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DIE 100 BEDEUTENDSTEN ENTDECKER
Pedro Álvares Cabral
Pedro Álvarez Cabral
Die Entdeckung
Brasiliens
Auf der Atlantikfahrt nach
Indien zur Terra da Vera Cruz
1500 – 1501
Herausgegeben von Johannes Pögl
Mit 18 Abbildungen und 6 Karten
Die Abbildungen auf den inneren Umschlagseiten zeigen eine
Ansicht Lissabons, Ende des 15. Jahrhunderts, und eine Karte
Indiens und Hinterindiens aus dem 17. Jahrhundert.
Herausgeber und Verlag danken der Universitätsbibliothek Würzburg
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Inhalt
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
Dokumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
Die Ernennung des Pedro Álvares Cabral
(genannt de Gouveia) zum Kapitän der Armada
durch das königliche Dekret . . . . . . . . . . . 52
Die nautischen Instruktionen . . . . . . . . . . 54
Berichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
Der Brief des Pêro Vaz de Caminha an König
Dom Manuel von Portugal . . . . . . . . . . . . 62
Der Brief des Bakkalaureus Meister Johannes an
König Dom Manuel . . . . . . . . . . . . . . . 96
Die Fahrt des Kapitäns Pedro Álvares, beschrieben
von einem portugiesischen Lotsen . . . . . . . . 102
Diplomatische Korrespondenz . . . . . . . . . . . . 156
Der Brief, den König Dom Manuel an den König
von Calicut schrieb . . . . . . . . . . . . . . . 159
Der Brief des Amerigo Vespucci an Lorenzo de’
Medici . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165
Der Brief des Giovanni Matteo Cretico an die
Signoria von Venedig . . . . . . . . . . . . . . . 177
Die Briefe des Florentiners Bartolomeo
Marchioni an die Stadt Florenz . . . . . . . . . 182
Brief König Manuels an den König und die
Königin von Kastilien . . . . . . . . . . . . . . 188
Aus den Berichten des Leonardo Ca’ Masser . . . 202
Historiographische Texte . . . . . . . . . . . . . . 205
Aus dem Tagebuch des venezianischen Chronisten
Girolamo Priuli . . . . . . . . . . . . . . . . . 206
Aus dem Tagebuch des venezianischen Chronisten
Marino Sanuto . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218
Aus der »Ásia« des João de Barros . . . . . . . . 221
Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295
Worterklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 295
Geographisches Glossar . . . . . . . . . . . . . 298
Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302
Bildnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303
Einführung
Einführung
Als im September des Jahres 1499 Vasco da Gama mit
dem Flaggschiff seiner Flotte, der »São Gabriel«, in die
Mündung des Tejo einfuhr, war die Nachricht vom Erfolg
seiner einmaligen Entdeckungsfahrt bereits längst in aller
Munde und der Jubel über diesen so glücklichen Abschluss
der beinahe ein Jahrhundert zuvor begonnenen Suche
nach einem Seeweg zu den Handelshäfen der westindischen Küste schon wieder verklungen. Auf der Rückfahrt
von Indien hatte sich Nicolau Coelho, der Kapitän der
»Bérrio«, vom Geschwader getrennt und war vorausgeeilt,
um am 10. Juli desselbigen Jahres König Manuel I. von
Portugal die Meldung von der Erreichung Indiens zu Schiff
zu überbringen.
