B eren B erg n 13
Transcription
B eren B erg n 13
Berenberg DAS M agazin für Wirtschaft, Gesellschaft & Lebensart N 13 o 1 2 3 Ed D iI t To Or R iI a Al L Z Wei H erZen. H öCHSte P räZiSion. Foto: Foto: Berenberg Berenberg Bank Bank RAUM | ZEIT Dr. Hans-Walter Peters, Sprecher der persönlich haftenden Gesellschafter der Berenberg Bank Liebe Kunden, verehrte Freunde unseres Hauses, Duomètre à Quantième Lunaire. Kaliber Jaeger-LeCoultre 381. Das “Dual-Wing”-Konzept ist eine wahre uhrmacherische revolution, die zwei unabhängige räderwerke beherbergt, welche über ein einziges regulierorgan synchronisiert werden. Die patentierte blitzende Sekunde ermöglicht Zeitmessungen auf die 1/6 Sekunde genau. HaBen Sie JemaLS eine riCHtiGe uHr GetraGen? Transparenz, Geradlinigkeit und unabhängige Beratung – das können Sie von uns als inhabergeführte Privatbank erwarten. Ich habe kürzlich in einem Interview etwas scherzhaft gesagt: „Berenberg ist eigentlich ein Beratungshaus.“ Dieses Selbstverständnis bildet bei uns die Klammer um unser Tun und Handeln. Wir wollen Tag für Tag intelligente Lösungen für die Bedürfnisse finden. unserer Kunden finden. Wir haben daher unser volkswirtschaftliches Know-how deutlich ausgebaut und verfügen siebenköpfigesTeam Teamsehr sehrrenommierter renommierterVolkswirte, Volkswirte,die dieininKundengesprächen, Kundengesprächen, mittlerweile über ein zehnköpfiges Studien und Interviews unsere Sicht auf das makroökonomische Umfeld wiedergeben. Wir verfügen über 70 Aktienanalysten in London, die europaweit fast 500 Unternehmen beobachten und analysieren – das ist mehr als so manche Großbank heute an Researchkapazität vorhält. Wir untersuchen uns interessant erscheinende Gebiete, um unseren Kunden eine fundierte Meinung bieten zu können. So haben wir gerade mit dem HWWI zusammen eine Studie zum Thema Sachwerte erstellt. Zu Kunst und Oldtimern halten wir eigene Spezialisten in unserer Tochter Tochtergesellschaft Berenberg Art Advice vor, bei Investments in Wald, Ackerland oder Diamanten steht Ihnen die Berenberg Private Capital zur Seite, bei Immobilieninvestments das Berenberg Real Estate Office und bei besonders komplexen Fragestellungen insbesondere um Unternehmervermögen das Office Office. Berenberg Office. All diese Spezialisten, dazu unsere Berater im Private Banking, im Investment Banking, im Asset Management und im Corporate Banking, stehen Ihnen jeden Tag zur Verfügung. Wir sehen uns hier ganz in der Tradition der Privatbankiers. Und das ist es – davon bin ich fest überzeugt –, was von den Banken künftig wieder gefragt ist: die Beratung ihrer Kunden und nicht das Kreieren von Finanz Finanzprodukten, die niemand versteht. Dazu haben wir unser Team in den letzten Jahren immer wieder mit Spezialisten verstärkt und werden auch künftig unser Know-how ausbauen. Viel Vergnügen bei der Lektüre von BERENBERG N° 13! N° 13! Ihre UHREN SCHMUCK JUWELEN 4 Berlin Düsseldorf Frankfurt Hamburg München Nürnberg | Basel Bern Davos Genève Interlaken Lausanne Locarno Lugano Luzern St. Gallen St. Moritz Zermatt Zürich | Wien | bucherer.com 5 Inhalt I n h a lt boom ohnegleichen: Seit den Tagen der kaiserlichen Wohltäterin und Heiligen Kunigunde wurde niemals so viel gestiftet. Stiftungen sind so etwas wie das ethische Rück- Was hat die FDP in dieser grat der bürgerlichen Gesellschaft, Legislaturperiode zustande vertrauensbildende Maßnahmen gebracht? Und wie will sie von nachhaltiger Wirkung. 30 Voller Einsatz Sie haben einen der schönsten Berufe der Welt – und sie wissen es: Berenberg-Autor und 44 Schule auf Schalke Die herausragenden jungen Spieler aus Bundesliga 58 M e n sc h e n Deutschland erlebt einen Stiftungs- Sport Partei im Feuer Tue Gutes D i r i ge n t e n P OLITIK 10 S t i f t u n ge n 16 Vorliebe fürs Hässliche Die südafrikanische Schauspielerin Charlize Theron ist einzigartig: Attraktiv und selbstbewusst wie kaum eine Zweite hat und Nationalmannschaft sich die Prachtfrau mit den Kisch-Preisträger stammen auffällig oft Maßen eines Supermodels Emanuel Eckardt begleitet aus den Fußballschulen in die erste Reihe der Stars mit ihrem unpopulären Wir beschreiben das Phänomen Vorsitzenden Philipp Rösler in und beantworten Fragen nach den Wahlkampf 2013 ziehen? dem Wie und Warum, den Vorteilen und beobachtet die Stars und -internaten der gespielt. Ihre Lieblingsrollen: Fraktionschef Rainer Brüderle, und den Stolpersteinen. der Zunft (unten Claudio großen Vereine. Wir haben dicke, hässliche und Routinier und Hoffnungs Abbado) seit vielen Jahren – Hoffnungsträger wie unsympathische Frauen träger zugleich, macht seiner und beschreibt erstaunlich Ken Rayomba (l.) und in erstklassigen Filmen. Partei Mut. unterschiedliche Interpre- Sidi Sané „auf Schalke“ tationen ihrer Arbeitsweise besucht. E DITION Dieter Blum 8 Politik Rainer Brüderle im Gespräch 10 S t i f t u n ge n Deutschland erlebt einen Gründungsboom Fotografie Octocopter 24 D i r i ge n t e n Wie sie ihre Macht ausüben Marken Vacheron Constantin 30 38 Sport Nachwuchsförderung 44 Re i se n Ein Wochenende in Berlin M e n sc h e n Charlize Theron 16 50 58 BERENBERG Intern und ihrer Macht. 62 Imp r ess u m Herausgeber: Berenberg Bank, Joh. Berenberg, Gossler & Co. KG, Neuer Jungfernstieg 20, 20354 Hamburg; Projektleitung: Karsten Wehmeier; Redaktion: Dr. Werner Funk (v. i. S. d. P.); Emanuel Eckardt, Constanze Lemke, Farimah Justus Adresse: Dr. Werner Funk, Mittelweg 157, 20148 Hamburg; Lektorat: www.lektornet.de Anzeigen: Armin Roth, Telefon (040) 361 31-425, [email protected] Druck: NEEF + STUMME premium printing GmbH & Co. KG, Schillerstrasse 2, 29378 Wittingen Repro: Allzeit Media Consult, 22767 Hamburg; Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung der Redaktion. Keine Gewähr für unverlangt eingesandte Manuskripte oder Fotomaterialien Titelfoto: Dieter Blum „Der Fuß” Fotos Inhalt: Steffen Roth, Bildmaschine.de/Volker Rauch, Peter Fischli/Lucerne Festival, Dorothea Schmid, Ian West/dpa Picture-Alliance 6 7 Beschnittzugabe B e r e n be r g E d i t i o n Inszenierte Träume Solisten des Stuttgarter Balletts und ein schlafender Cowboy (linke Seite). Dramatische Bewegung. Sir Simon Rattle mit den Berliner Philharmonkern im Einsatz, ein Tänzer im Flug und Lasso schwingende Cowboys band mit einem Vorwort von Léopold Sédar Senghor, Dichter und Staatspräsident von Senegal. Das opulente Werk erschien gleichzeitig in New York, Paris und Düsseldorf und brachte es bei einem Preis von 200 US-Dollarzu einer Auflage von 23.000 Stück. Weil auch Valentin Falin, Botschafter der Sowjetunion in der Bundesrepublik, an dem Buch Gefallen fand, bot er Blum an, Russland zu fotografieren. er Fotograf Dieter Blum, am 6. Januar 1936 in „Auch aus der Luft?“, fragte der Fotograf. „Das wird Esslingen geboren, ist ein Wanderer zwischen den schwierig“, sagte der Diplomat. „Dann lassen wir’s.