Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9

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Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9
Wertminderungen
finanzieller
Vermögenswerte
nach IFRS 9
Mai 2015
Impressum
Redaktion: Olaf Boelsems,
Solvy Weigert, Fabian Umseher,
Christoph Hultsch
Design und Layout: Sabine Reissner
Lektorat: Jutta Cram
Fotos: Thinkstock, Corbis
Adresse der Redaktion:
Ernst & Young GmbH
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Anja Klöfkorn
Rothenbaumchaussee 78
20148 Hamburg, Deutschland
Telefon +49 40 36132 12335
Telefax +49 181 3943 12335
[email protected]
Herausforderungen beim neuen
Wertminderungskonzept?
Eine frühe Analyse und Umsetzungsplanung ist wichtig!
Liebe Leserin, lieber Leser,
mit den neuen Regelungen zu Wertminderungen ist der vollständige Standard zu Finanz­
instrumenten (IFRS 9) nun insgesamt verbabschiedet und – vorbehaltlich der EU-Über­
nahme – ab 2018 anzuwenden. Die Wertminderungsregeln sind komplexer als bisher,
und gerade in weiten Bereichen der Finanzindustrie muss mit umfassenden Umsetzungs­
arbeiten gerechnet werden. Auch bei Corporates sind bei einigen Geschäftsmodellen
aufwendige Arbeiten nötig. Wir empfehlen Ihnen daher, sehr bald mit der Umsetzung zu
beginnen.
Bei der überwiegenden Zahl der Corporates werden die Umstellungen nicht so tief greifend
sein. Auch hier empfehlen wir aber, früh die Auswirkungen zu analysieren. Zudem
können im Einzelfall wertvolle Erleichterungen – z. B. unter einer vorzeitigen Anwendung
im Hedge Accounting – genutzt werden. Hierfür stehen wir Ihnen mit Rat und Tat gerne
zur Seite.
Wir wünschen Ihnen gute Erkenntnisse bei der Lektüre!
Olaf Boelsems
Financial Accounting Advisory
Corporate Treasury Solutions
Christoph Hultsch
Financial Accounting Advisory
Financial Services
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 |
3
Inhalt
Überblick
6
1Einführung
9
1.1
Kurzer Rückblick und Hintergrundinformationen zum Wertminderungsprojekt des IASB
9
1.2
Überblick über die Wertminderungsvorschriften in IFRS 9
12
1.3Wesentliche Änderungen gegenüber den Wertminderungsvorschriften in IAS 39 sowie
deren Auswirkungen
13
1.4
17
Wesentliche Unterschiede gegenüber dem Entwurf des FASB
2Anwendungsbereich
19
3Ansätze
21
3.1
Allgemeiner Ansatz
21
3.2
Vereinfachtes Verfahren
23
Erworbene oder ausgereichte wertgeminderte finanzielle Vermögenswerte
24
3.3
4 Bewertung erwarteter Kreditausfälle
29
4.1
Über die Gesamtlaufzeit erwartete Kreditausfälle (Gesamtlaufzeit-ECL)
29
4.2
In den nächsten zwölf Monaten erwartete Kreditausfälle (12-Monats-ECL)
31
4.3
Erwartete Laufzeit versus Vertragslaufzeit
34
4.4
Wahrscheinlichkeitsgewichtete Berechnung
34
4.5
Zeitwert des Geldes
35
4.6
Sicherheiten
38
4.7
Angemessene und belastbare Informationen
40
4.8
Wechselbeziehung zwischen Wertminderung und der Bilanzierung von Fair Value Hedges
44
5 Allgemeiner Ansatz: Beurteilung, ob eine signifikante Erhöhung des Kreditrisikos vorliegt
47
5.1
Änderung des Ausfallrisikos
48
5.2
Faktoren oder Indikatoren für eine Änderung des Kreditrisikos
50
Was bedeutet „signifikant“?
56
Praktische Vereinfachung für Finanzinstrumente mit geringem Kreditrisiko
58
5.3
5.4
5.5Verzugsstatus und widerlegbare Vermutung, dass nach mehr als 30 Tagen der
Zahlungsverzug eintritt
65
5.6
12-Monats-Ausfallrisiko als Näherungswert für Änderungen des Gesamtlaufzeitrisikos
66
5.7
Beurteilung auf der Ebene der Gegenpartei
67
5.8
Bestimmung des ursprünglichen maximalen Kreditrisikos für ein Portfolio
69
5.9
Beurteilung auf Portfolioebene
70
5.10 Der Loss-rate-Ansatz80
4
| EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9
6 Modifizierte finanzielle Vermögenswerte
83
7 E
rfolgsneutral zum beizulegenden Zeitwert bewertete finanzielle
Vermögenswerte (FVOCI) – Schuldinstrumente
87
8 Forderungen aus Lieferungen und Leistungen, aktive Vertragsposten und Leasingforderungen 91
8.1
Forderungen aus Lieferungen und Leistungen und aktive Vertragsposten
91
8.2
Leasingforderungen
93
9 Kreditzusagen und Finanzgarantien
95
10 Revolvierende Kreditfazilitäten
99
11 Ausweis der erwarteten Kreditausfälle in der Bilanz
105
11.1 R
isikovorsorge für zu fortgeführten Anschaffungskosten bewertete finanzielle
Vermögenswerte, aktive Vertragsposten und Leasingforderungen
105
11.2 Rückstellungen für Kreditzusagen und Finanzgarantien
106
11.3Kumulierter Wertminderungsbetrag für erfolgsneutral zum beizulegenden Zeitwert
bewertete Schuldinstrumente
106
11.4 Bilanzierung zum Handelstag und zum Erfüllungstag
106
12 Angabepflichten
109
12.1 Anwendungsbereich und Zielsetzung
109
12.2 Kreditrisikomanagement
109
12.3Quantitative und qualitative Angaben zu Beträgen, die aus erwarteten
Kreditausfällen resultieren
111
12.4 Kreditrisiko
116
12.5 Sicherheiten und andere Kreditbesicherungen
117
13 Zeitpunkt des Inkrafttretens und Übergangsvorschriften
119
13.1 Zeitpunkt des Inkrafttretens
119
13.2 Übergang (rückwirkende Anwendung)
120
13.3 Übergangserleichterungen
120
14Anhang
123
Ansprechpartner
135
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5
Überblick
6
| EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9
• Die im neuen Standard IFRS 9 Finanzinstrumente enthaltenen Vorschriften zur Erfassung von Wertminderungen
basieren auf dem Expected-credit-losses-Modell (Modell erwarteter Forderungsausfälle; ECL-Modell) und
lösen das in IAS 39 Finanzinstrumente: Ansatz und Bewertung verwendete Incurred-losses-Modell (Modell ein­
getretener Ausfälle) ab.
• Die Wertminderungsvorschriften des IFRS 9 sind auf Schuldinstrumente anzuwenden, deren Folgebewertung
zu fortgeführten Anschaffungskosten oder erfolgsneutral zum beizulegenden Zeitwert erfolgt (z. B. Kredite,
Schuldverschreibungen und Forderungen aus Lieferungen und Leistungen), sowie auf aktive Vertragsposten,
die in den Anwendungsbereich von IFRS 15 Umsatzrealisierung aus Verträgen mit Kunden fallen, Leasing­
forderungen und die meisten Kreditzusagen und Finanzgarantien.
• Unternehmen haben an jedem Abschlussstichtag eine Risikovorsorge durch Erfassung einer Wertminderung
bzw. durch Bildung einer Rückstellung entweder in Höhe der Kreditausfälle, deren Eintritt innerhalb der nächsten
zwölf Monate erwartet wird (12-month expected credit losses; „12-Monats-ECL“), oder in Höhe der über die
Gesamtlaufzeit erwarteten Kreditausfälle (lifetime expected credit losses; „Gesamtlaufzeit-ECL“) zu erfassen.
Dies hängt davon ab, ob ein signifikanter Anstieg des Kreditrisikos seit dem erstmaligen Ansatz eingetreten ist.
• Bei der Schätzung der erwarteten Kreditausfälle (expected credit losses; ECL) findet eine wahrscheinlichkeits­
gewichtete Berechnung unter Berücksichtigung der besten verfügbaren Informationen und des Zeitwerts des
Geldes statt.
• Das Erfordernis, zukunftsbezogene Informationen in die Berechnung der erwarteten Kreditausfälle einzube­
ziehen, hat zur Folge, dass die Anwendung des Standards mit erheblichen Ermessensentscheidungen hin­
sichtlich der Auswirkung von Änderungen makroökonomischer Faktoren auf die erwarteten Kreditausfälle
verbunden sein wird. Das für die Berechnung erforderliche höhere Maß an Ermessensausübungen könnte zur
Folge haben, dass es künftig schwieriger sein wird, die ausgewiesenen Ergebnisse verschiedener Unterneh­
men miteinander zu vergleichen. Ein Unternehmen muss die Inputdaten, Annahmen und Verfahren, die es bei
der Schätzung der erwarteten Kreditausfälle anwendet, im Abschluss erläutern. Dies dürfte zu einer größeren
Transparenz in Bezug auf die Kreditrisiken und die Risikovorsorgeprozesse von Unternehmen führen.
• Die notwendige Beurteilung, ob sich das Kreditrisiko wesentlich erhöht hat, erfordert die Erfassung neuer Daten
und den Aufbau von Prozessen sowie die Ausübung von Ermessensentscheidungen.
• Die neuen Vorschriften werden zur Folge haben, dass Banken und ähnliche Finanzinstitute sowie Anleger, die
in Schuldtitel investieren, eine höhere Risikovorsorge bilden müssen. Beim Übergang auf IFRS 9 wird dies eine
Verringerung des Eigenkapitals zur Folge haben und das regulatorische Eigenkapital beeinflussen. Die Höhe
der Risikovorsorge wird in Zukunft auch stärkeren Schwankungen als bisher unterliegen, da sich die Prognosen
laufend ändern.
• Die Anwendung der neuen Vorschriften zur Erfassung von Wertminderungen wird in vielen Unternehmen dazu
führen, dass erhebliche Anpassungen an den derzeit verwendeten Systemen und Prozessen vorgenommen
werden müssen. Eine frühzeitige Analyse der Auswirkungen und Planung sind dabei die Schlüssel für eine erfolg­
reiche Implementierung.
• Die Wertminderungsvorschriften sind gemeinsam mit den übrigen Vorschriften des IFRS 9 erstmals für
Geschäftsjahre, die am oder nach dem 1. Januar 2018 beginnen, verpflichtend anzuwenden. Eine vorzeitige
Anwendung ist – soweit erforderlich, vorbehaltlich eines EU-Endorsements – zulässig.
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 |
7
1
1 Einführung
Im Juli 2014 hat das International Accounting Standards Board
(„IASB“ oder das „Board“) die finale Fassung von IFRS 9 Finanz­
instrumente veröffentlicht. IFRS 9 ist das Ergebnis einer umfas­
senden Überarbeitung der Bilanzierungsregeln für Finanzinstru­
mente. Die jetzt veröffentlichte finale Version enthält die neuen
Regelungen zur Bilanzierung von Sicherungsgeschäften, zu Ansatz,
Klassifizierung und Bewertung und zur Wertminderung von Finanz­
instrumenten. Sie ersetzt den bisherigen Standard IAS 39 sowie
alle bisher veröffentlichten Fassungen von IFRS 9.
Im Zuge der Finanzmarktkrise war verstärkt Kritik aufgekommen,
das Incurred-losses-Modell in IAS 39 habe dazu geführt, dass Kredit­
ausfälle zu spät bilanziell abgebildet würden. Das IASB hat diesen
Bedenken Rechnung getragen und neue Wertminderungsvorschrif­
ten entwickelt, denen ein stärker auf die Zukunft ausgerichtetes
Expected-losses-Modell zugrunde liegt. Die Vorschriften für erwar­
tete Kreditausfälle und die Anwendungsleitlinien werden in IFRS 9
durch 14 erläuternde Beispiele ergänzt.
In dieser Publikation stellen wir das neue Expected-losses-Modell
vor und erläutern die gemäß IFRS 7 Finanzinstrumente: Angaben
vorgeschriebenen neuen Angabepflichten zum Kreditrisiko (siehe
Abschnitt 12).
1.1 Kurzer Rückblick und Hintergrund­
informationen zum Wertminderungs­
projekt des IASB
Im Zuge der Finanzmarktkrise war die zu späte bilanzielle Abbildung
von Kreditausfällen im Zusammenhang mit Forderungen und an­
deren Finanzinstrumenten als Schwachstelle in den bestehenden
Regelwerken zur Rechnungslegung identifiziert worden. Dies ist
darauf zurückzuführen, dass die Wertminderungsvorschriften nach
IAS 39 auf dem Incurred-losses-Modell basieren, d. h., Kreditaus­
fälle werden erst dann erfasst, wenn ein Ausfallereignis eintritt. Da
solche Ausfälle während der Laufzeit eines Kredits eher unregel­
mäßig eintreten, besteht eine Inkongruenz zwischen dem Zeitpunkt
der Erfassung des Credit Spread, d. h. des in die Berechnung des
Effektivzinssatzes einbezogen Risikoaufschlags, und den erst zu
einem späteren Zeitpunkt erfassten Wertminderungen.
Im November 2009 hatte das IASB den Exposure Draft (ED)
­Financial Instruments: Amortised Cost and Impairment veröffent­
licht. Darin schlug es für alle finanziellen Vermögenswerte, die zu
fortgeführten Anschaffungskosten bilanziert werden, vor, Wert­
minderungen auf der Basis erwarteter Kreditausfälle und erwarte­
teter Cashflows anstelle der bereits eingetretenen Kreditausfälle
zu bestimmen. Dieser Ansatz sah vor, die ursprünglich erwarteten
Kreditausfälle über die Laufzeit des finanziellen Vermögenswerts
zu erfassen, indem sie beim erstmaligen Ansatz in die Berech­
nung des Effektivzinssatzes einbezogen werden. Dadurch würde
über die Laufzeit des finanziellen Vermögenswerts eine Risiko­
vorsorge für Kreditausfälle gebildet und der Zeitpunkt der Erfas­
sung von Kreditausfällen an den Zeitpunkt der Erfassung des den
Zinsen inhärenten Credit Spread angeglichen. Anschließende
Änderungen der Ausfallerwartungen würden zu ergebniswirksamen
catch-up adjustments führen, bei deren Ermittlung der ursprüng­
liche Effektivzinssatz herangezogen wird. Aus den schriftlichen
Stellungnahmen und Outreach-Aktivitäten zum Standardentwurf
2009 („ED 2009“) des IASB zeigte sich, dass ein Modell, das
­zwischen den Auswirkungen der erstmaligen Schätzung von erwar­
teten Kreditausfällen und nachfolgenden Änderungen dieser
Schätz­werte unterscheidet, allgemeine Zustimmung unter den
interessierten Parteien fand. Gleichzeitig wurden jedoch auch
Bedenken im Hinblick auf die operationellen Schwierigkeiten bei
der Umsetzung des vorgeschlagenen Modells geäußert.
Um diese operationellen Schwierigkeiten zu beseitigen, folgte das
IASB der Empfehlung des Expert Advisory Panel („EAP“) und
trennte die Bewertung und Allokation der ursprünglichen erwarte­
ten Kreditausfälle von der Ermittlung des Effektivzinssatzes (dies
sollte nicht für Vermögenswerte gelten, die bereits bei Erwerb oder
Ausreichung wertgemindert sind). Somit wären der finanzielle
Vermögenswert und die Risikovorsorge getrennt zu bewerten. Da­
bei wäre der ursprüngliche Effektivzinssatz heranzuziehen, der
nicht um die anfänglich erwarteten Kreditausfälle angepasst wurde.
Eine solche Vorgehensweise würde helfen, die operationellen
Schwierigkeiten zu verringern, und es Unternehmen ermöglichen,
ihre bestehenden Rechnungslegungs- und Kreditrisikomanage­
mentsysteme weiter zu nutzen und so den Integrationsaufwand
zwischen den Systemen zu reduzieren.
Das IASB räumte jedoch ein, dass eine Abzinsung von erwarteten
Kreditausfällen mit dem ursprünglichen Effektivzinssatz zu einer
Doppelberücksichtigung der erwarteten Kreditausfälle führen
würde, da diese bereits beim erstmaligen Ansatz des finanziellen
Vermögenswerts in die Zinsen eingerechnet wurden. Daher kam
das IASB zu dem Ergebnis, dass es nicht angemessen sei, die Ge­
samtlaufzeit-ECL beim erstmaligen Ansatz zu erfassen.
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 |
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1
Einführung
Um einerseits die operationellen Schwierigkeiten zu beseitigen und
andererseits die Auswirkungen der Doppelberücksichtigung zu
verringern sowie die Ergebnisse des im ED 2009 vorgeschlagenen
Modells näherungsweise nachzubilden, beschloss das IASB,
ein zweistufiges Modell zu verfolgen, wonach ein Unternehmen
• einen Teil der Gesamtlaufzeit-ECL zum Zeitpunkt des erstmali­
gen Ansatzes anstelle der ursprünglich erwarteten Kreditaus­
fälle über die Laufzeit des finanziellen Vermögenswerts und
• wenn sich das Kreditrisiko seit dem erstmaligen Ansatz erhöht
hat, wenn also die Erfassung lediglich eines Teils der Gesamt­
laufzeit-ECL nicht länger angemessen wäre, weil das Unterneh­
men einen erheblichen wirtschaftlichen Verlust erlitten hat,
die Gesamtlaufzeit-ECL zu erfassen hätte.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass jegliches Modell, das
das Ziel hat, die Ergebnisse des im ED 2009 enthaltenen Modells
näherungsweise nachzubilden (jedoch ohne die sich aus der Ver­
wendung eines um erwartete Kreditausfälle angepassten Effektiv­
zinssatzes ergebenden operationellen Schwierigkeiten), einen
Schwellenwert für die Erfassung der Gesamtlaufzeit-ECL enthalten
wird. Dies führt zu einem sogenannten Klippeneffekt, d. h. einem
wesentlichen Anstieg der Risikovorsorge, der der Differenz zwi­
schen dem zuvor erfassten Teil und den Gesamtlaufzeit-ECL ent­
spricht. Das IASB und das Financial Accounting Standards Board
(„FASB“) widmeten sich in der Folgezeit intensiv der Entwicklung
eines einheitlichen Wertminderungsmodells. Im Januar 2011 be­
schloss das FASB jedoch, ein eigenes Expected-losses-Modell zu
entwickeln. Im Dezember 2012 veröffentlichte das FASB einen Ent­
wurf für das Accounting Standard Update Financial Instruments
Credit Losses (Subtopic 825-15), wonach ein Unternehmen zum
Zeitpunkt des erstmaligen Ansatzes eine Risikovorsorge für er­
wartete Kreditausfälle in Höhe der über die Gesamtlaufzeit erwar­
teten Kreditausfälle zu erfassen hat (siehe Abschnitt 1.4).
Im März 2013 veröffentlichte das IASB einen neuen Exposure
Draft Financial Instruments: Expected Credit Losses („ED 2013“),
der auf den im Rahmen des Gemeinschaftsprojekts mit dem FASB
erarbeiteten Vorschlägen basierte. Der ED 2013 sah vor, dass
Unternehmen eine Risikovorsorge für Kreditausfälle durch die Er­
fassung einer Wertberichtigung bzw. durch die Bildung einer Rück­
stellung in Höhe der 12-Monats-ECL für jene Finanzinstrumente zu
erfassen haben, bei denen sich das Kreditrisiko seit dem erstmali­
gen Ansatz nicht signifikant erhöht hat, bzw. in Höhe der Gesamt­
laufzeit-ECL, sofern sich das Kreditrisiko signifikant erhöht hat.
Abbildung 1: Bilanzierung erwarteter Kreditausfälle: ED 2009 versus IFRS 9
Risikovorsorge
in % des Bruttobuchwerts
Eingetretener
Kreditausfall
Signifikante
Verschlechterung
Gesamtlaufzeit-ECL
12-Monats-ECL
Wirtschaftliche ECL (ED 2009)
Wertminderung nach IFRS 9
Verschlechterung der Kreditqualität seit dem erstmaligen Ansatz
Quelle: basierend auf einer Abbildung aus dem IASB Snapshot: Financial Instruments: Expected Credit Losses, Seite 9, vom März 2013.
10
| EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9
Mit diesem neuen Modell wurden folgende Ziele verfolgt:
• frühere Erfassung von erwarteten Kreditausfällen als nach dem
existierenden Incurred-losses-Modell
• Unterscheidung von Finanzinstrumenten, deren Kreditqualität
sich signifikant verschlechtert hat, und solchen, bei denen dies
nicht der Fall ist
• bessere Näherungswerte für die wirtschaftlichen ECL
Dieses zweistufige Modell wurde entwickelt, um die Bildung einer
Risikovorsorge gemäß dem Vorschlag im ED 2009 näherungs­
weise nachzubilden, jedoch ohne die bislang damit verbundenen
operationellen Schwierigkeiten. In der nebenstehenden Abbil­
dung 1 wird das neue, in Stufen unterteilte Modell gemäß IFRS 9
(durchgehende Linie) dem im ED 2009 vorgeschlagenen konti­
nuierlichen Anstieg (gepunktete Linie) – basierend auf den ur­
sprünglichen Schätzungen bezüglich der erwarteten Kreditausfälle
unter der Annahme, dass diese Schätzwerte in Folgeperioden
nicht korrigiert werden müssen – gegenübergestellt. Die Abbildung
zeigt, dass nach dem neuen zweistufigen Modell die Risikovorsorge
zunächst zu hoch (verglichen mit dem im ED 2009 vorgeschlage­
nen Modell), bei einer anschließenden Verschlechterung der Kre­
ditqualität zu niedrig und am Ende, sobald die Verschlechterung
der Kreditqualität als signifikant einzustufen ist, wieder zu hoch
angesetzt wird.
Seitdem hat das IASB Folgeberatungen zu verschiedenen Aspek­
ten der im ED 2013 enthaltenen Vorschläge abgehalten, mit dem
Ziel, unklare Sachverhalte zu präzisieren und zusätzliche Leit­
linien zu erarbeiten, um Unternehmen die Umsetzung der Vor­
schriften zu erleichtern. Im Juli 2014 hat das Board die neuen
Wertminderungsvorschriften als Teil der finalen Fassung von
IFRS 9 veröffentlicht.
Darüber hinaus hat das IASB die IFRS Transition Resource Group
for Impairment of Financial Instruments („ITG“) gegründet, die
folgende Ziele hat:
• Bereitstellung eines öffentlichen Diskussionsforums, um Stake­
holder bei Implementierungsfragen im Zusammenhang mit den
neuen Wertminderungsvorschriften gemäß IFRS 9 zu unter­
stützen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf Vorschriften, die
unterschiedlich ausgelegt werden und in der Praxis daher zu
Das IASB hat die Wertminde­
rungsvorschriften im Juli 2014
als Teil der finalen Fassung von
IFRS 9 veröffentlicht und die
IFRS Transition Resource Group
for Impairment of Financial
­Instruments gegründet.
abweichenden Vorgehensweisen führen können, sowie Frage­
stellungen, die voraussichtlich von großer Relevanz sein werden.
• Bereitstellung von Informationen zu Implementierungsfragen,
um das IASB bei der Entscheidung, ob und ggf. welche Maßnah­
men zu deren Lösung erforderlich sind, zu unterstützen.
Die ITG wird jedoch nicht über Fragen beraten, bei denen es um
die Bewertung von erwarteten Kreditausfällen geht, und selbst
keine Leitlinien veröffentlichen.
Darüber hinaus hat der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht in
Aussicht gestellt, Leitlinien zur Umsetzung des in IFRS 9 enthalte­
nen Wertminderungsmodells durch international tätige Banken
bereitstellen und hierzu die Leitlinien zur Beurteilung des Kredit­
risikos und zur Bewertung von Krediten (sound credit risk assessment and valuation for loans; „SCRAVL“) zu überarbeiten. Ein
entsprechendes Konsultationspapier wurde im Februar 2015 ver­
öffentlicht. Die endgültigen Leitlinien dürften im späteren Jahres­
verlauf folgen.
Vor diesem Hintergrund sind die von uns in dieser Publikation
vertretenen Ansichten vorläufig.
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 |
11
1
Einführung
1.2 Überblick über die Wertminderungsvorschriften in IFRS 9
Die in IFRS 9 enthaltenen Vorschriften zur Erfassung von Wert­
minderungen basieren auf dem Expected-losses-Modell und lösen
das in IAS 39 verankerte Incurred-losses-Modell ab. Das Expectedlosses-Modell ist auf Schuldinstrumente, deren Folgebewertung zu
fortgeführten Anschaffungskosten oder erfolgsneutral zum beizu­
legenden Zeitwert erfolgt (z. B. Bankeinlagen, Kredite, Schuldver­
schreibungen und Forderungen aus Lieferungen und Leistungen),
sowie auf Leasingforderungen, aktive Vertragsposten, Kreditzu­
sagen und nicht erfolgswirksam zum beizulegenden Zeitwert be­
wertete Finanzgarantien anzuwenden.
Grundprinzip des Expected-losses-Modells ist die Abbildung des
Verlaufs einer Verschlechterung oder Verbesserung der Kredit­
qualität von Finanzinstrumenten. Die Höhe der als Risikovorsorge
für erwartete Kreditausfälle erfassten Wertberichtigung bzw.
gebildeten Rückstellung hängt davon ab, inwieweit sich die Kredit­
qualität seit dem erstmaligen Ansatz verschlechtert hat. Gemäß
dem allgemeinen Ansatz (siehe Abschnitt 3.1) gibt es zwei Bewer­
tungsebenen:
• 12-Monats-ECL (Stufe 1): anzuwenden auf alle Posten
(seit dem erstmaligen Ansatz), sofern sich die Kreditqualität
nicht signifikant verschlechtert
• Gesamtlaufzeit-ECL (Stufen 2 und 3): anzuwenden, wenn
sich das Kreditrisiko für einzelne Finanzinstrumente oder
eine Gruppe (Portfolio) von Finanzinstrumenten signifikant
erhöht hat
Für die Beurteilung, ob sich das Kreditrisiko seit dem erstmaligen
Ansatz signifikant erhöht hat, stehen Unternehmen eine Reihe
von Vereinfachungen in der praktischen Anwendung und Aus­
nahmen zur Verfügung, z. B. wenn ein Finanzinstrument weiter­
hin ein „geringes Kreditrisiko“ aufweist (siehe Abschnitt 5).
Abbildung 2: Allgemeiner Ansatz
Start
Stufe 1
Zu jedem Abschlussstichtag
aktualisierte
Risikovorsorge
Stufe 2
12-Monats-ECL
Stufe 3
Gesamtlaufzeit-ECL
(Kreditausfälle, die aus
Ausfall­ereignissen resultieren,
die in den nächsten zwölf
Monaten erwartet werden)
Kreditrisiko hat sich seit dem erstmaligen Ansatz
­signifikant erhöht
Kriterium für
Gesamtlaufzeit-ECL
(auf individueller oder auf Portfolioebene)
+
wertgemindert
Berechnung der
­ inserträge durch:
Z
Anwendung des
Effektivzinssatzes auf
den Bruttobuchwert
Anwendung des
Effektivzinssatzes auf
den Bruttobuchwert
Anwendung des Effektiv­
zinssatzes auf die fortgeführ­
ten Anschaffungskosten
(Bruttobuchwert abzüglich
Risikovorsorge)
Änderung des Kreditrisikos seit dem erstmaligen Ansatz
Verbesserung
12
| EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9
Verschlechterung
Die Stufen 2 und 3 unterscheiden sich hinsichtlich der Erfassung
von Zinserträgen. In Stufe 2 (wie in Stufe 1) werden Zinsen und
Wertminderungen getrennt voneinander erfasst und die Zins­
erträge auf der Basis des Bruttobuchwerts berechnet. In Stufe 3
(wenn infolge eines Ausfallereignisses objektive Hinweise auf
eine Wertminderung vorliegen, nach den schon aus IAS 39 bekann­
ten Ausfallereignissen) werden die Zinserträge auf der Basis der
fortgeführten Anschaffungskosten (d. h. auf der Basis des Brutto­
buchwerts nach Abzug der Risikovorsorge) berechnet.
Es gibt zwei Alternativen zum
­allgemeinen Ansatz: den verein­
fachten Ansatz und den Ansatz
auf der Basis des um erwartete
Kreditausfälle angepassten Effektiv­zinssatzes.
Daher wird dieser Ansatz häufig auch als three bucket approach
bezeichnet, obwohl dieser Begriff in IFRS 9 nicht verwendet wird.
Die folgende Abbildung veranschaulicht den allgemeinen Ansatz
für die Erfassung der 12-Monats-ECL oder Gesamtlaufzeit-ECL.
Es gibt zwei Alternativen zum allgemeinen Ansatz:
• ein vereinfachtes Verfahren, das auf Forderungen aus Lieferun­
gen und Leistungen, aktive Vertragsposten und Leasingforde­
rungen entweder verpflichtend anzuwenden ist oder als Bilanzie­
rungswahlrecht zur Verfügung steht (siehe Abschnitt 3.2)
• die Anwendung eines um die erwarteten Kreditausfälle adjus­
tierten Effektivzinssatzes für finanzielle Vermögenswerte, die
bereits bei Erwerb oder Ausreichung wertgemindert sind (siehe
Abschnitt 3.3)
Erwartete Kreditausfälle entsprechen den über die Laufzeit eines
Finanzinstruments geschätzten Kreditausfällen; bei deren Be­
wertung (siehe Abschnitt 4) hat ein Unternehmen Folgendes zu
berücksichtigen:
• das wahrscheinlichkeitsgewichtete Ergebnis
(siehe Abschnitt 4.4)
• den Zeitwert des Geldes (siehe Abschnitt 4.5) zwecks Ab­
zinsung von erwarteten Kreditausfällen zum Abschlussstichtag
• angemessene und belastbare Informationen, die ohne einen
unverhältnismäßig hohen Kosten- oder Arbeitsaufwand zur
Verfügung stehen (siehe Abschnitt 4.7)
Die neuen Wertminderungsvorschriften sind zusammen mit den
übrigen Regelungen des IFRS 9 verpflichtend für Geschäftsjahre
anzuwenden, die am oder nach dem 1. Januar 2018 beginnen.
Die vorzeitige Anwendung ist zulässig – in der Europäischen Union
ggf. unter Berücksichtigung der vorherigen Übernahme des Stan­
dards in EU-Recht.
1.3 Wesentliche Änderungen gegenüber den Wertminderungsvorschriften
in IAS 39 sowie deren Auswirkungen
Der bisher in IAS 39 enthaltene Schwellenwert für die Erfassung
von Kreditausfällen wurde nicht in die neuen Wertminderungs­
vorschriften des IFRS 9 übernommen, d. h., der Eintritt eines Aus­
fallereignisses ist nicht länger eine notwendige Voraussetzung
für die Erfassung von Kreditausfällen. Stattdessen hat ein Unter­
nehmen erwartete Kreditausfälle künftig in jedem Fall zu erfassen
und die Risikovorsorge zu jedem Abschlussstichtag anzupassen,
um mögliche Änderungen des Kreditrisikos seit dem erstmaligen
Ansatz abzubilden. Inhaber betreffender Finanzinstrumente müs­
sen daher aktuellere und stärker zukunftsorientierte Informationen
heranziehen, um Abschlussadressaten nützliche Angaben zu den
Kreditausfällen bei jenen Finanzinstrumenten, die in den Anwen­
dungsbereich dieser Wertminderungsvorschriften fallen, zu liefern.
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 | 13
1
Einführung
Wir erwarten folgende Auswirkungen
Das neue ECL-Modell wird sich im Wesentlichen wie folgt
auswirken:
• Der Anwendungsbereich der Wertminderungsvorschriften
wurde deutlich ausgeweitet. Nach IAS 39 wurde eine Risiko­
vorsorge lediglich für bereits eingetretene Forderungsaus­
fälle erfasst. In Zukunft müssen Unternehmen für alle Ausfall­
risiken, die nicht erfolgswirksam zum beizulegenden Zeitwert
bewertet werden, eine Risikovorsorge bilden.
• Mit der neuen Regelung soll erreicht werden, dass Forderungs­
ausfälle früher erfasst werden, indem für alle Forderungen
die Bildung einer Risikovorsorge in Höhe der 12-Monats-ECL
zwingend vorgeschrieben wird. Darüber hinaus ist zu erwar­
ten, dass für alle Forderungen, bei denen sich die Kreditqualität
signifikant verschlechtert hat, die Gesamtlaufzeit-ECL bereits
zu einem früheren Zeitpunkt und in größerem Umfang zu er­
fassen sind, als es bisher nach den Regelungen des IAS 39 der
Fall war, nach denen eine Wertminderung erst mit Eintritt eines
Forderungsausfalls zu erfassen ist. Während die Risikovorsorge
für Forderungen der Stufe 3, wie in der obigen Abbildung ver­
anschaulicht, mit der für Forderungen, bei denen gemäß IAS 39
der Eintritt eines auslösenden Ereignisses angenommen wird,
vergleichbar ist, wird die Risikovorsorge für Forderungen der
Stufen 1 und 2 im Wesentlichen die Risikovorsorge für Forde­
rungen ersetzen, für die bislang nach den Regelungen des
IAS 39 eine pauschale Wertberichtigung für eingetretetene,
aber noch nicht erfasste Forderungsverluste angesetzt wurde.
• Das ECL-Modell ist stärker auf die Zukunft ausgerichtet als das
Wertminderungsmodell nach IAS 39. Der Grund hierfür ist, dass
Inhaber von finanziellen Vermögenswerten nicht nur historische
Daten berücksichtigen müssen, die anzupassen sind, um die
Auswirkungen aktueller Gegebenheiten und Informationen ab­
zubilden, die objektive Hinweise dafür liefern, dass finanzielle
Vermögenswerte aufgrund eingetretener Kreditausfälle wert­
gemindert sind. Sie müssen bei der Ermittlung von erwarteten
14
| EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9
Forderungsausfällen auf individueller und auf Portfolioebene
künftig auch angemessene und belastbare Informationen be­
rücksichtigen, die belastbare Prognosen über zukünftige wirt­
schaftliche Rahmenbedingungen mit einschließen.
• Die erstmalige Anwendung der neuen Wertminderungsvor­
schriften in IFRS 9 wird bei vielen Unternehmen (insbesondere
bei Banken und ähnlichen Finanzinstituten) voraussichtlich
zu einer Erhöhung der Risikovorsorge für Forderungsausfälle
(mit entsprechender Verringerung des Eigenkapitals bei der
erstmaligen Anwendung) führen. Diese Erhöhung der Risiko­
vorsorge wird jedoch bei jedem Unternehmen in Abhängigkeit
von dessen Kreditportfolio und Verfahrensweisen unterschied­
lich ausfallen. Unternehmen, deren Finanzinstrumente kür­
zere Laufzeiten und eine höhere Qualität aufweisen, dürften
weitaus weniger betroffen sein. Gleichermaßen dürften Finanz­
institute, die unbesicherte Privatkundenkredite ausgereicht
haben, die Auswirkungen der neuen Regelung in stärkerem
Maße zu spüren bekommen als Finanzinstitute, deren Portfolio
besicherte Kredite wie z. B. Hypotheken enthält.
• Darüber hinaus dürfte die Fokussierung auf die erwarteten
Forderungsausfälle insbesondere bei Finanzinstituten zu stär­
keren Schwankungen der aufwandswirksam erfassten Beträge
führen. Der Umfang der Risikovorsorge wird sich bei einer
Verschlechterung der wirtschaftlichen Aussichten erhöhen und
bei günstigeren Konjunkturprognosen entsprechend verrin­
gern. Dieser Effekt kann sich durch eine wesentliche Erhöhung
der Risikovorsorge verstärken, wenn die betreffenden Finanz­
instrumente zwischen den 12-Monats-ECL und den Gesamtlauf­
zeit-ECL (und umgekehrt) wechseln.
• Das Erfordernis, zukunftsbezogene Informationen in die Bewer­
tung erwarteter Forderungsausfälle einzubeziehen, hat zur
Folge, dass die Anwendung des Standards mit erheblichen
Ermessensentscheidungen hinsichtlich der Auswirkung von
Änderungen makroökonomischer Faktoren auf die erwarteten
Forderungsausfälle verbunden sein wird. Das für die Berech­
nung erforderliche höhere Maß an Ermessensentscheidungen
könnte zudem zur Folge haben, dass es künftig schwieriger
sein wird, die ausgewiesenen Ergebnisse verschiedener Unter­
nehmen miteinander zu vergleichen. Die im Vergleich zu
IAS 39 detaillierteren Angabepflichten des IFRS 9, wonach ein
Unternehmen die bei der Schätzung der erwarteten Kredit­
ausfälle angewendeten Inputdaten, Annahmen und Verfahren
erläutern muss, dürften jedoch zu einer größeren Transpa­
renz in Bezug auf die Kreditrisiken und die Risikovorsorgemaß­
nahmen von Unternehmen führen.
Ein Unternehmen hat erwartete
Kreditausfälle künftig in jedem
Fall zu erfassen und die Risiko­
vorsorge um Änderungen dieser
Kreditausfälle zu jedem Abschluss­
stichtag anzupassen, um Ände­
rungen des Kreditrisikos seit dem
erstmaligen Ansatz abzubilden.
• Unternehmen werden bei Anwendung des ECL-Modells ihre
Risikovorsorge für kurzfristige Forderungen aus Lieferungen
und Leistungen aufgrund deren begrenzter Laufzeit voraus­
sichtlich nicht wesentlich erhöhen müssen. Darüber hinaus
sieht der Standard praktische Erleichterungen vor, darunter
insbesondere die Verwendung einer Wertminderungsmatrix,
die Unternehmen bei der Ermittlung der Risikovorsorge für
kurzfristige Forderungen aus Lieferungen und Leistungen
helfen soll. Das neue Modell könnte jedoch bei der Bewertung
von langfristigen Forderungen aus Lieferungen und Leistun­
gen, Bankeinlagen und Schuldtiteln, die zu fortgeführten An­
schaffungskosten oder erfolgsneutral zum beizulegenden
Zeitwert bewertet werden, auch mit Schwierigkeiten verbun­
den sein. So wird beispielsweise ein Unternehmen, das über
ein großes Portfolio von Schuldtiteln verfügt, die es in Über­
einstimmung mit IAS 39 als zur Veräußerung verfügbar
eingestuft hat, diese Schuldtitel beim Übergang auf den
neuen Standard wahrscheinlich als erfolgsneutral zum bei­
zulegenden Zeitwert bewertet einstufen, wenn sie die Zah­
lungsstrombedingungen sowie die Kriterien bei der Über­
prüfung des Geschäftsmodells erfüllen. Für diese Schuldtitel
müsste das Unternehmen eine Risikovorsorge auf der Basis
der 12-Monats-ECL erfassen. Dies gilt selbst für Schuldtitel
mit einem erstklassigen Rating (z. B. Anleihen mit einem
AAA- oder AA-Rating).
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 |
15
1
Einführung
16
| EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9
1.4 Wesentliche Unterschiede gegenüber
dem Entwurf des FASB
Im Dezember 2012 hat das FASB einen Entwurf für das Accounting
Standard Update Financial Instruments – Credit Losses (Subtopic
825-15) veröffentlicht, der das gleiche grundsätzliche Problem be­
handelt wie das Expected-losses-Modell des IASB, nämlich die zu
späte bilanzielle Abbildung von Kreditausfällen infolge der Anwen­
dung des Incurred-losses-Modell. Im Sommer 2013 hat das FASB
seine Folgeberatungen zu dem Standardentwurf aufgenommen.
Der Standardentwurf des FASB (bzw. die durch entsprechende
Beschlüsse im Rahmen der Folgeberatungen aktualisierte Fassung
des Standardentwurfs) und das ECL-Modell des IASB unterschei­
den sich hauptsächlich in folgenden Punkten:
• Das vom FASB vorgeschlagene ECL-Modell wäre nicht auf
Schuldtitel anzuwenden, die erfolgsneutral zum beizulegen­
den Zeitwert bewertet werden (d. h. zur Veräußerung ver­
fügbare Wertpapiere gem. US-GAAP). Stattdessen beabsichtigt
das FASB, sein bestehendes Modell zur Erfassung nicht vorüber­
gehender Wertminderungen, das weiterhin auf derartige Wert­
papiere anzuwenden wäre, zu modifizieren.
• Für finanzielle Vermögenswerte, die bereits bei ihrem Erwerb
wertgemindert sind, schreibt das vom FASB vorgeschla­
gene Modell vor, dass Unternehmen den Kaufpreis zum Zeit­
punkt des Erwerbs um den Betrag der Risikovorsorge für
erwartete Forderungsausfälle erhöhen müssen. Dadurch
würde sich der Buchwert des Vermögenswerts um die zum
Erwerbszeitpunkt existierenden erwarteten Forderungsausfälle
erhöhen. Gleichzeitig würde jedoch eine entsprechende Risiko­
vorsorge für Forderungsausfälle erfasst, was zur Folge hätte,
dass der Nettobuchwert dem Kaufpreis entspricht.
• Das vom FASB vorgeschlagene Modell sieht ferner vor, die
Anwendung bislang angewendeter nicht periodengerechter
Bilanzierungspraktiken weiterhin zu gestatten (z. B. die Ein­
stellung der Erfassung von Zinserträgen unter bestimmten
Umständen ), anstatt für Schuldinstrumente, bei denen es Hin­
weise für eingetretene Kreditausfälle gibt, eine Methode zur
Erfassung der Nettozinserträge verpflichtend vorzuschreiben.
Das FASB wird seine Wertminderungsvorschriften voraussichtlich
2015 verabschieden.
• Das FASB hat vorgeschlagen, die erwarteten Forderungs­
ausfälle auf der Grundlage der aktuellen Schätzung der
vertraglich vereinbarten Cashflows, die das Unternehmen
aller Voraussicht nach nicht mehr vereinnahmen kann,
zu berechnen. Dies entspricht in etwa der Zielsetzung der Ge­
samtlaufzeit-ECL in IFRS 9 (obwohl es sein kann, dass die Ge­
samtlaufzeit-ECL in den beiden Modellen unterschiedlich bewer­
tet werden müssen). Das vom FASB vorgeschlagene Modell
sieht allerdings keine Erfassung von 12-Monats-ECL vor. Infolge­
dessen müssen Unternehmen bei Anwendung des vom FASB
favorisierten Modells im Gegensatz zu der gemäß IFRS 9 vor­
geschriebenen Ermittlung nicht bestimmen, ob sich die Kredit­
qualität signifikant verschlechtert hat.
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 |
17
2
2 Anwendungsbereich
Die Wertminderungsvorschriften des IFRS 9 sind auf die
­folgenden Vermögenswerte anzuwenden:
• finanzielle Vermögenswerte in Form von Schuldinstrumenten,
wie z. B. Kredite, Schuldverschreibungen, Bankguthaben und
-einlagen sowie Forderungen aus Lieferungen und Leistungen
(siehe Abschnitt 8), die zu fortgeführten Anschaffungskosten
bewertet werden
• finanzielle Vermögenswerte, in Form von Schuldinstrumenten,
die erfolgsneutral zum beizulegenden Zeitwert bewertet werden
(siehe Abschnitt 7)
• Leasingforderungen gemäß IAS 17 Leasingverhältnisse
(siehe Abschnitt 8)
• Kreditzusagen, die gemäß IFRS 9 nicht erfolgswirksam zum
beizulegenden Zeitwert bewertet werden (siehe Abschnitte 9
und 10). Kreditzusagen, die als erfolgswirksam zum beizule­
genden Zeitwert bewertete finanzielle Verbindlichkeiten einge­
stuft sind, und Kreditzusagen, die in bar oder durch Lieferung
oder Ausgabe eines anderen Finanzinstruments beglichen wer­
den können, fallen nicht in den Anwendungsbereich.
• Finanzgarantien, die gemäß IFRS 9 nicht erfolgswirksam zum
beizulegenden Zeitwert bewertet werden (siehe Abschnitt 9).
Finanzielle Verbindlichkeiten, die entstehen, wenn die Übertra­
gung eines finanziellen Vermögenswerts nicht zu einer Ausbu­
chung berechtigt oder die Bilanzierung unter Zugrundelegung
eines anhaltenden Engagements erfolgt, fallen nicht in den
Anwendungsbereich.
• aktive Vertragsposten (sog. contract assets), die in den Anwen­
dungsbereich von IFRS 15 Umsatzrealisierung aus Verträgen
mit Kunden fallen (siehe Abschnitt 8); IFRS 15 definiert einen
aktiven Vertragsposten als den Anspruch eines Unternehmens
auf Erhalt einer Gegenleistung im Tausch für Güter oder Dienst­
leistungen, die das Unternehmen auf einen Kunden übertragen
hat, wenn dieser Anspruch nicht vom Zeitablauf, sondern von
anderen Faktoren (z. B. der zukünftigen Leistung des Unterneh­
mens) abhängig ist.
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 |
19
3
3 Ansätze
Bei Anwendung der Wertminderungsvorschriften des IFRS 9 haben
Unternehmen einen der folgenden Ansätze zu befolgen:
• den allgemeinen Ansatz (siehe Abschnitt 3.1)
• ein vereinfachtes Verfahren (siehe Abschnitt 3.2)
• Verfahren für finanzielle Vermögenswerte, die bereits
bei Erwerb oder Ausreichung wertgemindert sind (siehe
Abschnitt 3.3)
3.1 Allgemeiner Ansatz
Nach dem allgemeinen Ansatz hat ein Unternehmen zu jedem Ab­
schlussstichtag eine Risikovorsorge für erwartete Kreditausfälle
entweder auf der Basis der 12-Monats-ECL oder der Gesamtlauf­
zeit-ECL zu erfassen. Dies richtet sich danach, ob sich das Kredit­
risiko für das Finanzinstrument seit dem erstmaligen Ansatz signifi­
kant erhöht hat. Änderungen in der Höhe der Risikovorsorge sind
als Wertaufholung oder Wertminderungsaufwand in der Gewinnund Verlustrechnung zu erfassen.
Die folgende Abbildung 3, die auf einer im Standard verwendeten
Abbildung basiert, fasst den Denkprozess hinsichtlich der Erfas­
sung und Bewertung von erwarteten Kreditausfällen zusammen.
Abbildung 3: Anwendung der Wertminderungsvorschriften zum Abschlussstichtag
Handelt es sich bei dem Finanzinstrument um einen bei Erwerb oder Aus­
reichung wertgeminderten finanziellen Vermögenswert (siehe Abschnitt 3.3)?
Ja
Nein
Kann das vereinfachte Verfahren für Forderungen aus Lieferungen und
Leistungen, aktive Vertragsposten und Leasingforderungen angewendet
werden (siehe Abschnitt 3.2)?
Ja
Nein
Besteht für das Finanzinstrument zum Abschlussstichtag ein geringes Kredit­
risiko (siehe Abschnitt 5.4)?
Ja
Nein
Nein
Hat sich das Kreditrisiko seit dem erstmaligen Ansatz signifikant erhöht
(siehe Abschnitt 5)?
Nein
Ja
Erfassung der Gesamtlaufzeit-ECL (siehe Abschnitt 4.1)
und
Anwendung des Effektivzins­
satzes auf den Bruttobuchwert
(siehe Abschnitt 3.1)
Nein
Ermittlung eines um die erwar­
teten Kreditausfälle adjustierten
­Effektivzinssatzes und Erfassung
einer Risikovorsorge für j­egliche
nachfolgende Änderungen der
­Gesamtlaufzeit-ECL
(siehe Abschnitt 3.3)
Handelt es sich bei dem Finanzinstrument um einen wertgeminderten
­finanziellen Vermögenswert (siehe Abschnitt 3.1)?
Ja
Wird das vereinfachte Verfahren für
geringe Kreditrisiken angewendet
(siehe Abschnitt 5.4)?
Ja
Erfassung der 12-Monats-ECL und
Effektivzinssatzes
Anwendung des Effektivitätszinsauf
denauf
Bruttobuchwert
satzes
den Bruttobuchwert
(siehe Abschnitt 4.2)
Anwendung des Effektivzinssatzes
auf die fortgeführten Anschaffungskosten, d. h. auf der B
­ asis
des Bruttobuchwerts abzüglich
der Risikovorsorge
(siehe ­Abschnitt 3.1)
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 |
21
3
Ansätze
Ein Unternehmen muss im Wesentlichen zu jedem Abschluss­
stichtag folgende Beurteilung vornehmen:
• Für Finanzinstrumente, deren Kreditrisiko sich seit dem erst­
maligen Ansatz nicht siginikant erhöht hat, hat ein Unternehmen
eine Risikovorsorge in Höhe der Kreditsausfälle zu erfassen,
deren Eintritt innerhalb der nächsten zwölf Monate erwartet wird
(12-Monats-ECL), d. h. für den Teil der über die Gesamtlauf­
zeit erwarteten Kreditausfälle, die aus Ausfallereignissen resul­
tieren, deren Eintritt innerhalb der nächsten zwölf Monate
nach dem Abschlussstichtag erwartet wird (Stufe 1 in der in
Abschnitt 1.2 dargestellten Abbildung).
• Für Finanzinstrumente, bei denen sich das Kreditrisiko auf indi­
vidueller oder auf Portfolioebene seit dem erstmaligen Ansatz
signifikant erhöht hat, hat ein Unternehmen eine Risikovorsorge
in Höhe der über die Gesamtlaufzeit erwarteten Kreditausfälle
(Gesamtlaufzeit-ECL) zu erfassen, d. h. für erwartete Kreditaus­
fälle, die aus allen potenziellen Ausfallereignissen während der
voraussichtlichen Laufzeit eines Finanzinstruments resultieren
(Stufen 2 und 3 in der in Abschnitt 1.2 dargestellten Abbildung).
• Wenn sich die Kreditqualität des Finanzinstruments in den Folge­
perioden so weit verbessert, dass keine wesentliche Erhöhung
des Kreditrisikos seit dem erstmaligen Ansatz mehr vorliegt,
kehrt das Unternehmen wieder zur Erfassung einer Risikovor­
sorge auf der Basis der 12-Monats-ECL zurück (der Ansatz ist
also symmetrisch).
Es ist unter Umständen nicht praktikabel, für jedes Finanzinstru­
ment einzeln zu bestimmen, ob sich das Kreditrisiko wesentlich
erhöht hat, da Erhöhungen in geringem Umfang, aber dafür in
großer Anzahl stattfinden können und möglicherweise keine Hin­
weise für das Eintreten von Kreditausfällen vorliegen. Infolge­dessen
kann es notwendig sein, erwartete Kreditausfälle auf Portfolio­
ebene zu beurteilen, um sich dem Ergebnis anzunähern, das sich
bei Verwendung umfassender Informationen zum Kreditrisiko
und zukunftsbezogener Informationen auf der Ebene des einzel­
nen Finanzinstruments ergeben würde (siehe Abschnitt 5.9).
Um Unternehmen die Beurteilung, ob sich das Kreditrisiko wesent­
lich erhöht hat, zu erleichtern, enthält IFRS 9 die folgenden Verein­
fachungen in der praktischen Anwendung:
• Schwellenwert für ein „geringes Ausfallrisiko“, das dem weltweit
verwendeten Bonitätsrating „Investment Grade“ entspricht
(siehe Abschnitt 5.4)
• Konzept der widerlegbaren Vermutung, dass sich das Ausfall­
risiko signifikant erhöht hat, wenn die vertraglich vereinbarten
Zahlungen mehr als 30 Tage überfällig sind (siehe Abschnitt 5.5)
• Verwendung der erwarteten Änderungen des 12-Monats-Aus­
fallrisikos als Näherungswert für die erwarteten Änderungen
des Ausfallrisikos über die Gesamtlaufzeit (siehe Abschnitt 5.6)
Die erläuternden Beispiele in IFRS 9 enthalten zudem die folgen­
den Vorschläge für die Anwendung des Expected-losses-Modells:
• Beurteilung auf der Ebene des Ausfallrisikos der Gegenpartei
(siehe Abschnitt 5.7)
• Festlegung eines Schwellenwerts für die Erfassung der Gesamt­
laufzeit-ECL durch Bestimmung des maximal akzeptierten
Ausfallrisikos für ein identisches Portfolio zum Zeitpunkt der
Ausgabe (siehe Abschnitt 5.8)
Auf den Stufen 1 und 2 werden
Zinsen und Wertminderungen
getrennt voneinander erfasst.
22
| EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9
Auf den Stufen 1 und 2 werden Zinsen und Wertminderungen ge­
trennt voneinander erfasst. Daher werden die Zinserträge auf der
Grundlage des Bruttobuchwerts berechnet (ohne Abzug der Risiko­
vorsorge). Wenn ein finanzieller Vermögenswert anschließend
in seinem Wert gemindert wird (Stufe 3 in der in Abschnitt 1.2 dar­
gestellten Abbildung), hat ein Unternehmen die Zinserträge zu
berechnen, indem es den Effektivzinssatz in den Folgeperioden auf
die fortgeführten Anschaffungskosten des finanziellen Vermö­
genswerts (d. h. den Bruttobuchwert abzüglich der Risikovorsorge)
anstatt auf dessen Bruttobuchwert anwendet. Bei der Beurtei­
lung, ob ein finanzieller Vermögenswert wertgemindert ist, werden
im Wesentlichen die gleichen Kriterien herangezogen wie bei der
Werthaltigkeitsprüfung eines einzelnen Vermögenswerts nach
IAS 39 (siehe Auflistung von Ausfallereignissen in Abschnitt 3.3).
