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01 | März – Mai 2013
Mode wird sauber
Große Erfolge in der Detox-Kampagne
Summ mir das Lied vom Tod
Umweltgifte führen zu massivem Bienensterben
kampfzone Wald
Industrielle Interessen gefährden die letzten Wälder. Während im Amazonas der Kahlschlag
voranschreitet, ist für den indonesischen Regenwald ein Ende der Abholzung in Sicht.
Editorial
Inhalt
Liebe Leserinnen und Leser!
Mit herzlichen Grüßen
Birgit Bermann, Chefredakteurin
IMPRESSUM
Medieninhaber, Verleger und Herausgeber: Greenpeace in Zentral- und Osteuropa, Fernkorn­gasse 10, 1100 Wien; Tel. 01/545 45 80, www.greenpeace.at Spendenkonto: Erste Bank: 822 212 198 00,
BLZ: 20111, www.greenpeace.at/spenden Redaktion: Birgit Bermann (Chefredaktion), Florian Bolka, Martin
Frimmel, Christine Gebeneter, Jasmin Karer, Julia Kerschbaumsteiner, Marcelline Langer, Lisa Ressl, Gundi Schachl,
Claudia Sprinz, Petra Taylor, Jurrien Westerhof E-Mail: [email protected] Bildredaktion: Georg Mayer
Artdirektion: Karin Dreher Fotos: Greenpeace, istock.com Lektorat: Johannes Payer
Druck: Niederösterreichisches Pressehaus
erscheint viermal jährlich auf 100-%-Recyclingpapier. Ab einer Jahresspende von € 40 wird Ihnen
gratis zugesandt. Die nächste Ausgabe erscheint im Juni 2013.
Zur besseren Lesbarkeit wird auf eine geschlechtsspezifische Schreibweise verzichtet. Entsprechende
Bezeichnungen gelten ausdrücklich für beide Geschlechter.
06
Fotos: Cover: © Daniel Beltrá/GP, Inhalt: © Marizilda Cruppe /GP, © Lance Lee/GP, © Markus Hammer, © GP/Benita Marcussen
Viele Jahre beherrschten Kettensägen und Bulldozer den indonesischen
Regenwald. Abgeholzt wurde für Zellstoff für die Papierherstellung und Palmöl,
das als „pflanzliches Fett“ von unserer Lebensmittel- und Kosmetikindustrie
zahllosen Produkten beigemischt wird. Die billigen Rohstoffe haben einen
exorbitant hohen Preis: Zerstörung der Biodiversität, steigende CO2-Emissionen, gefährdete Tiger- und Orang-Utan-Populationen und ruinierte Existenzgrundlagen für die lokale Bevölkerung.
Dieses traurige Kapitel der Waldzerstörung geht seinem Ende zu: Einer der
größten indonesischen Waldzerstörer hat einen Rodungsstopp verkündet
(Seite 11)! Greenpeace hat für dieses Ziel viele Jahre gekämpft. Endlich den
nötigen Erfolg zu erzielen gibt uns die Kraft, weiter so entschlossen gegen nur
scheinbar übermächtige Gegner vorzugehen. Wie im Amazonas – einem
weiteren Brennpunkt der globalen Waldzerstörung. Unser Autor Martin
Frimmel berichtet ab Seite 8 von den Bedrohungen, die der Wald und jene,
die ihn zu schützen versuchen, ausgesetzt sind.
Während die Waldvernichtung zu den sichtbaren globalen Umweltproblemen
zählt, kommen andere auf vergleichsweise leisen Sohlen daher – ihre Auswirkungen sind dennoch gigantisch. Seit den 1990er-Jahren wird ein Bienensterben beobachtet, das mittlerweile riesige Ausmaße angenommen hat. Die
Ursachen und Lösungen sind bekannt, nun muss schleunigst etwas unternommen werden. Denn wir sind auf Bienen und andere bestäubende Insekten für die
Sicherung unserer Nahrungsmittelproduktion angewiesen (Seite 20). Greenpeace startet diesen Frühling seine europaweite Bienen-Kampagne. Je mehr
Menschen wie Sie uns dabei unterstützen, desto schneller werden wir erfolgreich sein – hier, im Amazonas und an allen anderen Schauplätzen der weltweiten Umweltzerstörung!
04 In Aktion 06 Saubere Mode liegt im Trend 08 Bis zum
letzten Baum 11 Der Tiger bekommt eine Chance 12 Chips
im Check 14 Zukunft sichern 15 Mythos billige Atomkraft
16 Grüne Steckdosen 18 Im Gespräch mit Prof. Hermann
Knoflacher 19 Kommentar: Fortschritt oder Armutszeugnis?
20 Das Sterben der Bienen 22 Schwarmintelligenz
20
08
22
Gefährdete Fischpopulationen in den
pazifischen Meeren schrumpfen gewaltig. Regierungen versagen kläglich
beim Schutz bedrohter Gebiete.
Durch das Wachstum der industriellen
Fischerei und den Einsatz von umweltschädlichen Fangmethoden sinken die
Tunfischbestände weiter. Im Vorfeld
des Treffens der Regierungen der
WCPFC (Western and Central Pacific
Fisheries Commission) protestierten
Greenpeace-Aktivisten vor der koreanischen Botschaft. Mit Tunfischkostümen bekleidet, riefen die Aktivisten
die Länder zum Schutz aussterbender
Tunfischarten auf und forderten Meeresschutzgebiete für die vier Hochseegebiete „Pacific Commons“ mit klaren
Fangverboten. Beim Treffen im Dezember 2012 kam dann die folgenschwere Entscheidung: Big Player
­dürfen ihre großangelegten Plündereien und Überfischungen zulasten der
Meere weiter betreiben. Ein Desaster
für den Pazifik – eine Herausforderung
für Greenpeace, weiter zu kämpfen!
4 act
Im November 2002 kam es zum
verheerenden Ölunglück des
Frachters „Prestige“ an der Nordküste Spaniens. Das Desaster und
seine Spätfolgen sind in einem
Greenpeace-Report beschrieben:
40.000 Tonnen Öl verseuchten
das Meer, 250.000 Seevögel verendeten qualvoll, 800 Strände
wurden verschmutzt, und weitere 25.000 Tonnen Öl werden
immer noch im Wrack vermutet.
Zum 10. Jahrestag protestierten
Greenpeace-Aktivisten im
Schlauchboot vor dem veralteten
Öltanker „Searacer“ mit dem
Banner „Eine neue Prestige ist
möglich“. Verantwortlich für die
schreckliche Katastrophe ist die
Ölindustrie, Strafen gab es für sie
jedoch bis heute keine.
Greenpeace fordert ein umweltfreundliches Energiemodell und
mehr Verantwortung seitens der
spanischen Regierung. Der Appell
ist klar: Lasst uns auf Erdöl verzichten, denn eine Energierevolution ist möglich!
INDONESIEN:
Citarum-Fluss, die
schwarze Brühe
Der Fluss Citarum war eine der
Lebensadern von West-Java in Indonesien, doch wo früher Menschen
badeten und ihre Kleidung wuschen,
fließt heute die reinste Mülldeponie
flussabwärts. Ein Greenpeace-Report
verdeutlicht die Folgen der jahrelangen Verschmutzung: In Proben wurden gesundheitsgefährdende,
schwer abbaubare Chemikalien
gefunden. Häufig sind diese die Ursache für schwere Krankheiten, unter denen die lokale Bevölkerung
leidet. Greenpeace-Aktivisten pro­
testierten dagegen, marschierten vor
dem Perjuangan Rakyat Monument
in Bandung auf und inszenierten
eine öffentlichkeitswirksame ScheinWahldebatte. Mit der Aktion wurde
die indonesische Regierung zum
sofortigen Handeln aufgefordert, um
den Citarum und andere Flüsse zu
schützen. „Was und wer vergiftet
meinen Citarum?“, möchte ein Aktivist stellvertretend für viele wissen.
ARKTIS: Ewiger Kampf ums Eis
Die Eisschmelze in der Arktis schreitet unaufhörlich voran, zusätzlich
gefährden hochriskante Ölbohrungen der Firma Shell in Alaska die
Region. Um dagegen zu protestieren, nahmen Aktivisten aus ganz
Europa Ende Jänner eine Shell-Tankstelle nahe dem Weltwirtschaftsforum in Davos ein. Angekettet und als Eisbären verkleidet, plat­zierten sie drei Tonnen Schnee vor der Tankstelle. Darüber prangte
ein Banner mit der Aufschrift „Arktisches Öl – zu riskant“. Im
Frühjahr stehen weitere Höhepunkte unserer Arktis-Kampagne
bevor. Greenpeace startet im April 2013 eine fünftägige Expedition
zum Nordpol, um eine unzerstörbare Zeitkapsel auf dem Meeresgrund zu versenken. Sie wird viele
Jahrzehnte überdauern und trägt in
sich die Namen von über zweieinhalb
Millionen Menschen, die unsere
Arktis-Petition auf www.savethearctic.
org unterschrieben haben. An dieser
Stelle wird auch die Flagge der
Zukunft platziert, die den Anspruch
der gesamten Menschheit auf eine
intakte Arktis symbolisieren soll.
Fotos: © Nick Cobbing/GP, © Pedro Armestre/GP, © Bente Stachowske/GP, © Bente Stachowske/GP
PAZIFIK: TunfischPlünderei im großen Stil
SPANIEN: „Prestige“
bleibt unvergessen
Fotos: © Georg Mayer/GP, © Yudhi Mahatma/GP, © Pat Roque/GP, © GP/Ex-Press/Flurin Bertschinger
„Die Nummer 1 in Sachen Klimaschutz“ – so stellt sich der VW-Konzern gerne selbst dar. In Wirklichkeit hinterlässt VW den weltweit
größten CO2-Fußabdruck in seiner Branche. Im Jänner 2013 nutzten
Österreichs Aktivisten die Wiener Automesse, um gegen die
klimaschädliche Ausführung der neuen VW-Modelle anzukämpfen.
Unter dem Motto „Alle reden vom Klima – VW zerstört es“ wurden
die Messebesucher mit Flugblättern und schwarzen Luftballons
informiert. Das neue Golf-Modell liegt mit 4,9 Litern Verbrauch weit
entfernt vom versprochenen
und längst machbaren
3-Liter-Auto.
VW täuscht mit falschen
Werbeversprechen bewusst
die Öffentlichkeit. Greenpeace fordert von VW
konkrete Umweltziele für
die Konzernstrategie 2018
und eine sofortige Umsetzung der „Blue Motion“Technologien für alle
VW-Modelle ohne Mehr­
kosten für den Kunden.
In Aktion
ÖSTERREICH: VW „Blue Motion“ –
nur Schein statt Sein
ATOM: Schluss mit
MOX-Transporten
Greenpeace fordert das Ende der
viel zu gefährlichen Transporte von
tödlichen MOX-Brennstäben. Der
Atomfrachter „Atlantic Osprey“
hatte vergangenen Herbst acht
hochgiftige, plutoniumhaltige
Mischoxid-Brennelemente (MOX)
zur Lieferung von Großbritannien
an das Atomkraftwerk Grohnde in
Deutschland an Bord. Mit Schlauchbooten setzten sich deutsche
Greenpeace-Aktivisten gegen diesen Transport ein und riefen den
niedersächsischen Ministerpräsidenten David McAllister auf, den
Einsatz von MOX-Brennelementen
im Atomkraftwerk Grohnde zu
verhindern. Mit „McAllister: Plutonium stoppen“ prangerten die
Aktivis­ten den Politiker an. Greenpeace kämpft weiter für das sofortige Verbot von MOX-Transporten.
