sichtweisen - Kronshagen

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sichtweisen - Kronshagen
sichtweisen
ansichten – einsichten – aussichten
I/2014
für frauen im kreis
rendsburg-eckernförde
Papa ist der Beste, Mama ist die Schönste.
Geschlechterbilder in der Werbung
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Thema
Prostitution abschaffen?
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Ein guter Koalitionsvertrag für Frauen?
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Frauen verdienen weniger als Männer – Warum?
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Meldungen
Ein Grundgesetz in geschlechtergerechter Sprache
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Sprachreform: Die Uni Leipzig wird weiblich
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Ware Eizelle
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Stopp für „Miss Mini“-Wahlen in Frankreich
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Eine Bilanz zum internationalen Frauentag.
Die Wirklichkeit von Gleichstellungspolitik
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Veranstaltungen
Internationaler Frauentag in Rendsburg
Internationaler Frauentag in Kronshagen
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Leben mit Kindern
Schwangerschaft • Geburt • Elternsein
Aktualisierte Auflage 2013
Trennung –
Scheidung
Leitfaden für Frauen
in Trennungssituationen
INFORMATIONEN FÜR FRAUEN IM KREIS RENDSBURG-ECKERNFÖRDE
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INFORMATIONEN FÜR FRAUEN IM KREIS RENDSBURG-ECKERNFÖRDE
Schwerpunkt
Pink für Mädchen, blau für Jungen.
Wie Werbebilder Kinder und Jugendliche beeinflussen
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INFORMATIONEN FÜR FRAUEN IM KREIS RENDSBURG-ECKERNFÖRDE
Interviews zu: „Ich will, dass ihr mehr Lego-Mädchen macht“
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INFORMATIONEN FÜR FRAUEN IM KREIS RENDSBURG-ECKERNFÖRDE
I N H A LT
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Interviews
Interview mit Stevie Meriel Schmiedel von „Pinkstinks“
Der Minijob
Da ist mehr
für Sie drin!
Mit allen Änderungen ab 2013
*aus Gründen
der besseren
Lesbarkeit haben
wir hier nur
die weibliche
Schriftform
angewendet!
n*
Die Unternehmeri
Die Künstlerin*
Die Sportlerin*
Die Politikerin*
Fair in der Sprache!
Tipps für eine zeitgemäße Sprache
Die Broschüren sind bei den Gleichstellungsbeauftragten erhältlich.
Liebe Leserin, lieber Leser
Hannelore
Salzmann-Tohsche
Gleichstellungsbeauftragte
des Kreises RendsburgEckernförde
Edith Berkau
Gleichstellungsbeauftragte
der Stadt Rendsburg
wischen dreitausend und fünftausend Werbebotschaften verfolgen
uns Tag für Tag: beim Blick in die
morgendliche Zeitung, im Radio auf der Fahrt
zur Arbeit, an der Plakatwand auf dem Weg
zum Kindergarten, in der Mittagspause beim
Gang durch die Innenstadt, am Wochenende
im Briefkasten, beim entspannten Fernsehoder Kinoabend, auf der Suche nach den
Nachrichten, beim „Googeln“ im Internet,
beim Lesen der emails, beim Durchblättern
der Zeitschriften in Wartezimmern… .
Wir können uns dieser Überflutung kaum
entziehen. Wie sie sich auf uns und unsere
Kinder auswirkt, damit befassen wir uns in
dieser Ausgabe der sichtweisen.
Monika Schulze
Gleichstellungsbeauftragte
der Gemeinde Kronshagen
Neben diesem Schwerpunkt greifen wir wie
immer aktuelle Themen auf, wie zum Bei-
spiel die Kampagne der EMMA zur Abschaffung der Prostitution. Über Hintergründe und
Positionen dazu informieren wir.
Seit Dezember regiert die Große Koalition
auf der Grundlage eines 185 Seiten starken
Koalitionsvertrages. Wir haben daraus wichtige frauenpolitische Aspekte für Sie zusammengefasst.
Noch vor 20 Jahren wurde Publikum – zumeist zur Hälfte weiblich – angeredet als liebe
Zuhörer, liebe Leser, liebe Wähler und Bürger.
Das ist heute nicht mehr vorstellbar. Allerdings ist die Diskussion um „geschlechtergerechte“ Sprache auch nach 20 Jahren nicht
beendet und erlebt aktuell ein Revival. Auch
darüber finden Sie Lesenswertes und wie immer Hinweise auf Veranstaltungen und Broschüren.
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Interview
Interview mit Stevie Meriel Schmiedel
Wer oder was ist eigentlich „Pinkstinks“?
Pinkstinks ist ein Team von ungefähr 10
Frauen und Männern. Sechs davon arbeiten
aktiv mit. Ich beispielsweise mache die Pressearbeit und die Vernetzung, schiebe Kooperationen an und blogge – ich mache die
Hauptarbeit, denn ich arbeite hauptamtlich
für Pinkstinks. Wir haben noch eine halbe
Stelle, unseren Fundraiser, alle anderen arbeiten ehrenamtlich von Zuhause aus. Insofern sind wir ein kleines Team mit drei
Schwerpunkten: Lobby-, Theater- und Pressearbeit sowie Aktionen.
Foto©Fischerverlag
Seit wann gibt es Pinkstinks?
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Wir sind 2012 entstanden. In London gibt es
Pinkstinks schon seit 2009 als Internetinitiative, also nur im Netz, d.h. dort gibt es keine
Veranstaltungen, Demos, Lobby- oder Theaterarbeit wie bei uns.
Ich kannte Pinkstinks als Genderforscherin*
schon lange und 2012 dachte ich, dass hier
doch dringend was passieren müsste und
habe Pinkstinks nach Deutschland geholt.
Was will Pinkstinks denn genau erreichen?
Pinkstinks möchte mehr Möglichkeiten für
Kinder, sich auszudrücken. Wir möchten mehr
Farbe, d. h. wir wollen den Druck auf Geschlechterrollen minimieren, wir bewegen Firmen, ihr Gender Marketing neu zu überdenken. Denn seit ungefähr 10 Jahren haben wir
verstärkt immer mehr Gender Marketing in
Produkten, z. B. wird alles in rosa und blau
verkauft – nur für Mädchen und nur für Jungen. Das hat ganz deutliche Auswirkungen
auf die Kinder und dem wollen wir entgegenwirken.
Dazu arbeiten wir auf verschiedenen Ebenen:
Einerseits durch Lobbyarbeit am Bundestag,
andererseits machen wir Theaterarbeit, um
* Genderforschung fragt nach der Bedeutung des Geschlechts für
Kultur, Gesellschaft und Wissenschaften
mit Kindern darüber zu sprechen und machen
Aktionen, um Eltern und Erwachsene darauf
aufmerksam zu machen, wie unsere Kinder
eingeschränkt werden.
Welche Missstände können Sie schildern
bzw. welche möchten Sie abschaffen?
Pinkstinks ist entstanden, weil wir uns sehr
darüber aufgeregt haben, dass Mädchen in
Deutschland in den letzten 10 Jahren immer
mehr unter Essstörungen leiden, immer stärker psychische Auffälligkeiten zeigen – sich als
Teenager beispielsweise ritzen oder depressiv
sind.
Gleichzeitig ist aber auch die Außenwerbung
viel stärker geworden. Castingshows wie
‚Germany's next Topmodel‘‚ ‚The Bachelor‘
oder ‚Deutschland sucht den Superstar‘ sind
nicht nur immer mehr geworden, sondern
haben auch enorm viele jugendliche Zuschauende. In den Castingshows werden Jugendliche aber herunter gemacht oder es
wird ihnen gesagt, wie sie sein sollen und
dieses „sein sollen“ hat immer viel mit Perfektion zu tun. Sie müssen sehr schlank sein,
müssen Kleidergröße 32-34 halten können,
sehr lasziv sein, sehr auf ihr Äußeres bezogen.
Diese Entwicklung sehen wir bei Teenagern
und bei Kindern und dazu eine Spielwarenin-
dustrie, die Kindern sehr früh zeigt, dass
kleine Mädchen niedlich, süß, sehr schlank
und immer auf ihr Äußeres bedacht sein müssen. Das sind die Missstände, die wir anprangern, also, dass es Mädchen in Deutschland immer schlechter geht. 2006 fühlten
sich noch 30% der 16-17jährigen Mädchen
nicht wohl in ihrer Haut, fühlten sich hässlich.
2012 waren das schon 56%.
Welche Werbestrategie sehen Sie hinter der
Vielzahl an geschlechterstereotypen und
rosa-blauen Produkten für Kinder?
Es ist doch so: Die Mädchen sehen im Supermarkt ganz genau: Die Prinzessinnensuppe
ist für sie und die Rennfahrersuppe für den
Bruder, also müssen beide gekauft werden,
obwohl nur eine nötig gewesen wäre für die
Familie. D. h. alles wird doppelt verkauft: Vom
Bobby Car, den es auch in pink gibt, von
Monopoly, das es jetzt auch in pink gibt, da
werden Schönheitssalons statt Banken verkauft. Es gibt inzwischen den pinken Globus,
das pinke Scrabble, wo Mascara gelegt wird
anstatt Bauwagen, es werden einfach zwei
ganz getrennte Persönlichkeiten von der Werbung kreiert, zwei verschiedene Sorten
Mensch. Die einen interessieren sich nur für
Technik und die anderen nur für Schönheit.
Das ist natürlich genetisch so nicht vorgegeben, obwohl immer wieder in witzigen Shows
versucht wird, uns mit Steinzeitmenschen zu
vergleichen.
Wie verhalten sich Eltern? Sie sprachen gerade die Kinder an, die dieses Kaufverhalten
an den Tag legen, sich nach rosa oder blau
entscheiden, sich darüber speziell angesprochen fühlen. Welche Rolle spielen die Eltern dabei, wie entscheiden Eltern?
Selbst Eltern, die kritisch daran gehen und sagen: „Meine Güte, werden meine Kinder hier
schon vorgeprägt von der Industrie.“, selbst
bei diesen gibt es mit der Zeit einen Gewöhnungseffekt. Erstens haben sie Angst, ihr Kind
auszugrenzen und kaufen deshalb die Waren.
Zweitens ist es wie bei allen Dingen, die modisch sind. Sie kennen das selbst. Sie sehen
eine neue Mode und sagen: „Ist das hässlich!“ und ein halbes Jahr später kaufen Sie
sich so ein Teil, weil Sie sich daran gewöhnt
haben. Genauso ist es bei Eltern, irgendwann
sagen sie: „Ach Gott, ist ja auch ganz niedlich. Ich kaufe jetzt das Lilli-Fee- Zeug“. Auch
bei Eltern wirken natürlich Bilder und vor allen Dingen machen sie auch mit, weil sie
ihr(e) Kind(er) nicht ausgrenzen wollen. Sie
schicken ihr Mädchen nicht in einer schlamm-
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stark abgewertet wurden. Dieses Verhalten
schafft Konkurrenzdruck und Unzufriedenheit. Es ist kein kleines pubertäres Symptom,
das normal ist, sondern es hat unheimlich
starke Ausmaße erreicht und wir brauchen
eine Veränderung. Wenn sie durch die Plakatwelt da draußen gehen, dann sehen sie ei-
farbenen Jacke in die Schule, wenn alle anderen pinke glitzernde Kleidung tragen.
Wieso ist für Sie und Pinkstinks nicht richtig,
wenn Mädchen sich für Pink, Glitzer und
Schönsein begeistern?
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Weshalb engagieren Sie sich persönlich so
stark in dieser Frage?
