Therapie des DM II mit OAD 05 08 11

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Therapie des DM II mit OAD 05 08 11
G. Gabriëls
Therapie des Diabetes mellitus II mit oralen Antidiabetika
Therapie des Diabetes mellitus Typ II
mit oralen Antidiabetika
PD Dr. med. Gert Gabriëls, Medizinische Klinik und Poliklinik D, UKM
Einführung
Die Behandlung von Patienten mit Diabetes mellitus Typ II beruht vor allem auf Bewußtmachung und Schulung,
die auf die Umstellung der Lebensweise vor allem in Bezug auf das Bewegungspensum und die
Ernährungsweise der Betroffenen zielen. Diese sind die Säulen der Therapie.
Darüber hinaus wird jedoch bei vielen Patienten eine medikamentöse Behandlung nötig, welche unter
Berücksichtigung des Stadiums der Erkrankung und der individuellen Gegebenheiten des Patienten die
Insulinresistenz vermindert und die Insulinsekretion optimiert.
Folgende Ziele haben sich die Diabetes-Gesellschaften Blutglukosestoffwechsel-Optimierung gestellt:
HbA1c (%)
Nüchtern-BZ
(mg/dl)
= 120
= 110
ADA (USA)
= 7,0
IDF(Europa)
= 6,5
Diabetic Medicine 16: 716, 1999
Dass eine medikamentöse Therapie im Vergleich zu Diät allein wirksam sein kann hat die UKPD-Studie gezeigt
(Lancet 352: 837, 1998). Eine Verminderung des HbA1c um -1% hat folgende Reduktionen der Inzidenzen zur
Folge: -35% Mikrovaskuläre Endpunkte
-18% Myokard-Infarkte
-17% Mortalität
Bezüglich der medikamentösen Therapie des Diabetes mellitus Typ II gibt es folgende 3 Optionen der
medikamentösen oralen Therapie:
I.
Modifikation der intestinalen Absorption von Kohlenhydraten
α-Glukosidase-Hemmstoffe
II.
Verstärkung der Insulin-Sensitivität
Biguanide, Thiazolidindione ~ Glitazone
III.
Verstärkung der Insulin-Freisetzung
Sulfonylharnstoffe, Glinide
Modifikation der intestinalen Absorption von Kohlenhydraten:
α-Glucosidase-Hemmstoffe
Substanz
Acarbose
Miglitol
Handelsname
Glucobay®
Diastabol®
Darreichungsform
50, 100 mg Tbl
50, 100 mg Tbl
sinnvolle Dosierungen
3 x 50 bis 3 x 100 mg
3 x 50 bis 3 x 100 mg
Mechanismus: im oberen Gastrointestinaltrakt:
Umsetzung von Kohlenhydraten zu Monosacchariden ↓
Absorption von Glukose ↓
postprandialer Anstieg des BZ ↓ (Die DECODE-Studie zeigte, dass vor allem mit den postprandialen
Glukosespitzen die kardiovaskuläre Mortalität steigt [Lancet 354: 617, 1999]).
Mittels der MeRiA-Studie (Hanefeld M et al. Eur Heart J 25: 10, 2004) wurde dargestellt, dass mit Acarbose
kardiovaskuläre Endpunkte verhindert werden können.
Im Vergleich mit Placebo reduziert Acarbose vor allem den postprandialen-BZ und den HbA1c um 0,4–0,9%.
G. Gabriëls
Therapie des Diabetes mellitus II mit oralen Antidiabetika
α-Glukosidase-Hemmstoffe sind
geeignet für Patienten mit
- frühen Diabetes-Stadien
- steilen postprandialen BZ-Anstiegen
- Übergewicht
nicht geeignet für Patienten mit
- schlechter Stoffwechselsituation
- schlechter Compliance
- Anfälligkeit für gastrointestinale Beschwerden
- Darmerkrankungen
Therapie der mangelnden Insulinsensitivität
Biguanide
Substanz
Metformin
Handelsname
Glucophage®
Darreichungsform
500, 850, 1000 mg Tbl
Thiazolidindione ~ Glitazone
Substanz
Rosiglitazon
Pioglitazon
Handelsname
Avandia®
Actos®
Darreichungsform
4, 8 mg Tbl
15, 30, 45 mg Tbl
Biguanide
Metformin
- steigert Insulinsekretion nicht,
- hepatische Glc-Ausschüttung↓,
- Insulin-vermittelte, nicht-oxidative Glc-Utilisation↑
→ Laktat↑ (Die wichtigste Nebenwirkung, die Laktatazidose tritt 9 : 100.000 Patienten-Jahre auf)
- Lipolyse↓, FFA↓ (Trigl.↓, LDL↓, HDL↑, → Substrat für Glukoneogenese↓)
- reduziert den nüchtern-BZ um ~ 20%
- reduziert das Gewicht mäßig
Nebenwirkungen
- metallischer Geschmack, milde Anorexie, Übelkeit, Diarrhoe
- intestinale Absorption von Vitamin B12↓
Pause in der Therapie sollten bei allen Eingriffen eingelegt werden, welche mit hypoxischen Zuständen
einhergehen können: bei OPs, 48 Stunden nach der Gabe von Jod-haltigem Kontrastmittel
Metformin ist
geeignet für Patienten mit
- Adipositas (I. Wahl)
- ausgeprägter nüchtern-Hyperglykämie
- SH-Versagen (add on)
nicht geeignet für Patienten mit
- Niereninsuffizienz (Ältere!)