Der vereinfachte Ansatz schreibt
die Erfassung einer Risikovorsorge
auf der Basis der GesamtlaufzeitECL direkt ab dem Zeitpunkt der
Ausreichung vor.
Wenn sich die Kreditqualität des finanziellen Vermögenswerts in
den Folgeperioden so verbessert, dass dieser nicht länger wert­
gemindert ist, und die Verbesserung objektiv auf den Eintritt eines
Ereignisses (z. B. eine Verbesserung des Bonitätsratings des
Kreditnehmers) zurückgeführt werden kann, sollte das Unterneh­
men die Zinserträge wiederum durch Anwendung des Effektiv­
zinssatz auf den Bruttobuchwert des finanziellen Vermögens­
werts berechnen.
Anwendungsbereich von IFRS 15 fallen, und die keine wesentli­
che Finanzierungskomponente enthalten oder wenn es die Aus­
nahmeregelung des IFRS 15 für Verträge mit einer Laufzeit von
maximal einem Jahr in Anspruch nimmt.
Sofern das Unternehmen nicht mehr realistisch erwartet, den finan­
ziellen Vermögenswert zu realisieren, hat es dessen Bruttobuch­
wert unmittelbar in voller Höhe zu verringern. Eine solche Abschrei­
bung stellt ein Ausbuchungsereignis dar (siehe Abschnitt 11.1).
3.2 Vereinfachtes Verfahren
Nach dem vereinfachten Verfahren muss ein Unternehmen die
Änderungen des Kreditrisikos nicht nachverfolgen. Stattdessen hat
es sowohl beim erstmaligen Ansatz als auch zu jedem nachfol­
genden Abschlussstichtag eine Risikovorsorge in Höhe der Gesamt­
laufzeit-ECL zu erfassen.1
Ein Unternehmen hat das vereinfachte Verfahren auf Forderun­
gen aus Lieferungen und Leistungen oder aktive Vertragsposten
anzuwenden, die aus Transaktionen resultieren, die in den
Ein aktiver Vertragsposten wird definiert als der Anspruch eines
Unternehmens auf Erhalt einer Gegenleistung im Tausch für Güter
oder Dienstleistungen, die das Unternehmen auf einen Kunden
übertragen hat, wenn dieser Anspruch nicht vom Zeitablauf, son­
dern von anderen Faktoren (z. B. der zukünftigen Leistung des
Unternehmens) abhängig ist. Laut den Erläuterungen in IFRS 15
handelt es sich bei Verträgen, die eine wesentliche Finanzierungs­
komponente enthalten, um Verträge, bei denen der vereinbarte
Zahlungszeitpunkt dem Kunden oder dem Unternehmen bei Über­
tragung der Güter oder Dienstleistungen auf den Kunden einen
erheblichen Vorteil im Hinblick auf die Finanzierung verschafft.
Daher hat das Unternehmen bei der Bestimmung des Trans­
aktionspreises die zugesagte Gegenleistung um den Zinseffekt an­
zupassen.2 Wenn das Unternehmen jedoch bei Vertragsbeginn
davon ausgeht, dass der Zeitraum zwischen der Übertragung der
zugesagten Güter oder Dienstleistungen auf den Kunden und der
Bezahlung dieser Güter oder Dienstleistungen durch den Kunden
maximal ein Jahr beträgt, kann ein Unternehmen aus Vereinfa­
chungsgründen darauf verzichten, die zugesagte Gegenleistung
um die Auswirkungen aus einer wesentlichen Finanzierungskom­
ponente anzupassen.
1 Siehe IFRS 9.5.5.15.
2 Siehe IFRS 15.60.
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 | 23
3
Ansätze
Unsere Sichtweise
Die Anwendung des vereinfachten Verfahrens auf Forderungen
aus Lieferungen und Leistungen und aktive Vertragsposten,
die keine wesentliche Finanzierungskomponente enthalten,
ist intuitiv sinnvoll. Insbesondere bei Forderungen aus Liefe­
rungen und Leistungen und aktiven Vertragsposten, die in
spätestens zwölf Monaten fällig werden, entsprechen die
12-Monats-ECL ohnehin den Gesamtlaufzeit-ECL.
Unternehmen können wählen, ob sie auf folgende Posten das
­vereinfachte Verfahren oder den allgemeinen Ansatz anwenden
möchten:
• alle Forderungen aus Lieferungen und Leistungen oder aktive
Vertragsposten, die aus Transaktionen resultieren, die in den
Anwendungsbereich von IFRS 15 fallen, und die eine wesent­
liche Finanzierungskomponente gemäß IFRS 15 enthalten; das
Bilanzierungswahlrecht kann auf Forderungen aus Lieferun­
gen und Leistungen und aktive Vertragsposten jeweils separat
angewendet werden (siehe Abschnitt 8.1)
• alle Leasingforderungen, die aus Transaktionen resultieren, die
in den Anwendungsbereich von IAS 17 fallen; das Bilanzierungs­
wahlrecht kann auf Forderungen aus Finanzierungs- und Ope­
rating-Leasingverhältnissen jeweils separat angewendet werden
(siehe Abschnitt 8.2)
Das IASB hat darauf hingewiesen, dass dieses Bilanzierungswahl­
recht die Vergleichbarkeit einschränkt. Das Board geht jedoch
davon aus, dass durch das Wahlrecht einige der praktischen Schwie­
rigkeiten bei der Nachverfolgung von Änderungen des Kredit­
risikos für Unternehmen, die über kein ausgereiftes Kreditrisiko­
managementsystem verfügen, behoben werden.
3.3 Erworbene oder ausgereichte wert­
geminderte finanzielle Vermögenswerte
Beim erstmaligen Ansatz eines finanziellen Vermögenswerts
hat ein Unternehmen festzustellen, ob der Vermögenswert wert­
gemindert ist.3
Ein finanzieller Vermögenswert gilt als wertgemindert, wenn eines
oder mehrere Ereignisse eingetreten sind, welche die geschätzten
künftigen Cashflows dieses finanziellen Vermögenswerts negativ
beeinflussen. Zu den Hinweisen, dass ein finanzieller Vermögens­
wert (bei Erwerb oder Ausreichung) wertgemindert ist, zählen
beobachtbare Daten über solche Ereignisse. IFRS 9 enthält eine
Auflistung von Ereignissen, die im Wesentlichen dem „Verlust­
ereignis“ gemäß IAS 39 bei der Beurteilung eines einzelnen Ver­
mögenswerts entsprechen:4
• erhebliche finanzielle Schwierigkeiten des Emittenten oder des
Kreditnehmers
• ein Vertragsbruch, z. B ein Zahlungsausfall oder Zahlungsverzug
• Zugeständnisse vonseiten des oder der Kreditgeber an den
­Kreditnehmer aufgrund wirtschaftlicher oder rechtlicher Gründe
im Zusammenhang mit den finanziellen Schwierigkeiten des
Kreditnehmers, die der Kreditgeber ansonsten nicht gewähren
würde
• eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass der Kreditnehmer in Insol­
venz geht oder ein sonstiges Sanierungsverfahren eröffnet
• das Verschwinden eines aktiven Marktes für diesen finanziellen
Vermögenswert aufgrund finanzieller Schwierigkeiten
• der Erwerb oder die Ausreichung eines finanziellen Vermögens­
werts mit einem hohen Disagio, das die eingetretenen Kredit­
ausfälle widerspiegelt
Möglicherweise kann das Unternehmen kein einzelnes auslösen­
des Ereignis identifizieren. Stattdessen kann der kombinierte Ef­
fekt mehrerer Ereignisse zu der Wertminderung des finanziellen
Vermögenswerts geführt haben.
3 Siehe IFRS 9.5.5.13.
4 Siehe IFRS 9, Anhang A.
24
| EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9
Ein wertgeminderter Vermögenswert wird wahrscheinlich mit
einem hohen Abschlag erworben. In Ausnahmefällen kann es vor­
kommen, dass ein Unternehmen einen wertgeminderten finan­
ziellen Vermögenswert ausreicht, z. B. nach einer umfassenden
Modifizierung eines notleidenden finanziellen Vermögenswerts,
die zur Ausbuchung des ursprünglichen finanziellen Vermögens­
werts geführt hat (siehe Abschnitt 6).
Finanzielle Vermögenswerte, die
bereits bei Erwerb oder Ausrei­
chung wertgemindert sind, sind
auf die gleiche Weise zu bilanzie­
ren wie nach IAS 39.
Bei finanziellen Vermögenswerten, die bereits bei Erwerb oder
Ausreichung als wertgemindert eingestuft werden, werden keine
12-Monats-ECL erfasst. Stattdessen ist ein um die erwarteten
Ausfälle adjustierter Effektivzinssatz zu verwenden, der die ur­
sprünglich über die Gesamtlaufzeit erwarteteten Kreditausfälle
widerspiegelt. Diese Bilanzierungsmethode ist die gleiche wie nach
IAS 39.5 Sie sollte daher ohne wesentliche System- oder Verfah­
rensentwicklungen angewendet werden können. Sie steht zudem
mit der ursprünglich im ED 2009 vorgeschlagenen Bewertungs­
methode für Wertminderungen in Einklang.
Unsere Sichtweise
Der Grund für die Nichterfassung einer Risikovorsorge für
12-Monats-ECL bei Erwerb oder Ausreichung wertgeminderter
Vermögenswerte besteht darin, dass diese Ausfälle bereits
im beizulegenden Zeitwert beim erstmaligen Ansatz berück­
sichtigt sind. Die gleiche Logik ließe sich auch auf alle anderen
nicht wertgeminderten finanziellen Vermögenswerte mit dem
Argument übertragen, dass diese bei ihrem erstmaligen Ansatz
ebenfalls mit dem beizulegenden Zeitwert, der die Erwartun­
gen bezüglich zukünftiger Ausfälle widerspiegelt, bewertet wer­
den. Diese Unterscheidung wird gemacht, weil die Doppelbe­
rücksichtigung der 12-Monats-ECL beim erstmaligen Ansatz für
Vermögenswerte mit einem derart hohen Kreditrisiko einen
zu hohen Betrag ergäbe und die Nichtberücksichtigung der
ursprünglichen erwarteten Kreditausfälle bei der Ermittlung
des Effektivzinssatzes zu einer nicht mehr akzeptablen Verzer­
rung führen würde.
Für finanzielle Vermögenswerte, die bereits bei Erwerb oder Aus­
reichung wertgemindert waren, hat ein Unternehmen in späteren
Berichtsperioden Folgendes zu erfassen:
• eine Risikovorsorge in Höhe der kumulativen Änderungen der
Gesamtlaufzeit-ECL seit dem erstmaligen Ansatz
• den Betrag, um den sich die Gesamtlaufzeit-ECL geändert
­haben, als Wertaufholung oder Wertminderungsaufwand in der
Gewinn- und Verlustrechnung. Eine Wertaufholung wird dann
erfasst, wenn vorteilhafte Änderungen dazu führen, dass die
geschätzte Höhe der Gesamtlaufzeit-ECL unter den ursprüng­
lichen Schätz­wert sinkt, der bei der Berechnung des um die er­
warteten Kreditausfälle angepassten Effektivzinssatzes zum
Zeitpunkt des erstmaligen Ansatzes in den geschätzten Cash­
flows berücksichtigt wurde.
5 Siehe IAS 39.AG5.
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 | 25
3
Ansätze
Bei der Berechnung der Zinserträge für erworbene oder ausge­
reichte wertgeminderte Vermögenswerte hat der Inhaber den um
die erwarteten Kreditausfälle angepassten Effektivzinssatz ab
dem Zeitpunkt des erstmaligen Ansatzes auf die fortgeführten
Anschaffungskosten (d. h. auf der Basis des Bruttobuchwerts
­abzüglich der Risikovorsorge) dieser finanziellen Vermögenswerte
anzuwenden. Der zum Zeitpunkt des erstmaligen Ansatzes auf
der Basis der zum Ansatzzeitpunkt erwarteten Rückzahlungen
­ermittelte und um erwartete Kreditausfälle angepasste Effektiv­
zinssatz wird darüber hinaus dazu verwendet, Änderungen der
erwarteten Kreditausfälle zu bemessen (siehe Abschnitt 4.5.).
Neben den anderen Angabepflichten zum Kreditrisiko (siehe Ab­
schnitt 12) hat der Inhaber solcher Finanzinstrumente im Anhang
zusätzlich zu erläutern, wie er zu dem Schluss gelangt ist, dass
die Vermögenswerte wertgemindert sind. Dies schließt Erläuterun­
gen zu den verwendeten Inputdaten, Annahmen und Schätzver­
fahren mit ein. Darüber hinaus ist der Gesamtbetrag der zum Zeit­
punkt des erstmaligen Ansatzes nicht abgezinsten erwarteten
Kreditausfälle für während der Berichtsperiode erstmalig erfasste,
bei Erwerb oder Ausreichung bereits wertgeminderte finanzielle
Vermögenswerte offenzulegen.
Die Bilanzierung für solche finanziellen Vermögenswerte soll
anhand des folgenden Beispiels verdeutlicht werden.
Beispiel 3-1: Berechnung des um erwartete Kreditausfälle angepassten Effektivzinssatzes und Erfassung einer Risikovorsorge
für ­finanzielle Vermögenswerte, die bei Erwerb wertgemindert sind
Am 1. Januar 2009 hat Unternehmen D eine Anleihe ausgegeben, für die es jährlich rückwirkend Zinsen in Höhe von WE 800 zu zahlen
hat. Der Nennwert der Anleihe in Höhe von WE 10.000 ist am 31. Dezember 2018 zurückzuzahlen. Im Geschäftsjahr 2014 hatte Unter­
nehmen D erhebliche finanzielle Schwierigkeiten und war nicht in der Lage, die am 31. Dezember 2014 fälligen Zinsen zu zahlen. Am
1. Januar 2015 geht Unternehmen V davon aus, dass der Inhaber dieser Anleihe Ende 2016 mit einer einmaligen Zahlung in Höhe von
WE 4.000 rechnen kann. Es erwirbt die Anleihe zu einem marktüblichen Preis von WE 3.000. Unternehmen V entscheidet, dass das
Schuldinstrument aufgrund der erheblichen finanziellen Schwierigkeiten von Unternehmen D und des hohen Abschlags beim erstmali­
gen Ansatz wertgemindert ist.
Bei Verwendung der vertraglich vereinbarten Cashflows (einschließlich der überfälligen WE 800) ergibt sich ein Effektivzinssatz von
70,1 % (der Nettobarwert der jetzt und bis 2018 jährlich zu zahlenden WE 800 sowie der Ende 2018 zu begleichenden Forderung von
WE 10.000 beträgt bei einer Abzinsung um 70,1 % WE 3.000). Da die Anleihe jedoch wertgemindert ist, hat Unternehmen V den Effek­
tivzinssatz unter Verwendung der geschätzten Cashflows aus dem Schuldinstrument zu berechnen. In diesem Fall beträgt der Effektiv­
zinssatz 15,5 % (der Nettobarwert der in zwei Jahren erwarteten WE 4.000 beträgt bei einer Abzinsung um 15,5 % WE 3.000).
Bei ansonsten identischen Bedingungen würde Unternehmen V im Verlauf von 2015 Zinserträge aus dem Instrument in Höhe von
WE 464 (WE 3.000 × 15,5 %) erfassen und der Buchwert des Schuldinstruments würde zum Jahresende WE 3.464 (WE 3.000 +
WE 464) betragen. Wenn sich die auf der Basis angemessener und belastbarer Informationen erwarteten Cashflows aus dem Schuld­
instrument zum Jahresende jedoch beispielsweise auf WE 4.250 erhöhen (deren Erhalt nach wie vor Ende 2016 erwartet wird),
müssten die fortgeführten Anschaffungskosten des Vermögenswerts angepasst werden. Infolgedessen würde der Buchwert des
­Vermögenswerts auf WE 3.681 (WE 4.250 über ein Jahr mit 15,5 % abgezinst) steigen und es wäre eine Wertaufholung in Höhe von
WE 217 in der Gewinn- und Verlustrechnung zu erfassen.
26
| EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9
Für wertgeminderte Vermögens­
werte wird der Effektivzinssatz
um die erwarteten Kreditaus­fälle
ange­passt.
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 | 27
4
4 Bewertung erwarteter Kreditausfälle
Der Standard definiert Kreditausfälle als Differenz zwischen der
Summe der vertraglich vereinbarten Cashflows und der Summe
der Cashflows, deren Erhalt das Unternehmen erwartet (d. h. unter
Berücksichtigung der erwarteten Zahlungsausfälle), abgezinst
mit dem ursprünglichen Effektivzinssatz (oder, bei finanziellen
Vermögenswerten, die bereits bei Erwerb oder Ausreichung wert­
gemindert sind, mit dem um erwartete Kreditausfälle angepass­
ten Effektivzinssatz). Bei der Schätzung der Cashflows hat ein
Unternehmen Folgendes zu berücksichtigen:
• sämtliche Vertragsbedingungen des Finanzinstruments (ein­
schließlich Vorfälligkeits-, Verlängerungs-, Call- und ähnlicher
Optionen) über die erwartete Laufzeit (siehe Abschnitt 4.3);
in seltenen Fällen, wenn die erwartete Laufzeit des Finanz­
instruments nicht verlässlich geschätzt werden kann, muss ein
Unternehmen jedoch die vertragliche Restlaufzeit des Finanz­
instruments verwenden
4.1 Über die Gesamtlaufzeit erwartete
Kreditausfälle (Gesamtlaufzeit-ECL)
IFRS 9 definiert die Gesamtlaufzeit-ECL als erwartete Kreditaus­
fälle, die aus allen möglichen Ausfallereignissen während der
erwarteten Laufzeit eines Finanzinstruments resultieren (d. h.,
ein Unternehmen muss das Risiko beurteilen, dass es während
der erwarteten Laufzeit des Finanzinstruments zu einem Ausfall
kommt). Gesamtlaufzeit-ECL sind anhand des Barwerts aller
über die erwartete Restlaufzeit des finanziellen Vermögenswerts
zu erwartenden Zahlungsausfälle zu schätzen, d. h. der Differenz
zwischen
• den vertraglich vereinbarten Cashflows, die vertragsgemäß an
das Unternehmen zu zahlen sind, und
• den Cashflows, deren Erhalt der Inhaber erwartet.
• Cashflows aus dem Verkauf der gehaltenen Sicherheiten
(siehe Abschnitt 4.6) oder anderer Bonitätsverbesserungen,
die wesentlicher Bestandteil der Vertragsbedingungen sind
Des Weiteren definiert der Standard erwartete Kreditausfälle als
gewichteter Durchschnitt von Kreditausfällen, wobei die jeweiligen
Ausfallrisiken bei der Gewichtung zugrunde zu legen sind.
Der Standard schreibt für die Schätzung der erwarteten Kredit­
ausfälle keine spezifischen Methoden vor, hebt jedoch hervor,
dass der verwendete Ansatz Folgendes berücksichtigen muss:6
• einen unverfälschten und wahrscheinlichkeitsgewichteten
­Betrag, der durch die Beurteilung einer Bandbreite möglicher
Ergebnisse ermittelt wird (siehe Abschnitt 4.4)
• den Zeitwert des Geldes (siehe Abschnitt 4.5)
• angemessene und belastbare Informationen über vergangene
Ereignisse, aktuelle Gegebenheiten und Prognosen zukünftiger
wirtschaftlicher Rahmenbedingungen, die ohne einen unverhält­
nismäßig hohen Kosten- oder Arbeitsaufwand zum Abschluss­
stichtag zur Verfügung stehen (siehe Abschnitt 4.7).
Da bei der Ermittlung der erwarteten Kreditausfälle sowohl der
Betrag als auch der Zeitpunkt der Zahlungen zu berücksichtigen
sind, tritt ein Kreditausfall auch dann ein, wenn der Inhaber er­
wartet, alle fälligen vertraglich vereinbarten Zahlungen erst zu
­einem späteren Zeitpunkt zu erhalten.
Da erwartete Kreditausfälle
sowohl den Betrag als auch den
Zeitpunkt der Zahlungen berück­
sichtigen, tritt ein Kreditausfall
auch dann ein, wenn der Inhaber
erwartet, alle fälligen vertraglich
vereinbarten Zahlungen erst
zu einem späteren Zeitpunkt zu
erhalten.
6 Siehe IFRS 9.5.5.17.
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 | 29
4
Bewertung erwarteter Kreditausfälle
Bei der Schätzung der Gesamtlaufzeit-ECL für nicht in Anspruch
genommene Kreditzusagen (siehe Abschnitt 9) muss die Partei,
welche die Zusage macht,
• den Teil des zugesagten Kreditbetrags, der während der
­erwarteten Laufzeit der Kreditzusage voraussichtlich in
­Anspruch genommen wird, schätzen (siehe Abschnitt 4.2
zu den 12-Monats-ECL) und
• den Barwert der zu erwartenden Zahlungsausfälle als Differenz
zwischen den vertraglich vereinbarten Cashflows, die an das
Unternehmen zu zahlen sind, wenn der Inhaber der Kreditzusage
diesen erwarteten Teil des Kredits in Anspruch nimmt, und
den Cashflows, deren Erhalt das Unternehmen erwartet, wenn
dieser erwartete Teil des Kredits in Anspruch genommen wird,
berechnen.
Bei Finanzgarantien (siehe Abschnitt 9) muss der Garantiegeber
nur bei einem Ausfall des Schuldners Zahlungen gemäß den Be­
dingungen des garantierten Finanzinstruments leisten. Infolgedes­
sen würde die Schätzung der Gesamtlaufzeit-ECL auf dem Bar­
wert der erwarteten Zahlungen basieren, mit denen der Inhaber
für einen eingetretenen Kreditausfall entschädigt wird, abzüglich
der Beträge, deren Erhalt der Garantiegeber vom Inhaber,
Unsere Sichtweise
Die 12-Monats-Risikovorsorge ist zwar höher als die für jedes einzelne Finanzinstrument nach dem erstmaligen Ansatz erforderliche
Risikovorsorge. Da sie jedoch nicht weiter erhöht wird (außer bei Änderungen der 12-Monats-ECL), solange kein signifikanter
Anstieg des Kreditrisikos für das Finanzinstrument zu verzeichnen ist, ist die Gesamtrisikovorsorge für ein Portfolio von Finanzinstru­
menten (in etwa) genauso hoch wie bei Anwendung eines konzeptionell robusteren Ansatzes. Zwar gibt es keine konzeptionelle
Rechtfertigung für eine Risikovorsorge auf der Basis der 12-Monats-ECL, doch stellt die Schaffung eines angemessenen Ausgleichs
zwischen der glaubwürdigen Darstellung des wirtschaftlichen Gehalts einer Transaktion und den Implementierungskosten eine prag­
matische Lösung dar.
Obgleich die zwölf Monate etwas willkürlich gewählt sind, handelt es sich dabei um den gleichen Zeitraum, wie er bei der komplexeren
Berechnung des regulatorischen Eigenkapitals von Banken nach Basel II verwendet wird. Es bleibt jedoch festzuhalten, dass das
12-Monats-Kriterium gemäß IFRS 9 immer von dem für die Zwecke der Berechnung des regulatorischen Kapitals verwendeten Zeit­
raum abweichen wird. Der Grund hierfür ist, dass es sich bei dem Kriterium in IFRS 9 um eine zeitpunktbezogene (point-in-time)
Schätzung handelt, in die aktuelle wirtschaftliche Prognosen (siehe Abschnitt 4.7.3) einfließen, während sich das Basel-II-Kriterium
auf zyklusbezogene (through-the-cycle) Ausfallerwartungen sowie konservative Schätzungen von Verlusten infolge von Zahlungs­
ausfällen stützt. Banken, die für die Berechnung ihrer Eigenkapitalanforderungen einen fortgeschrittenen Ansatz verwenden, dürften
jedoch in der Lage sein, ihre bestehenden Systeme und Methodologien einzusetzen und die notwendigen Anpassungen vorzuneh­
men, um die Berechnung gemäß den Anforderungen des IFRS 9 durchzuführen.
Inwieweit das 12-Monats- und das Gesamtlaufzeit-ECL-Modell einen konzeptionell reineren Ansatz „ersetzen“ können, hängt von der
Art des Portfolios ab. Auch wird sich die Erfassung von 12-Monats-ECL in der ersten Berichtsperiode, in der ein Finanzinstrument
angesetzt wird, nicht wesentlich auf das Periodenergebnis auswirken, wenn der Umfang des Portfolios von einer Berichtsperiode zur
nächsten gleich bleibt. Durch die Risikovorsorge für 12-Monats-ECL wird sich jedoch das Periodenergebnis von Unternehmen, die ihr
Portfolio erweitern, verringern.
30
| EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9
Schuldner oder einem sonstigen Dritten erwartet. Wenn der Ver­
mögenswert in voller Höhe garantiert wird, würde die ECL-Schät­
zung für die Finanzgarantie genauso hoch ausfallen wie die Schät­
zung der erwarteten Zahlungsausfälle für den garantierten
Vermögenswert.
4.2 In den nächsten zwölf
Monaten erwartete Kreditausfälle
(12-Monats-ECL)
12-Monats-ECL sind der Teil
der Gesamtlaufzeit-ECL, der aus
Ausfallereignissen resultiert,
die innerhalb der nächsten zwölf
Monate eintreten können,
gewichtet nach der Eintrittswahr­
scheinlichkeit dieses Ausfalls.
12-Monats-ECL werden definiert als der Teil der Gesamtlaufzeit-ECL,
der aus Ausfallereignissen bei einem Finanzinstrument resultiert,
die innerhalb von zwölf Monaten nach dem Abschlussstichtag ein­
treten können. Der Standard erläutert weiter, dass die 12-MonatsECL den Teil der Gesamtlaufzeit-ECL darstellen, der sich ergibt,
wenn innerhalb von zwölf Monaten nach dem Abschlussstichtag
(oder einem kürzeren Zeitraum, wenn die erwartete Laufzeit
­eines Finanzinstruments weniger als zwölf Monate beträgt) ein
Ausfall eintritt, gewichtet mit der Eintrittswahrscheinlichkeit die­
ses Ausfalls. Die Definition von 12-Monats-ECL ähnelt der vom
Baseler Ausschuss verwendeten Definition für einen erwarteten
Kreditausfall.
Da die Berechnung auf der Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls ba­
siert, hebt der Standard hervor, dass die 12-Monats-ECL nicht
den Gesamtlaufzeit-ECL entsprechen, die einem Unternehmen im
Zusammenhang mit Finanzinstrumenten entstehen, deren Aus­
fall in den nächsten zwölf Monaten erwartet wird (d. h. bei denen
die Ausfallwahrscheinlichkeit in den nächsten zwölf Monaten mehr
als 50 Prozent beträgt). Beispielsweise kann die Ausfallwahr­
scheinlichkeit lediglich 25 Prozent betragen. In diesem Fall wäre
dieser Wert als Grundlage für die Berechnung der 12-Monats-ECL
heranzuziehen, obwohl es nicht wahrscheinlich ist, dass es bei
dem Vermögenswert zu einem Ausfall kommen wird. Des Weiteren
entsprechen die 12-Monats-ECL nicht den für die nächsten zwölf
Monate erwarteten Zahlungsausfällen. Bei Vermögenswerten, bei
denen ein Ausfall eingetreten ist, sind die Gesamtlaufzeit-ECL in
der Regel deutlich höher als die Cashflows, die vertragsgemäß in
den nächsten zwölf Monaten fällig werden.
Bei nicht in Anspruch genommenen Kreditzusagen (siehe Ab­
schnitt 9) hat ein Unternehmen seine Schätzung der 12-MonatsECL auf der Grundlage seiner Erwartungen hinsichtlich des Teils
der Kreditzusage vorzunehmen, der voraussichtlich innerhalb von
zwölf Monaten nach dem Abschlussstichtag in Anspruch genom­
men wird (siehe Abschnitt 4.1).
Wie bereits in Abschnitt 1.2 erwähnt, stehen die 12-Monats-ECL
nach Auffassung des IASB sellvertretend für die ratierliche Erfassung
der anfänglich erwarteten Kreditausfälle über einen bestimmten
Zeitraum, wie im ED 2009 vorgeschlagen, und verringern die sys­
tematische Überbewertung von Zinserträgen, die gemäß IAS 39
zu erfassen sind. Diese praktische Annäherung war nach Abschluss
der Folgeberatungen zum ED 2009 aufgrund der Entscheidung,
die Bewertung und Zuordnung der ursprünglichen erwarteten Kre­
ditausfälle von der Festlegung des Effektivzinssatzes zu trennen,
notwendig geworden.
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 |
31
4
Bewertung erwarteter Kreditausfälle
4.2.1 Definition des Begriffs „Ausfallereignis“ (default)
Der Standard enthält keine Definition des Begriffs „Ausfallereig­
nis“ und der Begriff dient auch nicht dem Zweck, das Risiko eines
Ausfalls in den nächsten zwölf Monaten zu bestimmen. Verschie­
dene Institutionen haben in ihren Definitionen für den Eintritt eines
Ausfallereignisses jeweils unterschiedliche Zeitpunkte, z. B. überfäl­
lig nach 30, 90 oder 180 Tagen, festgelegt. Daher hatte das IASB
Bedenken, dass eine eigene Definition des Begriffs möglicherweise
nicht mit der von einem Unternehmen für die Zwecke des Kredit­
risikomanagements verwendeten Definition in Einklang stehen
könnte. Deshalb schreibt der Standard vor, dass ein Unternehmen
eine Definition zu verwenden hat, die mit der für die Zwecke sei­
nes Kreditrisikomanagements verwendeten Definition überein­
stimmt, und diese Definition konsequent auf alle Berichtsperioden
anzuwenden hat. Das heißt: Ein Unternehmen muss möglicher­
weise für unterschiedliche Arten von Finanzinstrumenten unter­
schiedliche Definitionen eines Ausfallrisikos verwenden. Der Stan­
dard macht jedoch deutlich, dass Unternehmen neben der Anzahl
der Tage, die Forderungen überfällig sind, gegebenenfalls auch
qualitative Ausfallindikatoren (z. B. Verstöße gegen sog. covenants)
in Betracht ziehen müssen.7
Es gilt die widerlegbare Vermu­
tung, dass ein Ausfallereignis
spätestens dann vorliegt, wenn
ein finanzieller Vermögenswert
90 Tage überfällig ist.
7 Siehe IFRS 9.B5.5.37.
32
| EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9
Das IASB war ursprünglich nicht davon ausgegangen, dass sich
die unterschiedlichen Definitionen eines Ausfallereignisses auf die
Berechnung erwarteter Kreditausfälle auswirken, da die Art und
Weise, wie ein Unternehmen den Begriff „Ausfallereignis“ interpre­
tiert, und die sich aus dieser Definition ergebenden Kreditausfälle
miteinander korrelieren. Wenn ein Unternehmen beispielsweise
eine kürzere Fälligkeitsperiode von 30 statt 60 Tagen verwendet,
verringern sich die betreffenden Gesamtlaufzeit-ECL entsprechend,
da davon ausgegangen werden kann, dass mehr Kreditnehmer,
die mit ihren Zahlungen seit mindestens 30 Tagen überfällig sind,
in absehbarer Zeit wieder zahlungsfähig sein werden.
Das Konzept des „Ausfallereignisses“ ist für die Anwendung des
Modells jedoch von grundlegender Bedeutung, insbesondere
da es sich auf den Teil der Kredite auswirkt, der auf der Basis der
12-Monats-ECL bewertet wird. Der Standard schränkt die aus
diesem Effekt resultierende Diversität durch das Kriterium der
­widerlegbaren Vermutung ein, dass ein Ausfallereignis spätestens
dann vorliegt, wenn ein finanzieller Vermögenswert 90 Tage über­
fällig ist. Diese Vermutung kann nur widerlegt werden, wenn ein
Unternehmen über angemessene und belastbare Informationen
verfügt, die ein alternatives Ausfallkriterium unterstützen. Eine
Definition eines Ausfallereignisses, wonach ein Vermögenswert
spätestens nach 90 Tagen überfällig ist, stünde (mit einigen weni­
gen Ausnahmen) außerdem mit der Definition in Einklang, die
Banken für die komplexere Berechnung des regulatorischen Eigen­
kapitals nach Basel II verwenden.
4.2.2 Ermittlung von 12-Monats-ECL auf der Grundlage eines
auf Ausfallquoten basierenden Ansatzes (loss rate approach)
Nicht jedes Unternehmen berechnet für jedes Finanzinstrument
sowohl die Ausfallwahrscheinlichkeiten als auch die Verluste infolge
von Zahlungsausfällen. Stattdessen wird vielfach ein sog. Lossrate-Ansatz verwendet. Bei diesem Ansatz erstellt das Unterneh­
men Ausfallstatistiken. Dabei wird der über die Laufzeit der finan­
ziellen Vermögenswerte abgeschriebene Betrag zugrunde gelegt.
Anschließend muss es diese historischen Ausfalltrends um aktu­
elle Gegebenheiten und Erwartungen bezüglich künftiger Entwick­
lungen anpassen. Das folgende Beispiel soll veranschaulichen,
wie ein Unternehmen 12-Monats-ECL unter Anwendung eines
Loss-rate-Ansatzes zu ermitteln hat.
Auszug aus IFRS 9
Beispiel 9: Bewertung von 12-Monats-ECL auf der Grundlage eines Loss-rate-Ansatzes (IFRS 9.IE53-IE57)
Bank A reicht 2.000 endfällige Darlehen mit einem Bruttobuchwert von insgesamt WE 500.000 aus. Die Bank untergliedert ihr Portfolio
in Schuldnerkategorien (Gruppen X und Y). Gliederungskriterium sind die gemeinsamen Kreditrisikomerkmale beim erstmaligen An­
satz. Gruppe X umfasst 1.000 Kredite mit einem Bruttobuchwert je Kunde von WE 200. Daraus ergibt sich ein Gesamtbruttobuchwert in
Höhe von WE 200.000. Gruppe Y umfasst 1.000 Kredite mit einem Bruttobuchwert je Kunde von WE 300. Daraus ergibt sich ein Gesamt­
bruttobuchwert in Höhe von WE 300.000. Es fallen keine Transaktionskosten an und die Kreditverträge sehen keine Optionen (z. B. Vor­
fälligkeits- oder Call-Optionen), Zu- oder Abschläge, gezahlten oder erhaltenen Entgelte oder sonstigen Gebühren vor.
Bank A ermittelt die erwarteten Kreditausfälle für die Gruppen X und Y mithilfe eines Loss-rate-Ansatzes. Zur Ermittlung der Ausfallquoten
stützt sich Bank A auf Stichproben bezüglich ihrer eigenen historischen Erfahrungswerte zu Ausfällen und Verlusten für diese Arten
von Finanzinstrumenten. Darüber hinaus berücksichtigt Bank A zukunftsbezogene Informationen und aktualisiert ihre historischen
­Informationen durch aktuelle wirtschaftliche Daten sowie angemessene und belastbare Prognosen zukünftiger wirtschaftlicher Rah­
menbedingungen. Bei einer Grundgesamtheit von 1.000 Krediten pro Gruppe lag die Ausfallquote in der Vergangenheit für Kredite der
Gruppe X bei 0,30 % (basierend auf vier Ausfällen) und für Kredite der Gruppe Y bei 0,15 % (basierend auf zwei Ausfällen).
Anzahl von
Kunden in der
Stichprobe
Geschätzter
Brutto­buchwert je
Kunde bei Fälligkeit
Gesamter geschätzter
Bruttobuchwert bei
Fälligkeit
Historische
durchschnittliche
Ausfälle pro Jahr
Geschätzter
Gesamtbruttobuch­
wert bei Ausfall
Barwert der
beobachteten
Ausfälle (a)
Ausfallquote
Gruppe
A
B
C=A×B
D
E=B×D
F
G=F:C
X
1.000
WE 200
WE 200.000
4
WE 800
WE 600
0,30 %
Y
1.000
WE 300
WE 300.000
2
WE 600
WE 450
0,15 %
(a) G
emäß IFRS 9.5.5.17(b) sind die erwarteten Kreditausfälle mit dem Effektivzinssatz abzuzinsen. Für die Zwecke dieses Beispiels wird jedoch der Barwert des beobachteten
Ausfalls zugrunde gelegt.
Am Abschlussstichtag rechnet Bank A, verglichen mit der historischen Ausfallquote, mit einer Zunahme der Ausfälle über die nächsten
zwölf Monate. Aufgrund dessen erwartet Bank A für die Kredite der Gruppe X innerhalb der nächsten zwölf Monate fünf Ausfälle und
für die Kredite der Gruppe Y drei Ausfälle. Sie geht davon aus, dass der Barwert der beobachteten Kreditausfälle je Kunde weiterhin den
historischen Ausfällen je Kunde entsprechen wird.
Bank A bestimmt auf der Grundlage der erwarteten Laufzeit der Kredite, dass die erwartete Zunahme der Ausfälle keine signifikante
Erhöhung des Kreditrisikos für die Portfolios seit dem erstmaligen Ansatz darstellt. Sie bewertet die Risikovorsorge auf der Grundlage ihrer
Prognosen mit einem Betrag, der den 12-Monats-ECL für die 1.000 Kredite in jeder Gruppe (d. h. WE 750 bzw. WE 675) entspricht.
Daraus ergibt sich im ersten Jahr eine Ausfallquote von 0,375 % für Gruppe X und von 0,225 % für Gruppe Y.
Anzahl von
Kunden in der
Stichprobe
Geschätzter
Brutto­buchwert je
Kunde bei Fälligkeit
Gesamter geschätzter
Bruttobuchwert bei
Fälligkeit
Erwartete
Ausfälle
Geschätzter
Gesamtbruttobuch­
wert bei Fälligkeit
Barwert der
beobachteten
Ausfälle
Ausfallquote
Gruppe
A
B
C=A×B
D
E=B×D
F
G=F:C
X
1.000
WE 200
WE 200.000
5
WE 1.000
WE 750
0,375 %
Y
1.000
WE 300
WE 300.000
3
WE 900
WE 675
0,225 %
Bank A verwendet die Ausfallquoten von 0,375 % und 0,225 %, um die 12-Monats-ECL für neue, während des Jahres ausgereichte Kredite
in Gruppe X und Gruppe Y, bei denen sich das Kreditrisiko seit dem erstmaligen Ansatz nicht wesentlich erhöht hat, zu schätzen.
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 | 33
4
Bewertung erwarteter Kreditausfälle
Unsere Sichtweise
Das Beispiel verdeutlicht, dass ein Unternehmen bei Anwendung
des Loss-rate-Ansatzes seine Ausfallquoten berechnen würde,
indem es sein Portfolio anhand gemeinsamer Kreditrisikomerk­
male in angemessene Kategorien (oder Unterportfolios) unter­
teilt und anschließend seine historischen Ausfallinformationen
durch zukunftsbezogene Informationen aktualisiert. Die Aus­
fallquote wurde einfach durch Ermittlung des Verhältnisses
zwischen dem Barwert der beobachteten Ausfälle (Zähler)
und dem Bruttobuchwert der Kredite (Nenner) abgeleitet. Zwar
ist das Vorliegen einer konkreten Ausfallwahrscheinlichkeit
keine notwendige Voraussetzung, doch muss das Unternehmen
die Anzahl der Ausfälle schätzen, um zu bestimmen, ob sich das
Kreditrisiko siginfikant erhöht hat (siehe Abschnitt 5).
Erwartete Kreditausfälle sind mit dem Effektivzinssatz abzu­
zinsen. Im vorliegenden Beispiel wurde jedoch der Barwert des
beobachteten Ausfalls zugrunde gelegt.
Wir weisen darauf hin, dass das Beispiel nicht den Top-downAnsatz bei einer Verschlechterung der Kreditqualität berück­
sichtigt, der anzuwenden wäre, wenn die Beurteilung auf Port­
folioebene vorgenommen würde (siehe Abschnitt 5.9).
Bei der Bewertung erwarteter
Kreditausfälle ist die maximale
Vertragslaufzeit zugrunde zu
legen, während der das Unter­
nehmen dem Kreditrisiko aus­
gesetzt ist.
34
| EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9
4.3 Erwartete Laufzeit versus
Vertragslaufzeit
Bei der Bewertung der erwarteten Kreditausfälle haben Unterneh­
men die maximale Vertragslaufzeit zugrunde zu legen (einschließ­
lich Verlängerungsoptionen), während der das Unternehmen dem
Kreditrisiko ausgesetzt ist. Solche Verlängerungsoptionen werden
gewöhnlich dem Kreditnehmer eingeräumt.
Bei Kreditzusagen und Finanzgarantien entspricht der Zeitraum,
für den die erwarteten Ausfälle zu bemessen sind, der maximalen
Vertragslaufzeit, in der für das Unternehmen eine gegenwärtige
vertragliche Verpflichtung zur Kreditgewährung besteht. Bei revol­
vierenden Kreditfazilitäten (z. B. Kreditkarten und Kontokorrent­
kredite) geht dieser Zeitraum jedoch über die Vertragslaufzeit
hinaus und schließt den Zeitraum mit ein, in dem ein Unternehmen
voraussichtlich dem Kreditrisiko ausgesetzt sein wird (Abschnitt 10).
Dieser Zeitraum ist auf der Grundlage historischer Erfahrungswerte
zu schätzen.
Erwartete Kreditausfälle sind
eine wahrscheinlichkeitsgewich­
tete Schätzung von Kreditaus­
fällen über die erwartete Laufzeit
des Finanzinstruments.
4.4 Wahrscheinlichkeitsgewichtete
Berechnung
Die erwarteten Kreditausfälle sind eine wahrscheinlichkeitsgewich­
tete Berechnung von Kreditausfällen, die voraussichtlich über die
erwartete Laufzeit des Finanzinstruments eintreten werden, d. h.
der gewichtete Durchschnitt von Kreditausfällen, wobei für die
Gewichtung die jeweiligen Ausfallrisiken zugrunde gelegt werden.
Bei der Bewertung von erwarteten Kreditausfällen muss ein Unter­
nehmen eine Bandbreite möglicher Ergebnisse beurteilen, um
daraus einen unverfälschten und wahrscheinlichkeitsgewichteten
Betrag abzuleiten. Dies beinhaltet die Identifizierung möglicher
Szenarien, in denen Folgendes festgelegt ist:
Kreditausfälle sind mit einem
approximierten Effektivzinssatz
abzuzinsen.
• die Höhe und der Zeitpunkt der Cashflows bei bestimmten
Ergebnissen
• die geschätzte Wahrscheinlichkeit dieser Ergebnisse
Zwar muss ein Unternehmen nicht jedes einzelne mögliche Szena­
rio identifizieren, allerdings ist immer auch die Wahrscheinlichkeit
zu berücksichtigen, dass ein Kreditausfall eintritt – unabhängig
davon, wie gering diese Wahrscheinlichkeit auch sein mag. Eine
wahrscheinlichkeitsgewichtete Berechnung ist nicht mit einer
einzigen Schätzung des Worst-Case- oder Best-Case-Szenarios
oder dem wahrscheinlichsten Ergebnis gleichzusetzen. Wenn also
das Risiko oder die Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls mit hohen
Verlusten gering sind, könnte das wahrscheinlichste Ergebnis darin
bestehen, dass kein Kreditausfall eintritt, obgleich eine Risiko­
vorsorge auf der Grundlage der wahrscheinlichkeitsgewichteten
Cashflows gebildet werden müsste.
In der Praxis sind eine komplizierte Analyse oder detaillierte Simu­
lation einer Vielzahl von Szenarien vielleicht gar nicht notwendig,
um einen wahrscheinlichkeitsgewichteten Betrag zu berechnen;
gemäß dem Standard kann eine relativ einfache Modellierung
ausreichend sein. Beispielsweise können die durchschnittlichen Kre­
ditausfälle eines umfangreichen Portfolios von Finanzinstrumen­
ten mit gemeinsamen Risikomerkmalen eine hinreichend genaue
Schätzung des wahrscheinlichkeitsgewichteten Betrags darstellen.
4.5 Zeitwert des Geldes
Ein Unternehmen hat bei der Bewertung der erwarteten Kreditaus­
fälle den Zeitwert des Geldes zu berücksichtigen, indem es diesen
Betrag zum Abschlussstichtag mit einem Zinssatz abzinst, der an­
nähernd dem Effektivzinssatz für den Vermögenswert entspricht.
Dies ist notwendig, weil die Anschaffungskosten des
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 |
35
4
Bewertung erwarteter Kreditausfälle
Vermögenswerts auf den abgezinsten vertraglich vereinbarten
Cashflows basieren. Würden also Cashflows, deren Erhalt jetzt nicht
mehr erwartet wird, nicht abgezinst, würde der Ausfall überbe­
wertet werden.
Der Abzinsungssatz ist wie folgt zu ermitteln:
• Bei festverzinslichen finanziellen Vermögenswerten müssen
Unternehmen den Effektivzinssatz beim erstmaligen Ansatz
des Vermögenswerts bestimmen oder einen Näherungswert
ermitteln, während bei variabel verzinslichen finanziellen Ver­
mögenswerten der aktuelle Effektivzinssatz zu verwenden ist.
• Bei finanziellen Vermögenswerten, die bei Erwerb oder Aus­
reichung wertgemindert sind (siehe Abschnitt 3.3), müssen
Unternehmen jegliche Änderungen bei den erwarteten Kredit­
ausfällen mit dem beim erstmaligen Ansatz des finanziellen
Vermögenswerts festgelegten und um erwartete Kreditausfälle
angepassten Effektivzinssatz bewerten.
• Bei Kreditzusagen (siehe Abschnitt 9) müssen Unternehmen
den Effektivzinssatz des Vermögenswerts verwenden, der aus
der Inanspruchnahme der Zusage (wie vorstehend beschrie­
ben) resultiert. Daraus ergäbe sich ein konsistenter Zinssatz für
eine Kreditfazilität, die sowohl einen Kredit (d. h. einen finan­
ziellen Vermögenswert) als auch eine nicht in Anspruch genom­
mene Kreditzusage enthält. Wenn der Effektivzinssatz des re­
sultierenden Vermögenswerts nicht ermittelt werden kann, muss
das Unternehmen den aktuellen, risikolosen Zinssatz (d. h. den
Abzinsungssatz, der die aktuelle Markteinschätzung des Zeitwerts
des Geldes widerspiegelt) verwenden. Dieser sollte um die cash­
flowspezifischen Risiken angepasst werden, aber nur dann, wenn
eine solche Anpassung nicht bereits auf der Ebene der Cash­
flows stattgefunden hat, um eine Doppelberücksichtigung zu
vermeiden.
• Bei Finanzgarantien (siehe Abschnitt 9) müssen Unternehmen
den aktuellen, risikolosen, um cashflowspezifische Risiken ange­
passten Zinssatz verwenden.
• Bei Leasingforderungen (siehe Abschnitt 8.2) müssen Unter­
nehmen die erwarteten Kreditausfälle mit dem gleichen Ab­
zinsungssatz abzinsen, der für die Bewertung der Leasingforde­
rungen gemäß IAS 17 verwendet wird.
Im ED 2013 war vorgeschlagen worden, erwartete Kreditausfälle
mit einem beliebigen Zinssatz abzuzinsen, der zwischen dem
­risikolosen Zinssatz und dem Effektivzinssatz des finanziellen
Vermögenswerts liegt. Der Zweck bestand darin, operationelle
Schwierigkeiten bei der Bestimmung des Effektivzinssatzes, die
eine Anpassung des Kreditrisikomanagements und der Rechnungs­
legungssysteme erforderlich gemacht hätten, zu vermeiden.
­Einige interessierte Parteien stimmten diesem Vorschlag nicht zu,
da sie der Auffassung waren, dass Unternehmen dadurch zu viel
Flexibilität eingeräumt würde und der Effektivzinssatz in konzep­
tioneller Hinsicht der richtige Zinssatz sei. Daraufhin hat das IASB
die Vorschrift so geändert, dass die erwarteten Ausfälle mit dem
Effektivzinssatz oder einem entsprechenden Näherungswert abzu­
zinsen sind. In seiner Grundlage für Schlussfolgerungen (Basis
for Conclusions) räumt das IASB zwar ein, dass die Bestimmung
des Effektivzinssatzes für Unternehmen mit Schwierigkeiten ver­
bunden sein kann (insbesondere bei offenen Portfolios), weist
aber gleichzeitig darauf hin, dass IAS 39 bereits eine ähnliche
Vorschrift enthält.8
8 Siehe IFRS 9.BC5.267–275.
36
| EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9
Unsere Sichtweise
Die Abzinsung von erwarteten Kreditausfällen kann kompliziert sein, da das Ergebnis in Abhängigkeit von dem zugrunde liegenden
Ausfallszenario variieren kann. Der Standard enthält weder Hinweise noch erläuternde Beispiele dazu, auf welche Weise die Berech­
nung vorzunehmen ist. In Beispiel 9 des Standards wird der Barwert des beobachteten Ausfalls zugrunde gelegt und Beispiel 8 ent­
hält eine Fußnote mit dem Hinweis, dass der Zeitwert des Geldes im vorliegenden Beispiel nicht erläutert werde, weil die Verlustquote
(loss given default) einen prozentualen Anteil des Barwerts des Bruttobuchwerts darstelle.
Es kommt selten vor, dass Kunden genau zu dem Zeitpunkt zahlungsunfähig werden, zu dem die geschuldeten Beträge fällig sind.
In den meisten Fällen beinhaltet ein Ausfall auch, dass Zahlungen zu spät geleistet werden. Gleichzeitig kann ein Ausfall zu einer
Beschleunigung der Zahlung von Beträgen führen, die vertragsgemäß erst zu einem späteren Zeitpunkt fällig sind. Daher schließt die
Modellierung von Ausfällen auch die Modellierung des Zeitpunkts von Zahlungen mit ein, bevor die erwarteten Ausfälle abgezinst
werden können.
Daten zu Verlustquoten, die aus den Basel-Modellen zur Verfügung stehen, sollten einen Abzinsungsfaktor beinhalten. Dies würde
jedoch lediglich den Zeitraum zwischen dem Eintritt des Ausfallereignisses und der Rückzahlung des Kredits abdecken. Zudem variiert
der verwendete Abzinsungssatz von Unternehmen zu Unternehmen. Daher werden Unternehmen nach Möglichkeiten suchen müs­
sen, wie sie ihre Verlustquoten anpassen können, um den gemäß dem Standard vorgeschriebenen Abzinsungseffekt widerzuspiegeln
(d. h. auf der Basis eines Zinssatzes, der annähernd dem Effektivzinssatz entspricht, und über den gesamten Zeitraum von der
Rückzahlung bis zum Abschlussstichtag). Dies könnte entweder erreicht werden, indem die erwarteten, nicht abgezinsten, realisierten
Cashflows aus den Verlustquoten herausgerechnet und mit dem angemessenen Zinssatz abgezinst werden oder indem die Verlust­
quoten direkt angepasst werden, um annähernd die korrekte Berechnung abzubilden.
Da der Standard die Verwendung eines Näherungswerts des Effektivzinssatzes vorschreibt, werden Unternehmen überlegen müssen,
wie sie einen Zinssatz ermitteln können, der den Effektivzinssatz am exaktesten abbildet. Ein Problem besteht darin, dass unklar ist,
wie viel Spielraum der Begriff „Näherungswert“ einräumt.
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 |
37
4
Bewertung erwarteter Kreditausfälle
Bei der Bewertung der erwarteten
Kreditausfälle hat ein Unternehmen
die Cashflows aus der Realisierung
von Sicherheiten und anderen
Kreditbesicherungen, die Teil der
Vertragsbedingungen sind, mit
einzubeziehen.
4.6 Sicherheiten
Obwohl Sicherheiten bei der Beurteilung, ob sich das Kreditrisiko
siginikant erhöht hat, nur eine untergeordnete Rolle spielen (siehe
Abschnitt 5.1), haben sie einen Einfluss auf die Bewertung der er­
warteten Kreditausfälle. Dies lässt sich am Beispiel eines Hypothe­
kenkredits verdeutlichen: Selbst wenn das Unternehmen bestimmt,
dass sich das Kreditrisiko seit dem erstmaligen Ansatz wesentlich
erhöht hat, weil der Kreditnehmer arbeitslos geworden ist und
wahrscheinlich nicht mehr in der Lage sein wird, die noch ausste­
henden monatlichen Zins- und Tilgungszahlungen zu leisten, kann
es sein, dass dem Unternehmen keine erwarteten Kreditausfälle
entstehen und seine Risikovorsorge somit null beträgt, wenn die
erwarteten Erlöse aus den Sicherheiten (d. h. aus dem Beleihungs­
objekt) den Kreditbetrag überschreiten.