Die kleine, aus vier Schiffen bestehende Flotte Vasco
da Gamas war am 8. Juli 1497 von Lissabon aus in See
gestochen, hatte das Kap der Guten Hoffnung umrundet
und gelangte nach einer ereignisreichen Fahrt entlang der
afrikanischen Ostküste und über das Arabische Meer nach
Calicut. Diese Stadt galt als Handelsmetropole des südlichen Vorderindiens und war schon von dem arabischen
Weltreisenden und Geographen Ibn Battuta als eine der
fünf bedeutendsten Welthafenstädte erwähnt worden. Als
Hauptumschlagplatz für den Seehandel im nahöstlichen
und südasiatischen Raum reichte ihre Ausstrahlung bis nach
Ceylon, Hinterindien, Indonesien, den Molukken und sogar
nach China. Welche Bedeutung dieser Stadt zukam, ließ
sich bereits aus dem Titel ersehen, den der Fürst von Calicut
führte; denn »Raja Samudrin« – von den Portugiesen zu
7
Einführung
»Samorim« verballhornt – bedeutete so viel wie »Herr des
Meeres«.1
Mit der Eröffnung dieses Seewegs nach Indien und
Ostasien um den afrikanischen Kontinent herum war
ein jahrhundertealter Traum aller seefahrenden Nationen
Westeuropas in Erfüllung gegangen. Doch der exzellente
Nautiker Vasco da Gama, dessen Reise als eine der wenigen
zur Gänze von Erfolg gekrönten Entdeckungsfahrten in der
Geschichte der Seefahrt verzeichnet ist, hatte sich als ein
schlechter Diplomat erwiesen und war bei dem Versuch, mit
den Potentaten der indischen Küstenstaaten gewinnträchtige
Handelsbeziehungen anzubahnen, gescheitert. Unerwartet
schlecht war der Empfang, den man den Portugiesen in
Calicut bereitete; arabische, jüdische und ägyptische Händler hatten seit Jahrhunderten das Monopol des Zwischenhandels mit Spezereien und Luxusartikeln aus dem Fernen
Osten nach den Mittelmeerhäfen der Levante inne und
nützten ihre machtvolle Position, um die Etablierung der
unerwartet erschienenen Portugiesen als unliebsame Konkurrenten durch Störaktionen zu verhindern. Auch fehlte es
Vasco da Gama an Tauschartikeln, die bei einem – wie sich
alsbald zeigte – den Portugiesen kulturell überlegenen Volk,
durch dessen Hände unschätzbare Werte gingen, Anklang
gefunden hätten.
So war der große Entdecker gezwungen, seine Rückfahrt
mit der Erkenntnis anzutreten, dass die Gewinnträchtigkeit
derartiger Unternehmungen nur durch die Unterbrechung
des traditionellen Handelswegs aus dem Fernen Osten nach
den Häfen Alexandrias und Beiruts und die Verdrängung der
Araber aus dem Indischen Ozean gesichert werden konnte.
Diese Erkenntnis und die von Da Gama irrtümlich verbreitete Falschmeldung, bei den Bewohnern der westindi1
8
Vgl. Günther Hamann, Der Eintritt der südlichen Hemisphäre in
die europäische Geschichte (s. Bibl.), S. 403.
Einführung
schen Küstenstaaten handle es sich um Christen, versetzten
den portugiesischen Königshof und die Kaufmannschaft
von Lissabon in neuerliche Aufbruchstimmung. Wenig Zeit
war zu verlieren, da es galt, die Araber daran zu hindern,
ihre durch die Ankunft der Portugiesen und deren Entdeckung eines neuen, weniger kostenträchtigen Handelswegs
nach Westeuropa ins Wanken geratene Monopolstellung
abzusichern und Vorbereitungen für die Verteidigung ihrer
Handelsmacht zu treffen. Auch blieben nur noch wenige
Monate bis zum nächsten März, der günstigsten Zeit für die
Abfahrt einer weiteren Flotte, die die größte all derer sein
sollte, die bisher auf dem Atlantik gesegelt waren.
Selten wurde eine Expedition dieser Art mit größerer
Sorgfalt vorbereitet. Auf den Schiffswerften und in den
Arsenalen Lissabons herrschte rege Betriebsamkeit, denn
dreizehn Schiffe mussten innerhalb kurzer Zeit auf den Weg
gebracht werden. Zu diesen zählten erstmals Karavellen,
deren Lästigkeit jene der bisher auf den Erkundungsfahrten
entlang der afrikanischen Küsten eingesetzten Schiffe bei
Weitem übertraf. Man nannte diesen neuen Typ »caravela
redonda«, runde Karavelle, da ihr hoher, breiter und bauchiger Bug sowie die riesigen, an Rahen befestigten und vom
Wind aufgeblähten Segel diesen Eindruck hinterließen und
sie von den niedrigen Galeeren der Mittelmeerschifffahrt
und den zuvor nur mit Lateinsegeln ausgestatteten kleinen
Karavellen unterschieden.