“ Genres: Amateur und Profi, Werbe fotograf und Typisch Blum. Er hatte gut zu tun. Und er konnte warten. Bildjournalist, inszenierender Künstler und Unternehmer. Nach ein paar Wochen kam das Angebot. Blum durfte als ers Mit 18 Jahren organisierte er in Esslingen seine erste Aus- ter westlicher Fotograf Moskau und russische Landschaften stellung mit eigenen Bildern. Er machte seinen Weg, fo- aus der Luft fotografieren. Ein Staatsakt: Nur die Luftbilder, tografierte Werbung für Kessler Sekt, reiste für Agfa nach die vom Außenminister Andrei Gromyko unterschrieben Ostafrika. 1972 gründete er sein eigenes Fotolabor mit waren, durften an die Öffentlichkeit. Blum weiß, wie man Öffentlichkeit herstellt. Das Buch 18 Angestellten, wurde als Werbefotograf von der MercedesKundenabteilung oder von Robert Bosch gebucht, fotogra- „Russia“ erschien gleichzeitig in der UdSSR, in Frankreich fierte Porsche-Prototypen am Polarkreis. Er ging als Foto und in den USA; es wurden knapp 100.000 Exemplare für reporter für „Stern“ und „Spiegel“ oder das „Zeit-Magazin“ 200 US-Dollar verkauft. Dieter Blum fotografierte internationale Werbekampag auf Reisen. Internationale Blätter wie „Time“ und „Vanity nen, die sich ins kollektive Gedächtnis einer Generation Fair“ kamen dazu. Als Naturfotograf setzte er Maßstäbe, seine Bilder der einprägten, wie die Cowboys für Marlboro. Der Fotograf afrikanischen Kultur scheinen zu tanzen, ein Rausch der ging eigene Wege. „Ich nahm keine Rücksicht aufs Briefing, Farben, bewegende Poesie. In Afrika unterstützte er die machte das Fenster ganz weit auf.“ Er blieb der einzige nicht humanitäre Arbeit von Karlheinz Böhm. Als politischer amerikanische Fotograf, nach dem Philip Morris das Lasso Großwildjäger landete er in Uganda im Gefängnis. Als der auswarf. Über zwölf Jahre fotografierte er die Kampagne Diktator Idi Amin den Reporter endlich freiließ und zum für Freiheit und Abenteuer. Ein Topjob. Von einem Teil des Interview einlud, lehnte der ab, wegen schlechten Benehmens. Erlöses gründete Blum eine Stiftung in Utah/USA, die arSeine Impressionen aus Afrika versammelte er in einem Bild- beitslose Cowboys unterstützt. Inzwischen sind die Bilder Dieter Blum – Fotograf von Freiheit und Abenteuer D 8 Kult. Ein Unikat schaffte es bereits auf seinem einsamen Ritt durch die Auktionshäuser auf ein Gebot von 96.000 Euro. Wenn es in Blums Schaffen ein Prinzip gibt, dann ist es: The Sky is the Limit. Er inszenierte spontane Aktbilder mit Künstlern wie Alfred Hrdlicka und Jörg Immendorf, Sandro Chia oder Günther Uecker – das Modell brachte er mit. In ei ner anderen Serie wurde er selbst zum Dramatiker und komponierte apokalyptische Tanzszenen mit eigenen Kostümen. Und immer zog es ihn zu großen Tieren. Er fotografierte Elefanten, Spitzlippennashörner und Bundeskanzler, ging in die Luft, machte Aufnahmen von Kampfflugzeugen für die NATO ebenso wie von Kranichen in der Inneren Mongolei. Wer Dieter Blum kennt, weiß: Dieser Mann ist unwiderstehlich. Wie ein Schneepflug räumt er beiseite, was ihm im Weg sein könnte, Bürokraten, Bedenkenträger, Art-Direktoren, die mitreden wollen, aber eben auch die ganz verständlichen Hemmungen und Ängste, die Menschen vor seiner Kamera entwickeln könnten. Er brachte Solisten des Stuttgarter Balletts ebenso wie das russische Tanzgenie Malakhov, damals noch Star des Bolschoi-Balletts, oder den Tänzer und Choreografen Ismael Ivo dazu, nackt vor seiner Kamera zu agieren. Den Solotänzer Jiri Jelinek, seinen „Michelangelo“, ließ Blum dreimal vom nackten Estrich seines Ateliers in die Luft springen. Einen vierten Versuch gab es nicht. Der Tänzer, der jedes Mal brutal auf den Boden knallte, streikte. Auf die Frage einer Boulevardzeitung, warum er Tänzer unbedingt nackt fotografieren müsse, hat der Fotograf eine verblüffend einfache Antwort. „Tänzer haben so wunderbare Körper, da stört jeder Fetzen Stoff.“ Tanz blieb sein Thema. 18 Jahre lang hat er den Tänzer Vladimir Malakhov begleitet. Das Ergebnis ist ein Bildband erster Klasse. Handsigniert und in einer Kassette aus rotem Pergament verwahrt, kostet das Werk 1500 Euro. Die Auflage ist limitiert auf 499 Exemplare. Das Buch ist, weniger luxuriös ausgestattet, auch schon als Collector’s Edition für 400 Euro zu haben. Eine Popular Edition für 49,95 Euro gibt es auch. Wer Blum bei der Arbeit erlebt, kommt aus dem Staunen nicht heraus. Als Manager seines Motivs ist er von kompromissloser Autorität. Widerspruch ist nicht nur zwecklos, sondern undenkbar. Die Musiker der Berliner Philharmoniker dirigierte er mit knappen Anweisungen in die Zimmer des Okura-Hotels in Tokio, dessen Fassade er von einem gegenüberliegenden Haus aus fotografierte. Für die „Stern“-Reportage mit dem Bild der in ihren Zimmern übenden Musiker erhielt er 1982 den World Press Photo Award, den Oscar der Fotografie. Das Thema ließ ihn nicht los. 25 Jahre lang hat er die Berliner Philharmoniker immer wieder auf ihren Reisen begleitet und mehrere Bücher über sie veröffentlicht. Die Verbindung zu Russland blieb. 2003 gelang es ihm, unter dem Titel „Körperkathedralen“ nicht nur seine dramatischen Tanzbilder großformatig in der Eremitage in St. Petersburg zu präsentieren, es war Platz genug für eine Retrospektive seines Gesamtwerks. Über 300.000 Besucher kamen, darunter auch mehrmals Wladimir Putin. Gerhard Schröder hatte die Schirmherrschaft übernommen. B e r e n be r g E d i t i o n N o 1 3 Dieter Blum „Der Fuß” (Tänzerin Elisa Carrillo Cabrera, Erste Tänzerin im Staatsballett Berlin) Format: 90 x 60 cm (B x H), signiert und limitiert, hochwertiger Fine Art Print. Print Nr. 1–3: 950 EUR Print Nr. 4–7: 1200 EUR Print Nr. 8–9: 1500 EUR Print Nr. 10: 1800 EUR Bezugsquelle: Studio Dieter Blum, Postfach 1001 50, 73701 Esslingen, [email protected] 9 Politik „Wir sind in der Vergangenheit vielleicht zu sehr gehüpft“ Rainer Brüderle, Fraktionsvorsitzender der FDP im Deutschen Bundestag über den Zustand seiner Partei und ihrer Führung Alles klar bei der FDP? Im Prinzip ja. Es ist in der liberalen Partei unumstritten, dass man einen neuen Parteivorsitzenden braucht. Und endlich ein Ende der Diskussion darüber. Sie läuft schließlich seit Jahren. Denn auch unter Guido Westerwelle wurde schon die Frage diskutiert, wer hievt die FDP bei der Bundestagswahl über die Fünf-Prozent-Marke? Was alle denken, aber keiner zu sagen wagt: Mit Rösler schaffen wir es nicht, Rainer Brüderle wäre der bessere Mann fürs politische Überleben. Aber auch er hält sich eisern an das Gesetz, das derzeit in der liberalen Partei gilt: Vor der niedersächsischen Landtagswahl findet keine Rösler-Diskussion statt. Scheitert die FDP auch dort, dürfte die Frage über Nacht entschieden sein – zugunsten Brüderles. Herr Brüderle, wie erklären Sie sich den dramatischen Absturz der FDP in der