- Leberinsuffizienz
- schwerer Herzinsuffizienz
- schwerer COPD, Asthma
- Reduktionsdiät (<1000kcal/d)
- schwerem Infekt
- großen OPs
- KM-Exposition
- bekannter Laktazidose
G. Gabriëls
Therapie des Diabetes mellitus II mit oralen Antidiabetika
Thiazolidindione ~ Glitazone
Thiazolidinedione: im Fett-, Leber-, Muskelgewebe:
Insulin-Sensitivität↑,
Glukose-Transport-Aktivität↑,
Muskelglykogensynthese↑, Glukoseoxidierung↑
Rosiglitazon
(2 x / d)
Pioglitazon
(1 x / d)
mehr Gewichtszunahme als Metformin, Flüssigkeitsretetion,
Monotherapie / Kombi mit Metformin, SH, oder Insulin
effektiver in Kombi mit anderen Antidiabetika (Metformin, SH, Insulin)
Anwendung nur bei KI gegen Metformin
teuerer als alle anderen OAD
Glitazone sind
geeignet für Patienten mit
- ausgeprägter Insulinresistenz
- frühen Diabetes-Stadien
- Dyslipidämie (Pioglitazon)
nicht geeignet für Patienten mit
- Herzinsuffizienz (NYHA III-IV)
- Leberinsuffizienz
- Ödemneigung
- Wunsch zur Gewichtsreduktion
- Insulintherapie
Überwachung des Gewichts !
regelmäßige Überwachung der Leberenzyme !
Steigerung der Insulinsekretion
Sulfonylharnstoffe
Glibenclamid
Glimepirid
Gliquidon
Glipizid
(Euglucon®
(Amaryl®
(Glurenorm®
(Minidiab®, Glibenese®
1,75, 3,5 mg Tbl)
1, 2, 3 mg Tbl)
30 mg Tbl)
5 mg Tbl)
(Novonorm®
(Starlix®
0,5, 1, 2 mg Tbl)
60, 120 mg Tbl)
Glinide
Repaglinid
Nateglinid
Sulfonylharnstoffe (SH)
Rezeptor: Teil des ATP-abh. K+-Kanals: SH-Bindung: Hemmung, Depolarisation, Ca++-Influx, Sekretion ↑
senken BZ um ~ 20%; Wirksamkeit der verschiederner Präparate ähnlich
lange HWZ (Glibenclamid, Glimepirid) 1x/d, nächtlicher Glukoseabfall
kurze HWZ (Glipizid)
geringere Hypo-Neigung
typischer Beginn einer SH-Therapie: 2,5 mg Glipizid 30 Minuten vor dem Frühstück
BZ in 2-4 Wo nicht O.K.: 5 mg, dann 10 mg
Glibenclamid:
maximal: 20 mg/d
Glipizid: kürzere HWZ
2 x 5 mg,
maximal: 40 mg/d
Hypoglykämie, v.a. bei langwirksamen SH: Risikofaktoren: Alter, Alkoholabusus, Mangelernährung, NI
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Therapie des Diabetes mellitus II mit oralen Antidiabetika
Sulfonylharnstoffe sind
geeignet für Patienten mit
- Normgewicht (I. Wahl)
- Versagen nicht-insulinotroper OAD (add on)
- schlechter Compliance (Glimepirid)
- leichter bis mäßiger NI (bes. Glimepirid, Gliquidon)
- erhöhtem nü- und pp-BZ
nicht geeignet für Patienten mit
- Adipositas
- schwerer Leber- oder Niereninsuffizienz
(Gliquidon auch bei schwerer NI möglich)
- Hypo-Neigung
(weniger problematisch für Glimepirid)
Glinide
regulieren ATP-abh. K+-Kanäle, andere Rezeptoren
ähnliche Wirkung und Wirksamkeit wie SH
Repaglinid
kurzwirksam, Maximaleffekt nach 45-80 min
kein Dauerstimulus der ß-Zellen
Elimination über die Leber
initial: 3 x 0,5 mg; maximal 3 x 4 mg
Nateglinid
Monotherapie oder Kombination
als Monotherapie weniger effektiv als Metformin,
Kombination effektiver als jede Substanz einzeln (HbA1c)