Foto©Alicia Kassebohm
Wir haben überhaupt nichts dagegen, dass
Mädchen sich schön machen wollen. Wir sind
nicht die Spaßbremsen, die sagen, alle Mädchen sollen matheverrückt sein und Skateboard fahren.
Worum es geht, ist, Vielfalt zu ermöglichen.
Dass die Mädchen, die gar keine Lust darauf
haben, eben auch anders sein können. Die
ständige Fixierung auf Schönheit zwängt
nämlich immer mehr ein und beginnt immer
früher. Aktuell geht es um den Thigh Gap, das
ist die Lücke zwischen den Oberschenkeln.
Nach der Schamlippenkorrektur ist jetzt das
Absaugen der Oberschenkel die neue Schönheitskorrektur, die am stärksten nachgefragt
ist. Die Investition ins Äußere wird immer
stärker und nimmt so viel Raum ein, dass die
Mädchen sich auf eine gesunde Entfaltung
nicht konzentrieren bzw. kaum mehr einlassen können.
Ich höre von Sozialpädagoginnen aus der
Mädchenarbeit, dass Mädchen sich noch nie
so kritisch betrachtet haben und noch nie so
nen coolen David Beckham, der in Unterhose vom H&M-Plakat guckt und sagt:
„Mädchen, wenn du hübsch bist, nehme ich
dich vielleicht.“ Oder sie sehen lauter Frauen
in Bikinis, die ausschauen, als wollten sie sagen: „Bin ich auch schön genug für dich?“
Bei solcher Werbung setzen wir beispielsweise an und versuchen klar zu machen,
dass es nicht stark macht, ein Sexsymbol zu
sein. Sondern wir versuchen klar zu machen,
dass das schönste Supermodel jeden Morgen aufwacht und denkt: „Bin ich immer
noch schön genug?“
Das ist mein Beruf. Ich bin Genderforscherin,
ich arbeite seit vielen Jahren an verschiedenen
Universitäten als Dozentin für Geschlechterforschung. Ich war und bin frustriert, dass
ich meine Studierenden nicht erreichen kann,
die alle nicken und finden: „Ja, es müsste
sich was verändern.“ Da ich aber früher auch
in den Medien gearbeitet hatte, war mir klar,
dass man natürlich auch raus muss in die
Welt da draußen und dass die Gender-Sprache der Hochschule die Menschen dort draußen nicht erreicht. Genau dafür ist aber Pinkstinks eine Möglichkeit: fröhlich, laut und
mentInnen andere Werbung mit anderen Bildern wollen und deshalb reagieren auch Firmen wie Triumph – wie ich am Beispiel der
Dessous-Werbung dargestellt habe.
Können Sie uns noch ein wenig konkreter
von den bunten lauten Aktionen der letzten
Zeit und Ihren Erfolgen erzählen?
Wir haben es schon geschafft, verschiedene
Werbekampagnen „abzuhängen“ bzw. vom
Markt zu fegen durch digitale Shitstorms. Ein
Beispiel ist das „In Mathe bin ich nur Deko“T-Shirt von Otto für Mädchen. Es war innerhalb eines halben Tages vom Markt oder die
C&A -Bikinicampagne 2013, die wir innerhalb
von drei Tagen „abgehängt“ haben. Nachdem die MoPo (Hamburger Morgenpost) uns
auf dem Cover hatte und 70% der Mopo-LeserInnen zustimmten, dass sie keine Lust
mehr haben, überall schlanke und perfekte
Frauen zu sehen. Unser größter Erfolg war
aber sicherlich unsere Petition und Demonstration gegen Sexismus in der Werbung im
letzten Jahr. Der Herbst zeigte dann ganz
klar, dass sich Dessous-Werbung in der
Außenwerbung verändert hatte. Sie zeigte
immer noch sehr schlanke und perfekte
Frauen – aber mit anderen Blicken, die sagten: „Du kannst schauen, aber nicht anfassen“. Und das war eine ganz große Veränderung.
Foto©Sandra Grether
bunt, mit einer Mischung aus Politik und Popkultur, die Menschen zu erreichen.
Ein abgrenzender Blick ist gut, aber er ändert
noch nichts an der Anforderung schön sein
zu müssen oder?
Absolut. Es ist aber schon ein Schritt in die
richtige Richtung, dass Frauen als aktive und
selbstbestimmte Frauen auftreten. Außerdem
machen wir ja weiter und haben noch viel vor.
Was wir wollen, sind viele Körperformen in
der Werbung, viel mehr Diversität.
Bisher haben wir von der Werbung zurückgespiegelt bekommen, dass sie uns und unsere Aktionen wahrnehmen und darauf reagieren. Die Werbung merkt, da stehen 1000
Leute demonstrierend vor dem Brandenburger Tor und 16.000 Menschen haben unsere
Petition „Gegen sexuelle Verfügbarkeit in der
Außenwerbung – Kinderschutz jetzt!“ unterschrieben. Die Werbung merkt, dass Konsu-
Natürlich sind wir noch lange nicht am Ziel,
das ist uns völlig klar. Aber Pinkstinks agiert
nicht im luftleeren Raum, sondern wir können
direkte Resonanz messen und das ist sehr
gut. Zum Beispiel werden wir im Mai Heidi
Klums Top-Model-Studio in Köln mit einer
großen Demonstration konfrontieren und
höchstwahrscheinlich wird die Presse wieder
gut dabei sein. Wie auch bei unserem Protest
gegen das Barbie-Dreamhouse im letzten
Jahr. Es war ja auch ein Erfolg von Pinkstinks,
dass das Barbiehaus nicht wie beabsichtigt
durch Deutschland tourte, sondern direkt
nach Florida zurückgeflogen ist.
Also wir haben viele Erfolge, wir merken einfach: Es passiert was.
Bitte geben Sie uns noch eine knappe Definition von sexistischer Werbung.
Sexistische Werbung diskriminiert ein Geschlecht, indem sie dem Geschlecht bestimmte Aufgaben zuweist. Zum Beispiel den
Geschlechtern eine ganz klare Arbeitsteilung
zuordnet oder den Körper als sexuell verfüg-
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bar darstellt, meistens den Körper von Frauen.
Sexismus hat aber nicht nur mit sexueller Verfügbarkeit zu tun, sondern sexistisch ist auch
der blaue und rosa Spielzeug-Computer: Der
rosafarbene Computer hat drei Funktionen
und der blaue 50. Es gibt diese Computer
wirklich im Handel.
Aus dem Bereich unserer Lobbyarbeit ist ganz
aktuell noch zu berichten, dass wir am 14.Februar „One billion rising“ unterstützen und
zwar mit einer Flyer Aktion. Sie richtet sich an
den Deutschen Werberat (siehe Seite 17,18)
und fordert ihn auf, seine Kriterien zu ändern.
Foto©Anna Selina Sander
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tungszentren. Das Theaterstück ist ab der 7.
Klasse geeignet. Mit finanzieller Förderung
können wir es ein Jahr in Hamburg spielen.
Aber auf Wunsch kommen wir damit auch
nach Schleswig-Holstein. Es müssten dann
aber 300,00 € plus Fahrtkosten bezahlt werden.
Wir sind außerdem im Gespräch mit PolitikerInnen im Bundestag, um ein Gesetz gegen
geschlechtsdiskriminierende Werbung in die
erste Lesung zu bringen.
Pinkstinks macht auch Theateraktionen, sagten Sie. Gibt es darüber Aktuelles zu berichten?
Sehen Sie nur Einschränkungen für Mädchen
oder auch für Jungen?
Wir sind zurzeit in Hamburger Schulen mit
dem Theaterstück „Vielfalt ist Schönheit“
unterwegs. Zwei Schauspielerinnen stellen
Kindern in 45 Minuten dar, wie Werbung
wirkt und diskutieren danach mit ihnen darüber. Wir haben außerdem Infomaterial dabei, z.B. von verschiedenen Essstörungsbera-
Natürlich, auf jeden Fall auch für Jungen. Wir
haben auf der Pinkstinks-Seite ein großes
Logo „Mädchen sein kann man auf viele
Weisen“ und darunter „Jungen sein kann
man auf viele Weisen“. Wir denken Jungen
mit. Wir sind ja paritätisch besetzt: Fünf Männer und fünf Frauen. Wir sind Mütter und Vä-
ter und haben Jungen und Mädchen. Es wird
immer wieder zu Jungs gebloggt und die Blue
Industrie, wie wir sie nennen, schauen wir uns
auch an, damit wir sehen, wie auch Jungs unter Druck gesetzt werden. Aber im Feminismus gilt ‚Ladys first‘, insofern sind wir natürlich erst bei den Mädchen und dann bei
den Jungs.
Schwerpunkt
PINK
FÜR
MÄDCHEN, BLAU
FÜR J UNGEN
Wie Werbebilder Kinder und Jugendliche beeinflussen
„Ich will, dass ihr Legomädchen macht“ war
Anfang Februar in der Presse zu lesen. Charlotte, sieben Jahre alt, spielt gerne mit Lego,
sie schreibt in einem Brief: „Ich mag es nicht,
dass es viele Lego-Jungen, aber kaum LegoMädchen gibt … Ich will, dass ihr mehr LegoMädchen schafft und sie Abenteuer erleben
und Spaß haben lasst.“
Tatsächlich ist es so, dass Mädchen und Jungen eine wichtige Zielgruppe sowohl für die
Unternehmen als auch die Werbeindustrie
sind. Statistischen Erhebungen zufolge hatten
2012 die 6 bis13-jährigen Mädchen und Jungen im Monat 27,56 € zur Verfügung, dazu
kamen 64 € als Geburtstagsgeschenk, 80 € zu
Weihnachten und 25 € an Ostern und zu-
sätzliche Geschenke von Großeltern oder als
Belohnung für gute Noten. Zwar ist direkt an
Kinder gerichtete Werbung nicht erlaubt, sie
erreicht Mädchen und Jungen aber über viele
unterschiedliche Wege und Medien. Mit zielgenauer Werbung werden auch Vorbilder
und Wünsche von Mädchen und Jungen gesteuert. Heute gibt es zwar auch immer mehr
klassisches Jungenspielzeug für Mädchen –
allerdings in mädchenhafter Version: Bagger,
Bobby Cars und Bauklötze in Pink. Damit
wird der Geschlechterunterschied zum lukrativen Geschäft.
Um die KonsumentInnen für sich zu gewinnen, gaben die Unternehmen im Jahr 2010
insgesamt fast 19 Milliarden Euro für Werbung aus. Der Löwenanteil davon wurde für
Anzeigen in Zeitungen und Zeitschriften (ca.
5 Mrd. €) und in TV-Werbespots (ca. 4 Mrd.
€) investiert. Seit einigen Jahren fließt auch
zunehmend mehr Geld in die Internet- und
Handy-Werbung (ca. 1 Mrd. €). Kein Wunder also, dass wir fast ständig und überall
von Werbebotschaften verfolgt werden.
Schätzungsweise sind es zwischen 3.000 und
5.000 pro Tag. Sie richten sich natürlich auch
an Kinder und Jugendliche.
Werbebilder transportieren schon für Mädchen und Jungen eine ganz bestimmte, dem
Geschlecht entsprechende Rolle. Dies wirkt sicherlich als Vorbild für Kinder, denn schon im
Alter von drei bis vier Jahren bemerken sie,
dass sie entweder dem einen oder anderen
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Geschlecht angehören und suchen nach
Orientierung. Dazu bedienen sie sich ihrer
Vorbilder, Eltern, Gleichaltriger und eben auch
der Rollenbilder in den Medien. Dabei darf
der Einfluss der TV-Werbebilder nicht unterschätzt werden. Schaut man sich die Mediennutzung von Kindern an, wird deutlich,
wie wichtig Heranwachsenden das Fernsehen
ist. Aber erst im Schulalter fangen Kinder an,
Werbung von Filmen und anderen TV-Programmen zu unterscheiden.