WÄLDER: Aktion gegen die
Holzmaschinerie in Deutschland
Die urtümlichen Buchenwälder Deutschlands sind stark in
Bedrängnis. 160 Jahre alte Bäume sind die Hüter des Klimas und
wachen über die Heimat unzähliger Tier- und Pflanzenarten.
Dies schützt sie jedoch nicht vor den Kettensägen der
Waldarbeiter. Deutsche Greenpeace-Aktivisten nehmen das
nicht kampflos hin. Im Waldgebiet Spessart setzten sie sich für
die zum Einschlag bestimmten Bäume ein und stellten sich den
Kettensägen der Waldarbeiter in den Weg. „Stoppt die Säge!
Waldschutz jetzt!“ lautet die klare Ansage der Aktivisten.
act
5
Saubere Mode
liegt Im Trend
Detox-Reports
Ergebnis der GreenpeaceUntersuchungen: viel Gift
in Markenkleidung.
Giftige Garne
Untersuchung von Damen-, Herren- und Kinder­
textilien von 20 Modemarken (Armani, Benetton,
Blazek, C&A, Calvin Klein, Diesel, Esprit, GAP, H&M,
Jack Jones, Levi’s, Mango, M&S, Metersbonwe, Only,
Tommy Hilfiger, VANCL, Vero Moda, Victoria’s Secret
und Zara) in 29 Ländern. Ergebnis: Alle Modemarken haben Produkte mit nachweisbaren NPE-Konzentrationen verkauft, rund zwei Drittel der
untersuchten Textilien enthielten die Chemikalie
NPE (Nonylphenolethoxylate). Sie kann sich im
Abwasser in giftiges, langlebiges und hormonell
wirksames Nonylphenol umwandeln.
Fast zwei Jahre nach Beginn der Detox-Kampagne kann
eine saubere Bilanz gezogen werden: Viele große Textilkonzerne
wollen in Zukunft giftfrei produzieren. Der Umstieg der gesamten
Modebranche ist nicht mehr weit.
Von Claudia Sprinz
Tag und Nacht aus den Abwasserrohren in
die Flüsse“, sagt Pierre Terras, Chemieexperte von Greenpeace in Mexiko. Von „unantastbaren Unternehmen“ sprechen sogar schon
Abgeordnete im mexikanischen Parlament,
die eine Untersuchung über den San-JuanFluss vorgeschlagen hatten – erfolglos.
Mexiko ist ein typisches Beispiel für ein
Schwellenland mit einer großen Textilindustrie und sehr viel niedrigeren Umweltstandards als in Europa. Aber Umweltverschmutzung kennt keine Grenzen: Die durch industrielle Abwässer in die Flüsse des globalen Südens freigesetzten Chemikalien sind langlebig
und verteilen sich über den gesamten Erdball.
Sie können sogar im Blut arktischer Tiere
nachgewiesen werden. Greenpeace hat daher
bereits 2011 die Detox-Kampagne gestartet
(act 03/2011), um auf die Freisetzung gefährlicher Chemikalien bei der Textilproduktion
aufmerksam zu machen und die Modebranche zur Umstellung auf umwelt- und menschenverträgliche Substanzen zu motivieren.
Toxic Thread: Under Wraps (Mexiko)
Im Abwasser von Lavamex fanden sich die
Chemikalien NPE, TMDD, Benzotriazole, Tributylphospat (TBT) und Trichloranilin. Sie sind für
Wasserorganismen giftig. In den Proben von Kaltex
konnten TMDD, HMMM, Trichlorbenzol (TCB) sowie
die Phthalate DEHP und DiBP nachgewiesen
werden. Diese Substanzen sind giftig, die Phthalate
fortpflanzungsschädigend.
Fotos: © Olga Laris/GP, © Teresa Novotny/GP, © Ivan Castaneira/GP, © George Nikitin/GP
Der mexikanischen Kultur gilt Wasser als
heilig, trotzdem sind mehr als 70 Prozent der
Frischwasserreserven des mittelamerikanischen Landes verschmutzt. Ein großer Verursacher der miserablen Wasserqualität ist die
­Textilindustrie – mit mehr als 500.000 Beschäftigten die viertgrößte Branche des Landes. Lavamex und Kaltex sind zwei der größten Textilfabriken Mexikos und bedeutende
Zulieferer von Konzernen wie beispielsweise
Levi’s. Greenpeace hat bei einer Untersuchung
der Abwässer beider Fabriken eine Vielzahl
problematischer Chemikalien nachgewiesen.
Vom Gesetz kann sich die auf sauberes
­Wasser angewiesene Bevölkerung allerdings
keinen Schutz erwarten: Die mexikanische
Textilindustrie ist nicht verpflichtet, die Öffentlichkeit über die Freisetzung gefährlicher
Chemikalien zu informieren. „Wer Zugang zu
diesen Informationen haben will, muss einen
frustrierenden und komplizierten Behördenweg über sich ergehen lassen. In der Zwischenzeit sprudeln die Giftstoffe weiterhin
Putting Pollution on Parade (China)
Greenpeace-Mitarbeiter haben in den
Industriegebieten Binhai und Linjiang
Abwasserproben genommen.
Gefunden wurden: chlorierte Aniline (giftig für
Wasserlebewesen und den menschlichen Organismus; einige Aniline sind krebserregend); Perfluoroktansäure (PFOA – hochgiftig und langlebig); TMDD;
Nitrobenzol und Chlornitrobenzole (bei Tieren
krebserregend, möglicherweise auch beim
Menschen); N-Alkylaniline (für Wasserorganismen
giftig); bromierte und chlorierte Aniline; bromierte
und chlorierte Benzole.
Webtipp: Alle Reports unter:
www.greenpeace.at/detox
Mexikos Flüsse sind stark verschmutzt, 70 Prozent der Wasserreserven weisen eine miserable
Qualität auf. Verunreinigt wird das
Wasser vor allem durch Textilfabriken, die große Konzerne beliefern.
Mexikanische Models (gr. B.) haben
genug und fordern im Namen der
Greenpeace-Kampagne saubere
Kleidung ein. Auch in Wien (kl. B. l.)
wurde vor einer Zara-Filiale gegen
Detox-Kleidung protestiert.
6 act
In mehreren Berichten (siehe Kasten) wurde
seitdem nachgewiesen, dass nicht nur bei der
Produktion gefährliche Chemikalien freigesetzt werden, sondern auch die Textilien
selbst kontaminiert sind – und bei der ersten
Wäsche die heimischen Gewässer verunreinigen. Die Kampagne entfachte den nötigen
Sturm der Entrüstung: Weltweite Proteste
von zehntausenden Greenpeace-Aktivisten
und Konsumenten zeigten Wirkung. 15 globale Modekonzerne – von Puma, Nike und
Adidas über H&M, C&A und Marks & Spencer
bis hin zu Zara, Mango, Esprit, Benetton
Levi’s, Uniqlo, Li Ning, Victoria’s Secret und
zu guter Letzt G-Star – werden schrittweise
bis 2020 ihre Produktionskette von gefähr­
lichen Chemikalien säubern. Ein riesiger Erfolg! Denn allein hinter dem bei uns eher un-
bekannten Label Uniqlo verbirgt sich eine der
zehn erfolgreichsten Modemarken der Welt.
Mit seinem Mutterkonzern Fast Retailing
Group, der sich ebenfalls zur giftfreien Mode
bekannt hat, werden Textilien in über 2.000
Geschäften weltweit sauber.
Greenpeace kämpft für eine Modeindustrie,
die der Verunreinigung der globalen Wasserwege durch giftige Chemikalien ein Ende
setzt. Immer mehr modebegeisterte Konsumenten gelangen zur Überzeugung, dass die
Bekleidung, die wir tragen, nicht die Umwelt
zerstören und die Gesundheit der Menschen
in den Herstellerländern gefährden darf!
Greenpeace wird weiterhin hart daran arbeiten, die gesamte Branche zu „entgiften“ – und
vielleicht gibt es schon diesen Modefrühling
saubere Neuigkeiten vom Laufsteg . n
act
7
Holzkohle für die Roheisenproduktion, Ackerland für Sojaplantagen und Rinderfarmen und riesige Staudämme für die
Energieversorgung: Der Amazonas-Regenwald ist schwer
unter Druck. Jene Menschen, die sich für seinen Schutz
starkmachen, leben gefährlich.
Aus Brasilien berichtet Martin Frimmel
Es geht schnell: In der Morgenröte klettern die Greenpeace-Aktivisten auf einen
Riesenberg Roheisen, andere besetzen
Kräne. Die Mutigsten entern das Frachtschiff „Clipper Hope“, das für die Beladung
mit Roheisen bereitsteht, und ketten sich
an die Ankerkette. Gleichzeitig läuft die
„Rainbow Warrior“ vor dem Cargoschiff
auf. All das passiert am 27. Mai 2012, und
all das hat es noch nie gegeben im Hafen
von São Luis, Nordbrasilien. In der prallen
Tropensonne wartet das GreenpeaceTeam auf die Bundespolizei, und die lokale
Politik verhandelt mit Paulo Adario von
der Amazonas-Kampagne.
Die Aktivisten sitzen auf glühenden
Kohlen, Wasser wird knapp. Adario sagt
8 act
zur Presse: „Das Amazonas-Gebiet wird in
den Schmelzofen geschüttet, Regierungen und Industrie schauen zu.“ Dann
kommt doch eine Antwort: Rodrigo
­K aukal Valladares möchte verhandeln.
Er ist Miteigentümer des Roh­eisen-Produzenten Viena – und übrigens wirklich
Wiener Herkunft (der Urgroßvater gab
Adolf Hitler Arbeit; als Kunstmaler pinselte dieser den Gasthof der Familie Kaukal an). Auch andere Firmen der Branche
möchten eine Lösung finden für die
­illegale Holzkohle, die sie für das Einschmelzen und die Produktion von Roh­
eisen verwenden und die oft aus Schutzgebieten und Indianerreservaten stammt.
„Brasilien hat ein langfristiges Ziel“, sagt
Fotos: 3x © Marizilda Cruppe/GP, © Rodrigo BalÈia/GP
Paradies in Gefahr: Der Schutz des
Amazonas erfordert Mut und Entschlossenheit von den Waldschützern. Der
dramatische Greenpeace-Einsatz inklusive der „Rainbow Warrior“ (kl. B. u.) im
Hafen von São Luis richtet sich gegen die
Holzmafia und die zerstörende
Roheisen-Industrie. Paulo Adario (o.),
Amazonas-Kampagnenleiter von
Greenpeace, erhielt für sein Engagement
schon mehrfach Todesdrohungen und
lebt unter Polizeischutz. Trauriger
Durchschnitt: 35 Amazonas-Schützer
werden jährlich ermordet.
bis zum
letzten
Baum
Danicley Aguiar von Greenpeace,
„nämlich den netten Plan, Essen zu
verbilligen, eine Neuordnung der
Waldgebiete für die großen Grundbesitzer, das neue Waldgesetz mit
Erleichterungen für die Agroindustrie durchzusetzen und darüber hinaus auch die Indianerreservate auszubeuten – alles, um die ganze Welt
mit Nahrung zu versorgen, mit
schweren Folgen für die Umwelt.“
Den Anfang machte die brasilianische Diktatur in den 1960er-Jahren
mit dem Slogan „Land für Menschen für Menschen ohne Land“. Da
war der Wald noch zu 90 Prozent intakt. Aber nicht die Landlosen wur-
den das Problem, sondern bald die
reichen Rinderzüchter aus Südbrasilien, die mit großzügigen staatlichen
Krediten Regierungsland besetzen.