Wählergunst von 14,6 Prozent bei der letzten Bundestagswahl auf jetzt unter 5 Prozent? Das eine sind Umfragen, das andere sind Wahlergebnisse. Wir haben bei den letzten beiden Landtagswahlen in NRW und Schleswig-Holstein stark abgeschnitten. Wir werden auch bei der Bundestagswahl ein gutes Ergebnis erreichen. Deutschland steht gut da. Wir haben Rekordbeschäftigung. Schwarz-Gelb wirkt. Aber warum kommt das bei den Wählern nicht an? Können Sie den Menschen Ihre Leistung nicht vermitteln? Richtig ist, dass die politischen Entscheidungen relativ komplex sind. Nehmen Sie die Bankenregulierung. Das beginnt bei den Landesbanken, die unter politischem Einfluss nicht gerade erfolgreich waren. Und wir haben innerhalb Europas leider Schwierigkeiten, die notwendigen Rahmenbedin- 10 gungen gemeinsam hinzubekommen, weil unsere britischen Freunde bei der Regulierung des Bankenmarkts einen völlig anderen Weg gehen und gar nicht daran denken, in Europa koordiniert die Missstände zu beseitigen. Keine andere Partei hat auch nur annähernd so viel Stimmen verloren wie die FDP. Die Bundestagswahl ist in einem Jahr. Klar, wir müssen uns kräftig anstrengen. Dass wir das können, haben ja Christian Lindner in Nordrhein-Westfalen und Wolfgang Kubicki in Schleswig-Holstein bewiesen. Vielleicht liegt es daran, dass die schwarz-gelbe K oalition seit Monaten den Eindruck macht, sie sei fast schon Geschichte, auch wenn sie nur formal noch bis zur Bundestagswahl existiert? Die christlich-liberale Koalition arbeitet erfolgreich. Leider überdecken wir mit öffentlichen Diskussionen gelegentlich selbst unsere gute Bilanz. Wir können in jeder Sitzungswoche neue Häkchen hinter Punkten auf unserer Agenda machen. Gerade haben wir z. B. das Mietrecht reformiert und den Hochfrequenzhandel reguliert. Denken Sie doch auch nur mal an die Stabilisierungsmaßnahmen für den Euro. Ohne Schwarz-Gelb hätten wir doch längst Eurobonds und eine Schuldenunion, wie sie Grüne und SPD wollen. Ich sehe gute Chancen, dass die christlich-liberale Koalition bei der Bundestagswahl bestätigt wird. Vorausgesetzt, die FDP schafft die Fünf-Prozent-Hürde. Die FDP wird ein gutes Ergebnis erreichen. Dass Sie Ihren Optimismus auf Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein stützen, ist kühn. In beiden Ländern sind Sie mit Ihren politischen Solitären angetreten, vergleichbare Kaliber hat die FDP ansonsten nirgendwo aufzubieten. Als Solist können sie in der Politik keinen Erfolg haben. Wir sind in der FDP ein Team. Und dazu gehören ganz unter- 11 PO o Ll Ii Tt Ii K k P „Es darf Ihr Vorsitzender Vorsitzender Rösler Rösler hat hat Anfang Anfang des des Jahres Jahres das das Wort Wort Ihr „Wachstum“ als als neue neue Parole Parole der der FDP FDP ausgegeben. ausgegeben. Was Was ist ist „Wachstum“ daraus geworden? geworden? daraus schiedliche Typen. Typen. Einschätzungen Einschätzungen ändern ändern sich sich übrigens übrigens schiedliche auch ständig. ständig. Guido Guido Westerwelle Westerwelle etwa etwa bekommt bekommt jetzt jetzt viel viel auch Zuspruch für Arbeit als für seine seine Arbeit als Bundesaußenminister. Bundesaußenminister. Zuspruch Aus einem einem sehr sehr tiefen tiefen Tal, Tal, weiter weiter unten unten als als er er kann kann man man Aus als Bundesaußenminister Bundesaußenminister ja ja gar gar nicht nicht sitzen. sitzen. als Für mich mich zählt zählt seine seine Arbeit Arbeit für für Deutschland Deutschland und und nicht nicht Für die tägliche tägliche Umfrage. Umfrage. Er Er ist ist international international ein ein geschätzter geschätzter die Gesprächspartner und und hat hat Deutschland Deutschland erfolgreich erfolgreich im im UNUNGesprächspartner Sicherheitsrat vertreten. vertreten. Und auch die die anderen anderen FDP-MinisFDP-MinisUnd auch Sicherheitsrat Arbeit. Zum ter sind sind sehr sehr erfolgreich erfolgreich in in ihrer ihrer Arbeit. Zum Beispiel Beispiel ist ist Frau Frau ter Leutheusser-Schnarrenberger überaus überaus aktiv aktiv als als BürgerBürgerLeutheusser-Schnarrenberger rechts-Gewissen dieser dieser Regierung Regierung … … rechts-Gewissen Das wollen wollen Sie Sie doch doch nicht nicht auch auch für für den den FDP-VorsitzenFDP-VorsitzenDas den und und Wirtschaftsminister Wirtschaftsminister Rösler Rösler behaupten. behaupten. den Philipp Rösler Rösler ist ist genauso genauso engagiert engagiert für für die die liberale liberale Sache Sache Philipp wie wir wir alle. alle. Er Er arbeitet arbeitet als als Wirtschaftsminister Wirtschaftsminister intensiv intensiv an an wie der Eurostabilisierung Eurostabilisierung und und der der Energiewende. Energiewende. Wir Wir sind sind ein ein der gutes Team. Es ist ist im im Übrigen Übrigen nicht nicht fair, fair, einen einen aus aus der der MannMannTeam. Es gutes schaft herauszupicken. herauszupicken. Was Was zählt, zählt, ist ist die die Gesamtleistung. Gesamtleistung. schaft Sie gelten gelten als als der der Mann, Mann, der der liberale liberale Positionen Positionen auf auf dem dem Sie Feld der der Wirtschaftspolitik Wirtschaftspolitik noch noch glaubwürdig glaubwürdig vertreten vertreten Feld kann. Es Es gibt gibt aber aber auch auch ein ein Zitat Zitat über über Sie, Sie, das das klingt klingt so: so: „Er „Er kann. ist der der Trommler Trommler auf auf einer einer Galeere, Galeere, von von der der man man nicht nicht weiß, weiß, ist ob sie sie noch noch Wasser Wasser unterm unterm Kiel Kiel und und genügend genügend Ruderer Ruderer an an ob den Riemen Riemen hat.“ hat.“ Trifft Trifft das das zu: zu: Brüderle Brüderle der der einzige einzige HoffHoffden nungsträger der der FDP? FDP? nungsträger Wenn die die Natur Natur nicht nicht mehr mehr wächst, wächst, ist ist sie sie tot. tot. Wachstum Wachstum Wenn ist der der Prozess Prozess von von Veränderungen Veränderungen und und Neuentwicklungen, Neuentwicklungen, ist Rhythmen.Wir auch die die Wirtschaft Wirtschaft entwickelt entwickelt sich sich ja ja in in Rhythmen. Wir braubrauauch chen Wachstum Wachstum als als Voraussetzung Voraussetzung dafür, dafür, damit damit wir wir RessourRessourchen cen haben. haben.Wachstum Wachstum ist ist kein kein Selbstzweck, Selbstzweck, sondern sondern ein ein MitMitcen tel zum zum Zweck. Zweck. Mit Mit Wachstum Wachstum haben haben wir wir die die Chance Chance in in der der tel Umweltpolitik, in Sozialpolitik, der der Umweltpolitik, in der der Entwicklungshilfe, Entwicklungshilfe, ananSozialpolitik, Arme zu deren unter unter die die Arme zu greifen, greifen, etwas etwas zu zu bewegen. bewegen. Für Für die die deren Ressourcen. DesDesWende in in der der Energiepolitik Energiepolitik brauchen brauchen wir wir Ressourcen. Wende Ansatz als halb ist ist Wachstum Wachstum der der richtige richtige Ansatz als Mittel Mittel zum zum Zweck Zweck halb für Wohlstand in unserem Land. für Wohlstand in