Die Gefahr liegt also darin, dass Kinder die
präsentierten Lebensentwürfe und Rollen unreflektiert übernehmen, sich abschauen, wie
sie als Jungen und Mädchen zu sein haben,
wie sie sich kleiden, geben, womit und mit
wem sie spielen oder was sie mögen.
Der Werbung kann als Träger von Geschlechterklischees natürlich nicht die alleinige
Verantwortung gegeben werden. Hier spielen
noch viele weitere Faktoren wie das Elternhaus, der Freundeskreis, die Schule und die
Kita, Zeitschriften, Spiele … eine wichtige
Rolle. Eine Vorstellung davon, welche Absichten mit Werbung verbunden sind, haben
Kinder natürlich nicht.
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Spieglein,
Spieglein an
der Wand, wer ist
die Schönste
im ganzen
Land…
Früher denn je wissen Eltern heute, ob sie einen Jungen oder ein Mädchen erwarten – die
Stereotypisierung nach Geschlecht kann also
sehr früh beginnen und das tut sie: die
rosa/pinkfarbene Badewanne für das Mädchen, die hellblaue für den Jungen. Der Markt
hierfür ist gigantisch. „Babybedarf“ gegoogelt, brachte uns 437.000 Treffer. Unter
30.000 Artikeln können Eltern bei einem Anbieter wählen – sorgfältig sortiert für Boys
und Girls – der Markt möchte bedient werden
und die Eltern bedienen ihn auch.
Der Spiegel an der Wand wird heute ersetzt
vom Einfluss der Medien und der Werbeindustrie. Wie groß dieser Einfluss geworden ist,
zeigt ausgerechnet die Kosmetikfirma Dove in
dem Video und der dazu gehörenden Kampagne „Talk to your daughter before the beauty-industry does“ auf youtube. Darin werden die medialen Einflüsse auf Mädchen
sichtbar gemacht, denn: „6 von 10 Mädchen
hören mit Dingen auf, die sie lieben, weil sie
sich unwohl mit ihrem Äußeren fühlen“
(Dove Kampagne).
Auch das Geschäft mit der Schönheit beginnt
bereits im Säuglingsalter: Es gibt nichts, was
es nicht gibt: Ballerinas in Silber und Gold für
wenige Wochen alte Babys, und bereits das
Kosmetikangebot für die Kleinen reicht vom
„Piratenbad“ bis „For Girls Only“. Die Internetsuche „Kosmetik für Kinder“ brachte uns
21.800.000 Ergebnisse in 24 Sekunden –
Hauptzielgruppe eindeutig: Mädchen.
Gängiges Mädchenspielzeug bedient das Klischee der Prinzessin, der schönen Feenwelt,
des Ponyhofs und des mit Schönheit beschäftigten Mädchens mittels Barbie und Co
und vielen anderen. Mädchen lernen früh:
Die, die begehrt und erfolgreich sein will,
muss (auch) schön sein.
Wir fragen in diesem Zusammenhang: Darf
und kann Schönheit heute, angesichts der
2012 hat in München der erste Beauty-Salons für Kinder eröffnet, ein
Trend, der sich in den USA schon länger breitmacht. Statt im Schlamm zu
matschen, bekommen sechsjährige
Mädchen hier Gesichtsmasken und
Dauerwellen. Sie werden gepudert, frisiert, lackiert, bis sie sich nicht mehr
von Barbies kleiner Schwester unterscheiden: Das „Monaco Princesse“ ist
Deutschlands erstes Kinder-Spa für
Mädchen zwischen fünf und 15 Jahren.
Hier ist alles rosa, von den Sesseln bis zu
den Badepralinen. Die kleinen Damen
können Diva-Partys veranstalten oder
einfach nur eine Pediküre für zwischendurch buchen. Laut Broschüre eignet
sich das Spa für „junge Prinzessinnen
und solche, die es werden wollen“.
Eine von der DFG geförderte
Längsschnittstudie, an der sich 2012
über 3000 Berliner Jugendliche beteiligten – zeigt wie die Stereotype des
Selbstbildes nachwirken: Weibliche Jugendliche sind unzufriedener mit ihrem Äußeren, weil sie offenbar von
dem zunehmenden Schönheitswahn
der Erwachsenenwelt beeinflusst werden. Sie entwickeln weniger Ich-Stärke
als männliche Jugendliche, das heißt,
sie verfügen über ein weniger positives
Selbstbild und eine geringere psychische Stabilität, auch ihr Vertrauen in
ihre Leistungsfähigkeit und ihre Erfolgszuversicht sind im Schnitt geringer
ausgeprägt. Und: Obwohl sie in stärkerem Maße für die Gleichberechtigung von Frau und Mann in Fami-
lie und Beruf eintreten als die
männlichen Jugendlichen, wählen sie
in der großen Mehrheit geschlechterstereotype Berufe mit geringen Aufstiegschancen.
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am besten ausgebildeten Frauengeneration
aller Zeiten, noch diese Bedeutung für Mädchen haben? Gibt es nicht andere Messlatten
für Erfolg und Glück? Müssen Frauen, die Erfolg haben, schön sein? Müssen schöne
Frauen erfolgreich sein? Was ist schön, wer ist
schön, wer bestimmt denn eigentlich, was
schön ist?
Auch erwachsene Frauen erliegen dem
Schönheitswahn, der Machbarkeit des perfekten Körpers. In keinem anderen Land der
Welt, das belegt eine Studie der Universität
Bielefeld, gibt es so viele normalgewichtige
junge Frauen, die sich zu dick finden. In der
Untersuchung geht es nicht um Schauspielerinnen oder andere Frauen, deren Körper ihr
Kapital ist. Ist das Zufall? Wieso wollen gerade deutsche Mädchen dünner sein als die
Norm? Bilder von mageren Models in Illustrierten können nicht alleine die Ursache für
das „kranke“ Körperbild sein. Die Medien
verbreiten sie schließlich global. Das Schönheitsideal der Europäer unterscheidet sich
kaum noch von dem der Japaner oder der Argentinier.
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Schönheit ist mittlerweile ein Synonym für
Leistung geworden. Wer hart an sich arbeitet,
kann erfolgreich sein. „Streng dich an, und
du kannst es schaffen!“, ruft Heidi Klum den
drei bis vier Millionen Zuschauerinnen ihrer
Fernsehshow „Germany's Next Topmodel“
zu. Amerikanische Forscherinnen bringen es
auf den einfachen Nenner, der für Mädchen
gilt: ‚Entweder du bist sexy oder unsichtbar.‘
Die Töchter leben es ihren Müttern nach.
Abnehmen ist Normalität geworden. Marilyn
Monroe – vor 60 Jahren Sexsymbol und
Schönheitsideal – würde nach heutigen Idealen erst einmal auf Diät gesetzt werden müssen. Erfolgreiche Frauen bleiben schlank und
altern nicht, das wird Frauen wie Mädchen
täglich vorgeführt.
Die Firma Depesche, die mit der Plüschfigur
Diddl-Maus bekannt wurde, vertreibt ein
Malbuch mit dem Namen TopModel. In dem
Heft für Mädchen ab sieben geht es um das
Leben von 13 Models. Die gezeichneten Figuren heißen Christy, Fergie und Candy, haben große, weit auseinanderstehende Augen, Stupsnase, Schmollmund, lange Beine
und ein sorgenfreies Leben. Neben dem Malbuch gibt es noch weitere Produkte wie einen
TopModel-Lidschatten, TopModel-Lipgloss
und ein eigenes TopModel- Fotobuch. Wie
viel Depesche mit TopModel verdient, will
die Firma nicht bekannt geben. „Fakt ist, dass
wir Fantasiefiguren zeigen und keine Menschen“, teilt die Pressesprecherin mit. Als hätten diese Fantasiefiguren keine Auswirkungen
auf das reale Leben von Erstklässlerinnen.
Laut einer Umfrage der Jugendzeitschrift Bravo hat fast jedes zweite
14 Jahre alte Mädchen in Deutschland schon mindestens eine Diät gemacht. Bereits Fünftklässlerinnen
wünschen sich Körper wie die der
Models im Fernsehen. Um das zu erreichen, tun sie genau das, was Heidi
Klum in ihrer Sendung fordert: an
sich arbeiten. Die Show, so ein Ergebnis der Studie, veranlasst Mädchen dazu, weniger zu essen. Deshalb
machen schon Zwölfjährige Diät.
Natürlich sollen Mädchen schön und Frauen
attraktiv sein dürfen, aber wir meinen: Die
kleine Charlotte hat es auf den Punkt gebracht mit ihrem Wunsch nach Lego-Mädchen, die Abenteuer erleben.
Mädchen wollen und brauchen mehr und
vielfältigere Rollenvorbilder.
PAPA IST DER
BESTE
MAMA IST DIE
SCHÖNSTE
Geschlechterbilder
in der Werbung
Schwerpunkt
„Papa ist der Beste, Mama ist die Schönste“
so lautete ein Slogan für ein Internet-Gewinnspiel der Deutschen Bahn im Mai letzten
Jahres. Ein Slogan soll in kompakter Form
eine Aussage vermitteln und die Öffentlichkeit schlagartig beeinflussen. Die Öffentlichkeit reagierte in diesem Fall stark, dabei mehrheitlich negativ und stieß sich an dieser
verkürzten Rollenfestlegung für Väter und
Mütter. Das führte zu einer Kehrtwende der
DB, rasch wurde der Slogan ersetzt durch
„Papa ist der Beste, Mama ist die Beste“.
Damit reagierte die Bahn zwar zügig, aber
eher halbherzig und wenig kreativ auf die
Proteste.
Für uns ist der Vorfall aber auch ein Indiz für
aktuelle Werbestrategien, die aus kritischer
Geschlechterperspektive wert sind, beschrieben und hinterfragt zu werden. Sicherlich
greifen wir damit kein neues Thema auf. Es
handelt sich eher um ein ewig junges Thema,
denn es ist kein Geheimnis, dass die Gleichstellung von Mann und Frau durch die Werbung gestützt oder aber behindert werden
kann. Zumal der Einfluss der Werbung in den
letzten Jahren immer weiter gewachsen ist.
Selbst zügiges Umschalten oder Wegschauen
schützt kaum noch vor der allgegenwärtigen
Werbeindustrie. Etwa 30 Milliarden Euro werden in Deutschland derzeit jährlich in Werbung investiert. Durchschnittlich 48 TV-Sender stehen jedem deutschen Haushalt zur
Verfügung, über 900 Zeitschriftentitel sind
erhältlich und der Werbeanteil in Print-, TVMedien und vor allem im Internet ist riesengroß.
Lässige Businessfrauen,
liebevolle Väter
16 Jahre lang hat Klementine als Waschmittel-Frontfrau in strahlend weißer Latzhose
allen Hausfrauen gezeigt, wie die Wäsche
besonders sauber wird. Die pfiffige Klempnerin musste erst Mitte der 80er Jahre weichen. Können wir vermuten, dass Klementine
heute ein Klemens wäre? Oder anders gefragt: Spiegelt sich die Entwicklung zur
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Gleichstellung von Frau und Mann in aktuellen Werbebildern wider oder sind wir nach
wie vor traditionellen Geschlechterstereotypen ausgesetzt?
