Zitronenfalter - Kirche für morgen

Transcription

Zitronenfalter - Kirche für morgen
2.2016
www.kirchefuermorgen.de
„Wenn nicht
jetzt,
wann dann?“
Post für Dr. Martinus
Persönliches aus
dem Redaktionsteam
Freiheit eines
Christenmenschen
Aktualität der Lutherschrift
Erwanderte Ökumene
Evangelischer Pfarrer
zu Fuß nach Rom
Editorial & Inhaltsverzeichnis
Reformation – wenn nicht
jetzt, wann dann? So lautet
das Thema des neuen Zitronenfalters, den Sie nun in den
Händen halten.
Kirche für morgen setzt sich
als Reforminitative dafür ein,
das Evangelium unserer Generation so zu verkündigen, dass es verstanden wird.
Diese Ausgabe des Zitronenfalters bietet Ihnen
eine bunte Palette verschiedenster Reformideen und Aktivitäten, auch über die konfessionellen Grenzen hinaus.
Lassen Sie sich – gerade im Kontext des Reformationsjubiläums 2017 – davon anregen. Ganz
konkret bietet dazu das Forum von Kirche für
morgen am Sonntag, 26. Juni 2016 die Gelegenheit, miteinander ins Gespräch zu kommen und
reformatorische Schritte zu wagen. Herzliche
Einladung dazu! Nähere Infos finden Sie auf der
Rückseite des Heftes.
Dr. Fabian Vogt, der Referent des Forums, bezeichnet die Reformation als Ein Geschenk des
Himmels. Lesen Sie ein Interview mit ihm auf
Seite 6 und 7. Ein Positionspapier zum Reformationsjubiläum von Kirche für morgen liegt diesem Zitronenfalter bei.
„Wenn nicht jetzt, wann dann?“
Editorial. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 2
Kfm-Positionslicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 3
Dr. Jens Schnabel zum Thema Reformation
Die Freiheit eines Christenmenschen –
500 Jahre und top aktuell. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 4
Die Reformationsbeauftragte der
Württembergischen Landeskirche,
Dr. Christiane Kohler-Weiß über die Luther-Schrift
„Von der Freiheit eines Christenmenschen“ (1520)
Ein Geschenk des Himmels. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 6
Interview mit Dr. Fabian Vogt
500 Jahre Trennung sind genug –
Einheit ist möglich! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 8
Wie Christen aus unterschiedlichen Gemeinschaften
Europas Zeugnis geben vom Miteinander versöhnter
Kirchen und Nationen, beschreibt Manfred Kießig
Post für Dr. Martinus:
Was ich Euch schon immer sagen wollte. . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 10
Persönliches aus dem Redaktionsteam
Bausteine
Reformation auf katholisch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 12
Einblick von Barbara Strifler
Erwanderte Ökumene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 14
Andreas Bührer pilgerte zu Fuß nach Rom
und sprach dort mit den päpstlichen
Ökumene-Verantwortlichen
Heilige Anarchie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 15
Buchbesprechung von Karlfriedrich Schaller
Die Redaktion wünscht Ihnen viel Freude und
neue Inspirationen beim Lesen dieser Ausgabe
des Zitronenfalters. Wir freuen uns auf die Begegnung mit Ihnen am 26. Juni in Stuttgart.
Frauenmahl –
Luthers Tischreden im 21. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 16
Wie Luthers Tischreden neu entdeckt werden
beschreibt Carmen Lauble..
Ihre
Als Luther vom Kirschbaum fiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 18
Buchbesprechung von Claudia Bieneck
Kfm-Intern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 19
Dr. Barbara Fritz,
Mitglied des Redaktionsteams
Impressum
Der Zitronenfalter wird herausgegeben
von Kirche für morgen e.V., Am Auchtberg 1, 72202 Nagold
Fon: (0700) 36 69 36 69,
[email protected],
www.kirchefuermorgen.de
Erscheinungsweise: 3 x jährlich.
Bestellung (auch weitere Exemplare) bei
der Geschäftsstelle. Die Zusendung ist
kostenlos.
Bitte melden Sie sich, wenn Sie künftig
mehr oder weniger Exemplare des Zitronenfalters wünschen, bei:
Geschäftsstelle Kirche für morgen e.V.
[email protected]
2
Zu guter Letzt
Einladung zum Forum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bankverbindung:
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Wir danken allen, die durch ihre
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Zitronenfalters ermöglichen.
Redaktionsteam:
Dr. Barbara Fritz, Stuttgart (ViSdP);
Claudia Bieneck, Malmsheim; Pina
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Stuttgart; Carmen Lauble, Remshalden;
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Titelbild:
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Foto Luther: Fotolia, Georgios Kollidas
Reformation
Reformation ist nicht nur ein historisches Ereignis, sondern vor allem eine
Mahnung für die Gegenwart und ein Auftrag für die Zukunft, sagt Jens Schnabel,
1. Vorsitzender von Kirche für morgen.
Ein halbes Jahr vor dem Reformationsjubiläum 2017 ist das Wort Reformation
in aller Munde. Doch was meinen wir eigentlich, wenn wir Reformation sagen?
Das lateinische reformatio bedeutet wörtlich Wiederherstellung, zurück zur ursprünglichen Form. Was aber heißt das
für die Kirche?
Jede Generation hat aufs Neue zu hören
und zu prüfen wie das Evangelium am
besten den Menschen ihrer Zeit bezeugt
werden kann. Immer wieder besteht die
Gefahr, dass die ursprüngliche Botschaft
überlagert wird von Gewohnheiten und
Traditionen, die den eigentlichen Inhalt
nicht mehr klar zum Ausdruck bringen,
ihn möglicherweise sogar verdecken.
Reformation
als historisches Ereignis
Reformation
als Auftrag für die Zukunft
Viele der Reformatoren im 16. Jahrhun-
dert waren vom Humanismus geprägt. Ein
Wahlspruch dieser Bildungsbewegung
lautete ad fontes – zurück zu den Quellen.
Im Falle der Kirche hieß dies: zurück hinter
alle kirchlichen Dekrete und Lehraussagen hin zur Bibel in den Originalsprachen
Hebräisch und Griechisch. Nicht zufällig
war Martin Luther als Theologe vor allem
ein Ausleger der Bibel. Luthers entscheidende Entdeckung kam ihm beim Bibelstudium: Vor Gott bestehe ich nicht aufgrund meiner Leistungen, sondern allein
aus seiner Gnade.
Ausgehend von der biblischen Botschaft formulierten die Reformatoren
dann ihre Forderungen zur Gestaltung der
Kirche in ihrer Zeit.
Reformation
als Mahnung für die Gegenwart
Martin Luther wollte den Menschen seiner Zeit Gottes Wort erschließen. Deshalb
hat er die Bibel ins Deutsche übersetzt. Er
hat bekannte weltliche Volksweisen mit
neuen Texten versehen um so die biblische Botschaft den Menschen nahe zu
bringen. Wenn wir heute in Gottesdiensten Luthers Lieder singen, dann erreichen
wir damit nicht die Menschen unserer
Zeit. Das ist nicht ihre Musik und die Texte
versteht kaum noch jemand. Im Sinne Luthers ist das nicht. Auch entspricht es
nicht dem Anliegen der Reformatoren,
wenn wir meinen, ihre Texte (und seien es
Bekenntnisschriften) seien die Antwort
auf aktuelle Fragen unserer Zeit.
Eine wesentliche Entdeckung aus der
Reformationszeit lautet deshalb ecclesia
semper reformanda – die Kirche ist immer
zu reformieren. Reformation ist kein einmaliges historisches Ereignis, sondern
ein nie abgeschlossener Prozess. Es gibt
noch viel zu tun!
Kirche für morgen
hat deshalb ein Positionspapier zum Reformationsjubiläum verfasst,
das diesem Zitronenfalter
beiliegt. Wir fragen darin
nach, was aus einigen zentralen reformatorischen Grundeinsichten und Forderungen des 16. Jahrhunderts geworden ist.
Prägen sie unsere
Kirche? Sind wir
500 Jahre nach
der Reformation
wirklich schon
evangelisch?
