Weitere Informationen zum Audi 100 5E
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Weitere Informationen zum Audi 100 5E
ZeitHaus Automobile Klassiker Audi 100 5E – erster Otto-Pkw mit fünf Töpfen 1976-1982 A utomobile Meilensteine sind das Thema des ZeitHauses in der Autostadt – dies ungeachtet ihrer Herkunft. ZeitHaus-Philosophie ist es, Trendsetter zu präsentieren: Automobile, die Maßstäbe definierten und anderen Herstellern als Vorbild dienten, sei es in der Produktionsweise, in Sachen Marketing, konzeptionell, im Design oder technologisch. Der Audi 100 5E gehört zweifellos zu diesem elitären Kreis. Er bewies vor 35 Jahren, dass ViertaktOttomotoren auch mit ungerader Zylinderzahl Maßstäbe setzen – in der Leistung, in der Laufkultur und wenig später auch im Motorsport: Die Rallye-Ikone Audi quattro wurde von einer leistungsgesteigerten Variante des Ingolstädter Fünfzylinders befeuert. „Fast 101 Entwicklungsjahre hat der Ottomotor hinter sich, wenn Anfang 1977 erstmals die Serienproduktion dieses ReihenFünfzylinders beginnt“ – so kündigte das Fachblatt „auto motor und sport“ (ams) im September 1976 eine neue Ingolstädter Technik-Innovation an, um erstaunt nachzusetzen: „Bei Audi feiert dann eine für unmöglich gehaltene Maschine Premiere.“ Tatsächlich hatten die Motoren-Konstrukteure bei Personenwagen bislang überwiegend paarweise Zylinder-Konfigurationen favorisiert – sofern es sich nicht um Eintopf-Triebwerke oder Zweitakter handelte. Im Lkw war der Fünfzylinder indessen bereits vor dem AudiDebüt realisiert worden. So hatte Lancia, Ungewöhnlichem in jenen Jahren nie abgeneigt, im Lkw-Typ 3 Ro ab 1938 Fünfzylinder-Diesel mit 6,9 Liter Hubraum verbaut, ab 1941 im Typ 3 Ro P auch Otto-Fünfzylinder des selben Hubraums. Auch die französischen Lkw-Bauer Unic und Berliet verwendeten in den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts FünfzylinderMotoren. Einen solchen Berliet-Fünfzylinder lernte Porsche-Chefentwickler Ferdinand Piëch damals im Zuge eines Porsche-Fremdauftrages kennen und schätzen – mit Folgen. Nachdem sich Piëch 1972 aus der Porsche KG zurückgezogen und ein eigenes Konstruktionsbüro gegrün- det hatte, war MercedesEntwicklungsvorstand Scherenberg unter Hans seinen ersten Auftraggebern. Wie Piëch hielt auch Scherenberg fünf Zylinder im Pkw für machbar – das Ergebnis der Gesinnungsgenossen feierte im Juli 1974 Premiere: der Mercedes 240 D 3.0 mit 80 PS starkem Fünfzylinder-Diesel. Ende 1972 wechselte Ferdinand Porsches Enkel zu Audi nach Ingolstadt, dort zunächst zuständig für Sonderaufgaben der technischen Entwicklung. Die Fünfzylinder-Idee hatte er im Gepäck – und sie zündete auch bei Audi unter erschwerten Bedingungen. In Bayern sollte nämlich ein Fünfzylinder-Ottomotor Gestalt annehmen. Dieser dreht deutlich höher als ein Dieselmotor. Und diese größere Drehfreude lässt die typischen Fünfzylinder-Nachteile – freie Massenmomente zweiter Ordnung und Drehschwingungen der Kurbelwelle – viel deutlicher spürbar werden. Mit Gegengewichten und einem Schwingungsdämpfer an der Kurbelwelle ließen sich die Probleme jedoch auch bei Audi in den Griff bekommen – nicht vermeiden ließ sich indessen der sehr kernige, typische Fünfzylinder-Motorsound. Doch der sollte sich bei Audi-Kunden zum durchaus positiven Produktmerkmal profilieren. Sein Debüt gab der AudiFünfzylinder 1976 mit mechanischer Bosch-Einspritzung (K-Jetronic) in der zweiten Audi 100-Generation, um 1977 als Typ 100 5E in Serienproduktion zu gehen. Der erste OttoFünfzylinder für den PkwEinsatz war zugleich ein Paradebeispiel für ökonomisches Gleichteile-Den- ken. So handelt es sich beim Audi-Fünfzylinder um den auch im Volkswagen Golf und Audi 80 verwendeten 1,6-Liter-Vierzylinder mit angehängter fünfter Zylindereinheit. Wie beim Vierzylinder beträgt die Zylinderbohrung 79,5 Millimeter, Zylinderabstände und Abstände der Kurbelwellenlager stimmen überein. Der Kolben-Hub unterscheidet sich allerdings mit 86,4 Millimetern (statt 80 mm) vom