LEITLINIEN für die Praxis - Österreichische Diabetes Gesellschaft
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LEITLINIEN für die Praxis - Österreichische Diabetes Gesellschaft
LEITLINIEN für die Praxis K U R Z FA S S U N G D i a b e t e s m e l l i t u s www.oedg.org IMPRESSUM: Herausgeber: Österreichische Diabetes Gesellschaft Währingerstraße 76/13, 1090 Wien, Tel: +43/0/650/77 03 378, Fax: +43/1/26 45 229 www.oedg.org Verlag: Universimed Verlags- und Service GmbH, Markgraf-Rüdiger-Straße 8, 1150 Wien Redaktion: Dr. Maria Radlspöck, Grafik & Layout: Gregor Adamcik Lektorat: Daphne Mark Druck: AV+Astoria Druckzentrum, 1030 Wien Grundlage dieser praxisbezogenen Kurzfassung stellt die in Acta Medica Austriaca Vol. 31/5 2004 erschienene ausführliche Version von „Diabetes mellitus – Leitlinien für die Praxis“ dar. Der auszugsweise Nachdruck erfolgte mit freundlicher Genehmigung des Springer Verlages. Publikation in Zusammenarbeit mit der ÖDG Vorwort Diabetes mellitus stellt auch in Österreich eine große medizinische Herausforderung dar. Flächendeckende Maßnahmen zu Prävention, Früherkennung und Betreuung bedürfen noch intensiver Entwicklung und Verbesserung. Über die Therapieziele sowie den Einsatz verschiedener Therapieformen und regelmäßiger Vorsorgeuntersuchungen zur Vermeidung der Folgeschäden gab und gibt es viele Meinungen. Die Österreichische Diabetes Gesellschaft (ÖDG) als medizinische Fachgesellschaft entwickelte daher Leitlinien zur umfassenden Betreuung der DiabetikerInnen in Österreich. Die Ergebnisse der Arbeit des Ausschusses „Leitlinien der ÖDG“ wurden einem großen Forum österreichischer Fachleute zur Begutachtung vorgelegt, danach entsprechend überarbeitet und in Acta Medica Austriaca publiziert. Die vorliegende Kurzversion der Leitlinien soll nun als handlicher Begleiter in Fragen der praktischen Betreuung von DiabetikerInnen dienen. Mein Dank gilt allen Mitgliedern des Ausschusses und Gutachtern, im Besonderen aber Herrn Ao. Univ.-Prof. Dr. Thomas Wascher für seine engagierte und kompetente Koordination des Ausschusses. Ich hoffe, dass die Leitlinien den geforderten Beitrag zur Verbesserung und Strukturierung der Betreuung der DiabetikerInnen in Österreich leisten werden. Prim. Ao. Univ.-Prof. Dr. Michael Roden, 1. Medizinische Abteilung, Hanusch-Krankenhaus, Wien, Österreich Oktober 2005 3 Definition, Klassifikation und Diagnose des Diabetes mellitus Manifester Diabetes mellitus Klassische Diabetes-Symptome UND Nicht-Nüchternglukose ≥200 mg/dl ODER Nicht-Nüchternglukose ≥200mg/dl an 2 verschiedenen Tagen ODER Nüchternglukose ≥126 mg/dl an 2 verschiedenen Tagen ODER Glukose ≥200 mg/dl, 2 Stunden nach 75 g Glukose (oGTT) Gestörte (abnorme) Nüchternglukose („impaired fasting glucose“, IFG) Nüchternglukose >100mg/dl, aber ≤125 mg/dl an 2 verschiedenen Tagen Gestörte Glukosetoleranz („impaired glucose tolerance“, IGT) Glukose >140 mg/dl, aber <200 mg/dl 2 Stunden nach 75g Glukose (oGTT) 4 Definition, Klassifikation und Diagnose des Diabetes mellitus Äquivalenz-Werte der Glukosekonzentration in Plasma und Vollblut Plasma Venös Kapillär Vollblut Venös Kapillär <100 <5,6 <100 <5,6 <90 <5,0 <90 <5,0 Nüchtern-Wert Normal mg/dl mmol/l Gestörte mg/dl Nüchtern- mmol/l Glukose 100–125 100–125 5,6–6,9 5,6–6,9 90–109 5,0–6,1 90–109 5,0–6,1 Diabetes mellitus ≥126 ≥7,0 ≥126 ≥7,0 >110 >6,1 >110 >6,1 <160 <8,9 <120 <6,7 <140 <7,8 mg/dl mmol/l 2-h-Wert (75 g oGTT) Normal mg/dl mmol/l <140 <7,8 Gestörte Glukosetoleranz mg/dl mmol/l 140–199 160–219 7,8–11,1 8,9–12,1 120–179 140–199 6,7–9,9 7,8–11,1 Diabetes mellitus mg/dl mmol/l ≥200 ≥11,1 ≥180 ≥10,0 ≥220 ≥12,2 ≥200 ≥11,1 5 Screening und Prävention Risikofaktoren für T2DM Alter ≥45 Jahre Metabolisches Syndrom nach NCEP-3-Kriterien Abdominelles Übergewicht: Bauchumfang Männer >102 cm, Frauen >88 cm Triglyzeride ≥150 mg/dl HDL-Cholesterin: Männer <40 mg/dl Frauen <50 mg/dl Blutdruck ≥130/85 mmHg Nüchternblutzucker ≥110 mg/dl IFG oder IGT zu einem früheren Zeitpunkt Vorangegangener Schwangerschaftsdiabetes oder Geburt eines Kindes mit >4,5 kg Körpergewicht Polyzystisches Ovarialsyndrom Gefäßerkrankung 6 Lebensstil Ziele der Intervention BMI: <25 kg/m2 <27 kg/m2 Bauchumfang: Männer <100 cm Frauen <90 cm Nikotin: Stop Bewegung: 3–4 x pro Woche 30–60 Minuten optimal ausreichend Zielwerte der Intervention bezüglich Blutzucker, Lipiden und Blutdruck: siehe spezifische Leitlinien 7 8 BMI <26 k g/m2 Monotherapie mit Sulfonylharnstoff Zweites orales Antidiabetikum HbA1c nach 3 Monaten ≥7,0 % BMI ≥26 k g/m2 Monotherapie mit Metformin, wenn Kontraindikationen: Glitazone oder SH HbA1c nach 3 Monaten ≥7,0 %* Weitere Optionen: •Kombination mit Insulin •Insulintherapie (s. Leitlinie Insulintherapie) Weitere Optionen: •Alpha-Glukosidasehemmer •Glinide Basistherapie: Ernährung, Gewichtsreduktion, Schulung, Bewegung HbA1c-Zielwert: ≤6,5 % Intervention: ab ≥7,0 % Stufenplan der oralen antidiabetischen Therapie des Typ-2-Diabetes Therapie mit oralen Antidiabetika Kombination mit Insulin Insulintherapie (s. Leitlinie Insulintherapie) Vorstellung in einem Diabeteszentrum oder bei einem FA für Innere Medizin *bei hohem Ausgangswert sind auch längere Zeiträume möglich Weitere Optionen: Orale Dreierkombination (nicht mit Glitazonen) Bei SH-Therapie •Metformin •Glitazone •Alpha-Glukosidasehemmer HbA1c nach 3 Monaten ≥7,0 % Bei Metformintherapie •Glitazone •Alpha-Glukosidasehemmer •Sulfonylharnstoffe •Glinide Therapie mit oralen Antidiabetika 9 10 Ende Diagnoseprozess Kontrolle in 3 Monaten Beginn Diagnoseprozess Insulintherapie nein Kombination mit angepassten OADs oder Insulin alleine ja Therapieänderung notwendig? HbA1c Nüchternblutzucker pp Blutzucker HbA1c Nüchternblutzucker pp Blutzucker Ziel erreicht? ja Ende Diagnoseprozess Kontrolle in 3 Monaten Insulintherapie Ende Diagnoseprozess Kontrolle in 3 Monaten ja nein Ziel erreicht? HbA1c Nüchternblutzucker pp Blutzucker 3 Monate Intervall Therapieanpassung 3 Monate Intervall nein Insulintherapie 11 Therapie mit oralen Antidiabetika Zielwerte Die Tabelle führt die von der EDPG und ADA empfohlenen Zielwerte an. European Diabetes Policy Group ADA Risiko niedrig makrovask. mikrovask. HbA1c (%) ≤6,5 >6,5 >7,5 ≤7,0 BG nüch. (mg/dl)* ≤110 >110 >125 90–130 BG peak pp (mg/dl)* ≤135 >135 >160 <180 *Werte für Plasmaglukose mit Ausnahme der europäischen postprandialen Werte (kapilläre Selbstmessung) Dabei stellt das HbA1c das primäre Target der Therapie dar. Postprandiale Glukose und Nüchternglukose stellen sekundäre und tertiäre Targets dar. Individuelles Therapieziel Wenn auf Grund der individuellen Situation des Patienten (z.B. Alter, Multimorbidität, geringe Lebenserwartung) eine Prävention nicht mehr im Vordergrund der Therapie steht, können individuell höhere Zielwerte vereinbart werden. 