Auf dieser Flotte von dreizehn Schiffen2 sollten an die
zwölfhundert Mann Dienst tun, zu deren Versorgung Aus2
Über die Anzahl der zur Flotte Cabrals gehörenden Schiffe war bis
heute keine eindeutige Klarheit zu erlangen. So ist einer Anmerkung
auf der Cantino-Karte zu entnehmen, dass vierzehn Schiffe in der
Flotte fuhren. Aufgrund der unterschiedlichen Angaben, die in den
diversen zeitgenössischen Berichten über die Kapitäne der Schiffe
zu finden sind, ist sogar die Annahme von siebzehn oder achtzehn
Schiffen möglich.
9
Einführung
rüstung und Proviant für einen Zeitraum von eineinhalb
Jahren bereitzustellen waren. Die Auswahl dieser Mannschaft und ihrer Offiziere erfolgte mit größter Sorgfalt, und
ihre Aufgaben waren klar umrissen.
Das Kommando über die Flotte hatte der König Pedro
Álvares Cabral übertragen, einem jungen portugiesischen
Edelmann, der zuvor weder zu Lande noch zu Wasser durch
außergewöhnliche Taten hervorgetreten war. Aber er entstammte einer der angesehensten portugiesischen Adelsfamilien und schien daher dem mittelbaren Zweck der
Expedition, den indischen Herrschern eine Vorstellung von
der Größe und politischen Bedeutung des portugiesischen
Königreiches zu vermitteln, durch staatsmännisches Auftreten und die Fähigkeit zur Prachtentfaltung zu entsprechen.
Auch die meisten der Kapitäne jener dreizehn Schiffe
rekrutierten sich aus Angehörigen des portugiesischen Adels
und verfügten nur zum Teil über die notwendigen nautischen Kenntnisse, da ihnen dieses Kommando von König
Manuel allein aufgrund ihrer Verdienste zu Hofe übertragen
worden war. Demzufolge lag das Schicksal der Flotte in den
Händen der Lotsen und Navigatoren, die zu den besten des
Landes zählten. Der fähigste Nautiker unter den Kapitänen
war zweifellos Bartolomeu Dias, dem es 1488 als Erstem gelungen war, das Kap der Guten Hoffnung zu umsegeln, und
der sein eigentliches Ziel, die indische Westküste, nur eines
unglücklichen Zusammentreffens widriger Umstände wegen nicht zu erreichen vermochte. Aber auch Mitglieder der
Flotte Da Gamas, wie der Schreiber João de Sá oder Nicolau
Coelho, der Kapitän der »Bérrio«, nahmen an der Fahrt
Cabrals teil, um ihre kurz zuvor erworbenen Kenntnisse
und Erfahrungen in den Dienst dieses neuen Unternehmens
zu stellen. Als ein Novum galt die Anwesenheit eines Gelehrten an Bord der Indienfahrer, des Astronomen Meister
Johannes, dem die Aufgabe zufiel, den Sternenhimmel des
10
Einführung
Südens zu erforschen und neue Erkenntnisse auf dem Gebiet
der Navigation praktisch zu erproben.
Die perfekte Organisation der Expedition zeigte sich in
der präzisen Aufteilung der Kompetenzen der Führung und
der Abstimmung der Flotte auf die ihr zugedachten Aufgaben. Im Gegensatz zur Fahrt Da Gamas, deren Hauptziel die
weitere Erkundung des bis dahin nur ein Stück über das Kap
der Guten Hoffnung hinaus bekannten Seewegs nach Indien
gewesen war, hatte die Flotte Cabrals eine differenziertere
Aufgabenstellung zu bewältigen. Wie bereits erwähnt, galt
es, den kommerziellen Interessen Portugals in Indien, denen
das Handelsmonopol der Erzfeinde des Landes – der Mauren von Mekka, wie die Araber auch genannt wurden – entgegenstand, mit allen zur Verfügung stehenden militärischen
Kräften Geltung zu verschaffen. Hierbei vertraute man auf
die Schlagkraft der portugiesischen Artillerie, die den von
den arabischen Kauffahrern zudem nur selten geführten
leichten Eisenbombarden an Feuerkraft weit überlegen war.
Ein Teil der Flotte Cabrals dürfte daher aus schwer bestückten Kriegsschiffen bestanden haben, während der andere für
die Beförderung der am Bestimmungsort zu erwerbenden
wertvollen Gewürzladungen bestimmt war.