unserem Land. Ich habe habe den den Schritt Schritt von von Christian Christian Lindner Lindner damals damals bedauert, bedauert, Ich weil ich ich gern gern mit mit ihm ihm zusammengearbeitet zusammengearbeitet habe. habe.Aber Aber er er hat hat weil sich so so entschieden entschieden – – und und für für die die FDP FDP in in Nordrhein-WestfaNordrhein-Westfasich len war war sein sein Schritt Schritt ja ja auch auch sehr sehr erfolgreich erfolgreich mit mit Blick Blick auf auf die die len Landtagswahlen. Und Und noch noch einmal: einmal: Wir Wir sind sind ein ein Team Team und und Landtagswahlen. wollen zusammen zusammen die die Wahlen Wahlen gewinnen. gewinnen. Dazu Dazu brauchen brauchen wir wir wollen keine Personalspekulationen, Personalspekulationen, sondern sondern beharrliche beharrliche KärrnerKärrnerkeine arbeit, wie wie ich ich das das gern gern nenne. nenne. arbeit, Traurig sagen sagen Sie? Sie? Traurig 11 22 Mann wie Rösler setzen, der einmal gesagt hat: Er wolle mit 45 Schluss machen mit der Politik. 39 ist er inzwischen schon. Stellen Sie sich einmal vor, Sie persönlich hätten es auch so gemacht … (Brüderle laut lachend) … Das ist eine Frage des persönlichen Lebensentwurfs. Und dazu müssen Sie ihn schon selbst befragen. Grundsätzlich gilt: Sie können in schon fortgeschrittenem Lebensalter noch gute Politik machen. Andererseits gibt es in der deutschen Politik hinreichend jung Vergreiste … Mit Lindner Lindner hat hat sich sich in in der der Tat Tat Wachstum Wachstum verbunden. verbunden. Mit Wie können können Sie Sie dagegen dagegen die die Zukunft Zukunft der der FDP FDP auf auf einen einen Wie Gestatten Sie uns noch einen Versuch, die Erfolgsträger der FDP herauszufinden herauszufinden … (Herzhaftes Lachen Brüderles) … ist Philipp Rösler ein FDP-Chef auf Abruf? Nein. Sagen Sie das mit oder ohne Ausrufezeichen? Gern noch einmal: Nein! Das erinnert sehr an das Wort von Rainer Barzel im Jahr 1966: „Ludwig Erhard ist und bleibt Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland.“ Kurz darauf saß Erhard auf dem Altenteil. Könnte es auch mit Rösler so laufen? Also, meine Herren, ich halte überhaupt nichts davon, dass wir solche Personaldiskussionen führen. Rösler ist der FDPVorsitzende. Und bekanntlich gewinnen auch die Liberalen mit dem Dreiklang von Hans-Dietrich Genscher: Inhalt, Personen und Stil. Dazu gehört also auch die Art und Weise, wie wir mit unserem Führungspersonal öffentlich umgehen. Deshalb betone ich noch einmal: Er ist der Vorsitzende, und er hat mein Vertrauen. Alles wächst, wächst, nur nur die die FDP FDP nicht. nicht. Der Der zurückgetretene zurückgetretene Alles FDP-Generalsekretär Lindner Lindner hat hat mal mal gesagt, gesagt, es es gebe gebe den den FDP-Generalsekretär Moment, in in dem dem man man seinen seinen Platz Platz frei frei machen machen muss, muss, um um Moment, eine neue neue Dynamik Dynamik zu zu entwickeln. entwickeln. Sollte Sollte das das nicht nicht auch auch RösRöseine ler beherzigen? beherzigen? ler Mit Sicherheit Sicherheit nicht. nicht. Das Das wäre wäre ja ja traurig. traurig. Mit Ich meine, meine,es es wäre wäre traurig, traurig,wenn wenn es es in in einer einer Partei Partei mit mit 60.000 60.000 Ich Mitgliedern nur nur einen einen Hoffnungsträger Hoffnungsträger geben geben würde. würde. Da Da gibt gibt Mitgliedern es viele viele Hoffnungsträger. Hoffnungsträger. Wir Wir müssen müssen uns uns wieder wieder mehr mehr auf auf es die liberalen liberalen Kernthemen Kernthemen konzentrieren. konzentrieren. Ich Ich meine meine damit damit vor vor die allem die die Bürgerrechte, Bürgerrechte, die die soziale soziale Marktwirtschaft, Marktwirtschaft, wo wo der der allem Mittelstand große große Hoffnungen Hoffnungen auf auf uns uns setzt, setzt, und und das das Thema Thema Mittelstand Bildung. Bildung. Altersrassismus geben“ in Deutschland keinen A Dazu zählen Sie Rösler aber doch nicht … … dazu zähle ich ihn in der Tat nicht. Ich finde, finde, es darf in Deutschland auch keinen Altersrassismus geben. Mir macht meine Arbeit nach wie vor Freude. Wechseln wir daher von einem Erfolgsträger der FDP, von Rösler, zum nächsten, zu Wolfgang Kubicki. Haben Sie seine Hymne auf Steinbrück gelesen, die kürzlich im „Handelsblatt“ erschienen ist? Die FDP habe als Marke „generell verschissen“, hat Ihr Parteifreund Kubicki andererseits schon einmal gesagt. Machen solche Worte das Überleben der FDP wahrscheinlicher? Wie bewerten Sie denn die Art, wie die SPD ihr Führungsproblem gelöst hat? Da steckte ja viel mehr Mumm drin, als die FDP gegenüber ihrer Führung zeigt. Zunächst einmal hat das Vorgehen der SPD gar nichts mit Willy Brandts altem Versprechen zu tun: „Wir wollen mehr Demokratie wagen.“ Steinbrück wurde im kleinsten Kreis gekürt, man war sich wohl schon seit Längerem einig, wer es wird. Dennoch wurde die Inszenierung einer Troika noch ziemlich lange fortgeführt. Jetzt dürfen die Gremien der SPD Also da war doch auch Selbstkritik im Spiel, und die hat dazu geführt, dass Wolfgang Kubicki in Schleswig-Holstein sehr erfolgreich war. Ich kenne ihn seit über 30 Jahren, wir sind befreundet. Er ist eine Klasse-Type, die weiß, dass Politik auch Kritik braucht. Insofern ist er eine echte Bereicherung der FDP, aber auch immer für Überraschungen gut. Bei seinem Loblied auf SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück müssen Sie auch bedenken, dass die beiden miteinander studiert haben und sich seit Urzeiten kennen. So etwas verbindet ein Leben lang, wie ich aus meinem Studium weiß. 13 POlitik „Ich bin kein Wanderer, ich bin keine Karawane, Wenn die FDP sich von ihrem Umfragetief erholen will, muss sie ihren besten Mann oder ihre beste Frau zum Spitzenkandidaten machen. Sehen Sie das anders? Es ist in der Politik wie beim Fußball. Dort braucht man ein Team aus elf Spielern, manchmal geht es eine Zeit lang auch mit zehn. Aber das reicht nur zum Durchhalten. Mit voller und geschlossener Mannschaft spielt es sich besser, allein geht gar nichts. Aber wenn ein van der Vaart zum HSV kommt, dann marschiert plötzlich die ganze Mannschaft. Das täte auch der FDP ganz gut. Wer ist ihr neuer Spielmacher? Van der Vaart ist ja eben kein neuer Spielmacher, sondern kennt den HSV. Sein guter Einstand spricht eher für Kontinuität und für das Besinnen auf eigene Stärken. Tatsächlich hat sich die inhaltliche Entleerung der FDP unter Westerwelle unter ihm nur fortgesetzt. Von Bildung war nie die Rede. Bildung wird ein zentrales Thema der FDP im Bundestagswahlkampf sein. Denn Bildung sorgt für gerechtere Chancen der Kinder. Das ist ein schwieriges Feld, denn das Sagen haben in der Bildung 16 verschiedene Bundesländer. Und da dürfen Kinder nicht zu Versuchskaninchen werden, wie das jetzt bei den verschiedenen Schulreformen leider immer wieder der Fall ist. Nennen Sie die