12 Antihypertensive Therapie Antihypertensive Therapie bei Patienten mit Diabetes mellitus Blutdruckzielwert: <130/80 mmHg* *<120/80 mmHg bei diabet. Nephropathie Einleitung einer Pharmakotherapie ABCD (alphabetische Reihenfolge) plus Diät + Lebensstilmodifikation ACE-Inhibitoren/AT1-Blocker Beta-Blocker Calcium-Antagonisten Diuretika (niedrig-dosiert) Zielwert nicht erreicht Dosissteigerung 2. Antihypertensivum Zielwert nicht erreicht 2. oder 3. Antihypertensivum (Diuretikum sollte ... jetzt enthalten sein) 13 Lipide: Diagnostik und Therapie bei Diabetes mellitus Typ 2 Indikation zur medikamentösen Therapie Nach erfolgter Lebensstilmodifikation sind folgende Lipidwerte als Indikationen für eine lipidsenkende Therapie zu sehen. ■LDL-Cholesterin: ■HDL-Cholesterin: ■Triglyzeride: >100 mg/dl < 40 mg/dl >200 mg/dl Therapieziele Unter medikamentöser lipidsenkender Therapie sollten folgende Lipidwerte angestrebt werden: ■LDL-Cholesterin: <100 mg/dl 100–130 mg/dl ■Nicht-HDL-Cholesterin: <130 mg/dl <160 mg/dl ■Triglyzeride: <150 mg/dl 150–200 mg/dl ■HDL-Cholesterin > 60 mg/dl > 40 mg/dl optimal ausreichend optimal ausreichend optimal ausreichend optimal ausreichend Das primäre Ziel der Therapie ist das LDL-Cholesterin. Bleiben die Triglyzeride nach Einleitung einer Statintherapie >200 mg/dl, wird das Nicht-HDL-Cholesterin (Gesamt-Chol. minus HDL-Chol.) zum primären Ziel. Anzustreben ist ein Nicht-HDL-Cholesterin <130 mg/dl. Danach werden HDL-Cholesterin zum sekundären und Triglyzeride zum tertiären Ziel. 14 Lipide: Diagnostik und Therapie bei Diabetes mellitus Typ 2 Initiale Therapie In den meisten Fällen wird daher ein Statin zur initialen Therapie herangezogen werden. Die initiale Auswahl ist jedenfalls aber vom Lipidstatus abhängig. ■Triglyzeride >400 mg/dl: unabhängig vom LDL Fibrat oder Niacin ■HDL <40 mg/dl, LDL <130 mg/dl: eine initiale Therapie mit einem Fibrat kann alternativ überlegt werden. Als Startdosis sollte sowohl bei Statinen wie auch bei Fibraten grundsätzlich mit der niedrigsten Dosis begonnen werden. 15 Thrombozytenaggregationshemmer Thrombozytenaggregationshemmer Grundsatz-Statement Eine Hemmung der Thrombozytenaggregation reduziert kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität bei Patienten mit erhöhtem Risiko. Patienten mit Typ-2-Diabetes haben ein 3–6fach erhöhtes kardiovaskuläres Risiko. Verfügbare Substanzen Acetylsalicylsäure (50–200 mg/Tag) Clopidogrel (75 mg/Tag) Indikation zur Therapie Die vorhandene Datenlage legt nahe, dass jeder Diabetiker mit zumindest einem weiteren kardiovaskulären Risikofaktor behandelt werden sollte. Therapieformen Clopidogrel sollte als First-Line-Therapie nur bei Patienten zum Einsatz kommen, die eine Kontraindikation oder Unverträglichkeit gegenüber Acetylsalicylsäure aufweisen. Nach einem akuten Koronarsyndrom oder einem ischämischen Insult sowie einer Stent-Implantation ist eine passagere Therapie mit Clopidogrel indiziert. Bei rezidivierenden atherothrombotischen Ereignissen unter einer Therapie mit Acetylsalicylsäure kann eine Umstellung auf 16 Thrombozytenaggregationshemmer Clopidogrel erwogen werden. Magenschutz In Anlehnung an den Konsensus der Österreichischen Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie sollten folgende Risikogruppen routinemäßig zu Acetylsalicylsäure einen