Dann wurden die Holzfäller gerufen, denn mit Holz kann man gut
Geld machen. Jeder Kubikmeter
kostet zwischen 30 und 100 Dollar,
verarbeitet bis zu 600 Dollar. 40
Prozent des Amazonas-Holzes werden ausgeführt. Nach Malaysia und
Indonesien ist Brasilien das drittgrößte Exportland – fast immer
ohne Kontrollen, ohne Steuern oder
mit Korruption. Von daher stammt
ein Teil des Kapitals für die groß­
flächige Rinderzucht. Sehr modern
sind Wald-Managementpläne geworden: So offiziell bewilligt, ist illegal erworbenes Land plötzlich legal.
Die indigene Bevölkerung und die
Kleinbauern werden dann von den
Restgebieten vertrieben oder von
bezahlten Revolverhelden umgebracht. Abholzung und Gewalt gehen Hand in Hand: Es ist kein Zufall,
dass in den Gemeinden Brasiliens,
wo am meisten abgeholzt wird, die
Gewaltrate am höchsten ist. Auch
die Umweltschützer leben gefährlich. Etwa Chico Mendes, der von
Rinderzüchtern umgebracht wurde,
die Klosterschwester Dorothy Stang,
die bis zu ihrem gewaltsamen Tod
gegen Holzfirmen auftrat, und das
Ehepaar José Cláudio und Maria do
Espírito Santo, kleine Landwirte, die
sich Holz-LKW in den Weg stellten.
Sie wurden 2011 erschossen.
Im Durchschnitt werden jedes
Jahr 35 Menschen wegen ihres Engagements für den Schutz des Amazonas ermordet. Und die Todes­
drohungen haben sich von 2010 auf
2011 fast verdreifacht, berichtet die
Organisation CPT. Es gibt besonders
tragische Fälle – etwa Nilcilene Lima,
die sich in der Großstadt Manaus
versteckt halten muss. Lima zeigte
die Holzmafia an, und die Antwort
folgte auf dem Fuß: Sie zünden ihr
act
9
Fearnside vom Amazonas-Forschungsinstitut. Die Straßen, Eisenbahnen und Flussprojekte öffnen
dann neue Waldgebiete für Holzfäller, Rinderzüchter und Sojafarmer.
Gefahr durch Soja
Auch die Soja-Monokulturen sind
eine starke Bedrohung für den Regenwald geworden. Sie zerstören
durch Abholzung und Austrocknung
der Bäche nicht nur den Wald, sondern vergiften die Bevölkerung
überdies mit Pestiziden. Soja ist aber
auch eine wichtige Devisenquelle.
„Die Monokulturen rechtfertigen
riesige Infrastrukturprojekte, bei denen es als Kettenreaktion zu gewaltigen Habitatsverlusten kommt, weit
über das Maß hinaus, das direkt
für Soja vernichtet wird“, so Philip
10 act
bauen. Die österreichische Firma
Andritz ist bei „Belo Monte“ dabei.
Hauptfolge des Kraftwerks ist ein
fast totales Abzapfen der Wassermenge des Hauptstroms Xingu.
„Das ist eine große Gefahr für die
indigenen Völker der Region“, so
der österreichische Bischof Erwin
Kräutler, der vor Ort lebt. „Das
Wasser wird fehlen, und die Bevölkerung muss umgesiedelt werden.“
Der Bischof und alternative Nobelpreisträger ist immer aufseiten der
Armen, und das hat seinen Preis:
Bei einem Attentat wurde er schwer
verletzt. Jetzt lebt er wieder unter
Polizeischutz. Der Grund: Morddrohungen wegen „Belo Monte“.
In Pará ist nicht nur der MegaStaudamm umstritten: Der Staat
muss auch gegen Abholzung in der
Region Carajás vorgehen. Als große
Lagerstätten von Eisenerz entdeckt
wurden, explodierte die Gewalt und
die Abholzung, um die Lager auszubeuten. Mit österreichischer Hilfe
(Plasser & Theurer) wurde eine
­Güterbahn gebaut und Roheisen-­
Werke errichtet. Die Ersten, die
draufzahlen, sind Nomadenvölker
wie die Awá-Guajá. Holzfäller walzten Dörfer platt, und ihr Jagdwild
verschwindet, verschreckt von den
Zügen und Frachtkonvois von Erz
und Eisen.
Wie in einem schaurigen alten
Film sieht es aus, wenn in den Werken Menschen, ja sogar Kinder
­Holzscheite in den Ofen schaufeln,
­dreckig und ohne Schutz. Hunderte
Kohlemeiler werden in Windeseile
hergestellt – und ganz schnell wieder
verlassen, wenn die Umweltbehörde
vorbeischaut. Die Roheisen-Firmen
verwenden als Brennmaterial Holzkohle, meistens aus dem Urwald. „Es
ist billiger, für Holzkohle illegal abzuholzen, als Holzplantagen anzulegen“, weiß der brasilianische Journalist Leonardo Sakamoto. José Cláudio und Maria do Espírito Santo kritisierten offen die Herstellung von
Holzkohle. Der Umweltschützer sagte seinen eigenen Tod voraus: „Ich
lebe vom Wald, ich beschütze den
Wald. Deswegen lebe ich immer mit
der Kugel im Kopf.“ Kurze Zeit später waren er und seine Frau tot.
Auch der Autor dieser Zeilen wurde schon mit dem Tod bedroht.
Zwei Gewehre wurden auf mich gerichtet, als ich die Machenschaften
der Ziegeleien anzeigte. Ohne Umweltstudien zerstören sie große
Waldgebiete, um Lehm abzubauen
und die Hochöfen mit illegal geschlägertem Urwaldholz zu beheizen. Ein Bild der Verwüstung bleibt
zurück. Doch die Natur beginnt
sich zu wehren: Die Ziegeleien in
den Flussgebieten leiden am meisten unter den zunehmenden Hochwasserkatastrophen.
Zaghaftes Umdenken
Doch noch immer denken nur wenige Unternehmer um. So etwa der
Chef der Montemar-Ziegelei, Sandro
Santos: „Wir möchten ein Modell
entwickeln, das ohne Urwaldholz
auskommt – etwa mit der Açaípalme
und Gas.“ Zertifiziertes Holz von
FSC ist eine andere Alternative und
schlägt zwei Fliegen mit einer
­Klappe: In der Nähe von Manaus
wird das Restholz in einem Werk
verbrannt, eine Kleinstadt wird mit
Energie versorgt – und Emissionszertifikate können auch noch verkauft werden.
Eine Schlüsselrolle aber wird einem Greenpeace-Projekt zukommen: ein totales Abholzungsverbot
im brasilianischen Regenwald bis
2015, durchgesetzt per Volksentscheid. Dazu braucht es die Unterschriften von 1,4 Millionen Brasilianerinnen und Brasilianern. Dann
kann der Schutz des Amazonas Gesetz werden. Dafür kämpft Greenpeace vor Ort und weltweit! n
Von Jasmin Karer
Der Tiger bekommt eine Chance
Während der Sumatra-Tiger hoffentlich bald aufatmen kann, geht es dem
Drill, einer Primatenart der Familie der
Meerkatzenverwandten, im afrikanischen
Kamerun an den Kragen. Dort werden riesige Ölpalmenplantagen errichtet. Doch
der Drill ist endemisch und kann nicht so
einfach flüchten, wenn große Agrarunternehmen mit ihren Bulldozern anrücken.
Zuerst aber die guten Nachrichten aus
dem indonesischen Regenwald. Wir haben
Sie bereits öfter über unsere Kampagne gegen Sinar Mas, den größten indonesischen
Palmölhersteller, und APP (Asia Pulp & Paper), eines seiner Tochterunternehmen
und ein Papier- und Zellstofffabrikant, informiert. Beide Unternehmen waren massiv in die illegale Urwaldrodung involviert.
Doch bevor es für die letzten Urwaldriesen,
den Sumatra-Tiger, den Orang-Utan und
das Java-Nashorn ganz zu spät ist, hat APP
eingelenkt. Anfang Februar verkündete
APP, in Zukunft auf die Rodung neuer Urwaldflächen zu verzichten!
Greenpeace hat lange für diesen Schritt
gekämpft. Im Laufe der Jahre haben dank
unserer Kampagne hunderte Unternehmen weltweit ihre Lieferverträge mit APP
Foto: © WWF
Die gnadenlose Abholzung und
die grausamen Machenschaften
der Rinderzüchter zerstören
nicht nur Millionen Hektar
Waldgebiet, sondern vertreiben
auch indigene Völker, bedrohen
die reiche Artenvielfalt und
zerstören Wasserquellen.
Soja-Monokulturen, Staudämme,
Eisenerzlager und hunderte
Kohlemeiler (o.) stellen weitere
Bedrohungen für das gefährdete
Regenwaldgebiet dar.
sich mit gefährlichen Gegnern an:
mit der Holzmafia und den Rinderzüchtern. Die Rinderzucht verwüstet Millionen Hektar Waldgebiet.
Sie weist nur eine schlechte Produktivität auf, zerstört aber eine
reiche Artenvielfalt und Wasserquellen, vertreibt indigene Völker
und verändert das weltweite Klima.
80 Prozent der abgeholzten Urwaldflächen wurden Rinderweiden,
damit ist die Rinderzucht die erste
Klimasünde Brasiliens.
Ein Riesenerfolg für
unsere Waldkampagne:
Einer der größten Urwaldzerstörer, das indonesische Unternehmen
APP, will in Zukunft auf
Rodungen neuer Waldflächen verzichten!
Greenpeace wird die
Einhaltung dieser Ankündigung überprüfen –
und nimmt neue Palmölunternehmen in
Kamerun ins Visier.
Umweltsünde „Belo Monte“
Staudämme erschließen ebenfalls
Waldgebiete für Kleinbauern und
die Agroindustrie. Aktuelles Beispiel ist das Kraftwerk „Belo Monte“ im Bundesstaat Pará: 516 Quadratkilometer Waldvernichtung und
eine maximale Leistung von 11.181
MW. Es wäre der drittgrößte Damm
der Erde, und das ist nur der Anfang: Der Energieplan sieht vor,
noch 30 Dämme im Amazonas zu
Fotos: © Marizilda Cruppe/GP, 2x © Markus Mauthe/GP
Haus und ihre Felder an. „Ich möchte zurück, um weiter für die Umwelt
zu kämpfen. Ich gehe auch das Risiko ein zu sterben, wenn ich mir sicher bin, dass sie mich nicht foltern“,
sagt die Umweltschützerin.