Bei der Bewertung der erwarteten Kreditausfälle und somit der
erwarteten Zahlungsausfälle für ein besichertes Finanzinstrument
hat ein Unternehmen die Cashflows aus der Realisierung der
­Sicherheiten und anderen Kreditbesicherungen mit einzubezie­
hen, die
• Teil der Vertragsbedingungen sind und
• vom Unternehmen nicht separat erfasst werden.
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| EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9
Unsere Sichtweise
Wenn ein Dritter in Übereinstimmung mit den Vertragsbedingungen eine Garantie für den Kredit übernimmt, hat dieser Garantiegeber
gemäß den vorstehend beschriebenen Leitlinien eine Risikovorsorge für erwartete Kreditausfälle auszuweisen, die auf dem kombi­
nierten Kreditrisiko des Garantiegebers und des Garantienehmers basiert. Wie bereits erwähnt, scheinen diese Leitlinien jedoch recht
eng ausgelegt zu sein und würden beispielsweise keine Zahlungen aus Kreditversicherungen oder Garantien, die separat zum ursprüng­
lichen Finanzinstrument erworben werden, beinhalten. Dies wirft die Frage auf, wie der Inhaber solcher Sicherheiten und Kredit­
besicherungen bei der getrennten Erfassung vorzugehen hat. IFRS 4 Versicherungsverträge verweist auf IAS 8 Rechnungslegungsmethoden, Änderungen von rechnungslegungsbezogenen Schätzungen und Fehler, der immer dann anzuwenden ist, wenn eine Trans­
aktion durch keinen spezifischen IFRS abgedeckt ist.9 Es ist nicht ganz klar, ob es für den Inhaber möglich ist, solche Sicherheiten und
Kreditbesicherungen einheitlich zu bilanzieren, und zwar entweder so, wie sie durch den Versicherer oder den Garantiegeber bilan­
ziert würden, oder als Eventualforderung nach IAS 37 Rückstellungen, Eventualverbindlichkeiten und Eventualforderungen. Dieser
Sachverhalt sollte an die ITG weitergeleitet werden.
Wie bei IAS 39 spezifiziert der Standard, dass die Schätzung der
Cashflows aus den Sicherheiten die Auswirkungen einer Zwangs­
vollstreckung, unabhängig davon, ob diese wahrscheinlich ist
oder nicht, sowie die Cashflows aus der Zwangsvollstreckung der
Sicherheiten abzüglich der Kosten für den Erwerb und den Ver­
kauf der Sicherheiten unter Berücksichtigung der Höhe und des
Zeitpunkts dieser Cashflows beinhalten sollte.
Unsere Sichtweise
Diese Formulierung bedeutet nicht, dass das Unternehmen zwangsläufig davon ausgehen muss, dass die Realisierung des Ver­
mögenswerts ausschließlich durch eine Zwangsvollstreckung erreicht werden kann. Vielmehr hat das Unternehmen die aus den
unterschiedlichen Arten, auf die es den Vermögenswert realisieren kann (von denen möglicherweise nur einige eine Zwangsvoll­
streckung beinhalten), resultierenden Cashflows zu berechnen und die unterschiedlichen Szenarien nach deren jeweiliger Ein­
trittswahrscheinlichkeit zu gewichten.
Zwar sieht der Standard nicht explizit eine Bewertung der Sicherheiten zum beizulegenden Zeitwert vor. In der Praxis dürften
Unternehmen jedoch die Cashflows aus der Realisierung der Sicherheiten auf der Grundlage des beizulegenden Zeitwerts der ent­
sprechenden Sicherheiten schätzen. Im Falle illiquider Sicherheiten wie Immobilien müssen wahrscheinlich Anpassungen für
erwartete Änderungen des beizulegenden Zeitwerts vorgenommen werden, je nachdem, wann das Unternehmen mit dem Verkauf
der Sicherheiten rechnet.
Jede infolge einer Zwangsvollstreckung erhaltene Sicherheit ist
nur dann als ein von dem besicherten Finanzinstrument separat
zu bilanzierender Vermögenswert zu erfassen, wenn sie die
relevanten Ansatzkriterien für Vermögenswerte in IFRS 9 oder
anderen Standards erfüllt. Diese Vorgehensweise entspricht den
geltenden Regelungen in IAS 39.
9 Siehe IFRS 4.IG Beispiel 1.11 und IAS 8.10-12.
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 | 39
4
Bewertung erwarteter Kreditausfälle
4.7 Angemessene und belastbare
Informationen
Nach IFRS 9 hat ein Unternehmen angemessene und belastbare
Informationen über vergangene Ereignisse, aktuelle Gegebenheiten
und Prognosen zukünftiger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen,
die ohne einen unverhältnismäßig hohen Kosten- oder Arbeits­
aufwand zum Abschlussstichtag zur Verfügung stehen und die für
die Schätzung der erwarteten Kreditausfälle relevant sind, ein­
schließlich des Effekts erwarteter vorzeitiger Rückzahlungen,
einzubeziehen.10
4.7.1 Unverhältnismäßig hoher Kosten- oder Arbeitsaufwand
Der Begriff „unverhältnismäßig hoher Kosten- oder Arbeitsauf­
wand“ wird im Standard nicht definiert. Allerdings geht aus den
Leitlinien klar hervor, dass die für Rechnungslegungszwecke ver­
fügbaren Informationen als ohne einen unverhältnismäßig hohen
Kosten- oder Arbeitsaufwand verfügbar betrachtet werden.
Unternehmen sind nicht nur ver­
pflichtet, historische Informationen
(z. B. ihre Kreditausfälle) zu ver­
wenden, die um die Auswirkungen
der aktuellen Gegebenheiten an­zu­
passen sind, sondern sie müssen auch
in Betracht ziehen, wie Prog­nosen
­zukünftiger Rahmenbedingungen
ihre historischen Daten beeinflussen
würden.
10 Siehe IFRS 9.B5.5.55.
40
| EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9
Unsere Sichtweise
Darüber hinaus schreibt der Standard zwar nicht vor, dass
Unternehmen eine umfassende Suche nach Informationen
durchführen müssen, nennt als Beispiele für relevante Infor­
mationen jedoch u. a. Daten aus Risikomanagementsyste­
men. Diese werden im nächsten Abschnitt näher beschrieben.
Was unter „ohne einen unverhältnismäßig hohen Kosten- oder
Arbeitsaufwand verfügbar“ zu verstehen ist, ist eine Ermes­
sensentscheidung des Managements bei der Beurteilung der
mit der Informationsbeschaffung verbundenen Kosten und
Nutzen. Dies steht in Einklang mit den von der SME (small and
medium-sized entities; kleine und mittlere Unternehmen)
Implementation Group bei der Einführung der IFRS für kleine
und mittlere Unternehmen im Hinblick auf die Anwendung
des Kriteriums des „unverhältnismäßig hohen Kosten- oder
Arbeitsaufwands“ bereitgestellten Q&A (nicht verbindliche
Leitlinien). In den Q&A wird erläutert, dass die Anwendung
einer Vorschrift zu einem unverhältnismäßig hohen Kostenoder Arbeitsaufwand führe, wenn die Kosten oder der Arbeits­
aufwand im Vergleich zu dem Nutzen, den Abschlussadressaten
aus den Informationen zögen, übermäßig hoch seien. Wenn
es sich bei dem berichtenden Unternehmen um eine Bank han­
delt, wäre es vermutlich schwieriger zu bestimmen, welche
Kreditinformationen einen unverhältnismäßig hohen Kostenoder Arbeitsaufwand erfordern würden, verglichen mit einem
berichtenden Unternehmen, das keine Bank ist, da dann auch
ein größerer Nutzen für die Abschlussersteller zu erwarten ist.
Möglicherweise wird dieser Sachverhalt von der ITG noch ein­
gehender diskutiert werden. Zudem gehen wir davon aus, dass
auch die Bankaufsichtsbehörden ihre Standpunkte zu dem
Thema darlegen werden.
4.7.2 Informationsquellen
Der Standard schreibt vor, dass die verwendeten Informationen
für den Kreditnehmer spezifische Faktoren, die allgemeinen wirt­
schaftlichen Rahmenbedingungen sowie eine Beurteilung der
derzeitigen und der prognostizierten Entwicklung zum Abschluss­
stichtag einbeziehen sollten. Unternehmen können unterschied­
liche Datenquellen verwenden, d. h. sowohl interne (unterneh­
mensspezifische) als auch externe Daten, die interne historische
Kreditausfälle, interne Ratings, Erfahrungswerte anderer Unter­
nehmen zu Kreditausfällen bei vergleichbaren Finanzinstrumen­
ten sowie externe Ratings, Berichte und Statistiken umfassen.
Obwohl die erwarteten Kreditausfälle die eigenen Erwartungen
eines Unternehmens in Bezug auf Kreditausfälle widerspiegeln, hat
das Unternehmen auch beobachtbare Marktinformationen zum
Kreditrisiko bestimmter Finanzinstrumente zu berücksichtigen.
Unsere Sichtweise
Unternehmen, die über eigene betriebs- bzw. volkswirtschaft­
liche Fachabteilungen verfügen, werden natürlich ihre eigenen
Wirtschaftsprognosen verwenden und Modelle zur Schätzung
von Kreditausfällen auf der Grundlage eigener historischer
Daten entwickeln wollen. Doch sollten sie dabei auch externe
Marktdaten einbeziehen.
Im Zusammenhang mit der Beurteilung, ob sich die Kreditqualität
signifikant verschlechtert hat (siehe Abschnitt 5), weist das IASB
darauf hin, dass Marktpreise eine wichtige Informationsquelle
darstellen, die bei der Beurteilung, ob sich das Kreditrisiko verän­
dert hat, berücksichtigt werden sollte. Dies gilt, obwohl die Markt­
preise für sich genommen nicht ausschließlich für die Bestimmung,
ob eine wesentliche Verschlechterung eingetreten ist, herange­
zogen werden können, da sie u. a. durch nicht kreditrisikobezogene
Faktoren wie Änderungen von Zinssätzen oder Liquiditätsrisiken
beeinflusst werden.11
4.7.3 Informationen über vergangene Ereignisse, aktuelle
­Gegebenheiten und Prognosen zukünftiger wirtschaftlicher
Rahmenbedingungen
Eine bedeutende Änderung gegenüber den Wertminderungsvor­
schriften des IAS 39 besteht darin, dass Unternehmen nicht nur
verpflichtet sind, historische Informationen (z. B. ihre Kreditaus­
fälle) zu verwenden, die um die Auswirkungen der aktuellen Ge­
gebenheiten anzupassen sind, sondern dass sie auch in Betracht
ziehen müssen, wie Prognosen zukünftiger Rahmenbedingungen
ihre historischen Daten beeinflussen würden.
Ein Unternehmen muss keine detaillierten Prognosen zukünftiger
Rahmenbedingungen über die gesamte Laufzeit eines Finanzinstru­
ments berücksichtigen. Laut dem Standard verringert sich mit
zunehmendem Prognosehorizont die Verfügbarkeit detaillierter
Informationen, während sich das zur Schätzung der erwarteten
Kreditausfalle erforderliche Maß an Ermessensentscheidungen
erhöht. Infolgedessen muss ein Unternehmen keine detaillierte
Schätzung für weit in der Zukunft liegende Perioden vornehmen
und kann Prognosen auf der Grundlage verfügbarer, detaillierte­
rer Informationen erstellen. Das Maß an Ermessensentscheidun­
gen, das erforderlich ist, um erwartete Kreditausfälle zu schätzen,
ist von der Verfügbarkeit detaillierter Informationen abhängig.
Unsere Sichtweise
Diese Formulierung deutet darauf hin, dass Unternehmen in
vielen Fällen davon ausgehen können, dass die wirtschaftlichen
Rahmenbedingungen nach einem bestimmten Zeitraum, für
den eine verlässliche Prognose möglich ist, zu ihrem langfristi­
gen Durchschnitt zurückkehren werden. Dies kann auf mindes­
tens zwei Arten geschehen: entweder durch Rückkehr zum
Durchschnitt direkt nach dem Ende der Prognoseperiode oder
durch Anpassung der Prognosedaten an den langfristigen
Durchschnitt über einen Zeitraum von einigen Jahren. Letzte­
res würde möglicherweise alle angemessenen und belastbaren
Informationen effektiver widerspiegeln.
11 Siehe IFRS 9.BC5.123.
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 |
41
4
Bewertung erwarteter Kreditausfälle
Ein Unternehmen sollte historische Erfahrungswerte verwenden
und diese entsprechend anpassen, um so angemessene und belast­
bare Informationen zu erhalten, die aktuelle und zukunftsbezo­
gene Ereignisse und Entwicklungen beinhalten, auf deren Basis
das Unternehmen die erwarteten Kreditausfälle schätzen kann:
• In den meisten Fällen müssten Effekte, die in der Vergangenheit
nicht vorhanden waren, in diese Anpassungen einbezogen oder
nicht zukunftsrelevante Effekte davon ausgenommen werden.
• In einigen Fällen können nicht angepasste historische Informatio­
nen je nach Art der Information und dem Berechnungszeitpunkt,
verglichen mit den Gegebenheiten zum Abschlussstichtag sowie
unter Berücksichtigung der Merkmale des Finanzinstruments,
die bestmögliche Schätzung darstellen.
Darüber hinaus wird ein Unternehmen bei der Überlegung, wie und
in welchem Umfang historische Kreditausfälle angepasst werden
müssen, verschiedene Faktoren berücksichtigen müssen, u. a.
• den Zeitraum, in dem es die historischen Daten erfasst hat, so­
wie die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des betreffenden
Zeitraums. Der Zeitraum, auf den sich die historischen Daten
beziehen, kann außergewöhnlich positive oder negative wirt­
schaftliche Bedingungen widerspiegeln, sofern es sich nicht um
einen ausreichend langen Zeitrahmen handelt, während sich
Produkte, Kunden und Kreditvergabeverhalten im Laufe der
Zeit verändern;
• ob die historischen Daten erwartete Kreditausfälle umfassen,
die zyklusbezogen (wenn die Schätzungen auf der Grundlage
historischer Kreditausfallereignisse und Erfahrungswerte vor­
genommen wurden, die sich auf den gesamten Geschäftszyklus
beziehen) oder zeitpunktbezogen sind (wenn die Schätzungen
auf Informationen, Umständen und Ereignissen basieren, die
zum Abschlussstichtag vorhanden waren);
• ob sich die historischen Daten auf einen bestimmten Geschäfts­
zyklus beziehen und ob dieser Zyklus die aktuellen Gegeben­
heiten und Prognosen zukünftiger wirtschaftlicher Rahmen­
bedingungen abbildet.
42
| EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9
Zudem kann es sein, dass historische Daten nicht hinreichend
­verlässlich oder genau sind, wenn sie nicht bereits zuvor für Rech­
nungslegungszwecke verwendet wurden.
Die Schätzungen von Änderungen erwarteter Kreditausfälle soll­
ten tendenziell mit den Änderungen der entsprechenden beobacht­
baren Daten von Periode zu Periode in Einklang stehen (d. h., sie
sollten mit den beobachteten Änderungen des Zahlungsstatus
und der makroökonomischen Daten wie Änderungen der Arbeits­
losenrate, Immobilien- oder Rohstoffpreise übereinstimmen).
Des Weiteren sollten die Schätzungen erwarteter Kreditausfälle
nochmals getestet und kalibriert werden, um Abweichungen
zwischen den vom Unternehmen vorgenommenen Schätzungen
und den tatsächlich eingetretenen Kreditausfällen zu reduzieren,
d. h., ein Unternehmen sollte seine verwendeten Inputdaten,
Annahmen, Methodologien und Schätzverfahren regelmäßig über­
prüfen. Allerdings dürfte Backtesting für Prognosen, die einen
mehrjährigen Zeitraum abdecken, erheblich schwieriger sein als
für eine Vorhersage von Ausfallwahrscheinlichkeiten über einen
Zwölfmonatszeitraum. Ferner ist es bei der Verwendung von histo­
rischen Kreditausfällen wichtig, dass die Informationen über die
historischen Kreditausfälle auf Gruppen angewendet werden, die
gleichermaßen definiert sind wie die Gruppen, für die diese histo­
rischen Ausfälle beobachtet wurden.
Unsere Sichtweise
Bei der Schätzung von erwarteten Kreditausfällen müssen Unternehmen überlegen, welche Methode sie anwenden wollen, um von
den historischen Kreditausfällen aktuelle Erwartungen abzuleiten. In der Praxis können bei der Anpassung historischer Informationen
zwecks Abbildung aktueller Gegebenheiten und Prognosen zukünftiger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen u. a. folgende Metho­
den zur Anwendung kommen:
• die Verwendung eines ökonometrischen Modells, bei dem aktuelle und zukünftige Erwartungen als direkte Eingangsgrößen für ein
Prognosemodell verwendet werden, das sich auf die historische Beziehung zwischen Ausfällen und makroökonomischen Faktoren
wie Arbeitslosigkeit und Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) stützt
• die Verwendung eines Basismodells, dessen Grundlage historischen Informationen sind, unter zusätzlicher Berücksichtigung von
Schätzungen des Managements, um die historischen Daten so anzupassen, dass sie die aktuellen Erwartungen widerspiegeln; dabei
wären auch über das Primärmodell hinausgehende quantitative Schätzungen und qualitative Anpassungen auf der Grundlage der
Beurteilung von Faktoren auf Makro- und Portfolioebene durch das Management zu berücksichtigen
• Prüfung der für die Budgetierung und Kapitalplanung zugrunde gelegten Daten und Feststellung, wie diese die Schätzungen der
erwarteten Kreditausfälle beeinflussen werden
•H
eranziehung öffentlich zugänglicher Prognosen, um vom Unternehmen erstellte wirtschaftliche Prognosen abzugleichen und zu
bestätigen
Des Weiteren müssen Unternehmen verstehen, dass eine Prognose der zukünftigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen lediglich
ein erster Schritt ist. Nachdem ein Unternehmen die Entwicklung makroökonomischer Faktoren wie Zinssätze, Immobilienpreise,
Arbeitslosigkeit und BIP-Wachstum beurteilt hat, muss es ermitteln, inwieweit diese Faktoren die Schätzung der erwarteten Kredit­
ausfälle beeinflussen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, wie sich Änderungen dieser Faktoren in der Vergangenheit auf die Ausfall­
quote ausgewirkt haben. Es ist jedoch möglich, dass die Faktoren, für die eine Vorhersage getroffen wird, in der Vergangenheit noch
niemals in dieser Kombination beurteilt wurden.
Zahlreiche Banken werden ihre bestehenden Berechnungsverfahren sowie die gemäß den regulatorischen Vorschriften nach Basel II
geforderten Informationen nutzen können, müssten diese Informationen jedoch modifizieren, um die Wertminderungsvorschriften in
IFRS 9 zu erfüllen (z. B. Anpassung um zyklusbezogene bzw. zeitpunktbezogene Schätzungen). Außerdem können Banken die Modelle
und Prozesse verwenden, die sie für die Durchführung von Stresstests entwickelt haben, wenngleich diese entsprechend angepasst
­werden müssten, um Wahrscheinlichkeitsszenarien anstelle von Stressszenarien abzubilden. Für viele Unternehmen kann die Schätzung
von Kreditausfällen jedoch nach wie vor mit Schwierigkeiten verbunden sein. Die Bereitstellung zusätzlicher Leitlinien dürfte für sie
hilfreich sein. Dies dürfte jedoch nicht in den Aufgabenbereich der ITG fallen (siehe Abschnitt 1.1).
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 | 43
4
Bewertung erwarteter Kreditausfälle
4.8 Wechselbeziehung zwischen
Wertminderung und der Bilanzierung
von Fair Value Hedges
Eine weitere operationelle Schwierigkeit ergibt sich aus der Wech­
selbeziehung zwischen dem neuen Wertminderungsmodell und
der Bilanzierung von Fair Value Hedges. Für finanzielle Vermögens­
werte, die in einem Fair Value Hedge als Grundgeschäft desig­
niert sind, gilt Folgendes: Da die Fair-Value-Hedge-Anpassung Teil
des Buchwerts des abgesicherten finanziellen Vermögenswerts
ist, muss diese Anpassung in die Bemessung der Risikovorsorge
einfließen. Anders ausgedrückt, die Fair-Value-Hedge-Anpassung
beeinflusst den auf Wertminderung überprüften Buchwert sowie
den für die Bemessung der Wertminderung relevanten Effektivzins­
satz. Diese Vorschrift wurde bereits durch die in IAS 39 enthalte­
nen Anwendungsleitlinien erläutert.12
Da eine Fair-Value-Hedge-Anpassung
Teil des Buchwerts des abgesicherten
finanziellen Vermögenswerts ist,
muss diese Anpassung in die Bemes­
sung der Risikovorsorge einfließen.
12 Siehe IAS 39.IG E.4.4.
44
| EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9
Unsere Sichtweise
Die Wechselbeziehung zwischen der Bilanzierung von Fair Value
Hedges und der Bemessung der Wertminderung wird sich nach
IFRS 9 logischerweise nicht ändern. Der größte Unterschied in
puncto Komplexität besteht gegenüber IAS 39 darin, dass es
nach IFRS 9 für jedes Schuldinstrument, das zu fortgeführten
Anschaffungskosten oder erfolgsneutral zum beizulegenden
Zeitwert bewertet wird, eine entsprechende Risikovorsorge gibt.
Das bedeutet, dass für jeden Fair Value Hedge im Zusammen­
hang mit solchen finanziellen Vermögenswerten bei der Bemes­
sung der Risikovorsorge die Auswirkungen der Sicherungs­
bilanzierung zu berücksichtigen sind. Im Gegensatz dazu kann
ein Unternehmen nach IAS 39 finanzielle Vermögenswerte, bei
denen kein Ausfall eingetreten ist, als Grundgeschäft in einem
Fair Value Hedge designieren, sodass diese Komplexität nicht
entsteht. In Beispiel A-1 im Anhang zu dieser Publi­kation wird
erläutert, welche Schwierigkeiten dabei entstehen, wenn das
Expected-losses-Modell mit der Bilanzierung von Sicherungs­
geschäften kombiniert wird.
Dieser Effekt wird bei Portfolioabsicherungen des beizulegen­
den Zeitwerts gegen Zinsänderungsrisiken gemäß IAS 39, die
auch nach IFRS 9 vorgenommen werden können, noch ver­
stärkt. Unternehmen, die bisher IAS 39 angewendet haben und
die Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Wertminderungs­
vorschriften für Kreditausfälle auf finanzielle Vermögenswerte,
die Teil einer solchen Sicherungsbilanzierung sind, umgangen
haben, indem sie Vermögenswerte mit höherer Kreditqualität
ausgewählt haben, bei denen kein Ausfall eingetreten ist, wer­
den nach dem neuen Standard nicht mehr so verfahren können.
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 | 45
5
5 Allgemeiner Ansatz: Beurteilung, ob
eine signifikante Erhöhung des Kredit­
risikos vorliegt
Eine der größten Herausforderungen bei der Anwendung des all­
gemeinen Ansatzes des in IFRS 9 enthaltenen Expected-lossesModells besteht darin, Änderungen des Kreditrisikos eines Unter­
nehmens nachzuverfolgen und festzustellen, ob sich das Risiko
seit dem erstmaligen Ansatz signifikant erhöht hat. Es gibt jedoch
eine Reihe verschiedener Vereinfachungen und Annahmen, die
Unternehmen diese Beurteilung erleichtern (siehe Beschreibung
weiter unten).
Die Beurteilung, ob eine signifikante Verschlechterung der Kredit­
qualität vorliegt, ist maßgeblich, um zu bestimmen, wann anstelle
der 12-Monats-ECL eine Wertminderung in Höhe der Gesamtlauf­
zeit-ECL zu erfassen ist. In der Regel ist bei der Beurteilung finan­
zieller Vermögenswerte davon auszugehen, dass sich das Kredit­
risiko bereits signifikant erhöht hat, bevor die Wertminderung
(siehe Abschnitt 3.3) oder das Ausfallereignis eintreten. Der Stan­
dard schreibt vor, dass ein Unternehmen den Zeitpunkt einer
­signifikanten Erhöhung des Kreditrisikos und die damit einherge­
hende Erfassung der Gesamtlaufzeit-ECL nicht an den Zeitpunkt,
ab dem ein finanzieller Vermögenswert als wertgemindert be­
trachtet wird, oder an die vom Unternehmen intern verwendete
Definition des Begriffs „Ausfallereignis“ anpassen darf.
Da dies erhebliche Ermessensentscheidungen durch das Manage­
ment erfordert, müssen Unternehmen gemäß IFRS 7 sowohl
qualitative als auch quantitative Angaben machen, in denen die
Inputdaten, Annahmen und Verfahren erläutert werden, die ver­
wendet werden, um festzustellen, ob sich das Kreditrisiko von
­Finanzinstrumenten signifikant erhöht hat und ob sich diese Annah­
men und Schätzungen geändert haben (siehe Abschnitt 12).13
Ähnlich wie bei der Ermittlung erwarteter Kreditausfälle kann ein
Unternehmen bei der Beurteilung, ob sich das Kreditrisiko signi­
fikant erhöht hat, unterschiedliche Ansätze für unterschiedliche
Finanzinstrumente verwenden. Ein Ansatz, in dem die Ausfall­
wahrscheinlichkeit nicht als expliziter Inputwert enthalten ist, kann
mit den Wertminderungsvorschriften im Einklang stehen, sofern
das Unternehmen in der Lage ist, Änderungen des Ausfallrisikos
von Änderungen anderer Treiber für erwartete Kreditausfälle (z. B.
Sicherheiten) zu trennen, und bei seiner Beurteilung folgende
Faktoren berücksichtigt:
Eine der größten Herausforderun­
gen besteht darin, Änderungen des
Kreditrisikos eines Unternehmens
nachzuverfolgen und festzustellen,
ob sich das Risiko seit dem erstmali­
gen Ansatz signifikant erhöht hat.
• Änderungen des Ausfallrisikos seit dem erstmaligen Ansatz
• die erwartete Laufzeit des Finanzinstruments
• angemessene und belastbare Informationen, die ohne einen
­unverhältnismäßig hohen Kosten- oder Arbeitsaufwand zur Ver­
fügung stehen und sich auf das Kreditrisiko auswirken können
Darüber hinaus lässt sich die Änderung des Kreditrisikos aufgrund
des Zusammenhangs zwischen der erwarteten Laufzeit und dem
Ausfallrisiko nicht einfach durch einen Vergleich der Änderung des
absoluten Ausfallrisikos über einen bestimmten Zeitraum beur­
teilen, da sich das Ausfallrisiko in der Regel bei unverändertem
Kreditrisiko mit der Zeit verringert.
Unsere Sichtweise
Unternehmen, die die Ausfallwahrschienlichkeit nicht zwin­
gend zugrunde legen, werden andere Kriterien verwenden
müssen, um Änderungen des Ausfallrisikos zu identifizieren.
Dies kann die Verschlechterung eines verhaltensbezogenen
Scorewerts oder andere Indikatoren für ein erhöhtes Ausfall­
risiko einschließen. Auch ein Ansatz auf Portfolioebene kann
ein angemessener Ersatz für eine Beurteilung auf der Ebene
des einzelnen Finanzinstruments sein (siehe Abschnitt 5.9).
13 Siehe IFRS 7.35F(a).
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 |
47
5
Allgemeiner Ansatz: Beurteilung, ob eine signifikante
Erhöhung des Kreditrisikos vorliegt
Die Risikovorsorge muss für einen
vollständig besicherten Vermögens­
wert möglicherweise auf der Basis
der Gesamtlaufzeit-ECL ermittelt
werden (da sich das Ausfallrisiko
wesentlich erhöht hat), auch wenn
kein Verlust erwartet wird.
5.1 Änderung des Ausfallrisikos
Ein Unternehmen hat zu jedem Abschlussstichtag zu beurteilen,
ob sich das Kreditrisiko signifikant erhöht hat. Diese Beurteilung
hat auf der Basis der Änderung des Ausfallrisikos während der
er­warteten Laufzeit des Finanzinstruments und nicht auf der
Basis der Änderung der Höhe der erwarteten Kreditausfälle zu
erfolgen. In Abweichung vom Wortlaut des Baseler Regelwerks
und um den Eindruck zu vermeiden, dass die Verwendung statis­
tischer Modelle (einschließlich des Ansatzes zur Bestimmung
der Ausfallwahrscheinlichkeit; probability of default approach)
zwingend erforderlich ist, hat das IASB den Begriff „Ausfallwahr­scheinlich­keit“ (probability of a default occurring) in
„Ausfallrisiko“ (risk of a default occurring) geändert.
Um das Wertminderungsmodell in IFRS 9 operationalisierbar zu
machen, hat das IASB verschiedene alternative Methoden in Be­
tracht gezogen, mit deren Hilfe bestimmt werden kann, ob sich
das Kreditrisiko signifikant erhöht hat. Diese Alternativen wurden
jedoch aus den folgenden Gründen abgelehnt:
• Absolute Höhe des Kreditrisikos: Das IASB hat überlegt, ob ein
Unternehmen die Gesamtlaufzeit-ECL für alle Finanzinstrumente
erfassen muss, die zum Abschlussstichtag ein bestimmtes Kre­
ditrisiko aufweisen oder übersteigen. Dieser Ansatz ist zwar
einfacher anwendbar (da das Unternehmen nicht verpflichtet
ist, Änderungen des Kreditrisikos nachzuverfolgen), liefert
aber möglicherweise keine nützlichen Informationen (u. a. zu
den wirtschaftlichen Auswirkungen der ursprünglichen Aus­
fallerwartungen und den nachfolgenden Änderungen dieser
14 Siehe IFRS 9.BC5.160-161.
15 Siehe IFRS 9.BC5.162.
16 Siehe IFRS 9.BC5.163–165.
48
| EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9
Erwartungen) und kann in Abhängigkeit von dem für die Erfas­
sung von Gesamtlaufzeit-ECL festgelegten Schwellenwert zu ei­
ner Über- oder Unterbewertung der erwarteten Kreditausfälle
führen. Das IASB hat jedoch darauf hingewiesen, dass auch ein
„absoluter“ Ansatz zur Beurteilung von Änderungen des Aus­
fallrisikos herangezogen werden kann. Dazu hat das Unterneh­
men das ursprüngliche maximal akzeptierte Kreditrisiko von
Portfolios von Finanzinstrumenten mit vergleichbaren Kredit­
risiken zum Zeitpunkt des erstmaligen Ansatzes zu bestimmen
und mit dem Kreditrisiko am Abschlussstichtag zu vergleichen
(siehe Abschnitt 5.8).14
• Änderung von Kreditrisikomanagementzielen: Das IASB hat
darüber hinaus erwogen, die Beurteilung, ob eine signifikante
Erhöhung des Kreditrisikos vorliegt, darauf zu stützen, ob sich
die Zielsetzung des Unternehmens im Hinblick auf das Kredit­
risikomanagement geändert hat (z. B. wenn das Unternehmen
bei Zahlungsstörungen sein Kreditrisikomanagementziel von
der Vereinnahmung überfälliger Beträge hin zur Realisierung des
gesamten [oder teilweisen] vertraglich ausstehenden Betrags
ändert und das Finanzinstrument auf individueller Ebene über­
wacht wird).15 Dieser Ansatz ist relativ einfach anzuwenden. Er
wird aber voraussichtlich ähnliche Auswirkungen haben wie das
Incurred-losses-Modell in IAS 39 und kann infolgedessen dazu
führen, dass erwartete Kreditausfälle zu spät erfasst werden.
• Grundsätze der Kreditgewährung: Das IASB hat sich ferner
mit der Frage befasst, ob die von dem jeweiligen Unternehmen
gewährten Kreditlimits für eine bestimmte Klasse von Finanz­
instrumenten zum Abschlussstichtag (d. h., das Unternehmen
würde neue Kredite nicht zu den gleichen Bedingungen aus­
reichen) die Grundlage für die Beurteilung der signifikanten
­Erhöhung des Kreditrisikos bilden sollten. Das IASB hat darauf
hingewiesen, dass dieser Ansatz dem oben beschriebenen
„absoluten“ Ansatz ähnelt. Darüber hinaus kann die Verände­
rung des gewährten Kreditlimits durch andere Faktoren bedingt
sein, die unabhängig von einer Änderung des Kreditrisikos eines
Kreditnehmers sind (z. B. kann das Unternehmen dem Kredit­
nehmer günstige Bedingungen einräumen, um die Geschäfts­
beziehung zu fördern oder die Kreditvergabe zu steigern) oder
von Umständen abhängen, die am Abschlussstichtag vorherr­
schen und die für die Ausreichungszeitpunkte der jeweiligen
Finanzinstrumente nicht relevant sind.16
Auszug aus IFRS 9
Beispiel 3: Hoch besicherte finanzielle Vermögenswerte (IFRS 9.IE18–IE23)
Unternehmen H besitzt Immobilien, die über einen Kredit der Bank Z finanziert sind. Der Kredit hat eine Laufzeit von fünf Jahren, der
Beleihungsauslauf (loan-to-value ratio) beträgt 50 %. Der Kredit ist durch eine erstrangige Sicherheit auf die Immobilien besichert.
Beim erstmaligen Ansatz des Kredits geht Bank Z nicht davon aus, dass der Kredit bereits bei Ausreichung wertgemindert ist (siehe
Definition in IFRS 9, Anhang A).
Nach dem erstmaligen Ansatz verringern sich die Umsatzerlöse und das Betriebsergebnis von Unternehmen H infolge einer wirtschaft­
lichen Rezession. Darüber hinaus könnte eine mögliche Verschärfung der regulatorischen Anforderungen die Umsatzentwicklung
und das Betriebsergebnis zusätzlich beeinträchtigen. Die Geschäftstätigkeit von Unternehmen H könnte dadurch auf lange Sicht in
erheblichem Maße in Mitleidenschaft gezogen werden.
Angesichts dieser Entwicklung und der voraussichtlich negativen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wird erwartet, dass die freien
Cashflows von Unternehmen H so stark zurückgehen werden, dass die Bedienung vereinbarter Tilgungszahlungen gefährdet werden
könnte. Bank Z schätzt, dass eine weitere Verschlechterung der Cashflows dazu führen könnte, dass Unternehmen H eine vertraglich
vereinbarte Zahlung im Zusammenhang mit dem Kredit nicht mehr leisten kann und die Zahlung somit überfällig wird.
Aktuelle Fremdgutachten deuten auf eine Verringerung des Werts der Immobilien und einen Beleihungsauslauf von nunmehr 70 % hin.
Zum Abschlussstichtag wird das Risiko in Bezug auf den Unternehmen H eingeräumten Kredit gemäß IFRS 9.5.5.10 nicht mehr als
„gering“ eingestuft. Bank Z muss daher gemäß IFRS 9.5.5.3 beurteilen, ob ein signifikanter Anstieg des Kreditrisikos seit dem erst­
maligen Ansatz vorliegt. Der Wert der gehaltenen Sicherheit ist für diese Beurteilung ohne Relevanz. Die Bank stellt fest, dass der Kredit
zum Abschlussstichtag einem signifikanten Kreditrisiko ausgesetzt ist, da selbst eine nur geringe Verringerung der Cashflows dazu
führen würde, dass Unternehmen H eine vertraglich vereinbarte Zahlung im Zusammenhang mit dem Kredit nicht mehr leisten kann.
Daher stellt Bank Z fest, dass sich das Kreditrisiko (d. h. das Risiko eines Ausfalls) in Bezug auf den Kredit seit der erstmaligen Erfas­
sung signifikant erhöht hat. Infolgedessen erfasst Bank Z die über die Gesamtlaufzeit erwarteten Kreditausfälle für den an Unterneh­
men H ausgereichten Kredit.
Zwar sind die Gesamtlaufzeit-ECL zu erfassen, jedoch wird in der Ermittlung der erwarteten Kreditausfälle die erwartete Realisierung der
Sicherheit auf die Immobilie (angepasst um die Kosten für den Erwerb und den Verkauf der Sicherheit) gemäß IFRS 9.B5.5.55 wider­
gespiegelt. Dies kann dazu führen, dass die in Bezug auf den Kredit erwarteten Kreditausfälle sehr niedrig sind.
Wie bereits erwähnt, stützt sich die Beurteilung auf die Änderung
der über die Gesamtlaufzeit erwarteten Ausfallwahrscheinlichkeit
und nicht auf die Höhe der erwarteten Kreditausfälle. Daher muss
die Risikovorsorge für einen vollständig besicherten Vermögens­
wert möglicherweise auf Basis der Gesamtlaufzeit-ECL ermittelt
werden (da sich das Ausfallrisiko signifikant erhöht hat), auch wenn
kein Verlust erwartet wird. In solchen Fällen kann die Tatsache,
dass für denVermögenswert der Gesamtlaufzeit-ECL zu erfassen
ist, für Angabezwecke wichtiger sein als für die Bewertung selbst
(siehe Abschnitt 12). Die Wechselbeziehung zwischen den Sicher­
heiten, der Beurteilung, ob sich das Kreditrisiko signifikant erhöht
hat, sowie der Bemessung von erwarteten Kreditausfällen wird
anhand des folgenden Beispiels aus dem Standard verdeutlicht.
Normalerweise hat die Höhe der Sicherheit keinen Einfluss auf die
Beurteilung, ob ein signifikanter Anstieg des Kreditrisikos vorliegt
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 |
49
5
Allgemeiner Ansatz: Beurteilung, ob eine signifikante
Erhöhung des Kreditrisikos vorliegt
(da diese Beurteilung auf der Basis der Änderung des Ausfallrisi­
kos und nicht auf der Basis der Änderung der erwarteten Kredit­
ausfälle vorgenommen wird). Wird jedoch erwartet, dass wesent­
liche Schwankungen des Werts der Sicherheit, die der Verpflichtung
zugrunde liegt, den wirtschaftlichen Anreiz des Kreditnehmers
verringern, vertraglich festgelegte Zahlungen zu leisten, würde
dies das Ausfallrisiko durchaus beeinflussen. Anhand eines Bei­
spiels wird im Standard verdeutlicht, dass in einigen Ländern ein
größerer wirtschaftlicher Anreiz für Kreditnehmer besteht, ihre
Hypotheken nicht zu bedienen, wenn sich der Wert der Sicherheit
aufgrund fallender Hauspreise verringert.17
Um beurteilen zu können, ob sich die Kreditqualität signifikant ver­
schlechtert hat, sind von dem Unternehmen angemessene und
belastbare Informationen zu berücksichtigen, die ihm ohne einen
unverhältnismäßig hohen Kosten- oder Arbeitsaufwand zur Ver­
fügung stehen, und Folgendes zu vergleichen:
• das Risiko eines Ausfalls des Finanzinstruments zum
Abschlussstichtag
• das Risiko eines Ausfalls des Finanzinstruments zum Zeitpunkt
der erstmaligen Erfassung
Bei Kreditzusagen hat ein Unternehmen Änderungen des Ausfall­
risikos in Bezug auf den „potenziellen“ Kredit, für den eine Kredit­
zusage besteht, zu berücksichtigen. Bei Finanzgarantien sollen
Änderungen des Risikos, dass ein bestimmter Kreditnehmer seine
vertraglichen Pflichten nicht erfüllt, Berücksichtigung finden.
5.2 Faktoren oder Indikatoren für eine
Änderung des Kreditrisikos
Ähnlich wie bei der Ermittlung erwarteter Kreditausfälle (siehe
Abschnitt 4) hat ein Unternehmen bei der Beurteilung, ob sich das
Kreditrisiko signifikant erhöht hat, alle angemessenen und belast­
baren Informationen zu berücksichtigen, die ohne einen unver­
hältnismäßig hohen Kosten- oder Arbeitsaufwand zur Verfügung
stehen (siehe Abschnitt 4.7) und die für ein einzelnes Finanz­
instrument, ein Portfolio, Teile eines Portfolios oder Gruppen
von Portfolios relevant sind.
Das IASB weist darauf hin, dass seine Absicht nicht darin bestand,
einen spezifischen oder mechanischen Ansatz für die Beurteilung
von Änderungen des Kreditrisikos vorzuschreiben, sondern dass
der jeweils verwendete Ansatz von der Komplexität des Unterneh­
mens, dem Finanzinstrument und der Verfügbarkeit von Daten
­abhängig ist.18 Zu beachten ist, dass die Beurteilung, ob ein signi­
fikanter Anstieg des Kreditrisikos vorliegt, häufig eine ganzheit­
liche Analyse beinhaltet, die eine Vielzahl von Faktoren einbezieht.
Die Bedeutung und Relevanz jedes einzelnen spezifischen Faktors
hängt von der Art des Produkts, den Merkmalen der betreffenden
Finanzinstrumente und Kreditnehmer sowie den geografischen
Gegebenheiten ab. Die Leitlinien im Standard besagen eindeutig,
dass unter gewissen Umständen qualitative und nicht statistische
quantitative Informationen ausreichen, um zu bestimmen, ob ein
Finanzinstrument die Kriterien für die Erfassung von Gesamtlauf­
zeit-ECL erfüllt. Das bedeutet, dass die Informationen kein statis­
tisches Modell oder einen Bonitätsratingprozess durchlaufen
müssen, damit beurteilt werden kann, ob sich das Kreditrisiko
des Finanzinstruments signifikant erhöht hat. In anderen Fällen
kann sich die Beurteilung auf quantitative Informationen oder
eine Mischung aus quantitativen und qualitativen Informationen
stützen.19
Der Standard nennt eine Reihe von Faktoren oder Indikatoren,
die ein Unternehmen bei der Beurteilung, ob es die Gesamtlauf­
zeit-ECL erfassen muss, zu berücksichtigen hat. Dazu zählen
­unter anderem:20
17 Siehe IFRS 9.B5.5.17(j).
18 Siehe IFRS 9.BC5.157.
19 Siehe IFRS 9.B5.5.18.
20 Siehe IFRS 9.B5.5.17.
50
| EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9
• signifikante Änderungen interner Preisindikatoren für das
Kreditrisiko aufgrund einer Änderung des Kreditrisikos seit
Vertragsabschluss, einschließlich u. a. des Credit Spread, der
sich ergäbe, wenn ein bestimmtes Finanzinstrument oder ein
ähnliches Finanzinstrument mit den gleichen Bedingungen und
der gleichen Gegenpartei zum Abschlussstichtag neu ausge­
reicht oder ausgegeben würde
• sonstige Änderungen der Kurse oder Bedingungen eines
­bestehenden Finanzinstruments, die signifikant anders
­gestaltet wären, wenn das Instrument zum Abschlussstich­
tag neu ausgereicht oder ausgegeben worden wäre (z. B.
strengere vertragliche Auflagen, höhere Sicherheiten, Garantie­
beträge oder Gewinnabsicherungen), aufgrund von Änderun­
gen des Kreditrisikos des Finanzinstruments seit dem erstmali­
gen Ansatz
• signifikante Änderungen externer Marktindikatoren in Bezug
auf das Kreditrisiko für ein bestimmtes Finanzinstrument
oder ein ähnliches Finanzinstrument mit der gleichen erwar­
teten Laufzeit; Änderungen der Marktindikatoren in Bezug
auf das Kreditrisiko umfassen u. a. den Credit Spread, Preise
für Credit Default Swaps (CDS) aufseiten des Kreditnehmers,
den Zeitraum bzw. das Ausmaß, in dem der beizulegende Zeit­
wert eines finanziellen Vermögenswerts niedriger war als des­
sen fortgeführte Anschaffungskosten, sowie andere Marktin­
formationen im Zusammenhang mit dem Kreditnehmer (z. B.
Preisänderungen der Fremd- und Eigenkapitalinstrumente
des Kreditnehmers)
• eine tatsächliche oder erwartete signifikante Änderung des
externen Bonitätsratings des Finanzinstruments
• eine tatsächliche oder erwartete Herabstufung des internen
Bonitätsratings des Kreditnehmers oder eine Verschlechte­
rung im Verhaltensscoring, das zur internen Beurteilung des Kre­
ditrisikos herangezogen wird; interne Bonitätsratings und Ver­
haltensscorings sind verlässlicher, wenn sie externen Ratings
zugeordnet oder durch Ausfallstudien gestützt werden
• tatsächliche oder prognostizierte nachteilige Änderungen
der geschäftlichen, finanziellen oder wirtschaftlichen
Rahmenbedingungen, die voraussichtlich eine signifikante
Änderung der Fähigkeit des Kreditnehmers, seine
Der für die Beurteilung von Änderun­
gen des Kreditrisikos a
­ ngemessene
Ansatz ist abhängig von den Geschäfts­
aktivitäten und der Komplexität des
Unternehmens sowie von der Verfüg­
barkeit von Daten.
Zahlungs­verpflichtungen zu erfüllen, herbeiführen; dazu zäh­
len u. a. ein tatsächlicher oder erwarteter Anstieg der Zins­
sätze oder ein tatsächlicher oder erwarteter wesentlicher An­
stieg der Arbeitslosenzahlen
• eine tatsächliche oder erwartete signifikante Änderung des
Betriebsergebnisses des Kreditnehmers; hierzu zählen bei­
spielsweise ein tatsächlicher oder erwarteter Rückgang der Um­
satzerlöse oder Margen, ein Anstieg der operativen Risiken,
Working-Capital-Defizite, eine Verschlechterung der Qualität
der Vermögenswerte, ein Anstieg des Verschuldungsgrads, die
Liquidität, Probleme des Managements oder Änderungen des
Geschäftsumfangs oder der Organisationsstruktur (z. B. Auf­
gabe eines Geschäftssegments oder einer Geschäftsaktivität),
die zu einer signifikanten Änderung der Fähigkeit des Kredit­
nehmers, seine Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen, führen
• ein signifikanter Anstieg des Kreditrisikos bei anderen
­Finanzinstrumenten desselben Kreditnehmers
• eine tatsächliche oder erwartete signifikante negative Ände­
rung des regulatorischen, wirtschaftlichen oder technolo­
gischen Umfelds des Kreditnehmers, die zu einer signifikanten
Änderung der Fähigkeit des Kreditnehmers, seine Zahlungs­
verpflichtungen zu erfüllen, führt; dazu zählt u. a. ein Rückgang
der Nachfrage nach den Produkten des Kreditnehmers aufgrund
eines Technologiewandels
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 |
51
5
Allgemeiner Ansatz: Beurteilung, ob eine signifikante
Erhöhung des Kreditrisikos vorliegt
• signifikante Änderungen des Werts der Sicherheit für die
Verpflichtung oder der Qualität von Garantien Dritter oder von
Kreditbesicherungen, die voraussichtlich den wirtschaftlichen
Anreiz des Kreditnehmers, vertraglich vereinbarte Zahlungen
zu leisten, verringern oder sich anderweitig auf die Ausfallwahr­
scheinlichkeit auswirken werden; z. B. besteht in einigen Län­
dern ein größerer wirtschaftlicher Anreiz für Kreditnehmer, ihre
Hypotheken nicht zu bedienen, wenn sich der Wert der Sicher­
heit aufgrund fallender Hauspreise verringert
• eine signifikante Änderung der Qualität der von einem
­Anteilseigner (oder dem Mutterunternehmen) gestellten
Garantie, wenn der Anteilseigner (oder das Mutterunterneh­
men) einen Anreiz hat und finanziell in der Lage ist, einen Aus­
fall durch eine Kapitalzuführung oder eine Finanzspritze zu
verhindern
• signifikante Änderungen (z. B. Reduzierung) der finanziel­
len Unterstützung durch das Mutterunternehmen oder ein
anderes verbundenes Unternehmen oder eine tatsächliche
oder erwartete signifikante Änderung der Qualität der
Kreditbesicherung, die voraussichtlich dazu führen werden,
dass sich der wirtschaftliche Anreiz des Kreditnehmers, ver­
traglich vereinbarte Zahlungen zu leisten, verringert. Eine solche
Situation könnte beispielsweise eintreten, wenn ein Mutterun­
ternehmen beschließt, die finanzielle Unterstützung für ein Toch­
terunternehmen einzustellen, welches daraufhin droht in die
Zahlungsfähigkeit abzugleiten bzw. unter Insolvenzverwaltung
zu geraten. Dies könnte wiederum dazu führen, dass das Toch­
terunternehmen den Zahlungen für seine betrieblichen Erforder­
nisse (z. B. an Arbeitnehmer und wichtige Lieferanten) eine
höhere Priorität einräumt als der Begleichung seiner Finanz­
verbindlichkeiten, mit der Folge, dass sich die Ausfallwahrschein­
lichkeit für diese Verbindlichkeiten erhöht. Bei den Maßnahmen
zur Verbesserung der Kreditqualität oder zur Kreditunterlegung
ist die finanzielle Situation des Garantiegebers zu berücksich­
tigen, und/oder bei Anteilen, die zu Verbriefungszwecken aus­
gegeben wurden, ist festzustellen, ob die erwarteten Kredit­
ausfälle (z. B. in Bezug auf Kredite, für die Sicherheiten gestellt
wurden) voraussichtlich durch nachrangige Anteile aufgefangen
werden können.
• erwartete Änderungen hinsichtlich der Kreditdokumentation
(d. h. Änderungen der Vertragsbedingungen) einschließlich eines
erwarteten Vertragsbruchs, der zum Verzicht auf bestimmte
Kreditauflagen oder zu deren Änderung, zum Aufschub von Zins­
zahlungen, zu Zinserhöhungen, zur Forderung zusätzlicher
­Sicherheiten oder Garantien oder anderen vertraglichen Ände­
rungen in Bezug auf das Finanzinstrument führen kann
• signifikante Änderungen des erwarteten Zahlungsverhaltens
des Kreditnehmers, einschließlich Änderungen des Zahlungs­
status von Kreditnehmern in der Gruppe (z. B. eine Zunahme
der erwarteten Anzahl oder des Umfangs von verspäteten ver­
traglichen Zahlungen oder eine signifikante Zunahme der Anzahl
von Kreditkartenschuldnern, die ihr Kreditlimit voraussichtlich
erreichen oder überschreiten werden oder bei denen davon aus­
gegangen wird, dass sie den monatlichen Mindestbetrag zahlen
werden)
• Änderungen des Kreditrisikomanagements des Unterneh­
mens in Bezug auf das Finanzinstrument, wenn also auf der
Grundlage neuer Indikatoren für Änderungen des Kreditrisikos
des Finanzinstruments erwartet wird, dass das Unternehmen
im Hinblick auf sein Kreditrisikomanagement einen aktiveren
Ansatz verfolgt oder sein Kreditrisikomanagement stärker auf
die Verwaltung des Finanzinstruments fokussiert, z. B. durch
stärkere Überwachung oder Kontrolle des Finanzinstruments
oder Einbindung des Kreditnehmers
• Informationen zum Zahlungsverzug, einschließlich der wider­
legbaren Vermutung, dass nach mehr als 30 Tagen der Zahlungs­
verzug eintritt (siehe Abschnitt 5.5)
Diese Auflistung wirft die Frage auf, ob Unternehmen künftig jeden
einzelnen dieser Faktoren oder Indikatoren prüfen müssen, so­
bald die entsprechenden Informationen zugänglich sind, obwohl
diese möglicherweise nicht vollständig in den Kreditrisikomanage­
mentsystemen und -prozessen des Unternehmens erfasst sind.
Dies steht im Zusammenhang mit unseren Ausführungen zur Frage,
welche Information ohne einen unverhältnismäßig hohen Kostenoder Arbeitsaufwand zur Verfügung stehen (Abschnitt 4.7.1).
Die Berücksichtigung verschiedener Faktoren oder Indikatoren bei
der Beurteilung, ob seit dem erstmaligen Ansatz ein signifikanter
Anstieg des Kreditrisikos eingetreten ist, wird anhand des folgen­
den Beispiels veranschaulicht.
52
| EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9
Unsere Sichtweise
Wir stellen darüber hinaus Folgendes fest:
• Viele Finanzinstitute dürften in ihren Kreditrisikomanagementsystemen und -prozessen bereits über Informationen zur Preisgestal­
tung und zu den Konditionen für verschiedene Arten von Krediten, die an einen bestimmten Kunden ausgereicht wurden (z. B.
Kontokorrentkredite, Kreditkarten, Hypothekenkredite), verfügen. In der Praxis wäre es häufig jedoch schwierig, solche Informationen
zu verwenden, da Änderungen der Preisgestaltung und der Konditionen bei Ausreichung eines ähnlichen Finanzinstruments zum
Abschlussstichtag offensichtlich nicht so sehr auf eine Änderung des Kreditrisikos hindeuten, wenn andere, stärker wirtschaftlich
orientierte Faktoren hinzukommen (z. B. unterschiedliche Risikoneigung, Änderung des Managementansatzes und von Kredit­
gewährungsstandards). Es kann problematisch sein, die beiden unterschiedlichen Arten von Informationen miteinander zu ver­
knüpfen (d. h. Informationen zum Preisgestaltungsprozess einerseits und zum Kreditrisikomanagement andererseits).