Magenschutz erhalten: ■Alter > 65 Jahre ■Ulkusanamnese ■Kombinationstherapie mit NSAR, Kortison, Antikoagulanzien, anderen Thrombozytenaggregationshemmern 17 Diabetische Nephropathie Definition der diabetischen Nephropathie Der Verlauf der diabetischen Nephropathie ist bei Typ-1und Typ-2-Diabetes charakterisiert durch: ■Veränderungen der Albumin- bzw. Proteinausscheidung im Urin ■Abnahme der glomerulären Filtrationsrate mit Anstieg der Retentionsparameter ■Entwicklung oder Verstärkung einer arteriellen Hypertonie, Hyperlipidämie und weiterer diabetischer Komplikationen Diagnostik der diabetischen Nephropathie Screening auf Mikroalbuminurie Bei Typ-1-Diabetes Beginn 5 Jahre nach Diagnosestellung, bei Typ-2-Diabetes mit der Diagnosestellung Definition der Mikroalbuminurie je nach Urinsammelmethode 18 Befristete 24-StundenUrinsammlung Urinsammlung (Nachtharn) µg/min mg/24h Albumin/ Kreatinin-Ratio (Spontanharn) mg/g Normal <20 <30 <30 Mikroalbuminurie 20–200 30–300 30–300 Makroproteinurie >200 >300 >300 Diabetische Nephropathie Stadien der diabetischen Nephropathie Stadium Albuminaus- Kreatinin- Bemerkungen scheidung Clearance (mg/24h) (ml/min) 1.Nierenschädigung mit normaler Nierenfunktion a) Mikroalbuminurie 30–300 b) Makroalbuminurie >300 2.Nierenschädigung mit Niereninsuffizienz a) Leichtgradig >300 b) Mittelgradig c) Hochgradig d) Terminal abnehmend >90 >90 60–89 30–59 15–29 <15 Serum-Kreatinin normal, Blutdruck evt. erhöht, Dyslipidämie, raschere Progression von KHK, pAVK, cAVK, Retino- und Neuropathie Serum-Kreatinin grenzwertig oder erhöht, arterielle Hypertonie, Dyslipidämie, Hypoglykämieneigung, raschere Progression von KHK, pAVK, cAVK, Retino- und Neuropathie, renale Anämie, Störung des Elektrolyt-, Säure/Basen-, Calcium-, Phosphat- und Knochenstoffwechsels 19 Gestationsdiabetes Gestationsdiabetes (GDM) Schwangerschaft: Erstvorstellung Hohes Risiko (vorangehend: GDM, IGT, IFG, habitueller Abortus, Kind >4.500g, Totgeburt, Fehlbildung) 1. Trimenon sofort Klinischer Verdacht (Makrosomie, Glukosurie, Diabetessymptome) 24.–28. SSW Alle Frauen (außer bekannter GDM, DM) BG: nüchtern ≥126 oder postprandial ≥200mg/dl Diät, Bewegung + Insulin INTERNISTISCH Blutglukoseprofile oGTT (75g/WHO): 6 Wochen postpartum 20 Gestationsdiabetes oGTT (75g) GDM? nein Keine Therapie venöses Plasma: mg/dl nüchtern: ≥95 (90 Kap. Vollblut) 1h: ≥180 2h: ≥155 ab 1 Wert = GDM-IGT ab 2 Werten = GDM THERAPIE Blutglukose (BG)-Selbstmessung ja nein Ziel: Blutglukose (BG) nüchtern (bzw. präprandial) <95 1 h postprandial <130(–140)mg/dl MONITORING RR, Gewicht, Harnbefund Mutter Geburt US: Perzentile: Abdominelle Zirkumferenz GEBURTSHILFLICH Biometrie, Fruchtwasser Kind BG-Kontrolle, Neonatologe 21 Kontrolltermine ■Monatlich: ■Körpergewicht ■Blutzucker nüchtern und 90–120 Minuten postprandial ■Blutdruck ■Hypoglykämieanamnese ■Vierteljährlich: ■HbA1c ■Fußinspektion ■bei vorhandener Pathologie: Mikroalbumin & Kreatinin ■Jährlich: ■EKG ■Fundus ■Lipidstatus ■Mikroalbumin ■Sensibilität und Durchblutung der Füße ■Bei Diagnosestellung zusätzlich: ■Gefäßstatus ■(Ergometrie, USKG, Karotissonographie, Dopplerindex) ■Selbstkontrolle: ■Blutzucker nüchtern und 90–120 Minuten postprandial ■Blutdruck 22 Notizen 23 Universimed Verlags- und Service GmbH Markgraf-Rüdiger-Straße 8, 1150 Wien Tel.: +43/1/876 79 56-0, Fax: +43/1/876 79 56-20 www.universimed.com