Vierzylinder-Pendant, woraus ein Hubraum von 2.144 Kubikzentimetern resultiert. Runde 100 Kilowatt, gleich 136 PS, leistet der Ur-Fünfzylinder aus Ingolstadt, was bescheiden anmuten mag im Jahr 2011, da das Leistungsspektrum des aktuellen 100-Nachfolgers A6 bei 177 PS beginnt. Doch die bloße Nennleistung ist nur die halbe Wahrheit, wenn es um Temperament geht: Mit gerade mal 1.250 Kilogramm Leergewicht geriet die stattliche, 4,7 Meter lange und knapp 1,8 Meter breite Limousine nämlich erstaunlich leichtfüßig. Konkurrenten wie etwa der Mercedes 250 brachten fast 200 Kilogramm mehr auf die Waage. Kein Wunder also, dass beim Gasgeben im 5E Laune aufkommt: Mit aggressivem, unverwechselbar fünfzylindrigem Knurren reißt es den Viertürer aus den Startblöcken, um schon 9,5 Sekunden später (Messwert „auto motor und sport“) mit 100 km/h dahin zu gleiten. Auch im oberen Geschwindigkeitsbereich kann der über 30 Jahre alte Audi den meisten Mittelklassewagen des 21. Jahrhunderts Paroli bieten: 193,5 km/h Höchst- geschwindigkeit, wiederum von dem Stuttgarter Fachblatt in Ausgabe 25/1976 dokumentiert, zählten damals zur Klassenspitze und sind auch heute noch ein respektabler Wert. Erstaunlich zudem der gebotene Komfort im Audi 100, und zwar sowohl was die langhubige, aber gut gedämpfte Federung anbelangt, als auch das Innengeräusch- niveau. So verglichen die „ams“-Tester die Geräuschkulisse des 100 5E mit der etablierten Sechszylin- der-Konkurrenz, BMW 525, Mercedes 250 und Volvo 264: Ob bei 100 km/h, bei 140 km/h oder gar bei 160 km/h – der Audi gerierte sich in allen Geschwindigkeitsbereichen deutlich leiser. Überlegen war der Audi 100 seiner 70er Jahre-Konkurrenz zudem in den Innenraum-Maßen, im KofferraumVolumen – und nicht zuletzt im Treibstoffkonsum. Mag ein 5E-Testverbrauch von 13,9 Liter Super aus heutiger Sicht auch maßlos erscheinen, so rückt ein Vergleich die damaligen Verhältnisse zurecht: Ein zwar mit 150 PS stärkerer, aber weniger flinker BMW 525 benötigte im „auto motor und sport“-Test alle 100 Kilometer 15,9 Liter Super, der mit 129 PS schwächere und deutlich temperamentlosere Mercedes 250 genehmigte sich gar 16,5 Liter Super. Kein Wunder, dass Fritz Reuter, damals „ams“-Chefredakteur und 1976 mit dem ersten 100 5E-Test befasst, zu einem eindeutigen Fazit gelangte: „Keine Frage:“, so der Fachmann vor 35 Jahren über den heute im ZeitHaus der Autostadt präsentierten Meilenstein der MotorenTechnologie, „Die fünfte Dimension hat Zukunft.“ Hersteller: Audi NSU Auto Union AG / Baujahr 1979 Meilenstein Audi 100 5E W arum Meilenstein? Den Ruhm, Fünfzylinder-Motoren im Personenwagen als Erste realisiert zu haben, teilen sich Mercedes-Benz und Audi: Die Stuttgarter lancierten 1974 im Typ 240 D 3.0 den ersten Fünfzylinder-Diesel, die Ingolstädter knapp drei Jahre danach im 100 5E den ersten Otto-Fünfzylinder. W ann entstanden? Die zweite Audi-100-Generation wurde im August 1976 vorgestellt, der 100 5E ging im April 1977 in Serienproduktion. Die Ablösung der Reihe erfolgte 1982 durch die 100-Generation mit der Kennziffer C3. W ie erfolgreich? Audi fertigte (überwiegend in den früheren NSU-Werken in Neckarsulm) knapp 800.000 Exemplare seiner zweiten 100-Generation und festigte damit die Position der Marke in der gehobenen Mittelklasse. W elche W irkung? Bei Audi-Konkurrenten vermochte sich der Fünfzylinder zwar nicht durchzusetzen, bei Audi spielte er jedoch seit den späten 70er Jahren bis ins 21. Jahrhundert wichtige Rollen – zuletzt in den Hochleistungsmodellen S2, RS2, S6 und TT RS. W elche Daten? Reihen-Fünfzylinder, 2.144 ccm, 100 kW/136 PS, vorn Einzelradaufhängung mit McPherson- Federbeinen, hinten Torsions- kurbelachse mit Schraubenfedern; Höchstgeschwindigkeit (nach Werksangabe): 188 km/h; damaliger Neupreis: 19.350 DM. W eitere Informationen finden Sie unter www.autostadt.de oder erhalten Sie direkt beim ZeitHaus-Team unter [email protected] Fotonachweis: Autostadt, bei einigen der abgebildeten Motive handelt es sich um zeitgenössische Dokumente