• Einige der Faktoren oder Indikatoren sind lediglich für die Beurteilung, ob sich die Kreditqualität signifikant verschlechtert hat, auf
individueller Ebene relevant, nicht aber auf Portfolioebene. Beispiele hierfür sind Änderungen der externen Marktindikatoren für
das Kreditrisiko, einschließlich des Credit Spread, der CDS-Preise aufseiten des Kreditnehmers und des Ausmaßes, in dem sich der
beizulegende Zeitwert verringert. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass externe Marktinformationen, die
für ein notiertes Finanzinstrument verfügbar sind, hilfreich sein können, um ein anderes Finanzinstrument zu beurteilen, das zwar
nicht an einem Markt notiert ist, aber von demselben oder von einem im gleichen Sektor tätigen Kreditnehmer emittiert wird.
• Zudem sind einige der Faktoren oder Indikatoren stark zukunftsorientiert, z. B. prognostizierte nachteilige Änderungen der
geschäftlichen, finanziellen oder wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, welche die künftige Fähigkeit des Kreditnehmers, seine
Schulden zurückzuzahlen, voraussichtlich erheblich einschränken werden.
• Hervorzuheben ist, dass sich Änderungen des Werts der Sicherheiten üblicherweise auf die Bewertung der erwarteten Kredit­
ausfälle auswirken und nicht auf die Beurteilung, ob ein signifikanter Anstieg des Kreditrisikos vorliegt. Im Standard wird jedoch
erläutert, dass Änderungen des Werts der Sicherheiten unter bestimmten Umständen das Ausfallrisiko beeinflussen können (siehe
Abschnitt 4.6).
• Die meisten Kreditgeber, die Kredite an Unternehmen ausreichen, dürften über ausreichende zukunftsbezogene Informationen zu
den einzelnen Kreditnehmern verfügen und diese bereits in ihre Risikobeurteilungen einbezogen haben. Um die Bestimmungen
des Standards einzuhalten, kann es jedoch sein, dass diese Informationen häufiger aktualisiert werden müssen, als dies derzeit der
Fall ist. Im Gegensatz dazu dürften die meisten Kreditgeber, die Privatkredite vergeben, nicht über diese Art von Informationen auf
der Ebene des einzelnen Kreditnehmers verfügen und werden daher wahrscheinlich eine Beurteilung auf Portfolioebene vornehmen
müssen (siehe Abschnitt 5.9).
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 | 53
5
Allgemeiner Ansatz: Beurteilung, ob eine signifikante
Erhöhung des Kreditrisikos vorliegt
Auszug aus IFRS 9
Beispiel 1: Signifikanter Anstieg des Kreditrisikos (IFRS 9.IE7–IE11)
Die Finanzierungsstruktur von Unternehmen Y beinhaltet eine vorrangig besicherte Kreditfazilität mit unterschiedlichen Tranchen.3
Bank X gewährt Unternehmen Y eine Tranche dieser Kreditfazilität. Zum Zeitpunkt der Ausreichung des Kredits durch Bank X war zu
erwarten, dass Unternehmen Y in der Lage sein würde, die Kreditauflagen während der Laufzeit des Instruments zu erfüllen, obwohl
der Verschuldungsgrad von Unternehmen Y im Vergleich zu anderen Emittenten mit ähnlichem Kreditrisiko relativ hoch war. Darüber
hinaus wurde davon ausgegangen, dass die Umsatzerlöse und Cashflows in dem Sektor, in dem Unternehmen Y tätig ist, über die Lauf­
zeit der vorrangigen Kreditfazilität stabil bleiben würden. Allerdings bestand ein gewisses Geschäftsrisiko im Zusammenhang mit der Fähig­
keit des Unternehmens, die Bruttogewinnmargen der existierenden Geschäftsbereiche zu verbessern.
Beim erstmaligen Ansatz entscheidet Bank X unter Heranziehung der in Paragraf IE7 genannten Kriterien, dass der Kredit trotz des zum
Zeitpunkt des erstmaligen Ansatzes bestehenden Kreditrisikos bei Ausreichung nicht wertgemindert ist, da er die Definition eines wert­
geminderten finanziellen Vermögenswerts gemäß IFRS 9, Anhang A nicht erfüllt.
Nach dem erstmaligen Ansatz verringert sich der Gesamtabsatz infolge einer Änderung der makroökonomischen Bedingungen und Unter­
nehmen Y kann seine Umsatz- und Cashflowziele gemäß dem Geschäftsplan nicht erfüllen. Zwar hat das Unternehmen seine Vorrats­
investitionen aufgestockt, dennoch konnte das geplante Absatzvolumen nicht erreicht werden. Um seine Liquidität zu erhöhen, nimmt
Unternehmen Y zusätzliche Mittel aus einer gesonderten revolvierenden Kreditfazilität auf. Dadurch erhöht sich sein Verschuldungs­
grad weiter. Dies hat zur Folge, dass Unternehmen Y kurz davor ist, die Auflagen für die durch Bank X eingeräumte vorrangig besicherte
Kreditfazilität zu verletzen.
Bank X nimmt zum Abschlussstichtag eine generelle Beurteilung des Kreditrisikos für den an Unternehmen Y ausgereichten Kredit vor.
Dabei berücksichtigt es alle angemessenen und belastbaren Informationen, die ihm ohne einen unverhältnismäßig hohen Kosten- oder
Arbeitsaufwand zur Verfügung stehen und die es benötigt, um zu beurteilen, in welchem Umfang sich das Kreditrisiko seit dem erstmaligen
Ansatz erhöht hat. Diese Beurteilung kann folgende Faktoren beinhalten:
(a) B
ank X erwartet, dass die Verschlechterung der makroökonomischen Rahmenbedingungen in naher Zukunft anhalten kann, was
sich zusätzlich negativ auf die Fähigkeit von Unternehmen Y, Cashflows zu erwirtschaften und seine Schulden zu reduzieren, aus­
wirken kann.
(b) Unternehmen Y steht kurz davor, seine Kreditauflagen zu verletzen. Dies kann dazu führen, dass es den Kredit restrukturieren oder
die Kreditauflagen neu verhandeln muss.
(c) Bank X stellt fest, dass die Marktpreise für die von Unternehmen Y emittierten Anleihen gefallen sind, dass sich die Kreditmarge infolge
des gestiegenen Kreditrisikos für neu ausgereichte Kredite erhöht hat und dass diese Änderungen nicht auf Änderungen des Markt­
umfelds zurückzuführen sind (z. B. haben sich die Benchmarkzinssätze nicht verändert). Ein weiterer Vergleich mit den Preisen von
Vergleichsunternehmen zeigt, dass die Verringerung der Preise für die Anleihen von Unternehmen Y und der Anstieg der Kredit­
marge für seine Kredite wahrscheinlich durch unternehmensspezifische Faktoren verursacht wurden.
(d) B
ank X hat ihre interne Risikoeinstufung für den Kredit auf der Basis der ihr zur Verfügung stehenden Informationen geändert, um
dem Anstieg des Kreditrisikos Rechnung zu tragen.*
Bank X stellt gemäß IFRS 9.5.5.3 fest, dass sich das Kreditrisiko seit dem erstmaligen Ansatz des Kredits signifikant erhöht hat. Daher
erfasst Bank X die über die Gesamtlaufzeit erwarteten Kreditausfälle für den an Unternehmen Y ausgereichten vorrangig besicherten Kredit.
Obwohl Bank X ihre interne Risikoeinstufung für den Kredit noch nicht angepasst hat, könnte sie dennoch zu dieser Schlussfolgerung
gelangen, da die Frage, ob die Risikoeinstufung geändert wurde oder nicht, an sich kein maßgebliches Kriterium für die Feststellung ist,
ob sich das Kreditrisiko seit dem erstmaligen Ansatz signifikant erhöht hat.
* Die Sicherheit für den Kredit beeinflusst den Verlust, der bei Eintritt eines Kreditausfalls entstehen würde, jedoch nicht das Ausfallrisiko. Daher ist sie bei der Beurteilung
gemäß IFRS 9.5.5.3, ob sich das Kreditrisiko seit dem erstmaligen Ansatz signifikant erhöht hat, nicht zu berücksichtigen.
54
| EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9
Auszug aus IFRS 9
Beispiel 2: Kein signifikanter Anstieg des Kreditrisikos (IFRS 9.IE12–IE17)
Unternehmen C ist die Holdinggesellschaft eines Konzerns, der in einer konjunkturabhängigen Fertigungsbranche tätig ist. Bank B hat
Unternehmen C einen Kredit gewährt. Zu diesem Zeitpunkt waren die Aussichten für die Branche günstig, da erwartet wurde, dass
die weltweite Nachfrage weiter steigen würde. Die Einkaufspreise unterlagen jedoch Schwankungen und angesichts der aktuellen Phase
innerhalb des Konjunkturzyklus wurde mit einem möglichen Absatzrückgang gerechnet.
Zudem hatte sich Unternehmen C in der Vergangenheit auf sein externes Wachstum konzentriert und zu diesem Zweck Mehrheits­
beteiligungen an Unternehmen in verwandten Branchen erworben. Infolgedessen ist die Konzernstruktur komplex und verändert sich
laufend. Dies macht es für Anleger schwierig, die künftige Entwicklung des Konzerns einzuschätzen und zu prognostizieren, wie viel
­Liquidität auf der Ebene der Holdinggesellschaft zur Verfügung stehen wird. Auch wenn die Gläubiger von Unternehmen C den Ver­
schuldungsgrad zum Zeitpunkt der Ausreichung des Kredits durch Bank B als akzeptabel betrachten, haben die Gläubiger dennoch
­Bedenken bezüglich der Fähigkeit von Unternehmen C, seine Schulden zu refinanzieren, da die Restlaufzeit bis zur Fälligkeit der der­
zeitigen Finanzierung nur noch kurz ist. Weiterhin bestehen Bedenken hinsichtlich der Fähigkeit von Unternehmen C, seine Zinsen
­unter Verwendung der Dividenden, die es von seinen operativen Tochtergesellschaften erhält, weiter zu bedienen.
Zum Zeitpunkt der Ausreichung des Kredits durch Bank B entsprach der Verschuldungsgrad von Unternehmen C dem anderer Kunden
mit ähnlichem Kreditrisiko, und auf der Grundlage der Prognosen über die erwartete Laufzeit des Kredits war die verfügbare Kapazität
(d. h. der Spielraum) in Bezug auf den Deckungsgrad vor Auslösung eines Ausfallereignisses hoch. Bank B wendet ihre eigenen internen
Ratingverfahren an, um das Kreditrisiko zu bestimmen, und vergibt für ihre Kredite ein spezielles internes Rating. Die internen Rating­
kategorien von Bank B basieren auf historischen, aktuellen und zukunftsbezogenen Informationen und spiegeln das Kreditrisiko für die
Laufzeit der Kredite wider. Beim erstmaligen Ansatz bestimmt Bank B, dass der Kredit einem hohen Kreditrisiko unterliegt, spekula­
tive Elemente enthält und die Unsicherheiten in Bezug auf Unternehmen C, einschließlich der unsicheren Aussichten hinsichtlich der
Erzeugung von Cashflows, zu einem Zahlungsausfall führen könnten. Bank B stuft den Kredit jedoch nicht als bei Ausreichung wert­
gemindert ein, da er die in IFRS 9, Anhang A enthaltene Definition eines finanziellen Vermögenswerts, der bei Erwerb oder Ausreichung
wertgemindert ist, nicht erfüllt.
Nach dem erstmaligen Ansatz verkündet Unternehmen C, dass sich das Absatzvolumen bei drei seiner fünf wichtigsten Tochterunter­
nehmen aufgrund einer Verschlechterung der Marktbedingungen erheblich verringert hat, in den kommenden Monaten jedoch wieder
mit einem zyklusbedingten Anstieg des Absatzvolumens für die Branche gerechnet wird. In den anderen beiden Tochterunternehmen
blieb der Absatz stabil. Unternehmen C hat außerdem eine Umstrukturierung in Aussicht gestellt, um seine operativen Tochtergesell­
schaften effizienter zu machen. Diese Umstrukturierung wird die Flexibilität bei der Refinanzierung bestehender Schulden erhöhen
und die Fähigkeit der operativen Tochtergesellschaften, Dividenden an Unternehmen C zu zahlen, verbessern.
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 |
55
5
Allgemeiner Ansatz: Beurteilung, ob eine signifikante
Erhöhung des Kreditrisikos vorliegt
Auszug aus IFRS 9
Beispiel 2: Kein signifikanter Anstieg des Kreditrisikos (IFRS 9.IE12–IE17) (Fortsetzung)
Trotz der erwarteten anhaltenden Verschlechterung der Marktbedingungen trifft Bank B gemäß IFRS 9.5.5.3 die Einschätzung, dass
sich das Kreditrisiko für den an Unternehmen C ausgereichten Kredit seit dem erstmaligen Ansatz nicht signifikant erhöht hat. Dies
wird u. a. auf der Basis folgender Faktoren begründet:
(a) Zwar haben sich die aktuellen Absatzmengen verringert, doch hatte dies Bank B zum Zeitpunkt des erstmaligen Ansatzes erwartet.
Überdies wird damit gerechnet, dass die Absatzmengen in den kommenden Monaten wieder steigen werden.
(b) Angesichts der erhöhten Flexibilität bei der Refinanzierung bestehender Schulden auf der Ebene der operativen Tochtergesell­
schaften und deren verbesserter Fähigkeit, Dividenden an Unternehmen C zu zahlen, betrachtet Bank B die Umstrukturierung als
Bonitätsverbesserung. Dessen ungeachtet hat die Bank weiterhin Bedenken hinsichtlich der Fähigkeit von Unternehmen C, die
­bestehenden Schulden auf der Ebene der Holdinggesellschaft zu refinanzieren.
(c) Die Kreditrisikoabteilung von Bank B, die Unternehmen C überwacht, hat festgestellt, dass die jüngsten Entwicklungen nicht
­signifikant genug sind, um eine Änderung ihrer internen Kreditrisikoeinstufung zu rechtfertigen.
Infolgedessen erfasst Bank B keine Risikovorsorge in Höhe der Gesamtlaufzeit-ECL aus dem Kredit. Sie aktualisiert jedoch ihre Anpassung
der 12-Monats-ECL um den erwarteten Anstieg des Ausfallrisikos in den nächsten zwölf Monaten sowie um die aktuellen Erwartungen
bezüglich der Verluste, die ihr im Falle eines Zahlungsausfalls entstehen würden.
5.3 Was bedeutet „signifikant“?
Die Beurteilung, ob sich das Kreditrisiko signifikant erhöht hat,
hängt maßgeblich von der Interpretation des Begriffs „signifikant“
ab. Einige interessierte Parteien, die zum ED/2013/3 Stellung
genommen hatten, baten das IASB, den Begriff „signifikant“ zu
definieren. Das IASB entschied sich jedoch dagegen und begrün­
dete dies wie folgt:21
• Um die Änderung der Ausfallwahrscheinlichkeit als festen Pro­
zentsatz anzugeben, müssten alle Unternehmen den Ansatz zur
Bestimmung der Ausfallwahrscheinlichkeit anwenden. Da jedoch
nicht alle Unternehmen (mit Ausnahme regulierter Finanzinsti­
tute) die Ausfallwahrscheinlichkeit als feste Inputgröße zugrunde
legen, würde dies die Kosten und den Aufwand für jene Unter­
nehmen erhöhen, die diesen Ansatz nicht anwenden.
• Die Ermittlung des Umfangs der Änderung des Ausfallrisikos
wäre willkürlich und von der Produktart, den Fälligkeiten und
dem ursprünglichen Kreditrisiko abhängig.
21 Siehe IFRS 9.BC5.171–BC5.172.
22 Siehe IFRS 9.B5.5.9–B5.5.10.
56
| EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9
Der Standard betont, dass bei der Bestimmung der Signifikanz
der Änderung des Ausfallrisikos folgende Faktoren zugrunde zu
legen sind:22
• Das ursprüngliche Kreditrisiko beim erstmaligen Ansatz:
Die gleiche absolute Änderung der Ausfallwahrscheinlichkeit
wird bei einem Finanzinstrument mit einem geringeren ursprüng­
lichen Kreditrisiko signifikanter sein als bei einem Finanzinstru­
ment mit einem höheren ursprünglichen Kreditrisiko (siehe Ab­
schnitt 5.8).
• Die erwartete Laufzeitstruktur: Das Ausfallrisiko bei Finanz­
instrumenten mit ähnlichem Kreditrisiko erhöht sich mit zuneh­
mender erwarteter Laufzeit der betreffenden Finanzinstrumente.
Aufgrund des Zusammenhangs zwischen der erwarteten Lauf­
zeit und dem Ausfallrisiko lässt sich die Änderung des Kredit­
risikos nicht einfach durch einen Vergleich des absoluten Ausfall­
risikos über einen bestimmten Zeitraum beurteilen. Wenn das
Ausfallrisiko für ein Finanzinstrument mit einer erwarteten Lauf­
zeit von zehn Jahren beim erstmaligen Ansatz beispielsweise
nach fünf Jahren immer noch genauso hoch ist, deutet dies da­
rauf hin, dass sich das Kreditrisiko erhöht hat. Der Standard
stellt darüber hinaus klar, dass sich das Ausfallrisiko von Finanz­
instrumenten, die wesentliche Zahlungsverpflichtungen kurz
vor dem Fälligkeitstermin aufweisen (z. B. wenn der Kapitalbe­
trag erst bei Fälligkeit zurückgezahlt wird), nicht notwendiger­
weise mit der Zeit verringern muss. In solchen Fällen muss das
Unternehmen andere qualitative Faktoren heranziehen.
Die Beurteilung, ob sich das Kredit­
risiko signifikant erhöht hat, hängt
davon ab, wie der Begriff „signifikant“
definiert wird.
Unsere Sichtweise
Unsere Sichtweise
Zwar dürfte sich das Ausfallrisiko von Finanzinstrumenten,
deren wesentliche Zahlungsverpflichtungen kurz vor dem Fällig­
keitstermin zu erfüllen sind, weniger schnell verringern als für
Finanzinstrumente, bei denen solche Zahlungsverpflichtungen
während der gesamten Vertragslaufzeit bestehen. Dennoch
dürfte das Ausfallrisiko mit näher rückendem Fälligkeitstermin
abnehmen.
Die meisten Kredite, die auf eine signifikante Verschlechterung
der Kreditqualität hin überprüft werden, dürften kein Rating
einer Ratingagentur besitzen. Dies dürfte auch der Fall sein,
wenn Unternehmen eigene Modelle zur Bestimmung der Aus­
fallwahrscheinlichkeit entwickelt haben und in der Lage sind,
ihre Kredite nach deren Ausfallwahrscheinlichkeit einzustufen.
Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass der gemäß dem
Standard vorgeschriebene Ansatz auf stärker ganzheitlich und
qualitativ orientierten Kriterien fußt als externe Bonitätsra­
tings, die jeweils um einzelne Ausfallereignisse angepasst wer­
den und allmähliche Verschlechterungen der Kreditqualität
nicht berücksichtigen. Externe Bonitätsratings sollten daher
nicht ausschließlich, sondern in Verbindung mit anderen quali­
tativen Informationen verwendet werden. Dies gilt natürlich
auch für die Verwendung interner Bonitätsratings, insbeson­
dere wenn diese lediglich einmal pro Jahr überprüft werden.
Externe Bonitätsratings
Die Analyse historischer Kreditausfälle, die mit Bonitätsratings
von Ratingagenturen wie Standard & Poor’s (S&P) zusammen­
hängen, macht deutlich, dass die Ausfallwahrscheinlichkeit bei ab­
nehmendem Bonitätsrating mehr als linear zunimmt. Daher ist
der absolute Anstieg der Ausfallwahrscheinlichkeit zwischen zwei
relativ niedrigen Kreditrisikoeinstufungen deutlich geringer als
zwischen zwei höheren Risikoeinstufungen. Der relative Anstieg
der Ausfallwahrscheinlichkeit zwischen den einzelnen Ratings
könnte jeweils als „signifikant“ betrachtet werden, da die meisten
eine Verdoppelung oder Verdreifachung der Ausfallwahrschein­
lichkeit beinhalten. Im Gegensatz dazu dürften geringfügige Ände­
rungen des Kreditrisikos aufgrund von Herauf- oder Herabstu­
fungen (plus oder minus „notches“) im Ratingsystem kaum als
„signifikant“ betrachtet werden, da es sich beim Bonitätsrating
eher um eine Kunst als um eine Wissenschaft handelt. Darüber
­hinaus steigt mit zunehmendem Zeithorizont auch die Ausfall­
wahrscheinlichkeit bei allen Bonitätsratings (je länger die Lauf­
zeit, desto stärker steigt die Ausfallwahrscheinlichkeit).
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 |
57
5
Allgemeiner Ansatz: Beurteilung, ob eine signifikante
Erhöhung des Kreditrisikos vorliegt
5.4 Praktische Vereinfachung für Finanzinstrumente mit geringem Kreditrisiko
Der Standard enthält eine bedeutende Vereinfachung, wonach ein
Unternehmen bei Finanzinstrumenten mit einem geringen Kredit­
risiko zum Abschlussstichtag die Annahme zugrunde legen darf,
dass kein signifikanter Anstieg des Kreditrisikos eingetreten ist.
Mit dem Konzept des geringen Kreditrisikos beabsichtigte das IASB,
Unternehmen die Nachverfolgung von Änderungen des Kredit­
risikos qualitativ hochstehender Finanzinstrumente zu erleichtern.
Daher ist diese praktische Vereinfachung lediglich optional und
auf Einzelfallbasis anzuwenden.
In diesem Punkt weicht der Standard vom ED/2013/3 ab, der diese
Vorgehensweise zwingend vorschrieb. Mit dieser Änderung ent­
sprach das IASB dem Wunsch interessierter Parteien, darunter auch
von Aufsichtsbehörden, diese Vereinfachungsregelung nicht als
Vorschrift, sondern als Wahlrecht in den Standard aufzunehmen.
Der Baseler Ausschuss hat in seinem Konsultationspapier zu den
SCRAVL-Leitlinien (siehe Abschnitt 1.1) vorgeschlagen, dass
Banken, die Erfahrung in der Abwicklung komplexer Kreditge­
schäfte haben, diese Vereinfachung nur in Ausnahmefällen auf
ihre Kreditportfolios anwenden.
Bei Finanzinstrumenten mit geringem Kreditrisiko hat das Unter­
nehmen eine Risikovorsorge auf der Basis der 12-Monats-ECL
zu erfassen. Weist ein Finanzinstrument jedoch zum Abschluss­
stichtag kein geringes Kreditrisiko auf, bedeutet dies nicht
Wenn ein Finanzinstrument ein gerin­
ges Kreditrisiko aufweist, darf das
Unternehmen die Annahme zugrunde
legen, dass sich das Kreditrisiko nicht
signifikant erhöht hat.
23 Siehe IFRS 9.B5.5.22.
24 Siehe IFRS 9.BC5.188.
58
| EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9
notwendigerweise, dass das Unternehmen verpflichtet ist, Gesamt­
laufzeit-ECL zu erfassen. In diesem Fall muss das Unternehmen
beurteilen, ob sich das Kreditrisiko seit dem erstmaligen Ansatz
signifikant erhöht hat und somit die Gesamtlaufzeit-ECL zu erfas­
sen sind.
Der Standard schreibt vor, dass das Kreditrisiko für ein Finanz­
instrument in folgenden Fällen als gering einzustufen ist:23
• Das Finanzinstrument weist ein geringes Ausfallrisiko auf.
• Der Kreditnehmer ist in der Lage, seine vertraglich vereinbar­
ten Cashflow-Verpflichtungen in naher Zukunft zu erfüllen.
• Nachteilige langfristige Veränderungen der wirtschaftlichen und
geschäftlichen Rahmenbedingungen können, müssen jedoch
nicht zwangsläufig die Fähigkeit des Kreditnehmers beeinträch­
tigen, seine vertraglich vereinbarten Cashflow-Verpflichtungen
zu erfüllen.
Das Kreditrisiko für ein Finanzinstrument wird nicht einfach deshalb
als gering eingestuft, weil sein Verlustrisiko gering ist (z. B. bei
einem besicherten Kredit, wenn der Wert der Sicherheit höher ist
als der Kreditbetrag, siehe Abschnitt 4.6) oder weil das Finanz­
instrument verglichen mit anderen Finanzinstrumenten des Unter­
nehmens oder dem Kreditrisiko des Landes, in dem das Unter­
nehmen tätig ist, ein geringeres Ausfallrisiko aufweist.
Die Beschreibung des geringen Kreditrisikos entspricht weitgehend
dem „Investment-Grade-Bereich“, der bei Standard & Poor’s von
einem BBB- oder höheren Rating, bei Moody’s von einem Baa3oder höheren Rating oder bei Fitch von einem BBB- oder höheren
Rating definiert ist. Bei Anwendung der praktischen Vereinfachung
auf Finanzinstrumente mit geringem Kreditrisiko müssen die be­
treffenden Finanzinstrumente nicht einem externen Rating unter­
zogen werden. Ziel des IASB war es jedoch, ein weltweit vergleich­
bares Konzept für das geringe Kreditrisiko zu verwenden, anstatt
ein bestimmtes Risikoniveau festzulegen, z. B. mittels der durch
ein Unternehmen oder ein Land auf der Grundlage unternehmensoder länderspezifischer Faktoren vorgenommenen Risikoeinschät­
zung.24 Daher darf ein Unternehmen seine internen Bonitätsratings
zugrunde legen, um zu bestimmen, was unter einem geringen
Kreditrisiko zu verstehen ist, sofern dies mit der weltweit verwen­
deten Definition eines geringen Kreditrisikos (z. B. „Investment
Grade“) oder der am Markt vorherrschenden Interpretation eines
geringen Kreditrisikos im Einklang steht. Zudem sollten Ratings
angepasst werden, um den speziellen Risiken der zu beurteilen­
den Finanzinstrumente Rechnung zu tragen.
In der Praxis dürften Unternehmen, die interne Bonitätsratings
durchführen, bestrebt sein, ihre internen Einstufungen externen
Bonitätsratings und Definitionen, z. B. von Standard & Poor’s,
Moody’s und Fitch, zuzuordnen. Die unterschiedlichen Bonitäts­
ratings dieser führenden Ratingagenturen sind im Folgenden
beschrieben.25
Externe Bonitätsratings und Definitionen der drei führenden Ratingagenturen
Standard & Poor’s
Moody’s
Fitch
„Investment Grade“ bezieht sich in der ­
Regel auf die Ratingkategorien AAA bis
BBB (wobei BBB– die niedrigste Investment-Grade-Stufe darstellt).
„Investment Grade“ bezieht sich in der
­ egel auf die Ratingkategorien Aaa
R
bis Bbb (wobei Bbb3 die niedrigste
­Investment-Grade-Stufe darstellt).
„Investment Grade“ bezieht sich in der ­Regel
auf die Ratingkategorien AAA bis BBB
­(wobei BBB– die niedrigste InvestmentGrade-Stufe darstellt).
BBB
Schuldner mittlerer Güte, die in der Lage
sind, ihre finanziellen Verpflichtungen
zu e
­ rfüllen, aber anfälliger gegenüber
­nega­tiven wirtschaftlichen Rahmenbe­
dingungen sind.
Baa
Verbindlichkeiten mit einem Baa-Rating
­haben eine mittlere Qualität und ein
­moderates Kreditrisiko und können
­gewisse s­ pekulative Elemente enthalten.
BBB: gute Kreditqualität
Deutet darauf hin, dass die Erwartungen in
Bezug auf das Ausfallrisiko derzeit gering
sind. Der Schuldner ist in der Lage, die finan­
ziellen Verpflichtungen zu erfüllen, aber es
besteht eine größere Wahrscheinlichkeit, dass
diese Fähigkeit durch negative geschäftliche
oder wirtschaftliche Rahmenbedingungen
beeinträchtigt wird.
Abgrenzung zwischen „Investment Grade“ und „Speculative Grade“
BB
Weniger anfällig in naher Zukunft, aber
­erheblichen anhaltenden Unsicherheiten
aufgrund negativer geschäftlicher,
­finanzieller und wirtschaftlicher Rahmen­
bedingungen ausgesetzt.
Ba
Verbindlichkeiten mit einem Ba-Rating
­gelten als spekulativ und haben ein
erheb­liches Kreditrisiko.
BB: spekulativ
Deutet auf ein erhöhtes Ausfallrisiko hin,
insbesondere bei negativen Veränderungen
der geschäftlichen oder wirtschaftlichen
Rahmenbedingungen über einen längeren
Zeitraum. Es ist jedoch geschäftliche oder
finanzielle Flexibilität vorhanden, die die
­Bedienung der finanziellen Verpflichtungen
unterstützt.
25 IASB Agendapapier 5B, Financial Instruments: Impairment, Operational simplifications – 30dpd and low credit risk, 28. Oktober–1. November 2013.
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 | 59
5
Allgemeiner Ansatz: Beurteilung, ob eine signifikante
Erhöhung des Kreditrisikos vorliegt
Betrachtet man die historischen Kreditausfälle, die mit den Boni­
tätsratings von Ratingagenturen wie Standard & Poor’s zusam­
menhängen, so ist die Ausfallwahrscheinlichkeit eines mit BBB
­benoteten Kredits rund dreimal so hoch wie die eines Kredits mit
einem A-Rating. Daher werden einige Unternehmen
möglicherweise davon absehen, die praktische Vereinfachung für
geringe Kreditrisiken anzuwenden und das Kreditrisiko eines von
A auf BBB herabgestuften Vermögenswerts als signifikant einzu­
stufen, auch wenn es sich dabei nach wie vor um ein InvestmentGrade-Rating handelt.
Unsere Sichtweise
Die praktische Vereinfachung bei Finanzinstrumenten mit geringem Kreditrisiko ist nicht anwendbar, wenn ein Unternehmen ein
Finanzinstrument ausreicht oder erwirbt, dessen Kreditrisiko höher ist als das eines Vermögenswerts mit einem Investment-GradeRating. Auch in Fällen, in denen die Kreditqualität des Finanzinstruments bei dessen Ausreichung oder Erwerb nur geringfügig
­besser als ein Non-Investment Grade (d. h. am untersten Ende des Investment-Grade-Ratings) eingestuft wird, ist die Vereinfachung
nur beschränkt anwendbar. Der Grund hierfür ist, dass das Unternehmen bei jeglicher Verschlechterung der Kreditqualität zu einem
Non-Investment-Grade-Rating zu beurteilen hat, ob sich das Kreditrisiko signifikant erhöht hat.
Es bleibt abzuwarten, in welchem Umfang Banken diese praktische Vereinfachung auf ihre Kreditportfolios anwenden werden. Investo­
ren, die extern geratete Schuldinstrumente halten, dürften sich eher an den von Ratingagenturen bereitgestellten Daten orientieren
und die praktische Vereinfachung bei geringem Kreditrisiko anwenden. In diesem Zusammenhang ist jedoch Folgendes zu beachten:
•B
ei den von Ratingagenturen verwendeten Ausfallraten handelt es sich um historische Informationen. Um erwartete Kreditausfälle
zu bewerten oder zu beurteilen, ob sich die Kreditqualität verschlechtert hat, müssen Unternehmen wissen, woher diese Daten
stammen, und sie um aktuelle und zukunftsbezogene Informationen aktualisieren (siehe Abschnitt 4.7). Dies verdeutlicht der unten
stehende Auszug aus IFRS 9.
• Obwohl Ratings sich stets auf die zukünftige Entwicklung beziehen, kann es sein, dass Änderungen des Bonitätsratings nicht zeitnah
widergespiegelt werden. Daher muss ein Unternehmen bei der Beurteilung, ob ein signifikanter Anstieg des Kreditrisikos vorliegt,
gegebenenfalls erwartete Änderungen von Ratings berücksichtigen und die angenommenen Ausfallraten entsprechend anpassen.
Dennoch wird das Wahlrecht, die praktische Vereinfachung für Finanzinstrumente mit geringem Kreditrisiko anzuwenden, in der Praxis
zu unterschiedlichen Vorgehensweisen führen.
60
| EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9
Das folgende Beispiel zeigt, wie die praktische Vereinfachung für Finanzinstrumente mit geringem Kreditrisiko anzuwenden ist.
Auszug aus IFRS 9
Beispiel 4: Öffentliche Anleihe mit Investment-Grade-Rating (IFRS 9.IE24–IE28)
Unternehmen A ist ein großes, börsennotiertes Logistikunternehmen. Der einzige Schuldtitel in seiner Kapitalstruktur ist eine öffentliche
Anleihe mit einer Laufzeit von fünf Jahren und der einzigen vertraglichen Auflage, dass keine weiteren Mittel aufgenommen werden
dürfen. Unternehmen A erstattet seinen Anteilseignern vierteljährlich Bericht. Unternehmen B ist einer von zahlreichen Investoren der
Anleihe. Unternehmen B nimmt gemäß IFRS 9.5.5.10 an, dass die Anleihe zum Zeitpunkt des erstmaligen Ansatzes ein geringes Kredit­
risiko aufweist. Diese Annahme trifft es auf der Grundlage, dass die Anleihe ein geringes Ausfallrisiko aufweist und im Hinblick auf
Unternehmen A davon ausgegangen wird, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit in der Lage sein wird, seine Verpflichtungen in naher
Zukunft zu erfüllen. Unternehmen B erwartet auf längere Sicht, dass negative Änderungen der wirtschaftlichen und geschäftlichen Rahmen­
bedingungen die Fähigkeit von Unternehmen A, seinen Verpflichtungen in Bezug auf die Anleihe nachzukommen, einschränken können,
aber nicht notwendigerweise müssen. Darüber hinaus wurde die Anleihe zum Zeitpunkt des erstmaligen Ansatzes mit einem internen Boni­
tätsrating benotet, das dem weltweiten externen Bonitätsrating „Investment Grade“ entspricht.
Zum Abschlussstichtag beziehen sich die wesentlichen Bedenken von Unternehmen B im Hinblick auf das Kreditrisiko auf den anhaltend
rückläufigen Gesamtabsatz, der zu einem Rückgang der Cashflows aus betrieblicher Tätigkeit von Unternehmen A geführt hat.
Da Unternehmen B lediglich die vierteljährlichen öffentlichen Informationen verwendet und keinen Zugang zu nicht öffentlichen Kredit­
risikoinformationen hat (da es ein Investor der Anleihe ist), stützt sich seine Beurteilung von Änderungen des Kreditrisikos auf öffent­
liche Bekanntmachungen und Informationen, einschließlich aktueller Presseveröffentlichungen von Ratingagenturen zur Entwicklung von
Kreditrisiken.
Unternehmen B wendet die praktische Vereinfachung für Finanzinstrumente mit geringem Kreditrisiko gemäß IFRS 9.5.5.10 an. Danach
hat es zum Abschlussstichtag unter Heranziehung aller angemessenen und belastbaren Informationen, die ohne einen unverhältnismäßig
hohen Kosten- oder Arbeitsaufwand zur Verfügung stehen, zu beurteilen, ob die Anleihe ein geringes Kreditrisiko aufweist. Im Rahmen
dieser Beurteilung überprüft Unternehmen B das interne Bonitätsrating der Anleihe und kommt aus folgenden Gründen zu dem Schluss,
dass die Anleihe nicht mehr die Voraussetzungen für ein Investment-Grade-Rating erfüllt:
(a) G
emäß dem jüngsten Quartalsbericht von Unternehmen A waren die Umsatzerlöse um 20 Prozent gegenüber dem Vorquartal und
das Betriebsergebnis um 12 Prozent gegenüber dem Vorquartal zurückgegangen.
(b) D
ie Ratingagenturen reagierten prompt auf eine Gewinnwarnung durch Unternehmen A und überprüften das Bonitätsrating auf
eine mögliche Herabstufung von „Investment Grade“ auf „Non-Investment Grade“. Zum Abschlussstichtag war die externe Kredit­
risikoeinstufung jedoch unverändert.
(c) Der Preis für die Anleihe ist ebenfalls deutlich gefallen, was zu einem Anstieg der Umlaufrendite geführt hat. Unternehmen B stellt
fest, dass der Anleihepreis infolge des steigenden Kreditrisikos von Unternehmen A gefallen ist. Der Grund hierfür ist, dass sich das
Marktumfeld nicht geändert hat (z. B. sind die Benchmarkzinssätze, die Liquidität etc. unverändert), und ein Vergleich mit den
­Anleihepreisen von Vergleichsunternehmen zeigt, dass der Preisrückgang wahrscheinlich unternehmensspezifisch ist (und z. B. nicht
auf Änderungen der Benchmarkzinssätze zurückzuführen ist, die kein Indikator für unternehmensspezifische Kreditrisiken sind).
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 |
61
5
Allgemeiner Ansatz: Beurteilung, ob eine signifikante
Erhöhung des Kreditrisikos vorliegt
Auszug aus IFRS 9
Beispiel 4: Öffentliche Anleihe mit Investment-Grade-Rating (IFRS 9.IE24–IE28) (Fortsetzung)
Obwohl Unternehmen A derzeit in der Lage ist, seine finanziellen Verpflichtungen zu erfüllen, hat sich das Ausfallrisiko in Bezug auf die
Anleihe aufgrund der mit den schlechteren geschäftlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verbundenen Unsicherheiten erhöht.
Unter Heranziehung der in Paragraf IE27 genannten Faktoren bestimmt Unternehmen B, dass die Anleihe zum Abschlussstichtag kein
geringes Kreditrisiko aufweist. Infolgedessen muss es beurteilen, ob der Anstieg des Kreditrisikos seit dem erstmaligen Ansatz signifikant
ist. Auf der Grundlage seiner Beurteilung bestimmt Unternehmen B, dass sich das Kreditrisiko seit dem erstmaligen Ansatz signifikant
erhöht hat und dass es gemäß IFRS 9.5.5.3 eine Risikovorsorge in Höhe der über die Gesamtlaufzeit erwarteten Kreditausfälle zu erfas­
sen hat.
Einige der Schwierigkeiten bei der Beurteilung, ob ein signifikanter
Anstieg des Kreditrisikos vorliegt (einschließlich der Anwendung
der praktischen Vereinfachung für Finanzinstrumente mit geringem
Kreditrisiko), sowie bei der Schätzung der erwarteten Ausfälle
werden anhand des folgenden Beispiels veranschaulicht. Das Bei­
spiel zeigt verschiedene Methoden zur Identifizierung
signifikanter Änderungen der Kreditqualität und unterschiedliche
Eingabeparameter für die Berechnung der erwarteten Ausfälle
­einer europäischen Staatsanleihe, die im Hinblick auf die Risiko­
vorsorge gemäß IFRS 9 zu äußerst unterschiedlichen Ergebnissen
und Schwankungen führen.
Beispiel 5-1: Verwendung von Bonitätsratings und/oder CDS-Spreads zur Beurteilung, ob ein signifikanter Anstieg des
­Kreditrisikos vorliegt, und zur Schätzung der erwarteten Kreditverluste
Einführung
Eine besondere Schwierigkeit bei der Anwendung der Wertminderungsvorschriften nach IFRS 9 auf notierte Anleihen besteht darin,
dass die von Ratingagenturen (z. B. Standard & Poor’s) erteilten Bonitätsratings und die historischen Kreditausfälle nach Ratingklassen
deutlich von der Markteinschätzung abweichen können. Dies spiegelt sich dann beispielsweise in den Spreads von Credit Default Swaps
und Anleihen wider.
Um die mit der Anwendung von IFRS 9 auf Schuldtitel verbundenen Schwierigkeiten zu verdeutlichen, haben wir untersucht, wie die
erwarteten Kreditausfälle für eine real existierende Anleihe ermittelt werden können, die am 16. September 2008 von der Regierung
­eines europäischen Staates emittiert wurde und 2024 ausläuft. Wir haben die laut IFRS 9 vorgeschriebenen Berechnungen für die Anleihe
in Bezug auf drei unterschiedliche Zeitpunkte durchgeführt. Dabei haben wir die Annahme zugrunde gelegt, dass die Anleihe direkt
zum Emissionszeitpunkt erworben wurde. Im Januar 2009 betrug das Rating von Standard & Poor’s für die Anleihe AA+, wurde jedoch
im Januar 2012 auf A herabgestuft. Die Anleihe wurde im März 2014 weiter auf BBB– herabgestuft, bevor sie sich im Mai 2014 wieder
auf BBB verbesserte.
62
| EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9
Beispiel 5-1: Verwendung von Bonitätsratings und/oder CDS-Spreads zur Beurteilung, ob ein signifikanter Anstieg des
­Kreditrisikos vorliegt, und zur Schätzung der erwarteten Kreditverluste (Fortsetzung)
Drei Ansätze
Im Folgenden werden drei Ansätze erläutert:
• Ansatz 1: Verwendung von S&P-Bonitätsratings, um festzustellen, ob sich das Kreditrisiko für die Anleihe signifikant erhöht hat,
und um die erwarteten Kreditausfälle zu schätzen
• Ansatz 2: Verwendung von S&P-Bonitätsratings, um festzustellen, ob sich das Kreditrisiko für die Anleihe signifikant erhöht hat,
und Verwendung von CDS-Spreads, um die erwarteten Kreditausfälle zu schätzen
• Ansatz 3: Verwendung von CDS-Spreads, um festzustellen, ob sich das Kreditrisiko für die Anleihe signifikant erhöht hat, und um
die erwarteten Kreditausfälle zu schätzen
Die unten stehenden prozentualen Kreditausfälle für die Unternehmensanleihen wurden auf der Basis der von S&P für die einzelnen Boni­
tätsratings ermittelten historischen Ausfallwahrscheinlichkeiten (Ansatz 1) sowie auf der Basis der CDS-Spreads (Ansätze 2 und 3)
­berechnet. Bei den Berechnungen wurde mit 60 % ein häufig verwendeter Prozentsatz für die Verlustquote (loss given default; LGD)
­zugrunde gelegt. Um die 12-Monats-Ausfallwahrscheinlichkeiten zu ermitteln, wurde in der CDS-Kurve der 12-Monats-Fälligkeitszeit­
punkt und bei den auf die Gesamtlaufzeit bezogenen Ausfallwahrscheinlichkeiten der Fälligkeitszeitpunkt gewählt.
Daraus ergaben sich die folgenden Prozentsätze für die Risikovorsorge:
Bonitätsrating
Ansatz 1
Ansatz 2
Ansatz 3
31. Januar 2009
AA+
0,01
1,10
18,29
31. Januar 2012
A
0,04
2,98
30,89
31. März 2014
BB+
0,08
0,34
13,81
Ansatz 1
Gemessen an den Bonitätsratings war die Anleihe während dieses Zeitraums als Investment Grade eingestuft. Bei Anwendung der prak­
tischen Vereinfachung für Finanzinstrumenten mit geringem Kreditrisiko wäre die Risikovorsorge somit auf der Basis der 12-Monats-ECL
erfasst worden. Bei Verwendung der durch die Bonitätsratings implizierten historischen Ausfallraten für die Unternehmensanleihen und
der Annahme eines LGD von 60 % zur Berechnung der erwarteten Kreditausfälle hätte sich die 12-Monats-Risikovorsorge von 0,01 % am
31. Januar 2009 drei Jahre später auf 0,04 % und bis zum 31. März 2014 auf 0,18 % erhöht. Zu beachten ist, dass es sich bei den
durch die Bonitätsratings implizierten historischen Ausfallraten um historische Ausfallraten von Unternehmensanleihen handelt, sodass
diese Quoten erst angepasst werden müssten, um die Anforderungen des Standards zu erfüllen. IFRS 9 schreibt vor, dass bei der
­Berechnung der erwarteten Kreditausfälle die aktuellen Gegebenheiten und Prognosen zukünftiger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen
zugrunde zu legen sind. Dabei muss es sich laut dem Standard um angemessene und belastbare Informationen handeln. Diese dürften
Marktindikatoren wie Credit Default Swaps und Anleihespreads, wie unter Ansatz 2 beschrieben, beinhalten.
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 | 63
5
Allgemeiner Ansatz: Beurteilung, ob eine signifikante
Erhöhung des Kreditrisikos vorliegt
Beispiel 5-1: Verwendung von Bonitätsratings und/oder CDS-Spreads zur Beurteilung, ob ein signifikanter Anstieg des
­Kreditrisikos vorliegt, und zur Schätzung der erwarteten Kreditverluste (Fortsetzung)
Ansatz 2
Im Gegensatz zu Ansatz 1 hätte sich die 12-Monats-Risikovorsorge bei Verwendung von CDS-Spreads und der gleichen Annahme eines
LGD von 60 % zur Berechnung der erwarteten Kreditausfälle von 1,1 % am 31. Januar 2009 drei Jahre später auf 2,98 % erhöht und bis
zum 31. März 2014 auf 0,34 % verringert. Die durch die Credit Default Swaps implizierten Ausfallraten sind deutlich höher, als angesichts
der Ratings für diese Anleihen zu erwarten gewesen wäre. Die Risikovorsorge ist dementsprechend erheblich höher und sehr volatil. Es
ließe sich argumentieren, dass CDS-Spreads zu anfällig auf kurzfristige Marktveränderungen reagieren, um sie der Berechnung von lang­
fristig erwarteten Kreditausfällen zugrunde zu legen. Aber es scheint schwierig, andere angemessene und belastbare Informationen zu
finden, die zur Anpassung dieser Spreads herangezogen werden können, um damit die Auswirkungen der Marktschwankungen
auszugleichen.
Ansatz 3
Bonitätsratings werden von den Märkten häufig als Spätindikatoren betrachtet. Bei diesen Anleihen lassen sich die Ratings nur schwer
mit den von den Märkten festgestellten Ausfallwahrscheinlichkeiten in Einklang bringen. Es könnte argumentiert werden, dass es nicht
ausreicht, sich bei der Beurteilung, ob Vermögenswerte ein geringes Kreditrisiko aufweisen, ausschließlich auf Bonitätsratings zu
konzentrieren, da die 12-Monats-Ausfallwahrscheinlichkeit der Anleihe (auf der Basis der CDS-Spreads) nach deren Emission signifi­
kant gestiegen ist und die Anleihe gemessen an den CDS-Spreads zu keinem Zeitpunkt des in diesem Beispiel betrachtetem Zeitraums
ein geringes Kreditrisiko aufwies. Die 12-Monats-Ausfallwahrscheinlichkeit hat sich von 0,44 % zum Emissionszeitpunkt auf 1,84 % am
31. Januar 2009 erhöht. Wären bei der Beurteilung der Anleihe zu allen drei Zeitpunkten über die Gesamtlaufzeit erwartete Kredit­
ausfälle auf der Basis der CDS-Spreads zugrunde gelegt worden, wären die Risikovorsorgen mit 18,29 %, 30,89 % und 13,81 % deutlich
höher ausgefallen.
Das Gegenargument könnte lauten, dass die CDS-Spreads zu schwankungsanfällig sind, um eine verlässliche Grundlage für die Beurteilung
zu bilden, ob eine signifikante Verschlechterung der Kreditqualität vorliegt. Die beste Methode zur Feststellung, ob sich das Kreditrisiko
einer Anleihe signifikant erhöht hat, besteht möglicherweise, wie im Standard beschrieben, darin, mehr als eine Datenquelle heranzuziehen
und qualitative Indikatoren zu berücksichtigen.
Hätte der Investor Ansatz 2 verwendet, ohne jedoch die praktische Vereinfachung für Finanzinstrumente mit geringem Kreditrisiko anzu­
wenden, wäre er zu ähnlichen Ergebnissen gelangt wie bei Ansatz 3.
64
| EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9
Unsere Sichtweise
Die in Beispiel 5–1 berechneten erwarteten Kreditverluste fallen
in Abhängigkeit von dem jeweils gewählten Ansatz zur Beur­
teilung einer signifikanten Änderung der Kreditqualität und den
für die Berechnung verwendeten Parametern sehr unterschied­
lich aus. Erwartete Kreditausfälle, die auf der Grundlage der
CDS-Spreads ermittelt wurden, sind sowohl hoch als auch extrem
schwankungsanfällig. Darin spiegelt sich die Unsicherheit für
den Investor wider, wenn die Ausfallwahrscheinlichkeit in glei­
chem Maße vom politischen Willen der Europäischen Union,
die Integrität der Eurozone zu wahren, und von den Wirtschafts­
prognosen für das betreffende Land abhängig ist. Infolgedes­
sen dürfte die Diskrepanz zwischen dem Effekt der Verwendung
von Kreditrisikoklassen und der Verwendung von Credit Default
Swaps ausgeprägter sein als bei den meisten anderen Wert­
papieranlagen. Dennoch dürften derartige Schwierigkeiten auch
bei anderen Wertpapieren auftreten, wenngleich in geringerem
Umfang.
5.5 Verzugsstatus und widerlegbare
­Vermutung, dass nach mehr als 30 Tagen
der Zahlungsverzug eintritt
Die zweite gemäß IFRS 9 mögliche praktische Vereinfachung
­besteht in dem Konzept der widerlegbaren Vermutung, dass ein
signifikanterAnstieg des Kreditrisikos eines finanziellen Vermö­
genswerts seit dem erstmaligen Ansatz vorliegt, wenn die vertrag­
lich vereinbarten Cashflows mehr als 30 Tage überfällig sind.26
Diese Vereinfachung ermöglicht es Unternehmen, bei der Beur­
teilung, ob ein signifikanter Anstieg des Kreditrisikos vorliegt, den
Verzugs- oder Überfälligkeitsstatus zusammen mit anderen, zu­
kunftsbezogeneren Informationen heranzuziehen. Das IASB hat
entschieden, diese praktische Erleichterung als widerlegbare Ver­
mutung zu verankern, um sicherzustellen, dass die Anwendung
der Vereinfachungsregelung konzeptionell nicht dem Incurredlosses-Modell gleicht.27
Die auf dem Konzept, dass nach mehr
als 30 Tagen der Zahlungsverzug
­eintritt, basierende praktische Verein­
fachung ermöglicht es Unternehmen,
bei der Beurteilung, ob ein wesent­
licher Anstieg des Kreditrisikos vor­
liegt, neben dem Verzugs- oder
­Überfälligkeitsstatus auch andere,
­zukunftsbezogenere Informationen
heranzuziehen.
Das IASB befürchtet, dass die Informationen zum Zahlungsverzug
ein Spätindikator sind. In der Regel erhöht sich das Kreditrisiko
­eines Finanzinstruments signifikant, bevor es überfällig wird oder
andere nachlaufende kreditnehmerspezifische Faktoren (z. B.
eine Modifizierung oder Umstrukturierung) zu beobachten sind.
Wenn daher neben Informationen zum Zahlungsverzug auch
­angemessene und belastbare zukunftsbezogene Informationen
ohne einen unverhältnismäßig hohen Kosten- oder Arbeitsauf­
wand zur Verfügung stehen, müssen diese zukunftsorientierteren
Informationen zur Feststellung von Änderungen des Kreditrisikos
herangezogen werden und das Unternehmen darf sich nicht aus­
schließlich auf die Informationen zum Zahlungsverzug stützen.
Stehen diese zukunftsbezogeneren Informationen jedoch nicht
ohne einen unverhältnismäßig hohen Kosten- oder Arbeitsaufwand
zur Verfügung (ob auf individueller oder auf Portfolioebene),
kann das Unternehmen auch Informationen zum Zahlungsverzug
heranziehen, um Änderungen des Kreditrisikos zu ermitteln.
Diese Annahme findet keine Anwendung, wenn sich das Kredit­
risiko bereits signifikant erhöht hat, bevor die vertraglich verein­
barten Zahlungen mehr als 30 Tage überfällig sind. Andererseits
kann ein Unternehmen diese Annahme widerlegen, wenn es über
Informationen verfügt, die zeigen, dass sich das Kreditrisiko nicht
26 Siehe IFRS 9.5.5.11.
27 Siehe IFRS 9.BC5.190.
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 | 65
5
Allgemeiner Ansatz: Beurteilung, ob eine signifikante
Erhöhung des Kreditrisikos vorliegt
signifikant erhöht hat, obwohl die vertraglich vereinbarten Cash­
flows mehr als 30 Tage überfällig sind. Solche Nachweise können
Kenntnisse darüber beinhalten, dass das Zahlungsversäumnis
auf einen Verfahrensirrtum oder -fehler und nicht auf finanzielle
Schwierigkeiten des Kreditnehmers zurückzuführen ist oder dass
historische Informationen darauf hindeuten, dass signifikante
­Erhöhungen des Kreditrisikos nur dann eintreten, wenn Zahlungen
mehr als 60 Tage überfällig sind.28
Ein Unternehmen hat in der Regel signifikante Erhöhungen des
Kreditrisikos zu identifizieren und Gesamtlaufzeit-ECL zu erfas­
sen, bevor ein Ausfall eintritt oder der finanzielle Vermögenswert
auf individueller oder auf Portfolioebene wertgemindert wird
(siehe Abschnitt 5.9 zum sog. Top-down-Ansatz).