Auch Paulo Adario, AmazonasKampagnenleiter von Greenpeace
und für seine Verdienste um den
Waldschutz von der UNO ausgezeichnet, hat schwere Zeiten durchgemacht: Da gab es die telefonische
Drohung: „Paulo verdient zu sterben, und er wird sterben!“ Er bekommt Polizeischutz, später eine
Wachmannschaft für das Büro,
Überwachungsanlagen, Kameras.
Wer sich für den Wald einsetzt, legt
gekündigt – darunter so große Konzerne
wie Mattel, Nestlé, Unilever und Hasbro.
Den ersten Schritt aus der Waldzerstörung
hat GAR (Golden Agri Resources) unternommen, eine Sinar-Mas-Tochter, die im
Februar 2011 auf unsere Kampagne reagiert und sich dazu verpflichtet hat, jede
Form von Waldzerstörung aus ihrer weltumspannenden Betriebstätigkeit zu verbannen. Nun folgt APP – ein Riesenschritt,
der einen Durchbruch für einen wirklichen
Waldschutz bedeuten kann. Der Leiter der
Greenpeace-Kampagne in Indonesien,
Bustar Maitar, vergleicht das Einlenken
von APP mit einem Süchtigen, der sich in
einer Entzugsklinik einschreibt. Ein großer
Erfolg – doch ob man sauber bleibt, zeigt
sich erst mit der Zeit. Deshalb wird Greenpeace die Umsetzung der globalen Waldschutzpolitik von GAR und APP sehr kritisch verfolgen.
Neuer Brennpunkt Afrika
Doch der Palmölrausch, der die lokale Bevölkerung und die lokale Tier- und Pflanzenwelt schwer in Mitleidenschaft zieht,
hat neben Indonesien leider schon weitere
Länder erfasst. Im afrikanischen Kamerun
APP verzichtet auf die Rodung neuer Urwaldflächen.
Greenpeace hat lange für diesen Schritt gekämpft.
will Herakles, ein US-Unternehmen, Ölpalmen auf 730 Quadratkilometern – eine Fläche, fast doppelt so groß wie das Bundesland Wien – anbauen. Unweit der geplanten Plantage liegen der Korup-Nationalpark und weitere Naturreservate, in denen
zum Beispiel auch die seltenen und sehr
scheuen Drills leben. Zudem ist der Südwesten Kameruns, wo Herakles bereits mit
gewinnbringenden Aussichten die ersten
Ölpalmen gepflanzt hat, einer der 25 Bio­
diversitäts-Hotspots der Erde. Hier leben
neben den Drills zahlreiche bedrohte Arten
wie Waldelefanten und Nigeria-Schim­
pansen. Ihnen droht dasselbe Schicksal
wie dem Sumatra-Tiger, dem Orang-Utan
oder dem Java-Nashorn in Indonesien:
Ihr ­
Lebensraum wird durch massive
Wald­rodungen zu klein für ihr Überleben.
Wenn große Unternehmen mit ihren
­Maschinen anrücken, zerstören sie aber
nicht nur die Lebensgrundlage der Tiere –
auch die Bevölkerung vor Ort muss weichen und in neue Gebiete vorrücken. Das
hat neue Konflikte und Zerstörungen zur
Folge. Greenpeace fordert daher Unternehmen wie Herakles auf, ihre Sucht nach
Palmöl und Profit schnell in den Griff zu
bekommen und ihr umweltzerstörendes
Handeln rasch zu verändern. Was APP zustande brachte, sollte auch Herakles möglich sein! n
act
11
Web-Tipp:
Die Liste dieser und weiterer getesteten
Chips-Produkte mit umfangreichen Details
gibt es online auf marktcheck.at. Hier sind
auch die E-Nummern und ihre (Neben-)
Wirkungen näher erläutert. Produkte mit
tierischen Zutaten werden auch beim
„Tierschutz“ bewertet, was sich auf die
Reihung der Produkte auswirkt.
Chips im
Check
www.marktcheck.at/chipscheck
marktcheck.at ist der Online-Einkaufsratgeber von Greenpeace und elf Partnerorganisationen. Auf der Plattform finden sich Tipps
und Infos zu nachhaltigem Konsum sowie
Anregungen, selber aktiv zu werden.
Chips glatt, geriffelt, lose oder gestapelt? Natur, mit Paprika oder
Käse? Liebhaber von Chips-Produkten haben die
Qual der Wahl – sollten dabei aber die Ökobilanz nicht
außer Acht lassen. Von Gundi Schachl
Doch trotz dieser Vorbildwirkung setzen immer noch viele Hersteller auf den
Umweltsünder Palmöl – eindeutig deklariert wird das auf der Verpackung jedoch
so gut wie nie. Enthält die Zutatenliste nur
einen Begriff wie „pflanzliches Fett“ oder
„pflanzliches Öl“, versteckt sich dahinter
höchstwahrscheinlich Palmöl. In den letzten Jahren hat der Rohstoff weltweit einen
Boom erlebt und findet sich in einer sehr
großen Anzahl an verarbeiteten Lebensmitteln. Für die industrielle Produktion
sind seine Vorteile äußerst profitabel:
Palmöl ist leicht zu verarbeiten, in großen
Mengen erhältlich und – leider zu – billig.
Bei den Chips ohne spezielle Geschmacksrichtung hat der Konsument die größte
Chance, palmölfrei zu snacken – immer
mehr Hersteller verwenden für die Produkte im „Sackerl“ Sonnenblumenöl und
deklarieren dies auch stolz auf der Ver­
packung.
Dass weniger oft mehr ist, zeichnet sich
auch beim Chips-Check ab. Tendenziell
gilt: je exotischer die Geschmacksrichtung, desto schlechter das Abschneiden.
Bei einigen Produkten findet sich in der
Zutatenliste auch Käse bzw. Molkepulver
in größeren Mengen. Da es sich dabei um
konventionell hergestellte Zutaten handelt, besteht der Verdacht, dass die Kühe
mit Gentech-Soja gefüttert wurden. Fazit:
Chips-Liebhaber sind gut beraten, bei den
Klassikern nur mit Salz zu bleiben – hier
konnten auch die Eigenmarken der Supermärkte ein „Gut“ ergattern.
Fotos: © Georg Mayer/GP, © istockphoto.com
Der Online-Einkaufsratgeber von
Greenpeace marktcheck.at hat sich die
Chips-Produkte in den Regalen der Supermärkte genau angeschaut: Was steckt drin
in den Knabbereien, die eigentlich nur aus
fritierten Kartoffelscheiben bestehen sollten? Leider auch Palmöl, Geschmacksverstärker und Gentechnik – bereits beim ersten Chips-Test 2010 hat marktcheck.at
­einige Kritikpunkte bei dem beliebten
Snack gefunden und auf die damit verbundenen Umweltprobleme aufmerksam gemacht. Das österreichische Unternehmen
Kelly zeigte sich damals beim Einsatz von
Palmöl gesprächsbereit und sicherte zu,
bei Kelly’s Chips nur mehr Sonnenblumenöl zu verwenden und auf Geschmacksverstärker (Glutamat) zu verzichten. Wie
die aktuelle Chips-Untersuchung zeigt,
konnte Kelly sein Versprechen fast erfüllen und greift nur bei einer Sorte auf Palmöl in Kleinstmengen zurück.
Kernstück der Seite ist eine Produkt-Datenbank mit mehr als 6.000 Lebensmitteln und
Kosmetika, bewertet nach ökologischen,
sozialen und Tierschutz-Kriterien.
Chips aus der Dose
Weit hinten im aktuellen Chips-Test landeten die sogenannten Stapelchips à la
Pringles. Sie sind mit den Klassikern aus
geschnittenen Kartoffeln nicht wirklich
vergleichbar, denn sie werden aus einem
Teig aus Kartoffelpüreepulver ausgestanzt
und in Form gestochen. Stapelchips sind
stark verarbeitete Produkte, was sich naturgemäß auch in der Länge der Zutatenliste niederschlägt. Hier kritisiert Greenpeace vor allem den Geschmacksverstärker E 621, der aus gesundheitlicher Sicht
nicht empfehlenswert ist. Auch wegen der
aufwändigen Verpackung wurden die Stapelchips abgewertet. Denn der Material­
einsatz ist beachtlich: beschichteter Karton für die Rolle, Metall am Boden, oben
eine beschichtete Folie und dann noch ein
Plastikdeckel drauf.
Ebenfalls ein dickes Minus mussten
manche Hersteller für die Transportbilanz
ihrer Chips aus der Dose einstecken. Negativer Rekordhalter bei diesem Bewertungspunkt sind Mister-Potato-Stapelchips bei Penny und die Spar-Eigenmarke:
Beide werden in Malaysia hergestellt. Auf
der Packung der Spar-Potato-Crisps ist sogar noch extra angegeben: „Hergestellt
aus deutschen Kartoffelflocken“. Aber
auch der Marktführer bei den Stapelchips
schneidet hier schlecht ab: Die PringlesProdukte werden aus Belgien in die heimischen Supermärkte transportiert.
Knabber-Fazit
Ein „Hervorragend“ konnte keines der
Produkte im Check erreichen. Wie schon
bei der ersten Chips-Untersuchung 2010
kritisiert Greenpeace auch diesmal, dass
es kein einziges Bio-Produkt aus Österreich gibt. Die zwei Bio-Chips im Check
stammen aus der Schweiz und aus den
Niederlanden. Generell schneiden ChipsProdukte in Dosen und Produkte, die auf
exotische Geschmacksrichtungen setzen,
schlechter ab. Wer sich also bei Chips & Co
nicht zurückhalten kann, ist mit den klassischen Chips mit Salz und einem vergleichsweise kleinen „Transportrucksack“
am besten beraten. n
!
hervorragend
gut
kritisch
ungenügend
Produkt
Gekauft bei
Swiss bina Food
Bio Chips
Nature
denn's
Trafo
Bio Kartoffel
Chips Naturel
denn's
Sunsnacks
Kartoffel Chips
Salz
Hofer
Clever
Chips
Billa
Kelly's
Chips Classic
Zielpunkt
Crusti Croc
Salz Chips
Lidl
Spar
Kelly's
funny-frisch
Lorenz
Lorenz
Pringles
Sunsnacks
Kettle Chips
Kelly's
Mister Potato
Spar
Pringles
Spar
Zielpunkt
Spar
Zielpunkt
Merkur
Spar
Hofer
Billa
Spar
Penny
Spar
Billa
Chips gesalzen
Chips Paprika
Chipsfrisch
gesalzen
Naturals Classic
Naturals mit
steirischem
Kürbiskernöl
Original
Stapelchips
Paprika
Mature Cheddar
& Red Onion
Chips Sour
Cream
Crisps – Original
flavour
Potato Crisps
Original
Xtreme
Cheese & Chilli
Ökologie
Inhaltsstoffe (Zutaten)
Palmöl (Verdacht)
Gentechnik
Transport
Verpackung
!
nein
!
nein
!