Ein Projektteam der Universität Bochum analysierte 2012 rund 1000 Werbeanzeigen und
80 Werbespots. Neben Alter, Körperhaltungen und Mimik wurde auch die Rollenvielfalt
oder die dargestellte Situation untersucht.
Dabei wurde festgestellt, dass vermehrt moderne Rollenmuster in der Werbung übernommen werden. Die Frau ist inzwischen
auch als Geschäftsfrau gefragt. Männer übernehmen dafür immer häufiger die Rolle des
fürsorglichen Vaters. Der liebevolle Papa tritt
fast doppelt so häufig auf wie die mütterliche
Frau. Es gibt aber auch zahlreiche „Klassiker“: Noch immer sind die Bereiche Banken
und Auto in der Tendenz Männerdomänen,
während die Textil- und Lebensmittelbranchen ihre Botschaften lieber durch Frauen
übermitteln lassen.
Auch bei der altersbezogenen Darstellung
von Frauen und Männern hat sich wenig geändert: Sowohl in der Print- als auch in der
TV-Werbung sind Frauen bevorzugt jung und
werden häufig verführerisch dargestellt –
Männer hingegen dürfen gerne auch einmal
etwas älter sein und glänzen dann als „Experten“. Im Kleidungsstil hat man sich angenähert: Locker kommt besser an als elegant.
Werbebilder beziehen sich bevorzugt auf den
häuslichen Bereich. Danach folgt mit deutlichem Abstand Freizeit- und Urlaubswelt. Erstaunlich ist: Frauen werden häufiger in der
Arbeitswelt dargestellt. Betrachtet man allerdings die Rollenverteilungen zwischen den
Geschlechtern als Vor- oder Leitbilder dann
differenziert sich das Bild: Schlüsselfunktionen
wie der „beratende Experte“ werden deutlich
häufiger von Männern besetzt. Die Frau als
„schmückendes Beiwerk“ befindet sich zwar
auf dem Rückzug, dennoch spielen – insbesondere in TV-Werbespots – nach wie vor
überwiegend Männer die Hauptrollen.
Spannendes bieten auch die Untersuchungsergebnisse zur sozio-ökonomischen Statuszugehörigkeit. Frauen in der Werbung besitzen überwiegend einen mittleren Status, nur
17% können einem gehobenen sozialen und
wirtschaftlichen Umfeld zugeordnet werden.
Bei Männern fällt das Ergebnis differenzierter
aus. Je 40% der Männer konnten dem mittleren sowie gehobenen Status zugeordnet
werden, immerhin 20% einem niedrigen Status. Der Mann in der Werbung ist auch als
„einfacher Arbeiter“ durchaus gefragt, die
Seit 50 Jahren hat sich nicht viel geändert:
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Quellen: www.brigitte.de, www.innovationsraum.de
Frau als Arbeiterin undenkbar. Und wie sieht
es mit den Emotionen aus? Insbesondere im
Printbereich dominieren die alten Rollenstereotypen: Männer schauen häufig ernst, aggressiv oder nachdenklich, Frauen dagegen
sinnlich, beschützend, erwartungsvoll oder
verführerisch. Verbindendes Element der
emotionalen Analyse: Freude und Stolz können beide, Seriosität hingegen nur die Männer.
gelt genau das den Stand der Gleichstellung
wider.“
Die Leiterin des Projektteams resümiert die
Untersuchungsergebnisse: „Die Geschlechterbilder in der Werbung haben sich bezüglich Inhalten und Differenziertheit angeglichen. Eine Dominanz alter Darstellungsmuster ist nicht mehr zu finden. Aber sie sind
längst noch nicht gänzlich verschwunden,
manche Klischees halten sich hartnäckig."
Und sie wagt die Hypothese: „Vielleicht spie-
Im Sommer letzten Jahres macht Edeka Reklame für Männer- und Frauen-Grillwürste
und löst damit eine Debatte über geschlechterspezifische Werbung aus. Adonis und Teufelsweib prangen auf Fleischpackungen im
Supermarkt. Das eine Produkt trägt den Namen „Frauen-Bratwürste“, enthält neben
Fleisch auch Gemüse und ist „besonders mager“. Dazu wird der Körper eines halbnackten
Wir haben mehrere Beispiele gefunden, wie
hartnäckig sich die Werbebranche bestimmter Klischees bedient.
Adonis und Teufelsweib –
fleischgewordener Sexismus
Mannes mit tätowierter Schulter und Waschbrettbauch umrahmt von Engelsflügeln und
einem Heiligenschein abgebildet. Und auch
die Männer bekommen ihre eigene Bratwurst: „Deftig, kräftig gewürzt“ und mit
mehr Fett. Eine vollbusige Frau mit lüsternem Blick und aufgemalten Teufelshörnern
soll bei den Herren das Feuer entfachen und
dafür ist die Wurstpackung gleich doppelt so
groß wie die der Frauen. Was Edeka wohl für
zielgruppengerechtes Marketing hielt, entpuppte sich als dumpfer Sexismus.
Was suggerieren die Männer- und FrauenBratwürste? Dass Männer gerne viel und
herzhaft essen, während Frauen lieber Gemüse futtern und mehr auf ihre schlanke Linie achten. In gewisser Hinsicht stimmen
diese Annahmen sogar, Kaufstatistiken beweisen zum Beispiel, dass Frauen mehr fett-
Sex sells: Lebensmittel, Zeitung, Hotel, Möbel, Kneipe
Quellen: www.brigitte.de, http://ichkaufdasnicht.tumblr.com
15
arme Produkte kaufen als Männer. Aber bei
einem derart plumpen und offensiven Marketing fühlen sich zumindest viele Frauen
schnell in eine Schublade gesteckt – und noch
dazu in die falsche. Eine Journalistin warf daraufhin in einem offenen Brief dem EdekaKonzern einen „normativen Sexismus vor,
der jedem Geschlecht eine ‚richtige‘ Rolle zuweist, Hierarchie inklusive. (…) Die Geschlechterunterschiede sind in Stein gemeißelt. Frauen sollen gefallen, Männer dürfen
genießen.“
Mit dumpfer geschlechterstereotyper Werbung steht Edeka nicht alleine da. Der Blog
„Ich kauf‘ das nicht“ sammelt Produkte und
Kampagnen, die sexistisch, rassistisch oder
homophob diskriminierend sind. Die Palette
reicht von Astra-Bier oder Caprisonne bis hin
zu Kfz-Werkstätten. Viele Unternehmen nutzen den Geschlechterunterschied, um für ihre
Produkte zu werben. Allerdings spielen sie
nicht mit den verschiedenen Eigenschaften
von Männern und Frauen, sondern stigmatisieren.
Die Diskussion um geschlechterspezifische
Werbung zeigt vor allem eins: Eine grundsätzlich nette Idee kann durch platte Umsetzung zerstört werden. Gutes Marketing ist
raffiniert bis subversiv und verbirgt Botschaften im Detail. Damit Werbung überzeugt,
muss sie die Kundschaft ansprechen und
diese nicht für dumm verkaufen. Schlaue Slogans oder witzige Bilder machen ein Produkt
attraktiv, nicht platte Stereotypen.
Sex sells: Fisch, Fastfood, Anzüge, Brillen, Körperpflege, Elektronik
16
Frauenfeindliche sexistische
Werbung
Zwei gespreizte, nackte, lange Frauenbeine,
zwischen ihnen steht ein Männerdeo. „Reizt
Frauen, nicht die Haut“ – so wirbt ein Kosmetikunternehmen für Männerduschcreme,
Aftershave, Haargel.
Oder die Neue Nordhäuser Zeitung wirbt für
ihr Blatt: „Die Neue. Kommt schneller als die
Alte, ist besser gebaut und macht, was man
ihr sagt.“
Ob das sexistisch ist oder nicht, entscheiden
zunächst die Betrachter und Betrachterinnen.
Die Übergänge von nackter Ironie über subtile Abwertung bis hin zur klaren Diskriminierung sind fließend. Und deshalb stellt sich
die Frage: Wie weit darf Körperlichkeit in der
Werbung gehen und wie sind Kriterien zu
finden, die klar regeln, was zulässig ist und
was verboten gehört? Und vor allem: Wer
legt das fest?
Nicht nur Unterwäsche oder Kosmetik, auch
Autos oder Eiscreme werden seit Jahrzehnten
mit mehr oder weniger nackten Frauen beworben. Das kennt das Auge, das wurde
lange Zeit nicht hinterfragt, sondern als
selbstverständlich hingenommen. Auf diese
Weise werden Geschlechterstereotypen immer wieder reproduziert und Sexismus ist
längst Alltag.
Das zeigte auch die „Aufschrei“-Kampagne
zu Beginn des letzten Jahres, ausgelöst durch
die bekannt gewordenen anzüglichen Bemerkungen des FDP-Politikers Rainer Brüderle. Einige Wochen hatte die Aufdeckung
sexistischer Mechanismen und das Anprangern herabwürdigender Verhaltensweisen
Hochkonjunktur. Die #aufschrei-Initiatorin
Anne Wizorek erhielt rund 60.000 Tweets in
nur zwei Wochen. Im Januar 2013 wurde
nicht nur in Fernsehtalkshows, sondern auch
zu Hause, in der Kneipe und im KollegInnenkreis plötzlich darüber diskutiert, ob und wie
sexistisch unsere Gesellschaft ist.
Was ist davon geblieben? Wir meinen, dass
die Diskussion und der Hashtag ein Tabu gebrochen haben. Viele sind so für das Thema
sensibilisiert worden.
Im Internet sind heute mehrere Initiativen,
Watchgroups gegen sexistische Werbung
und Blogs zu finden. In Stadtteilen von Großstädten organisieren sich Proteste gegen sexistische Außenwerbung.
Eine Initiative, die bundesweit gegen sexistische Werbung mobilisiert ist Pinkstinks. Sie
hat 2013 dem Deutschen Werberat eine Petition gegen Sexismus in der Werbung übergeben. Rund 16.000 Frauen und Männer
und zahlreiche Organisationen wie der Deutsche Frauenrat, Terre des Femmes und der Ingenieurinnenbund haben unterschrieben.Bis
2016, so die Idee von Pinkstinks, soll eine Gesetzesinitiative gegen geschlechtsdiskriminierende Werbung in den Bundestag einge-
bracht werden. Dafür will die Initiative Kriterien entwickeln, die im Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) klarer als bisher
festlegen, wann eine Werbung auf „die ständige sexuelle Verfügbarkeit von Frauen“ abzielt.
Mittlerweile signalisiert der Deutsche Werberat als Institution der Selbstkontrolle der
Werbeindustrie seine Bereitschaft, die Anregungen aus der Zivilgesellschaft aufzunehmen und neue Kriterien für die diskriminierungsfreie Darstellung von Frauen und Männern zu entwickeln. Dies soll in einem intensiven Dialog geschehen.
Eins ist klar: Bei frauenfeindlicher Werbung
geht es nicht um Fragen des guten Geschmacks, oder um eine persönliche Weltsicht. In der Werbung sollte es um Respekt
UND um die Achtung vor Artikel 1 des
Grundgesetzes gehen, der besagt "Die
Würde des Menschen ist unantastbar."
17
Sex sells? MIT MIR NICHT!
So erkennen Sie frauenfeindliche Werbung:
–> Bilder und Texte beleidigen Frauen und stellen sie in entwürdigender Weise dar. Dazu gehören auch doppeldeutige Wortund Bildspiele.