Dr. Jens Schnabel,
Gemeindepfarrer in
Sindelfingen,
1. Vorsitzender
von Kirche für morgen
3
© istock
Liebe Leserinnen und Leser,
Positionslicht
„... wann dann?“
Die Freiheit eines Christenmenschen –
500 Jahre und top aktuell
Pünktlich zum Reformationsjubiläum lädt die Reformationsbeauftragte der Württembergischen Landeskirche, Dr. Christiane Kohler-Weiß, dazu ein, sich mit der Luther-Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ (1520) zu beschäftigen.
Warum gerade diese Schrift?
Selbst wenn
man frei
entscheiden
kann, macht
Freiheit ist einer der zentralen Begriffe
unserer Kultur, unserer Gesellschaft und
unserer Demokratie: Religionsfreiheit,
Meinungsfreiheit, Gewissensfreiheit, Reisefreiheit, Freiheit der Kunst, der Wissenschaft und der Presse – all das sind für uns
überaus kostbare Güter. Im allgemeinen
Sprachgebrauch wird unter Freiheit aber
vor allem die Freiheit verstanden, zwischen verschiedenen Optionen wählen zu
können. Ebenso verbreitet ist ein formales
Freiheitsverständnis, das Freiheit vor allem als Abwesenheit von Zwängen versteht. Andere Menschen kommen so vor
allem als mögliche Einschränkung meiner
eigenen Freiheit in den Blick. Wer tun und
lassen kann, was er will, gilt als frei.
das im Inneren Christliche Freiheit
nicht frei.
Das Christentum hingegen spricht auf
andere Weise von der Freiheit. Wie schon
im Judentum geht es hier in erster Linie
um die Befreiung des Menschen durch
Gott, um die ständigen Gefährdungen der
Freiheit und um den Zusammenhang von
Freiheit und Verantwortung. Die ganze Bibel ist voll von Geschichten, die erzählen,
wie sich die Menschen immer wieder in
äußere und innere Abhängigkeiten verstricken und Gott sie äußerlich und innerlich befreit. Und sie ist voll von ethischen
Weisungen, die den Zusammenhang von
Freiheit und Liebe entfalten.
All diese Aspekte von Freiheit finden
sich auch in der Schrift „Von der Freiheit
eines Christenmenschen“. Luther legt hier
den Hauptakzent auf die innere Freiheit
des Menschen. Wodurch diese entsteht –
das beschäftigt ihn vor allem. Drei wesentliche Einsichten verdanke ich dieser
Schrift.
Kein Weg von außen nach innen
Die Erste: Es führt kein Weg von äußerer
Freiheit zu innerer Freiheit. Ein innerlich
freier Mensch wird man nicht dadurch,
dass man reisen kann, wohin man möchte
und sich kaufen kann, was man will.
Selbst wenn man frei entscheiden kann,
welchen Beruf man ausübt und wen man
heiratet, macht das im Inneren nicht frei.
Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass
auch keine Form äußerer Unfreiheit, sei es
Gefangenschaft, Krankheit oder Armut,
einen innerlich freien Menschen in der
Seele unfrei machen kann.
Das tönt in unseren Ohren provozierend: Widerspricht dem nicht die Erfahrung der Verfolgten, die am eigenen Leib
und in der eigenen Seele erleben mussten, wie äußere Verfolgung einem auch
die innere Freiheit raubt? Und widersprechen nicht schon die Erkenntnisse der Psychosomatik diesen Thesen? Vielleicht ist
das so. Und doch halten Christen an der
Möglichkeit innerer Freiheit auch unter äußerer Unfreiheit fest. Sonst gäbe man
preis, was christliche Freiheit bedeutet.
Geschenkt oder gar nicht
Die Zweite: Äußere Freiheiten kann man
sich erkämpfen, innere Freiheit nicht. Für
unsere innere Freiheit können wir selbst
gar nichts tun. Sie entsteht, wenn unsere
Seele von Gottes Wort berührt wird und
diesem Wort Vertrauen schenkt, also
glaubt. Von Gottes Wort berührt werden
heißt: dem auferstandenen Jesus Christus
begegnen. Christliche Freiheit entsteht
nach reformatorischer Überzeugung allein durch den Glauben an Jesus Christus.
Luther polemisiert in der Freiheitsschrift
heftig gegen den Versuch, innere Freiheit
durch religiöse Tätigkeiten wie Pilgern
oder Fasten zu erreichen. Das sind aus
seiner Sicht in Wahrheit äußerliche Prozeduren. Wenn sie aus der Unfreiheit unternommen werden, führen sie auch wieder
in Unfreiheit.
Das ist für alle religiösen „Macher“ harter Tobak. Immer wieder höre ich in der
Kirche: „Wir brauchen endlich…“ „Ja,
wenn man nicht regelmäßig…, dann kann
auch Gott nicht …“ „Aber man muss
doch…“ Muss man wirklich? Oder könnten
wir von Luther auch das Lassen lernen?
Gott machen lassen.
Der Dreiklang des christlichen
Lebens:
Freiheit – Dankbarkeit – Liebe
Die Dritte: Freiheit macht glücklich, gerecht und dankbar. Luther fühlte sich
nach seiner inneren Befreiung durch die
Begegnung mit Jesus Christus erneut ins
Paradies gesetzt. Die Erfahrung der Befreiung verband sich für ihn mit der Erfahrung von Fülle. Und aus dieser Erfahrung
heraus konnte er gar nicht anders als Gott
dankbar sein und von dem Überfluss weitergeben, in dem er lebte. Es war kein ma-
terieller Überfluss, sondern die innere Erfahrung eines Menschen, dem es an
nichts fehlt.
Die Dankbarkeit ist das Bindeglied zwischen den beiden Thesen, mit denen die
Freiheitsschrift beginnt: Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge
und niemandem untertan. Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller
Dinge und jedermann untertan. Anderen
Menschen oder einer Sache dienen, ohne
die eigene Freiheit zu verlieren, kann man
nur aus Liebe. Und unsere Liebesfähigkeit
gründet in der Dankbarkeit für alles, was
uns von Christus geschenkt wird: Vergebung der Sünden, Freude im Herzen, Friede in der Seele, Gerechtigkeit, Weisheit,
Seligkeit, ewiges Leben – alles Gute überschwänglich.
„Liebe ist Freiheit in ihrer schönsten
Form“, sagte unser Landesbischof Frank
Otfried July einmal. Schöner kann man
nicht zum Ausdruck bringen, wie sehr
nach christlichem Verständnis die eigene
Freiheit und die Liebe zum anderen zusammen gehören. Der andere bedroht
nicht unsere persönliche Freiheit, sondern gibt uns die Möglichkeit, unserer
Freiheit eine schöne Form zu geben. Solche Gedanken sollten im heutigen Freiheitsdiskurs nicht fehlen!
das Lassen
lernen?
Gott machen
lassen.
„Liebe ist
Freiheit in ihrer
schönsten
Form“,
Dr. Christiane Kohler-Weiß,
Beauftragte der Evangelischen
Landeskirche in Württemberg für
das Reformationsjubiläum
© Ljupco Smokovski-fotolia
„Wenn nicht jetzt ...“
Tipp zum Weiterlesen:
Christiane Kohler-Weiß: Freiheit und Verantwortung.
In: Joachim Kummer (Hg.): Im Anfang das Wort.
Impulse der Reformation, S. 17 – 27.
Agentur des Rauhen Hauses Hamburg, 14,99 €.
4
5
„Wenn nicht jetzt ...“
„... wann dann?“
Es hätte keinen besseren Ort für dieses Interview geben können: In der Lutherstadt Wittenberg trifft Johannes Stahl den Referenten des Forums von Kirche für
morgen, Dr. Fabian Vogt.
Herr Dr. Vogt, Sie sind Projektleiter für
das Reformationsjubiläum in der Evangelischen Kirche von Hessen und Nassau. Spüren Sie schon Vorfreude aufs
Reformationsjubiläum?
Und wie! Es ist doch ein echtes Geschenk des Himmels, dass unsere Generation ein derart großartiges Jubiläum erlebt. Schließlich ist die Reformation nicht
nur die Gründungsbewegung der protestantischen Kirchen, sondern auch der Beginn der Neuzeit. Also, ich finde: 500 Jahre Neuentdeckung der Gnade Gottes –
das ist schon ein Grund zum Feiern.