doch mal konkret. Unsere Leitthemen sind Bildung, Bürgerrechte, soziale Marktwirtschaft und Europa. Man kann nicht jedes Thema gleich intensiv beackern, dann geht die Orientierung verloren. Genau das hat Rösler doch in Rostock versprochen: „Ich werde liefern“, war sein Schlüsselsatz fürs Amt des Parteichefs. Wie könnte die FDP Ihrer Ansicht nach ehemalige Wähler zurückgewinnen? Weshalb reden, besser: streiten Sie dann in der schwarzgelben Koalition vorwiegend über die Frage des Betreuungsgelds? Das ist ein Punkt, der im Koalitionsvertrag vereinbart worden ist. Ein Herzensanliegen der FDP ist das Thema gewiss nicht. Aber es wird vernünftig gelöst werden. Sie haben als weiteres Kernthema auch noch die soziale und liberale Marktwirtschaft genannt. Das Freidemokraten Lindner, Brüderle, Rösler „Wir leben in einer komplizierten Zeit“ Wirtschaftsministerium unter Also gut. Besteht das Pro Rösler hat da eine zentrale blem der FDP darin, worunter auch Röslers Ansehen leidet, Stellung für die Selbstdarstellung der Partei. Aber das will nämlich in ihrer inhaltlichen Leere und in der Schwäche, ihm nicht gelingen. ihre Anhänger zu mobilisieren? Das ist vor allem eine Mo- Das ist ein neuer Anlauf gegen meinen Parteichef. Aber es mentaufnahme und kein Wahlergebnis. Trotzdem ist die Entwicklung natürlich nicht erfreulich. Aber inhaltliche Leere ist ein unberechtigter Vorwurf. Die FDP regiert erfolgreich. Gerade in der Eurokrise halten wir klaren Kurs und zeigen klare Kante. Darüber hinaus halten wir uns an die Brot-und-ButterThemen. nicht stellen. Für eine Ampel sehe ich auch gar keine Basis. Denn ein ganz wichtiges Thema der FDP muss sein, dass wir bei der Eurostabilisierung weiter einen vernünftigen Weg gehen. Denn eines ist für eine Freiheitspartei wirklich entscheidend: die Wahrung der Geldwert-Stabilität. Die Deutschen haben zweimal ihr Geld verloren. Rot-Grün hat in dieser Frage Europa nicht weiterentwickelt, sondern zurückentwickelt. Mit Rot-Grün lässt sich kein stabiles, vernünftiges Europa bauen. bleibt dabei: Wir sind ein Team, und ich bin loyal zu meinem Vorsitzenden, und Sie werden mir keine andere Äußerung entlocken können. Sie haben erst im Mai gesagt, die Diskussion einer Ampel im Bund sei Unfug. Bleiben Sie dabei? Ja! Unsere jetzige inhaltliche koalitionäre Basis ist klar besser. Prominente Parteifreunde werden aber neuerdings einer schwarz-gelben Koalition untreu. Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel schwärmt: „Auch andere Mütter haben schöne Töchter.“ Schließen Sie eine Ampel völlig aus? Schwarz-Gelb wird die Wahl gewinnen, diese Frage wird sich Durch solide Arbeit. Aber dafür hatten Sie doch schon drei Jahre Zeit! Wollen Sie damit jetzt endlich zum Endspurt ansetzen? Die Menschen wollen in unsicheren Zeiten einen Stabilitätsanker haben. Das wird man nur durch seriöse, solide Arbeit, die man offen darlegt. Hüpfen bringt keine Zustimmung der Wähler. Wir sind in der Vergangenheit vielleicht zu sehr gehüpft. Foto: ddp images/dapd nur noch zustimmen. Das ist bei der FDP völlig anders. Da entscheiden die Parteigremien. Mit mehr Demokratie hatte das Vorgehen der SPD wirklich nichts zu tun. aber jetzt kämpfe ich gern hier im Bundestag“ Zu sehr gehüpft. Dem wollen wir nicht widersprechen. Aber Sie sind auch nicht in der Lage gewesen, ein modernes, zeitgerechtes Parteiprogramm neu zu beschließen. Über Ihre Wiesbadener Erklärung sind Sie nicht hinausgekommen: Das hat sicherlich dazu beigetragen, dass sich die FDP jetzt in einem wachkomatösen Zustand befindet: Es gibt heute Probleme, an die man im Jahr 1997 nicht gedacht hat, die keine Rolle spielten. Das ist völlig richtig. Und doch wieder nicht: Unsere Geisteshaltung als Grundlage unserer Politik ist verlässlich. Nehmen Sie das Grundgesetz: Es ist von 1948 und immer noch richtig, auch wenn die Auslegung immer wieder der Zeit angepasst wird. Die Grundeinstellung der FDP steht auf felsenfestem Boden: Privat vor Staat, Eigenverantwortung vor Bevormundung. Das ist unsere grundlegende Philosophie. Die Fragestellungen und Anwendungen sind heute natürlich andere als 1997. Da haben Sie recht. Damals haben wir nicht an eine Finanzmarktkrise gedacht und nicht daran, dass Europa in so einen Gärprozess kommt, wie er derzeit stattfindet. Aber unser Programm ist unser Leitfaden auch für diese Probleme. Vielleicht sollten Sie wieder zurück ins Wirtschaftsministerium, dort hätten Sie mehr Einfluss auf die notwendigen Entscheidungen? Politik ist kein Wunschkonzert. Ich habe den Fraktionsvorsitz übernommen, auch wenn mir die Entscheidung nicht leicht fiel. Ich bin kein Wanderer, ich bin keine Karawane, aber jetzt kämpfe ich gern hier im Bundestag. Eine letzte Frage: Wie kann eine Partei in einen Bundestagswahlkampf ziehen, deren Vorsitzender in allen Umfragen so schlechte Werte hat? Ich lasse mich nicht von täglichen Umfragen beirren. Die Entscheidung fällt erst am Wahltag. Und dann werden wir Liberalen wie in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen erfolgreich sein. Etwas anderes werden Sie mir nicht entlocken, auch wenn Sie es hartnäckig versucht haben. D a s G esp r äc h fü h r t e n W e r n e r F u n k u n d H a n s P e t e r S c h ü t z | F o t o s : S t effe n R o t h 14 15 S t i f t u n ge n Vom Segen des guten Geldes Deutschland erlebt einen beispiellosen Stiftungsboom T e x t: J a n L o r e n z Foto: Your Photo Today/PM A 16 lle gehen stiften. Der Trend ist unübersehbar. Nie wurden in Deutschland so viele Stiftungen gegründet, 817 allein im vergangenen Jahr, so viele wie früher in einem Jahrzehnt. In Deutschlands Stiftungen ruht ein Milliarden-Vermögen. Allein die 15 größten Stiftungen in Deutschland versammeln ein Kapital von über 26,8 Milliarden Euro unter ihrem Dach und investierten im vergangenen Jahr mehr als 730 Millionen Euro. Stiftungen sind das ethische Rückgrat der bürgerlichen Gesellschaft, vertrauensbildende Maßnahmen von nachhaltiger Wirkung. Derzeit sind rund 19.000 rechtsfähige Stiftungen bürgerlichen Rechts und mindestens 300 Unternehmensstiftungen registriert. Die Zahl nicht rechtsfähiger Stiftungen oder Treuhandstiftungen lässt sich nur schätzen, denn ein zentrales Melderegister gibt es nicht. Sie liegt irgendwo zwischen 30.000 und 100.000. Vielleicht auch darüber. Stiften dient dem Gemeinwohl. 96 Prozent aller Stiftungen in Deutschland verfolgen gemeinnützige Zwecke. Ihre Erträge fließen in Bildung, Wissenschaft und Forschung, Umwelt- und Denkmalschutz, Kultur, Sport und soziale Institutionen wie Jugend- und Altenhilfe. Manchmal sind es Millionenbeträge, manchmal ein eher kleines Budget, das dem guten Zweck dient. „Was uns Sorge bereiten muss, ist ein gravierend gewachsener Vertrauensverlust in die tragenden gesellschaftlichen Institutionen – von Kirchen bis zu Gewerkschaften. Dieser Vertrauensverlust, so verständlich er auch sein mag, ist des truktiv für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft“, bemerkt Jürgen Chrobog, 72, Ex-Diplomat und Staatssekretär im Auswärtigen Amt, der 2005 als Vorsitzender des Vorstands in die BMW Stiftung Herbert Quandt wechselte. In seiner „Hildesheimer Rede“ zum Stiftungstag 2010 betonte er die stabilisierende Wirkung von Stiftungen in einer Gesellschaft, die sich ständig neuen Herausforderungen gegenübersieht: „Sie bringen Stabilitätsdividende für das Gesamtsystem.