Das Konzept der widerlegbaren Vermutung, dass nach mehr als
30 Tagen der Zahlungsverzug eintritt, soll als zusätzlicher Anhalts­
punkt (backstop) dienen, selbst wenn zukunftsbezogene Infor­
mationen (z. B. makroökonomische Faktoren auf Portfolioebene)
verwendet werden. Darüber hinaus schreibt der Standard, wie
weiter oben beschrieben, eindeutig vor, dass ein Unternehmen
die Definition und die Kriterien, die es zur Identifizierung signifi­
kanter Erhöhungen des Kreditrisikos heranzieht (und die daraus
resultierende Erfassung von Gesamtlaufzeit-ECL), nicht an den
Zeitpunkt, ab dem ein finanzieller Vermögenswert als wertgemin­
dert betrachtet wird, oder an die vom Unternehmen intern ver­
wendete Definition des Begriffs „Ausfallereignis“ anpassen darf.
Es ist anzunehmen, dass bei weniger komplexen Unternehmen,
die nicht über zukunftsbezogenere Indikatoren verfügen bzw.
diese nicht verwenden können, um ihre Informationen über den
Verzugsstatus zu ergänzen, die Anzahl der Kredite, bei denen
sich das Kreditrisiko signifikant erhöht hat, geringer ist. Daher
besteht die Gefahr, dass komplexere Unternehmen höhere Risi­
kovorsorgen erfassen, es sei denn, weniger komplexe Unterneh­
men nutzen verstärkt den Top-down-Ansatz.
Unsere Sichtweise
5.6 12-Monats-Ausfallrisiko als
­Näherungswert für Änderungen des
Gesamtlaufzeitrisikos
Wenn sich das Ausfallverhalten nicht auf einen bestimmten Punkt
während der erwarteten Laufzeit des Finanzinstruments spezifi­
zieren lässt, können die Änderungen des Ausfallrisikos in den nächs­
ten zwölf Monaten häufig einen angemessenen Näherungswert
für die Änderungen des Ausfallrisokos während der erwarteten
Restlaufzeit darstellen. In diesem Fall ist es laut dem Standard
gestattet, bei der Bestimmung, ob sich das Kreditrisiko seit dem
erstmaligen Ansatz signifikant erhöht hat, das Ausfallrisiko in den
nächsten zwölf Monaten zugrunde zu legen, es sei denn, die Um­
stände erfordern eine Beurteilung basierend auf der Gesamtlauf­
zeit des Finanzinstruments.29
28 Siehe IFRS 9.5.5.15 und IFRS 9.B5.5.19–B5.5.24.
29 Siehe IFRS 9.B5.5.13.
66
| EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9
Bei Verwendung der Änderungen des Ausfallrisikos in den nächs­
ten zwölf Monaten muss ein Unternehmen laut dem Standard nicht
den Nachweis erbringen, dass das Ergebnis einer Beurteilung bei
Zugrundelegung eines Zeitraums von zwölf Monaten von dem einer
Beurteilung bei Zugrundelegung der Gesamtlaufzeit nicht abwei­
chen würde. Diese Vorgehensweise stellt folglich etwas geringere
Anforderungen als die im ED/2013/3 enthaltene Vorschrift, wo­
nach ein Unternehmen die Ausfallwahrscheinlichkeit innerhalb der
nächsten zwölf Monate zugrunde legen kann, um festzustellen,
ob ein signifikanter Anstieg des Kreditrisikos seit dem erstmaligen
Ansatz vorliegt, wenn die berücksichtigten Informationen nicht
darauf hindeuten, dass das Ergebnis von einer Gesamtlaufzeit­
betrachtung abweichen würde. Das IASB hat darauf hingewiesen,
dass einige Unternehmen die Ausfallwahrscheinlichkeit innerhalb
der nächsten zwölf Monat verwenden, um bereits vorhandene
­regulatorische Anforderungen zu erfüllen. Diese Unternehmen
dürften ihre bestehenden Systeme und Methoden weiterhin ver­
wenden, um zu bestimmen, ob sich das Kreditrisiko signifikant er­
höht hat, und könnten so ihre Implementierungskosten senken.30
Bei einigen Finanzinstrumenten bzw. unter bestimmten Umstän­
den könnte die Verwendung von Änderungen des Ausfallrisikos in
den nächsten zwölf Monaten jedoch nicht angemessen sein, um
zu bestimmen, ob Gesamtlaufzeit-ECL zu erfassen sind. Für ein
Finanzinstrument mit einer Laufzeit von mehr als zwölf Monaten
führt der Standard folgende Beispiele an:31
• Im Zusammenhang mit dem Finanzinstrument bestehen bedeu­
tende Zahlungsverpflichtungen, die aber erst nach Ablauf der
nächsten zwölf Monate fällig werden.
• Es treten Änderungen der relevanten makroökonomischen oder
sonstigen kreditbezogenen Faktoren ein, die im Ausfallrisiko
­bezogen auf die nächsten zwölf Monate nicht angemessen wider­
gespiegelt werden.
• Änderungen kreditbezogener Faktoren wirken sich erst nach
mehr als zwölf Monaten auf das Kreditrisiko des Finanzinstru­
ments aus (oder wirken sich dann stärker aus).
Das Konzept der widerlegbaren Ver­
mutung, dass nach mehr als 30 Tagen
der Zahlungsverzug eintritt, dient
als zusätzlicher Anhaltspunkt, selbst
wenn zukunftsbezogene Informatio­
nen verwendet werden.
Unsere Sichtweise
Diese Leitlinien implizieren, dass die Verwendung von Ände­
rungen des 12- Monats-Ausfallrisikos bei Schuldinstrumenten,
die keine Tilgungsleistungen vorsehen (non-amortising debt
instruments), wie die meisten Anleihen und Hypotheken, für
die lediglich Zins , aber keine Tilgungszahlungen zu leisten sind
(interest-only mortgages), weniger geeignet ist.
5.7 Beurteilung auf der Ebene der
Gegenpartei
Wie in dem in den Anwendungsleitlinien für IFRS 9 enthaltenen
Beispiel 7 erläutert, kann die Beurteilung, ob ein signifikanter An­
stieg des Kreditrisikos vorliegt, auf der Ebene der Gegenpartei
statt auf der Ebene des einzelnen Finanzinstruments vorgenom­
men werden. Eine solche Beurteilung auf der Ebene der Gegen­
partei ist nur gestattet, wenn sie mit den Vorschriften für die Er­
fassung von Gesamtlaufzeit-ECL vereinbar ist und das Ergebnis
nicht von dem Ergebnis abweichen würde, zu dem es gekommen
wäre, wenn die Beurteilung auf der Ebene des einzelnen Finanz­
instruments erfolgt wäre.32 In bestimmten Fällen stünde die Beur­
teilung auf der Ebene der Gegenpartei jedoch nicht mit den Wert­
minderungsvorschriften im Einklang. Sowohl ein Szenario, das
eine Beurteilung auf der Ebene der Gegenpartei gestattet, als
auch ein solches, bei dem dies nicht der Fall ist, werden im folgen­
den Beispiel beschrieben.
30 Siehe IFRS 9.BC5.177–BC5.178.
31 Siehe IFRS 9.B5.5.14.
32 Siehe IFRS 9.BC5.168.
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 |
67
5
Allgemeiner Ansatz: Beurteilung, ob eine signifikante
Erhöhung des Kreditrisikos vorliegt
Auszug aus IFRS 9
Beispiel 7: Beurteilung des Kreditrisikos auf der Ebene der Gegenpartei (IFRS 9.IE43–IE47)
Szenario 1
Im Jahr 20X0 hat Bank A Unternehmen Q einen Kredit über WE 10.000 mit einer vertraglichen Laufzeit von 15 Jahren gewährt.
­Damals hatte Unternehmen Q eine interne Kreditrisikoeinstufung von 4 auf einer Bewertungsskala von 1 (niedrigstes Kreditrisiko)
bis 10 (höchstes Kreditrisiko). Das Ausfallrisiko steigt exponentiell mit steigender Kreditrisikoeinstufung. So ist die Differenz zwischen
den Kreditrisikoeinstufungen 1 und 2 beispielsweise geringer als die Differenz zwischen den Kreditrisikoeinstufungen 2 und 3. Im Jahr
20X5, als Unternehmen Q eine interne Kreditrisikoeinstufung von 6 hatte, gewährte Bank A Unternehmen Q einen weiteren Kredit über
WE 5.000 mit einer vertraglichen Laufzeit von zehn Jahren. Im Jahr 20X7 kann Unternehmen Q seinen Vertrag mit einem wichtigen
Kunden nicht länger fortsetzen und verzeichnet dementsprechend hohe Umsatzeinbußen. Bank A zieht in Betracht, dass die Fähigkeit von
Unternehmen Q, seine Verpflichtungen im Zusammenhang mit den gewährten Krediten zu erfüllen, infolge der Auflösung des Vertrags
erheblich eingeschränkt ist, und erhöht seine interne Kreditrisikoeinstufung auf 8.
Bank A beurteilt das Kreditrisiko auf der Ebene der Gegenpartei für die Zwecke ihres Kreditrisikomanagements und stellt fest, dass das
Kreditrisiko von Unternehmen Q erheblich gestiegen ist. Zwar hat Bank A keine Beurteilung der Änderungen des Kreditrisikos für die einzel­
nen Kredite seit deren erstmaligem Ansatz vorgenommen. Doch entsprechen die Beurteilung des Kreditrisikos auf der Ebene der Gegen­
partei und die Erfassung von Gesamtlaufzeit-ECL für alle an Unternehmen Q ausgereichten Kredite der Zielsetzung der in IFRS 9.5.5.4 ent­
haltenen Wertminderungsvorschriften. Denn das Kreditrisiko von Unternehmen Q ist seit Gewährung des letzten Kredits (20X7), als
Unternehmen Q das bis dato höchste Kreditrisiko aufwies, sogar noch weiter gestiegen. Die Beurteilung des Kreditrisikos auf der Ebene der
Gegenpartei würde daher zu dem gleichen Ergebnis führen wie die Beurteilung der Änderung des Kreditrisikos für jeden einzelnen Kredit.
Szenario 2
Im Jahr 20X0 hat Bank A Unternehmen X einen Kredit über WE 150.000 mit einer vertraglichen Laufzeit von 20 Jahren gewährt. Damals
hatte Unternehmen X eine interne Kreditrisikoeinstufung von 4. Im Verlauf des Jahres 20X5 verschlechtern sich die wirtschaftlichen
Rahmenbedingungen und die Nachfrage nach den Produkten von Unternehmen X geht stark zurück. Aufgrund der geringeren Cashflows
infolge gesunkener Umsatzerlöse konnte Unternehmen X seine an Bank A fällige Kreditrate nicht in voller Höhe begleichen. Bank A
überprüft die interne Kreditrisikoeinstufung für Unternehmen X und legt diese zum Abschlussstichtag auf 7 fest. Dabei berücksichtigt sie,
inwieweit sich das Kreditrisiko und die interne Kreditrisikoeinstufung geändert haben, bestimmt, dass ein signifikanterAnstieg des
Kreditrisikos vorliegt, und erfasst Gesamtlaufzeit-ECL in Höhe von WE 150.000 für den Kredit.
Trotz der kürzlich erfolgten Herabstufung der internen Kreditrisikoeinstufung gewährt Bank A Unternehmen X 20X6 einen weiteren
Kredit in Höhe von WE 50.000 mit einer vertraglichen Laufzeit von fünf Jahren. Dabei berücksichtigt sie das höhere Kreditrisiko zu
diesem Zeitpunkt.
Die Tatsache, dass zuvor ein signifikanter Anstieg des (auf der Ebene der Gegenpartei beurteilten) Kreditrisikos von Unternehmen X
festgestellt wurde, führt nicht zur Erfassung von Gesamtlaufzeit-ECL für den neuen Kredit. Denn das Kreditrisiko für den neuen Kredit hat
sich seit dessen erstmaligem Ansatz nicht signifikant erhöht. Würde Bank A lediglich das Kreditrisiko auf der Ebene der Gegenpartei
beurteilen, ohne zu prüfen, ob die Schlussfolgerung hinsichtlich der Änderungen des Kreditrisikos auf alle einzelnen, an denselben Kunden
ausgereichten Finanzinstrumente Anwendung findet, wäre die Zielsetzung des IFRS 9.5.5.4 nicht erfüllt.
68
| EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9
5.8 Bestimmung des ursprünglichen
­maximalen Kreditrisikos für ein Portfolio
Die Beurteilung des Kreditrisikos gemäß IFRS 9, die zur Feststel­
lung dient, ob im Hinblick auf ein Finanzinstrument eine Risiko­
vorsorge in Höhe der Gesamtlaufzeit-ECL oder lediglich in Höhe
der 12-Monats-ECL zu erfassen ist, basiert auf der Bestimmung, ob
ein relativer Anstieg des Kreditrisikos vorliegt. Eine der von einigen
interessierten Parteien in ihren Stellungnahmen zum ED/2013/3
identifizierten Schwierigkeiten besteht darin, dass viele Kreditrisiko­
systeme lediglich das absolute Kreditrisiko überwachen, ohne
die diesbzügliche Entwicklung einzelner Kredite nachzuverfolgen
(siehe Abschnitt 5.1). Um dieses Problem zu beheben, enthält
der Standard einen Ansatz zur Umwandlung einer relativen Syste­
matik in eine absolute Systematik, indem das Portfolio anhand
der Kreditqualität unterteilt wird.
Durch Bestimmung des ursprünglichen
maximal akzeptierten Kreditrisikos von
Portfolios mit vergleichbaren Kredit­
risiken zum Zeitpunkt des erstmaligen
Ansatzes ist es möglich, einen „abso­
luten“ Schwellenwert für die Erfassung
von Gesamtlaufzeit-ECL festzulegen.
Wie in dem in den Anwendungsleitlinien von IFRS 9 enthalte­
nen folgenden Beispiel 6 erläutert, kann ein Unternehmen das
ursprüngliche maximal akzeptierte Kreditrisiko von Portfolios
mit vergleichbaren Kreditrisiken zum Zeitpunkt des erstmaligen
Ansatzes bestimmen. Dies ermöglicht es dem Unternehmen,
­einen „absoluten“ Schwellenwert für die Erfassung von Gesamt­
laufzeit-ECL festzulegen.
Auszug aus IFRS 9
Beispiel 6: Vergleich mit dem ursprünglichen maximalen Kreditrisiko (IFRS 9.IE40–IE42)
Bank A verfügt über zwei Portfolios von Autokrediten mit ähnlichen Laufzeiten und Konditionen in der Region W. Die von Bank A verfolgte
Politik hinsichtlich der Finanzierungsentscheidungen für jeden einzelnen Kredit basiert auf einem internen Bonitätsratingsystem,
welches das Kreditverhalten des Kunden in der Vergangenheit, sein Zahlungsverhalten bei anderen Produkten der Bank A sowie weitere
Faktoren einbezieht. Bank A vergibt für jeden Kredit bei Ausreichung eine interne Kreditrisikoeinstufung von 1 (niedrigstes Kreditrisiko)
bis 10 (höchstes Kreditrisiko). Das Ausfallrisiko steigt exponentiell mit steigender Kreditrisikoeinstufung. So ist die Differenz zwischen
den Kreditrisikoeinstufungen 1 und 2 beispielsweise geringer als die Differenz zwischen den Kreditrisikoeinstufungen 2 und 3. Die Kredite
in Portfolio 1 wurden ausschließlich an Bestandskunden mit einer vergleichbaren internen Kreditrisikoeinstufung gewährt, und beim
erstmaligen Ansatz wurden alle Kredite anhand der internen Bewertungsskala mit 3 oder 4 eingestuft.
Bank A entscheidet, dass die ursprüngliche maximale Kreditrisikoeinstufung beim erstmaligen Ansatz, die es in Bezug auf Portfolio 1
akzeptieren würde, eine interne Risikoeinstufung von 4 wäre. Die Kredite in Portfolio 2 wurden an Kunden gewährt, die auf eine Werbung
für Autokredite reagiert hatten und deren interne Kreditrisikoeinstufung in der internen Bewertungsskala zwischen 4 und 7 liegt. Bank A
­gewährt niemals Autokredite mit einer höheren internen Kreditrisikoeinstufung als 7 (d. h. mit einer internen Risikoeinstufung von 8 bis 10).
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 | 69
5
Allgemeiner Ansatz: Beurteilung, ob eine signifikante
Erhöhung des Kreditrisikos vorliegt
Auszug aus IFRS 9
Beispiel 6: Vergleich mit dem ursprünglichen maximalen Kreditrisiko (IFRS 9.IE40–IE42) (Fortsetzung)
Für die Zwecke der Beurteilung, ob sich das Kreditrisiko signifikant erhöht hat, bestimmt Bank A, dass alle Kredite in Portfolio 1 ein ähn­
liches ursprüngliches Kreditrisiko hatten. Sie beschließt, dass angesichts des in ihren internen Risikoeinstufungen abgebildeten Ausfall­
risikos eine Änderung der internen Risikoeinstufung von 3 auf 4 keinen signifikanten Anstieg des Kreditrisikos darstellen würde, aber dass
bei allen Krediten in diesem Portfolio, die eine interne Risikoeinstufung von schlechter als 5 haben, ein signifikanter Anstieg des Kredit­
risikos vorliegt. Das bedeutet, dass Bank A das ursprüngliche Bonitätsrating jedes einzelnen Kredits in dem Portfolio nicht kennen muss,
um die Änderung des Kreditrisikos seit dem erstmaligen Ansatz zu beurteilen. Sie muss lediglich feststellen, ob das Kreditrisiko zum
­Abschlussstichtag schlechter als 5 ist, um zu bestimmen, ob Gesamtlaufzeit-ECL in Übereinstimmung mit IFRS 9.5.5.3 zu erfassen sind.
Die interne Kreditrisikoeinstufung des ursprünglichen, zum Zeitpunkt des erstmaligen Ansatzes maximal akzeptierten Kreditrisikos von
Portfolio 2 mit 7 würde jedoch die Zielsetzung der Wertminderungsvorschriften in IFRS 9.5.5.4 nicht erfüllen. Denn Bank A stellt fest,
dass sich das Kreditrisiko nicht nur dann signifikant erhöht, wenn das Kreditrisiko das Niveau übersteigt, zu dem das Unternehmen neue
finanzielle Vermögenswerte ausreichen würde (wenn also die interne Risikoeinstufung schlechter als 7 ist). Obwohl Bank A niemals
­Autokredite mit einem internen Bonitätsrating von mehr als 7 gewährt, ist das ursprüngliche Kreditrisiko der Kredite in Portfolio 2 nicht
hinreichend vergleichbar mit dem Kreditrisiko bei der erstmaligen Erfassung, um den für Portfolio 1 gewählten Ansatz anzuwenden.
Das heißt, Bank A kann nicht einfach das Kreditrisiko zum Abschlussstichtag mit der niedrigsten Kreditqualität beim erstmaligen Ansatz
vergleichen (z. B. indem sie die interne Kreditrisikoeinstufung der Kredite in Portfolio 2 mit einer internen Kreditrisikoeinstufung von 7
vergleicht), um festzustellen, ob sich das Kreditrisiko signifikant erhöht hat, da die ursprüngliche Kreditqualität der Kredite in dem Port­
folio zu unterschiedlich ist. Wenn die Kreditrisikoeinstufung eines Kredits beispielsweise ursprünglich 4 betragen hat, kann sich das
Kreditrisiko signifikant erhöht haben, wenn seine interne Kreditrisikoeinstufung auf 6 angehoben wird.
5.9 Beurteilung auf Portfolioebene
Banken reichen Hunderttausende, wenn nicht sogar Millionen von
Kleinkrediten an Privatkunden und Kleinunternehmen aus, über
die sie nicht genügend Informationen erhalten, um die individuelle
Kreditqualität zu überwachen. Die vorhandenen Informationen
gehen meist nicht über die Informationen zu etwaigen Zahlungs­
rückständen hinaus, und es wäre praktisch unmöglich, die Bonität
jedes Kredits laufend neu zu beurteilen, selbst wenn die Banken
über mehr Informationen verfügen würden. Stattdessen verwalten
sie diese Kredite auf aggregierter Basis, wobei sie I­nformationen
zum Zahlungsverzug mit statistischen Erfahrungswerten kombinie­
ren und gelegentlich makroökonomische Indi­katoren wie Zinssätze
und Arbeitslosenraten, die gewöhnlich mit zukünftigen Zahlungs­
ausfällen korrelieren, hinzuziehen.
Zwar wurde der ED/2013/3 unter anderem entwickelt, um dieses
Problem zu beheben, jedoch kritisierten einige interessierte Par­
teien weiterhin, dass die Vorschläge keine Regelung enthielten,
welche die Erfassung von Gesamtlaufzeit-ECL erst dann vorschreibt
70
| EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9
(oder gestattet), wenn es Hinweise für einen signifikanten Anstieg
des Kreditrisikos auf der Ebene eines einzelnen Finanzinstruments
gibt. In der finalen Version des Standards war das Board daher
bestrebt klarzustellen, dass finanzielle Vermögenswerte auf Port­
folioebene auf einen signifikanten Anstieg des Kreditrisikos hin
­beurteilt werden können (und müssen), wenn das Unternehmen
diese Beurteilung nicht auf der Ebene eines einzelnen Finanz­
instruments vornehmen kann. Dies wirft jedoch eine weitere Frage
auf, nämlich die, ob im Falle der Feststellung, dass sich die Kredit­
qualität eines Portfolios signifikant verschlechtert hat, das gesamte
Portfolio unter Zugrundelegung der Gesamtlaufzeit-ECL zu beur­
teilen ist. Dies würde zu einem unvermittelt starken Anstieg der
Risikovorsorge führen, sobald sich die bei der Beurteilung zugrunde
gelegten Rahmenbedingungen verschlechtern. Infolgedessen
musste das Board bei der Formulierung des finalen Standards auch
eine Methode erarbeiten, nach der die Risikovorsorge für lediglich
einen Teil des Portfolios auf der Basis der Gesamtlaufzeit-ECL zu
bilden ist.
Beispiel 5-2: Individuelle Beurteilung der Reaktionsfähigkeit in Bezug auf Änderungen des Kreditrisikos (abgeleitet aus Beispiel 5 der Anwendungsleitlinien – Reaktionsfähigkeit auf Änderungen des Kreditrisikos)
Die Bank beurteilt jeden ihrer ausgereichten Hypothekenkredite monatlich mittels eines automatisierten Verhaltensscoringverfahrens auf
der Basis aktueller und historischer Verzugsstatus, des Verschuldungsgrads von Kunden, des Beleihungsauslaufs (loan-to-value-ratio),
des Kundenverhaltens bei anderen Finanzinstrumenten der Bank, des Kreditvolumens und der Zeitspanne seit Ausreichung des Kredits.
Die historischen Daten deuten auf eine starke Korrelation zwischen dem Wert von Wohnimmobilien und den Ausfallquoten von Hypo­
thekenkrediten hin.
Die Bank aktualisiert die Informationen zum Beleihungsauslauf regelmäßig mittels eines automatisierten Verfahrens, das Immobilienwerte
unter Heranziehung der jüngsten Verkäufe in jedem Postleitzahlenbereich sowie angemessener und belastbarer zukunftsbezogener
Informationen, die ohne einen unverhältnismäßig hohen Kosten- oder Arbeitsaufwand zur Verfügung stehen, neu bewertet. Daher werden
die Scorewerte bei einem Anstieg des Ausfallsrisikos infolge eines erwarteten Wertverfalls der Wohnimmobilien angepasst und die Bank
wird dadurch in die Lage versetzt, signifikanteErhöhungen des Kreditrisikos einzelner Kunden zu identifizieren, bevor ein Hypotheken­
kredit überfällig wird, wenn sich der Scorewert verschlechtert hat.
Das Beispiel führt zu der Schlussfolgerung, dass die Bank, wenn sie nicht die Möglichkeit hätte, die Verhaltensscorewerte zu aktualisie­
ren, um den erwarteten Wertverfall der Wohnimmobilien abzubilden, angemessene und belastbare Informationen verwenden würde, die
ohne einen unverhältnismäßig hohen Kosten- oder Arbeitsaufwand zur Verfügung stehen, um die Kredite, deren Risiko sich seit dem
erstmaligen Ansatz signifikant erhöht hat, im Rahmen einer Beurteilung auf Portfolioebene zu identifizieren und Gesamtlaufzeit-ECL für
diese Kredite zu erfassen.
Unsere Sichtweise
Von Bedeutung ist, dass im vorliegenden Beispiel die Haupt­
quelle für zukunftsbezogene Informationen die erwarteten
zukünftigen Immobilienpreise sind. Andere Wirtschaftsdaten
wie zukünftige Arbeitslosenraten oder Zinssätze scheinen
nicht berücksichtigt worden zu sein. Wir nehmen an, dass das
Board diesen Ansatz gewählt hat, um das Beispiel zu verein­
fachen. Er impliziert jedoch, dass die zukünftigen Immobilien­
preise als ausreichender Indikator für zukünftige Ausfälle
betrachtet werden und es nicht notwendig ist, weitere Daten
in Betracht zu ziehen.
Das erläuternde Beispiel 5 in den Anwendungsleitlinien zum Stan­
dard zeigt, wie ein Unternehmen festzustellen hat, ob seine indi­
viduelle Beurteilung durch eine Beurteilung auf Portfolioebene
ergänzt werden sollte, wenn die Informationen auf der Ebene des
einzelnen Finanzinstruments nicht umfassend und aktuell genug
sind.33 Szenario 1 („individuelle Beurteilung“) beschreibt eine
Situation, in der eine Bank über ausreichende Informationen auf
der Ebene des einzelnen Finanzinstruments verfügt, um eine signi­
fikante Erhöhung des Kreditrisikos festzustellen.
Der Standard schreibt zunächst vor, dass ein Unternehmen die
über die Gesamtlaufzeit erwarteten Kreditausfälle auf Portfolio­
ebene beurteilen muss, wenn es nicht über angemessene und
belastbare Informationen verfügt, auf die es ohne einen unverhält­
nismäßig hohen Kosten- oder Arbeitsaufwand zugreifen kann,
um Gesamtlaufzeit-ECL auf der Ebene des einzelnen Finanzinstru­
ments zu beurteilen. Dabei hat es umfassende Informationen ein­
zubeziehen, die nicht nur die Informationen zum Zahlungsverzug,
33 Siehe IFRS 9.IG, Beispiel 5, Paragrafen IE32–IE36.
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 |
71
5
Allgemeiner Ansatz: Beurteilung, ob eine signifikante
Erhöhung des Kreditrisikos vorliegt
sondern auch andere relevante Kreditinformationen wie zukunfts­
bezogene makroökonomische Daten beinhalten. Die Zielsetzung
besteht darin, einen Näherungswert für das Ergebnis zu ermitteln,
das sich aus der Verwendung umfassender Kreditinformationen,
einschließlich zukunftsbezogener Informationen auf der Ebene des
einzelnen Finanzinstruments, ergäbe.34
Der Standard macht zudem deutlich, dass die Grundlage, auf der
die Finanzinstrumente zusammengefasst werden, um zu beurteilen,
ob sich das Kreditrisiko auf Portfolioebene geändert hat, gege­
benenfalls im Laufe der Zeit angepasst werden muss, wenn neue
Informationen über Portfolios von Finanzinstrumenten oder ein­
zelne Finanzinstrumente verfügbar werden.36
Des Weiteren regelt der Standard, wie Finanzinstrumente zusam­
mengefasst werden können, um zu bestimmen, ob ein signifikanter
Anstieg des Kreditrisikos vorliegt.35 Alle Finanzinstrumente, die
auf Portfolioebene beurteilt werden, müssen gemeinsame Kredit­
risikomerkmale aufweisen. Es ist nicht gestattet, Kredite mit un­
terschiedlichen Risiken zusammenzufassen und auf diese Weise
signifikante Erhöhungen des Kreditrisikos zu verschleiern, die in
Teilen des Portfolios eintreten könnten. Zu den im Standard ange­
führten Beispielen für gemeinsame Kreditrisikomerkmale zählen
die folgenden:
Der Standard enthält weitere Leitlinien zur Frage, wie Finanzinstru­
mente auf Portfolioebene zu beurteilen sind.37 Diese besagen,
dass ein Unternehmen, das nicht in der Lage ist, Finanzinstrumente,
deren Kreditrisiko sich seit dem erstmaligen Ansatz signifikant
­erhöht hat, anhand gemeinsamer Kreditrisikomerkmale in Gruppen
zu unterteilen, Gesamtlaufzeit-ECL für den Teil der finanziellen
Vermögenswerte zu erfassen hat, deren Kreditrisiko signifikant
gestiegen ist. Diese Regelung ist auf Situationen anwendbar, in
denen der Kreditgeber nicht zwischen den einzelnen Krediten un­
terscheiden kann und somit nicht in der Lage ist festzustellen,
bei welchen Krediten ein signifikanter Anstieg des Kreditrisikos ein­
getreten ist. Zudem müsste eine Bank angesichts einer anhand
makroökonomischer Faktoren auf Portfolioebene identifizierten
signifikanten Verschlechterung in Übereinstimmung mit diesen
Leitlinien Gesamtlaufzeit-ECL für das gesamte Portfolio erfassen.
• die Art des Finanzinstruments
• die Kreditrisikoeinstufung
• die Art der hinterlegten Sicherheit
• der Zeitpunkt des erstmaligen Ansatzes
• die Restlaufzeit
• die Branche
• der geografische Standort des Kreditnehmers
• der Wert der Sicherheit im Verhältnis zum Vermögenswert
(Beleihungsauslauf, loan-to-value-ratio), sofern dies die Aus­
fallwahrscheinlichkeit beeinflussen würde
34 Siehe IFRS 9.B5.5.4.
35 Siehe IFRS 9.B5.5.5.
36 Siehe IFRS 9.B5.5.6.
37 Siehe IFRS 9.B5.5.6.
38 Siehe IFRS 9.IG, Beispiel 5, Paragrafen IE29–IE39.
72
| EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9
Der Standard geht nicht näher auf diese Frage ein. Das erläuternde
Beispiel 5 in den Anwendungsleitlinien zu IFRS 9 beschreibt jedoch
zwei Szenarien, die dieses Konzept verdeutlichen.38 Beide Szena­
rien wurden nach der Veröffentlichung des ED/2013/3 entwickelt.
Das IASB hat diese erläuternden Beispiele in den Standard aufge­
nommen, um den zum ED eingegangenen Stellungnahmen Rech­
nung zu tragen. Als solche wurden sie jedoch nicht in dem Maße
überprüft und kommentiert wie der überwiegende Teil des rest­
lichen Standards.
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 | 73
5
Allgemeiner Ansatz: Beurteilung, ob eine signifikante
Erhöhung des Kreditrisikos vorliegt
Unsere Sichtweise
• Wir vermuten, dass das Board mit der Formulierung „Zeit­
punkt des erstmaligen Ansatzes“ nicht beabsichtigt hat, dass
Kredite für jedes Jahr der Ausreichung in separaten Gruppen
beurteilt werden sollen, sondern dass Finanzinstrumente
mit identischen Ausreichungszeitpunkten in Gruppen unter­
teilt werden können, die ähnliche Kreditrisikomerkmale
aufweisen. Kreditprodukte und -vergabepraktiken, einschließ­
lich des Umfangs von Due-Diligence-Prüfungen sowie wesent­
licher Kennziffern (z. B. der Beleihungsauslauf und das
Verhältnis von Krediten zu Einkommen), ändern sich im
Laufe der Zeit und spiegeln häufig die wirtschaftlichen Rah­
menbedingungen zum Ausreichungszeitpunkt wider. Dies
führt dazu, dass Kredite, die in bestimmten Jahren ausge­
reicht wurden, grundsätzlich mit einem größeren Risiko
behaftet sind als andere Kredite. Für einige Banken würde
dies bedeuten, dass sie die Kredite, die kurz vor Ausbruch
der Finanzmarktkrise gewährt wurden, von den Krediten
trennen müssen, die entweder zu einem früheren Zeitpunkt
oder aber nach der Finanzmarktkrise, als die Kreditvergabe
restriktiver gehandhabt wurde, ausgereicht wurden. Zudem
gibt es das Phänomen der „Reifung des Kreditportfolios“
(seasoning). Danach besitzen Kredite, die im Laufe eines
Geschäftszyklus über mehrere Jahre ordnungsgemäß
bedient wurden, statistisch gesehen eine geringere zukünf­
tige Ausfallwahrscheinlichkeit. Dies deutet darauf hin,
dass ältere Kredite separat beurteilt werden könnten.
• Wie jedoch bereits an früherer Stelle erwähnt, soll die Beur­
teilung, ob sich das Kreditrisiko signifikant erhöht hat, das
Ausfallrisiko widerspiegeln und nicht das Verlustrisiko. Daher
sollten Sicherheiten für die Zwecke dieser Beurteilung
normalerweise außer Acht gelassen werden. Im Standard
39 Siehe IFRS 9.B5.5.5.
74
| EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9
wird erläutert, dass der Wert der Sicherheit im Verhältnis zum
Vermögenswert für die Beurteilung auf Portfolioebene relevant
wäre, wenn er sich auf das Ausfallrisiko auswirken würde. Als
Beispiel werden Kredite ohne Rückgriffsrecht in bestimmten
Ländern angeführt. Die Frage, wann eine solche Vereinbarung
die Kriterien bei der Überprüfung der Merkmale des finan­
ziellen Vermögenswerts (characteristics of the asset test) gemäß
den Klassifizierungs- und Bewertungsvorschriften von IFRS 9
erfüllt, ist nicht Gegenstand dieser Publikation. Der Standard
nennt jedoch auch ein Beispiel für Beleihungsausläufe, aller­
dings ohne zu erläutern, warum diese aller Wahrscheinlichkeit
nach das Ausfallrisiko beeinflussen.39 Beleihungsausläufe oder
Immo­bilien­preis­indizes können nützliche Indikatoren für eine
signifikante kollektive Verschlechterung in einer Vielzahl von
Umständen sein als lediglich für Kredite ohne Rückgriffsrecht.
Zum einen sind Immobilienpreise an sich ein verlässliches
Wirtschaftsbarometer. So korrelieren höhere Beleihungsausläufe
und niedrigere Indizes mit sich verschlechternden wirtschaftli­
chen Rahmen­bedingungen. Zum anderen können Kredite, die
ursprünglich mit einem höheren Beleihungsauslauf ausgereicht
wurden, aggres­sivere Kreditvergabepraktiken widerspiegeln –
mit der Folge, dass solche Kredite bei einem Nachlassen
der Konjunktur ein höheres Ausfallrisiko aufweisen können.
• Zwar beziehen sich die im Standard genannten Beispiele auf
„Regionen“, um den geografischen Standort von Kreditnehmern
zu bezeichnen, doch können solche Gruppierungen auch deut­
lich größer (z. B. Länder) oder kleiner sein (z. B. wenn mit
be­stimmten Stadtteilen bestimmte Merkmale verbunden sind).
Daher hängt die geografische Gruppierung in starkem Maße
von dem Umfeld ab, in dem die Bank tätig ist.
•D
ie Vorschrift, dass Finanzinstrumente, die auf Portfolioebene
beurteilt werden, ähnliche Kreditrisikomerkmale aufweisen
müssen, be­deutet, dass eine Bank über eine erhebliche Anzahl
von Portfolios verfügen kann. Selbst eine relativ kleine Bank
kann sechs unterschiedliche Produkte (bei Zugrundelegung
der unterschiedlichen Restlaufzeiten und Arten von Sicher­
heiten), drei Regionen und drei Gruppen mit unterschiedlichen
Ausreichungszeitpunkten haben, die miteinander multipli­
ziert 54 verschiedene Beurteilungsgruppen ergeben. Eine
größere, global tätige Bank hat wahrscheinlich eine erheblich
größere Anzahl unterschiedlicher Port­folios zu überwachen.
• Andere Kriterien, die zur Gruppierung von Krediten nach
gemeinsamen Kreditrisikomerkmalen herangezogen werden
können, sind das bisherige Zahlungsverhalten, die Frage,
ob der Kredit vorher umstrukturiert oder nachverhandelt,
anschließend jedoch eine Risikovorsorge auf der Basis der
12-Monats ECL erfasst wurde, sowie die Art der Verwendung
(wie im erläuternden Beispiel 5 der Anwendungsleitlinien
zum Standard beschrieben, auf das im unten stehenden Ab­
schnitt zum Bottom-up-Ansatz Bezug genommen wird).
• Solche Gruppierungen müssen gegebenenfalls im Laufe der
Zeit geändert werden. Dies bedeutet, dass das Unternehmen
über entsprechende Prozesse verfügen muss, um zu über­
prüfen, ob die Kredite weiterhin ähnliche Kreditrisikomerk­
male aufweisen.
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 | 75
5
Allgemeiner Ansatz: Beurteilung, ob eine signifikante
Erhöhung des Kreditrisikos vorliegt
Beispiel 5-3: Beurteilung auf Portfolioebene in Bezug zur Reaktionsfähigkeit auf Änderungen des Kreditrisikos
(Bottom-up-Ansatz)
Im erläuternden Beispiel 5 der Anwendungsleitlinien des Standards wird in der dort dargestellten Region 2 der sogenannte Bottom-upAnsatz eingeführt. Das Beispiel bezieht sich auf eine Bergbaugemeinde in einer Region, die aufgrund rückläufiger Kohleexporte von
­Arbeitslosigkeit und Minenschließungen bedroht ist. Obwohl die meisten Kredite noch nicht mehr als 30 Tage überfällig sind und die
Kreditnehmer noch nicht arbeitslos geworden sind, gliedert die Bank ihr Hypothekenportfolio neu, um Kredite an Kunden, die im
Bergbau arbeiten (basierend auf den Angaben im Hypothekenantragsformular), von den übrigen Krediten zu trennen.
Für diese Kredite (sowie für alle weiteren Kredite, die seit mehr als 30 Tagen überfällig sind) erfasst die Bank Gesamtlaufzeit-ECL,
während sie für die übrigen Hypothekenkredite in der Region weiterhin 12-Monats-ECL erfasst. Für neu ausgereichte Kredite an Kredit­
nehmer, die in der Kohleindustrie tätig sind, wäre ebenfalls lediglich eine Risikovorsorge auf der Basis der 12-Monats-ECL zu erfassen,
und zwar so lange, bis auch diese Kredite einen signifikanten Anstieg des Kreditrisikos aufweisen.
Unsere Sichtweise
Die Bottom-up-Methode dient als Beispiel dafür, wie die Verschlechterung der Kreditqualität beurteilt werden kann, indem Informatio­
nen verwendet werden, die stärker auf die Zukunft ausgerichtet sind als die Informationen zum Verzugsstatus. Das vorliegende Beispiel
veranschaulicht jedoch auch, dass die Zusammensetzung kollektiv beurteilter Portfolios gegebenenfalls im Laufe der Zeit geändert
werden muss, um sicherzustellen, dass die Kredite ähnliche Risikomerkmale aufweisen. Sobald sich die Rahmenbedingungen im Kohle­
bergbau verschlechtern, würden die entsprechenden Kredite keine gemeinsamen Risikomerkmale mit den übrigen Krediten, die an
andere Kreditnehmer in der Region ausgereicht wurden, aufweisen und müssten daher separat beurteilt werden.
Wie bereits oben beschrieben (mögliche Kriterien für die Zusammenfassung von finanziellen Vermögenswerten mit ähnlichen Kredit­
risikomerkmalen), könnte der Bottom-up-Ansatz auf Unterportfolios angewendet werden, die nach Art des Instruments, Risikoein­
stufung, Art der Sicherheit, Zeitpunkt des erstmaligen Ansatzes, Restlaufzeit, Branche, geografischem Standort des Kreditnehmers
oder Beleihungsauslauf untergliedert sind. Ein gutes Beispiel für diesen Ansatz könnten Kredite sein, die an Kreditnehmer in Ländern
ausgereicht werden, in denen aufgrund kriegerischer Auseinandersetzungen oder politischer Unruhen mit erheblichen wirtschaftlichen
Schwierigkeiten zu rechnen ist. Darüber hinaus könnte das Portfolio entsprechend untergliedert werden, um die Tatsache widerzu­
spiegeln, dass die Kreditgewährungsstandards variieren oder sich ändern können. Je mehr Informationen ein Kreditgeber besitzt, desto
wahrscheinlicher ist es, dass er den Bottom-up-Ansatz anwenden wird.
Zu beachten ist, dass die Schließungen der Kohleminen bisher nur erwartet werden, also noch nicht eingetreten sind. Somit wird
anhand dieses Beispiels deutlich, dass die Absicht des Standards darin besteht, nicht nur den Faktor Arbeitslosigkeit zu berücksichtigen,
der wahrscheinlich zur Erfassung einer Wertminderung gemäß IAS 39 führen würde, sondern erheblich weiter in die Zukunft zu
blicken. Das Erfordernis, Informationen zu verwenden, die zukunftsbezogener sind, wird auch im nächsten Beispiel veranschaulicht.
76
| EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9
Beispiel 5-4: Beurteilung auf Portfolioebene in Bezug zur Reaktionsfähigkeit auf Änderungen des Kreditrisikos
(Top-down-Ansatz)
Im erläuternden Beispiel 5 der Anwendungsleitlinien zum Standard rechnet die Bank in Erwartung eines Zinsanstiegs mit einem Anstieg
der Kreditausfälle in der dort dargestellten Region 3. In der Vergangenheit waren Zinserhöhungen ein führender Indikator für zukünftige
Ausfälle von variablen verzinslichen Hypotheken in der Region. Die Bank stuft das Portfolio von variabel verzinslichen Hypothekenkrediten
in der Region als homogen ein und ist nicht in der Lage, bestimmte Unterportfolios auf der Grundlage gemeinsamer Kreditrisikomerk­
male zu identifizieren. Deshalb verwendet sie den sogenannten Top-down-Ansatz.
Die Bank schätzt auf der Grundlage historischer Daten, dass ein Anstieg der Zinssätze um 200 Basispunkte bei 20 Prozent der Hypotheken
einen signifikanten Anstieg des Kreditrisikos zur Folge haben wird. Da die Bank einen Zinsanstieg von 200 Basispunkten erwartet, wird
sie vermutlich für 20 Prozent des Portfolios (zusammen mit den Krediten, die seit mehr als 30 Tagen überfällig sind) Gesamtlaufzeit-ECL
und für die übrigen Hypotheken in der Region 12-Monats-ECL erfassen.
Unsere Sichtweise
Die Schwierigkeit beim Top-down-Ansatz besteht darin, den Prozentsatz der Kredite zu errechnen, deren Qualität sich signifikant ver­
schlechtert hat. In dem im Standard angeführten Beispiel basiert der Prozentsatz auf historischen Erfahrungswerten. Allerdings ist es
mehr als zwanzig Jahre her, dass die Zinsen in den führenden Industrieländern das letzte Mal um 200 Basispunkte gestiegen sind,
und die damaligen Produkte und Kreditvergabepraktiken unterscheiden sich deutlich von den heutigen. Dies gilt auch für das Niveau
der Zinsen, bevor diese stiegen, sowie den Umfang der Zinserhöhungen. Daher dürften historische Daten kein zuverlässiger Indikator
für zukünftige Entwicklungen sein.
Ein weiterer Kritikpunkt, wie im Übrigen in allen erläuternden Beispielen, besteht aus unserer Sicht darin, dass sich das vorliegende
Beispiel zwecks Vereinfachung lediglich auf einen einzigen Treiber für Kreditausfälle konzentriert. Tatsächlich gibt es jedoch eine Viel­
zahl solcher Treiber, und möglicherweise lassen sich keine historischen Erfahrungswerte für die aktuelle Kombination wirtschaftlicher
Indikatoren finden. Zudem erfordert die Analyse historischer Informationen, um daraus eine Prognose für die Zukunft abzuleiten, das
Vorhandensein von Daten, über die Banken möglicherweise gar nicht verfügen.
Banken haben eigene Methoden entwickelt, um die Auswirkungen von Änderungen makroökonomischer Faktoren auf die Höhe des
Wertminderungsaufwands zu bestimmen. Diese Methoden sind jedoch nicht notwendigerweise geeignet, um zu bestimmen, welcher
Teil eines Portfolios unter Zugrundelegung der über die Gesamtlaufzeit erwarteten Ausfälle zu bewerten ist. Eine Möglichkeit dies
festzustellen, könnte darin bestehen, den erwarteten Durchlauf der Kredite durch das Risikoklassifizierungssystem der Bank anhand
der zukunftsbezogenen Informationen vorherzusagen. Damit ließe sich prognostizieren, wie viele zusätzliche Kredite voraussichtlich
herabgestuft werden, und wie hoch die daraus resultierenden erwarteten Verluste ausfallen werden.
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 | 77
5
Allgemeiner Ansatz: Beurteilung, ob eine signifikante
Erhöhung des Kreditrisikos vorliegt
Das folgende Beispiel soll veranschaulichen, wie unterschiedliche
Annahmen die Gesamtrisikovorsorge beeinflussen. In allen drei
geschilderten Fällen legt die Bank die gleichen Ausfallwahrschein­
lichkeiten zugrunde. In jedem Szenario trifft sie jedoch anderen
Annahmen bezüglich des Teils des Portfolios, der unter Ver­
wendung der über die Gesamtlaufzeit erwarteten Ausfälle zu
bewerten ist.
Beispiel 5-5: Bestimmung unter Anwendung des Top-down-Ansatzes
Bank A hat ein Portfolio von variabel verzinslichen Hypotheken in Region 1, die ähnliche Risikomerkmale aufweisen. Der Wert des Port­
folios beträgt WE 100 Millionen. Sie schätzt die über die Gesamtlaufzeit erwartete Ausfallwahrscheinlichkeit (lifetime probability of default
[PD]) auf 4 %, die 12-Monats-Ausfallwahrscheinlichkeit (12-month probability of default [PD]) auf 1 % und den Verlust infolge eines
Zahlungsausfalls auf 10 % (loss given default [LGD]). (Aus Vereinfachungsgründen bleibt der Verlust infolge Zahlungsausfalls unverändert
und der Zeitwert des Geldes wird nicht berücksichtigt.) Die Risikovorsorge auf der Basis der 12-Monats-Ausfallwahrscheinlichkeit beträgt
folglich WE 100.000. Die Bank prognostiziert, dass die Zinsen um 2 % steigen werden, und bestimmt, dass sich dadurch die Gesamt­
laufzeit-Ausfallwahrscheinlichkeit auf 5 % und die 12-Monats-Ausfallwahrscheinlichkeit auf 1,2 % erhöhen wird. Sie wendet den Top-downAnsatz an, um den Anteil des Portfolios zu beurteilen, der jetzt auf der Basis der Gesamtlaufzeit-ECL zu bewerten ist.
Szenario 1
Die Bank stellt fest, dass 50 % des Portfolios weiterhin eine Gesamtlaufzeit-Ausfallwahrscheinlichkeit von 4 % und eine 12-Monats-Ausfall­
wahrscheinlichkeit von 1 % haben. Für die übrigen 50 % beträgt die Gesamtlaufzeit-Ausfallwahrscheinlichkeit nunmehr 6 % und die
12-Monats-Ausfallwahrscheinlichkeit 1,4 % (bezogen auf das Gesamtportfolio belaufen sich die durchschnittliche Gesamtlaufzeit-Ausfall­
wahrscheinlichkeit somit auf 5 % und die 12-Monats-Ausfallwahrscheinlichkeit auf 1,2 %). Die Bank betrachtet einen Anstieg der Aus­
fallwahrscheinlichkeit für die risikoanfälligeren 50 % von 4 % auf 6 % als nicht signifikant. Daher kommt sie zu dem Schluss, dass das gesamte
Portfolio weiterhin auf der Basis der 12-Monats-ECL zu bewerten ist. Die daraus resultierende Risikovorsorge beläuft sich auf WE 120.000.
Szenario 2
Die Bank stellt fest, dass 80 % des Portfolios weiterhin eine Gesamtlaufzeit-Ausfallwahrscheinlichkeit von 4 % und eine 12-Monats-Ausfall­
wahrscheinlichkeit von 1 % aufweisen. Sie errechnet, dass die Gesamtlaufzeit-Ausfallwahrscheinlichkeit der restlichen 20 % des Portfolios
inzwischen auf 9 % gestiegen ist, während die 12-Monats-Ausfallwahrscheinlichkeit jetzt 2 % beträgt (sodass sich auch in diesem Fall die
durchschnittliche Gesamtlaufzeit-Ausfallwahrscheinlichkeit für das Gesamtportfolio auf 5 % und die 12-Monats-Ausfallwahrscheinlichkeit
auf 1,2 % belaufen). Die Bank stuft den Anstieg der Gesamtlaufzeit-Ausfallwahrscheinlichkeit für die 20 % von 4 % auf 9 % als signifikant
ein und bewertet diesen Teil des Portfolios daher auf der Basis der Gesamtlaufzeit-ECL. Die Risikovorsorge für die 80 % des Portfolios beträgt
WE 80.000 (Ausfallwahrscheinlichkeit von 1 %) und für die 20 % des Portfolios WE 180.000 (Ausfallwahrscheinlichkeit von 9 %), d. h.
insgesamt WE 260.000.
Szenario 3
Die Bank stellt fest, dass 90 % des Portfolios weiterhin eine Gesamtlaufzeit-Ausfallwahrscheinlichkeit von 4 % (und eine 12-Monats-Aus­
fallwahrscheinlichkeit von 1 %) aufweisen. Infolgedessen müssen die übrigen 10 % des Portfolios eine Gesamtlaufzeit-Ausfallwahrschein­
lichkeit von 14 % besitzen, was insgesamt in einer durchschnittlichen Ausfallwahrscheinlichkeit von 5 % resultiert. Das Ausfallrisiko der
10 % des Portfolios ist eindeutig signifikant gestiegen. Die Risikovorsorge für die 90 % beträgt WE 90.000 und für die 10 % des Portfolios
WE 140.000, also insgesamt WE 230.000.
78
| EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9
Unsere Sichtweise
Die in Szenario 1 des Beispiels 5-5 berechnete Risikovorsorge und die Ergebnisse der Berechnungen in den beiden anderen Szena­
rien weichen erheblich voneinander ab. Im ersten Szenario wird der vom IASB beabsichtigte Effekt wahrscheinlich verfehlt, da der
Standard besagt, dass die Zielsetzung einer Beurteilung auf Portfolioebene darin besteht, das Ergebnis, das sich aus der Verwendung
umfassender Kreditinformationen ergibt, die zukunftsbezogene Informationen auf der Ebene des einzelnen Finanzinstruments
beinhalten, annähernd nachzubilden.40 Da zu erwarten ist, dass sich das Kreditrisiko einiger Finanzinstrumente signifikant erhöht, ist
es vermutlich nicht angemessen, den Schluss zu ziehen, dass das Kreditrisiko auf Portfolioebene nicht signifikant gestiegen ist. In
den Szenarien 2 und 3 weichen die Ergebnisse der Berechnungen hingegen nicht so stark voneinander ab.
Es ist unstrittig, dass ein Zinsanstieg bei einigen Kreditnehmern, die variabel verzinsliche Kredite aufgenommen haben, aller Voraus­
sicht nach einen signifikantenAnstieg des Kreditrisikos nach sich ziehen wird. Zu ermitteln, ob es sich bei diesen Krediten um 5 Prozent,
20 Prozent oder 35 Prozent des Portfolios handelt, scheint allerdings eher eine Kunst als eine Wissenschaft zu sein, und keine zwei
Banken dürften zum gleichen Ergebnis kommen. Es wäre hilfreich, diese Fragen von der ITG klären zu lassen, um herauszufinden, ob
es möglich ist, den Top-down-Ansatz anzuwenden, ohne erhebliche Ermessensentscheidungen treffen zu müssen bzw. ohne dass es
zu erheblichen Abweichungen bei der praktischen Anwendung kommt.
Das Beispiel eines voraussichtlichen Zinsanstiegs ist sehr aktuell, da erwartet wird, dass sich die Zinssätze in vielen Ländern von
den seit der Finanzmarktkrise verzeichneten Rekordtiefs erholen werden. Dabei wird folgende Beobachtung gemacht, die für alle
Expected-losses-Modelle gilt: Banken und (hoffentlich auch) Kreditnehmer haben wahrscheinlich erwartet, dass die Zinssätze für
neue, variabel verzinsliche Kredite, die seit der Finanzmarktkrise aufgenommen wurden, steigen werden, wenn sich die Wirtschaft
erholt. Wurde dieser Anstieg bereits zum Zeitpunkt der Ausreichung erwartet, so ist die Erwartung eines Zinsanstiegs nicht als signi­
fikante Erhöhung des Kreditrisikos zu betrachten. Zumindest in Großbritannien gibt es jedoch Bedenken, dass steigende Zinsen
viele Kreditnehmer, die sich finanziell überfordert haben, in Schwierigkeiten bringen werden. Dies deutet darauf hin, dass der unaus­
weichliche Zinsanstieg bei der Kreditvergabeentscheidung nicht vollständig berücksichtigt wurde.