Vergleich mit Glibenclamid:
Glibenclamid größeren Effekt auf nüchtern BZ
Nateglinid: postprandialer BZ wird um 64% gesenkt
Glinide sind
geeignet für Patienten mit
- Wunsch nach sehr flexibler Therapie
- ausgeprägtem pp-BZ ↑
- Niereninsuffizienz
nicht geeignet für Patienten mit
- mit schlechter Compliance
- schwerer Leberinsuffizienz
Reduktion postprandialer Glukosespitzen
Resorptionsverzögerer
s.o. Acarbose, Mglitol
Glinide
s.o. Nateglinid, Repaglinid
G. Gabriëls
Therapie des Diabetes mellitus II mit oralen Antidiabetika
Auf einen Blick: erhältliche orale Antidiabetika:
Typ
α-GlucosidaseHemmstoffe
Biguanide
Thiazolidindione
(Glitazone)
Sulfonylharnstoffe
Glinide
Mechanismus
Glc-Absorption↓
hepat. GlcProduktion↓
periph. GlcAblagerung↑
Insulin-Skretion↑
Insulin-Skretion↑
Vorteile
pp Glykämie↓
keine Hypos,
nicht systemisch
etabliert, Gewicht↓
Ø Hypos, mikro-+
makrovas. Risiko ↓
Lipid↓ Fibrinolyse↑
[Insulin]↓
Ø Hypos, Lipide↓
Fibrinolyse ↑
[Insulin]↓,
evtl. ß-Zell-Schutz
etabliert
mikrovask. Risiko↓
gut anzuwenden
pp Glykämie↓
weniger Hypos /
Gewicht↑ als SH,
geringe renale
Ausscheidung
Nachteile
3x/d
GI-NW
GI-NW, viele KI,
Laktat-Azidose
Leber-Kontrollen,
Gewicht↑, Ödeme,
langs.Wirkbeginn
Hypos,
Gewicht↑,
[Insulin]↑
3 x / d,
Hypos,
Gewicht↑,
[Insulin]↑
Anwendung
Mono-,
Kombi mit SH
Mono-, Kombi- mit
SH, Gliniden,
Glitazonen, Insulin
Mono-, Kombi- mit
Metformin, SH,
Insulin
Mono-, Kombi- mit
AGI, Metformin,
Glitazonen, Insulin,
Mono-,
Kombi- mit
Metformin
Orale Antidiabetika sollten kombiniert werden, da die Therapie mit einer Kombination von oralen Antidiabetika zu
einer HbA1c-Senkung von ~ 2 - 4% führt, während eine Monotherapie im Mittel zu einer HbA1c-Senkung von 0,8
bis 1,6% führt.
Stufentherapie des Typ II Diabetes
Basistherapie: Ernährung, Gewichtsreduktion, Schulung, Bewegung
HbA1c-Zielwert: ≤ 6,5 %, Intervention ≥ 7%
Bei HbA1c > 7% nach 3 Monaten
erstes orales Antidiabetikum
bei Übergewicht
Monotherapie mit Metformin
weitere Optionen
bei Normalgewicht
Monotherapie mit Glibenclamid
Alpha-Glukosidase-Hemmstoffe
Insulin
wenn KI: Suflonylharnstoffe
Glinide
Bei HbA1c > 7% nach 3 Monaten
andere Sulfonylharnstoffe
zweites orales Antidiabetikum
bei Metformintherapie
bei Sulfonylharnstoff-Therapie
Acarbose
Glitazone oder
Glinide
Glukosidasehemmstoffe
Glitazone oder
Metformin
Sulfonylharnstoffe
weitere Optionen
Bedtime-Insulin + Metformin
(SH/Glinide=B.O.T.)
präprandial kurzwirksames
Insulin, abends Metformin
Bei HbA1c > 7% nach 3 Monaten
+ Insulin
zusätzlich Bedtime-Verzögerungs-Insulin
konventionelle Insulintherapie / ICT / Insulinpumpe
CT / ICT
G. Gabriëls
Therapie des Diabetes mellitus II mit oralen Antidiabetika
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Priv.-Doz. Dr. med. Gert Gabriëls
Medizinische Klinik und Poliklinik D, UKM
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