!
nein
nein
nein
nein
nein
nein
nein
nein
ja
ja
nein
nein
ja
ja
ja
ja
Die Bewertung
der Produkte
erfolgt nach dem
Ampelschema: Die
Bestnote „Grün!“
bedeutet „hervorragend“, „Grün“ steht
für „gut“, Orange
heißt „kritisch“, und
„Rot“ entspricht
„ungenügend“.
Stand: Jänner 2013
act
13
Zukunft
sichern
Nuklearenergie ist billig
– dieser Glaubenssatz
wird von Atombefürwortern nach wie vor
strapaziert. Doch was
kostet ein Atomkraftwerk „schlüsselfertig“,
und wer stemmt die
Kosten tatsächlich?
AKW-Baustellen in
Frankreich, Finnland und
der Slowakei verraten
die teure Realität.
Was möchte ich meinen Nächsten
weitergeben? Was will ich über das
eigene Dasein hinaus bewirken?
Das sind elementare Fragen, die
uns alle eines Tages beschäftigen.
Von Julia Kerschbaumsteiner
Mythos billige Atomkraft
Der Baum des Weiter­lebens im Greenpeace-Büro:
Menschen, die Greenpeace
in ihrem Testament
bedacht haben, werden
als Blätter verewigt.
Petra Taylor
Letztwillige Zuwendungen können an mehr
als eine Person erfolgen.
Sind Erbschaften von der Steuer befreit?
Josef Unterweger
Ja, Erbschaften sind seit 2008 steuerfrei.
Kann man beim Aufsetzen eines Testamentes Fehler machen?
Was ist die häufigste Motivation, eine gemeinnützige Organisation im Testament zu
berücksichtigen?
Wir schicken Ihnen den Ratgeber
gerne kostenlos zu. Unsere zuständige
Mitarbeiterin Petra Taylor beantwortet
Ihre Fragen gerne unter der Telefonnummer 01/545 45 80-85 oder per Mail an
[email protected].
Das Testament muss klar und verständlich
sein. Zudem müssen die gesetzlichen Formvorschriften eingehalten werden. Wichtig ist
auch, dass es auffindbar ist. Deshalb ist es
empfehlenswert, sich beim Aufsetzen des
Testamentes beraten zu lassen und eine Registrierung des Testamentes zu beauftragen.
Eine letztwillige Verfügung ermöglicht es,
über den Tod hinaus für eine gute Sache
wirksam zu sein. Erblasserinnen und Erblasser können etwas an die Gesellschaft zurückgeben, etwas Gutes tun und möchten auf diese Weise einen Beitrag leisten für eine gute
Sache.
Die häufigsten Fragen zum Thema
Testament beantwortet Dr. Josef
Unterweger für uns gleich hier:
Jede Person ist über ihr Vermögen allein verfügungsberechtigt. Wenn aber Kinder, ein
„Mein letzter Wille“ beantwortet die wichtigsten rechtlichen Fragen rund um das Thema Testament und Nachlass.
14 act
Kann ich meinen Nachlass mehreren Begünstigten zuwenden?
Entscheide ich allein, wer erbt?
Was sollte ich noch bedenken?
Letztwillige Verfügungen werden nie zu früh
gemacht, aber häufig zu spät! n
Fotos: ©GP/Teresa Novotny, ©Dan Taylor, ©GP/Georg Mayer, © Andreas Varnhorn/GP
Immer häufiger kommt es vor, dass Menschen auf uns zukommen, weil sie erwägen,
Greenpeace in ihrem Testament zu berücksichtigen. Es ist eine persönliche und sensible Entscheidung, wer im Nachlass bedacht
wird, und bedarf sorgfältiger Überlegungen.
Gemeinsam mit unserem langjährigen
Rechtsberater Dr. Josef Unterweger, der auch
für tiefgehende juristische Beratung zuständig ist, haben wir einen Ratgeber verfasst, der
detailliert zu diesem Thema Auskunft gibt.
Ehegatte oder ein eingetragener Partner vorhanden sind, haben diese Personen Anrecht
auf einen Pflichtteil. Den pflichtteilsberechtigten Personen steht ein Anteil am Erbe zu,
auch wenn sie im Testament nicht erwähnt
werden.
Regierungen und Betreiber können
Atomenergie günstig anpreisen, weil in offiziellen Kostenschätzungen die versteckten Kosten kategorisch heruntergespielt
oder ignoriert werden. Diese sind vielfältig: Brennstoff-Kreislauf, Abfallmanagement, der Rückbau nuklearer Einrichtungen, Sicherheit, Infrastruktur, staatliche
Garantien und Haftpflicht sind dabei nur
einige Stichwörter. Die exorbitanten Kosten, die Atomkraftwerke tatsächlich verursachen, werden von der Bevölkerung finanziert. Wie die Katastrophe von Fukushima verdeutlicht hat, springen Staaten
bei den Folgekosten eines Unglücks ein.
So wurde die verantwortliche Betreiberfirma Tepco nach dem Super-GAU verstaatlicht – und rund 9,8 Milliarden Euro aus
Mitteln der öffentlichen Hand flossen in
das marode Unternehmen.
Flamanville, Olkiluoto, Mochovce
Keine Frage, so ein Atomkraftwerk ist teuer. Auch ein Flug zum Mond kostet richtig
viel Geld. Der Druckwasserreaktor (EPR),
der derzeit im französischen Flamanville
gebaut wird, übersteigt aktuell bereits die
Kosten für sieben Flüge zum Mond und zurück. Die französische Betreiberfirma EDF
musste kürzlich nicht nur einräumen, dass
sich die Baukosten auf 8,5 Milliarden Euro
verdreifacht haben, sondern auch, dass die
Fertigstellung auf 2016 verschoben werden
muss. Eigentlich sollte die Anlage am
­ rmelkanal schon heute etwas mehr als
Ä
zwei Millionen Haushalten Strom liefern.
Für das Geld, das für den EPR ausgegeben
wird, hätten 3.000 Windräder installiert
werden können, die 3,5 Millionen Haushalte mit sauberem Strom versorgen.
Kostenexplosion
Der Druckwasserreaktor, der momentan
als das Nonplusultra der AKW-Konstruktion gehandelt wird, treibt aber nicht nur
EDF den Schweiß auf die Stirn. 2.500 Kilometer weiter nördlich wiederholt sich das
Kostendebakel auf der finnischen AKWBaustelle Olkiluoto. Dort wurden die Kosten ebenfalls auf rund acht Milliarden Euro
nach oben korrigiert. Der AKW-Neubau,
für den vom französisch-deutschen Konsortium aus Areva und Siemens nicht einmal mehr ein Eröffnungsdatum genannt
wird, entwickelt sich zum finanziellen Desaster für die Investoren – zumal der finnische Auftraggeber das Konsortium bereits
auf 1,8 Milliarden Euro Schadenersatz verklagt hat. Und auch unser Nachbarland
schlägt sich mit einer sündteuren AKWBaustelle herum. Nach Greenpeace-Berechnungen hat die Bauverzögerung in
Mochovce die slowakische Bevölkerung
schon jetzt 490 Millionen Euro gekostet.
Die Beispiele zeigen, dass der Mythos
der billigen Atomenergie einer realen Betrachtung nicht standhält. Werden Folgekosten beim Austritt radioaktiver Strah-
lung, Folgekosten der Prozesskette des
Abbaus und der Weiterverarbeitung von
Uran, Kosten als Folge terroristischer Anschläge, Proliferation von Plutonium und
Folgekosten und -risiken von Endlagern
in die Kalkulationen einberechnet, so
zeigt sich: Atomstrom ist extrem teuer.
Eine Kilowattstunde Atomstrom kostet
dann 16,4 Cent. Zum Vergleich: Eine Kilowattstunde Ökostrom ist bereits ab 7,17
Cent zu haben – und wird zunehmend billiger. Um den Ausbau erneuerbarer Energiequellen in Österreich voranzutreiben,
wird auch Ökostrom aus Windkraft, Biomasse und Photovoltaik sowie neuen
Wasserkraftanlagen bis zu einer bestimmten Leistung gefördert.
Die Mehrkosten für Ökostrom sind jedoch transparent gestaltet und dienen
dem Ausbau von sauberen, nachhaltigen
Technologien, die ohne schmutzige Geheimnisse auskommen.
Erneuerbare Energiequellen wie Wasser,
Sonne und Wind sind gemeinsam mit der
effizienten Nutzung von Energie der einzig
gangbare Weg, um unseren Energieverbrauch langfristig sicher, kostengünstig
und sauber zu decken. Regierungen, die
weiterhin auf teure und hochgefährliche
Atomenergie setzen, müssen endlich damit
aufhören, die Interessen von riesigen Energiekonzernen durchzusetzen, und zu Vertretern von zukunftsorientierten Gesellschaften werden. n
act
15
Wahr ist: Die Welt ein wenig verbessern geht ganz einfach!
Foto: © Simon Lim/GP
schen Kraftwerke sukzessive ersetzen. Mit
den Einnahmen aus den bestehenden
Stromverträgen, also dem Bezahlen der
Stromrechnung, können diese Anbieter in
neue Photovoltaikanlagen, Windrad-Parks
oder Biomasseanlagen investieren – und
künftig noch mehr grünen Strom produzieren. Damit kommen wir einer Energiewende immer näher. Mehr Grünstrom und
weniger fossile Energie bedeutet weniger
CO2-Emissionen und damit einen geringeren Temperaturanstieg. Und der muss
dringend gebremst werden, wenn wir so
einmalige Gebiete wie die Arktis für die Zukunft sichern wollen.
Grüne Steckdosen
Die Energiewende kann nur geschafft werden, wenn die Endnutzer mehr Sensibilität
für grünen Strom entwickeln. Angebote für günstigen Strom aus erneuerbaren
Quellen gibt es mittlerweile genug – wann greifen die Konsumenten zu?
Von Marcelline Langer
Ich wette, Sie können mir sagen, woher
die Milch und das Gemüse kommen, das
Sie im Supermarkt oder auf dem Markt
kaufen. Bei manchen von Ihnen hängen
wahrscheinlich auch ökologisch verträglich produzierte Textilien im Kleiderschrank. Bei anderen Produkten tappen
die meisten bezüglich der Umweltverträglichkeit noch im Dunkeln. Ich wette – wieder –, nur die wenigsten wissen über die
Zusammensetzung des Stroms, den sie
beziehen, Bescheid. Der kommt einfach
aus der Steckdose und hat auf den ersten
Blick keine Farbe, kein Label, keine Ursprungsbezeichnung – und trotzdem ist
Strom nicht gleich Strom!
Festzustellen, welche Art von Strom Sie
beziehen, ist ganz einfach: Werfen Sie mal
16 act
einen Blick auf ihre letzte Stromrechnung.
Diese weist die atomaren, fossilen oder erneuerbaren Quellen aus, von denen er
stammt.
Auf den Mix kommt es an
Früher waren diese Informationen kaum
zu finden, schon gar nicht auf der Stromrechnung. Dank des jahrelangen Engagements von Greenpeace besserte sich die Situation kontinuierlich. Vor kurzem sind
wir einen wirklich großen Schritt weitergekommen: Künftig muss jede Kilowattstunde Strom, die den Verbrauchern verkauft
wird, mit einem Ursprungsnachweis (Zertifikat) versehen werden. Das ist ein erster,
wichtiger Schritt für mehr Transparenz,
denn bis jetzt hatte Strom „kein Mascherl“.