Die Anbahnung von Handelsbeziehungen, der Abschluss
von Verträgen und die Organisation des Warenaustausches
fielen in den Kompetenzbereich des Generalfaktors, der vom
König gesonderte Instruktionen erhalten hatte und beauftragt war, in Calicut oder einem anderen Hafen der MalabarKüste eine Faktorei einzurichten. Für die administrative
Bewältigung dieser Aufgabe stand ihm ein umfangreicher
Beamtenstab zur Seite. Dieses Amt des Faktors hatte Aires
Correia inne, ein reicher Kaufherr aus Lissabon, der bereits
für die Expedition Vasco da Gamas ein Schiff, die »Bérrio«,
ausgerüstet hatte und der durch seine außergewöhnlichen
Sprachkenntnisse für diese Aufgabe in besonderem Maße
11
Die Armada des P.A. Cabral
(Aus dem »Livro das Armadas« der Academia das Ciências, Lissabon)
Berichte
Berichte
Gemessen am literarischen Nachhall vergleichbarer Fahrten,
ist die Zahl der Berichte über die Expedition Cabrals äußerst
gering, und nur ein einziger Text schildert den gesamten Verlauf
der Reise. Das eindrucksvollste Dokument dieser Art stammt
jedoch nicht etwa von Cabral selbst, der keinerlei Reflexionen
der Fahrt aus eigener Hand hinterlassen haben dürfte, sondern
von dem Faktoreibeamten Pêro Vaz de Caminha.
Das Manuskript seines nur den Aufenthalt der Flotte an der
brasilianischen Küste schildernden Berichtes wurde noch vor
1790 von dem spanischen Historiker Juan Bautista Muñoz
im Archiv des Torre do Tombo in Lissabon aufgefunden und
erstmals 1817 von Manuel Aires de Casal in seiner »Corografia
Brasileira« nach einer ungetreuen Kopie aus dem Archiv der
Königlichen Marine in Rio de Janeiro veröffentlicht. Die beste
der in der Folge entstandenen zahlreichen Reproduktionen des
Textes ist in »Alguns Documentos do Archivo Nacional da Torre
do Tombo« (siehe Bibliographie: J. Cortesão) zu finden.
Helmut Andräs im vorliegenden Band aufgenommener, behutsam literarisierender Übersetzung gelang es, die Eigenart des
Stils Caminhas wiederzugeben und die Ursprünglichkeit und
Frische seiner Redeweise zu erhalten.
Gleich dem Bericht Caminhas bezieht sich auch der Brief
des Bakkalaureus Meister Johannes an König Manuel auf den
Verlauf der Fahrt bis zur Ankunft in Brasilien. Das Schriftstück
wurde von dem brasilianischen Gelehrten F. A. de Varnhagen
im Archiv des Torre do Tombo in Lissabon entdeckt und 1843
in »Revista do Instituto Histórico e Geográfico do Rio de Janeiro« erstmals veröffentlicht. Von besonderem Interesse ist darin
59
Berichte
die zeichnerische Darstellung des »Kreuzes des Südens«, eines
Sternbilds, das bis dahin nur wenigen Nautikern vor Augen
gekommen war.
Die Übersetzung des Textes erfolgte unter Heranziehung der
in »História da colonização portuguesa do Brasil« (siehe Bibliographie), vol. II, S. 104, wiedergegebenen spanischen Variante
des Originals.
Der einzige zeitgenössische Bericht, in dem die Fahrt Cabrals
in ihrer Gesamtheit geschildert wird, verdanken wir einem unbekannten Verfasser, der sich an Bord eines der Schiffe der Flotte
befunden hatte. In Portugal konnte bisher weder das Original
noch eine Kopie des Textes gefunden werden, obwohl der Autor
mit Sicherheit Portugiese war. Seine Tradierung verdanken wir
dem Umstand, dass er bald nach der Fahrt Cabrals in Manuskriptform vermutlich in Venedig erschienen ist, da vier frühe,
in venezianischem Dialekt abgefasste Manuskripte des Berichtes
noch existent sind.