–> Frauen werden mit Waren verglichen oder gleichgesetzt. Bilder
und Texte vermitteln den Eindruck, Frauen seien – wie das Produkt – zu kaufen.
–> Abgebildete Frauen oder die Art ihrer Darstellung haben keinen Zusammenhang zum angepriesenen Produkt. Frauen (oder
Teile ihres Körpers) werden als reiner Blickfang oder als Dekoration verwendet.
–> Frauen werden in Bild oder Text auf bestimmte Rollen (z. B. Verführerin, Luxusgeschöpf) oder auf bestimmte Eigenschaften (z.
B. dumm, dienend, passiv) reduziert.
–> Bilder oder Texte fixieren Frauen und Männer (oder Kinder) in
überholten Geschlechterrollen (z. B. stets Arzt und Krankenschwester statt wechselweise auch Ärztin und Krankenpfleger).
–> Das Verhältnis von Frauen zu Männern ist in Bild und Text geprägt von Abhängigkeit und Unterwürfigkeit.
–> Es wird unterschwellig vermittelt, Frauen seien Besitz oder
Beute eines Mannes, oder es werden Assoziationen im Bereich
Gewalt ausgelöst.
–> Weibliche Sexualität wird vermarktet. Die sexuelle Verfügbarkeit von Frauen wird signalisiert.
18
–> Mittels Bildern oder Texten werden extreme Schönheits- oder
Schlankheitsnormen propagiert.
–> Texte sind ausschließlich in der männlichen Form geschrieben,
obwohl auch Frauen gemeint oder angesprochen sind.
Sie können sich gegen frauenfeindliche Werbung wehren:
–> Beschweren Sie sich mündlich oder schriftlich bei dem Geschäft
oder Unternehmen, das das beworbene Produkt herstellt oder
verkauft, oder bei der Firma, die Dienstleistungen mittels frauenfeindlicher Werbung anbietet.
–> Beschweren Sie sich bei der Werbeagentur, die das Werbemittel (Plakat, Prospekt, Inserat, Werbespot usw.) hergestellt hat.
–> Fassen Sie Ihre Kritik an einer frauenfeindlichen Werbung kurz
zusammen und schicken Sie diese als LeserInnenbrief an Zeitungen oder Zeitschriften.
–> Beschweren Sie sich bei elektronischen Medien über frauenfeindliche Werbespots, zum Beispiel in einem Brief an die Fernsehdirektion.
–> Machen Sie frauenfeindliche Werbung in Ihrem Bekanntenkreis,
in Gruppen, Firmen, Organisationen, Aus- und Weiterbildung
zum Thema.
–> Beschweren Sie sich beim
Deutschen Werberat, Am Weidendamm 1A, 10117 Berlin
Tel. 030/ 59 00 99-700, Fax 030/ 59 00 99-722
[email protected]
Interviews
„ICH WILL,
Antje Brozio
LEGO-MÄDCHEN
MACHT“
Verstehen Sie als Fachfrau den Wunsch des
Mädchens?
In der Kita selbst ist dies so noch nicht zu beobachten. Die Auswahlkriterien hinsichtlich
des Spielzeugangebotes in den Einrichtungen sind in der Regel breiter angelegt. Allerdings wird das Angebot in dieser Hinsicht
langfristig auch die Nachfrage beeinflussen.
Da die Spielzeugangebote allgemein immer
differenzierter werden, kann ich den Wunsch
des Mädchens nachvollziehen.
Gleichzeitig ist es aber eine Tatsache, dass die
Kinder in den Elternhäusern überwiegend
entsprechende Erfahrungen machen.
Durch die Presse ging vor wenigen Wochen das Schreiben
eines siebenjährigen Mädchens
an Lego: „Ich will, dass ihr mehr
Lego-Mädchen macht“. In einer
email-Umfrage haben wir dazu
Expertinnen und Mütter befragt.
Haben Sie das auch schon mal gehört?
Spielen diese Fragen in Ihrem Beratungsalltag eine Rolle?
DASS IHR MEHR
Fachberaterin bei der Fachstelle für Kindertagesstätten Ev.-Luth. Kirchenkreis RendsburgEckenförde
Nein.
Es wird ja gesagt, dass immer mehr ausdifferenziertes Spielzeug für Mädchen und Jungen angeboten wird. Pink für Mädchen und
blau für Jungen (so die Geschlechterforschung). Wie beobachten Sie das im Kindergarten?
In dieser Form nicht. Es geht eher um die
Frage, was für das einzelne Kind unterstützend in seiner Entwicklung sein kann.
Sehen Sie eine Veränderung im Bereich der
Festlegung der Rollen für Jungen und Mädchen?
19
Um Frauen quantitativ wie qualitativ auf dem
Hintergrund des demographischen Wandels
stärker in den Arbeitsmarkt zu integrieren,
eröffnen sich für die Mädchen neue Möglichkeiten. Den Jungen hingegen wird eine
Orientierung tendenziell erschwert. Zum einen ist das Bildungssystem an vielen Stellen
weiblich geprägt und zum anderen besteht
für sie weiterhin eine eher traditionelle Berufsrollenorientierung.
gen angeboten wird. Pink für Mädchen und
hellblau für Jungen (so die Geschlechterforschung). Wie beobachten Sie das im KitaAlltag?
Sabine Scholz-Richter
20
Wie entwickeln sich die Rollen für Jungen
und Mädchen (Mädchen müssen auf jeden
Fall schön sein)?
Tagespflege-Fachberaterin, Kreis RD-Eck
Es ist eine im Grunde paradoxe Entwicklung
zu beobachten: Einerseits besteht im Bildungsbereich ein intensives Bestreben, die
geschlechtsbezogenen Rollenstereotype hinsichtlich der Berufsentwicklung und Familiengestaltung zu verändern. Andererseits betont der Markt – in Form von z.B. Kleidung
und Spielzeug usw. – die Unterschiede immer
deutlicher. Letztlich stehen die einzelnen Individuen vor der Aufgabe, beides in ihrer Persönlichkeit zu integrieren. Dabei kommen
dem Bildungsstand wie dem beeinflussenden
Milieu entscheidende Bedeutung zu.
Ja, selbst unsere Tochter ist heute der Auffassung, sie hätte mehr mit Lego gespielt als
damals zu ihrer Kleinkindzeit hätte es die
schönen Lego von heute gegeben.
Haben Sie das auch schon mal gehört?
Verstehen Sie als Fachfrau den Wunsch des
Mädchens?
Ich denke, dass sich ein Mädchen dann mehr
mit diesen Spielfiguren identifiziert und der
Ansporn mit Lego zu spielen ein größerer
wäre.
Es wird ja gesagt, dass immer mehr ausdifferenziertes Spielzeug für Mädchen und Jun-
Dieses kann ich nur teilweise bestätigen. Das
Spielzeug ist nicht geschlechtsspezifisch ausgewählt. Ich sehe in den Regalen wenig rosa
oder hellblau. Auffallend sind eher die Kleidung der Mädchen und Jungen sowie die
Brotdosen und Trinkflaschen z. B. von „Hello
Kitty“. Mädchen sind oft in pink angezogen
und schmücken sich gerne mit Ketten und
Haarklammern.
Spielen diese Fragen in Ihrem Beratungsalltag eine Rolle?
Eher nicht, da ich beobachte, dass Mädchen
sowohl mit Autos und Bauklötzen spielen
und Jungen das Puppenkind im Puppenwagen durch die Gegend schieben.
Sehen Sie eine Veränderung im Bereich der
Festlegung der Rollen für Jungen und Mädchen?
Gegenüber den 90er Jahren sehe ich eher
eine positive Tendenz, Rollen weniger festzulegen und eine geringere geschlechtsspe-
zifische Erziehung. Die Fachkräfte in den Einrichtungen als auch die Eltern sind m. E. weniger festgelegt.
forschung). Wie beobachten Sie das? Spielen
oder spielten diese Fragen bei Ihren Kindern
eine Rolle?
Wie entwickeln sich die Rollen für Jungen
und Mädchen? (Mädchen müssen auf jeden
Fall schön sein?)
Da ich ein Mädchen und einen Jungen habe,
ist das Spielangebot immer sehr breit gewesen. Hinzu kommt, dass unsere Tochter keine
„Puppen-Mutter“ war. Als Eltern ist man
schon auf der Hut, diesen typischen RollenAngeboten nicht zu verfallen. Ein Besuch bei
Toys“R“Us und man kennt alle Dinge, die die
Welt nicht braucht!
Dieses Phänomen kann ich so nicht beobachten.
Sigrid Holm
Haben Sie das auch schon mal gehört?
Wie entwickeln sich Ihrer Meinung nach die
Rollen für Jungen und Mädchen (Mädchen
müssen auf jeden Fall schön sein)?
Ja!
Verstehen Sie als Mutter den Wunsch des
Mädchens?
Selbstverständlich, Mädchen müssen nicht
nur mit Puppen spielen. Die Lego-Themen
sind sehr jungenlastig (StarWars, Chimani
usw.).
Es wird gesagt, dass immer mehr ausdifferenziertes Spielzeug für Mädchen und Jungen angeboten wird. Pink für Mädchen undhellblau für Jungen (so die Geschlechter-
Das Streben nach Schönheitsidealen bei Mädchen sehe ich als große Gefahr. Auch die modernen Zeichentrick-Filme für Mädchen stellen diese Ideale den Kindern bereits vor. Bei
den „Kindern von Saltkrokan“ entspricht
„Britta“ nicht mehr den Idealen. Das fällt den
Kindern auf! Die Frage ist jedoch, wie viel
man den Kindern in jungen Jahren von diesen
Eindrücken zulässt.
Ich sehe die Veränderung der Rollen auch
positiv. Da heutzutage meistens beide Elternteile arbeiten und die Väter nicht immer
die „Besserverdiener“ sind, weichen sich die
Rollen im familiären Alltag teilweise auch auf.
Es ist selbstverständlich, dass auch Väter die
Kinder aus der KiTa abholen, Betreuungszeiten müssen auch von Vätern abgedeckt werden. Das kannten meine Eltern nicht.
Ob man Kinder nur mit den Barbie-Idealen
konfrontiert, liegt größtenteils am Elternhaus.
Meine Erfahrung ist, dass die Kinder sich oft
Spielzeug suchen, das eigentlich nicht als
Spielzeug konzipiert wurde und bei uns immer DRAUSSEN und BEWEGUNG im Vordergrund stand und steht. Dafür habe ich immer
viel Wäsche!!! Die wasche ich dann aber
gerne!
Die Technik wird, insbesondere bei den Jungen, noch früh genug Überhand nehmen.
Wichtig für uns ist, dass sie das von Beginn an
kennen!
Sehen Sie eine Veränderung im Bereich der
Festlegung der Rollen für Jungen und Mädchen?
21
Thema
ie im Herbst 2013 von Alice Schwarzer
als Herausgeberin der Zeitschrift Emma
initiierte Kampagne gegen Prostitution erfuhr starke mediale Aufmerksamkeit und
brachte vielfältige, kontroverse Positionen
und Ansichten rund um das Thema in die öffentliche Diskussion. „Wir fordern: Prostitution abschaffen!“ So lautete die Schlagzeile
des Titels der Emma von November/Dezember 2013. 90 prominente Erstunterzeichnende folgten dem Aufruf mit Bild. Anfang
Januar 2014 lagen an die 10.000 Unterschriften vor, die die an die Bundeskanzlerin
und den Bundestag gerichteten Forderungen
unterstützen: kurzfristige Änderung des Prostitutionsgesetzes und langfristige Ächtung
bzw. Verbot von Prostitution.