Dr. Fabian Vogt,
Projektleiter des
Reformationsjubiläums
der Evangelischen Kirche
von Hessen und Nassau
und Teil des Kabaretts
Duo Camillo
Für Luther war
„Verständlichkeit“
eine Konsequenz aus
seiner Theologie:.
6
Für das Reformationsjubiläum werden
gigantischen Budgets aufgefahren,
allein die Württembergische Landessynode hat mehr als 10 Millionen Euro
dafür freigegeben. Ist das Geld sinnvoll
angelegt?
Ob alle Kirchen mit ihren Geldern verantwortlich umgehen, weiß ich natürlich
nicht. Aber wir werden erleben, dass Gott
und die Bibel im Jahr 2017 aufgrund des
Jubiläums in vielfältiger Form präsent sein
werden. Und das halte ich für eine echte
missionarische Chance. Kulturschaffende, Neugierige, Schaulustige, Zweifler
und Spötter werden sich intensiv mit
geistlichen Fragen auseinandersetzen.
Wenn es uns gelingt, diesen Menschen in
ihrer Offenheit die Schönheit des christlichen Glaubens neu zu vermitteln, dann ist
das Geld sicher gut angelegt.
Was haben Sie selbst
von Luther gelernt?
Dass Gott den Menschen frei machen
möchte – und dass mein Heil nicht davon
abhängt, ob ich gut genug bin. Was für
eine entlastende Botschaft! Für Martin Luther war Freiheit schon früh ein Schlüsselbegriff seiner Theologie, weil er selbst die
Entdeckung der Gnade Gottes als existentielle Befreiung empfunden hatte. Und ich
bin nach wie vor zutiefst bewegt, wenn ich
bei mir oder bei anderen Leuten erlebe,
dass Glaube hilft, sich aus einengenden
Strukturen zu lösen – und dann als gelieb-
tes Geschöpf Gottes Verantwortung für
die Welt zu übernehmen.
Den Landeskirchen laufen die Mitglieder davon, mit Pfarrplan und Sparpolitik versucht man krampfhaft, den Status quo zu halten. Welche Konsequenzen aus der Reformation muss Kirche
heute ziehen, um wieder eine Kirche für
das Volk zu werden?
Na, ein „Status Quo“ ist ja an sich schon
unreformatorisch. Wir haben leider verdrängt, dass Reformation „Erneuerung“
heißt. Deshalb haben die Erben Luthers ja
schon früh gesagt „Ekklesia semper reformanda“ – die Kirche muss immer erneuert
werden. Wenn sich die Welt, die Gesellschaft, die Kommunikationsformen und
die Fragen der Menschen verändern, dann
ist jede Kirche aufgefordert zu prüfen, ob
sie den Herausforderungen der Zeit eigentlich noch gerecht wird. Für Luther war
zum Beispiel „Verständlichkeit“ eine der
wichtigsten Konsequenzen aus seiner
Theologie: Kirche muss verständlich sein.
Deshalb hat er die Bibel übersetzt, einen
deutschen Gottesdienst entwickelt, mitreißende Lieder geschrieben und in seinen Katechismen quasi die ersten Glaubenskurse entwickelt. Vor allem aber hat
er den Leuten, wie er selbst so schön sagt,
„auf’s Maul geschaut“ – nicht nur sprachlich. Er wollte wissen, was die Menschen
im Innersten bewegt. Dieses inhaltliche
und formale Zugewandt-Sein müssen wir
als Kirchen neu lernen. Zurzeit sind wir –
fürchte ich zumindest – oftmals weit von
den Leuten weg.
Was würde Luther sagen, wenn er die
Kirche heute sehen würde?
Darüber werde ich beim Forum ausführlich reden. Soviel kann ich aber schon
verraten: Martin Luther würde die alles
entscheidende Frage stellen, nämlich die
Frage danach, ob diese Kirche (noch)
„Christum treibet“. Daran hat er schon zu
seiner Zeit eigentlich alles gemessen –
sogar die Aussagen der Bibel: Es geht im-
mer darum, ob das, was in der Kirche geschieht, die heilbringende Botschaft von
Jesus Christus fördert oder hemmt. Und ich
glaube, es wird sehr spannend, wenn wir
diese Frage einfach mal an alle unsere Aktivitäten, Gottesdienstordnungen und Konzepte anlegen.
Ein zentrales Anliegen Martin Luthers
war das Priestertum aller Glaubenden
– welche Erfahrungen haben Sie ganz
praktisch damit?
Nun, wir haben es ausprobiert. Meine
Frau, mit der ich mir bis letztes Jahr eine
Pfarrstelle im Vordertaunus geteilt habe,
und ich hatten das Glück, dass wir drei Monate Studienurlaub nehmen durften. Und
wir haben ganz frech unsere Kirchenleitung
gebeten, dass die Ehrenamtlichen die Gemeinde während unserer Abwesenheit völlig ohne Unterstützung gestalten dürfen.
Wie bei Paulus: „Los geht’s! Jetzt dürft ihr’s
allein hinkriegen!“ Das war großartig. Vor
allem weil die Leute während dieser Zeit gespürt haben, wie kostbar es ist, wenn einem geistlich etwas zugetraut wird, wenn
man seinen eigenen Glauben in eine Predigt einfließen lassen darf oder wenn man
mit anderen überlegt, wie ein Gottesdienst
zu einer geistlichen Erfahrung werden
kann. Natürlich kamen auch viele Fragen
auf, aber das hat vor allem dazu geführt,
dass die Leute sich selbst kundig gemacht
haben. Als wir wiederkamen, sagte jemand
aus dem Kirchenvorstand begeistert: „Wie
gut, dass ihr weg wart!“ Nun, sie haben
sich auch gefreut, dass wir wieder da waren, aber diese Erfahrung hat die Gemeinde
auf vielfältige Weise verändert.
Das klingt spannend, ich freue mich jetzt
schon auf Ihren Beitrag beim Forum! Das
Motto des kfm-Forums am 26. Juni heißt
„Wenn nicht jetzt, wann dann?“
Herr Dr. Vogt, was ist für uns als Kirche
jetzt dran?
Ich habe den Eindruck, dass immer mehr
Leute erkennen: Wir können nicht einfach
so weitermachen. Wenn es gelingt, diese
Beobachtung in eine dynamische Erneuerungsbewegung zu verwandeln, dann kann
2017 ein echtes Aufbruch-Jahr werden.
Wir haben leider verdrängt,
dass Reformation
„Erneuerung“ heißt.
Johannes Stahl,
Mitglied des Redaktionsteams
und Referent für Partnerschaft und
Gemeinde / Basler Mission
7
© alberdesign
Ein Geschenk des Himmels
„Wenn nicht jetzt ...“
Unter diesem Motto veranstaltet das ökumenische
Netzwerk »Miteinander für Europa« am 2.7.2016 auf
dem Münchner Stachus eine internationale Kundgebung. Wie dabei Christen aus unterschiedlichen Gemeinschaften Europas Zeugnis geben vom Miteinander versöhnter Kirchen und Nationen, beschreibt Manfred Kießig.
Nicht die
Größenverhältnisse
zählen, sondern
die Charismen.
Der Weg, der zu dieser Kundgebung
führte, hat eine Vorgeschichte:
Am 31.10.1999 fand in Augsburg die feierliche Unterzeichnung der gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre
zwischen der röm.-kath. Kirche und
dem Lutherischen Weltbund statt. Anschließend begegneten sich Verantwortliche evang. Gemeinschaften mit
Vertretern neuer katholischer Bewegungen Sie machten eine tiefe Erfahrung
der Gemeinschaft und empfanden es
als »Gebot der Stunde«, verbunden zu
bleiben und einen Weg des Miteinanders einzuschlagen.
Erste Schritte der Versöhnung
Am 29. März 2000 kam es in Rothenburg o.d.T. zu einer Begegnung von über
100 evangelischen und katholischen
Verantwortlichen. Dabei bekannte ein
katholischer Ordensmann die negati-
ven Beurteilungen anderer Christen durch
die katholische Kirche, und bat stellvertretend um Vergebung. Dies löste eine
Kettenreaktion aus, so dass auch Vertreter anderer Konfessionen solche Verhaltensweisen in ihrer Kirche bekannten und
um Vergebung baten. Diese Bekenntnisse, sowie der Zuspruch der Vergebung,
haben zu einer tiefen Versöhnung untereinander geführt. Sie bilden die geistliche
Wurzel des »Miteinander für Europa«, in
dem mittlerweile über 300 Bewegungen
und Gemeinschaften aus verschiedenen
Kirchen verbunden sind.