“ Deshalb sei die Förderung des Stiftungswesens im Steuerrecht legitim und für die Gesellschaft lohnend. Bürgerliches Engagement öffnet die Schleusen für über Jahrzehnte angesammeltes Vermögen; kinderlose Paare und Singles ohne Nachkommen suchen einen sicheren Hafen für ihre Rücklagen, Familienunternehmen stehen schon seit einigen Jahren am Scheideweg; eine Generation ohne Nachfolger dankt ab. Stiften tut gut. Soziales oder kulturelles Engagement verbindet Familien und Unternehmen, wirkt identitätsstiftend über Generationen hinweg. Stiften dient dem guten Namen. Wer sein Vermögen einem guten Zweck zuführt, bleibt der Nachwelt in Erinnerung. Immerhin: 40 Prozent der Gründer verzichten darauf, mit einer Stiftung ihrem eigenen Namen Glanz zu verleihen. Wesenstypisch für Stiftungen sei die Fähigkeit zu langfristiger Betrachtung und eine besondere Sensibilität für das auf Dauer Wichtige, formuliert der Diplomat Chrobog. „Stiftungen werben dafür, dass dezentrale Eigenverantwortung gestärkt wird und nicht paternalistische Fürsorge eines bürokratischen Wohlfahrtstaats dies erstickt.“ Das Stiftungswesen ist höchst lebendig. Laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung erfolgen acht von zehn Gründungen zu Lebzeiten. Das heißt: Stifter unterschreiben nicht nur ihren Letzten Willen, sondern werden noch zu Lebzeiten aktiv. Annähernd 40 Prozent sind jünger als 60 Jahre, und 42 Prozent haben keine direkten Nachkommen. Stifter sind überdurchschnittlich gebildet, 36 Prozent haben einen Hochschulabschluss, zwei Drittel bezeichnen sich als gläubig. Lebendiges Mittelalter Stiftungen haben eine lange Tradition. Im Mittelalter sicher ten sie den Nachruhm des Stifters und sein Seelenheil. Kaiserin Kunigunde, Gemahlin des letzten Ottonenkaisers Heinrich II., stiftete ihre ganze Aussteuer dem Bistum Bamberg und wurde dafür sogar heiliggesprochen. 1521 stiftete Jakob Fugger „der Reiche“ eine Wohnsiedlung für Bedürftige, die Fuggerei. Die Jahresmiete für eine Wohnung beträgt bis 17 S t i f t u n ge n Die größten deutschen Privatstiftungen Ausgaben 2010 in Millionen Euro heute 0,88 Euro sowie täglich drei Gebete für den Stifter und das Geheime Staatsarchiv. Die Stiftung Warentest, eine Idee seine Familie. von Konrad Adenauer und 1964 gegründet, setzt in der QuaIn einem zerrissenen Land, das viele Jahrhunderte lang litätsprüfung von Produkten und Dienstleistungen Maßstäunter Kriegen und Katastrophen zu leiden hatte, bilden Stif- be. Die unmittelbar nach der Wende gegründete Deutsche tungen allen Zeitläufen zum Trotz ein erstaunliches, in sich Bundesstiftung Umwelt (DBU) wuchs zu einer der größten ruhendes Kontinuum. Rund 250 Stiftungen sind älter als 500 Stiftungen in Europa und hat bisher 8200 Projekte mit rund Jahre! 1,4 Milliarden Euro unterstützt. Mit dem Fahrtwind des Wirtschaftswunders wurden auch Stiftungen brachten ihrem Gründer als Lehnsherrn aber auch gute Rendite und sicherten den Besitz der feudalen Ge- bedeutende Unternehmensstiftungen wie die Robert Bosch sellschaft. „Im Würgegriff der toten Hand“ war ein Beitrag in Stiftung oder die Bertelsmann Stiftung ins Leben gerufen. der „FAZ“ überschrieben, der schildert, wie es gelang, über Der Generationenwechsel setzte ein, Persönlichkeiten, die den Fideikommiss Ländereien, vor allem Grundeigentum in aus dem Nichts ein bedeutendes Vermögen angehäuft hatten, Landwirtschaft und Forsten, als unangreifbares Erbe feudaler wie Else Kröner (Fresenius), Kurt A. Körber und zuletzt die SAP-Gründer Klaus TschiZeiten zu bewahren. Diera, Dietmar Hopp und Hasser Grund war weder Stiftungszwecke so Plattner, überschrieben zu verkaufen noch zu in Deutschland (Anteil 2010 in Prozent)1 es einer Stiftung, die ihren beleihen, ein AdelspriWissenschaft, Forschung Kunst, Kultur Namen trägt. vileg, das die Weimarer 13 15 Hamburg gilt als StifReichsverfassung von Umweltschutz Bildung, 4 tungshauptstadt der Repu1919 durch ein Verbot Erziehung 15 4 Privatnützige Zwecke blik. Die Hansestadt zählt beendete. derzeit 1227 Stiftungen. Das große Mehr als die Hälfte sind Soziales 18 31 Stiftungssterben nicht älter als zwölf Jahre. Andere gemeinnützige Anfang des 20. Jahrhun Peter Rawert, Notar in Zwecke Basis: 11.729 Stiftungen derts gab es rund 100.000 Hamburg und HonorarStiftungen im Deutschen professor in Kiel, sieht die Reich. Weil viele Stifter ihr Vermögen in Staatspapieren und Gründe „im relativen Wohlstand der Stadt und ihrer Bürabenteuer lichen Projekten wie Kaiser Wilhelms Bagdad- gerinnen und Bürger. Zudem gilt die Stiftungsaufsicht in bahn angelegt hatten, standen sie nach dem Ersten Weltkrieg Hamburg als besonders liberal. Wo immer sie kann, kommt vor dem Nichts. Viele Stiftungen wurden von der Inflation sie Stifterinnen und Stiftern im Anerkennungsverfahren und dahingerafft, jüdische Stiftungen in der Nazizeit durch eine in der späteren Begleitung der Stiftung sehr bereitwillig entschnelle Folge von Reichsverordnungen eiskalt enteignet gegen.“ und ihr Vermögen eingesackt. In der DDR wurden bürgerDie Zeit-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius, 1971 von liche Stiftungen gleichgeschaltet oder verstaatlicht. dem Hamburger Verleger Gerd Bucerius eingerichtet, hat in zehn Jahren zum Beispiel 158 Millionen Euro in die FördeDer Aufschwung des guten Geldes rung von Kunst und Kultur, Wissenschaft und Forschung, Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung in der Bundesrepu- Bildung und Erziehung gesteckt. Die Bucerius Law School blik wuchs die Spendierfreude. Der Staat ging mit gutem wurde zur international renommierten Privathochschule. Beispiel voran. Die 1957 gegründete Stiftung Preußischer Der Stiftung gehört die Villa an der Alster, die als LiteraturKulturbesitz, eine der größten Stiftungen dieser Art welt- haus zur Institution wurde, und das Bucerius Kunst Forum weit und zu 75 Prozent vom Bund und 25 Prozent von am Rathaus. den Ländern getragen, betreut 17 Museen, darunter die Bemerkenswert ist auch die Entwicklung der Deutschen Museumsinsel in Berlin, die Staatsbibliothek zu Berlin und Stiftung Musikleben. Vor 50 Jahren in Hamburg gegründet, 1) 18 115,4 78,8 Robert Bosch Stiftung 75,5 62,7 60,3 52,9 VolkswagenStiftung Alexander von Humboldt-Stiftung Studienstiftung des deutschen Volkes Bertelsmann Stiftung Deutsche Bundesstiftung Umwelt 