2002 wurde das Prostitutionsgesetz reformiert. Prostitution bekam den Status eines
regulären Gewerbes und die Tätigkeit wurde
legalisiert. Damit sollte die Prostitution aus
der Grauzone geholt und die Arbeitsbedingungen für Sexarbeiterinnen verbessert
werden.
22
PROSTITUTION
ABSCHAFFEN?
Im Appell wird ein völlig neuer gesetzlicher
Weg verlangt, der in Schweden bereits
durch das „Gesetz zum Verbot des Kaufs sexueller Dienste“ mit der Bestrafung von
Freiern beschritten wurde. Der schwedische
Staat wollte damit ein deutliches Zeichen
setzen, dass der Kauf sexueller Dienstleistungen von Frauen durch Männer gesellschaftlich nicht toleriert werden kann.
Allerdings zeigen die schwedischen Erfahrungen auch, dass es nun zwar weniger
Straßenprostitution gibt, dafür jedoch umso
mehr Prostitution im Verborgenen. Das birgt
die Gefahr, dass Sexarbeiterinnen hierdurch
in die Illegalität und Stigmatisierung gedrängt werden. Auch wird nicht mehr zwischen Frauen, die zwangsprostituiert wurden und denen, die sich bewusst für Sexarbeit entschieden haben, unterschieden. Dies
ist auch in Deutschland ein Kritikpunkt von
Sexarbeiterinnen an der Forderung nach einem Verbot der Prostitution.
Bei aller Uneinigkeit und den Diskussionen
über die Zielrichtung des Prostitutionsgesetzes herrscht Einigkeit darüber, dass das geltende Gesetz schnellstmöglich nachgebessert werden soll. Die große Koalition hat sich
darauf verständigt, Anfang 2014 hierfür ein
neues Gesetz mit besserem Opferschutz und
effektiverer Verfolgung von Tätern zu erarbeiten.
Positionen der EMMA
–> „... ist Deutschland zu Europas Drehscheibe für Frauenhandel
und zum Paradies der Sextouristen aus den Nachbarländern geworden.“
–> Frauenhandel und Prostitution sind untrennbar miteinander verbunden und weltweit ein Geschäft mit hohen Profitraten.
–> Frauen werden durch das System Prostitution zum käuflichen
Geschlecht degradiert, das Begehren brutalisiert und die Menschenwürde „auch die der sogenannten freiwilligen Prostituierten“ verletzt. „Ganz zu schweigen von den Ausländerinnen
aus der Armuts- und Zwangsprostitution.“
–> Prostitution ist kein „Beruf“ wie jeder andere.
–> Nur ein sehr geringer Anteil der Frauen prostituiert sich selbstbestimmt mit gutem Einkommen.
–> Oftmals sind mangelnde berufliche oder finanzielle Alternativen der Hintergrund.
–> Für Prostituierte besteht ein immenses Risiko, Opfer von Gewalt zu werden.
–> Es besteht ein hohe gesundheitliche Gefährdung und daneben
soziale Ächtung der Sexarbeiterinnen.
–> An niedrigschwelligen Angeboten für ausstiegswillige Frauen
mangelt es immer noch.
Der Koalitionsbeschluss:
„Wir wollen Frauen vor Menschenhandel und Zwangsprostitution besser schützen und die Täter konsequenter bestrafen.
Künftig sollen Verurteilungen nicht mehr daran scheitern, dass
das Opfer nicht aussagt. Für die Opfer werden wir unter
Berücksichtigung ihres Beitrages zur Aufklärung, ihrer Mitwirkung im Strafverfahren sowie ihrer persönlichen Situation das
Aufenthaltsrecht verbessern sowie eine intensive Unterstützung, Betreuung und Beratung gewährleisten. Zudem werden
wir das Prostitutionsgesetz in Hinblick auf die Regulierung der
Prostitution umfassend überarbeiten und ordnungsbehördliche
Kontrollmöglichkeiten gesetzlich verbessern. Wir werden nicht
nur gegen die Menschenhändler, sondern auch gegen diejenigen, die wissentlich und willentlich die Zwangslage der Opfer
von Menschenhandel ausnutzen und diese zu sexuellen Handlungen missbrauchen, vorgehen. ...“
23
Thema
EIN
185 Seiten stark ist der Koalitionsvertrag
zwischen CDU, CSU und SPD für die 18. Legislaturperiode. Er beschreibt viele politische Handlungsfelder und Ziele der nächsten
Jahre. Wir wollen prüfen, welche Rolle die
Gleichstellung von Frauen und Männern im
Koalitionsvertrag spielt.
Einige gleichstellungspolitische Reformprojekte sind auf den ersten Blick erkennbar.
Hierzu zählen z. B. Maßnahmen zur Reduzierung der Entgeltlücke, eine gesetzlich geregelte Frauenquote oder das Recht auf befristete Teilzeit.
Doch wie sehen die im Wahlkampf versprochenen „spürbaren Verbesserungen für
Frauen“ konkret aus? Welche Neuerungen
wird es für Frauen und Familien ab 2014
geben und welche Veränderungen werden
auf spätere Jahre aufgeschoben?
24
KOALITIONSVERTRAG
FÜR FRAUEN?
GUTER
QUOTE
Der Anteil weiblicher Führungskräfte in
Deutschland soll mittels einer Frauenquote
erhöht werden. Ab dem 01.01.2016 müssen
börsennotierte Unternehmen frei werdende
Aufsichtsratsposten so besetzen, dass 30%
des Gremiums weiblich sind. Bei Nichteinhalten dieser Quote drohen Sanktionen und sollen Stühle frei bleiben. Nicht minder wichtig
ist die verabredete Einführung einer Selbstverpflichtung der Unternehmen, ab 2015 verbindliche Zielgrößen für die Erhöhung des
Frauenanteils in Aufsichtsrat, Vorstand und in
den oberen Managementebenen festzulegen, zu veröffentlichen und hierüber transparent zu berichten. Auch Maßnahmen zur
Erhöhung der Quote sind durchzusetzen.
Als „echter Durchbruch“ wird diese Vereinbarung zur Einführung einer Frauenquote gesehen. Doch bleibt zu erwähnen, dass bereits
jetzt 1/3 der Dax- Konzerne die für 2016 ge-
forderten 30% Frauen erreicht haben. Das
weitaus größere Problem ist, dass nur wenige
Frauen in den Nominierungs- und Personalausschüssen sitzen, also dort, wo über künftige Chefposten entschieden wird. Auch
bleibt abzuwarten, ob das geplante Gesetz
nur börsennotierte Firmen und deren Aufsichtsräte erfassen wird oder ob auch mitbestimmungspflichtige Unternehmen und die
Vorstände und damit die eigentlichen Machtzentralen inbegriffen sind.
ENTGELTGLEICHHEIT
Die Koalition hat die Absicht, die bestehenden
Lohndifferenzen zwischen Frauen und Männern abzubauen. Unter anderem soll die Arbeit in der Pflege, Betreuung und frühkindlicher Bildung aufgewertet werden. Gleicher
Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit
ist das Prinzip. Unternehmen ab 500 Beschäftigten sollen sich verpflichten, Stellung
zu Frauenförderung und Entgeltgleichheit zu
beziehen.
Darüber hinaus sollen verbindliche Informationen über alle Berufs- und Verdienstmöglichkeiten die bislang maßgeblich von traditionellen Rollenbildern geprägte Berufs- und
Studienfachwahl von jungen Frauen und
Männern verändern. Das Vorhaben, bestehende Lohndifferenzen und diskriminierende
Lohnunterschiede zu beseitigen, ist zwar zu
begrüßen, ist aber sehr vage formuliert, so
dass die Frage nach der Umsetzung offen
bleibt.
MINDESTLOHN
Ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro gilt ab Anfang 2015. Besonders Beschäftigte im Niedriglohnsektor,
und hier ist immerhin die Mehrheit weiblich,
dürfte das freuen. Wichtig wäre an dieser
Stelle die Förderung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung gewesen – leider
hält der Koalitionsvertrag aber an Minijobs
fest. Auch sind tarifvertragliche Abweichungen der Mindestlohnregelung bis Ende 2016
möglich, so dass er erst ab 2017 tatsächlich
„flächendeckend“ gilt. Spätestens dann, wird
sich die Frage stellen, ob die Höhe des Mindestlohns von 8,50 überhaupt noch ausreichend ist.
STÄRKUNG DER FAMILIEN
Die Gleichstellung soll auch durch Stärkung
der Familien vorangetrieben werden. Hierzu
gehört die Flexibilisierung der Elternzeit.
Künftig sollen Mütter und Väter 24 statt bisher 12 Monate Elternzeit zwischen dem 3.
und 8. Lebensjahr des Kindes nehmen dürfen.
Ein neu einzuführendes ElterngeldPlus soll es
Vorwort
möglich machen, bis zu 28 Monate lang Elterngeld zusätzlich zu einer geringfügigen
Teilzeittätigkeit zu erhalten und somit den
Wiedereinstieg, vor allem für Alleinerziehende, zu erleichtern. Die Höhe des Bonus
wird im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens
festgelegt. In Teilzeit arbeitende Eltern sollen
für die partnerschaftliche Betreuung des Kindes einen Partnerschaftsbonus erhalten.
Die Qualität der Kindertagesbetreuung hinsichtlich der Personalausstattung und -qualifikation und die Ganztagsbetreuung in Kindertageseinrichtungen sollen schrittweise
ausgebaut werden.
Der Anspruch auf befristete Teilzeit garantiert
Arbeitnehmenden, die sich z. B. wegen Kindesbetreuung oder Pflege naher Angehöriger
zur Einschränkung der Arbeitszeit entschieden
haben, die Rückkehr zur früheren Arbeitszeit. Hierdurch dürfte es einfacher werden,
flexibel auf familiäre Situationen zu reagieren.
Klärungsbedarf besteht jedoch, ob diese Regelung auch für bereits bestehende Teilzeitverträge gilt.
Auch bei der Pflege von Angehörigen zeichnen sich Veränderungen ab. So sollen Beschäftigte künftig einen Rechtsanspruch auf
Freistellung für die ersten zehn Tage einer
Pflegebedürftigkeit (vergleichbar mit dem
Kinderkrankengeld) erhalten.
25
RENTE
Die geplanten Reformen zur Rente sind
durchaus kritisch zu betrachten. Da wäre zum
einen die Mindestrente in Höhe von 850 Euro
für diejenigen, die mindestens 40 Beitragsjahre nachweisen können. Diese werden
Frauen in aller Regel nicht erhalten. Sie kommen zum überwiegenden Teil wegen lückenhafter Erwerbsbiografien nicht auf die geforderten 40 Beitragsjahre.
Gleiches gilt für die abschlagsfreie Rente mit
63, die 45 Beitragsjahre fordert. Vor allem
Männer mit hohen Rentenansprüchen werden begünstigt werden. Bereits jetzt erfüllt
nur jede siebte Frau die Voraussetzung für die
geplante abschlagsfreie Rente, während bei
den Männern im Alter von 63 bis 65 Jahren
fast jeder zweite Neurentner ist.