Als Spiritual der Communität begleitete
Dr. Manfred Kießig die Entwicklung des
Miteinander für Europa.
© Pressefoto
Pater Heinrich Walter
(Schönstadt-Bewegung)
überreicht Papst
Franziskus am 3.9.2015
im Rahmen einer
Privataudienz die
Informationsbroschüre
zu den Veranstaltungen
des Netzwerks
in München 2016
8
Beim Treffen am 8.12.2001 in München
schlossen 600 Vertreter von mehr als 50
Gemeinschaften ein Bündnis der gegenseitigen Liebe. Dieses Bündnis der Liebe
zwischen großen katholischen Weltbewegungen mit zehntausenden von Mitgliedern und evangelischen Gruppen, die
meist nur lokal oder national verbreitet
sind , ermöglichte es, einander auf Augenhöhe zu begegnen: Nicht die Größenverhältnisse zählen, sondern die Charismen;
denn jede dieser Gruppen – ob kleiner
oder größer – besitzt ein Charisma und
das sollte sie auch einbringen.
Schritte hinaus in die
Öffentlichkeit
2004 trat das »Miteinander für Europa«
(MfE) mit einer internationalen Veranstaltung in Stuttgart erstmals an die europäische Öffentlichkeit. Dabei wurde der
Reichtum der unterschiedlichen Charismen, die der Heilige Geist den einzelnen
Bewegungen geschenkt hat, entdeckt.
Zugleich wurde eine tiefe Einheit empfunden. Kardinal Kasper, der Präsident des
päpstlichen Rates für die Einheit, nannte
die Veranstaltung eine »Sternstunde der
Ökumene«, und der bayerische Landesbischof , Johannes Friedrich, der CatholicaBeauftragte der VELKD, sieht darin neue
Impulse für die Ökumene: »Zum ersten
wächst hier eine ökumenische Spiritualität konfessionsüberschreitend und im europäischen Kontext heran und zweitens
die Bewegungen eröffnen eine neue ökumenische Ebene neben der institutionellen, also von Kirche zu Kirche, und der parochialen (gemeindlichen) Ebene. Dieser
spirituelle Aufbruch der geistlichen Gemeinschaften könnte der Ökumene eine
ganz neue Dynamik geben. «
In einer zweiten internationalen Veranstaltung 2007, wieder in Stuttgart, formulierten die teilnehmenden Gemeinschaften und Bewegungen eine Schlussbotschaft mit sieben JA-Worten. Sie bekundeten die Bereitschaft, mit allen sozialen
und politischen Kräften im diesem Sinne
zusammen zu arbeiten:
Sieben mal Ja zum versöhnten
und vereinten Europa
Ja zum Leben, Ja zu Ehe und Familie, Ja
zu einer fairen Wirtschaft, Ja zur Solidarität, Ja zum Frieden, Ja zur Verantwortung.
Die dritte internationale Veranstaltung
2012 bestand in einem zentralen Event in
Brüssel, also im Zentrum der Europäischen Union. Parallel hierzu gab es europaweit 152 Veranstaltungen mit eigenen
Programmen, die am Ende per Internet mit
Brüssel verbunden waren. In der Schlussbotschaft wurde vor nationalistischem
Rückzug gewarnt . Die Herausforderungen
der globalen Welt, so wurde betont, können nur in einem versöhnten Miteinander
in Europa bewältigt werden.
© Pressefoto
500 Jahre Trennung sind genug –
Einheit ist möglich!
Das Wagnis der Versöhnung in
einem veränderten Europa
Vom 30. 06 bis 02.07.2016 findet in
München der Kongress »Begegnung –
Versöhnung – Zukunft« statt, der in die
öffentliche Kundgebung am Samstag, 2.
Juli, auf dem Stachus mündet. Dieser Kongress möchte die Erfahrungen von Versöhnung, die die unterschiedlichen Gemeinschaften miteinander gemacht haben, an die Kirchen und darüber hinaus
an die Völker weitergeben. In der Einladung hierzu heißt es: »Diese Versöhnung
gehört zu den zentralen und aktuellen Erfahrungen des christlichen Glaubens und
unseres Miteinanders. Wir haben erlebt,
dass Versöhnung ein Tor zur Einheit in Verschiedenheit ist. Wer durch dieses Tor
geht, kann das Gemeinsame erfahren und
erleben, dass das Fremde und Andersartige seine trennende Kraft verliert, und der
andere uns zur Bereicherung und Ergänzung wird.« Schritte zur Versöhnung sind:
verletzende Verhaltensweisen wahrnehmen, bekennen, um Vergebung bitten und
Zuspruch von den anderen empfangen.
Das Miteinander auf der europäischen
Ebene hat seine Entsprechung in vielen
Netzwerken des Miteinanders auf der lokalen Ebene, z.B. in Stuttgart, in München, in Leipzig.
Informationen zum MfE, sowie zum Kongress und der Kundgebung finden sich
unter: www.miteinander-wie-sonst.org
v.l.: Maria Voce
(Fokolar-Bewegung),
Patriarch Bartholomäus I.,
Gerhard Proß (CVJM Esslingen)
im November 2015
auf der Insel Halki
Herausforderungen der
globalen Welt,
so wurde betont,
können nur in
einem versöhnten
Miteinander in
Europa bewältigt
werden.
Dr. Manfred Kießig, Leipzig, Pfarrer i. R.,
Tertiärbruder der Communität Christusbruderschaft
Selbitz, Mitherausgeber des Evangelischen Erwachsenenkatechismus. Dr. Manfred Kießig war sechs
Jahre lang der Spiritual der Communität Christusbruderschaft Selbitz.
9
„Wenn nicht jetzt ...“
Post für Dr. Martinus:
„Was ich Euch schon immer sagen wollte“
Gedanken aus dem Redaktionsteam.
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Weitere Infos: http
Dr. Barbara Fritz
Deine Welt damals war eine andere als heute.
Aber Grenzen, auch in den Köpfen, gab es
schon vor 500 Jahren.
Warum waren für dich die Menschen auf den
anderen Kontinenten nicht im Blick? Natürlich
konntest du dir nicht vorstellen, dass eines Tages Flugzeuge fliegen und Motoren Schiffe antreiben und wir in Europa die Welt im Haus haben.
Ich frage mich, wie du damit umgehen würdest, dass Kirche so stark den Bestand verteidigt und wenig offen ist für Neues und neue
Menschen aus anderen Kulturen.
Nochmal, Martin:
Ohne dich hätte ich es wohl nicht geschafft.
Ich bin froh, dass ich dir begegnet bin.
Gerhard Müller
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Lieber Martin
f Reformation heißt,
die Welt zu hinterfragen
f Reformation heißt,
die Vielstimmigkeit zu fördern
Lieber Herr Dr. Martinus.
f Wir wollen so viel verändern –
Ihre Worte zum Umgang mit der Heiligen Schrift
haben mich sehr ermutigt. Sie schreiben:
„Ich lese die Bibel, wie ich meinen Apfelbaum
ernte: Ich schüttle ihn, und was runterkommt
und reif ist, das nehme ich. Das andere lasse
ich noch hängen. Wenn ich eine Stelle der Bibel
nicht verstehe, ziehe ich den Hut und geh vorüber.“
„Die Heilige Schrift ist ein Kräutlein; je mehr du
es reibst, desto mehr duftet es. Wie das Wort
ist, so wird auch die Seele davon.“
warum nicht zuerst uns selbst?
Johannes Stahl
bei allem Dank für
die Reformation, di
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Lieder und die Neue
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Ich möchte damit an
fangen.
Tabea Hieber
© alberdesign
Und dann habe ich mit dir den Paulus gelesen: Ich habe begriffen, dass Glaube keine religiöse Leistung ist, kein frommes Werk, nicht mal ein „Annehmen“, sondern geschenktes
Vertrauen auf Jesus Christus.
Deine Erklärung zum dritten Artikel des Glaubensbekenntnisses habe ich regelrecht inhaliert: Nicht aus eigener Vernunft noch Kraft kann ich glauben sondern ich werde, werde,
werde vom Heiligen Geist berufen, erleuchtet, geheiligt und erhalten.