Wichtig ist, dass Unternehmen nicht wählen können, ob sie eine
Beurteilung auf Portfolioebene wie den Top-down- oder den Bottomup-Ansatz anwenden. Wie bereits erwähnt, sollten gemeinsam
beurteilte Portfolios ähnliche Kreditrisikomerkmale aufweisen, und
finanzielle Vermögenswerte, bei denen erstmals abweichende
Risikomerkmale zu beobachten sind, sollten als separates Portfolio
beurteilt werden. Laut dem Standard wurde der Top-down-Ansatz
für Situationen entwickelt, in denen ein Unternehmen nicht in der
Lage ist, Finanzinstrumente, deren Kreditrisiko sich seit dem erst­
maligen Ansatz signifikant erhöht hat, anhand gemeinsamer Kre­
ditrisikomerkmale zu Gruppen zusammenzufassen.41
40 Siehe IFRS 9.B5.5.4.
41 Siehe IFRS 9.B5.5.6.
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 | 79
5
Allgemeiner Ansatz: Beurteilung, ob eine signifikante
Erhöhung des Kreditrisikos vorliegt
Unsere Sichtweise
Es ist unklar, in welchem Umfang Kreditgeber den Bottom-up- und den Top-down-Ansatz miteinander kombinieren können. In dem Beispiel
zum Bottom-up-Ansatz wird davon ausgegangen, dass sich bei allen Kreditnehmern, die in der Kohleindustrie tätig sind, das Kredit­
risiko signifikant erhöht hat. Kreditgeber könnten wohl argumentieren, dass nach der individuellen Beurteilung der Kreditnehmer aus
der Kohleindustrie lediglich ein Teil der Kredite auf der Basis der Gesamtlaufzeit-ECL gemäß dem Top-down-Ansatz bewertet werden
muss. Dies ergibt wahrscheinlich einen exakteren Näherungswert für das Ergebnis, das man erhielte, wenn man umfassende Kredit­
informationen, die zukunftsbezogene Informationen auf der Ebene des einzelnen Finanzinstruments beinhalten, verwenden würde.
Eine weitere Schwierigkeit beim Top-down-Ansatz ist die Frage, was der Kreditgeber tun muss, wenn er anschließend herausfindet, dass
innerhalb desselben Portfolios Abweichungen bei den Kreditrisikomerkmalen auftreten, die dazu führen, dass bestimmte Vermögens­
werte auf der Basis der Gesamtlaufzeit-ECL nach dem Bottom-up-Ansatz bewertet werden müssen. Eine ähnliche Frage stellt sich, wenn
einzelne Vermögenswerte anschließend auf der Basis der Gesamtlaufzeit-ECL bewertet werden müssen, weil sie z. B. nach mehr als
30 Tagen überfällig werden. Vermutlich wird der Kreditgeber in jedem Fall die Kredite aus dem Teil des Portfolios, der bereits auf der
Basis der Gesamtlaufzeit-ECL nach dem Top-down-Ansatz bewertet wurde, neu zuordnen müssen. Die Frage ist nur, um wie viele
Kredite es sich handelt. Wären beispielsweise 20 Prozent des Portfolios unter Anwendung des Top-down-Ansatzes beurteilt worden
und müssten jetzt aufgrund der Anwendung des Bottom-up-Ansatzes weitere 15 Prozent auf der Basis der Gesamtlaufzeit-ECL bewertet
werden, müsste der Kreditgeber dann davon ausgehen, dass die gesamten 15 Prozent bereits durch die nach dem Top-down-Ansatz
ermittelte Risikovorsorge für die Gesamtlaufzeit „abgedeckt“ sind, oder würde dies nur für 20 Prozent der 15 Prozent gelten?
Vermutlich kann ein Teil der Kredite, die auf der Basis der Gesamtlaufzeit-ECL bewertet wurden, nochmals auf der Basis der 12-MonatsECL bewertet werden, wenn zu erwarten ist, dass sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verbessern werden. Laut dem
Standard scheint jedoch klar zu sein, dass es nicht möglich ist, die Vermutung, dass nach mehr als 30 Tagen der Zahlungsverzug
eintritt, nur aufgrund einer günstigen Wirtschaftsprognose zu widerlegen.42
Darüber hinaus wird die Anwendung des Top-down-Ansatzes zur Bestimmung, ob eine Risikovorsorge für Gesamtlaufzeit-ECL zu bilden
ist, noch komplizierter, wenn einige der finanziellen Vermögenswerte, die auf Portfolioebene beurteilt werden, in einem Fair Value
Hedge designiert werden, da es notwendig sein könnte, einen Teil der Fair-Value-Hedge-Anpassung auf der Basis der GesamtlaufzeitECL zu bewerten.
5.10 Der Loss-rate-Ansatz
Gemäß dem in Abschnitt 4.2.2 erläuterten Loss-rate-Ansatz hat
ein Unternehmen auf der Grundlage des über die Laufzeit der
­finanziellen Vermögenswerte abgeschriebenen Betrags Ausfall­
statistiken zu entwickeln, anstatt separate Statistiken einerseits
zu den individuellen Ausfallwahrscheinlichkeiten und andererseits
zu den Verlusten infolge eines Zahlungsausfalls zu verwenden.
Anschließend muss es diese historischen Ausfalltrends um aktuelle
42 Siehe IFRS 9.B5.5.19.
43 Siehe IFRS 9.B5.5.12.
80
| EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9
Gegebenheiten und Erwartungen bezüglich künftiger Entwicklun­
gen anpassen.
Der Standard besagt eindeutig, dass die Anwendung eines Loss-rateAnsatzes zwar zulässig ist, das Unternehmen jedoch in der Lage
sein muss, Änderungen des Ausfallrisikos von Änderungen ande­
rer Treiber für erwartete Kreditausfälle zu trennen.43 Gemäß dem
Zudem besagt der Standard eindeutig, dass für die Beurteilung, ob eine signifikante Erhöhung des Kreditrisikos vorliegt, zukunfts­
bezogene Informationen herangezogen werden müssen. Diese Beurteilung ist auf individueller Basis vorzunehmen, wenn das Unterneh­
men über Informationen verfügt, die im Hinblick auf das betreffende Finanzinstrument als hinreichend zukunftsbezogen betrachtet
werden können. Sind keine solchen Informationen verfügbar, hat die Beurteilung auf Portfolioebene zu erfolgen. Dies lässt darauf
schließen, dass ein finanzieller Vermögenswert, der üblicherweise einzeln verwaltet wird, auch auf Portfolioebene zu beurteilen ist
(d. h. auf der Grundlage makroökonomischer Indikatoren), wenn dem Unternehmen keine ausreichenden zukunftsbezogenen
Informationen auf der Ebene des Finanzinstruments zur Verfügung stehen, um die Beurteilung vorzunehmen. Diese Vorgehensweise
unterscheidet sich nicht wesentlich von der laut IAS 39 vorgeschriebenen Methode für die Überprüfung eines Vermögenswerts auf
Wertminderung auf Portfolioebene, wenn dieser Vermögenswert bereits einzeln beurteilt und keine Wertminderung festgestellt wurde.
Es kann sein, dass einzelne Finanzinstrumente nicht mit anderen Vermögenswerten zusammengefasst werden können, die ähnliche
Kreditrisikomerkmale aufweisen. In diesem Fall scheint der Standard vorzuschreiben, dass das Unternehmen den Top-down-Ansatz
auf den einzelnen Vermögenswert anzuwenden hat.44 Dies könnte sogar bedeuten, dass ein Teil eines einzelnen Vermögenswerts auf
der Basis der Gesamtlaufzeit-ECL bewertet werden kann.
Die Anwendungsleitlinien scheinen nicht die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass einem Unternehmen überhaupt keine zukunfts­
bezogenen Informationen zur Verfügung stehen (auf die es ohne einen unverhältnismäßig hohen Kosten- oder Arbeitsaufwand zugreifen
kann). Zwar besagt der Standard eindeutig, dass generell davon ausgegangen werden kann, dass erwartete Kreditausfälle erfasst
werden, bevor ein Finanzinstrument überfällig wird, doch steht das Konzept der widerlegbaren Vermutung, dass nach mehr als 30 Tagen
der Zahlungsverzug eintritt, mit den meisten Leitlinien nicht im Einklang.45 Der Standard berücksichtigt Situationen, in denen keine
zukunftsbezogenen Informationen zur Verfügung stehen (weder für ein einzelnes Finanzinstrument noch für ein Portfolio von Finanz­
instrumenten), und gestattet Unternehmen, in solchen Fällen auch lediglich Informationen zum Zahlungsverzug heranzuziehen.
Dadurch wird offenbar die Möglichkeit geschaffen, dass weniger versierte Kreditgeber ausschließlich den Verzugsstatus heranziehen
und eine niedrigere Risikovorsorge erfassen können als Kreditgeber, die ausgefeiltere Informationsmöglichkeiten haben.
Der Top-down- und der Bottom-up-Ansatz sind lediglich Beispiele dafür, wie eine Beurteilung auf Portfolioebene durchgeführt werden
kann. Daher rechnen wir damit, dass die beiden Ansätze in Abhängigkeit von den jeweiligen Gegebenheiten flexibel anwendet werden.
Es wäre jedoch hilfreich, diese Fragen von der ITG klären zu lassen.
Loss-rate-Ansatz muss das Unternehmen nicht zwischen dem Aus­
fallrisiko und dem Verlust infolge eines Zahlungsausfalls unter­
scheiden. Bei der Ermittlungvon 12-Monats- oder GesamtlaufzeitECL stellt dies kein Problem dar. Nach dem Loss-rate-Ansatz wäre
das Unternehmen jedoch nicht in der Lage, die Beurteilung, ob
eine signifikante Erhöhung des Kreditrisikos vorliegt, auf der Grund­
lage von Änderungen des Ausfallrisikos durchzuführen. Daher
benötigen Unternehmen, die den Loss-rate-Ansatz anwenden,
einen Risikoüberbau für die Ermittlung und Prognose des Grades
an Ausfällen, wie im Ausschnitt von Beispiel 9 der Anwendungs­
leitlinien veranschaulicht (siehe Abschnitt 4.2.2). Für Unterneh­
men, die derzeit nur die erwarteten Ausfallquoten verwenden,
kann es einfacher sein, einen Ansatz basierend auf der Ausfall­
wahrscheinlichkeit zu entwickeln.
44 Siehe IFRS 9.B5.5.6.
45 Siehe IFRS 9.B5.5.2 und B5.5.11.
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 |
81
6
6 Modifizierte finanzielle Vermögenswerte
Werden die vertraglich vereinbarten Cashflows aus einem finan­
ziellen Vermögenswert neu verhandelt oder modifiziert, muss der
Inhaber überprüfen, ob der finanzielle Vermögenswert auszubu­
chen ist. IAS 39 enthält zwar Leitlinien dafür, wann finanzielle Ver­
bindlichkeiten, die neu verhandelt oder modifiziert wurden, aus­
zubuchen sind, geht aber nicht auf die Ausbuchung finanzieller
Vermögenswerte im Fall einer Neuverhandlung oder Modifikation
ein. Da die in IAS 39 enthaltenen Ausbuchungsvorschriften un­
verändert in IFRS 9 übernommen wurden, liegen somit noch immer
keine Kriterien vor, mit deren Hilfe analysiert werden kann, wann
die Modifizierung eines finanziellen Vermögenswerts zu dessen
Ausbuchung führt. Unternehmen können sich jedoch an einer Ent­
scheidung des IFRS Interpretations Committee vom Mai 2012
orientieren. Damals wurde das IFRS Interpretations Committee
um eine Stellungnahme zur bilanziellen Behandlung griechischer
Staatsanleihen gebeten. Insbesondere ging es um die Frage, ob
der Teil der „alten“ griechischen Staatsanleihen, der gegen neue
Anleihen mit unterschiedlichen Laufzeiten und Zinssätzen zu
tauschen ist, gemäß IAS 39 auszubuchen oder als Modifizierung
zu erfassen ist, die keine Ausbuchung erfordert. Das IFRS Inter­
pretations Committee kam zu dem Schluss, dass diese Frage auf
einer der beiden folgenden Grundlagen geklärt werden kann:
• Erlöschen der vertraglichen Rechte auf den Erhalt der Cashflows
aus den Vermögenswerten46
• analoge Anwendung des Konzepts einer wesentlichen Änderung
der Vertragsbedingungen von finanziellen Verbindlichkeiten auf
diese Vermögenswerte47
IFRS 9 verweist darauf, dass die Neuverhandlung oder Modifizie­
rung der vertraglich vereinbarten Cashflows aus einem finanziellen
Vermögenswert unter Umständen zur Ausbuchung des bestehen­
den finanziellen Vermögenswerts und daran anschließend zur Er­
fassung eines „neuen“ finanziellen Vermögenswerts führen kann.48
Das bedeutet, dass das Unternehmen bezüglich des betreffenden
finanziellen Vermögenswerts noch einmal beginnt und das Datum
der Modifizierung auch das Datum des erstmaligen Ansatzes des
neuen finanziellen Vermögenswerts ist. Üblicherweise wird das
Unternehmen so lange zu jedem Abschlussstichtag eine Risikovor­
sorge in Höhe der 12-Monats-ECL erfassen, bis die Bedingungen
Werden die vertraglich vereinbarten
Cashflows aus einem finanziellen
­Vermögenswert neu verhandelt oder
modifiziert, muss der Inhaber über­
prüfen, ob der finanzielle Vermögens­
wert auszubuchen ist.
für die Erfassung von Gesamtlaufzeit-ECL erfüllt sind. In außerge­
wöhnlichen Fällen kann es jedoch nach einer Modifizierung, die
zur Ausbuchung des ursprünglichen finanziellen Vermögenswerts
führt, dazu kommen, dass der neue finanzielle Vermögenswert
bereits bei der erstmaligen Erfassung wertgemindert ist (siehe
Abschnitt 3.3). Der finanzielle Vermögenswert muss demnach als
bereits bei Ausreichung wertgemindert erfasst werden. Ein Bei­
spiel hierfür ist die Restrukturierung der griechischen Staatsan­
leihen im Jahr 2012 (siehe die vorstehenden Erläuterungen); das
IFRS Interpretations Committee merkte dazu an, dass die neuen
Anleihen bei der erstmaligen Erfassung unter Berücksichtigung der
bereits eingetretenen Verluste erfasst werden können, wenn das
Unternehmen zu der Einschätzung gelangt ist, dass sie bei der erst­
maligen Erfassung wertgemindert waren.
In anderen Fällen führt gemäß IFRS 9 die Neuverhandlung oder
Modifizierung der vertraglich vereinbarten Cashflows aus einem
finanziellen Vermögenswert nicht zwangsläufig zur Ausbuchung
des bestehenden finanziellen Vermögenswerts. In diesen Fällen
wird das Unternehmen
• seine bisherige bilanzielle Behandlung des bestehenden Ver­
mögenswerts, der modifiziert wurde, fortsetzen;
46 Siehe IAS 39.17(a) (nun unter IFRS 9.3.2.3).
47 Siehe IAS 39.40 (nun unter IFRS 9.3.3.2).
48 Siehe IFRS 9.B5.5.25.
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 | 83
6
Modifizierte finanzielle Vermögenswerte
• einen Gewinn oder Verlust aus der Modifizierung erfassen, und
zwar durch die Neuberechnung des Brutto-Buchwerts des
­finanziellen Vermögenswerts als Barwert der neu verhandelten
oder modifizierten vertraglich vereinbarten Cashflows, die
mit dem ursprünglich ermittelten Effektivzinssatz des finanziel­
len Vermögenswerts abgezinst werden (oder, bei finanziellen
Vermögenswerten, die bereits bei Erwerb oder Ausreichung wert­
gemindert sind, mit dem risikoangepassten Effektivzinssatz,
siehe Abschnitt 4.5);
• beurteilen, ob sich das Kreditrisiko des Finanzinstruments sig­
nifikant erhöht hat, und zwar durch den Vergleich des Ausfall­
risikos zum Abschlussstichtag (basierend auf den modifizierten
Vertragsbedingungen) mit demjenigen zum Zeitpunkt der erst­
maligen Erfassung (basierend auf den ursprünglichen, nicht
modifizierten Vertragsbedingungen). Einem finanziellen Ver­
mögenswert, der neu verhandelt oder modifiziert wurde, wird
nicht automatisch ein geringeres Kreditrisiko zugeschrieben.
Bei der Beurteilung muss das Kreditrisiko über die voraussicht­
liche Nutzungsdauer des Vermögenswerts basierend auf histo­
rischen und zukunftsbezogenen Informationen (einschließlich
Informationen über die Umstände, die zu der Modifizierung
­ eführt haben) berücksichtigt werden. Der Nachweis, dass die
g
Kriterien für die Erfassung der Gesamtlaufzeit-ECL nicht mehr
erfüllt sind, könnte basierend auf einer Historie fristgerechter
Zahlungen des modifizierten Vermögenswerts in Folgeperioden
erbracht werden. Das bedeutet, dass häufig ein gewisser Beob­
achtungszeitraum erforderlich sein wird, bevor es bei einem
finanziellen Vermögenswert möglich ist, zu einer Erfassung von
12-Monats-ECL zurückzukehren;
• die quantitativen und qualitativen Angaben machen, die für neu
verhandelte oder modifizierte Vermögenswerte erforderlich
sind. Damit sollen die Abschlussadressaten in die Lage versetzt
werden, die Art und die Auswirkungen solcher Modifizierungen
(einschließlich der Auswirkungen auf die Bewertung von erwar­
teten Kreditausfällen) sowie die Art und Weise, wie das Unter­
nehmen seine modifizierten Vermögenswerte überwacht, zu ver­
stehen (siehe Abschnitt 12).
Das folgende Beispiel wurde aus einem im Standard enthaltenen
Beispiel abgeleitet, um die bilanzielle Behandlung eines modifizier­
ten Kredits zu verdeutlichen.49
Beispiel 6-1: Modifizierung von vertraglich vereinbarten Cashflows
(abgeleitet aus Beispiel 11 der Anwendungsleitlinien)
Bank A gewährt einen Kredit mit einer Laufzeit von fünf Jahren, bei dem der gesamte Kreditbetrag endfällig ist. Der Kredit hat einen
Nennwert von WE 1.000 und wird mit einem Zinssatz von 5 % p. a. verzinst. Der Effektivzinssatz beträgt ebenfalls 5 %. Zum Ende des
ersten Berichtszeitraums in Jahr 1 erfasst Bank A eine Risikovorsorge in Höhe der 12-Monats-ECL, da es seit der erstmaligen Erfassung
keine signifikante Erhöhung des Kreditrisikos gegeben hat. Die Risikovorsorge wird mit einem Betrag in Höhe von WE 20 erfasst. In
Jahr 2 stellt Bank A fest, dass sich das Kreditrisiko aus dem Kredit seit der erstmaligen Erfassung signifikant erhöht hat. Demzufolge
erfasst Bank A die Gesamtlaufzeit-ECL für den Kredit. Die Risikovorsorge wird mit einem Betrag in Höhe von WE 150 erfasst.
Zum Ende von Jahr 3 modifiziert Bank A die vertraglich vereinbarten Cashflows aus dem Kredit, da der Kreditnehmer in erhebliche finanzielle
Schwierigkeiten geraten ist. Bank A verzichtet auf die Zinszahlungen und verlängert die Laufzeit des Kredits um ein Jahr, sodass die Rest­
laufzeit zum Datum der Modifizierung drei Jahre beträgt. Die Modifizierung führt nicht zu einer Ausbuchung des Kredits durch Bank A.
Infolge der Modifizierung berechnet Bank A den Bruttobuchwert des finanziellen Vermögenswerts neu, und zwar als Barwert der modifizier­
ten vertraglich vereinbarten Cashflows, die mit dem ursprünglichen Effektivzinssatz des Kredits von 5 % abgezinst wurden. Der Unterschieds­
betrag zwischen diesem neu berechneten Bruttobuchwert und dem Bruttobuchwert vor der Modifizierung wird als Gewinn oder Verlust aus
der Modifizierung erfasst. Bank A erfasst den Verlust aus der Modifizierung (in Höhe von WE 136) durch eine Minderung des Buchwerts
des Kredits (Verminderung auf WE 864) und einen Verlust aus der Modifizierung (in Höhe von WE 136) in der Gewinn- und Verlustrechnung.
49 Siehe IFRS 9.IG Beispiel 11, Paragraphen IE66 – IE73.
84
| EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9
Beispiel 6-1: Modifizierung von vertraglich vereinbarten Cashflows (abgeleitet aus Beispiel 11 der Anwendungsleitlinien)
(Fortsetzung)
Bank A bewertet auch die Risikovorsorge neu (unter Berücksichtigung der modifizierten vertraglich vereinbarten Cashflows) und beur­
teilt, ob die Risikovorsorge für den Kredit weiterhin mit einem Betrag in Höhe der Gesamtlaufzeit-ECL bewertet werden soll. Bank A
vergleicht das derzeitige Kreditrisiko (basierend auf den modifizierten Cashflows) mit dem Kreditrisiko zum Zeitpunkt der erstmaligen
Erfassung (basierend auf den ursprünglichen, nicht modifizierten Cashflows). Bank A kommt zu dem Schluss, dass der Kredit zum
Abschlussstichtag nicht wertgemindert, das Kreditrisiko verglichen mit dem Kreditrisiko zum Zeitpunkt der erstmaligen Erfassung aber
signifikant gestiegen ist. Die Risikovorsorge bewertet Bank A weiterhin mit einem Betrag in Höhe der Gesamtlaufzeit-ECL (WE 110
zum Abschlussstichtag).
Zu jedem folgenden Abschlussstichtag beurteilt Bank A erneut, ob sich das Kreditrisiko wesentlich erhöht hat, indem sie das Risiko des
Kredits zum Zeitpunkt der erstmaligen Erfassung (basierend auf den ursprünglichen, nicht modifizierten Cashflows) mit demjenigen
zum Abschlussstichtag (basierend auf den modifizierten Cashflows) vergleicht.
Zwei Berichtsperioden nach der Modifizierung des Kredits (Jahr 5) verzeichnet der Kreditnehmer im Vergleich zu den Erwartungen zum
Datum der Modifizierung eine wesentlich bessere Unternehmensperformance. Außerdem sind die geschäftlichen Aussichten positiver
als bislang angenommen. Aus einer Beurteilung aller angemessenen und belastbaren Informationen, die ohne einen unverhältnismäßig
hohen Kosten- oder Arbeitsaufwand zur Verfügung stehen, geht hervor, dass das gesamte Kreditrisiko des Darlehens gesunken ist.
Daher passt Bank A das ursprüngliche interne Bonitätsrating des Darlehensnehmers zum Ende der Berichtsperiode an.
Angesichts der positiven allgemeinen Entwicklung analysiert Bank A die Situation neu und kommt zu dem Schluss, dass das Risiko des
Kredits gesunken ist und dass seit der erstmaligen Erfassung keine signifikante Erhöhung des Kreditrisikos mehr gegeben ist. Dem­
zufolge bewertet Bank A die Risikovorsorge erneut mit einem Betrag in Höhe der 12-Monats-ECL.
Jahr
Bruttobuchwert
zu Beginn der
Berichtsperiode
Wertminderungsaufwand/
Wertaufholung
Verlust/Gewinn
aus der
Modifizierung
Zinserträge
Cashflows
Bruttobuchwert
zum Ende der
Berichtsperiode
Risikovorsorge
Fortgeführte Kosten
zum Ende der
Berichtsperiode
A
B
C
D
Brutto: A × 5 %
E
F=
A+C+D–E
G
H=F–G
1
WE 1.000
WE –20
WE 50
WE 50
WE 1.000
WE 20
WE 980
2
WE 1.000
WE –130
WE 50
WE 50
WE 1.000
WE 150
WE 850
3
WE 1.000
WE 40
WE 50
WE 50
WE 864
WE 110
WE 754
4
WE 864
WE 24
WE 43
WE 907
WE 86
WE 821
5
WE 907
WE 72
WE 45
WE 953
WE 14
WE 939
6
WE 953
WE 14
WE 48
WE 0
WE 0
WE 0
WE –136
WE 1.000
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 | 85
7
7 Erfolgsneutral zum beizulegenden
Zeitwert bewertete finanzielle Vermögenswerte (FVOCI) – Schuldinstrumente
In Bezug auf finanzielle Vermögenswerte, bei denen es sich um
erfolgsneutral zum beizulegenden Zeitwert bewertete Schuld­
instrumente handelt, ist das IASB zu dem Schluss gekommen, dass
sowohl Angaben über die fortgeführten Anschaffungskosten als
auch solche über den beizulegenden Zeitwert relevant sind. Dies
liegt daran, dass Unternehmen Schuldinstrumente dieser Bewer­
tungskategorie nicht nur zur Vereinnahmung vertraglich vereinbar­
ter Cashflows, sondern auch zur Realisierung von beizulegenden
Zeitwerten halten.50 Daher werden erfolgsneutral zum beizule­
genden Zeitwert bewertete Schuldinstrumente in der Bilanz mit
dem beizulegenden Zeitwert angesetzt und in der Gewinn- und
Verlustrechnung werden zu solchen Instrumenten die nachfolgend
aufgeführten Beträge erfasst:
Ausgehend von der vorstehend beschriebenen bilanziellen
­Behandlung führt die zu erfassende Risikovorsorge in der Bilanz
nicht zu einer Minderung des Buchwerts der finanziellen Ver­
mögenswerte, die nach wie vor zum beizulegenden Zeitwert
­angesetzt werden. Stattdessen wird ein Betrag in Höhe der ECLRisikovorsorge, die bei einer Bewertung des Vermögenswerts
zu fortgeführten Anschaffungskosten entstünde, im sonstigen Er­
gebnis unter dem Posten „Kumulierte Wertminderungen“ erfasst.
Die bilanzielle Behandlung und die entsprechenden Buchungs­
sätze von erfolgsneutral zum beizulegenden Zeitwert bewerte­
ten Schuld­instrumenten werden in dem folgenden Beispiel, das
auf dem erläuternden Beispiel 13 in den Anwendungsleitlinien zu
IFRS 9 basiert, veranschaulicht.51
• Bei zinstragenden finanziellen Vermögenswerten erfolgt die
Berechnung der Zinserträge mithilfe der Effektivzinsmethode,
wie sie auch auf zu fortgeführten Anschaffungskosten bewer­
tete finanzielle Vermögenswerte angewendet wird.
• Fremdwährungsgewinne und -verluste aus monetären Ver­
mögenswerten auf der Basis der fortgeführten Anschaffungs­
kosten werden in der Gewinn- und Verlustrechnung erfasst.
• Wertaufholungen und Wertminderungen werden ebenso ermit­
telt wie bei zu fortgeführten Anschaffungskosten bewerteten
­finanziellen Vermögenswerten.
Gewinne und Verluste aus Änderungen des beizulegenden Zeit­
werts dieser finanziellen Vermögenswerte werden grundsätzlich
im sonstigen Ergebnis erfasst. Demzufolge wird lediglich der
Unterschiedsbetrag zwischen der gesamten Veränderung des
beizulegenden Zeitwerts und den erfolgswirksam erfassten
­Beträgen im sonstigen Ergebnis erfasst. Bei Ausbuchung dieser
finanziellen Vermögenswerte werden die bislang im sonstigen
­Ergebnis erfassten kumulierten Gewinne und Verluste vom in die
Gewinn- und Verlustrechnung umgegliedert (Recycling).
Bei erfolgsneutral zum beizulegenden
Zeitwert bewerteten Schuldinstru­
menten führt die zu erfassende Risiko­
vorsorge nicht zu einer Minderung
des Buchwerts in der Bilanz, der nach
wie vor dem beizulegenden Zeitwert
entspricht. Stattdessen wird ein Be­
trag in Höhe der Risikovorsorge, die
bei einer Bewertung des Vermögens­
werts zu fortgeführten Anschaffungs­
kosten entstünde, im sonstigen
Ergebnis als kumulierte Wertminde­
rung erfasst.
50 Siehe IFRS 9.4.1.2A und IFRS 9.BC4.150.
51 Siehe IFRS 9.IG, Beispiel 13, Paragrafen IE78–IE81.
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 | 87
7
Erfolgsneutral zum beizulegenden Zeitwert bewertete finanzielle
Vermögenswerte (FVOCI) – Schuldinstrumente
Auszug aus IFRS 9
Beispiel 13: Erfolgsneutral zum beizulegenden Zeitwert bewertete Schuldinstrumente (IFRS 9.IE78–IE81)
Ein Unternehmen erwirbt ein Schuldinstrument mit einem beizulegenden Zeitwert von WE 1.000 am 15. Dezember 20X0 und bewertet
dieses Schuldinstrument erfolgsneutral mit dem beizulegenden Zeitwert (FVOCI). Das Instrument wird mit 5 % über die vertragliche
Laufzeit von zehn Jahren verzinst und hat einen Effektivzinssatz von ebenfalls 5 %. Bei der erstmaligen Erfassung stellt das Unterneh­
men fest, dass der Vermögenswert weder bei Erwerb noch bei Ausreichung wertgemindert ist.
Soll
Finanzieller Vermögenswert – erfolgsneutral zum beizulegenden Zeitwert (FVOCI)
Haben
WE 1.000
Zahlungsmittel
WE 1.000
(um das mit seinem beizulegenden Zeitwert bewertete Schuldinstrument zu erfassen)
Zum 31. Dezember 20X0 (dem Abschlussstichtag) ist der beizulegende Zeitwert des Schuldinstruments aufgrund von Änderungen
der Marktzinssätze auf WE 950 gesunken. Das Unternehmen stellt fest, dass sich das Kreditrisiko seit der erstmaligen Erfassung nicht
signifikant erhöht hat und dass die erwarteten Kreditausfälle mit einem Betrag in Höhe der 12-Monats-ECL (WE 30) zu bewerten
sind. Zur Vereinfachung werden die Buchungssätze für den Erhalt von Zinserträgen nicht angegeben.
Soll
Wertminderungsaufwand (Gewinn oder Verlust)
WE 30
Sonstiges Ergebnis(a)
WE 20
Finanzieller Vermögenswert – erfolgsneutral zum beizulegenden Zeitwert
Haben
WE 50
(um die 12-Monats-ECL und sonstige Änderungen des beizulegenden Zeitwerts des Schuldinstruments zu erfassen)
(a) Der zum Abschlussstichtag im sonstigen Ergebnis erfasste kumulierte Verlust betrug WE 20. Dieser Betrag setzt sich aus der gesamten Änderung des beizulegenden
Zeitwerts in Höhe von WE 50 (d. h. WE 1.000 – WE 950) saldiert mit der erfassten Änderung des kumulierten Wertminderungsbetrags in Höhe der 12-Monats-ECL
(WE 30) zusammen.
88
| EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9
Auszug aus IFRS 9
Beispiel 13: Erfolgsneutral zum beizulegenden Zeitwert bewertete Schuldinstrumente (IFRS 9.IE78–IE81) (Fortsetzung)
Angaben zum kumulierten Wertminderungsbetrag in Höhe von WE 30 sind stets erforderlich.
Am 1. Januar 20X1 beschließt das Unternehmen, das Schuldinstrument für WE 950, dem zu diesem Zeitpunkt bestehenden
­beizulegenden Zeitwert, zu verkaufen.
Soll
Zahlungsmittel
WE 950
Finanzieller Vermögenswert – erfolgsneutral zum beizulegenden Zeitwert
Verlust (Gewinn oder Verlust)
Sonstiges Ergebnis
Haben
WE 950
WE 20
WE 20
(um den erfolgsneutral zum beizulegenden Zeitwert bewerteten Vermögenswert auszubuchen und im sonstigen Ergebnis kumulativ
erfasste Beträge in die Gewinn- und Verlustrechnung umzugliedern)
Das bedeutet: Im Gegensatz zu finanziellen Vermögenswerten,
die zu fortgeführten Anschaffungskosten bewertet werden, gibt
es keinen gesonderten Wertberichtigungsposten in der Bilanz.
Stattdessen werden Wertaufholungen oder Wertminderungsauf­
wendungen als Anpassung der Neubewertungsrücklage im kumu­
lierten sonstigen Ergebnis mit einer entsprechenden Gegenbu­
chung in der Gewinn- und Verlustrechnung (und anschließender
Erfassung in der Gewinnrücklage) erfasst.
Für erfolgsneutral zum beizulegenden Zeitwert bewertete finan­
zielle Vermögenswerte bedeutet die vom Standard geforderte
Bilanzierung von Wertaufholungen und Wertminderungsaufwen­
dungen in der Praxis, dass das kumulierte sonstige Ergebnis in
wertminderungsbezogene und sonstige Beträge aufgespalten wird.
Das oben aufgeführte Beispiel ist relativ unkompliziert. Anhang 1
enthält ein komplizierteres Beispiel basierend auf einem finanziel­
len Vermögenswert, der auf eine Fremdwährung lautet und außer­
dem Teil einer Zinssicherungsbeziehung ist.
Konzeptionell bedeutet dies, dass erwartete Kreditausfälle so
behandelt werden, als wären sie eine realisierte Änderung des
beizulegenden Zeitwerts, während Änderungen des beizulegenden
Zeitwerts ansonsten nur dann als realisiert behandelt werden,
wenn der finanzielle Vermögenswert ausgebucht wird.
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 | 89
8
8 Forderungen aus Lieferungen und
Leistungen, aktive Vertragsposten und
Leasingforderungen
Für Forderungen aus Lieferungen und Leistungen, aktive Vertrags­
posten und Leasingforderungen bietet der Standard einige prak­
tische Erleichterungen. Dazu gehören die Verpflichtung bzw. das
Wahlrecht, bei der Bilanzierung den vereinfachten Ansatz anzu­
wenden, bei dem Unternehmen Änderungen des Kreditrisikos nicht
nachverfolgen müssen (siehe Abschnitt 3.2), und die Ausnahme­
regelung, erwartete Kreditausfälle bei Forderungen aus Lieferun­
gen und Leistungen mithilfe einer Wertminderungsmatrix zu be­
rechnen (siehe Abschnitt 8.1).
8.1 Forderungen aus Lieferungen und
Leistungen und aktive Vertragsposten
Auf Forderungen aus Lieferungen und Leistungen oder aktive Ver­
tragsposten, die keine wesentliche Finanzierungskomponente
enthalten,52 ist der vereinfachte Ansatz verpflichtend anzuwenden.
Unternehmen haben jedoch ein Wahlrecht, entweder den allge­
meinen Ansatz (siehe Abschnitt 3.1) oder den vereinfachten An­
satz auf Forderungen aus Lieferungen und Leistungen und aktive
Vertragsposten, die eine wesentliche Finanzierungskomponente
enthalten (siehe Abschnitt 3.2), anzuwenden. Das Wahlrecht kann
unabhängig voneinander für Forderungen aus Lieferungen und
Leistungen und aktive Vertragsposten ausgeübt werden.
Unternehmen dürfen außerdem bei der Bewertung erwarteter
Kreditausfälle praktische Erleichterungen in Anspruch nehmen,
solange der jeweilige Ansatz ein wahrscheinlichkeitsgewichtetes
Ergebnis, den Zeitwert des Geldes sowie angemessene und
­belastbare Informationen über vergangene Ereignisse, aktuelle
Gegebenheiten und Prognosen zukünftiger wirtschaftlicher
Rahmenbedingungen, die ohne einen unverhältnismäßig hohen
Kosten- oder Arbeitsaufwand zum Abschlussstichtag zur Ver­
fügung stehen, berücksichtigt.
Einer der im Standard vorgeschlagenen Ansätze besteht in der
Nutzung einer Wertminderungsmatrix als praktische Erleichterung
für die Bewertung von erwarteten Kreditausfällen bei Forderun­
gen aus Lieferungen und Leistungen.53 Beispielsweise können bei
Gruppen unterschiedlicher Kundensegmente, die ähnliche Aus­
fallmuster aufweisen, die Wertminderungssätze auf der Anzahl
von Tagen, die die Forderungen überfällig sind (z. B. 1 % bei keiner
Überfälligkeit, 2 % bei Überfälligkeit von weniger als 30 Tagen etc.),
basieren. Kriterien für die Gruppierung können die geografische
Region, die Produktart, das Kundenrating, die Art der Sicherheiten
oder die Frage, ob eine Handelskreditversicherung besteht, und
die Art des Kunden (etwa Groß- oder Einzelhandel) sein. Um die
Matrix zu kalibrieren, muss das Unternehmen seine Bilanz histo­
rischer Kreditausfälle auf der Grundlage zukunftsbezogener Infor­
mationen anpassen.
Unsere Sichtweise
In der Praxis nutzen viele Unternehmen eine Wertminderungs­
matrix, um ihre aktuellen Wertberichtigungen zu berechnen.
Um die Vorschriften von IFRS 9 zu erfüllen, müssen Unterneh­
men überlegen, wie aktuelle und zukunftsbezogene Informa­
tionen die historischen Ausfallquoten ihrer Kunden beeinflussen
könnten und wie demzufolge die Informationen ihre aktuellen
Erwartungen und Schätzungen der erwarteten Kreditausfälle
beeinflussen würden.
Für Forderungen aus Lieferungen
und Leistungen, aktive Vertrags­
posten und Leasingforderungen bie­
tet der Standard einige praktische
Erleichterungen.
52 Siehe IFRS 9.5.5.15.
53 Siehe IFRS 9.B5.5.35.
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 |
91
8
Forderungen aus Lieferungen und Leistungen,
aktive Vertragsposten und Leasingforderungen
Die Anwendung der Wertminderungsmatrix wird in dem folgenden Beispiel veranschaulicht.
Auszug aus IFRS 9
Beispiel 12: Wertminderungsmatrix (IFRS 9.IE74–IE77)
Unternehmen M, ein Industrieunternehmen, hat im Jahr 20X1 ein Portfolio von Forderungen aus Lieferungen und Leistungen in Höhe
von WE 30 Mio. und ist nur in einer geografischen Region vertreten. Die Kundenbasis besteht aus einer großen Anzahl kleiner Kunden,
die Forderungen aus Lieferungen und Leistungen werden anhand von allgemeinen Risikomerkmalen klassifiziert, die für die Fähigkeiten
der Kunden stehen, alle fälligen Beträge vertragsgemäß zu begleichen. Die Forderungen aus Lieferungen und Leistungen enthalten in
Anlehnung an IFRS 15 Umsatzrealisierung aus Verträgen mit Kunden keine wesentliche Finanzierungskomponente. Gemäß IFRS 9.5.5.15
wird die Risikovorsorge für derartige Forderungen aus Lieferungen und Leistungen immer mit einem Betrag in Höhe der über die
Gesamtlaufzeit erwarteten Kreditausfälle bewertet.
Um die erwarteten Kreditausfälle für das Portfolio zu bestimmen, verwendet Unternehmen M eine Wertminderungsmatrix. Diese Wert­
minderungsmatrix basiert auf den beobachteten historischen Ausfallquoten während der erwarteten Laufzeit der Forderungen aus
Lieferungen und Leistungen und wird um zukunftsbezogene Schätzungen angepasst. Zu jedem Abschlussstichtag werden die beobach­
teten historischen Ausfallquoten aktualisiert und Änderungen der zukunftsbezogenen Schätzungen analysiert. In diesem Fall wird
von einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im kommenden Jahr ausgegangen.
Auf dieser Grundlage schätzt Unternehmen M die folgende Wertminderungsmatrix:
Ausfallquote
Aktuell
1–30 Tage
überfällig
31–60 Tage
überfällig
61–90 Tage
überfällig
Mehr als 90 Tage
überfällig
0,3 %
1,6 %
3,6 %
6,6 %
10,6 %
Die Forderungen aus Lieferungen und Leistungen gegenüber der großen Anzahl kleiner Kunden betragen WE 30 Mio. und werden
­mithilfe der Wertminderungsmatrix bewertet.
Bruttobuchwert
Aktuell
Über die Gesamtlaufzeit erwartete Risikovorsorge für
Kreditausfälle (Bruttobuchwert × über die Gesamtlaufzeit
erwartete Kreditausfallquote)
WE 15.000.000
WE 45.000
1–30 Tage überfällig
WE 7.500.000
WE 120.000
31–60 Tage überfällig
WE 4.000.000
WE 144.000
61–90 Tage überfällig
WE 2.500.000
WE 165.000
Mehr als 90 Tage überfällig
WE 1.000.000
WE 106.000
WE 30.000.000
WE 580.000
92
| EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9
Hinweis: Wie viele andere im Standard enthaltene Beispiele ver­
zichtet auch dieses Beispiel darauf, den Zeitwert des Geldes aus­
drücklich zu berücksichtigen. Dies dürfte daran liegen, dass die
entsprechenden Auswirkungen in diesem Fall als unwesentlich
angesehen werden.
Bei Leasingforderungen haben Unter­
nehmen ein Wahlrecht zwischen dem
allgemeinen und dem vereinfachten
Ansatz.
8.2 Leasingforderungen
Bei Leasingforderungen haben Unternehmen ein Wahlrecht, ent­
weder den allgemeinen Ansatz (siehe Abschnitt 3.1) oder den
vereinfachten Ansatz (siehe Abschnitt 3.2)auf Finanzierungsund/oder Operating-Leasingforderungen anzuwenden.
Bei der Bewertung von erwarteten Kreditausfällen bei Leasing­
forderungen muss ein Unternehmen außerdem
• die Cashflows verwenden, die auch für die Bewertung der
­Leasingforderungen nach IAS 17 verwendet werden,54 und
• die erwarteten Kreditausfälle mit dem Abzinsungssatz abzinsen,
der auch für die Bewertung der Leasingforderungen nach IAS 17
verwendet wird.55
Unsere Sichtweise
Das Leasingprojekt, dessen Ergebnis IAS 17 ersetzen soll, hebt die Unterscheidung zwischen Finanzierungs- und Operating-Leasing­
verhältnissen auf. Demzufolge werden Leasingnehmer eine beträchtliche Verbindlichkeit für diejenigen ihrer Verpflichtungen, die
derzeit als Operating-Leasingverhältnisse klassifiziert werden, erfassen. Erst vor Kurzem hat das IASB beschlossen, keine ähnliche
Vorgehensweise für Leasinggeber zu verlangen, sodass diese keine entsprechend hohen Leasingvermögenswerte erfassen müssen.
Mit dieser Änderung haben sich die Auswirkungen der Wertminderungsvorschriften von IFRS 9 für viele Leasinggeber erheblich
reduziert. Da nur die Cashflows berücksichtigt werden müssen, die für die Bewertung der Forderung herangezogen werden, besteht
keine Notwendigkeit, eine Rückstellung für künftige Cashflows zu bilden, die noch nicht bilanziell erfasst sind.
Bei Leasingverhältnissen, die derzeit als Finanzierungsleasingverhältnisse klassifiziert werden, werden sich durch die neuen Wert­
minderungsvorschriften dagegen größere Auswirkungen für die Leasinggeber ergeben. Besonders wenn sie sich für die Anwendung
des vereinfachten Ansatzes entscheiden, käme es bei der erstmaligen Erfassung des Leasingverhältnisses zum Ansatz einer
mög­licherweise beträchtlichen Wertberichtigung. Der „Kredit“ des Leasinggebers ist jedoch durch den Leasinggegenstand de facto
besichert, was zu einer Verringerung der erwarteten Kreditausfälle führt.
54 Siehe IFRS 9.B5.5.34 und IAS 17.36–38.
55 Siehe IFRS 9.B5.5.46 und IAS 17.4.
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 |
93
9
9 Kreditzusagen und Finanzgarantien
Die Beschreibung des Begriffs „Kreditzusage“ und die Definition
von „Finanzgarantie“ wurden unverändert aus IAS 39 übernom­
men. Kreditzusagen sind nach IFRS 9 feste Verpflichtungen, einen
Kredit zu vorab spezifizierten Bedingungen zu gewähren, wäh­
rend eine Finanzgarantie ein Vertrag ist, der den Garantiegeber
zur Leistung bestimmter Zahlungen verpflichtet, um den Garan­
tienehmer für einen Verlust zu entschädigen, den dieser erleidet,
weil ein bestimmter Schuldner seinen Zahlungsverpflichtungen
nicht fristgemäß und den ursprünglichen oder geänderten Bedin­
gungen eines Schuldinstruments entsprechend nachkommt.
Die Wertminderungsvorschriften von IFRS 9 gelten für Kreditzu­
sagen und Finanzgarantien, die gemäß IFRS 9 nicht erfolgswirk­
sam zum beizulegenden Zeitwert bewertet werden, wobei einige
Ausnahmen zu beachten sind (siehe Abschnitt 2). Die Anwen­
dung des Modells auf Finanzgarantien und Kreditzusagen erfordert
jedoch bestimmte Präzisierungen hinsichtlich einiger wesentlicher
Elemente wie der Bestimmung der Kreditqualität bei der erst­
maligen Erfassung sowie der Zahlungsausfälle und des Effektiv­
zinssatzes, die bei der Berechnung der Risikovorsorge zu berück­
sichtigen sind. Diese Präzisierungen werden in der nachstehenden
Tabelle zusammengefasst. Aus dieser Tabelle gehen auch die
Unterschiede bei der Erfassung und Bewertung von erwarteten
Kreditausfällen für finanzielle Vermögenswerte, die zu fortge­
führten Anschaffungskosten oder erfolgsneutral zum beizulegen­
den Zeitwert bewertet werden, sowie für Kreditzusagen und
­Finanzgarantien hervor.
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 | 95
9
Kreditzusagen und Finanzgarantien
Zu fortgeführten Anschaffungskosten oder erfolgs­
neutral zum beizulegenden
Zeitwert bewertete finanzielle Vermögenswerte
Kreditzusagen
Zeitpunkt der erstmaligen
­Erfassung unter Anwendung
der Wertminderungsvor­
schriften (siehe Abschnitte
11.4 und 13.3.1)
Handelsdatum
Datum, an dem ein Unterneh­
Datum, an dem ein Unterneh­
men Vertragspartei der unwider­ men Vertragspartei der unwider­
ruflichen Verpflichtung wird
ruflichen Verpflichtung wird
Zeitraum, für den die
­erwarteten Kreditausfälle
zu schätzen sind
(siehe Abschnitt 4.3)
Die maximale Vertragslaufzeit
(einschließlich Verlängerungs­
optionen), in der das Unterneh­
men einem Kreditrisiko aus­
gesetzt ist, und kein längerer
Zeitraum
Die maximale Vertragslaufzeit,
in der für das Unternehmen
eine gegenwärtige vertragliche
Verpflichtung zur Kreditge­
währung besteht. Bei revolvie­
renden Kreditfazilitäten (siehe
Abschnitt 10) geht dieser Zeit­
raum jedochüber die Vertrags­
laufzeit hinaus und umfasst den
Zeitraum, während dessen das
Unternehmen dem Kreditrisiko
ausgesetzt ist und dieses nicht
durch Maßnahmen zur Steue­
rung des Kreditrisikos mindern
kann.
Die maximale Vertragslaufzeit,
in der für das Unternehmen
eine gegenwärtige vertragliche
Verpflichtung zur Kreditge­
währung besteht
Zahlungsausfälle bei der
­Bewertung der Risikovorsorge (siehe Abschnitt 4.1)
Differenz zwischen den ver­
traglich vereinbarten und den
erwarteten Cashflows
Differenz zwischen den vertrag­
lich vereinbarten Cashflows,
wenn der Inhaber der Kreditzu­
sage den Kredit in Anspruch
nimmt, und den erwarteten
­Cashflows, wenn der Kredit in
Anspruch genommen wird.
Zahlungsausfälle sind die erwar­
teten Zahlungsverpflichtungen,
mit denen der Garantienehmer
für einen erlittenen Kreditaus­
fall entschädigt wird, abzüglich
aller Beträge, bei denen das
­Unternehmen (Kreditgeber)
davon ausgeht, sie vom Garan­
tienehmer, dem Schuldner
oder einer anderen Partei zu
erhalten.
96
| EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9
Finanzgarantien
Zu fortgeführten Anschaffungskosten oder erfolgs­
neutral zum beizulegenden
Zeitwert bewertete finanzielle Vermögenswerte
Kreditzusagen
Finanzgarantien
Bei der Abzinsung erwarteter
Kreditausfälle verwendeter
­Effektivzinssatz
(siehe Abschnitt 4.5)
Der Effektivzinssatz wird
bei der erstmaligen Erfassung
des Finanzinstruments be­
stimmt oder als Näherungswert
ermittelt.
Es ist der Effektivzinssatz des
resultierenden Vermögenswerts
anzuwenden. Sofern dieser
nicht bestimmt werden kann,
ist der Zins zu wählen, der die
­spezifischen Risiken bezüglich
der zukünftigen Cashflows
­angemessen widerspiegelt.
Es ist der Zins zu wählen, der
die spezifischen Risiken der
­zukünftigen Cashflows ange­
messen widerspiegelt.
Beurteilung wesentlicher
­Erhöhungen des Kreditrisikos
(siehe Abschnitt 5)
Das Unternehmen berücksich­
tigt Änderungen des Ausfall­
risikos in Bezug auf den finan­
ziellen Vermögenswert.
Das Unternehmen berücksich­
tigt Änderungen des Ausfall­
risikos in Bezug auf den Kredit,
für den eine Kreditzusage
besteht.
Das Unternehmen berücksich­
tigt die Änderungen des Risikos,
dass der Schuldner seine ver­
traglichen Pflichten nicht erfüllt.
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 | 97
10
10 Revolvierende Kreditfazilitäten
Der Standardentwurf ED/2013/3 enthielt die Vorschrift, dass der
maximale Zeitraum, für den erwartete Kreditausfälle zu berech­
nen sind, auf die Vertragslaufzeit, während der das Unternehmen
einem Kreditrisiko ausgesetzt ist, zu begrenzen ist. Dies würde
bedeuten, dass die Risikovorsorge für Zusagen, die von einem
Kreditgeber kurzfristig rückgängig gemacht werden können (bei­
spielsweise Kontokorrentkredite und Kreditkartenvereinbarun­
gen), auf die erwarteten Kreditausfälle begrenzt wäre, die inner­
halb der Kündigungsfrist, die unter Umständen lediglich einen
Tag beträgt, auftreten. Allerdings werden Banken in der Regel ihr
Recht zur Aufhebung der Zusage nur dann ausüben, wenn bereits
der Nachweis einer signifikanten Verschlechterung der Kredit­
qualität besteht, was sie über einen wesentlich längeren Zeitraum
einem Risiko aussetzt. Das IASB trug Bedenken interessierter
Parteien durch die Ausarbeitung weiterführender Leitlinien sowie
eines erläuternden Beispiels in Bezug auf solche Vereinbarungen
Rechnung.56
Die Leitlinien beziehen sich auf Finanzinstrumente, die sowohl
einen bereits gezogenen als auch einen noch nicht in Anspruch
genommenen Kreditanteil aufweisen und bei denen die vertrag­
lich vereinbarte Möglichkeit des Unternehmens, die Rückzahlung
zu verlangen und die Zusage zu kündigen, das Risiko eines Kredit­
ausfalls für das Unternehmen nicht auf die vertragliche Kündi­
gungsfrist begrenzt. Im Folgenden werden drei Merkmale beschrie­
ben, die üblicherweise mit solchen Finanzinstrumenten in Verbin­dung gebracht werden:
• Sie haben in der Regel keine feste Laufzeit oder Tilgungsstruk­
tur, dafür aber eine kurze vertragliche Kündigungsfrist.
• Die vertraglich vereinbarte Möglichkeit, den Vertrag zu kündi­
gen, wird nicht auf täglicher Basis durchgesetzt, sondern nur
wenn der Kreditgeber von einer Erhöhung des Kreditrisikos auf
der Ebene der Fazilität Kenntnis erlangt.
• Sie werden auf Portfolioebene verwaltet.
Um den Zeitraum, für den die Risikovorsorge ermittelt wird, zu
bestimmen, „hat ein Unternehmen Faktoren zu berücksichtigen
wie historische Informationen über und Erfahrungen mit
(a) dem Zeitraum, in dem das Unternehmen bei ähnlichen Finanz­
instrumenten einem Kreditrisiko ausgesetzt war;
(b) der Dauer des Zeitraums, bis zu dem entsprechende Ausfälle
bei ähnlichen Finanzinstrumenten nach einer signifikanten
­Erhöhung des Kreditrisikos eingetreten sind, und
(c) den Maßnahmen des Kreditrisikomanagements, die das Unter­
nehmen voraussichtlich ergreift, sobald sich das Kreditrisiko
für das Finanzinstrument erhöht hat, beispielsweise die Herab­
setzung oder die Aufhebung nicht in Anspruch genommener
Kreditlinien.“57
Hinweis: Der Zeithorizont entspricht nicht dem Zeitraum, für den
der Kreditgeber die Inanspruchnahme der Fazilität erwartet, son­
dern dem Zeitraum, in dem der Kreditgeber de facto einem Kredit­
risiko ausgesetzt ist. Es ist möglich, dass der Kreditgeber seine
Kreditlinien einmal im Jahr vollständig „auffrischt“ und sie so beur­
teilt, als ob sie neue Kreditlinien wären. In diesem Fall ist es an­
gebracht, nur den Zeitraum bis zur nächsten Neubeurteilung zu
berücksichtigen. Die meisten Kreditkarten haben jedoch eine
längere Gültigkeitsdauer, und bis zum Zeitpunkt der nächsten „Auf­
frischung“ der Fazilität werden sie nur dann einbezogen, wenn
­negative Informationen vorliegen.