Greenpeace konnte darüber hinaus erreichen, dass die österreichischen Energieversorgungsunternehmen (EVU) ab 2015
keinen Atomstrom mehr an ihre Kunden
liefern und das mit Nachweisen garantieren. Österreich ist hiermit das erste Land,
das nicht nur auf Atomkraftwerke verzichtet, sondern darüber hinaus den Import
von Atomstrom stoppt. Das ist eine
schlechte Nachricht für die AKW-Betreiber
in unseren Nachbarstaaten – mit Österreich machen sie kein Geschäft mehr.
Mittlerweile gibt es eine Vielzahl von
neuen Stromanbietern, die Strom aus 100
Prozent erneuerbaren Energien (z. B. Sonne und Biomasse) produzieren und verkaufen. Die neuen Energiequellen können
die bestehenden CO2-intensiven thermi-
Stromwechseln – ein Kinderspiel!
Nur 1,5 Prozent (!) der Österreicher wechseln pro Jahr ihren Stromanbieter – das
macht Österreich damit europaweit zu einem Schlusslicht unter den Stromwechslern. Der Wechsel zum grünen Strom hat
nochmal mit ein paar Vorurteilen zu
kämpfen, die bei den Stromverbrauchern
für Skepsis sorgen. So heißt es, dass Grünstrom teurer als der herkömmliche Atomoder Kohlestrom-Mix wäre. Das ist falsch!
Ein Blick auf den Tarifkalkulator der Ener-
giebehörde E-Control zeigt, dass Grünstrom sehr wohl preislich mit anderen
Stromprodukten konkurrieren kann. Ein
weiteres Vorurteil lautet, Grünstrom sei
nicht so „effizient“ wie herkömmlicher
Strom. Das ist ebenfalls falsch! Die Qualität des Stroms unterscheidet sich nicht.
Behauptet wird auch, dass man für
Ökostrom eigene Stromzähler und Kabel
verlegen müsse: nochmal ganz falsch! Die
bestehende Infrastruktur funktioniert
selbstverständlich auch bei nachhaltig erzeugtem Strom. Besonders hartnäckig erweist sich das Gerücht, dass bei einem
Stromwechsel die Gefahr bestehe, dass der
Strom abgestellt würde. Und das ist ganz
falsch. Die Energieversorger sind verpflichtet, jedem Haushalt eine durchgehende Stromversorgung zu gewährleisten
– der Wechsel zu einem neuen Energieversorger geschieht ohne wahrnehmbare Veränderung für den Verbraucher. Der neue,
ökologische Stromanbieter übernimmt
alle Formalitäten. Wahr ist: Die Welt ein
wenig verbessern geht ganz einfach – online, direkt beim Stromanbieter und neuerdings auch im Supermarkt! Hofer bietet
gemeinsam mit der oekostrom AG einen
Erneuerbare Energie
(Sonne, Wasser, Wind)
Anbieter von Greenpeace empfohlen
Erneuerbare Energie
(Sonne, Wasser, Wind)
speziellen Grünstromtarif österreichweit
in seinen Filialen an. Zwar ist die Aktion
aufgrund der immensen Nachfrage schon
ausverkauft, doch es soll bald zu einer
­Folgeaktion kommen. Greenpeace unterstützt diese Aktion, und wir hoffen, dass
weitere Einzelhandelsunternehmen diesem Beispiel nacheifern, um Stromwechseln noch einfacher zu gestalten.
Greenpeace-Stromcheck
Der aktuelle Stromcheck von Greenpeace
bietet Wechselwilligen zusätzliche Informationen über den Strommix bestehender
Produkte, bei dem die besten Anbieter für
nachhaltigen Strom ausgewiesen wurden
(siehe Grafik). AAE Naturstrom und die
oekostrom AG sind unter den österreichischen Strom­liefer­anten für private Endverbraucher nach wie vor das Maß aller Dinge.
Beide weisen einen einwandfreien Strommix auf, der sich zu 100 Prozent aus erneuerbarer Energie zusammen­setzt und dessen Ausbau aktiv fördert, sie arbeiten
transparent und lassen ihre Finger vom
Graustrom. So soll Strom sein! n
webtipp: www.greenpeace.at/stromcheck
Fossile Energie
(Kohle, Gas)
Atomenergie
Stromnachweise
AAE Naturstrom
oekostrom AG
VKW
BEWAG
Salzburg AG
TIWAG
STEWEAG-STEG
Energie AG
EVN
Wien Energie
KELAG
Verbund Haushalt
Verbund
Industriekunden
0 %
20 %
40 %
60 %
80 %
100 %
Durchschnitt
act
17
Foto: ©GP/Georg Mayer
Interview: Birgit Bermann
Wie sieht unsere Zukunft aus – Mensch
oder Auto oder Mensch und Auto? Das
kommt darauf an. Ich kann da nur mit Paracelsus sprechen: Alles ist Gift, es kommt
immer auf die Dosis an. Und unsere Autodosis ist derzeit viel zu hoch.
Wie kommen wir zu einer verträglichen
Verkehrsdosis? Indem man Alternativen
schafft. Und die sieht so aus, dass es weniger lustig ist, Auto zu fahren, als etwas anderes zu tun.
Ich habe den Weg zu Ihnen mit der UBahn zurückgelegt. Das war o. k., ja – aber
lustig? Nein. Mit dem Auto wäre es noch we-
niger lustig gewesen. Sie hätten keinen
Parkplatz gefunden, und wenn doch, dann
müssten Sie etwas zahlen. Noch lange nicht
das, was es wirklich kostet, aber einen kleinen Teil davon. Und das führt bei den meisten Autofahrern schon zu unangenehmen
Gefühlen.
Mobilität kann nicht nur über Gebühren
geregelt werden. Nein, sicher nicht. Die
Gebührenschraube ist eine Symptom­
behandlung, es muss über die Struktur geredet werden. Wenn Sie mit dem Auto
Hermann Knoflacher (geboren 1940 in Villach)
ist emeritierter Professor und ehemaliger Vorstand des Instituts
für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik an der TU Wien.
Er realisierte zahlreiche Gesamtverkehrskonzepte, u. a. in Wien,
Graz und Hamburg. Er ist Mitglied des Club of Rome und des Club
of Vienna und globaler Fußgehervertreter der Vereinten Nationen.
Im April erscheint sein neues Buch: „Zurück zur Mobilität –
Anstöße zum Umdenken“, Ueberreuter Verlag.
18 act
hierherfahren wollen und wissen, es gibt
hier keinen Parkplatz, dann werden Sie zu
Hause nicht mit dem Auto wegfahren.
Aber natürlich ist es besser, wenn Sie zu
Hause auch keinen Parkplatz vor der
Haustüre haben.
Welche Strukturen müssen verändert
werden? Die Bauordnung! Wir haben noch
eine alte „Reichsgaragenordnung“ von
Adolf Hitler. Die Präambel schreibt vor,
dass zu jeder Wohnung und zu jedem Gewerbebetrieb für die bestehende und in
Zukunft zu erwartende Anzahl an Autos
Abstellplätze geschaffen werden müssen.
Die Tiroler Bauordnung schreibt sogar
drei Stellplätze vor – für eine Wohnung!
Welche Strukturen halten Sie für wichtig? Ich halte das für richtig, was für die
Menschen gesund, sicher ist und für die
Zukunft weniger riskant ist. Ein Autofahrer kann jemanden überfahren, er erzeugt
Lärm und Abgase und nimmt allen anderen den Lebensraum weg. Ein unmenschliches Verhalten. Das Auto hat in einem Umfeld menschlicher Werte mit Ausnahme
seiner zentralen Funktionen nichts verloren: für jene, die sich physisch nur eingeschränkt bewegen können, für Transportaufgaben und für Noteinsätze. Wenn ein
Politiker sagt: „Vorrang für den öffentlichen Verkehr“, und das ernst nimmt, bedeutet das, dass die Wege zu und vom geparkten Auto länger sein müssen als zur
Haltestelle des öffentlichen Verkehrs.
Sonst lügt er die Menschen bewusst an.
Tut das die Politik in Österreich? Natürlich! Die versteht schon lange nicht mehr,
was sie tut. Sie glaubt zum Beispiel an den
Unsinn von Zeiteinsparungen oder an Berechnungen über wirtschaftlichen Nutzen
durch hohe Geschwindigkeiten. Eine völlige Absurdität.
Haben Sie keine Angst vor wütenden
Autofahrern? Hätte ich die jemals gehabt,
gäbe es in Wien keine Fußgängerzone, keine Radwege und in vielen anderen Städten,
wo ich geplant habe, ebenfalls keine Fußgängerzone, keine verkehrsberuhigten Zonen, kein Tempo 30.
Was macht die Faszination Auto aus?
Es ist der Körperenergieverbrauch. Der
findet im ältesten Teil unseres Gehirns
statt, dem Hypothalamus. Dort dringt das
Auto ein. Das Auto will eine für das Auto
angenehme Umwelt, und genau das haben
wir in den letzten hundert Jahren gebaut,
eine Welt für Autos und nicht für Menschen. Wenn die Menschen vom Auto­
virus befallen sind, sehen sie die Welt so,
wie es das Auto gerne hätte.
Was passiert, wenn wir uns vom Virus
Auto geheilt haben? Dann beherrschen wir
das Auto, nicht das Auto uns. Ich habe das
empirisch und in der Praxis x-mal nachgewiesen: Erzeuge ich eine autofreie Umgebung, dann können die Menschen leichter
auf das Auto verzichten. Ich habe Städte erlebt, die bis heute leiden, weil sie diese Therapie nicht anwenden wollen – und im Wesentlichen ihre Stadt sterben lassen. n
Foto: ©GP/Kurt Prinz
Interview
Verkehrswissenschaftler
Prof. Hermann Knoflacher
über Mobilität, das
Autovirus und warum
in der Bauordnung die
Lösung für die Verkehrsprobleme liegt.
Kommentar
„Unsere
Autodosis
ist viel
zu hoch“
Fortschritt oder
Armutszeugnis?
„Umweltfreundlicher, sozialer, sicherer und effizienter“ – so stellt sich
Verkehrsministerin Doris Bures im neuen Gesamtverkehrsplan die Zukunft
des Verkehrs vor. Wird jetzt alles besser? Von Jurrien Westerhof
Um diese knifflige Frage zu beantworten, werfen wir zuerst mal einen Blick auf den vorigen Generalverkehrsplan von Ministerin Forstinger
(FPÖ). Zentrale Begriffe anno 2002
waren: „Infrastrukturbedürfnisse“,
„Wettbewerbsfähigkeit“ und „Wirtschaftsstandort“ – in Gedanken sieht
man die LKW vorbeidonnern.
Damals wollte man „hochrangige
Straßenverbindungen so rasch wie
Eine vernünftige Verkehrspolitik
sieht definitiv anders aus!
möglich ausbauen“, heuer lesen wir:
„Der Schlüssel liegt im Ausbau des öffentlichen Verkehrs.“ Beherrschen
jetzt bald radfahrende Mütter mit
Kindern das Straßenbild, und werden
Sattelschlepper verboten?