50,2 Baden-Württemberg Stiftung 49,2 Stiftung Warentest 48,5 Hans-Böckler-Stiftung 35,0 32,1 Kulturstiftung des Bundes Deutsche Stiftung Denkmalschutz 27,5 Dietmar Hopp Stiftung 26,8 Gemeinnützige Hertie-Stiftung 25,6 Stiftung Mercator 23,6 Zeit-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius um den Nachwuchs junger Musiker zu fördern, hat sie seither eine halbe Million Teilnehmer beim Wettbewerb Jugend musiziert gefördert. Seit 1993 verwaltet die Stiftung treuhänderisch wertvolle Streichinstrumente und verleiht sie an hochbegabte junge Musiker. Hehre Vielfalt Die Stiftungslandschaft in Deutschland gleicht einem artenreichen Mischwald, einem Forst, der auf ewig angelegt ist. Hoch wachsen die öffentlichen Stiftungen bürgerlichen Rechts, neben den öffentlich-rechtlichen Stiftungen, die per Gesetz ausgesät wurden, ein Staatsforst, in dem auch die Anstaltsträgerstiftungen zur Vielfalt beitragen, Krankenhäuser, Pflegeheime, Forschungsstätten und Museen; kirchliche Stiftungen gedeihen nach eigenem Recht, unternehmensverbundene Stiftungen beeindrucken durch dicke Stämme und starken Wuchs. Daneben wachsen Verbundstiftungen; Familienstiftungen und Treuhandstiftungen spenden Schatten. Gemeinschaftsstiftungen wie die Deutsche Stiftung Denk- malschutz wurzeln tief; neue gemeinnützige Stiftungen bereichern das Biotop, und mittendrin im Unterholz wuchert die vitale Graswurzelbewegung der Bürgerstiftungen. Eher am Rand siedeln Verbrauchsstiftungen, Flachwurzler, deren Sinn es ist, ein Kapital für einen guten Zweck abfließen zu lassen. Damit der Wald kein Dschungel wird, hat der Gesetz geber einige Bestimmungen gegen Wildwuchs erlassen, aber in kaum einem Gebiet der Rechtsprechung genießen das Steuern zahlende Individuum und seine Familie solche Freiheit. Längst nicht alle Stifter sind vermögend; jeder fünfte hat weniger als 250.000 Euro auf der hohen Kante; 43 Prozent der Stiftungen starten mit weniger als 100.000 Euro. Solche Beträge können in Gemeinschaftsstiftungen durchaus Wirkung zeigen, vor allem wenn die Stifter sich aktiv engagieren. „Wir haben zum Beispiel das Projekt ‚Lesezeit‘“, erzählt Klaus Rollin, Initiator der BürgerStiftung Hamburg. „200 Leute lesen Kindern vor. Mit unserer Aktion ‚Guter Rat vor Ort‘ bieten wir kostenlosen Rechtsrat für Menschen, die sich keinen Anwalt leisten können. Ein Projekt widmet sich der Unterstützung von Obdachlosen, ein anderes dem Andenken der zivilen Bombenopfer in Hamburg.“ Engagement lohnt sich. Die BürgerStiftung Hamburg, 1999 von 14 Erststiftern mit einem Kapital von 100.000 Mark als Gemeinschaftsstiftung gegründet, hat heute ein Kapital von mehr als 30 Millionen Euro angesammelt, davon 14 Millionen Euro als Treuhandkapital. Stiftungen schaffen Werte. „Die meisten Bürgerinitiativen sind flüchtige Erscheinungen“, stellt Klaus Rollin fest. „Bürgerstiftungen sind auf Jahrhunderte eingerichtet, ein wichtiges Element der Kontinuität in einer Zeit, in der vielen die Zukunft egal ist.“ Die größten Stiftungen öffentlichen Rechts in Deutschland, Ausgaben 2010 in Millionen Euro 894 Georg-August-Universität Göttingen 655 Goethe-Universität Frankfurt (Main) 260 172 Stiftung Preußischer Kulturbesitz Stiftung Deutsches Krebszentrum 19 S t i f t u n ge n Stiften kann jeder Berenberg-Stiftungsexpertin Martina Erlwein beantwortet die häufig gestellten Fragen zum Thema Stiften kann jeder – Privatpersonen, Unternehmen, Vereine und Verbände. Stiften kann eine Kirche, eine Stadt, ein Bundesland oder die Bundesrepublik Deutschland, solange der Zweck der Stiftung das Gemeinwohl nicht gefährdet. Was unterscheidet eine Stiftung vom Verein? Eine rechtsfähige Stiftung ist unabhängig und organisiert sich selbst. Sie hat einen Zweck, eine Satzung und einen Vorstand und vor allem ein Vermögen, aber – anders als ein Verein – keine Mitglieder. Vorurteil. Wer stiftet, muss sich ja erst einmal von einem Vermögen trennen. Richtig ist, dass gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Stiftungen von den meisten Steuern befreit sind. Mit dem Gesetz zur weiteren Förderung des bürgerschaftlichen Engagements aus 2007 wurde der Höchstbetrag für die Ausstattung von Stiftungen angehoben. Unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt das Gemeinnützigkeitsrecht, dass die Stiftung aus ihren Erträgen bis zu einem Drittel für den Unterhalt des Stifters und seiner Familie, inklusive Grabpflege, verwenden darf. Diese Einkünfte muss der Stifter natürlich versteuern. Wie viel Geld braucht eine Stiftung? Die Mindestanforderungen liegen im Ermessen der Stiftungsbehörden in den Bundesländern. Sie liegen zwischen 50.000 und 100.000 Euro. Stiftungen mit dieser Ausstattung sind aber ohne persönliches Engagement der Stifter kaum funktionsfähig, denn die Erträge aus dem Stiftungsvermögen lassen kaum Spielraum für sinnvolles Engagement. Eine Stiftung ohne Geld ist wie ein Dach ohne Haus. Spätere Spenden und Zustiftungen sind meist gern gesehen und steuerlich als Sonderausgaben abzugsfähig. Um also nachhaltig den Stiftungszweck erfüllen zu können, empfehlen wir eine Ausstattung des Stiftungsvermögens mit mindestens einer Million Euro. Bieten Stiftungen Steuervorteile? Nicht wirklich. Dass man mit Stiftungen Steuern sparen kann, ist ein beliebtes 20 Wie meldet man eine Stiftung an? Stiften ist juristisch ein Akt eigener Rechtsetzung. Es genügt die einfache Schriftform, solange kein Grundbesitz übertragen wird. Eine Stiftung entsteht mit der Anerkennung durch die Stiftungsaufsicht. Sie darf den Stiftungszweck zur Kenntnis nehmen, aber ihm nicht widersprechen. Entscheidend ist, dass er dem Gemeinwohl nicht abträglich ist. Anerkennungsfähige Zwecke finden sich in der Abgabenordnung. Was passiert mit dem Stiftungskapital? Sobald die Anerkennung erfolgt, muss das Stiftungsvermögen übertragen werden. Die Würfel sind gefallen. Nicht einmal der Stifter kann noch darüber verfügen oder den Stiftungszweck än dern. Die Stiftung kann den Stifter beerben. Sie ist seinem Einfluss entzogen, es sei denn, er hat sich selbst als Mitglied des Vorstands oder sogar als Alleinvorstand bestellt. Damit kann er zumindest Entscheidungen über die Verwendung der Erträge beeinflussen oder durch ein Vetorecht blockieren. Aber an das Vermögen kommt er nicht mehr heran. Zweck der Stiftung nicht zu eng zu formulieren. Wo hört die Gemeinnützigkeit auf? Familienstiftungen sind nicht gemeinnützig und genießen keine steuerlichen Vorteile. Wird ein Vermögen auf eine solche privatnützige Stiftung übertragen, fällt Schenkungssteuer an. Alle Einkünfte der Stiftung unterliegen Ertragsteuern – und alle 30 Jahre wird die sogenannte Erbersatzsteuer fällig, bei der ein Vermögensübergang auf zwei Kinder simuliert wird. Die Stiftung beerbt sich gewissermaßen selbst. Eine Familienstiftung kann auch für mittelständische Unternehmen als