Das folgende Beispiel veranschaulicht die Berechnung der Wert­
minderung für revolvierende Kreditfazilitäten. Es basiert auf dem
erläuternden Beispiel 10 in den Anwendungsleitlinien des Stan­
dards.58 Aus Gründen der Klarheit wurden die im Standard-Beispiel
enthaltenen Annahmen und Berechnungen angepasst, da dort
keine konkreten Angaben über die Quelle der Parameter und die
Art ihrer Berechnung enthalten sind. Das Beispiel wurde außer­
dem erweitert, um die Berechnung der Risikovorsorgen aufzuzei­
gen. Zur Vereinfachung des Beispiels haben wir jedoch darauf
verzichtet, die erwarteten Verluste, wie eigentlich erforderlich,
abzuzinsen.
56 Siehe IFRS 9.B5.5.39–B5.5.40.
57 Siehe IFRS 9.B5.5.40.
58 Siehe IFRS 9.IG, Beispiel 10, Paragrafen IE58–IE65.
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 | 99
10
Revolvierende Kreditfazilitäten
Beispiel 10-1: Revolvierende Kreditfazilitäten
Bank A gibt Kreditkarten mit einem Kündigungsrecht von einem Tag aus und verwaltet den in Anspruch genommenen und den nicht
in Anspruch genommenen Kreditanteil bei jeder Karte zusammen als eine Fazilität. Bank A unterteilt das Kreditkartenportfolio, indem
sie die Beträge, für die auf der Ebene der einzelnen Fazilität eine signifikante Erhöhung des Kreditrisikos festgestellt wurde, von dem
restlichen Portfolio trennt.
(Im weiteren Verlauf dieses Beispiels wird lediglich die Berechnung von erwarteten Kreditausfällen für das Unterportfolio veranschau­
licht, für das auf der Ebene der einzelnen Fazilität keine wesentliche Erhöhung des Kreditrisikos festgestellt wurde.)
Zum Abschlussstichtag beträgt der offene Saldo des Unterportfolios WE 6.000.000 und der nicht in Anspruch genommene Anteil
WE 4.000.000. Bank A setzt die erwartete Laufzeit des Unterportfolios mit 30 Monaten an (unter Verwendung der oben aufgeführten
Leitlinien) und stellt fest, dass sich das Kreditrisiko bei 25 % des Unterportfolios seit der ursprünglichen Ausreichung signifikant
erhöht hat und damit WE 1.500.000 des offenen Saldos sowie WE 1.000.000 des nicht in Anspruch genommenen Anteils ausmacht
(siehe die in der unten stehenden Tabelle enthaltene Berechnung des Risikos).
Um die erwartete Höhe ihrer Forderungen zum Zeitpunkt des Ausfalls (exposure at default – EAD) zu berechnen, verwendet Bank A
einen Ansatz, bei dem sie die zum Abschlussstichtag in Anspruch genommenen Beträge sowie zusätzliche Inanspruchnahmen, die im
Falle des Ausfalls eines Kunden erwartet werden, addiert. Für diese erwarteten zusätzlichen Inanspruchnahmen verwendet Bank A
­einen Kreditumrechnungsfaktor – eine prozentuale Schätzung, in welcher Höhe der Teil der zugesagten Kreditfazilitäten, der zum
Abschlussstichtag nicht in Anspruch genommen ist, von einem Kunden vor seinem Ausfall in Anspruch genommen würde. Unter
Anwendung ihrer Kreditmodelle setzt die Bank diesen Kreditumrechnungsfaktor mit 95 % an. Die erwartete Höhe der Forderungen zum
Zeitpunkt des Ausfalls bei dem Teil der Fazilitäten, der auf der Basis der Gesamtlaufzeit-ECL bewertet wird, wird daher mit WE 2.450.000
beziffert und setzt sich aus dem in Anspruch genommenen Saldo von WE 1.500.000 und den vor dem Ausfall des Kunden erwarteten
weiteren Inanspruchnahmen in Höhe von WE 950.000 zusammen. Für die restlichen Fazilitäten beträgt die erwartete Höhe der Forde­
rungen zum Zeitpunkt des Ausfalls, die auf der Basis der 12-Monats-ECL bewertet wird, WE 7.350.000. Dieser Betrag setzt sich aus
dem restlichen in Anspruch genommenen Saldo von WE 4.500.000 und den erwarteten Inanspruchnahmen für Kunden, die in den
nächsten zwölf Monaten ausfallen werden, in Höhe von WE 2.850.000 (siehe die in der nachstehenden Tabelle enthaltene Berech­
nung der erwarteten Höhe der Forderungen zum Zeitpunkt des Ausfalls) zusammen.
Bank A hat geschätzt, dass die Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls in den nächsten zwölf Monaten 5 % und in den nächsten 30 Monaten
30 % beträgt. Die Schätzung für den Verlust infolge eines Zahlungsausfalls bei den Kreditkarten im Unterportfolio beträgt 90 %.
Daraus ergeben sich Gesamtlaufzeit-ECL von WE 661.500 und 12-Monats-ECL von WE 330.750 (siehe die ECL-Berechnungen in der
nachstehenden Tabelle).
Für die Darstellung in der Bilanz werden die erwarteten Kreditausfälle, die sich auf den in Anspruch genommenen Betrag von
WE 607.500 beziehen, als Wertberichtigung der Kreditkartenforderungen und die restlichen Kreditausfälle, die sich auf die nicht in
Anspruch genommenen Fazilitäten von WE 384.750 beziehen, als Verbindlichkeit erfasst (siehe die nachstehende Tabelle).
100 | EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9
Beispiel 10-1: Revolvierende Kreditfazilitäten (Fortsetzung)
Auf Ebene der Fazilität getroffene Entscheidung
Fazilität
In Anspruch genommen
Nicht in Anspruch genommen
WE 6.000.000
WE 4.000.000
Summe
WE 10.000.000
Risiko
Unterliegt Gesamtlaufzeit-ECL (bei 25 %
der Fazilität wurde eine wesentliche
­Erhöhung des Kreditrisikos festgestellt)
25 %
Unterliegt 12-Monats-ECL
(die restlichen 75 % der Fazilität)
75 %
Kreditumrechnungsfaktor59
95 %
WE 1.500.000
WE 1.000.000
WE 4.500.000
WE 2.500.000
WE 3.000.000 WE 7.500.000
Erwartete Höhe der Forderungen
zum Zeitpunkt des Ausfalls60
Unterliegt Gesamtlaufzeit-ECL
WE 1.500.000
Unterliegt 12-Monats-ECL
WE 950.000
WE 4.500.000
WE 2.450.000
WE 2.850.000 WE 7.350.000
Ausfallwahrscheinlichkeit
Gesamtlaufzeit-ECL unterliegende
Kredite
12-Monats-ECL unterliegende Kredite
Verlust infolge Zahlungsausfalls
30 %
5%
90 %
Erwartete Kreditausfälle
(erwartete Höhe der Forderungen
zum Zeitpunkt des Ausfalls × Ausfallwahrscheinlichkeit × Verlust infolge
Zahlungsausfalls)
Gesamtlaufzeit-ECL unterliegende
Kredite
12-Monats-ECL unterliegende Kredite
WE 405.000
WE 256.500
WE 202.500
WE 607.500
dargestellt als Risikovorsorge
auf Vermögenswerte
WE 661.500
WE 128.250
WE 330.750
WE 384.750 WE 992.250
dargestellt als Rückstellung
59 Unabhängig von einer Verschlechterung der Kreditqualität wird ein einheitlicher Kreditumrechnungsfaktor verwendet. Das bedeutet, dass der Kreditumrechnungsfaktor vom
­„Ausfall“ abhängt, einem Bezugspunkt, der bei der Berechnung des über zwölf Monate und des über die Gesamtlaufzeit erwarteten Kreditausfalls identisch ist.
60 Bei nicht in Anspruch genommenen Salden wird die erwartete Höhe der Forderungen zum Zeitpunkt des Ausfalls als Kredit × Kreditumrechnungsfaktor berechnet.
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 | 101
10
Revolvierende Kreditfazilitäten
Unsere Sichtweise
•B
ei Beispiel 10 des Standards (auf dem unser Beispiel 10-1 basiert) gehen wir davon aus, dass die 25 Prozent unter Anwendung
des Top-down-Ansatzes berechnet wurden (dieser Ansatz sowie verschiedene Schwierigkeiten bei seiner Anwendung werden in
Abschnitt 5.9 erläutert). Das bedeutet: Die Bank weiß nicht, bei welchen Fazilitäten sich die Kreditqualität signifikant verschlechtert
hat. Alternativ könnte der Prozentsatz unter Anwendung eines Bottom-up-Ansatzes berechnet werden.
•A
us Beispiel 10 des Standards geht nicht hervor, wie der Zeitraum von 30 Monaten berechnet wurde. Die Berechnung des Zeitraums
ist vermutlich schwierig und erfordert Ermessensentscheidungen.
• Wir verwenden für die Berechnung der erwarteten Höhe der Forderungen zum Zeitpunkt des Ausfalls unabhängig davon, ob es
um 12-Monats- oder um Gesamtlaufzeit-ECL geht, denselben Kreditumrechnungsfaktor. Dies basiert auf der Annahme, dass der
Umfang künftiger Inanspruchnahmen im Falle des Ausfalls eines Kunden nicht davon abhängig ist, ob zum Abschlussstichtag eine
signifikante Erhöhung des Kreditrisikos vorlag oder nicht. Das bedeutet, dass bei vielen Kreditkarten das Risiko im Falle eines
Ausfalls nahezu dem Limit der gesamten Fazilität (Kreditlimit) entspricht. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu wissen, dass
einige Probleme auftreten können, wenn bei der Schätzung der erwarteten Höhe der Forderungen zum Zeitpunkt des Ausfalls ein
traditionelles Kreditumrechnungsfaktormodell angewendet wird. Ein solches Modell liefert lediglich eine indirekte Schätzung, bei
der in Anspruch genommene Beträge mit Erwartungen für die Umrechnung nicht in Anspruch genommener Beträge (entsprechend
dem Unterschiedsbetrag zwischen dem Kreditlimit und dem bereits in Anspruch genommenen Betrag) kombiniert werden. Ein
Problem besteht darin, dass das Kreditlimit in der Praxis häufig überschritten wird, wenn der Kunde den Ausfallstatus erreicht. In
diesem Fall wäre der Kreditumrechnungsfaktor höher als 1,0.
• Ein Grund, warum wir einen Kreditumrechnungsfaktor von unter 1,0 verwendet haben, liegt darin, dass IFRS 9 grundsätzlich die
relevanten Kreditrisikopositionen auf das zum Abschlussstichtag bestehende vertraglich festgelegte Risiko, d. h. auf die dann beste­
henden Ansprüche und Zusagen oder Verpflichtungen, beschränkt. Für bestimmte revolvierende Kreditfazilitäten gewährt IFRS 9
eine Ausnahme von diesem Grundsatz: Dabei wird der relevante Zeithorizont über die vertragliche Laufzeit des Instruments, das
Ursache des Kreditrisikos ist, hinaus verlängert. Es gibt jedoch keine vergleichbare Ausnahmeregelung, mit der auch das vertraglich
festgelegte Risiko zum Abschlussstichtag verlängert wird, indem Beträge, die über den maximalen vertraglich festgelegten Betrag
des Kreditrisikos hinausgehen, berücksichtigt werden. Es ist unklar, ob die Absicht bestand, dass die Schätzung des Kreditrisikos aus
revolvierenden Kreditfazilitäten nur im Hinblick auf den Zeithorizont erweitert werden soll oder dass die Fazilitäten, die zum Zeit­
punkt des Ausfalls des Kunden überzogen sind, berücksichtigt werden sollten, selbst wenn dadurch das vertragliche Kreditlimit
überschritten würde. Dies ist ein Thema, das ggf. bei der ITG zur Sprache kommen wird.
102 | EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 | 103
11
11 Ausweis der erwarteten
Kreditausfälle in der Bilanz
IFRS 9 verwendet durchgängig den Begriff „Risikovorsorge“ als
Oberbegriff für erwartete Kreditausfälle, die in der Bilanz erfasst
werden. Bei diesem Oberbegriff wird jedoch nicht darauf eingegangen, auf welche Art die erwarteten Kreditausfälle in der Bilanz
auszuweisen sind. Ihre Darstellung unterscheidet sich je nach der
Art der zugrunde liegenden Sachverhalte, die in den Anwendungsbereich der Wertminderungsvorschriften des IFRS 9 fallen. In
diesem Abschnitt wird erläutert, welche Darstellungsweise in den
jeweiligen Situationen anzuwenden ist.
Ein Beispiel: Ein Kreditgeber plant, die für einen Kredit gestellten
Sicherheiten zu vollstrecken; er geht davon aus, durch den Verkauf der Sicherheiten nicht mehr als 30 Prozent des Werts des
Kredits zu realisieren. Hat der Kreditgeber keine begründeten
Erwartungen, aus dem Kredit weitere Cashflows zu realisieren,
muss er die restlichen 70 Prozent abschreiben. Dieses Beispiel,
das aus dem Standard entnommen wurde, zeigt, dass Abschreibungen nur für einen Teilbetrag und nicht für den gesamten
Bruttobuchwert vorgenommen werden können.61
Jegliche Anpassungen des Saldos des Risikovorsorge aufgrund
­einer gemäß IFRS 9 erfassten Erhöhung oder Verringerung des
Betrags von erwarteten Kreditausfällen wird in der Gewinn- und
Verlustrechnung als separater Posten (Wertaufholung oder Wertminderungsaufwand) erfasst.
Ist der Verlust aus der Abschreibung höher als die kumulierte
Risikovorsorge, stellt der Unterschiedsbetrag einen zusätzlichen
Wertminderungsaufwand dar. In Situationen, in denen ein darüber
hinausgehender Wertminderungsaufwand entsteht, stellt sich die
Frage, wie dieser dargestellt werden soll: einfach als Verlust in der
Gewinn- und Verlustrechnung mit einer Gegenbuchung direkt im
Bruttobuchwert oder zuerst als Zugang zu der Wertberichtigung,
um ihn dann mit dem Bruttobuchwert zu verrechnen. Der Unterschied zwischen diesen beiden Alternativen besteht darin, ob der
zusätzliche Wertminderungsaufwand durch die Wertberichtigung
„hindurchfließt“, woraus eine Überleitung der Wertberichtigung
als Zuführung und als Verwendung (d. h. eine Abschreibung) resultiert, oder ob solche zusätzlichen Wertminderungsbeträge die
Wertberichtigung „umgehen“. Im ursprünglichen Standardentwurf
des IASB 2009 (siehe Abschnitt 1.1) war explizit vorgeschrieben,
dass alle Abschreibungen nur gegen die Wertberichtigung verrechnet werden können. Das bedeutet, dass alle erfolgswirksamen
„direkten“ Abschreibungen ohne Durchfließen der Wertberichtigung unzulässig waren. Der endgültige Standard enthält jedoch
keine derartige explizite Leitlinie.
11.1 Risikovorsorge für zu fortgeführten
Anschaffungskosten bewertete finanzielle
Vermögenswerte, aktive Vertragsposten
und Leasingforderungen
Erwartete Kreditausfälle bei zu fortgeführten Anschaffungskosten
bewerteten finanziellen Vermögenswerten, Leasingforderungen
und aktiven Vertragsposten werden als Wertberichtigung erfasst,
d. h. als Teil der Bewertung dieser Vermögenswerte in der Bilanz.
IFRS 9 enthält außerdem Leitlinien dafür, wann die Wertberichtigung „genutzt“, also gegen den Bruttobuchwert eines finanziellen
Vermögenswerts verrechnet werden soll. Dies ist dann der Fall,
wenn ein finanzieller Vermögenswert abgeschrieben wird. Dies
stellt eine Änderung gegenüber IAS 39 dar, der keine derartigen
Leitlinien enthält und in dessen Leitlinien zur Ausbuchung auch
nicht auf Abschreibungen eingegangen wird.
Außerdem ist ein Unternehmen nach IFRS 7 verpflichtet, seine
Grundsätze in Bezug auf Abschreibungen und die während des
Berichtszeitraums abgeschriebenen Beträge, die noch Beitreibungsverfahren unterliegen (siehe Abschnitt 12), offenzulegen.62
Ein Unternehmen ist verpflichtet, den Bruttobuchwert eines finan­
ziellen Vermögenswerts zu vermindern, wenn es keine begründeten Erwartungen mehr hat, die vertraglich vereinbarten Cashflows
aus einem finanziellen Vermögenswert vollständig oder teilweise
zu realisieren. Eine Abschreibung wird als ein Ausbuchungssachverhalt angesehen.
61 Siehe IFRS 9.B5.4.9.
62 Siehe IFRS 7.35F und 35L.
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 | 105
11
Ausweis der erwarteten Kreditausfälle in der Bilanz
Unsere Sichtweise
Wir weisen darauf hin, dass ein Widerspruch zwischen der
Angabevorschrift von IFRS 7 und den in IFRS 9 enthaltenen
Abschreibungskriterien besteht, da man kaum argumentieren
kann, dass keine begründeten Erwartungen hinsichtlich der
Realisierung der vertraglich vereinbarten Cashflows bestehen,
wenn der Kredit noch Beitreibungsverfahren unterliegt.
11.2 Rückstellungen für Kreditzusagen
und Finanzgarantien
Im Gegensatz zu der Darstellung der Wertminderung von Vermögenswerten werden erwartete Kreditausfälle bei Kreditzusagen
und Finanzgarantien in der Bilanz als Rückstellung, d. h. passivisch
als Verbindlichkeit, ausgewiesen.
Bei Finanzinstituten, die Kreditfazilitäten anbieten, können Zusagen häufig teilweise in Anspruch genommen werden, d. h., ein
Unternehmen verfügt über eine Fazilität, die sowohl einen bereits
in Anspruch genommen Anteil (d. h. einen finanziellen Vermögenswert) als auch einen nicht in Anspruch genommenen Anteil
(d. h. eine Kreditzusage) enthält. Wenn das Unternehmen die
erwarteten Kreditausfälle, die auf die in Anspruch genommene und
auf die nicht in Anspruch genommene Zusage entfallen, nicht
gesondert identifizieren kann, ist gemäß IFRS 7 die Rückstellung
für erwartete Kreditausfälle bei der Kreditzusage zusammen
mit der Wertberichtigung für den finanziellen Vermögenswert darzustellen. Wenn die zusammengenommenen erwarteten Kreditausfälle den Bruttobuchwert des finanziellen Vermögenswerts
übersteigen, sieht IFRS 7 außerdem vor, dass die erwarteten
Kreditausfälle als Rückstellung zu erfassen sind.63
63 Siehe IFRS 7.B8E.
64 Siehe IFRS 9.5.7.4.
106 | EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9
11.3 Kumulierter Wertminderungsbetrag
für erfolgsneutral zum beizulegenden
Zeitwert bewertete Schuldinstrumente
Anstatt erwartete Kreditausfälle bei erfolgsneutral zum beizulegenden Zeitwert bewerteten finanziellen Vermögenswerten als
Wertberichtigung auszuweisen, wird der entsprechende Betrag
im sonstigen Ergebnis als kumulierter Wertminderungsbetrag erfasst. Dies liegt daran, dass erfolgsneutral zum beizulegenden
Zeitwert bewertete finanzielle Vermögenswerte in der Bilanz mit
dem beizulegenden Zeitwert bewertet werden und der kumulierte Wertminderungsbetrag den Buchwert dieser Vermögenswerte nicht vermindern kann (siehe Abschnitt 7).
11.4 Bilanzierung zum Handelstag
und zum Erfüllungstag
Für zu fortgeführten Anschaffungskosten oder erfolgsneutral zum
beizulegenden Zeitwert bewertete finanzielle Vermögenswerte
schreibt der Standard vor, dass Unternehmen bei der Anwendung
der Wertminderungsvorschriften den Handelstag als Zeitpunkt
der erstmaligen Erfassung ansetzen müssen.64 Das bedeutet, dass
Unternehmen, die eine Bilanzierung zum Erfüllungstag prakti­
zieren, ggf. eine Risikovorsorge für finanzielle Vermögenswerte,
die sie erworben, aber noch nicht erfasst haben, erfassen müssen. Entsprechend ist keine Risikovorsorge für finanzielle Vermögenswerte, die sie verkauft, aber noch nicht ausgebucht haben,
zu erfassen.
Unsere Sichtweise
Die Erfassung der Risikovorsorge zum Handelstag stellt sicher, dass Unternehmen die Risikovorsorge zum selben Zeitpunkt erfassen,
unabhängig davon, ob sie sich für eine Bilanzierung zum Handelstag oder zum Erfüllungstag entschieden haben; denn andernfalls
könnten Unternehmen eine Bilanzierung zum Erfüllungstag wählen, um die Erfassung der Risikovorsorge bis zum Erfüllungstag aufzuschieben. Dies hat ähnliche Auswirkungen wie die Bilanzierung von Änderungen des beizulegenden Zeitwerts von erfolgsneutral
zum beizulegenden Zeitwert bewerteten finanziellen Vermögenswerten sowie von erfolgswirksam zum beizulegenden Zeitwert bewerteten finanziellen Vermögenswerten, wenn die Bilanzierung zum Erfüllungstag praktiziert wird (d. h., eine Bewertungsänderung muss
in der Gewinn- und Verlustrechnung und der Bilanz erfasst werden, selbst wenn die entsprechenden Vermögenswerte, die bewertet
werden, erst zu einem etwas späteren Zeitpunkt erfasst werden).
Bei der Bilanzierung zum Erfüllungstag wirft die Erfassung einer Risikovorsorge für einen Vermögenswert, der noch nicht erfasst
wurde, die Frage auf, wie diese Risikovorsorge in der Bilanz darzustellen ist. Der Zeitraum zwischen dem Handelstag und dem
Erfüllungstag ist in etwa mit einer Kreditzusage vergleichbar: Die Erfassung erfolgt nämlich „außerbilanziell“, was auf eine Darstellung
als Rückstellung hindeutet.
In der Praxis ziehen viele Unternehmen die Bilanzierung zum Erfüllungstag vor, da sie keine zusätzlichen Systemfunktionen benötigen,
um die finanziellen Vermögenswerte zum Handelstag zu erfassen (d. h., bei finanziellen Vermögenswerten, die bis zum Erfüllungstag
zu fortgeführten Anschaffungskosten bewertet werden, gibt es nichts zu bilanzieren). Der Wechsel vom Incurred-losses-Modell nach
IAS 39 zum Expected-losses-Modell nach IFRS 9 bedeutet, dass die vereinfachte Bilanzierung von zu fortgeführten Anschaffungskosten
bewerteten finanziellen Vermögenswerten zum Erfüllungstag aus operativer Sicht viele Vorteile einbüßen würde. Dies wird insbesondere Auswirkungen auf Unternehmen haben, die auf Halbjahres- oder Quartalsbasis (und nicht auf Jahresbasis) berichten, sowie
auf Unternehmen, die rund um den Abschlussstichtag viele Transaktionen abwickeln.
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 | 107
12
12 Angabepflichten
Die neuen Angabepflichten zum Kreditrisiko sind mit weniger
Aufwand verbunden als die im ED/2013/3 vorgeschlagenen Angabepflichten. Dennoch wurden sie im Vergleich zu den derzeit
geltenden Angabevorschriften des IFRS 7 deutlich erweitert und
durch einige detaillierte Anwendungsleitlinien ergänzt.
12.1 Anwendungsbereich und Zielsetzung
Die neuen Angaben zum Kreditrisiko sollen Abschlussadressaten
in die Lage versetzen, die Auswirkungen des Kreditrisikos auf den
Betrag, den Zeitpunkt und die Unsicherheit künftiger Cashflows
nachzuvollziehen. Um dieses Ziel zu erreichen, sind folgende Angaben zu machen:
• Angaben zum Kreditrisikomanagement des Unternehmens und
zu dessen Auswirkungen auf den Ansatz und die Bewertung
der erwarteten Kreditausfälle, einschließlich der Methoden, Annahmen und Informationen, die bei der Bemessung der erwarteten Kreditausfälle verwendet werden (siehe Abschnitt 12.2)
Lage- oder Risikobericht, der den Abschlussadressaten zu denselben Bedingungen und zur selben Zeit wie der Abschluss zugänglich ist, einzubeziehen. Ohne diese mittels Querverweis einbezogenen Informationen ist der Abschluss unvollständig.
Einige Angaben zum Kreditrisiko müssen nach Klassen von Finanz­
instrumenten untergliedert werden. Finanzinstrumente, die einer
bestimmten Klasse zugeordnet werden, sollten die gleichen wirtschaftlichen Merkmale im Hinblick auf das Kreditrisiko aufweisen.
Ein Kreditgeber könnte beispielsweise zu dem Schluss kommen,
dass Privathypotheken, unbesicherte Verbraucherkredite und Firmenkredite unterschiedliche wirtschaftliche Merkmale haben.
Sofern nicht anders angegeben, gelten die in den Abschnitten
12.2 bis 12.4 dargelegten Angabepflichten nur für Finanzinstrumente, auf die die Wertminderungsbestimmungen des IFRS 9
anzuwenden sind.
12.2. Kreditrisikomanagement
• quantitative und qualitative Angaben, anhand derer Abschluss­
adressaten die in den Abschlüssen ausgewiesenen Beträge, die
aus erwarteten Kreditausfällen resultieren, beurteilen können,
einschließlich Angaben zu den Änderungen des Betrags dieser
erwarteten Kreditausfälle und den Gründen für diese Änderungen (siehe Abschnitt 12.3)
Ein Unternehmen hat seine Kreditrisikomanagementmaßnahmen
zu erläutern und darzulegen, wie sie sich auf den Ansatz und die
Bewertung der erwarteten Kreditausfälle auswirken. Um diese Zielsetzung zu erfüllen, sollte das Unternehmen Angaben machen,
die Abschlussadressaten in die Lage versetzen, nachfolgend aufgeführte Sachverhalte zu verstehen und zu bewerten:
• Angaben zum Kreditrisiko des Unternehmens, also zu dem mit
den finanziellen Vermögenswerten und Kreditzusagen des Unternehmens verbundenen Kreditrisiko, einschließlich Angaben zu
wesentlichen Kreditrisikokonzentrationen (siehe Abschnitt 12.4)
• wie das Unternehmen ermittelt hat, ob sich das Kreditrisiko
seiner Finanzinstrumente seit ihrem erstmaligem Ansatz
signifikant erhöht hat, einschließlich Angaben dazu, ob und
inwieweit
Im Hinblick auf das vorstehend genannte Ziel muss das Unternehmen entscheiden, wie detailliert seine Angaben sein sollen,
wie stark verschiedene Aspekte der Pflichtangaben hervorgehoben werden sollen, in welchem Umfang es angemessen ist, Posten zusammenzufassen oder separat darzustellen, und ob die Abschlussadressaten zusätzliche Erläuterungen oder Informationen
benötigen, um die quantitativen Angaben im Abschluss beurteilen
zu können.
• das Kreditrisiko der Finanzinstrumente als gering eingestuft
wird (siehe Abschnitt 5.4)
• die Vermutung, dass sich das Kreditrisiko seit dem erstmaligen
Ansatz signifikant erhöht hat, wenn finanzielle Vermögenswerte mehr als 30 Tage überfällig sind, widerlegt werden konnte
(siehe Abschnitt 5.5)
Um Wiederholungen zu vermeiden, ist es nach IFRS 7 zulässig,
diese Informationen mittels eines Querverweises vom Abschluss
zu einem anderen Berichtsinstrument wie beispielsweise einem
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 | 109
12
Angabepflichten
• seine Definition des Begriffs „Ausfallereignis“einschließlich
einer Begründung für die Wahl dieser Definition (siehe Abschnitt
4.2.1). Dies kann Folgendes umfassen:
• die qualitativen und quantitativen Faktoren, die bei der Defi­
nition des Begriffs „Ausfallereignis“ berücksichtigt wurden
• Angaben dazu, ob auf unterschiedliche Arten von Finanzinstrumenten unterschiedliche Definitionen angewendet wurden
• Annahmen zur sog. cure rate, d. h. zur Anzahl der finanziellen
Vermögenswerte, die zum Status performing zurückkehren,
nachdem sie bereits von einem Ausfallereignis betroffen waren
• wie die Instrumente zusammengefasst wurden, wenn die erwarteten Kreditausfälle auf Portfolioebene ermittelt wurden
(siehe Abschnitt 5.9)
• wie das Unternehmen ermittelt hat, dass finanzielle Vermögenswerte wertgemindert sind (siehe Abschnitt 3.3)
modifizierter finanzieller Vermögenswerte vermitteln, können
Informationen beinhalten, die darüber Auskunft geben, bei
welchen finanziellen Vermögenswerten die Bemessung der
Risikovorsorge wieder auf der Basis der Gesamtlaufzeit-ECL
vorgenommen wird (dies entspricht der deterioration rate)
Das Unternehmen hat außerdem die Inputdaten, Annahmen und
Schätzverfahren, die es zur Erfüllung der Wertminderungsbestimmungen von IFRS 9 anwendet, zu erläutern. Zu diesem Zweck
hat es folgende Angaben zu machen:
• die Grundlage für die Inputdaten, Annahmen und Schätzverfahren, die es anwendet, um
• die 12-Monats- und die Gesamtlaufzeit-ECL zu ermitteln
(siehe Abschnitte 4.1 und 4.2)
• zu bestimmen, ob sich das Kreditrisiko von Finanzinstrumenten seit ihrem erstmaligem Ansatz signifikant erhöht hat
(siehe Abschnitt 5)
• zu ermitteln, ob ein finanzieller Vermögenswert wertgemindert ist (siehe Abschnitt 3.3)
• die Abschreibungsgrundsätze des Unternehmens, einschließlich Angaben zu den Faktoren, die darauf schließen lassen,
dass keine begründeten Erwartungen mehr bestehen, den finanziellen Vermögenswert zu realisieren, und Angaben zum Vor­
gehen bei abgeschriebenen finanziellen Vermögenswerten, hinsichtlich derer noch Verfahren zur Vollstreckung laufen (siehe
Abschnitt 11.1)
Dies kann Informationen auf der Grundlage interner historischer Daten, Ratingberichte und Annahmen über die erwartete
Laufzeit des Finanzinstrumente und den Zeitpunkt der Sicherheitenverwertung umfassen.
• wie die Anforderungen in Bezug auf die Modifizierung vertraglich vereinbarter Cashflows aus finanziellen Vermögenswerten angewandt wurden, einschließlich Angaben dazu, wie
das Unternehmen (siehe Abschnitt 6)
• wie zukunftsbezogene Informationen bei der Bestimmung der
erwarteten Kreditausfälle berücksichtigt wurden, einschließlich
Angaben zur Verwendung makroökonomischer Informationen
(siehe Abschnitt 4.7.3)
• feststellt, ob sich das Kreditrisiko aus einem finanziellen Vermögenswert, der modifiziert wurde, während die Risikovorsorge auf der Grundlage der Gesamtlaufzeit-ECL bemessen
wurde, so verbessert hat, dass die Bemessung der Risikovorsorge wieder auf der Basis der 12-Monats-ECL vorgenommen
werden kann
• überwacht, in welchem Maße die Risikovorsorge für finanzielle
Vermögenswerte, die die im vorigen Aufzählungspunkt enthaltenen Kriterien erfüllen, in der Folgebewertung wieder
auf der Grundlage der Gesamtlaufzeit-ECL bemessen wird;
quantitative Informationen, die Abschlussadressaten ein Verständnis für die anschließende Erhöhung des Kreditrisikos
110 | EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9
• Änderungen der Schätzverfahren oder wesentlicher Annahmen während der Berichtsperiode und die Gründe für die
Änderungen
Die neuen Angabepflichten
zum Kreditrisiko wurden deutlich
erweitert.
12.3 Quantitative und qualitative Angaben
zu Beträgen, die aus erwarteten Kreditausfällen resultieren
Unternehmen sollten die Änderungen der Risikovorsorge und die
Gründe für diese Änderungen mittels einer Überleitungsrechnung
vom Eröffnungs- zum Schlusssaldo erläutern. Dies sollte in Form
einer Tabelle erfolgen, in der die während der Periode eingetretenen Änderungen für jede relevante Klasse von Finanzinstrumenten separat ausgewiesen werden (siehe Beispiel 12-1). Dies betrifft
die folgenden Änderungen:65
• Änderungen der auf der Grundlage der 12-Monats-ECL
­gebildeten Risikovorsorge
• Änderungen der auf der Grundlage der Gesamtlaufzeit-ECL
­gebildeten Risikovorsorge für
• Finanzinstrumente, deren Kreditrisiko sich seit ihrem erstmaligen Ansatz signifikant erhöht hat, die aber nicht als wertgeminderte finanzielle Vermögenswerte eingestuft werden
• finanzielle Vermögenswerte, die zum Abschlussstichtag wertgemindert sind (aber bei Erwerb oder Ausreichung noch nicht
wertgemindert waren)
• Forderungen aus Lieferungen und Leistungen, aktive Vertragsposten oder Leasingforderungen, deren Risikovorsorge
nach einem vereinfachten Ansatz auf der Grundlage der
Gesamtlaufzeit-ECL gebildet wird
• finanzielle Vermögenswerte, die bei Erwerb oder Ausreichung wertgemindert waren. Außerdem muss das Unternehmen den Gesamtbetrag der nicht abgezinsten erwarteten
Kreditausfälle beim erstmaligen Ansatz solcher Vermögenswerte während der Berichtsperiode angeben.
Zudem kann es erforderlich sein, die während der Berichtsperiode
eingetretenen Änderungen der Risikovorsorge in einer gesonderten Anmerkung zu erläutern. Dies kann eine Analyse der Gründe
für die Änderungen und folgende Angaben umfassen:
• Volumen der erworbenen oder ausgereichten
­Finanz­instrumente
• Höhe der erwarteten Kreditausfälle
• Zusammensetzung des Portfolios
65 Siehe IFRS 7.35H.
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 | 111
12
Angabepflichten
Beispiel 12-1: Überleitungsrechnung der Risikovorsorge
Risikovorsorge für [Vermögensklasse]
Zum 1. Januar 2018
12-Monats-ECL
Gesamtlaufzeit-ECL – nicht
wertgeminderte Kredite
Gesamtlaufzeit-ECL – wertgeminderte Kredite
WE Mio.
WE Mio.
WE Mio.
56,3
247,4
36,7
2,4
9,3
1,8
(2,8)
(9,6)
(13,5)
0,5
7,4
1,7
12,7
-
-
4,3
(12,7)
(0,4)
zu Gesamtlaufzeit-ECL –
nicht wertgeminderte Kredite
(5,2)
22,8
(3,4)
zu Gesamtlaufzeit-ECL –
wertgeminderte Kredite
(2,4)
(14,7)
23,3
(14,6)
(23,8)
(2,4)
Änderungen der Modelle/
Risikoparameter (1)
3,4
8,1
2,7
Zum 31. Dezember 2018
54,1
234,2
48,9
Währungsumrechnungs- und sonstige
Differenzen (3)
Abschreibungen
Aufzinsung (1)
Neu ausgereichte oder erworbene finanzielle
Vermögenswerte (1)
Umbuchungen (1)
zu 12-Monats-ECL
Während der Periode ausgebuchte finanzielle
Vermögenswerte (nicht abgeschrieben) aufgrund von Rückzahlungen, Modifizierungen,
Veräußerungen etc. (2)
(1) Erfolgswirksame Erfassung. Der Aufzinsungsbetrag wird für die erste, zweite und vierte Spalte als Wertminderungsaufwand erfasst, für die dritte und fünfte Spalte dagegen
als Zinsertrag.
Im Hinblick auf die Umbuchungen ist zu beachten, dass die Beträge in den einzelnen Spalten voneinander abweichen, da die Beträge in der zweiten, dritten und vierten
Spalte Gesamtlaufzeit-ELC und die Beträge in der ersten Spalte lediglich 12-Monats-ECL darstellen. Der sich über alle Spalten hinweg ergebende Nettoeffekt entspricht der
Nettoauswirkung auf das Periodenergebnis.
Darüber hinaus ist anzumerken, dass die Beträge in der Tabelle von der Reihenfolge abhängen, in der die verschiedenen Posten angewendet werden, d. h. ob die Umbuchungen zwischen den Spalten vor den Änderungen der Risikoparameter berechnet werden. Dies gilt auch für die neuen, in der Periode erfassten Vermögenswerte, für die
wir in der zweiten und dritten Spalte den Betrag null angesetzt haben. Für diese könnte jedoch ein Betrag zu erfassen sein, wenn die Wertminderung erst am Ende der
Periode bewertet wird, denn das Kreditrisiko eines Vermögenswerts kann sich bereits erheblich erhöht haben, bevor der Vermögenswert zum ersten Mal auf Wertminderung
überprüft wird. In diesem Fall würde es nicht aus der ersten Spalte umgegliedert.
112 | EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9
Gesamtlaufzeit-ECL – vereinfachter Ansatz
für Forderungen aus Lieferungen und Leistungen,
aktive Vertragsposten und Leasingforderungen
Erworbene oder ausgereichte
wertgeminderte Kredite
Summe
WE Mio.
WE Mio.
WE Mio.
13,2
3,4
357,0
(0,4)
(0,7)
12,4
(0,6)
(1,2)
(27,7)
0,5
0,1
9,7
3,7
-
16,4
(8,8)
14,2
(0,5)
6,2
(4,2)
(3,7)
(46,3)
0,2
1,6
16,0
12,4
(0,5)
348,6
(2) Keiner dieser Beträge wird erfolgswirksam als Wertminderungsaufwand erfasst. Unterschiede zwischen den fortgeführten Anschaffungskosten
und der bei Ausbuchung erhaltenen Gegenleistung werden erfolgswirksam erfasst und in dem neu vorgeschriebenen Posten „Zu fortgeführten
Anschaffungskosten bewertete Gewinne und Verluste aus der Ausbuchung finanzieller Vermögenswerte“ ausgewiesen.
(3 )Dieser Betrag kann teilweise in der Gewinn- und Verlustrechnung als Fremdwährungsneubewertung und teilweise im sonstigen Ergebnis erfasst
werden, wenn er sich auf die Rückumrechnung einer ausländischen Tochtergesellschaft bezieht.
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 | 113
12
Angabepflichten
Unternehmen haben außerdem zu erläutern, in welchem Umfang
während der Berichtsperiode eingetretene signifikante Änderungen
des Bruttobuchwerts der Finanzinstrumente die Höhe der Risikovorsorge beeinflusst haben. Diese Angaben sind separat für alle
Finanzinstrumente, für die eine Risikovorsorge gemäß Abschnitt
12.3 gebildet wird, zu machen. Hier einige Beispiele für Änderungen des Bruttobuchwerts von Finanzinstrumenten, die sich auf
die Höhe der Risikovorsorge ausgewirkt haben:66
• Änderungen aufgrund von Finanzinstrumenten, die während
der Berichtsperiode ausgereicht oder erworben wurden
• die Modifizierung vertraglich vereinbarter Cashflows aus finanziellen Vermögenswerten, die nicht zu einer Ausbuchung dieser
finanziellen Vermögenswerte führen
• Änderungen aufgrund von Finanzinstrumenten, die während
der Berichtsperiode ausgebucht wurden (einschließlich abgeschriebener Finanzinstrumente)
• Änderungen, die sich daraus ergeben, dass die Risikovorsorge
nicht mehr auf der Grundlage der erwarteten 12-Monats-ECL,
sondern auf der Grundlage der Gesamtlaufzeit-ECL bemessen
wird (und umgekehrt)
Unsere Sichtweise
Der ED/2013/3 sah zunächst eine Überleitung der Bruttobuchwerte vor. Der endgültige Standard verlangt dagegen lediglich
eine Erläuterung, in welchem Umfang während der Berichts­
periode eingetretene wesentliche Änderungen der Bruttobuchwerte der Finanzinstrumente die Höhe der Risikovorsorge
beeinflusst haben. Da die Anwendungsleitlinien zu dem Standard eine Überleitung der Bruttobuchwerte enthalten, könnte
eine solche Überleitung als „Best Practice“ und einfachster
Weg, die Informationen zu vermitteln, angesehen werden.67
66 Siehe IFRS 7.35I.
67 Siehe IFRS 7.IG20B.
68 Siehe IFRS 7.35K.
114 | EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9
Die veröffentlichten Informationen sollten darüber hinaus über die
Art und Auswirkungen von Modifizierungen vertraglich vereinbarter Cashflows aus finanziellen Vermögenswerten, die nicht zu
einer Ausbuchung geführt haben, auf die Bemessung der erwarteten Kreditausfälle Aufschluss geben (siehe Abschnitt 6). Folgende
Angaben sind zu machen:
• die fortgeführten Anschaffungskosten vor der Modifizierung und
die Nettogewinne oder -verluste aus der Modifizierung, die für
finanzielle Vermögenswerte erfasst wurden, bei denen die vertraglich vereinbarten Cashflows während der Berichtsperiode
modifiziert wurden, während ihre Risikovorsorge auf der Basis
der Gesamtlaufzeit-ECL gebildet wurde
• der zum Ende der Berichtsperiode erfasste Bruttobuchwert der
finanziellen Vermögenswerte, die seit ihrem erstmaligen Ansatz zu einem Zeitpunkt modifiziert wurden, zu dem die Risikovorsorge auf der Grundlage der Gesamtlaufzeit-ECL bemessen
wurde, und für die während der Berichtsperiode ein Übergang
zu einer Bewertung auf der Grundlage der 12-Monats-ECL stattgefunden hat
Wird die Risikovorsorge für Forderungen aus Lieferungen und
Leistungen oder Leasingforderungen nach dem vereinfachten
Ansatz auf der Grundlage der Gesamtlaufzeit-ECL bewertet, müssen nur dann Angaben zu Modifizierungen gemacht werden,
wenn diese finanziellen Vermögenswerte bei Modifizierung mehr
als 30 Tage überfällig sind.
Damit die Abschlussadressaten die Auswirkungen von Sicherheiten
und anderen Kreditbesicherungen auf die aus erwarteten Kreditausfällen resultierenden Beträge beurteilen können, sind für jede
Klasse von Finanzinstrumenten folgende Angaben zu machen
(siehe Abschnitt 4.6):68
• der Betrag, der das maximale Kreditrisiko, dem das Unternehmen am Ende der Berichtsperiode ausgesetzt ist, am besten
darstellt, wobei gehaltene Sicherheiten oder andere Kreditbe­
sicherungen (z. B. Aufrechnungsvereinbarungen, die nicht die
Saldierungskriterien gemäß IAS 32 Finanzinstrumente: Darstellung erfüllen) nicht berücksichtigt werden
• eine Beschreibung der gehaltenen Sicherheiten und anderer
Kreditbesicherungen (diese Anforderungen gelten nicht für
Leasingforderungen), einschließlich:
• Beschreibung der Art und Qualität der gehaltenen
Sicherheiten
• Erläuterung aller wesentlichen Änderungen der Qualität dieser Sicherheiten oder Kreditbesicherungen aufgrund einer
Verschlechterung oder Änderung der Besicherungsgrundsätze des Unternehmens während der Berichtsperiode
• Angaben zu Finanzinstrumenten, für die aufgrund der Sicherheiten keine Risikovorsorge gebildet wurde
Dies kann auch folgende Informationen umfassen:69
• die wichtigsten Arten gehaltener Sicherheiten und anderer
Kreditbesicherungen; Beispiele für Letzteres sind Garantien,
Kreditderivate und Aufrechnungsvereinbarungen, die nicht
die Saldierungskriterien gemäß IAS 32 erfüllen
• das Volumen der gehaltenen Sicherheiten und anderer Kreditbesicherungen und ihre Bedeutung für die Risikovorsorge
• die Richtlinien und Verfahren für die Bewertung und Verwaltung der Sicherheiten und anderer Kreditbesicherungen
• die wichtigsten Arten von Geschäftspartnern bei Sicherheiten
und anderen Kreditbesicherungen und deren Bonität
• Angaben zu Risikokonzentrationen innerhalb der Sicherheiten
und anderer Kreditbesicherungen
• quantitative Angaben zu den gehaltenen Sicherheiten und anderen Kreditbesicherungen (z. B. Quantifizierung des Umfangs,
in dem die Sicherheiten und anderen Kreditbesicherungen das
Kreditrisiko vermindern) in Bezug auf finanzielle Vermögenswerte, die zum Abschlussstichtag wertgemindert sind
Angaben zum beizulegenden Zeitwert der Sicherheiten und anderer Kreditbesicherungen sind nicht zu machen; eine Quantifizierung des genauen Werts der bei der Berechnung der erwarteten
Kreditausfälle (d. h. des Verlusts infolge Zahlungsausfall) berücksichtigten Sicherheit ist ebenfalls nicht erforderlich.
Bei einem finanziellen Vermögenswert entspricht das maximale
Kreditrisiko in der Regel dem Bruttobuchwert abzüglich aller
Beträge, die gemäß IAS 32 saldiert wurden, und aller Wertminderungsaufwendungen, die gemäß IFRS 9 erfasst wurden. Tätig­
keiten, die zu Kreditrisiken und zum damit verbundenen maximalen Kreditrisiko führen, sind unter anderem:
• Gewährung von Krediten an Kunden sowie die Platzierung von
Einlagen bei anderen Unternehmen: In diesen Fällen stellt der
Buchwert des zugehörigen finanziellen Vermögenswerts das
maximale Kreditrisiko dar, dem das Unternehmen ausgesetzt ist.
• Abschluss von derivativen Finanzinstrumenten wie Devisenkontrakten, Zinsswaps und erworbenen Kreditderivaten: Wird
der daraus resultierende Vermögenswert zum beizulegenden Zeitwert bewertet, entspricht das maximale Kreditrisiko,
dem das Unternehmen zum Abschlussstichtag ausgesetzt ist,
dem Buchwert.
• Gewährung von Finanzgarantien: In diesem Fall entspricht das
maximale Kreditrisiko dem Höchstbetrag, den das Unternehmen
zu zahlen verpflichtet wäre, wenn die Garantie in Anspruch genommen würde, wobei dieser Betrag erheblich höher sein kann
als der Betrag, der als Verbindlichkeit erfasst wurde.
• Gewährung einer Kreditzusage, die über ihre gesamte Dauer
unwiderruflich ist oder nur im Fall einer wesentlichen negativen
Veränderung widerrufen werden kann: Kann der Emittent die
Kreditzusage nicht auf Nettobasis in Zahlungsmitteln oder einem
anderen Finanzinstrument erfüllen, entspricht das maximale
Kreditrisiko dem vollen zugesagten Betrag, weil unsicher ist, ob
etwaige nicht abgerufene Teile des Kredits zu einem späteren
Zeitpunkt abgerufen werden können. Dieser Betrag kann erheblich über dem als Verbindlichkeit erfassten Betrag liegen.
Darüber hinaus ist der ausstehende Vertragswert von finanziellen
Vermögenswerten anzugeben, die während der Berichtsperiode
abgeschrieben wurden, hinsichtlich derer aber noch Verfahren zur
Vollstreckung laufen (siehe Abschnitt 11.1).
69 Siehe IFRS 7.B8G.
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 | 115
12
Angabepflichten
12.4 Kreditrisiko
Abschlussadressaten sollten in der Lage sein, das Kreditrisiko
­eines Unternehmens sowie seine wesentlichen Kreditrisikokonzentrationen zu verstehen und zu bewerten. Unternehmen sollten
daher die Bruttobuchwerte der finanziellen Vermögenswerte und
das Kreditrisiko aus Kreditzusagen und Finanzgarantieverträgen
untergliedert nach Kreditrisikoeinstufung (siehe Abbildung A-1)
angeben. Diese Angaben sind separat für alle Finanzinstrumente
zu machen, für die die Risikovorsorge auf folgender Grundlage
bemessen wird:70
• 12-Monats-ECL
• Gesamtlaufzeit-ECL:
• Finanzinstrumente, deren Kreditrisiko sich seit dem erst­
maligen Ansatz signifikant erhöht hat, die aber nicht als wertgeminderte finanzielle Vermögenswerte eingestuft sind
• finanzielle Vermögenswerte, die zum Abschlussstichtag wertgemindert sind (aber bei Erwerb oder Ausreichung noch
nicht wertgemindert waren)
• Forderungen aus Lieferungen und Leistungen, aktive Ver­trags­
posten oder Leasingforderungen, deren Risikovorsorge nach
einem vereinfachten Ansatz auf der Grundlage der G
­ e­samtlaufzeit-ECL gebildet wird; Angaben zu diesen Ver­mö­gens­wer­
ten können in Form einer Wertminderungsmatrix erfolgen
• finanzielle Vermögenswerte, die bei Erwerb oder Ausreichung
wertgemindert waren
Die Kreditrisikoeinstufung ist definiert als Bewertung des Kredit­
risikos auf der Basis der Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls in Verbindung mit dem Finanzinstrument. Die Zahl der Kreditrisikostufen,
auf deren Grundlage die vorstehenden Informationen veröffentlicht
werden, sollte der Zahl der Kreditrisikostufen entsprechen, die
das Unternehmen in seiner Berichterstattung an die Mitglieder der
Geschäftsleitung im Rahmen des Kreditrisikomanagements verwendet. Sind Informationen zum Zahlungsverzug die einzigen verfügbaren kreditnehmerbezogenen Informationen und werden
70 Siehe IFRS 7.35M.
116 | EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9
diese Informationen zum Zahlungsverzug verwendet, um zu
­beurteilen, ob sich das Kreditrisiko seit dem erstmaligen Ansatz
wesentlich erhöht hat, sollte für diese Klasse von finanziellen
­Vermögenswerten eine Analyse nach dem Verzugsstatus vorgenommen werden.
Werden erwartete Kreditausfälle auf Portfolioebene bewertet, kann
es in bestimmten Situationen unmöglich sein, den Bruttobuchwert einzelner finanzieller Vermögenswerte oder das Kreditrisiko
bei Kreditzusagen und Finanzgarantien den Kreditrisikoeinstufungen, für die Gesamtlaufzeit-ECL erfasst werden, zuzuordnen. In
diesem Fall sollte die vorstehende Angabepflicht auf die finanziellen Instrumente angewendet werden, die direkt einer Kredit­
risiko­stufe zugeordnet werden können. Der Bruttobuchwert von
Finanz­instrumenten, deren Gesamtlaufzeit-ECL auf Portfolioebene bewertet wurden, ist gesondert anzugeben.
Eine Konzentration von Kreditrisiken entsteht, wenn eine Reihe
von Geschäftspartnern in ähnlichen Bereichen tätig oder in derselben Region ansässig sind oder andere gemeinsame wirtschaftliche Merkmale aufweisen, sodass deren Fähigkeit, ihren vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen, bei einer Änderung der
wirtschaftlichen, politischen oder anderer Bedingungen in gleicher
Weise beeinflusst wird. Anhand der veröffentlichten Informationen
sollten Abschlussadressaten einschätzen können, ob Gruppen
oder Portfolios von Finanzinstrumenten mit besonderen Merkmalen (z. B. Konzentration bestimmter Risiken) vorliegen, die sich
auf eine große Gruppe von Finanzinstrumenten auswirken könnten. Dies können beispielsweise Beleihungsauslaufklassen, geografische Konzentrationen oder Konzentrationen von Branchen
oder bestimmter Arten von Emittenten sein.
Die Angaben zu Finanzinstrumenten, die in den Anwendungsbereich von IFRS 7 fallen und auf die die Wertminderungsbestimmungen des IFRS 9 nicht angewendet werden, sind nach Klassen
zu gliedern. Für diese Finanzinstrumente ist der Betrag anzugeben, der die maximale Kreditrisikoexposition des Unternehmens
am besten darstellt (siehe Abschnitt 12.3). Der Betrag sollte
keine gehaltenen Sicherheiten oder anderen Kreditbesicherungen
(z. B. Aufrechnungsvereinbarungen, die nicht die Saldierungs­
kriterien gemäß IAS 32 erfüllen) berücksichtigen. Für Finanz­
instrumente, deren Buchwert diesen Betrag am besten widerspielt, ist diese Angabe nicht erforderlich.