Deine Schrift „Vom unfreien Willen“ hat mich begeistert: Der Mensch als Reittier, das sich
seinen Reiter nicht aussuchen kann, ja nicht einmal Gott als Reiter will.
„Von der Freiheit eines Christenmenschen“ hat mich verstehen lassen, dass Religion und
Politik zweierlei sind (liebe Grüße an Margot K.). Dass Gesetze und Moral sich durchaus
nicht direkt aus dem Glauben ableiten lassen sondern der menschlichen Vernunft bedürfen. Dass Gutes am Nächsten als Frucht der Liebe getan wird und auch nur um des
Nächsten willen – nicht um in religiöser Eitelkeit Gott zu gefallen.
Und ach ja, die Bibel – Gottes Wort und Heilige Schrift nennst du sie, und kommst doch
nie in die Versuchung, sie als verbalinspiriertes Gesetzbuch zu lesen, sondern immer von
ihrer Mitte her, von Christus. Ich erlebe das alles als eine große Befreiung. Ich spüre es
als Gelassenheit. Ich lebe es als gepflegte Passivität, umzingelt von Aktivismus.
Und was wäre Dein Beitrag zur Weltausstellung in Wittenberg 95 Tage lang im Sommer
2017 mit ihren drei Leitfragen:
Lieber Dr. Martinus
,
10
Ohne dich hätte ich es wohl nicht geschafft, Martin. Glaube, das war für mich eine wilde
Mischung aus Jesusmystik, Weltuntergangsängsten, frommen Alltagsregeln und wörtlichem Bibelverständnis. Schwäbischer Hardcore-Pietismus eben – mit den zweifelhaften
Perspektiven Bigotterie und Therapie oder Bruch und Atheismus.
So will auch ich künftig die Bibel lesen und das
Reife für mich nehmen und was noch nicht reif
ist, lasse ich hängen. Dann werde ich an den
Worten reiben, bis ich den Duft wahrnehme.
Danke Herr Doktor für Eure bildhaften Vergleiche.
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Claudia Bieneck
Ein Mitchrist
aus dem 21. Jahrhundert
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Reinhard Wenzelmann
11
„Wenn nicht jetzt ...“
„... wann dann?“
Reformation
auf
katholisch
In der katholischen Kirche sind Veränderungen
in Gang gekommen. So
will man die Auswirkungen
des gesellschaftlichen Wandels auf die Kirche nicht mehr
nur beklagen und erleiden, sondern in
dieser Situation zum verantwortlichen Akteur werden: Kirche vor Ort mutig gestalten und wo nötig verändern. Barbara
Strifler gibt einen Einblick.
„Kirche verändert sich“
Das gehört zum Kern unseres kirchlichen Selbstverständnisses. Als „Volk Gottes“ ist Kirche mit den
Menschen unterwegs. Deren „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst (...) sind auch Freude und
Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Jesu Christi“.
So hat es das Zweite Vatikanische Konzil im Text
„Gaudium et spes“ formuliert. Eine Kirche, die um
der Menschen willen da ist, will und soll sich ständig reformieren. Sie würde ihren Auftrag missverstehen, würde sie sich als statische Größe verstehen. Leben bedeutet Veränderung. Zugleich haben
die sich verändernden Themen und Lebenssituationen der Menschen Auswirkungen auf die Kirche
und ihre Gestaltung:
Die Bereitschaft zu ehrenamtlichem Engagement ist weiterhin hoch. Es wird aber zunehmend in Projektform wahrgenommen. Das verändert kirchliches Ehrenamt.
f Der demographische Wandel zeigt sich auch
in der Zahl der Kirchenmitglieder. Das hat Auswirkungen auf jegliches kirchliches Handeln.
f Menschen suchen Kirche in unterschiedlichen
Sozialformen; Gemeinde ist lediglich eine unter
mehreren.
© Ljupco Smokovski-fotolia
f
12
f
Bestimmte Formen von Kirche werden von
bestimmten Milieus – und nahezu ausschließlich von diesen – angenommen;
manche Milieus erreichen wir als Kirche
so gut wie gar nicht.
„Kirche als Netzwerk“ ist damit eine der zentralen
Perspektiven des Entwicklungsprozesses. Kirchliche Orte vernetzen sich miteinander, aber auch
mit anderen Kirchen und gesellschaftlichen Partnern. Wenn das keine Chance für Ökumene ist?!
„Kirche verändert sich“, das ist eine Tatsachenbeschreibung, die zugleich dem theologischen
Wesen von Kirche gerecht wird. Und trotzdem:
das wahrzunehmen und damit umzugehen, stellt
Kirche vor große Herausforderungen.
Als Kirche an verschiedenen Orten können wir
für unterschiedliche Menschen Kirche sein:
f für die Notleidenden und Suchenden,
f für die Entschiedenen und Fragenden,
f für die Zweifler und die Ungeduldigen.
Erste Reaktionen
Perfekt können und müssen wir dabei nicht
sein. „Die Kirche am Ort (...) verweist auf das
Reich Gottes, das unter uns wächst, aber allein
von Gott vollendet wird“. Das entlastet von dem
Druck, alles machen zu müssen. Es eröffnet einen
wertschätzenden Blick auf das, was andere tun
und einen versöhnteren Umgang mit dem, was
nicht gelingt.
Trauer: Es ist nicht mehr wie früher. Vieles ist
so anders geworden.
Abwarten: Vielleicht wird es wieder anders, zumindest ein bisschen so wie früher, als manches
noch einfacher schien.
Verbitterung: So viele Jahre habe ich mich als
Hauptberuflicher oder Ehrenamtlicher in dieser
Kirche engagiert und das soll „jetzt plötzlich“ so
nicht mehr funktionieren?
Ratlosigkeit: Das „Alte“ trägt an vielen Stellen
nicht mehr–was trägt nun stattdessen?
All diese Verhaltensstrategien sind verständlich
und dürfen sein – zumindest eine Zeitlang. Doch
werden sie mit ziemlicher Sicherheit nicht dazu
führen, dass Kirche sich aktiv verändert. Eher erleidet sie dann passiv – als Teil des gesellschaftlichen Wandlungsprozesses – jene Veränderungen, die sie selbst nicht gestalten kann.
„Wir verändern Kirche“
In dieser Haltung hat die Diözese Rottenburg
Stuttgart bereits 2015 einen pastoralen Entwicklungsprozess in Gang gesetzt. „Dieser diözesane
Entwicklungsprozess soll in den nächsten Jahren
auf allen Ebenen dazu beitragen, dass wir mutig
Kirche gestalten und, wo nötig, auch verändern“
so hat es Bischof Gebhard Fürst formuliert. Das
Motto dieses Prozesses ist zugleich eine programmatische Ansage, wie wir mit den oben genannten Veränderungen umgehen wollen: „Kirche
am Ort – Kirche an vielen Orten gestalten“. Wir
wollen den Wandel gestalten, soweit wie möglich
selbst zu Akteuren werden und tun, was in unseren Händen liegt. Ziel ist es, Kirche so zu gestalten, dass sie ihrem Auftrag heute gerecht werden
kann. Dies geschieht in unserer Diözese an vielen
Orten: in den Kirchengemeinden, in kirchlichen
Verbänden und Einrichtungen und an anderen Orten, wo das Evangelium gelebt und bezeugt wird.
Experimentieren erwünscht
Fünf Jahre (bis zur nächsten Kirchengemeinderats- und Pastoralratswahl im Frühjahr 2020) haben die Kirchengemeinden Zeit, mithilfe eines
pastoralen Entwicklungsplanes ihre Situation vor
Ort aufmerksam, wertschätzend und ehrlich
wahrzunehmen, gemeinsam zu überlegen, welche Aufgaben mit welchen Ressourcen vor Ort
übernommen werden können und wo die Gemeinden sich mit anderen vernetzen, kooperieren oder
auf andere Orte verweisen wollen. In dieser Zeit
darf und soll auch experimentiert werden, wie Kirche am Ort aussehen könnte. Es gibt Gestaltungsräume, aber auch „katholische Grenzen“: zum
Beispiel in der Frage nach anderen Leitungsformen. Zur Veränderung gehört es auch, mit bestehenden Grenzen umzugehen.
Am Ende des pastoralen Entwicklungsprozesses steht ein Plan, der die nächsten Schritte für
die Kirche am Ort festhält.