Die erste bekannte Drucklegung des Textes erfolgte in der
1507 erschienenen ersten Ausgabe von »Paesi novamente retrovati«, einer chronikartigen Kompilation von Entdeckungsberichten, deren Erstellung dem Venezianer Fracanzano
Montalboddo zugeschrieben wird. Er wurde in alle weiteren
Editionen dieses Werkes aufgenommen und ist auch in Simon
Grynaeus’ lateinisch verfasstem Werk »Novus Orbis« und dessen
deutscher Übersetzung enthalten. Alle existierenden Manuskripte des Berichtes sind unterschiedlich und dürften voneinander
unabhängige Übersetzungen portugiesischer Manuskripte oder
Drucke sein.
Eine weitere Publikation des Berichtes erfolgte in der von
Giovanni Battista Ramusio 1554 erstmals edierten Anthologie
zeitgenössischer Reiseberichte mit dem Titel »Delle navigazioni
e viaggi …«. Diese Version liegt unserer Übersetzung des Textes
zugrunde.
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Berichte
Der Brief des Pêro Vaz de Caminha an
König Dom Manuel von Portugal
Herr,
obgleich der Führer dieser Eurer Flotte sowie die verschiedenen Kapitäne17 die Nachricht von dem Auffinden dieses
Euren neuen Landes mitteilten, das auf dieser Reise gefunden wurde, will ich doch nicht unterlassen, ebenfalls nach
bestem Können Eurer Hoheit Bericht zu erstatten, obwohl
ich es – gefälligen Bericht berücksichtigt – am schlechtesten
von allen mache.
Trotz meiner Unwissenheit werden mir Ew. Hoheit guten
Willen zuerkennen, der bestrebt ist, weder zu verschönern
noch zu entstellen, sondern lediglich zu berichten, was ich
sah und wie es mir erschien. Vom Verlauf der Fahrt und den
Tagesstrecken werde ich Ew. Hoheit hier nicht Rechenschaft
geben – ich könnte es auch nicht –, das ist die Aufgabe der
Piloten.
Und daher, Herr, beginne ich zu berichten, was ich zu
sagen habe:
Die Abreise von Belém erfolgte, wie Ew. Hoheit bekannt,
Montag, den 9. März. Sonnabends, den 14. desselben
Monats, zwischen acht und neun Uhr, befanden wir uns
zwischen den Kanarischen Inseln, nahe der Grã Canária. Im
Angesichte der Inseln segelten wir bei Windstille den ganzen
Tag, vielleicht drei bis vier Meilen von ihnen entfernt. Am
Sonntag, den 22. des Monats, gegen zehn Uhr, sichteten wir
die Kapverden, und zwar die Insel St. Nikolaus, nach der
Aussage des Piloten Pêro Escolar.
17 Außer Pêro Vaz de Caminha und Meister Johannes scheinen auch
Cabral und einige Kapitäne und Beamte der Flotte Briefe an König
Manuel geschrieben zu haben. Leider sind uns nur die Briefe der
beiden erstgenannten Verfasser erhalten geblieben.
62
Der Brief des Pêro Vaz de Caminha an König Dom Manuel
In der folgenden Nacht, Montag, bei Morgengrauen, verlor sich von der Flotte Vasco de Ataíde mit seinem Schiff,
ohne dass Unwetter oder Gegenwinde dieses Verschwinden
hätten erklären können. Der Kapitän traf seine Maßnahmen, um das Schiff näher oder ferner wiederzufinden; aber
es tauchte nicht mehr auf.
Und so setzten wir unseren Weg über die Weite des
Meeres fort, bis wir am Dienstag der Nachosterwoche,
am 21. Tag des April, nach Aussage der Piloten gegen
sechshundertsechzig oder sechshundertsiebzig Meilen von
der letzten Insel entfernt, auf Anzeichen nahen Festlandes
stießen, auf große Mengen langer Pflanzen, die von den
Seeleuten Botelho genannt werden, und auf andere, welche
sie Eselsschwanz nennen. Und am folgenden Mittwoch
(22. April), morgens, sahen wir Vögel, die sie Seemöven
nennen.
In den Abendstunden desselben Tages war Land in Sicht!
Zuerst sahen wir einen großen Berg, hoch und rund; darauf
erblickten wir südlich von ihm niedrigere Gebirgsrücken
und flaches Land mit großen Hainen. Diesem hohen Berge
gab der Kapitän den Namen Monte Pascoal (Osterberg)
und dem Lande den Namen Terra de Vera Cruz (Land des
Wahren Kreuzes).