12.5 Sicherheiten und andere
Kreditbesicherungen
Unternehmen sollten außerdem – untergliedert nach Klassen von
Finanzinstrumenten, auf die die Wertminderungsbestimmungen
des IFRS 9 nicht angewendet werden – eine Beschreibung der gehaltenen Sicherheiten und anderer Kreditbesicherungen und deren
finanzieller Effekte (z. B. eine Quantifizierung des Umfangs, in
dem die Sicherheiten und anderen Kreditbesicherungen das Kreditrisiko vermindern) in Bezug auf den Betrag, der die maximale
Kreditrisikoexposition des Unternehmens am besten darstellt,
hinzufügen. Dies gilt unabhängig davon, ob das maximale Kreditrisiko gesondert angegeben oder durch den Buchwert eines
­Finanzinstruments dargestellt wird. Diese Bestimmung kann durch
folgende Angaben erfüllt werden:
• Art und Buchwert dieser Vermögenswerte
• Richtlinien und Verfahren für die Bewertung und Verwaltung
der Sicherheiten und anderer Kreditbesicherungen
• Beschreibung der wichtigsten Arten gehaltener Sicherheiten
und anderer Kreditbesicherungen (Beispiele für Letzteres sind
Garantien, Kreditderivate und Aufrechnungsvereinbarungen,
die nicht die Saldierungskriterien gemäß IAS 32 erfüllen)
Wenn ein Unternehmen in der Berichtsperiode durch Inbesitznahme
von Sicherheiten, die es in Form von Sicherungsgegenständen
hält, oder durch Inanspruchnahme anderer Kreditbesicherungen
(wie Garantien) finanzielle und nichtfinanzielle Vermögenswerte
erhält und diese den Ansatzkriterien in anderen IFRS entsprechen,
so hat das Unternehmen für solche zum Bilanzstichtag gehaltenen Vermögenswerte Folgendes anzugeben:
• für den Fall, dass die Vermögenswerte nicht leicht liquidierbar
sind, seine Methoden, um derartige Vermögenswerte zu veräußern oder sie in seinem Geschäftsbetrieb einzusetzen
Damit sollen die Abschlussadressaten Informationen über die
Häufigkeit dieser Aktivitäten und die Fähigkeit des Unternehmens, den Wert der Sicherheit zu ermitteln und zu realisieren,
erhalten.
Unsere Sichtweise
Für Unternehmen ist es wichtig, ihr Kreditrisikomanagement
und ihre Finanzberichterstattungssysteme und -verfahren aufeinander abzustimmen – nicht nur um die Risikovorsorge für
erwartete Kreditausfälle zu ermitteln, sondern auch um aus­
reichend detaillierte Informationen zur Erfüllung der Angabevorschriften des IFRS 7 zu generieren.
• die wichtigsten Arten von Geschäftspartnern bei Sicherheiten
und anderen Kreditbesicherungen und deren Bonität
• Angaben zu Risikokonzentrationen innerhalb der Sicherheiten
oder anderer Kreditbesicherungen
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 | 117
13
13 Zeitpunkt des Inkrafttretens
und Übergangsvorschriften
Dieser Abschnitt behandelt die Vorschriften, die für Unternehmen
gelten, die die im Juli 2014 veröffentlichte finale Fassung von
IFRS 9 anwenden, jedoch nicht die früheren Fassungen von IFRS 9
vorzeitig angewendet haben.
13.1 Zeitpunkt des Inkrafttretens
IFRS 9 ist verpflichtend erstmalig auf Berichtsperioden anzuwenden, die am oder nach dem 1. Januar 2018 beginnen, wobei
eine frühere Anwendung, vorbehaltlich eines EU-Endorsements,
zulässig ist. Voraussetzung für eine vorzeitige Anwendung ist,
dass Unternehmen dies im Anhang angeben und alle Vorschriften
dieses Standards (einschließlich der Vorschriften zur Klassifizierung und Bewertung, zu Wertminderungen sowie zum Hedge
Accounting) gleichzeitig anwenden.
Zuvor hatte das IASB bereits den Zeitpunkt des Inkrafttretens von
IFRS 9 vom 1. Januar 2013 auf den 1. Januar 2015 verschoben.
IFRS 9 ist verpflichtend erstmalig auf Berichtsperioden
anzuwenden, die am oder nach
dem 1. Januar 2018 beginnen.
Später wurde beschlossen, den Zeitpunkt des Inkraft­tretens von
IFRS 9 auf den 1. Januar 2018 zu verschieben. Damit soll Unternehmen ausreichend Zeit gegeben werden, neue Systeme und Verfahren zu entwickeln sowie historische Daten zu sammeln, um die
notwendigen Berechnungen durchzuführen.
Unsere Sichtweise
Die Systeme und Prozesse des Finanz- und Kreditrisikomanagements müssen in Zukunft besser miteinander verknüpft sein, als dies
heute der Fall ist, da das neue Modell eine enge Verzahnung der Risiko- und Bilanzierungssysteme vorsieht. Bei den Beurteilungen
und Berechnungen, die für Rechnungslegungszwecke vorgenommen werden müssen, werden verstärkt Risikomodelle und -daten zur
Anwendung kommen müssen. Dies stellt einen wesentlichen Unterschied zu IAS 39 dar und wird für Unternehmen eine große Herausforderung sein. Es ist wahrscheinlich, dass diese neuen Systeme und Verfahren auf den bereits für das Kreditrisikomanagement verwendeten Systemen und Verfahren aufsetzen werden, sodass die Anwendung des Standards eine deutlich stärkere Verzahnung von
Kreditrisikomanagement und Rechnungslegungsfunktionen erfordern wird, als es bisher der Fall war.
Kreditinstitute dürften versuchen, ihr bestehendes Kreditrisikomanagement und ihre bestehenden regulatorischen Berichtssysteme
für diesen Zweck zu nutzen, sofern sie dafür geeignet sind. Die meisten Kreditinstitute dürften jedoch gezwungen sein, zumindest
teilweise neue Systeme und Prozesse einzurichten, um die Anforderungen des Standards zu erfüllen.
Viele Banken wollen die neuen Prozesse mindestens ein Jahr lang (also im Jahr 2017) parallel zu den alten laufen lassen. Das heißt,
dass ihnen für das Design, die Entwicklung und das Testen der neuen Systeme und Prozesse nur zwei Jahre zur Verfügung stehen.
Andererseits hat diese Vorgehensweise den Vorteil, dass die Kreditinstitute ihre Stakeholder (z. B. Aktionäre und Aufsichtsbehörden)
bereits vor dem Tag des Inkrafttretens über die Auswirkungen der Umstellung informieren können.
Darüber hinaus werden Finanzinstitute dafür Sorge tragen müssen, dass sie die komplexen Wechselbeziehungen zwischen IFRS 9 und
den Mindesteigenkapitalanforderungen für Kreditrisiken in vollem Umfang verstehen. In vielen Fällen dürften die neuen Vorschriften für
Kreditausfälle in IFRS 9 bei Finanzinstituten zu einer Verringerung des aufsichtsrechtlich geforderten Eigenkapitals führen.
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 | 119
13
Zeitpunkt des Inkrafttretens und Übergangsvorschriften
13.2 Übergang
(rückwirkende Anwendung)
IFRS 9 enthält die allgemeine Vorschrift, dass der Standard (einschließlich der Wertminderungsvorschriften) gemäß IAS 8 rückwirkend anzuwenden ist. Im Hinblick auf die Wertminderungsvorschriften sieht der Standard jedoch eine Reihe von Ausnahmen
vor. So ist die nachträgliche Anpassung von Vergleichsperioden
nicht erforderlich, wenn das Unternehmen die Wertminderungsbestimmungen zum gleichen Zeitpunkt anwendet wie die Vorschriften zur Klassifizierung und Bewertung(siehe Abschnitt 13.3).
13.3 Übergangserleichterungen
Der Standard ist rückwirkend anzuwenden, wenn Unternehmen
die Wertminderungsvorschriften anwenden, wobei bestimmte
Übergangserleichterungen in Anspruch genommen werden können (s. u.).
13.3.1 Zeitpunkt der erstmaligen Anwendung
Einige Übergangsbestimmungen nehmen Bezug auf den „Zeitpunkt der erstmaligen Anwendung“. Dies ist der Beginn der ersten Berichtsperiode, in der das Unternehmen erstmals IFRS 9
­anwendet (und nicht der Beginn der ersten dargestellten Vergleichsperiode, die angepasst wurde). Dabei muss es sich zwangsläufig um eine Berichtsperiode handeln, die nach dem Datum
der Veröffentlichung des Standards beginnt.
Unsere Sichtweise
Obgleich IFRS 9 theoretisch auch zu Beginn einer Zwischen­
berichtsperiode erstmalig angewendet werden könnte, würden
wir aus praktischer Sicht empfehlen, den Standard erstmals
zu Beginn eines Geschäftsjahres anzuwenden.
120 | EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9
13.3.2 Ursprüngliches Kreditrisiko und signifikanter Anstieg
des Kreditrisikos beim Übergang
Um zu bestimmen, wie hoch die Risikovorsorge ist, die zum Zeitpunkt der erstmaligen Anwendung nach den Wertminderungsvorschriften von IFRS 9 zu erfassen wäre, muss das Unternehmen prüfen, ob seit dem erstmaligen Ansatz ein signifikanter Anstieg des
Kreditrisikos eingetreten ist. Hierzu vergleicht das Unternehmen
• das Kreditrisiko zum Zeitpunkt des erstmaligen Ansatzes eines
Finanzinstruments (bzw. bei Kreditzusagen und Finanzgarantien zu dem Zeitpunkt, zu dem das Unternehmen eine Vertragspartei der unwiderruflichen Verpflichtung wurde)
mit dem
• Kreditrisiko zum Zeitpunkt der erstmaligen Anwendung von
IFRS 9.
Beim Übergang auf IFRS 9 dürfen Unternehmen das zum Zeitpunkt
des erstmaligen Ansatzes des Finanzinstruments bestehende
Kreditrisiko (bzw. bei Kreditzusagen und Finanzgarantien zu dem
Zeitpunkt, zu dem das Unternehmen eine Vertragspartei der
­unwiderruflichen Verpflichtung wurde) näherungsweise bestimmen. Hierbei müssen sie alle angemessenen und belastbaren
­Informationen berücksichtigen, die ohne einen unverhältnismäßig
hohen Kosten- oder Arbeitsaufwand zur Verfügung stehen (siehe
Abschnitt 4.7.1). Das Unternehmen kann sich auf interne und
externe Informationen, für Bewertungen auf Portfolioebene verwendete Informationen (siehe Abschnitt 5.9) und Informationen
über ähnliche Produkte oder Informationen vergleichbarer Unternehmen zu vergleichbaren Finanzinstrumenten stützen. Bei der
Bestimmung, ob seit dem erstmaligen Ansatz signifikante Erhöhungen des Kreditrisikos eingetreten sind, muss das Unternehmen
keine allumfassende Suche nach Informationen durchführen.
Zudem kann das Unternehmen dabei den vereinfachten Ansatz bei
einem geringen Kreditrisiko (siehe Abschnitt 5.4) oder das Konzept der widerlegbaren Vermutung, dass nach mehr als 30 Tagen
der Zahlungsverzug eintritt, anwenden, wenn eine signifikante
Erhöhung des Kreditrisikos ausschließlich auf der Basis der Überfälligkeit beurteilt wird (siehe Abschnitt 5.5). Das IASB wies
­außerdem darauf hin, dass Unternehmen die Veränderung des
Kreditrisikos eines Finanzinstruments auf Portfoliobasis beurteilen können, wenn das ursprüngliche Kreditrisiko für ein bestimmtes Finanzinstrument nicht ermittelbar ist (siehe Abschnitt 5.9).
13.3.3 Anpassung von Vergleichsinformationen
Unsere Sichtweise
Genau wie bei der näherungsweisen Bestimmung des Effektivzinssatzes (siehe Abschnitt 4.5) sind Unternehmen auch hier
mit dem Problem konfrontiert, dass unklar ist, wie viel Spielraum der Begriff „näherungsweise zu bestimmen“ einräumt.
Zudem lässt der Standard offen, in welchem Maße Unternehmen nach Informationen suchen müssen, die „ohne einen unverhältnismäßig hohen Kosten- oder Arbeitsaufwand“ zur Verfügung stehen. Dies ist ein Bereich, den die ITG sinnvollerweise
angehen sollte.
Gelingt es einem Unternehmen nicht, ohne einen unverhältnis­
mäßig hohen Kosten- oder Arbeitsaufwand zu bestimmen, ob seit
dem erstmaligen Ansatz signifikante Erhöhungen des Kreditrisikos vorliegen, muss es zu jedem Abschlussstichtag eine Risikovorsorge auf der Basis der Gesamtlaufzeit-ECL erfassen, bis das
Finanzinstrument ausgebucht wird. Kann das Unternehmen jedoch an den folgenden Abschlussstichtagen bestimmen, dass für
das Finanzinstrument zum Abschlussstichtag ein geringes Kredit­
risiko gegeben ist, würde es eine Risikovorsorge auf der Basis der
12-Monats-ECL erfassen.
Die Vorschrift, dass Unternehmen die Gesamtlaufzeit-ECL erfassen müssen, kann ein Ansporn sein, nach Informationen über das
anfängliche Kreditrisiko zu suchen und diese zu verwenden,
wodurch sich die Vergleichbarkeit und die Qualität der veröffentlichten Informationen verbessern. Andererseits könnten einige
Unternehmen von der Verwendung dieser Informationen abge­
halten werden, wenn sie die Gesamtlaufzeit-ECL beim Übergang
zu IFRS 9 ausgleichen können. Obwohl dies zu Inkonsistenzen
­zwischen Unternehmen führen kann, ist das IASB der Ansicht,
dass die Übergangsbestimmungen und -erleichterungen für eine
bestmögliche Balance zwischen der Veröffentlichung nützlicher
und relevanter Informationen und dem hierbei entstehenden Aufwand sorgen.71
Ungeachtet der allgemeinen Vorschrift, den Standard rückwirkend anzuwenden, ist die rückwirkende Anpassung vergangener
Berichtsperioden nach IFRS 9 nicht zwingend erforderlich. Vielmehr dürfen Unternehmen vergangene Berichtsperioden nur dann
anpassen, wenn sie sich dabei nicht auf Informationen stützen
müssen, die erst nachträglich bekannt wurden. Das IASB gab zu
bedenken, dass das Risiko besteht, dass Unternehmen bei der
­Erfassung und Bewertung der Höhe der erwarteten Kreditausfälle
in vergangenen Perioden Informationen heranziehen müssen, die
erst nachträglich bekannt wurden, da in der Vergangenheit keine
erwarteten Kreditausfälle für Rechnungslegungszwecke erfasst
oder ausgewiesen werden mussten.72 Dies betrifft Situationen, in
denen es nicht möglich ist, den periodenspezifischen oder den
kumulativen Effekt der Veränderung zu berechnen. Für Unternehmen ist es schwierig, objektiv zwischen historischen Informationen, die für die Schätzung der erwarteten Kreditausfälle relevant
sind, und Informationen, die zu dem früheren Datum nicht verfügbar gewesen wären, zu unterscheiden.
IFRS 9 darf außerdem nicht auf finanzielle Vermögenswerte angewendet werden, die bereits zum Zeitpunkt der erstmaligen
Anwendung ausgebucht worden sind. Denn werden Vergleichs­
informationen angepasst, so wird die Wertminderung von finanziellen Vermögenswerten, die in einer vorherigen Periode gehalten,
jedoch vor dem Datum der erstmaligen Anwendung veräußert wurden, nach IAS 39 bewertet.
Werden frühere Perioden nicht anpasst, sind Abweichungen zwischen dem früheren Buchwert und dem zu Beginn des Geschäftsjahres, in dem IFRS 9 erstmals angewendet wird, festgestellten
Buchwert im Eröffnungssaldo der Gewinnrücklagen (oder ggf.
einer anderen Eigenkapitalkomponente) des Berichtszeitraums,
in dem dieser IFRS erstmals angewendet wird, zu erfassen. Der
kumulierte Wertminderungsaufwand wird im Eröffnungssaldo der
Gewinnrücklagen für alle Kreditrisiken erfasst.
Werden Zwischenberichte nach IAS 34 Zwischenberichterstattung
erstellt, müssen die in IFRS 9 enthaltenen Vorschriften nicht auf
vor dem Zeitpunkt der erstmaligen Anwendung liegende Zwischenberichtsperioden angewendet werden, wenn dies (gemäß Definition
in IAS 8) undurchführbar ist.
71 Siehe IFRS 9.BC7.79.
72 Siehe IFRS 9.BC7.75(b).
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 | 121
14
14 Anhang
Wechselbeziehung zwischen der Bewertungskategorie „erfolgsneutral zum
­beizulegenden Zeitwert“, der Fremd­
währungsbewertung, der Bilanzierung
von Fair Value Hedges und den Wertminderungsvorschriften
Das folgende Beispiel veranschaulicht die Komplexität, die sich
aus der Wechselwirkung zwischen der Bilanzierung von Fair Value
Hedges und dem neuen Wertminderungsmodell ergibt. In den
Anwendungsleitlinien zu IAS 39 wurde bereits darauf hingewiesen,
dass es bei der Portfolioabsicherung gegen Zinsänderungsrisiken
notwendig ist, die Änderung des beizulegenden Zeitwerts des abgesicherten Portfolios Krediten (oder Portfolios von Krediten)
zuzuordnen, die auf systematische und nachvollziehbare Weise
auf Wertminderung überprüft werden.73 Dies ist notwendig (und
gilt gleichermaßen für Micro Hedges), weil durch einen Fair Value
Hedge der Buchwert von Grundgeschäften geändert wird und die
Wertminderung, die Verluste in Bezug auf ihre Buchwerte darstellt, Bestandteil der Folgebewertung von Grundgeschäften ist.
Anpassungen von Fair Value Hedges müssen folglich im Buchwert,
der den Wertminderungsvorschriften unterliegt, berücksichtigt
werden. Bei einem Vermögenswert, der in den Anwendungsbereich
dieser Wertminderungsvorschriften fällt, würde andererseits für
einen Teil seines Buchwerts keine Risikovorsorge gebildet oder die
Risikovorsorge wäre zu hoch angesetzt (im Falle einer negativen
Anpassung eines Fair Value Hedge).
Diese Wechselbeziehung zwischen der Bilanzierung von Fair Value
Hedges und der Wertminderung wird nach dem neuen Wertminderungsmodell von IFRS 9 noch komplexer ausfallen. Gründe hierfür sind die folgenden:
• Nach IAS 39 kann ein Unternehmen häufig die schwierige Bewertung von Wertminderungsaufwendungen für finanzielle Vermögenswerte, die als Bestandteil eines Portfolio-Fair-Value-Hedge
designiert sind, umgehen, indem es qualitativ höherwertige
Vermögenswerte auswählt, für die nach IAS 39 keine Verluste
eingetreten sind.
• Nach dem neuen Wertminderungsmodell des IFRS 9 muss dagegen für alle finanziellen Vermögenswerte, die in den Anwendungsbereich der Wertminderungsvorschriften fallen, eine Risikovorsorge gebildet werden, auch wenn es sich dabei um qualitativ
hochwertige Vermögenswerte handelt, für die bislang noch
kein Anstieg des Kreditrisikos zu verzeichnen war. Aus diesem
Grund dürfte die Komplexität der Wechselbeziehung zwischen
der Bilanzierung von Fair Value Hedges und der Wertminderung,
die in diesem Beispiel dargestellt ist, eine sehr viel größere
Anzahl Grundgeschäfte betreffen, als dies in der Vergangenheit
bei IAS 39 der Fall war.
Können die Anpassungen von Portfolio-Hedges nicht einzelnen Vermögenswerten zugeordnet werden, müssen Unternehmen solche
Hedges entweder Vermögenswerten, für die eine Risikovorsorge
unter Zugrundelegung eines Zwölfmonatszeitraums gebildet wird,
oder Vermögenswerten, für die eine Risikovorsorge unter Zugrundelegung der Gesamtlaufzeit gebildet wird, zuordnen. Dies
dürfte nur für Gruppen von Vermögenswerten mit ähnlichen
Kreditrisikoeigenschaften (einschließlich Laufzeit und Effektivzinssatz) durchführbar sein. Sogar bei Micro Hedges einzelner
Vermögenswerte kann es schwierig sein, das Hedge Accounting
und die Wertminderungsprozesse miteinander zu verknüpfen,
um die Folgen des Hedge Accounting für die Wertminderung zu
berechnen.
Das nachfolgende Beispiel basiert auf dem erläuternden Beispiel
14 in IFRS 9, wurde jedoch erweitert, um verschiedene Themen
besser darstellen zu können.
73 Siehe IAS 39.IG E.4.4.
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 | 123
14
Anhang
Beispiel A-1: Wechselbeziehung zwischen der Bewertungskategorie „erfolgsneutral zum beizulegenden Zeitwert“, der
­Fremdwährungsbewertung, der Bilanzierung von Fair Value Hedges und den Wertminderungsvorschriften (angelehnt an
Beispiel 14 der Anwendungsleitlinien)
Das Beispiel geht von dem folgenden Sachverhalt aus:
•E
in Unternehmen erwirbt am 1. Januar 2015 eine auf eine Fremdwährung (FW) lautende Anleihe zum beizulegenden Zeitwert von
FW 100.000.
• Die Anleihe wird im Rahmen eines Geschäftsmodells gehalten, dessen Zielsetzung darin besteht, sowohl die vertraglich vereinbarten
Cashflows zu vereinnahmen als auch die finanziellen Vermögenswerte zu veräußern. Die vertraglich vereinbarten Cashflows bestehen
ausschließlich aus Tilgungs- und Zinszahlungen auf das ausstehende Nominal. Das Unternehmen ordnet die Anleihe der Bewertungskategorie „erfolgsneutral zum beizulegenden Zeitwert“ zu.
• Die Anleihe hat eine Restlaufzeit von fünf Jahren und einen für die gesamte Vertragslaufzeit geltenden festen Zinssatz von 5 % auf
ihren vertraglichen Nennwert von FW 100.000.
• Das Unternehmen sichert die Anleihe gegen das Risiko zinsbedingter Schwankungen des beizulegenden Zeitwerts ab. Der beizulegende
Zeitwert des entsprechenden Zinsswaps liegt zum Zeitpunkt der erstmaligen Erfassung bei null.
• Bei der erstmaligen Erfassung beträgt der Effektivzinssatz 5 %. Hieraus ergibt sich ein Bruttobuchwert, der dem beizulegenden Zeitwert
bei der erstmaligen Erfassung entspricht.
• Die funktionale Währung des Unternehmens ist die lokale Währung (LW).
• Am 1. Januar 2015 liegt der Wechselkurs bei FW 1 zu LW 1.
• Bei der erstmaligen Erfassung stellt das Unternehmen fest, dass die Anleihe weder bei Erwerb noch bei Ausreichung wertgemindert
ist. Bei der Berechnung der Risikovorsorge geht das Unternehmen davon aus, dass es wahrscheinlich ist, dass es innerhalb von zwölf
Monaten zu einem Ausfallereignis kommen wird, und nimmt an, dass der Zahlungsausfall am Ende der Berichtsperiode (d. h. nach
12 Monaten) eintreten wird. Das Unternehmen schätzt die Ausfallwahrscheinlichkeit während der nächsten 12 Monate auf 2 % und
den Verlust infolge eines Zahlungsausfalls auf FW 60.000, woraus sich eine (nicht abgezinste) erwartete negative Zahlungsdifferenz
von FW 1.200 ergibt.
•Z
ur Vereinfachung werden die Zinserträge nicht angegeben. Es wird angenommen, dass aufgelaufene Zinsen in der Berichtsperiode
vereinnahmt werden. Aus rechentechnischen Gründen können Rundungsdifferenzen von +/– einer Einheit auftreten.
Das Unternehmen sichert seine Risiken mittels der folgenden Risikomanagementstrategie ab:
• Zur Absicherung des Festzinsrisikos (in FW) koppelt das Unternehmen seine Zinseinzahlungen in FW an die aktuellen variablen Zinssätze in FW. Das Unternehmen verwendet folglich in FW denominierte Zinsswaps, in deren Rahmen es feste Zinsen in FW entrichtet und variable Zinsen in FW erhält.
• Das Fremdwährungsrisiko, das aus Schwankungen der LW infolge von Änderungen der Wechselkurse resultiert, wird vom Unternehmen nicht abgesichert.
Das Unternehmen designiert als Sicherungsbeziehung einen Fair Value Hede der Anleihe in FW als Grundgeschäft und das mit einer
Änderung des Benchmarkzinssatzes einhergehende Risiko als das abgesicherte Risiko. Es schließt einen Swap ab, in dessen Rahmen
am selben Tag feste Zinsen in FW ausgezahlt und variable Zinsen in FW eingezahlt werden, und designiert den Swap als Sicherungs­
instrument. Die Laufzeit des Swaps entspricht der Laufzeit des Grundgeschäfts (d. h. fünf Jahre). In diesem Beispiel wird angenommen,
124 | EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9
Beispiel A-1: Wechselbeziehung zwischen der Bewertungskategorie „erfolgsneutral zum beizulegenden Zeitwert“, der
­Fremdwährungsbewertung, der Bilanzierung von Fair Value Hedges und den Wertminderungsvorschriften (angelehnt an
Beispiel 14 der Anwendungsleitlinien) (Fortsetzung)
dass alle Voraussetzungen für die Sicherungsbeziehung erfüllt sind.74 Die Anmerkung zur Designation dient lediglich dem besseren
Verständnis des Beispiels (dies ist also kein Beispiel für eine vollständige formale Dokumentation, wie sie in IFRS 9 vorgeschrieben ist).75
Dieses Beispiel geht davon aus, dass in dieser Sicherungsbeziehung keine Unwirksamkeit auftritt. Diese Annahme erfolgt aus Vereinfachungsgründen, um die Rechnungslegungsmechanismen, die zur Anwendung kommen, wenn ein auf eine Fremdwährung lautendes
Finanzinstrument, das in einem Fair Value Hedge als Grundgeschäft designiert ist, erfolgsneutral zum beizulegenden Zeitwert bewertet
wird, und die Erfassung von Wertminderungsgewinnen oder -verlusten aus einem solchen Instrument besser darstellen zu können.
Situation zum 1. Januar 2015
Die folgende Tabelle enthält – ausgehend von der vorstehend erläuterten Sachlage – die Beträge, die im Jahresabschluss zum
1. Januar 2015 erfasst werden, sowie eine Nebenrechnung der fortgeführten Anschaffungskosten der Anleihe (Soll- und Habenposten werden als positive bzw. negative Beträge dargestellt):
Jahresabschluss
FW
Nebenrechnung
LW
FW
LW
Bilanz
Anleihe (beizulegender Zeitwert)
Swap (beizulegender Zeitwert)
100.000
100.000 Bruttobuchwert
—
— Risikovorsorge
Fortgeführte Anschaffungskosten
100.000 100.000
(1.143)
(1.143)
98.857
98.857
—
—
Gewinn- und
Verlustrechnung
Wertminderung
1.143
1.143 Fair-Value-Hedge-Anpassung
Fair Value Hedge (Anleihe)
—
— Angepasster Bruttobuchwert
Währungsgewinne/-verluste (Anleihe)
—
— Angepasste fortgeführte Anschaffungskosten
—
—
Fair Value Hedge (Swap)
100.000 100.000
98.857
98.857
Gesamtergebnisrechnung
Änderungen des beizulegenden
Zeitwerts
—
—
Saldierung der Wertminderung
(1.143)
(1.143)
—
—
Fair-Value-Hedge-Recycling
74 Siehe IFRS 9.6.4.1.
75 Siehe IFRS 9.6.4.1.
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 | 125
14
Anhang
Beispiel A-1: Wechselbeziehung zwischen der Bewertungskategorie „erfolgsneutral zum beizulegenden Zeitwert“, der
­Fremdwährungsbewertung, der Bilanzierung von Fair Value Hedges und den Wertminderungsvorschriften (angelehnt an
Beispiel 14 der Anwendungsleitlinien) (Fortsetzung)
Zum 1. Januar 2015 erfasst das Unternehmen die Anleihe und den Swap zu ihren anfänglichen beizulegenden Zeitwerten von
LW 100.000 bzw. LW 0. Die Risikovorsorge in Höhe von FW 1.143 wird in der Gewinn- und Verlustrechnung erfasst. Der Betrag wird
berechnet als Differenz zwischen der Summe der vertraglich vereinbarten Cashflows, die vertragsgemäß an das Unternehmen zu
­zahlen sind, und der Summe der Cashflows, deren Erhalt das Unternehmen erwartet (d. h. alle negativen Zahlungsdifferenzen), abgezinst mit dem ursprünglichen Effektivzinssatz von 5 % und gewichtet nach der Eintrittswahrscheinlichkeit dieses Ausfalls. Aus Ver­
einfachungsgründen wird angenommen, dass der Zahlungsausfall bei der Anleihe ein Jahr nach dem Datum der erstmaligen Erfassung
eintritt, also zu dem Zeitpunkt, zu dem das Unternehmen den erzielbaren Betrag der Anleihe erhält. Das bedeutet, dass das Unter­
nehmen im Falle eines Zahlungsausfalls Cashflows in Höhe von FW 45.000 erwartet (dies entspricht dem Nennwert von FW 100.000
zuzüglich der während eines Jahres aufgelaufenen Zinsen von FW 5.000 abzüglich des Verlusts infolge Zahlungsausfalls in Höhe von
FW 60.000). Der Verlust infolge Zahlungsausfalls wird mit dem Effektivzinssatz von 5 % abgezinst und mit der Ausfallwahrscheinlichkeit
von 2 % gewichtet, woraus sich die Risikovorsorge ergibt. Die folgende Tabelle stellt die Berechnung dar:
1. Januar 2015
Jahr 1
Vertraglich vereinbarte Cashflows
Bruttobuchwert
Effektiver Zinssatz
5.000
Ausfallwahrscheinlichkeit
Nettobarwert (wahrscheinlichkeitsgewichtet) –
entspricht dem erwarteten Kreditausfall
Jahr 4
Jahr 5
5.000
5.000
5.000
105.000
(5.000)
(5.000)
(5.000)
(105.000)
5%
45.000
42.857
Erwartete negative Zahlungsdifferenzen
Nettobarwert zu 5 %
Jahr 3
100.000
Erwartete Cashflows
Fortgeführte Anschaffungskosten (NBW1 zu 5 %)
Jahr 2
40.000
(57.143)
2%
(1.143)
1 NBW = Nettobarwert
Die vorstehende Tabelle zeigt, wie der erwartete Kreditausfall als Nettobarwert der negativen Zahlungsdifferenzen berechnet wird,
d. h. als Differenz zwischen den vertraglich vereinbarten und den erwarteten Cashflows zum jeweiligen Zeitpunkt. Alternativ könnte
der wahrscheinlichkeitsgewichtete Barwert für die beiden Szenarios [FW 100.000 × 98 % + FW 42.857 × 2 % = FW 98.857] berechnet
und anschließend die Differenz zum Bruttobuchwert ermittelt werden [FW 98.857 – FW 100.000 = FW –1.143].
In Übereinstimmung mit IFRS 7 wird die Risikovorsorge für erfolgsneutral zum beizulegenden Zeitwert bewertete finanzielle Vermögenswerte nicht separat als Minderung des Buchwerts des finanziellen Vermögenswerts in der Bilanz dargestellt. Folglich wird die Gegenbuchung zum Wertminderungsaufwand von LW 1.143 in derselben Periode im sonstigen Ergebnis erfasst.76
76 Siehe IFRS 7.16 A.
126 | EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9
Beispiel A-1: Wechselbeziehung zwischen der Bewertungskategorie „erfolgsneutral zum beizulegenden Zeitwert“, der
­Fremdwährungsbewertung, der Bilanzierung von Fair Value Hedges und den Wertminderungsvorschriften (angelehnt an
Beispiel 14 der Anwendungsleitlinien) (Fortsetzung)
Situation zum 31. Dezember 2015
Zum 31. Dezember 2015 (der Abschlussstichtag) liegen folgende Sachverhalte vor:
• Der beizulegende Zeitwert der Anleihe ist, vor allem aufgrund eines Anstiegs der Marktzinssätze, von FW 100.000 auf FW 96.370
gesunken.
• Der beizulegende Zeitwert des Swaps ist auf FW 1.837 gestiegen.
• Außerdem stellt das Unternehmen zum 31. Dezember 2015 fest, dass sich das Kreditrisiko der Anleihe seit ihrer erstmaligen Erfassung
nicht geändert hat. Das Unternehmen schätzt die Ausfallwahrscheinlichkeit während der nächsten 12 Monate weiterhin auf 2 % und
den Verlust infolge Zahlungsausfalls auf FW 60.000, woraus sich eine (nicht abgezinste) erwartete negative Zahlungsdifferenz von
FW 1.200 ergibt.
• Am 31. Dezember 2015 liegt der Wechselkurs bei FW 1 zu LW 1,4.
Die nachfolgende Tabelle zeigt die Beträge, die zwischen dem 1. Januar 2015 (nach den vorstehend gezeigten Buchungen für den
Wertminderungsaufwand von FW 1.143 zum 1. Januar) und dem 31. Dezember 2015 im Jahresabschluss erfasst wurden, sowie die
Nebenrechnung für die fortgeführten Anschaffungskosten der Anleihe (Soll- und Habenposten werden als positive bzw. negative
­Beträge dargestellt):
Anleihe (beizulegender Zeitwert)
Swap (beizulegender Zeitwert)
Jahresabschluss
FW
LW
Bilanz
96.370
134.918 Bruttobuchwert
1.837
2.572 Risikovorsorge
Fortgeführte Anschaffungskosten
Gewinn- und
Verlustrechnung
Wertminderung
(32)
(45) Fair-Value-Hedge-Anpassung
Fair Value Hedge (Anleihe)
1.837
2.572 Angepasster Bruttobuchwert
Währungsgewinne/-verluste (Anleihe)
(39.543) Angepasste fortgeführte Anschaffungskosten
abzgl. Bruttobuchwert
(40.000)
abzgl. Risikovorsorge
457
abzgl. Fair Value Hedge
Fair Value Hedge (Swap)
(1.837)
(2.572)
Währungsgewinne/-verluste (Swap)
–
–
Gesamtergebnisrechnung
Änderungen des beizulegenden
Zeitwerts
3.630
4.625
Saldierung der Wertminderung
32
45
Fair-Value-Hedge-Recycling
(1.837)
(2.572)
Nebenrechnung
FW
LW
100.000
(1.110)
140.000
(1.555)
98.890
138.445
(1.837)
98.163
97.053
(2.572)
137.428
135.874
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 | 127
14
Anhang
Beispiel A-1: Wechselbeziehung zwischen der Bewertungskategorie „erfolgsneutral zum beizulegenden Zeitwert“, der
­Fremdwährungsbewertung, der Bilanzierung von Fair Value Hedges und den Wertminderungsvorschriften (angelehnt an
Beispiel 14 der Anwendungsleitlinien) (Fortsetzung)
An diesem Punkt zeigt sich die Komplexität des zugrunde liegenden Sachverhalts. Wie in der Einführung zu diesem Beispiel dargelegt,
ist es wichtig zu verstehen, dass sich aus der Sicherungsbeziehung eine Anpassung des Bruttobuchwerts und der fortgeführten
­Anschaffungskosten der Anleihe ergibt, die zu einem angepassten Effektivzinssatz führt. Dies folgt aus der Definition des Effektivzinssatzes als „Zinssatz, mit dem die geschätzten künftigen Ein- oder Auszahlungen über die erwartete Laufzeit des finanziellen Vermögenswerts oder der finanziellen Verbindlichkeit exakt auf den Bruttobuchwert des finanziellen Vermögenswerts oder die fortgeführten Anschaffungskosten der finanziellen Verbindlichkeit abgezinst werden“ sowie aus dem Effekt eines Fair Value Hedge, der darin
besteht, dass der Buchwert des Grundgeschäfts um den Gewinn/Verlust aus dem Sicherungsinstrument angepasst wird. In der folgenden
Tabelle wird die Berechnung dargestellt:
31. Dezember 2015
Vertraglich vereinbarte Cashflows
Jahr 3
Jahr 4
Jahr 5
5.000
5.000
5.000
105.000
(5.000)
(5.000)
(105.000)
98.163
Angepasster Bruttobuchwert1
5,5 %
Aktualisierter Effektivzinssatz2
Erwartete Cashflows
45.000
Angepasste fortgeführte Anschaffungskosten
(Nettobarwert zu 5,5 %)
42.644
Erwartete negative Zahlungsdifferenzen
Nettobarwert zu 5,5 %
Jahr 2
40.000
(55.519)
Ausfallwahrscheinlichkeit
Nettobarwert (wahrscheinlichkeitsgewichtet) –
entspricht dem erwarteten Kreditausfall
2%
(1.110)
1D
er angepasste Bruttobuchwert entspricht dem um die Fair-Value-Hedge-Anpassung bereinigten Bruttobuchwert und bildet die neue Grundlage für die Berechnung des
Effektivzinssatzes.
2 Der aktualisierte Effektivzinssatz ist der Zinssatz, der die vertraglich vereinbarten Cashflows exakt auf den angepassten Bruttobuchwert abzinst.
Die vorstehende Tabelle zeigt erneut, wie der erwartete Kreditausfall als Nettobarwert der negativen Zahlungsdifferenzen berechnet
wird, d. h. als Differenz zwischen den vertraglich vereinbarten und den erwarteten Cashflows zum jeweiligen Zeitpunkt. Die alter­
native Berechnung auf der Grundlage des wahrscheinlichkeitsgewichteten Barwerts für die beiden Szenarios [FW 98.163 × 98 % +
FW 42.644 × 2 % = FW 97.053] und die anschließende Ermittlung der Differenz zum Bruttobuchwert (einschließlich Fair-Value-HedgeAnpassung) führen zum selben Ergebnis [FW 97.053 – FW 98.163 = – FW 1.110].
128 | EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9
Beispiel A-1: Wechselbeziehung zwischen der Bewertungskategorie „erfolgsneutral zum beizulegenden Zeitwert“, der
­Fremdwährungsbewertung, der Bilanzierung von Fair Value Hedges und den Wertminderungsvorschriften (angelehnt an
Beispiel 14 der Anwendungsleitlinien) (Fortsetzung)
Diese Berechnung bedeutet, dass ein Wertminderungsgewinn von FW 32 (bzw. LW 45) ergebniswirksam erfasst wird. Dies ist dadurch
begründet, dass wir die erwarteten Cashflows trotz einer Erhöhung der Zinssätze um 0,5 % auf dem Vorjahresniveau beibehalten
­haben, um die buchungstechnischen Abläufe besser veranschaulichen zu können. Aufgrund des höheren Effektivzinssatzes werden
die erwarteten Verluste zu einem höheren Satz abgezinst. Drei Faktoren beeinflussen die Höhe des Wertminderungsaufwands: die
Aufzinsung, die Anpassung des Effektivzinssatzes und die Änderung des geschätzten Zeitpunkts des Zahlungsverzugs (Verschiebung
um zwölf Monate in die Zukunft, d. h. vom 31. Dezember 2015 zum 31. Dezember 2016). Die nachfolgende Tabelle zeigt eine Überleitung dieser Beträge:
31. Dezember 2015 (Beträge in FW)
Risikovorsorge zum 1. Januar 2015
(1.143)
Risikovorsorge des Vorjahres, Wertfortschreibung zum Abschlussstichtag
(zum Effektivzinssatz von 5 %)
(1.200)
Aufzinsung
(57)
Auswirkung der Anpassung des Effektivzinssatzes
32
Auswirkung der Änderungen von Schätzungen
57
Gesamtänderung der Risikovorsorge
32
Da wir das Muster der erwarteten negativen Zahlungsdifferenzen und ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit beibehalten haben, stellt die
Änderung der Schätzung lediglich den Effekt aus der Verschiebung des erwarteten Datums des Zahlungsausfalls um ein Jahr dar, der
die Aufzinsung in voller Höhe ausgleicht.
Gemäß IFRS 7 wird die Risikovorsorge für erfolgsneutral zum beizulegenden Zeitwert bewertete finanzielle Vermögenswerte nicht
­gesondert als Minderung des Buchwerts des finanziellen Vermögenswerts dargestellt.77 Die Gegenbuchung zum Wertminderungsgewinn
in Höhe von FW 32 (LW 45) wird folglich in derselben Berichtsperiode als Minderung des sonstigen Ergebnisses erfasst.
Da die Anleihe ein monetärer Vermögenswert ist, erfasst das Unternehmen die Auswirkungen von Änderungen der Wechselkurse
­gemäß IAS 21 Auswirkungen von Wechselkursänderungen im Periodenergebnis. Sonstige Änderungen erfasst es in Übereinstimmung
mit IFRS 9.78 Der Vermögenswert wird als zu fortgeführten Anschaffungskosten in der Fremdwährung bewertet ausgewiesen.79
Die seit dem 1. Januar 2015 eingetretene Änderung des beizulegenden Zeitwerts der Anleihe beträgt LW 34.918 und wird als Fair-ValueAnpassung des Buchwerts der Anleihe in der Bilanz des Unternehmens erfasst.
77 Siehe IFRS 7.16 A.
78 Siehe IAS 21.23(a) und 28.
79 Siehe IAS 21.28.
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 | 129
14
Anhang
Beispiel A-1: Wechselbeziehung zwischen der Bewertungskategorie „erfolgsneutral zum beizulegenden Zeitwert“, der
­Fremdwährungsbewertung, der Bilanzierung von Fair Value Hedges und den Wertminderungsvorschriften (angelehnt an
Beispiel 14 der Anwendungsleitlinien) (Fortsetzung)
Der Gewinn in Höhe von LW 39.543, der aus Änderungen der Wechselkurse resultiert, wird im Periodenergebnis erfasst.
Er umfasst die Auswirkungen der Wechselkursänderungen im Jahr 2015
• auf den ursprünglichen Bruttobuchwert der Anleihe (LW 40.000),
• gemindert durch die für die Anleihe gebildete Risikovorsorge (LW 457).
Die Differenz zwischen der Änderung des beizulegenden Zeitwerts (LW 34.918) und dem im Periodenergebnis erfassten Gewinn
(LW 39.543), der aus Änderungen der Wechselkurse resultiert, wird im sonstigen Ergebnis erfasst. Diese Differenz beläuft sich auf
LW 4.625.
Ein Gewinn in Höhe von LW 2.572 (FW 1.837) aus dem Swap wird im Periodenergebnis erfasst. Da angenommen wird, dass in der
­Sicherungsbeziehung keine Unwirksamkeit auftritt, entspricht dieser Betrag dem Verlust aus dem Grundgeschäft (als absoluter
­Betrag). Da es sich um ein Fair Value Hedge eines erfolgsneutral zum beizulegenden Zeitwert bewerteten Schuldinstruments handelt,
wird dieser Verlust in derselben Periode aus dem sonstigen Ergebnis umgegliedert.
Situation zum 31. Dezember 2016
Zum 31. Dezember 2016 (Abschlussstichtag) liegen folgende Sachverhalte vor:
• Der beizulegende Zeitwert der Anleihe hat sich weiter verringert: von FW 96.370 auf FW 87.114.
• Der beizulegende Zeitwert des Swaps hat sich auf FW 2.092 erhöht.
• Aufgrund der negativen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in der Branche, in der der Anleiheemittent tätig ist, geht das Unternehmen von einem erheblichen Anstieg des Kreditrisikos seit dem erstmaligen Ansatz aus und erfasst die über die Gesamtlaufzeit
erwarteten Verluste aus der Anleihe.
• Das Unternehmen aktualisiert seine Wertminderungsschätzung und schätzt die über die Gesamtlaufzeit erwartete Ausfallwahrscheinlichkeit nun auf 20 % und den Verlust infolge Zahlungsausfalls auf FW 48.500, woraus sich eine (nicht abgezinste) erwartete negative Zahlungsdifferenz von FW 9.700 ergibt. (Zur Vereinfachung wird in diesem Beispiel angenommen, dass der Zahlungsausfall bei
Fälligkeit [Zeitpunkt, zu dem der Gesamtnennwert fällig wird] eintritt).
Am 31. Dezember 2016 liegt der Wechselkurs bei FW 1 zu LW 1,25.
130 | EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9
Beispiel A-1: Wechselbeziehung zwischen der Bewertungskategorie „erfolgsneutral zum beizulegenden Zeitwert“, der
­Fremdwährungsbewertung, der Bilanzierung von Fair Value Hedges und den Wertminderungsvorschriften (angelehnt an
Beispiel 14 der Anwendungsleitlinien) (Fortsetzung)
Die nachfolgende Tabelle zeigt die Beträge, die zwischen dem 31. Dezember 2015 und dem 31. Dezember 2016 im Jahresabschluss
erfasst werden, sowie die Nebenrechnung für die fortgeführten Anschaffungskosten der Anleihe (Soll- und Habenposten werden als
positive bzw. negative Beträge dargestellt):
Jahresabschluss
FW
Nebenrechnung
LW
FW
LW
100.000
125.000
(8.195)
(10.244)
91.805
114.756
Bilanz
Anleihe (beizulegender Zeitwert)
Swap (beizulegender Zeitwert)
87.114
108.893 Bruttobuchwert
2.092
2.615 Risikovorsorge
Fortgeführte Anschaffungskosten
Gewinn- und
Verlustrechnung
Wertminderung
Fair Value Hedge (Anleihe)
7.085
8.856 Fair-Value-Hedge-Anpassung
(2.092)
(2.615)
255
319 Angepasster Bruttobuchwert
97.908
122.385
89.713
112.141
Währungsgewinne/-verluste (Anleihe)
14.558 Angepasste fortgeführte Anschaffungskosten
abzgl. Bruttobuchwert
15.000
abzgl. Risikovorsorge
(167)
abzgl. Fair Value Hedge
(276)
Fair Value Hedge (Swap)
(255)
(319)
Währungsgewinne/-verluste (Swap)
276
Gesamtergebnisrechnung
Änderungen des beizulegenden
Zeitwerts
9.256
11.468
Saldierung der Wertminderung
(7.085)
(8.856)
(255)
(319)
Fair-Value-Hedge-Recycling
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 | 131
14
Anhang
Beispiel A-1: Wechselbeziehung zwischen der Bewertungskategorie „erfolgsneutral zum beizulegenden Zeitwert“, der
­Fremdwährungsbewertung, der Bilanzierung von Fair Value Hedges und den Wertminderungsvorschriften (angelehnt an
Beispiel 14 der Anwendungsleitlinien) (Fortsetzung)
Ähnlich wie in der Situation zum 31. Dezember 2015 führt die Anpassung des Fair Value Hedge zu einem angepassten Effektivzinssatz.
Die folgende Tabelle stellt die Berechnung dar:
31. Dezember 2016 (Beträge in FW)
Jahr 3
Jahr 4
Jahr 5
Vertraglich vereinbarte Cashflows
5.000
5.000
105.000
5.000
5.000
56.500
–
–
(48.500)
Angepasster Bruttobuchwert1
97.908
Aktualisierter Effektivzinssatz
5,8 %
2
Erwartete Cashflows
Angepasste fortgeführte Anschaffungskosten
(NBW zu 5,8 %)
56.931
Erwartete negative Zahlungsdifferenzen
Nettobarwert zu 5,8 %
Ausfallwahrscheinlichkeit
Nettobarwert (wahrscheinlichkeitsgewichtet) –
entspricht dem erwarteten Kreditausfall
(40.977)
20 %
(8.195)
1D
er angepasste Bruttobuchwert entspricht dem um die Fair-Value-Hedge-Anpassung bereinigten Bruttobuchwert und bildet die neue Grundlage für die Berechnung
des Effektivzinssatzes.
2 Der aktualisierte Effektivzinssatz ist der Zinssatz, der die vertraglich vereinbarten Cashflows exakt auf den angepassten Bruttobuchwert abzinst.
Die vorstehende Tabelle zeigt erneut, wie der erwartete Kreditausfall als Nettobarwert der negativen Zahlungsdifferenzen berechnet
wird, d. h. als Differenz zwischen den vertraglich vereinbarten und den erwarteten Cashflows zum jeweiligen Zeitpunkt. Die alter­
native Berechnung auf der Grundlage des wahrscheinlichkeitsgewichteten Barwerts für die beiden Szenarios [FW 97.908 × 80 % +
FW 56.931 × 20 % = FW 89.713] und die anschließende Ermittlung der Differenz zum Bruttobuchwert (einschließlich Fair-Value-HedgeAnpassung) führen zum selben Ergebnis [FW 89.713 – FW 97.908 = – FW 8.195].
132 | EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9
Beispiel A-1: Wechselbeziehung zwischen der Bewertungskategorie „erfolgsneutral zum beizulegenden Zeitwert“, der
­Fremdwährungsbewertung, der Bilanzierung von Fair Value Hedges und den Wertminderungsvorschriften (angelehnt an
Beispiel 14 der Anwendungsleitlinien) (Fortsetzung)
Zum 31. Dezember 2016 wirken sich drei Faktoren auf den im Periodenergebnis erfassten Wertminderungsaufwand von FW 8.398
(LW 10.498) aus: die Aufzinsung, die Anpassung des Effektivzinssatzes und die Erhöhung des Kreditrisikos (Änderung der Schätzung).
Die nachfolgende Tabelle zeigt eine Überleitung dieser Beträge:
31. Dezember 2015 (Beträge in FW)
Risikovorsorge zu Beginn der Berichtsperiode
(1.110)
Risikovorsorge des Vorjahres, Wertfortschreibung zum Abschlussstichtag
(zum Effektivzinssatz von 5,5 %)
(1.172)
Aufzinsung
(61)
Auswirkung der Anpassung des Effektivzinssatzes
60
Auswirkung der Änderungen von Schätzungen
(7.083)
Gesamtänderung der Risikovorsorge
(7.085)
Die Gegenbuchung zum Wertminderungsaufwand von FW 7.085 (LW 8.856) wird in derselben Periode im sonstigen Ergebnis erfasst.
Die seit dem 31. Dezember 2015 eingetretene Verringerung des beizulegenden Zeitwerts der Anleihe beträgt LW 26.026 und wird in
der Bilanz des Unternehmens als Fair-Value-Anpassung des Buchwerts der Anleihe erfasst.
Der Verlust in Höhe von LW 14.558, der aus Änderungen der Wechselkurse resultiert, wird im Periodenergebnis erfasst. Er umfasst
die Auswirkungen der Wechselkursänderungen im Jahr 2015
• auf den ursprünglichen Bruttobuchwert der Anleihe (Verlust von LW 15.000),
• gemindert durch die für die Anleihe gebildete Risikovorsorge (LW 167),
• gemindert durch die Fair-Value-Hedge-Anpassung (LW 267).
Die Differenz zwischen der Änderung des beizulegenden Zeitwerts (Rückgang von LW 26.026) und dem im Periodenergebnis erfassten
Verlust (LW 14.558), der aus Änderungen der Wechselkurse resultiert, wird im sonstigen Ergebnis erfasst. Diese Differenz beläuft sich
auf LW 11.468.
Ein Gewinn in Höhe von LW 319 (FW 255) aus dem Swap wird im Periodenergebnis erfasst. Da davon ausgegangen wird, dass in der
Sicherungsbeziehung keine Unwirksamkeit auftritt, entspricht dieser Betrag dem Verlust aus dem Grundgeschäft (als absoluter Betrag).
Da es sich um einen Fair Value Hedge eines erfolgsneutral zum beizulegenden Zeitwert bewerteten Schuldinstruments handelt, wird
dieser Verlust in derselben Periode aus dem sonstigen Ergebnis umgegliedert.
EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9 | 133
14
Anhang
Beispiel A-1: Wechselbeziehung zwischen der Bewertungskategorie „erfolgsneutral zum beizulegenden Zeitwert“, der
­Fremdwährungsbewertung, der Bilanzierung von Fair Value Hedges und den Wertminderungsvorschriften (angelehnt an
Beispiel 14 der Anwendungsleitlinien) (Fortsetzung)
Situation zum 1. Januar 2017
Am 1. Januar 2017 beschließt das Unternehmen, die Anleihe zu einem Preis von FW 87.114, dem beizulegenden Zeitwert der Anleihe zu
diesem Stichtag, zu veräußern und den Swap ebenfalls zum beizulegenden Zeitwert aufzulösen. Zur Vereinfachung wurde angenommen,
dass alle Beträge einschließlich des Wechselkurses den Beträgen zum 31. Dezember 2016 entsprechen.
Bei Ausbuchung gliedert das Unternehmen den kumulierten Betrag in Höhe von LW –3.248 (FW –2.599) vom sonstigen Ergebnis in das
Periodenergebnis um. Dieser Betrag entspricht der Differenz zwischen dem beizulegenden Zeitwert und dem Betrag der angepassten
fortgeführten Anschaffungskosten der Anleihe zum Zeitpunkt ihrer Ausbuchung.
Die nachfolgende Tabelle zeigt eine Überleitung dieser Beträge.
Überleitung des Verlusts bei Ausbuchung (Beträge in LW) zum kumulierten sonstigen Ergebnis
Beizulegender Zeitwert
zum 1. Januar 2017
87.114
Angepasste fortgeführte
Anschaffungskosten zum
1. Januar 2017
89.713
Verlust
(2.599)
Kumuliertes
­sonstiges Ergebnis
Änderungen des beizulegenden
Zeitwerts
1. Jan. 2015
31. Dez. 2015
31. Dez. 2016
12.886
—
3.630
9.256
Wertminderung
(8.195)
(1.143)
32
(7.085)
Fair-Value-Hedge-Recycling
(2.092)
—
(1.837)
(255)
Umzugliederndes sonstiges
Gesamtergebnis
2.599
Diese Tabelle zeigt den Betrag, der noch nicht umgegliedert worden ist und daher bei Ausbuchung in das Periodenergebnis umgegliedert
werden muss.
134 | EY Wertminderungen finanzieller Vermögenswerte nach IFRS 9
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