Nein – denn hinter vielen der jetzigen Ankündigungen steht nicht sehr
viel Substanz. Der öffentliche Verkehr
hat zwar deutlich an Bedeutung gewonnen, aber das meiste Geld wird
laut Plan weiter in sündteure und unnötige Eisenbahntunnels gesteckt. An
den 2002 angekündigten Autobahnprojekten wird ebenfalls weiter festgehalten – obwohl der Straßenverkehr
seit 2006 stagniert. Und die von Ministerin Bures angekündigte Verringerung des Energieverbrauches und der
CO2-Emissionen im Verkehr wird
auch so erreicht werden – weil die Autos allmählich sparsamer werden.
Grund hierfür ist übrigens, dass sich
Greenpeace vor Jahren intensiv dafür
eingesetzt hat, dass die Autohersteller
verpflichtet werden, das zu tun, was
sie seit langem könnten – nämlich
sparsamere Autos bauen!
Was wirklich gebraucht wird, ist
ein rascher Ausbau der Schnellbahnverbindungen um die Städte – und
der bleibt für hunderttausende
Pendler weiterhin ein Traum, der
nicht erfüllt werden wird. Die nötigen Mittel dafür werden nämlich im
Koralm- und Semmeringtunnel vergraben. Und es kommt noch schlimmer: Weiteren Bahnstrecken droht
die Stilllegung. Solange der LKWVerkehr weiterhin mit günstigem
Diesel und fehlenden Kontrollen gefördert wird, Güterzüge aber mit hohen Schienenmauten belastet sind,
wird es nicht gelingen, den Güterverkehr auf die Bahn zu verlagern.
Sinnlose Projekte
Bei der Verkehrspolitik prallen viele
Interessen und Wünsche aufeinander. Niederösterreich will z. B. unbedingt die Nordautobahn weiter bis
zur tschechischen Grenze ausbauen –
auch wenn die bisherige Strecke mangels Verkehr einer Geisterautobahn
gleicht und die Autobahn an der
Grenze aufhören würde. Dasselbe
Niederösterreich hat vor einigen Jahren aber viele Regionalbahnschienen
von den ÖBB übernommen – und
zahlreiche Strecken sofort stillgelegt.
Eine vernünftige Verkehrspolitik
sieht definitiv anders aus!
Niederösterreichische Interessen
dürften auch hinter der Entscheidung stehen, Pendlern in Zukunft
mit zwei Euro pro Kilometer und
Jahr entgegenzukommen. Wer also
50 Kilometer von der Arbeit entfernt
wohnt, bekommt ab 2013 dafür 100
Euro ausgezahlt – auch wenn die
Strecke im Porsche Cayenne zurückgelegt wird. Im Wahljahr 2013 ein
nettes Zuckerl für die Wähler, umweltpolitisch ist es das falsche Signal.
150 Millionen Euro kostet das den
Staat. 27 Millionen Euro gibt das
Land Niederösterreich jährlich für die
Finanzierung des regionalen Bahnverkehrs aus, und immer noch drohen Strecken gesperrt zu werden.
Positive Ansätze
Positiv im aktuellen Generalverkehrsplan ist das steuerfreie Job­
ticket. Diese „Öffi-Variante“ des steuerbegünstigten Dienstautos macht es
für Arbeitgeber attraktiver, ihren
Mitarbeitern eine Jahreskarte zum
Beispiel für die Bahn anzubieten.
Und gelingt es wirklich, eine flächendeckende Versorgung mit öffentlichen Verkehrsmitteln umzusetzen,
dann wäre das ein großer Sprung vorwärts – denn man kann nicht ernsthaft von Autobenutzern verlangen,
auf Bus oder Bahn umzusteigen,
wenn weit und breit kein Bus oder
keine Bahn fährt.
In Vergleich zum Asphaltierprogramm von 2002 ist der jetzige Verkehrsplan eine deutliche Verbesserung. Die entscheidende Frage wird
aber sein, was davon tatsächlich umgesetzt wird – oder ob die österreichischen Verkehrspolitik nur am Papier
ein Fortschritt ist und in der Praxis
ein Armutszeugnis abgibt. n
Jurrien
Westerhof
ist Klima- und
Energieexperte
bei Greenpeace
CEE.
act
19
lisierten, nicht nachhaltigen Landwirtschaft. Immer monotonere
Landschaften, der Einsatz von
Pestiziden, der Verlust von intakten Ökosystemen, aber auch Parasiten sind die Hauptgründe dafür.
Der Zusammenhang zwischen Bienensterben und Pestizideinsatz
wird mittlerweile durch immer
mehr Studien bestätigt.
Besonders gefährlich sind zum
Beispiel Neonikotinoide, eine
Gruppe von Insektiziden, die unter
anderem zur Saatgutbehandlung
eingesetzt wird. Sie haben auf die
Bienen eine nikotinähnliche Wirkung und beeinflussen das Nervenleitsystem der Tiere. Die Auswirkungen reichen von Koordinationsverlust über Flügellähmung bis hin
zum Tod. Die Gifte können die Immunabwehr der Bienen schwächen
und sie anfälliger für Krankheiten
und Jahr für Jahr wieder mit Neonikotinoiden gebeiztes Saatgut
ausgebracht wird. Zwar gibt es einige Auflagen für die Anwendung
einiger Pestizide, notwendig wäre
aber ein Verbot zumindest der für
die Bienen gefährlichsten Pestizide
und die konsequente Einführung
einer Fruchtfolge auf den Feldern.
Das bedeutet, dass nicht einfach
mehrere Jahre hintereinander die
gleiche Pflanze, wie zum Beispiel
Mais, angebaut werden darf, sondern verschiedene Pflanzen abgewechselt werden.
Um auf das eingangs erwähnte
Zitat zurückzukommen: Wenn es
um die Bienen tatsächlich so
schlecht steht – was bedeutet das
für den Menschen? Bienen sind
maßgeblich am landwirtschaftlichen Ernteerfolg beteiligt. Sie bestäuben sehr viele Kulturpflanzen,
wir weiterhin am Gebrauch dieser
Pestizide fest, wird auch das massive Bienensterben weitergehen. Ein
Blick nach China könnte uns dann
wie ein Blick in unsere Zukunft erscheinen. Dort werden nämlich
bereits jetzt aufgrund des Rückgangs der Bienenvölker ganze
Plantagen von Menschenhand bestäubt. Wäre das auch für Österreich vorstellbar – ObstplantagenBestäuber als neuer Wirtschaftszweig? Die Zyniker unter uns
könnten sich zumindest über viele
neue Arbeitsplätze freuen.
Greenpeace-Kampagne
Wenn wir in Europa diesem Horrorszenario entgehen möchten,
führt an einer nachhaltigen Landwirtschaft kein Weg vorbei. Nur
ökologischer Anbau kann dem
Sterben der Bienen entgegenwir-
Der Rückgang der Bienen gefährdet auch unsere Nahrungsmittelsicherheit.
Halten wir weiter an Pestiziden fest, wird auch ihr Sterben weitergehen.
Massives Bienensterben: Die
industrielle Landwirtschaft trägt
einen großen Teil dazu bei.
Durch den Einsatz von Pestiziden, wie zum Beispiel Neoniko­
tinoiden, werden die Bienen
orientierungslos, leiden an
Flügellähmung und sterben.
Ganze Bienenvölker verschwinden, und die Obst- und
Gemüseernten erleiden enorme
Einbußen.
Das Sterben
der Bienen
Umweltgifte und eine industrialisierte Landwirtschaft
­wirken sich auf Bienenvölker zunehmend
verheerend aus – unter ihnen hat ein Massensterben
­begonnen. Lösungen gibt es. Greenpeace fordert in
einer europaweiten Kampagne deren rasche Umsetzung.
Von Christine Gebeneter
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Wenn die Bienen aussterben, haben
die Menschen noch vier Jahre zu leben.“
Das Albert Einstein zugeschriebene Zitat
wird in den letzten Jahren oft bemüht,
wenn es um das Thema Bienen geht.
Aber weshalb? Sind unsere Bienen tatsächlich in so großer Gefahr? Die Antwort lautet: Ja! Und das, obwohl wir mit
ökologischer Landwirtschaft eigentlich
wirksam gegensteuern könnten.
Die Situation ist dramatisch: Seit Ende
der 1990er-Jahre wird insbesondere in
Nordamerika und Europa ein Massensterben unter den Bienen beobachtet. Jedes Jahr beklagen allein in Österreich
Dutzende Imker den Verlust ihrer Bienenvölker. Die Gründe für das weltweite
Bienensterben sind vielfältig, und die
meisten davon wurzeln in der industria-
und Parasiten, wie etwa die gefürchtete Varroamilbe, machen. Oder sie
finden gleich überhaupt nicht mehr
nach Hause, denn Neonikotinoide
vernebeln den Orientierungssinn.
Als Folge verschwinden ganze Völker spurlos. In Italien, Frankreich,
Norwegen, Deutschland und Slowenien wurden Neo­nikotinoide bereits mit dem Massensterben von
Bienen in Verbindung gebracht und
zumindest teilweise verboten. Auf
EU-Ebene gibt es immerhin erste
kleine Schritte in Richtung Bienenschutz.
Rund um Österreich wird also
schon gehandelt, während bei uns
das Problem des massiven Bienensterbens immer noch kleingeredet
wie Obstbäume und unzählige Gemüsesorten. Laut FAO sind rund
zwei Drittel unserer Kulturpflanzen von bestäubenden Insekten
abhängig.
Lebensnotwendige Bienen
Neben den Bienen fungieren auch
andere Tiere wie Vögel, Schmetterlinge und Insekten als Bestäuber.
Werden diese Bestäuber durch den
Einsatz von Pestiziden gefährdet,
führt das auf lange Sicht zu einer
geringeren Vielfalt unserer Lebensmittel und von natürlich vorkommenden Pflanzen. Übersetzt
bedeutet das: Der Rückgang der
Bienen gefährdet auch unsere
Nahrungsmittelsicherheit. Halten
„Geben wir Bienen
eine Chance!“
Harald Singer ist Imkermeister,
Biologe und Ehrenpräsident des
Österreichischen Erwerbsimkerbundes und des Europäischen
Berufsimkerbundes. Seit über
einem Jahrzehnt registriert er
schwere Schäden unter den
Bienen.
Welche Bedeutung haben Bienen?
Die Bienen haben eine ökologische und
ökonomische Bedeutung. Ein Drittel der
globalen Lebensmittelproduktion und
zwei Drittel der Nahrungsmittelpflanzen
sind von Bestäuberinsekten abhängig.
Honigbienen und Wildbienen sind ein
Indikator für das gesamte Ökosystem. Sie
zeigen den Grad der Umweltbelastung.
Wie sind Ihre Erfahrungen als Imker
mit dem Bienensterben?
Einerseits gibt es spontanes Sterben von
Sammelbienen und ganzen Bienenvölkern.
Zum anderen schleichende Vergiftungssymptome wie Bienenverluste, Drohnenverluste und Königinnenausfälle.
Seit wann gibt es Probleme?
