8,65 (sm, 4 H);
UV/VIS: vmax 25500 (7000), 28000 (sh).
C 13H 13N 0 5SiMo
B er. C 40,32
Gef. C 40,11
H 3,38
H 3,41
N 3,62,
N 3,75.
Pentacarbonyl(4-trimethylsilylpyridin) wolfram (1 c)
'H-NM R: (3 0,30 (s, 9 H ), 7,31, 8,70 (sm, 4 H);
UV/VIS: vmax 25700 (7500), 28100 (sh).
C 13H 13N 0 5SiW
Ber. C 32,86
Gef. C 32,73
H 2,76
H 2,77
N 2,95,
N 2,92.
Die Quartärsalze l d —3d wurden durch Umset­
zung der Liganden mit Methyliodid gewonnen und
aus Ethanol umkristallisiert [30]. Lösungen der Radikalanion-Komplexe in TH F wurden auf den zuvor
beschriebenen Wegen [5, 6 , 17, 22, 23] hergestellt.
Die Untersuchungen wurden von der Deutschen
Forschungsgemeinschaft unterstützt. Frau Dr. U.
Lechner-Knoblauch danke ich für die Durchführung
der elektrochemischen Messungen und für zahlrei­
che Diskussionen.
[11] S. F. M ason. J. Chem . Soc. 1959, 1247.
[12] W . S troh m eier, Angew . Chem . 76, 873 (1 9 6 4 ); A n ­
gew. C hem . Int. E d . Engl. 3, 730 (19 6 4 ).
[13] Vgl. z .B . R . M eij, T. A . M . K aandorp, D . J. Stufkens
und K. V rieze, J. O rganom et. Chem . 128, 203 (1977).
[14] Zur elektrochem ischen O xidation von (C O )5Cr(Pvridin): M. K . Lloyd, J. A . M cC leverty, D . G . O rchard,
J. A . C o n n o r. M . B . H all, I. H . H illier, E . M. Jones
und G. K. M cE w en . J. C hem . Soc. Dalton Trans.
1973, 1743.
[15] C. J. Pickett und D. P letch er. J. Chem . S o c., Dalton
Trans. 1976, 749.
[16] J. G robe und H. Zim m erm ann , Z . N aturforsch. 36b,
301 (1 9 8 1 ).
[17] W . K aim , Inorg. Chem . 23, 504 (19 8 4 ).
[18] Ein „D ianion“ des Pentacarbonylpyridinwolfram s in
1,2-D im ethoxyethan beschreiben R. E . Dessy und L .
W ieczorek . J. A m . Chem . Soc. 91, 4964 (1969).
W . Kaim •D as R ed u ktion sverh alten von P entacarbon ylpyrid in -K om plexen
[19] Tieftem peraturuntersuchungen am Radikalanion des
4-Trimethylsilylpyridins: P. H änel und W . K aim , un­
veröffentlichte Ergebnisse.
[20] P. H . Rieger und G . K. Fraen kel, J. Chem . Phys. 3 7 ,
2811 (1 9 6 2 ).
[21] L . G rossi, F . Minisci und G . F . Pedulli, J . Chem . S o c.,
Perkin Trans. II 1977, 943.
[22] W . Kaim und V . K asack , Angew . Chem . 94, 712
(1 9 8 2 ); Angew. Chem . Int. E d . Engl. 21, 700 (1 9 8 2 );
J. O rganom et. C hem . 264, 317 (19 8 4 ).
[23] W . K aim , Inorg. C h e m ., im D ruck.
807
[24] A . D. M cLachlan, Mol. Phys. 3, 233 (19 6 0 ).
[25] H . D aam en und A . O skam , Inorg. Chim. A cta 26, 81
(1978).
[26] J . C. G iordan, J. H. M oore und J. A . Tossell, J . A m .
Chem . Soc. 103, 6632 (1981).
[27] J. R. Bolton, J. Phys. Chem . 71, 3702 (1 9 6 7 ).
[28] Vgl. W . Kaim und H . B o ck , J. O rganom et. Chem .
164, 281 (1979).
[29] R. A . Sulzbach, J. O rganom et. Chem . 24, 307 (19 7 0 ).
[30] Vgl. W . M. Schwarz, E . M. K osow er und I. Shain, J.
A m . Chem . Soc. 83, 3164 (19 6 1 ).