Dann befahl er, das Senkblei auszuwerfen. Fünfundzwanzig Faden wurden gemessen. Gegen Sonnenuntergang,
vielleicht sechs Meilen vom Festlande, bei neunzehn Faden
Tiefe, warfen wir Anker in reinem Ankergrund. Dort lagen
wir die ganze Nacht. Am Morgen des Donnerstages (23. April) setzten wir Segel und fuhren auf das Land zu, die kleinen
Schiffe an der Spitze, durch siebzehn, sechzehn, fünfzehn,
vierzehn, dreizehn, zwölf, zehn und neun Faden Tiefe, bis
auf eine halbe Meile vom Festland, wo wir alle Anker warfen,
gegenüber der Mündung eines Flusses. Diesen Ankerplatz
erreichten wir gegen zehn Uhr morgens.
63
Berichte
Von Bord aus konnten wir Menschen am Strande erkennen, vielleicht sieben oder acht, wie man von den kleineren
Schiffen mitteilte, die zuerst ankamen.
Boote und Kähne wurden nun zu Wasser gelassen. Bald
darauf kamen alle Kapitäne an Bord dieses Flaggschiffes zur
Besprechung. Der Kapitän befahl Nicolau Coelho, den Fluss
mit einem Boot zu erkunden. Als dieser sich dem Lande
näherte, liefen Eingeborene zu zweit und dritt zum Strande,
sodass sich dort, als das Boot zur Mündung des Flusses kam,
schon achtzehn oder zwanzig aufhielten.
Braun, nackt, ohne irgendwie die Schamteile zu verdecken, hielten sie in den Händen Bogen und Pfeile. So liefen
sie geradewegs auf das Boot zu. Nicolau Coelho bedeutete
ihnen durch Zeichen, die Waffen niederzulegen. Sie taten
es. Eine Verständigung oder ein Gespräch mit ihnen war
bei der starken Brandung des Meeres unmöglich. Coelho
schleuderte ihnen ein rotes Barett, eine leinene Pudelmütze,
die er trug, und einen schwarzen Hut zu. Einer von ihnen
warf darauf seine Kopfbedeckung aus langen Vogelfedern
zurück, mit einer Spitze aus roten und braunen Federn,
wie die der Papageien. Ein anderer schwenkte eine große
Schnur mit kleinen weißen Muscheln, die aus Perlmutter
zu bestehen scheinen. Diese Sachen sendet, wie ich glaube,
der Kapitän Ew. Hoheit. Darauf kehrte Coelho zum Schiffe
zurück, da es schon spät war und das Meeresrauschen jede
Verständigung verhinderte.
In der folgenden Nacht wehte ein heftiger Südost, mit
Platzregen, sodass die Schiffe abgetrieben wurden, hauptsächlich das Führerschiff. Am Freitag (24. April), gegen
acht Uhr morgens, ließ der Kapitän auf Anraten der Steuerleute die Anker lichten und Segel setzen. Wir fuhren, mit
Booten und Kähnen im Schlepptau, nach Norden, an der
Küste entlang, um zu sehen, ob wir nicht einen geschützten und guten Ankerplatz fänden, um Wasser und Holz
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Der Brief des Pêro Vaz de Caminha an König Dom Manuel
Skizze der Uferzone, wo sich die Flotte mit Wasser
versorgte und das Kreuz errichtet wurde
nehmen zu können; nicht weil es uns schon fehlte, jedoch
aus Vorsorge.
Als wir unter Segel gingen, befanden sich am Strande,
nahe am Flusse sitzend, bereits ungefähr sechzig bis siebzig
Männer, die sich allmählich eingefunden hatten. Wir machten uns auf, und der Kapitän befahl den kleinen Schiffen,
mehr in Küstennähe zu folgen und die Segel zu reffen, sobald
sie einen sicheren Hafen fänden.
Und der Küste folgend, fanden die erwähnten kleinen
Schiffe, wohl zehn Meilen vom ersten Ankerplatz entfernt,
ein Riff, hinter dem sich ein sehr guter und geschützter
Hafen mit recht breiter Einfahrt befand. Sie liefen ein und
strichen die Segel, die übrigen Schiffe folgten ihnen. Kurz
vor Sonnenuntergang refften sie ebenfalls die Segel und
ankerten, vielleicht eine Meile vom Riff entfernt, bei elf
Faden Tiefe.
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