Probleme mit Agrochemikalien gibt es seit
deren Ausbringung. 1995 wurden starke
Bienenverluste durch Spritzmittelschäden
dokumentiert. Seit 1999 nehmen die
Schäden massiv zu, und 1999 wurden bei
abgestorbenen Bienen Pflanzenschutz­
mittelwirkstoffe nachgewiesen.
ken. Vernünftige Fruchtfolgen
können den Einsatz großräumiger
Chemiekeulen ersetzen und damit
auch die Ausbreitung von Schädlingen eindämmen. Wir dürfen
nicht länger tatenlos zusehen, wie
immer mehr Bienen sterben.
Greenpeace hat Anfang dieses Jahres eine europaweite Kampagne
zum Schutz der Bienen gestartet
und fordert als ersten Schritt zur
Bienenrettung, die für die wertvollen Insekten gefährlichsten Pestizide sofort von unseren Feldern zu
verbannen. Ein Verbot ist zwar nur
ein kleiner Schritt in Richtung
nachhaltige Landwirtschaft. Für
die Biene ist es aber ein Meilenstein. n
Was sind die Ursachen?
Das Bienensterben hat mehrere Faktoren.
Pflanzenschutzmittel werden zunehmend
dafür verantwortlich gemacht. Dadurch
geschwächte Bienenvölker sind Viren,
Bakterien, Pilzen und Parasiten wie der
Varroamilbe ausgeliefert und sterben dann
häufig an Sekundärinfektionen.
Was bedeuten Bienen für Sie?
Honigbienen sind für mich und meine­
­Familie der Lebensinhalt. Sie sind faszinie­
rende, komplexe Organismen. Bienen
­haben zum Glück uns Imker als Fürsprecher. Sie zeigen uns ein Artensterben ungeheuren Ausmaßes. Wenn wir Menschen
das nicht in den Griff bekommen, wird
eine ökologische und ökonomische Katastrophe auf uns zukommen. Honigbienen
sind unersetzlich und für das Überleben
notwendig. Geben wir den Bienen und
damit uns selbst eine Chance für die
Zukunft!
act
21
Schwarmintell igenz
Von Florian Bolka
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Ein Stück Welt retten kann so einfach sein: Der Nationalpark Cabo
Pulmo an der mexikanischen Westküste ist ein geschütztes Natur­
paradies und UNESCO-Weltkulturerbe. Ein viel zu schönes Kleinod,
um es hunderttausenden Besuchern jährlich vorzuenthalten,
dachte sich die Tourismusindustrie. Es kam, wie es kommen musste:
2011 genehmigt die Regierung ein
Urlaubsresort mit 27.000 Zimmern direkt neben dem Nationalpark. Aber es kam auch, wie es kommen soll: Um Cabo Pulmo zu erhalten, hat Greenpeace in Mexiko in
nur drei Monaten 222.000 Unterschriften gesammelt und so dessen
dauerhaften Schutz erreicht.
Was war geschehen? Dass nachhaltiger Schutz der Meere den Inter­
essen der Allgemeinheit mehr entspricht als eine intensive Bewirtschaftung der Küste, von der nur
wenige profitieren – so viel war
auch vor dem Einlenken der verantwortlichen Politiker klar. Aber
auch, dass die Interessen der Mehrheit sehr leicht ignoriert werden
können, wenn sie nicht gebündelt
zum Ausdruck kommen. Eine Un-
terschrift unter einer Petition mag
Ihnen nicht viel vorkommen – gemeinsam mit zehn- oder hunderttausenden anderen in den Händen
einer Organisation wie Greenpeace
wird sie zum alles entscheidenden
Druckmittel. Oder um es ganz plastisch auszudrücken: Aus vielen kleinen Fischen wird ein großer Hai.
Hinter diesem Prozess steckt viel
Aufwand. Ein sehr wichtiger Teil
unserer Arbeit bei Greenpeace
dreht sich um die Mobilisierung
von Ihnen und weltweit Millionen
Menschen. Damit wir die Umwelt
durch gezielte Kampagnen erfolgreich schützen können, bedarf es
des Engagements von sehr vielen.
Zwar kann nicht jede Unterschrift
zu einem Kampagnensieg führen,
aber es gibt kaum Kampagnensiege
ohne die Unterstützung durch viele
einzelne kleine Fische.
Das Schöne an Unterschriften
ist: Sie funktionieren auch über
Ländergrenzen hinweg. Im Sommer 2012 wurde der Plan Süd­
koreas bekannt, wieder in den so­
genannten „wissenschaftlichen“
Walfang einzusteigen. Um das zu
verhindern, legte Greenpeace den
nächsten Schritt zu tun: Kontakt zu
den verantwortlichen Politikern
durch Faxe und Anrufe im türkischen Umweltministerium aufzunehmen. Und siehe da, persönliche
Ansprache zahlt sich aus: Das Thema landete auf der politischen
Agenda. Eine große Anzeige in ei-
­ okus auf internationalen Druck.
F
Und tatsächlich – nach Unterschriften von über 100.000 Menschen
weltweit ließ Südkorea seine Walfang-Pläne fallen.
Von klassisch zu 2.0
Die digitale Vernetzung hat die Mobilisierung einfacher und komplizierter zugleich gemacht – denn
heute sind viele Puzzleteile und ihr
optimales Zusammenspiel notwendig. Ein Beispiel dafür ist unsere
2011 gestartete „How Big is Yours“Kampagne in der Türkei gegen
die Überfischung des Mittelmeers
durch den Fang zu kleiner Fische.
Die Menschen für das Thema Meeresschutz zu sensibilisieren und sie
dann noch zu einer Aktion zu mobilisieren hört sich einfach an, bedarf
aber ausgeklügelter Planung. In die
Kampagne wurden Spiel-Mechanismen implementiert, um mit einem Augenzwinkern zuerst einmal
Bewusstsein zu schaffen: Wie groß
ist deiner? – gemeint war der Fisch
am Teller, am Markt oder im Supermarktregal. Im Laufe der Kampagne war ein Teil der bereits mobi­
lisierten Menschen bereit, den
Für den Schutz der Arktis vor Ausbeutung durch gierige Rohstoffkonzerne muss eine ganze Bewegung geschaffen werden. In weniger
als einem Jahr hat Greenpeace es
erreicht, dass weltweit über zwei
Millionen Menschen unsere ArktisPetition unterschrieben haben –
fährlichen Projekte zur Zerstörung
der Arktis aufgeben.
Greenpeace in Österreich ist Teil
dieser Bewegung, und anders als
unsere Kollegen in den Arktis-Anrainerstaaten müssen wir einen anderen Mobilisierungsweg einschlagen. Uns beschäftigt die Frage: Wie
fänger mobilisierbar sind,
um dieses Projekt zu realisieren: Helfen Sie
mit unter www.
greenpeace.at/WeAreFish oder
scannen Sie den QR-Code.
Nicht jede Unterschrift kann zu einem Kampagnensieg führen, aber es gibt kaum
Kampagnensiege ohne die Unterstützung vieler einzelner kleiner Fische.
Illustration: Karin Dreher
Es gibt Kampagnen,
die gewinnt man mit
einer Unterschriftenpetition. Für andere
ist ein ganzes Feuerwerk an Maßnahmen notwendig. In
jedem Fall brauchen
wir jeden einzelnen
Unterstützer – lassen
Sie sich von uns
mobilisieren!
ner populären türkischen Zeitung –
finanziert von 1.500 Unterstützern
– war eine weitere Mobilisierungsleistung und wurde kurz vor der
entscheidenden Sitzung platziert.
Das Ergebnis all dieser Anstrengungen, zehntausende Menschen zu
unterschiedlichen, aufeinander abgestimmten Aktionen innerhalb einer Kampagne zu bewegen: Drei bedrohte Fischarten erhielten gesetzlichen Schutz!
Wenn es jetzt um die Rettung einer ganzen Region geht, sind die
Maßstäbe noch größer und die Herausforderungen noch gewaltiger:
das Fundament unserer Arbeit.
Zehntausende haben durch Gespräche, Vorträge und in sozialen Netzwerken die Arktis zum öffentlichen
Thema gemacht, Tausende haben
uns mit kreativen Werken unterstützt und so andere sensibilisiert
und viele Hunderte sich an unseren
zahlreichen Aktionen beteiligt –
und damit das Thema in die Medien
gebracht. Jetzt gilt es, das Tempo zu
halten und einen langen Atem zu
haben – denn die Gegner der Arktis
sind mächtig. Sie müssen den
Druck all dieser Menschen lange
und deutlich spüren, bis sie ihre ge-
mobilisiert man breitenwirksam
weit abseits der Arktis für ihren
Schutz? Wie kann man in Österreich einen Beitrag für die internationale Kampagne leisten? Indem
man Entschlossenheit und Willen
zeigt und damit wieder international Menschen inspiriert!
Österreich für die Arktis
Im Februar haben wir unser Mobilisierungsprojekt „We are Fish“ gestartet, das unserer Bewegung ein
Gesicht gibt. Neugierig? Wir haben
uns gefragt, wie viele der rund
100.000 österreichischen act-Emp-
Ob Unterschriften, Anrufe, Abstimmungen, finanzielle Unterstützung, kreative Taten, aktionistischer
Einsatz oder alles zusammen – es
gibt für jeden Möglichkeiten, sich
einzubringen. Wichtig ist, dass wir
es tun – und manchmal auch langfristig dabeibleiben. Auch wenn Sie
beim Telefonieren, beim E-Mailen,
beim Faxen und/oder beim Unterschreiben unmittelbar auf sich gestellt sind – es gibt eine große Zahl
an Menschen, die hinter Ihnen steht
und bereit ist, mithilfe einer Organisation wie Greenpeace einen großen
Haifisch zu formen! n
act
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Greenpeace leistet gute Arbeit
als weltweite Lobby gegen
die Ausbeutung unseres
Planeten und ist eine der
ersten Adressen in Sachen
finanzieller Unterstützung.
Peter Miklas
Greenpeace ist hochkompetent und erreicht eine hohe
Öffentlichkeitswirksamkeit.
Ich unterstütze Greenpeace
schon lange und werde es
auch weiterhin tun.
Nicolette Waechter
Ich habe mich schon gegen
Atomkraftwerke eingesetzt,
meine Motivation ist die
Erhaltung der Erde für die
Nachkommen!
Gertrud Kaminger
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Wir haben nur diesen einen
Planeten, und um diesen
zu schützen, ist eine kleine
Spende das Mindeste, was
man tun kann.
Gunhart Stix
Ich bin dabei und hoffe, dass
Greenpeace noch lange so
engagiert dafür kämpft, dass
wir Menschen nicht den Ast
absägen, auf dem wir alle
gemeinsam sitzen.
Clara Luzia
Jahre
Das ist der einzige
Planet, den wir haben, und
wir werden vielleicht noch
im Wohlstand leben, aber
was ist mit unseren Kindern
und deren Kindern?
Jacob Vogt
in Österreich
Drei Jahrzehnte erfolgreiche Umweltschutzarbeit in
Österreich verdanken wir vor allem unseren vielen
Unterstützern und Unterstützerinnen! Wir freuen
uns, wenn Sie uns und anderen umweltbewussten
Menschen zu unserem Jubiläum erzählen,
aus welchen Gründen Sie Greenpeace fördern!
Unter www.greenpeace.at/30jahre
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