Welche Ergebnisse, welche Ideen und Projekte
dabei herauskommen werden, ist noch offen. Sicher ist aber, dass das nicht das Ende der pastoralen Entwicklung in unserer Diözese sein wird;
denn – wie gesagt: „Kirche verändert sich“.
Barbara Strifler ist Diplomtheologin
und Dekanatsreferentin im Dekanat
Esslingen-Nürtingen
13
„Wenn nicht jetzt ...“
„... wann dann?“
Heilige Anarchie
Heilige Anarchie – so lautet der provokante Titel eines Buches von Dietrich Koller1,
eine Streitschrift gegen die Ämterherrschaft in den Kirchen und für das Charisma
der Leitung und die Chance der Laien. Karlfriedrich Schaller gibt uns einen Einblick.
Die Ökumene können wir auf vielfältige Weise fördern. Andreas Bührer hat sie erwandert. Er pilgerte zu Fuß nach Rom und sprach dort mit den päpstlichen Ökumene-Verantwortlichen.
Die Entscheidung
für Rom fiel, weil
es mir nicht nur
ums Laufen ging,
sondern um
Veränderungen
im Miteinander
der Kirchen,
Chambave-Verrès, 27, 6 km (Aostatal):
Heute vor fünf Wochen bin ich gestartet.
War ich damals ein anderer? Wusste/ahnte ich, was auf mich zukommen würde?
Ich glaube, dass ich kein anderer war. Pilgern ist zu einer Gewohnheit geworden.
(Mein Pilgertagebuch am 11. Juli 2015)
Der Weg, der mich letzten Sommer von
Freiberg nach Rom führte, begann schon
vor acht Jahren mit Ulrich Hagenmeyers
großartigem Bildband über seinen Fußmarsch von Ostfildern nach Santiago de
Compostela. Damals war mir klar: Das will
ich auch. Von zuhause loslaufen, aufbrechen, ein fernes Ziel vor Augen. Nur welches? Die Entscheidung für Rom fiel, weil
es mir nicht nur ums Laufen ging, sondern
um Veränderungen im Miteinander der
Kirchen, um den Leitspruch der Reformatoren: ecclesia semper reformanda est.
Wie können Abendmahl/Eucharistie ohne
einander gefeiert werden, wenn Christus
selbst unter den Vorzeichen von Verleugnung und Verrat den ganzen Zwölferkreis
eingeladen hatte? Diese Frage war die
Mission meines Weges.
Pilgern selbst ist im Grunde nicht
schwer,
die Vorbereitungen schon. Ich bin
Andreas Bührer, 51,
verheiratet, vier Kin- verheiratet, habe vier erwachsene Kinder,
der, Seit 2004 Ge- arbeite als Gemeindepfarrer. Zum Glück
meindepfarrer in Frei- bekam ich ganz viel Unterstützung von alberg am Neckar.
Meinen ersten offizi- len Seiten. Bei einem Feierabendmahl zum
ellen Gottesdienst Kirchentag (mit aktiver katholischer Beteihielt ich in einer ka- ligung) wurde ich ausgesandt. Die erste
tholischen Kirche. Woche brachte zwar allerhand Plagen wie
Seither – und vielleicht auch schon vor- Hitze, Regen, Blasen, Fußschmerzen, aber
her – trage ich ein auch viele Freuden: Gute Gespräche in
Ökumene-Gen in mir. Rottenburg, wunderbare Gastgeber, die
14
mich hegten und pflegten, glückliches Alleinsein. Schon vom ersten Tag an empfand ich das Unterwegssein wie ein unerwartetes Geschenk. Endlich raus aus dem
Kreisen um die üblichen Dinge: was ist der
nächste Termin, wie bewältige ich die lästige Sitzung, überhaupt den Alltag als
Funktionär des religiösen Lebens (sind wir
das nicht viel zu oft?). Nun endlich ein klares Ziel, eine Strecke. Nach zwei Wochen
erstes Fazit: Es geht fast wie von alleine.
Die Strecke bis zum Bodensee hatte ich
selbst geplant, anschließend wanderte
ich auf dem Jakobsweg fast bis nach Lausanne und bog kurz zuvor auf die Via Francigena ab. Beschwerlich war natürlich die
Hitze, die mich von Ende Juni an bis zum
vorletzten Tag nicht mehr verließ. Nicht
selten war ich um 5.30 Uhr auf der Strecke, um spätestens zur Mittagszeit am Tagesziel zu sein.
In Rom hatte ich ein ausführliches Gespräch mit Monsignore Jusma Gomez und
Kardinalssekretär Brian Farrell vom Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der
Christen. Beide verwiesen darauf, dass
der Prozess zur Einheit der Kirchen, der
vor 50 Jahren begonnen habe, Schritt für
Schritt fortgesetzt werden müsse. Eine
sehr erfreuliche Sache sei das Reformationsjubliäum 2017, weil es das erste in der
Geschichte ohne die übliche Polemik sein
wird.
„Strategisch evangelisch“ heißt aus
dieser Perspektive: mit dem Rebellentum
der Basis rechnen und leben lernen“, so
führt Christoph Dinkel im Pfarrerblatt2
aus . Nur schade, dass die Gemeinden oft
ein Schiff sind, in dem die Gemeinde
schläft, oder sich nicht traut. Und weiter
schade, dass die wenigen „Rebellen“ –
wie Dietrich Koller – erst nach ihrer Pensionierung schmerzhaft – wütend – zärtlich
ihre Liebe zur Gemeinde in solch einem
„Streit-, Trost- und Sachbuch“ niederlegen.
piteln will er allen engagierten Haupt-, Neben- und Ehrenamtlichen Denkanstöße
geben, keine Rezepte. Die Anarchie der
Liebe – zwischen dem Chaos der Machtsucht und der totalen Verwaltung der Ordnung – soll erfahrbar werden. Wo sind bei
uns die mutigen Gemeinden mitsamt ihren mutigen Leitern, die Hierarchie und
Ordnungen ihren gebührenden hinteren
Platz zuweisen und der befreienden Botschaft Vorrang geben. Und das vor Erlassen, unverständlichen Traditionen und
bequemen Amtsstrukturen?
„Die hierarchische
Gestaltung der
Kirche widerspricht dem
reformatorischen
Bekenntnis.
Koller zeigt kurzweilig und sachkundig
auf, wie alles ursprünglich gedacht war,
das mit den gabenorientierten paulinischen Gemeinden und mit der Leitung, die
auf den Heiligen Geist hört. Da genügt
kein Hinweis auf den vielgefeierten Luther: „Dass eine christliche Versammlung
oder Gemeinde Recht und Macht habe,
alle Lehre zu beurteilen und Lehrer zu berufen, ein- und abzusetzen, Grund und Ursach aus der Schrift“3
Selbst der Verweis auf unsere Bekenntnisschriften vermag das Herrschaftssystem der kirchlichen Obrigkeit nicht zu verunsichern. „Die hierarchische Gestaltung
der Kirche widerspricht dem reformatorischen Bekenntnis. Ihre echte kirchliche
Einheit kann die Deutsche Evangelische
Kirche nur auf dem Weg gewinnen, dass
sie der Gemeinde als Trägerin der Wortverkündigung den ihr gebührenden Platz
lässt.“4
Was muss noch alles geschehen, bis
das „allgemeine Priestertum aller Glaubenden“ auch in den kirchlichen Strukturen wirksam wird? Dietrich Koller spricht
von „Amtsenthebung“ als Amtsentlastung. In 17 erfrischend geschriebenen Ka-
1 Claudius Verlag, 1999
2 Pfarrerblatt Heft 2, 2016 S.71
3 M. Luther, 1523 Brief Luthers an die
Stadt Leisnig WA 11, 408 – 416
4 Barmer Synode 1934
© fotolia (2)
Erwanderte Ökumene
„Rebellentum gehört wesentlich zur Religion, solange seine religiöse Tradition
wirklich lebendig ist“ (Chr. Dinkel s.o.) Wir
müssen ja nicht gleich rebellieren, aber
hat da nicht einer mal protestiert gegen
die obrigkeitliche Bevormundung?
Was muss noch
alles geschehen,
bis das „allgemeine
Priestertum aller
Glaubenden“
Karlfriedrich Schaller,
amtsbefreiter Pfercher (Ursprungswort für "Pfarrer"),
der die Deformation der Reformation
bedauert! Und das Fest obendrein!
auch in den kirchlichen Strukturen
wirksam wird?