Um einer Schlechterstellung von Frauen bei
der Rente entgegenzuwirken, die durch Erziehungszeiten entstanden ist, wird die Mütterrente eingeführt. Ab dem 1. Juli 2014 sollen Mütter oder Väter, deren Kinder vor 1992
geboren wurden, in der Rente einen zusätzlichen Entgeltpunkt für die Kindererziehung
erhalten – damit erhalten sie immer noch einen Entgeltpunkt weniger als für Kinder, die
nach 1992 geboren wurden. Die Finanzierung
ist immer noch strittig und unklar. Frauen, denen aufgrund ihrer lückenhaften Erwerbsbio-
26
graphien Minirenten drohen – und mittlerweile sind das knapp 300.000 Frauen, die
auf Grundsicherung im Alter angewiesen
sind – werden von der Erhöhung nichts spüren. Mütterrente wird wie alle Renteneinkünfte voll auf die Grundsicherung angerechnet. Die Absicht der Koalition, Altersarmut zu bekämpfen und Lebensleistung zu
würdigen, bleibt durch die Einführung einer
Mütterrente unerreicht.
GEWALT GEGEN FRAUEN UND KINDER
Konsequente Maßnahmen zum Schutz und
zur Hilfe für alle Betroffenen sollen gewährleistet werden. Von Frauenhilfetelefon und
ressortübergreifenden Maßnahmen zur Bekämpfung von Gewalt ist die Rede. Was immer noch fehlt sind einheitliche Regelungen
zur Finanzierung der Frauenhäuser, die Stärkung der Rechte von Vergewaltigungsopfern
und Maßnahmen zum Schutz von Kindern
bei häuslicher Gewalt.
MENSCHENHANDEL
Kaum Fortschritte sind auch bei den Themen
Menschenhandel und Prostitution erkennbar.
Zwar sollen Frauen vor Menschenhandel und
Zwangsprostitution zukünftig besser geschützt werden. Auch Verurteilungen sollen
nicht mehr von Opferaussagen abhängig ge-
macht werden und bei Mitwirkung der Opfer im Strafverfahren wird eine Verbesserung
ihres Aufenthaltsrechts in Aussicht gestellt.
Aber wie konkret sieht der Opferschutz aus?
An welche Bedingungen ist er geknüpft,
wenn es heißt: „Für die Opfer werden wir unter Berücksichtigung ihres Beitrags zur Aufklärung, …, Unterstützung, Betreuung und
Beratung gewährleisten.“
Auch die Aufenthaltsgenehmigung soll in
Abhängigkeit von der Mitwirkung bei der
Strafverfolgung der Täter stehen und ist kritisch zu betrachten. Es fehlt ein eindeutiges
Aufenthaltsrecht für Opfer von Menschenhandel.
FAZIT:
Die große Koalition bekennt: Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist in Deutschland längst nicht Realität. Daher bietet der
Koalitionsvertrag in Einzelfragen sicher eine
gute Grundlage, um positive Veränderungen
herbeizuführen. Abzuwarten bleibt jedoch,
was umgesetzt wird, denn es handelt sich
hier lediglich um einen Vertrag der Koalitionäre und vieles steht zudem unter Finanzierungsvorbehalten.
Vorwort
Meldungen
EIN GRUNDGESETZ
IN GESCHLECHTERGERECHTER
Die Pflegewissenschaftlerin Gabi Stummer hat sich das
Grundgesetz vorgenommen und festgestellt, dass in
Art. 3 Abs. 3 GG, nach welchem kein Mensch
benachteiligt werden soll, bereits eine immense Benachteiligung von Frauen vorliegt. Der ganze Artikel ist männlich formuliert. So heißt es: „Niemand darf
wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder
politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand
darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“
Erfreulich fand Stummer, dass Mann also
wegen seines Geschlechts nicht benachteiligt werden darf. Aber Frauen kommen hierin gar nicht vor. Und so schrieb
Stummer gemeinsam mit einigen anderen Frauen den Artikel und
das gesamte Gesetzeswerk einfach um. Resultat des Ganzen: das
gGG – das geschlechtergerechte Grundgesetz.
SPRACHE
Der umformulierte Artikel 3 z.B. lautet nun: „Niemand darf auf Grund von Geschlecht, Abstammung, Rasse, Sprache, Heimat und
Herkunft, Glauben, religiösen oder
politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.
Niemand darf auf Grund von Behinderung benachteiligt werden.“ (Zu finden unter:
https://sites.google.com/site/
geschlechtergerechtesgg/
Im Übrigen: Auch der Deutsche
Städtetag (größter kommunaler
Spitzenverband Deutschlands) bittet
in einem aktuellen Schreiben darum,
bei Veröffentlichungen der Verwaltung eine geschlechtergerechte Sprache zu verwenden. Dort heißt es: „Frauen treten in Erscheinung und wollen auch
benannt werden. Die Formulierung ,Frauen sind mitgemeint’ ist
nicht zu vertreten. (…). Spätestens bei schwangeren oder stillenden
Studenten wird allen deutlich, dass Sprache Bilder hervorruft (…).“
27
S PRACHREFORM :
Die Uni Leipzig wird
WEIBLICH
Die Universität Leipzig hat eine neue
Grundordnung. Künftig sollen nur noch
weibliche Bezeichnungen in Texten und offiziellen Schreiben verwendet werden. Es
heißt also ab sofort Professorin, Rektorin,
Wissenschaftlerin und Studentin. Per Fußnote wird erklärt, dass dieses „generische
Femininum“ auch die Männer meint.
Entstanden ist das Ganze jedoch nicht auf
Anregung der Frauen selbst, sondern Mitglieder des Senats störten sich an der
Schrägstrich- Variante (z. B. Professor/ in),
die beim Lesen behindere. Dem spontanen
Vorschlag eines Physikprofessors (künftig
Professorin) zur neuen Grundordnung
stimmte der Senat anschließend zu.
Ein Sturm der Entrüstung brach in den Printund Online-Medien los: Von „Vergewaltigung und Verhunzen der Sprache“ und einer „aggressiven Umerziehungsideologie“
28
ist da die Rede. Sogar die Abberufung der
Rektorin Beate Schücking wurde zeitweise
gefordert.
Dabei geschieht hier für Männer in Texten
nur das, was Frauen seit jeher kennen: Sie
sind mitgemeint. Die Frau Professor gibt es
nicht mehr. Warum sollten Männer unter
der neuen Sprache leiden? „Die neue
Sprachregelung sei ein symbolischer Akt,
der die zahlreichen Frauen an der Universität Leipzig in der Grundordnung sichtbarer
mache.“, so Beate Schücking. „Keine Angst,
liebe Männer. Wer souverän ist, wird damit
fertigwerden.“
Das sächsische Wissenschaftsministerium
hat mittlerweile die formulierte Grundordnung für die Universität Leipzig akzeptiert,
die somit bereits Ende letzten Jahres in Kraft
getreten ist.
Aus Tradition Grenzen überschreiten
Crossing Boundaries out of Tradition
(Offizieller Slogan der Universität Leipzig)
Vorwort
Ware
Eizelle
Ein Gesetzesvorschlag im US-Bundesstaat Kalifornien sieht vor, Frauen, die Eizellen für die
Forschung „spenden“, zu bezahlen. Bislang
ist dies verboten. Lediglich Aufwandsentschädigungen wie Reise- oder Übernachtungskosten dürfen gezahlt werden. Während die Forschung in den USA strenge
Richtlinien hat, sieht es in der Reproduktionsmedizin ganz anders aus: Hier fließen
teilweise über 2000 Dollar pro „Eizellenspende“ an die Spenderinnen.
den wollen. Zudem sei die beabsichtigte Bezahlung für Aufwand und Unannehmlichkeiten gedacht, die schließlich in beiden Fällen
vorliegen. In Kalifornien konzentriert sich die
Stammzellforschung, für die Eizellen (besonders im Bereich der Klonforschung) benötigt werden. Da sich bereits jetzt ein Mangel an Eizellen abzeichnet, sehen einige in
diesem Vorschlag die Möglichkeit, die „Spendierfreudigkeit“ der Frauen anzukurbeln und
somit den wachsenden Bedarf zu decken.
BefürworterInnen des Vorschlags meinen,
dass die Frauen schließlich selbst entscheiden könnten, ob sie Eizellen für die Forschung
oder für Fortpflanzungbehandlungen spen-
Gegnerinnen verweisen auf die hohen gesundheitlichen Risiken, die bei Entnahme von
Eizellen bestehen: mehrwöchige Hormonbehandlungen, eine Operation und nicht uner-
hebliche Nebenwirkungen wie Stimmungsschwankungen und gelegentliche Schmerzen können auftreten. Langfristige Risiken,
wie z. B. Unfruchtbarkeit oder Todesfälle sind
noch nicht ausreichend erforscht. Ein finanzieller Anreiz könnte Frauen in Notlagen verleiten, diese Risiken einzugehen.
Mit der Gesetzesreform würde sich Kalifornien dem Bundesstaat New York anschließen, wo eine Bezahlung der Eizellgeberinnen
für die Forschung bereits seit 2009 möglich
ist. In Deutschland, Schweiz, Österreich und
Italien ist es verboten, dass Frauen Eizellen
spenden.
29
STOPP
FÜR „MISS MINI“-WAHLEN
IN FRANKREICH
Der französische Senat will Schönheitswettbewerbe für Mädchen unter 16 Jahren verbieten. Organisatoren solcher Veranstaltungen drohen dann zwei Jahre Haft und 30.000
Euro Strafe.
Anlass für die Initiative war der weltweite
Aufruhr über erotische Skandalfotos in der
französischen „Vogue“ 2010, in der kleine
Mädchen in eindeutigen Posen abgebildet
waren. 150 Kinderärzte reagierten mit einer
Petition gegen Sexualisierung von Kindern in
der Werbung. Untersuchungen zu diesem
Thema folgten.
Wahlen zur „Miss Mini“ oder „Miss Prinzessin“ wurden seitdem in Frankreich wiederholt
von Familienverbänden und Frauenorgani-
30
sationen kritisiert. Sie zielen auf Mädchenzwischen sieben und zwölf Jahren. Hier liege
eine Erotisierung, Hypersexualisierung und
Inszenierung vor, die keine angemessene
Rolle für kleine Mädchen sei, so Kritikerinnen
derartiger Veranstaltungen. „Lassen wir es
nicht zu, dass unsere Töchter vom frühesten
Alter an glauben, dass nur ihr Aussehen
zählt.“ Nicht von ungefähr gebe es solche
Wettbewerbe nur für Mädchen.
Veranstaltende und Organisatoren reagieren
mit Unverständnis: Kinder lernten schließlich
durch ihre Teilnahme, ihre Schüchternheit abzulegen und mit Stress und Niederlagen umzugehen. Das gestärkte Selbstvertrauen zeige
demnach den pädagogischen Nutzen der Sache.
Die französische Frauenrechtsministerin Vallaud-Belkacem plädiert lediglich für ein Verbot der Wettbewerbe für Mädchen unter 13
Jahren. Für 13 bis 18- jährige Mädchen sollten die Wettbewerbe einer speziellen Genehmigung bedürfen. Die Nationalversammlung entscheidet nun über den Gesetzentwurf.
Während in den USA Misswahlen für Kinder
gang und gäbe sind, sind die Bedingungen
zur Teilnahme in Deutschland für die Wahl
zur Miss Germany klar geregelt: Mindestalter
17 (18) und keine Teilnahme von Kindern.
Dennoch ist auch hier in einigen Online-Foren schon die Rede von Misswahlen für Kinder ab 13 bzw. 15.
Quelle der Bilder: HouHouHaha
Thema
FRAUEN VERDIENEN WENIGER
ALS
WA R U M ?
MÄNNER –
In diesem Jahr fällt der Equal Pay Day – wie
bereits im letzten Jahr – auf den 21. März.