15
„Wenn nicht jetzt ...“
Luthers Tischreden im 21. Jahrhundert
Das Frauenmahl ist eine neuzeitliche Entwicklung mit einem Blick von Frauen auf
Kirche, Gesellschaft, Wirtschaft und Politik. Dieser feministische Blickwinkel, so
findet Diakonin Carmen Lauble, steht dieser Kirche gut zu Gesicht.
Das Konzept der
Frauenmahle
orientiert sich
an Luthers Tischreden, der zu
seiner Zeit
regelmäßig Personen – besser
gesagt Männer –
des öffentlichen
Lebens zum
Gedankenaustausch einlud.
16
Entstanden ist das erste Frauenmahl in
einer Marburger Weinstube bei einem Glas
Wein. Drei Professorinnen der Universität
Marburg, Ulrike Rau-Wagner, Claudia Janssen und Christl Maier, waren angefragt
worden, für einen frauenspezifischen Beitrag für das Jahrestag der Marburger Religionsgespräche zum Abendmahlsverständnis. Nach zögerlichem Anfang entwickelte sich ein reger Gedankenaustausch
zwischen ihnen über das Abendmahlsverständnis bei Luther und wie wir heute das
Abendmahl verstehen. Aber auch, welche
Fragen Frauen in Kirche und Gesellschaft
in der Gegenwart beschäftigen und bewegen. Daraus entwickelte sich eine Idee, gedacht für die eine Veranstaltung in Marburg im Oktober 2011.
Was daraus wurde, welchen Erfolg
schon das erste Frauenmahl feierte, damit
hatten die drei Theologinnen überhaupt
nicht gerechnet. Das Konzept der Frauenmahle orientiert sich an Luthers Tischreden, der zu seiner Zeit regelmäßig Personen – besser gesagt Männer – des öffentlichen Lebens zum Gedankenaustausch
einlud.
Rasch wurde das Konzept ein Selbstläufer in vielen Landeskirchen. In Kirchenbezirken und Dekanaten wird das Frauenmahl inzwischen in regelmäßigen Abständen, je nach haupt- und ehrenamtlichem
Engagement, angeboten. Das Format der
Frauenmahle greift die lutherische Tradition auf und passt diese an die heutigen Gegebenheiten an.
Engagierte Frauen in den Kirchenbezirken bilden einen Vorbereitungskreis, in
dem in viel Kleinarbeit das Frauenmahl geplant, organisiert und letztlich dann umgesetzt wird. Die oft sehr ansprechend gestalteten Einladungen für das Frauenmahl
werden dann über die Bezirksfrauenarbeit
in den Kirchengemeinden verteilt.
Frauen veranstalten einen festlichen
Abend für Frauen zu einem aktuellen Thema dieser Zeit. Das wird bereits in der Einladung deutlich, aber auch dass es sich
um einen festlichen Abend mit einem
mehrgängigen Menü handelt. Aus den Einladungen geht das Thema hervor und
meist ist erwähnt, wer die Impuls-oder
Hauptrednerin ist, aber auch welche Tischrednerinnen den Abend mitgestalten.
Passend zum Thema werden die Tischrednerinnen aus den unterschiedlichen
Bereichen des Lebens angefragt. Und so
kommen neben Theologinnen auch Frauen aus ganz unterschiedlichen Arbeitsfeldern zu Wort. Leitende Mitarbeiterinnen
in einem Unternehmen genauso wie Frauen, die in prekären Arbeitsverhältnissen
beschäftigt sind. Frauen, die in ihren Berufen sich für das Thema des Abends einsetzen und ebenso Frauen, die sich ehrenamtlich zum Thema engagieren. Darüber hinaus auch Frauen, die sich auf
künstlerische oder kreative Art und Weise
mit dem Thema auseinander setzen. Diese Tischrednerinnen haben meist eine
begrenzte Zeit um mit ihrem Blick das
Thema zu beleuchten. Sie sind die thema-
tischen Unterbrecherinnen zwischen den
einzelnen Gängen des Menüs.
Die Räumlichkeiten und auch die Tische
werden für das Frauenmahl festlich geschmückt. Bereits am Eingang erhalten
die Frauen einen Willkommensdrink und
werden an ihren Platz am Tisch geleitet.
Frauen unterschiedlichen Alters und
verschiedener sozialer Schichten sitzen
miteinander am Tisch und genießen das
gute Essen. Häufig gibt es nach der Begrüßung und einer kurzen Einführung
zum Ablauf des Frauenmahls einen musikalischen Auftakt. Oft wird er von Frauen
aus dem Kirchenbezirk gestaltet – als reines Hörerlebnis oder auch als MitmachAktion – instrumental oder mit Liedern. Je
nach Gegebenheiten der Vorbereitungsgruppe bilden musikalische oder andere
künstlerische Darbietungen (Jonglage,
Gedichte usw.) einen Übergang vom Essen zum inhaltlichen Input. So bleibt der
Tischrednerin noch ein wenig Zeit, den
Gang zu beenden bevor Sie sich mit ihrem
Impuls an die Frauen wendet.
Vor dem ersten Gang erfolgt meist das
Impulsreferat und stimmt die Frauen auf
das Thema ein. Meist finden sich auf den
Tischen kleine Zettel mit Fragen, die die
Kommunikation zwischen den Frauen erleichtern sollen. Denn dieser Austausch
untereinander ist ein ganz wesentliches
Element der Frauenmahle: Mit anderen
Frauen in ein Gespräch zu kommen, die
sonst vielleicht nicht die Gesprächspartnerinnen wären. Dann folgt der erst Gang
und auf diesen folgt die erste Tischrednerin. Wie viele Tischrednerinnen bzw. wie
viele Gänge das Menü hat, wird von der
Vorbereitungsgruppe festgelegt. Wichtig
ist, dass genügend Zeit zwischen den ein-
zelnen Gängen und
den Tischrednerinnen für die Gespräche bleibt.
Als Teilnehmerin empfand
ich die Atmosphäre an den Tischen als sehr offen und gesprächsbereit. Es war durchaus aus möglich, einzelne
Tischreden kontroverser zu
diskutieren und mit verschiedenen Meinungen und Haltungen am jeweiligen
Tisch miteinander das Essen zu genießen.
Das ist das Besondere an diesem Format,
Frau weiß ja nicht unbedingt mit wem sie
am Tisch sitzen wird, wer Gesprächspartnerin ist. Und dann kann es durchaus sein,
dass sich Frauen gegenüber sitzen, die im
normalen Leben, sich überhaupt nicht begegnen würden. Da können auf einmal Klischees und Vorurteile beseitigt werden
und Frau entdeckt Gemeinsamkeiten, die
so sonst nicht zu Tage gekommen wären.
Am Ende des Abends ist immer wieder
der Tenor, dass das Essen sehr lecker war,
die Impulse zum Weiterdenken anregen
und die Zeit wie im Flug vergangen ist.
Und jedes Frauenmahl ist anders, weil
das Thema ein anderes ist und weil andere Frauen anwesend sein werden.
Carmen Lauble, Diakonin und Sozialpädagogin in Remshalden, ist vor 6 Jahren
zu einem Frauenmahl nach Göppingen
eingeladen worden. Es hat sie damals
sehr berührt und beeindruckt. Derzeit bereitet sie erneut im Dekanat Schorndorf
das Frauenmahl mit vor.
Carmen Lauble
(Diakonin und
Sozialpädagogin)
17
kfm intern
„Mit 15 hat man noch Träume“
Mitgliederversammlung 2016
Träume von „Mixed Economy“, von zitronenfrischen theologischen Impulsen für die Landeskirche und dem FeierAbendmahl-Essen, das Sakrament und ungezwungene
Tischgemeinschaft verbindet. Am 09.April 2016 fand in Leonberg die jährliche Mitgliederversammlung von Kirche für
morgen statt. Inzwischen fünfzehn Jahre alt geworden. Dabei wurde deutlich, dass einige Träume und Visionen von
Kirche für morgen schon Realität geworden sind.