Der internationale Aktionstag, der sich für
die gleiche Bezahlung von Männern und
Frauen einsetzt, findet auf Initiative der Business and Professional Woman (BPW) Germany seit 2008 auch in Deutschland statt. Mit
einem Gender Pay Gap (Lohndifferenz zwischen den Geschlechtern) von rund 22 Prozent zählt Deutschland europaweit zu den
Ländern mit dem höchsten Lohnabstand zwischen Frauen und Männern.
Ein breites Aktionsbündnis von Frauen,UnternehmerInnen- und ArbeitgeberInnenverbänden macht an diesem Tag durch Aktivitäten und Veranstaltungen auf das weiterhin bestehende Lohngefälle zwischen Frauen und Männern aufmerksam. Dieses beträgt in den letzten Jahren ziemlich gleichbleibend um die 22 Prozent. Das heißt: Erst
am 21. März 2014 haben Frauen rechne-
31
risch das Durchschnittseinkommen der
Männer von 2013 erzielt. Knapp drei Monate müssen Frauen also im Schnitt länger arbeiten, um den Unterschied auszugleichen.
Wo liegen die Gründe für diese Einkommensdifferenz? Zwei wesentliche Erklärungsansätze stellen wir vor:
1. Frauen sind vielfach in anderen Tätigkeitsfeldern und Branchen als Männer tätig
Nach wie vor wird zwischen typischen Frauen- und Männerberufen unterschieden (horizontale Arbeitsmarktsegregation). Frauen
dominieren in Berufen des Dienstleistungssektors (wie im Gesundheits- und Sozialwesen), während Männer eher in produzierenden und technischen Bereichen arbeiten.
Grundsätzlich gilt, dass in männerdominierten Branchen höhere Entgelte bezahlt werden. Überdurchschnittlich viele Frauen finden sich aufgrund ihrer Berufsentscheidungen, ihrer Ausbildungen und der Arbeitsplatzwahl in schlechter bezahlten Branchen wieder. Der Grund für das geringere Verdienstniveau in Frauenberufen liegt in der unterschiedlichen Bewertung typischer Merkmale
von Männer- und Frauenarbeiten.
32
Eine wesentliche Ursache hierfür ist die
„Hausarbeitsnähe“ von Frauenberufen.
Heide Oestreich brachte es 2010 in einem
Artikel in der taz auf den Punkt: „So gehen
die deutschen Tarifverträge pauschal davon
aus, dass soziale und psychische Herausforderungen wie die Verantwortung für Kinder,
Patienten und Alte in typischen Frauenberufen weniger wert sind.“ Sogenannte mütterliche Qualitäten werden als naturgegeben bewertet und scheinen somit wie selbstverständlich kostengünstig zur Verfügung
zu stehen.
Um dies zu ändern, müssen Tarife daraufhin
überprüft werden, ob sie tatsächlich alle Anforderungen des Arbeitsplatzes bewerten
und damit entlohnen. Es muss nicht nur gleiches Entgelt für gleiche Arbeit bezahlt werden sondern gleiches Entgelt auch für
gleichwertige Arbeit.
Es ist nicht einsehbar, warum beispielsweise
eine Tätigkeit im Baugewerbe deutlich besser vergütet wird als die in der Pflege. Sind
doch beide mit einer dreijährigen Fachausbildung und vergleichbaren körperlichen Belastungen verbunden.
Initiativen wie der Girl’s Day und Boy’s
Day (Mädchen-und-Jungen-Zukunftstag) setzen an der geschlechtsspezifischen Segregation an. Am Anfang
stand dabei die Idee des Girls’Day mit
der Intention, junge Frauen für Männerberufe zu interessieren.
Heute werden Schülerinnen wie Schüler
– oftmals im schulischen Rahmen – dazu ermutigt, einmal einen Tag lang in
einen vom anderen Geschlecht dominierten Beruf hinein zu schnuppern. In
diesem Jahr ist das der 27. März. Dabei
liegt der Fokus auf der Erweiterung des
Berufswahlspektrums für beide Geschlechter entsprechend den persönlichen Wünschen und Potentialen der
Jugendlichen.
2. Die Erwerbsbiografie von Frauen beinhaltet häufig familienbedingte Unterbrechungen und Zeitreduktion
Ein weiterer Grund für die Lohnlücke besteht in der unterschiedlichen betrieblichen
Position von Männern und Frauen. Frauen
sind bis heute in höheren Positionen unterrepräsentiert (vertikale Segregation). Frauen
tragen die Hauptlast der Vereinbarkeit von
Berufs- und Privatleben. Deshalb nehmen
deutlich mehr Frauen als Männer die Möglichkeit von Elternurlaub oder Teilzeittätigkeit wahr. Daraus ergeben sich häufigere
Unterbrechungen der beruflichen Laufbahn,
die sich ebenso wie Teilzeitarbeit negativ auf
Karriere- und Beförderungsaussichten auswirken.
Vor allem aber erweist sich der Minijob als
„Frauenfalle“. Erscheint dieser für einige
Frauen zunächst als guter Weg zurück ins
Arbeitsleben, stellt er sich langfristig meist
als berufliche Sackgasse heraus. Inadäquate
Bezahlung in Minijobs und Verzicht auf den
Aufbau einer angemessenen Rente sprechen
für sich.
Im Fokus der diesjährigen Equal-Pay-DayKampagne stehen deshalb Minijobs und
Teilzeitarbeit. Unter dem Titel „...und raus
bist Du? Minijobs und Teilzeit nach Erwerbspausen“ wird vielerorts öffentlichkeitswirksam auf Chancen und Risiken von Teilzeitbeschäftigung und auf die Notwendigkeit
einer angemessenen Verteilung von partnerschaftlicher familiärer Verantwortung hingewiesen .
Vorwort
Equal Pay Day in Kronshagen
Am Vortag des Equal Pay Days – also am
Donnerstag, dem 20. März 2014 – sind am
Nachmittag auf dem Wochenmarkt die
Gleichstellungsbeauftragte der Gemeinde
Kronshagen zusammen mit Partnerinnen
aus dem Kieler Aktionsbündnis anzutreffen.
Rote Equal Pay Taschen mit Informationsmaterial und eine informative Broschüre zu
Rechten und Pflichten in Minijobs werden
kostenlos verteilt. Rote Taschen stehen dabei symbolisch für die roten Zahlen in den –
Geldbörsen von Frauen.
Equal Pay Day in Rendsburg
Zum Equal Pay Day am 21. März 2014 werden die Gleichstellungsbeauftragten von
Stadt und Kreis mit einem Flyer „Und raus
bist du!” über die negativen Auswirkungen
von Minijobs und Teilzeit nach Erwerbspausen informieren, wie z.B.:
- Fehlende eigenständige Existenzsicherung
- Mangelhafte berufliche Weiterentwicklung
- Keine Chance auf Einkommenssteigerung
- Armutsrisiko im Alter
Der Flyer wird im den Rathäusern, im Kreishaus und öffentlichen Einrichtungen erhältlich sein.
33
EINE BILANZ
ZUM I NTERNATIONALEN
DIE WIRKLICHKEIT
VON
FRAUENTAG
GLEICHSTELLUNGSPOLITIK
6 von 16
32,3%
Jede 4.
Ministern der neuen Bundesregierung sind
Frauen.
Frauen haben es in die Landesparlamente
geschafft.
Frau wird Opfer von Gewalt in der Partnerschaft.
11,1%
26,1%
20 Minuten
in Vorständen und Aufsichtsräten der wichtigsten 160 börsennotierten Unternehmen
sind Frauen.
Frauen sitzen in Kommunalparlamenten.
verbringen Väter mit ihren Kindern am Tag.
14%
62 Minuten
Frauen stehen als Oberbürgermeisterin einer
deutschen Großstadt ab 100.000 Einwohner/innen vor.
verbringen Mütter mit ihren Kindern am
Tag.
5,9%
Frauen sind in Spitzenpositionen der Wirtschaft zu finden.
19,2%
der Hochschul-Professuren sind mit Frauen
besetzt.
25 Minuten
45,3%
arbeiten Männer täglich im Haushalt.
Prozent Frauen und knapp 10 Prozent Männer arbeiten in Teilzeit.
54 Minuten
arbeiten Frauen täglich im Haushalt.
60%
18%
34
der Chefredakteurinnen und Chefredakteure im Fernsehen sind Frauen.
weniger Rente erhalten Frauen nach ihrem
Arbeitsleben als Männer, 63,5 Prozent erhalten weniger als 650 Euro Rente.
2%
22%
haben es als Chefredakteurinnen bei Zeitungen geschafft.
verdienen Frauen weniger als Männer.
(Quelle: Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros.
„Frauen- oder Gleichstellungspolitik: Die Wirklichkeit.“ Januar
2014)
Internationaler Frauentag 8. März 2014
INTERNATIONALER FRAUENTAG
Veranstaltung in Rendsburg
Veranstaltung in Kronshagen
Nessi Tausendschön
Gedanken zum Frauentag
Die wunderbare Welt der Amnesie
AUS
UF
A
K
R
VE
T
8. MÄRZ 2014 IN RENDSBURG
Die Evolution gab uns Menschen mit dem gezielten
Vergessen eine Möglichkeit zur Bewältigung unserer Defizite an die Hand. Das Vergessen, gezielt eingesetzt, ermöglicht uns ein sinnvolles Weiterleben
nach dem Zeitungslesen, dem Steuerbescheid oder
den 20-Uhr-Nachrichten.
Madame Tausendschön schenkt uns einen wunderbar energiegeladenen, ekstatischen Abend, um
die Menschen zu entzücken und sich an ihnen zu
reiben, ihnen gepfefferte Texte und wunderbare
Songs überzustülpen, mit denen sie nicht gerechnet
haben. Privates und Weltrettung werden eins und
deshalb wird Nessi auch den einen oder anderen
emotionalen Trauergesang anschwellen lassen, wie
man es von ihr kennt und wohl auch erwartet, sodass wir eine besonders große Ration zweilagiger
Taschentücher empfehlen. Eine Lage für die Rührung, eine Lage für die Lacher.
Sekt oder Selters
Im Blickpunkt – Frauenleben:
Überraschungsfilm
zum Weltfrauentag
Auf historischer Grundlage erzählt der
unterhaltsame Spielfilm in Form einer gelungenen Sozialkomödie, wie Frauen den
Mut finden, sich für gleiche Rechte in ihrer Arbeitswelt einzusetzen.
Samstag, 8. März 2014, 19.30 Uhr
Clubraum Bürgerhaus Kronshagen
Kopperpahler Allee 69
Eintritt frei. Spende erbeten.
Veranstalterin: Gleichstellungsbeauftragte der Gemeinde
Kronshagen in Kooperation mit der VHS Kronshagen/
Kulturschwerpunkt
8. März 2014, 20 Uhr, Einlass 19 Uhr
Kulturzentrum, Arsenalstr. 2-10, Rendsburg
Veranstalterinnen: Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Rendsburg,
Gleichstellungsbeauftragte des Kreises Rendsburg-Eckernförde
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Impressum
Redaktion
Gleichstellungsbeauftragte
des Kreises Rendsburg-Eckernförde
Hannelore Salzmann-Tohsche
Kaiserstraße 8, 24768 Rendsburg
04331/202-400
Gleichstellungsbeauftragte
der Stadt Rendsburg
Edith Berkau
Am Gymnasium 4, 24768 Rendsburg
04331/206-218
Gleichstellungsbeauftragte
der Gemeinde Kronshagen
Monika Schulze
Kopperpahler Allee 5, 24119 Kronshagen
0431/58 66-270
Gestaltung
Atelier GraFisch
Katharina Mahrt, Eckernförde
Auflage
2.500 Stück
13. Jahrgang, März 2014
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