Als Referent war Kirchenrat Dr. Frank Zeeb eingeladen. Im
Gespräch mit ihm zum Thema „Mixed Economy – zwischen
Parochie und neuen Gemeindeformen“ wurde zwar deutlich, dass die Mitglieder inhaltlich seinen Ausführungen zustimmten, sich aber bei der Frage nach Visionen und konkreter Unterstützung für neue Aufbrüche jedoch mehr Engagement und Mut von Seiten der Kirchenleitung wünschen. Dabei gilt es, die „Neuen Aufbrüche“ in der
Kirchenordnung angemessen zu berücksichtigen, indem
sie strukturell, finanziell und auch personell gestützt, gestärkt und gefördert werden.
© Stift Urach
Ausblick Einkehrtage
Nicht nur die Reformatoren gewannen
wertvolle und wichtige Erkenntnisse durch
ihr intensives Hören. Auch wir wollen uns
immer wieder neu auf Gott ausrichten und
fragen, was er uns zu sagen hat. Auch in
diesem Jahr möchten wir das wieder gemeinsam tun:
Herzliche Einladung zu unseren Einkehrtagen! Sie finden von
11.-13.November 2016 im Stift Urach statt. Neben Annedore
Beck und Martin Schmid freuen wir uns auf Pfarrer Detlef Häusler (Geistliche Begleitung für die Mitarbeitenden der Evangelischen Landeskirche in Württemberg), der das Wochenende
mitgestalten wird.
Es steht unter dem Thema: „Und vergiss nicht… Gottes Wirken
im eigenen Leben und in unserer Gemeinschaft entdecken. Der
Spur der Berufung folgen“.
Weitere Infos unter www.kirchefuermorgen.de
Simone Heimann , 2. Vorsitzende von Kirche für morgen
„Als Luther von
Kirschbaum fiel und in der
Gegenwart landete“
Albrecht Gralle
Brendow Verlag 2015, € 14,95
Leitungskreiswahlen
Folgende Personen aus dem Leitungskreis wurden in ihrem Amt bestätigt und
wiedergewählt:
Hannes Ackermann, Birgit Auer, Marion
Blessing, Markus Brenner, Reinhard
Wenzelmann (fehlt auf dem Bild) und
Bernd Wetzel. Zum Leitungskreis gehört
auch der vierköpfige Vorstand, der im
kommenden Jahr wieder zur Wahl steht.
„Wir sind so frei“ – Thesen zum Reformationsjubiläum
In unserem neuen Positionspapier: „Wir sind so frei – neun reformatorische Thesen“ stellen
wir uns und unserer Kirche die
Frage, ob wir 500 Jahre nach der
Reformation eigentlich schon
richtig evangelisch sind?
Die Reformatoren setzten sich mit
ihrer Kirche und deren Bräuche
auseinander. Sie bewerteten, was
sie dabei schätzten und was zu
kritisieren sei. Durch ein neues
18
und intensives Hören auf die Heilige Schrift gewannen sie ihre reformatorischen Grundeinsichten.
Als Kirche für morgen fragen wir
nun nach, was aus diesen reformatorischen Grundeinsichten geworden ist. Prägen sie unsere Kirche? Sind wir 500 Jahre nach der
Reformation wirklich schon evangelisch?
In neun Thesen blicken wir zitronenfrisch und -frech auf die heu-
tige Praxis in unserer Kirche. Wir
stellen dabei heraus, was wir
schätzen und achten, und was wir
kritisch sehen oder Veränderungen fordern und fördern.
Sie finden das Thesenpapier als
Beilage zu diesem Zitronenfalter.
Wir freuen uns, wenn Sie es
durcharbeiten und diskutieren.
Weitere Exemplare gibt es bei der
Geschäftsstelle, ebenso ist es auf
unserer Homepage zu finden.
Martin Luther muss für seine Käthe
Kirschen ernten, sie drängelt und
quengelt, so wie wir uns Käthe halt
vorstellen. Luther steigt auf den
Baum – und ein Blitzschlag versetzt ihn ins Lutherjubiläumsjahr
2017 in die Nähe von Wittenberg.
Er trifft einen pensionierten Pfarrer, der seinen Glauben verloren
hat und sich auf einen gottlosen
Ruhestand freut. Er und eine junge
Frau nehmen sich des Reformators
an und helfen ihm, sich in der unbekannten Welt zurechtzufinden.
So erlebt Luther seine erste Zugfahrt, er staunt über die Kutschen
ohne Pferde und die vielen Bücher,
die überall zu finden sind. Natürlich gerät er in einen evangelischen
Gottesdienst und staunt, dass er
im Gesangbuch seine Lieder findet. Aber ein predigendes „Weib“
findet er dann doch gewöhnungsbedürftig!
Im Hauskreis trifft er auf Wiedertäufer und muss sich doch sehr
wundern. Genauso wie über den
netten Franz, mit dem er sich im
Wirtshaus in Latein unterhält. Sollte er tatsächlich mit dem Papst
sein Bier getrunken haben?
Noch manche Wendung regt zum
Nachdenken an, und der Schluss
sei nicht verraten!
Das Buch ist flüssig geschrieben
und leicht zu lesen, man mag es
gar nicht mehr aus der Hand legen.
Die Leser lernen Martin Luther als
staunenden Zeitreisenden kennen
– und sehen die Kirche und unsere
Gesellschaft mit seinen Augen. Mir
hat es manches Aha-Erlebnis hervorgerufen und mich schmunzeln
aufs Lutherjahr eingestimmt.
Claudia Bieneck
Das bietet 3E:
• theologisch fundierte Grundsatzartikel
• Menschen mit Ecken und Kanten
• bewährte Modelle aus anderen Kirchengemeinden
• Einsichten in alle Bereiche volkskirchlicher Arbeit
in Gemeinden und Gemeinschaften
So macht Gemeinde Spaß. 3E
ist eine inspirierende Mischung aus
Grundfragen, Anregungen und Umsetzungen, gut gestaltet und pfiffig
aufgemacht. Ich wünsche mir viele
Engagierte, die 3E entdecken und viele Gemeinden, die es ihren
Mitarbeitenden schenken.
Hans-Hermann Pompe, Leiter
EKD-Zentrum für Mission in der
Region Dortmund
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bis 22.06.2016 !!!
Bitte beachten:
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und Anmeldung unter
www.kirchefuermorgen.de
Last-Minute-Anmeldungen
sind nur bis 22.06.2016
möglich! Die Teilnehmerzahl
für das Forum ist begrenzt!
Der Besuch des Konzerts
von Duo Camillo ist auch
ohne Forum-Teilnahme
möglich, es gibt keine
Teilnahmebegrenzung.
Karten für das Kabarett
sind an der Abendkasse
erhältlich.
10:30 Uhr Ankommen & Anmeldung
11:00 Uhr Beginn des Forum
„Wozu uns Luther heute inspirieren will”
Impulsreferat von Dr. Fabian Vogt
Wie zu Luthers Zeiten:
Tischreden zur Zukunft der Kirche, mehrgängiges Menü,
Gespräche an den Tischen und im Plenum
Gäste mit frischen Thesen zur Kirche:
Dieter Pirk, Dipl.-Betriebswirt/Personalentwickler
Dr. Christiane Kohler-Weiß, Pfarrerin, Beauftragte
Reformationsjubiläum der Evang. Landeskirche
Tobi Wörner, Berufsmusiker/Produzent,
Gemeindeleitung Jesustreff Stuttgart
Angela Krieg, Sozialarbeiterin
Kinderprogramm
14:45 Uhr große Pause
Kaffee und Kuchen
Live-Musik, Infostände und weitere Angebote
Passend zum großen Reformationsjubiläum 2017 wird es
höchste Zeit, dem wilden Revoluzzer Martin unterhaltsam auf
den Zahn zu fühlen. Duo Camillo macht sich auf eine abenteuerlich-komische Suche.
Und weil „Reformation“ Erneuerung heißt, kommen in diesem musikalisch-frechen Programm natürlich auch die wesentlichen Herausforderungen
unserer Zeit nicht zu kurz:
Frauen und Männer, Griechen
und Syrer, überfüllte SpamOrdner, Schwiegermütter,
Obergrenzen für Kalauer, sowie
die ewige Frage nach dem Sinn
des Ganzen. Genießen Sie es!
16:00 bis 17:30 Uhr Kabarett
mit Duo Camillo „Luther bei die Fische“
www.kirchefuermorgen.de