Nachfolgelösung interessant sein, weil sie die Kontinuität des einzubringenden Unternehmens gewährleisten kann. Die gewählte Organstruktur muss sicherstellen können, dass auch nach dem Tod des Stifters seine Intentionen befolgt werden. Kann man mit einer Stiftung Erben ärgern? Nur begrenzt. Sie haben einen Anspruch auf den Pflichtteil. Gegebenenfalls kann dieser auch nach der Stiftungsgründung eingefordert werden. Darüber hinaus genießt der Stifter jede Freiheit, sein Vermögen vor leichtsinnigen oder als unfähig eingeschätzten Nachkommen in Sicherheit zu bringen, indem er es einer Stiftung überantwortet. Eine Stiftung ist im deutschen Recht die einzige Möglichkeit für einen Menschen, seinen Willen auch noch Jahrhunderte nach seinem Ableben durchzusetzen. Das Vermögen einer Stiftung darf nicht angetastet werden, der Stiftungszweck muss aus den Erträgen verwirklicht werden. Der Stifterwille ist für alle Zeiten verbindlich festgeschrieben. Nur das Erlöschen der Stiftung lässt ihn verstummen. Wie funktioniert eine Doppelstiftung? Welcher Zweck heiligt die Mittel? Ein Stifter sollte sich gut überlegen, wie er den Zweck seiner Stiftung formuliert, und auch dessen Nachhaltigkeit im Blick haben. Berühmt ist das Beispiel einer Stiftung, deren Zweck es ist, wollene Unterwäsche für Kapitänswitwen und Hinterbliebene von Seeleuten bereitzustellen. Oft ist es klüger, den Foto: Berenberg Wer kann stiften? Bei einer Doppelstiftung wird das Unternehmen teilweise auf eine Familienstiftung und teilweise auf eine gemeinnützige Stiftung übertragen. So werden die Interessen der eigenen Familie gewahrt und die unternehmerische Verantwortung bei der Familie gebündelt. Trotzdem können Steuervorteile für gemeinnützige Stiftungen, für den Anteil des Vermögens, der in die gemeinnützige Stiftung eingebracht wird, genutzt werden. Somit kann die Erbschaftsund Schenkungssteuerlast für die Übertragung des Unternehmens ver- ringert werden. Ein bekanntes Beispiel ist die Bertelsmann Stiftung, die als gemeinnützige Stiftung mehr als drei Viertel der Aktien des Unternehmens besitzt, während ein zweites, deutlich kleineres Paket in die nicht gemeinnützige Familien-AG überführt wurde. Kann man ohne Geld eine Stiftung gründen? Das kann nur der Staat, mit Stiftungen des öffentlichen Rechts. Sie entstehen durch Gesetz oder Rechtsverordnung, manchmal auch durch einfachen Kabinettsbeschluss. Wegen knapper öffentlicher Kassen werden sie häufig mittellos oder mit nur geringem Stiftungskapital gegründet. Die Stiftungen besitzen zum Beispiel unverkäufliche Kunstwerke und Liegenschaften, die weder Mieten noch Pachten erbringen. Diese Stiftungen sind dauerhaft auf die Zuweisung entsprechender Budgets angewiesen, um ihrem Stiftungszweck nachkommen zu können. Der Staat unterhält aber auch Stiftungen des Privatrechts, wie die Kulturstiftung der Länder oder die Bundeskulturstiftung. Die als gemeinnützig anerkannte VolkswagenStiftung ist 1961 aus dem Erlös von Staatsbeteiligungen entstanden, die Deutsche Bundesstiftung Umwelt 1989 aus dem Verkaufserlös der bundeseigenen Salzgitter AG. Kann man stiften, ohne eine Stiftung zu gründen? Kein Problem. Seit das Stiftungsprivileg auf Zustiftungen erweitert wurde, kann ein Ehepaar in zehn Jahren bis zu zwei Millionen Euro absetzen und den Betrag nach eigenem Gutdünken aufteilen. Eine Blütezeit erleben deshalb Gemeinschaftsstiftungen, die von mehreren Stiftern und Zustiftern getragen werden. Regional erfolgreich sind Bürgerstiftungen, die meist mehrere Zwecke verfolgen und viele Interessen unter ihrem Dach versammeln. Bürgerstiftungen wachsen dynamisch, ein Trend, der dem amerikanischen Modell der „Community Foundation“ folgt und in Deutschland seit 1996 um sich greift. Inzwischen gibt es über 300 Bürgerstiftungen in Städten, Gemeinden und Regionen. Gibt es neue Entwicklungen und Trends im Stiftungswesen? Ein Großteil der existierenden Stiftungen wurde in den letzten zehn Jahren gegründet, man spricht deshalb auch vom Stiftungsboom. Dennoch entwickeln sich auch neue Formen der Gemeinnützigkeit weiter wie z. B. die gemeinnützige GmbH. Die Grenzen zwischen Wirtschafts- und Gemeinnützigkeitssektor verschwimmen zusehends, neue Ansätze wie Impact Inves ting finden Eingang in gemeinnützige Zielsetzungen. Unter Impact Investments versteht man Investitionen, die neben einer finanziellen Rendite auch ein soziales oder ökologisches Problem angehen. Anders als bei Spenden und der Dotierung von Stiftungskapital erwartet der Geber neben einer positiven sozialen Rendite, dem „Impact“, die Rückzahlung des eingesetzten Kapitals und eine Verzinsung oder Dividende. 21 Rubrik Der neue BMW 7er www.bmw.de/7er Freude am Fahren EXKLUSIVITÄT WEIT ÜBER DAS AUTOMOBIL HINAUS. Mit dem neuen BMW 7er eröffnet sich eine ganze Welt, die Ihnen eine nie da gewesene Exklusivität bietet. Das Erlebnis von souveräner Leistung und natürlicher Eleganz endet nicht mit dem Verlassen des Automobils – vielmehr wird es fortgeführt: mit dem BMW Excellence Club, einem Betreuungsprogramm für den Fahrer des neuen BMW 7er, das seinesgleichen sucht. Mit persönlich auf Sie zugeschnittenem Service, einzigartigen Angeboten aus Sport und Kultur sowie zahlreichen weiteren Privilegien erhält Automobilität eine ganz neue Dimension. Mehr Informationen über den neuen BMW 7er und den BMW Excellence Club unter 089 1250 16 000 oder www.bmw.de/7er DER NEUE BMW 7er. DER NEUE BMW EXCELLENCE CLUB. Kraftstoffverbrauch in l/100 km (kombiniert): 12,9–5,6. CO2-Emission in g/km (kombiniert): 303–148. 22 Als Basis für die Verbrauchsermittlung gilt der ECE-Fahrzyklus. Abbildung zeigt Sonderausstattungen. QR-Code scannen. Kontakt speichern. Zu jeder Zeit mehr erfahren. 23 Fotografie Der Flug des Octocopter Mit der Kamera seines ferngelenkten Fluggeräts präsentiert ein Fotograf einen neuen Blick auf die Welt T e x t: P e t e r S a n d m e y e r Fotos: Jörg Wischmann E in freundlicher Herbstabend an der Hamburger Binnenalster. Das Wasser spiegelt letztes Sonnenlicht, die Alsterfontäne sprudelt, Ruderer rudern, Schwäne betteln, Paare und Passanten promenieren. Plötzlich entsteht Unruhe, ein kleiner Auflauf bildet sich. Männer lassen ihre Frauen stehen und drängen sich um einen seltsamen Apparat, der auf dem Stoppelgras vor der Lombardsbrücke steht. Er sieht aus wie ein unförmiges großes Insekt: 1,20 Meter lang und 1,40 Meter b reit, er hat vier schwarze Carbonarme, die sich jeweils noch einmal gabeln, und an jedem Ende seiner acht Extremitäten einen Rotor. Untereinander sind sie verbunden mit einem wirren Geflecht aus Kabeln, Steckern und Platinen. Unter alldem hängt eine Kamera. Die acht Propeller setzen sich in Bewegung, rote und grüne Lampen Binnenalster / Hamburg Aufnahmehöhe 38 m 24 25 Fotografie Pferdekoppel / Lüneburger Heide Aufnahmehöhe 3 m Maisernte Aufnahmehöhe 25 m Lüneburger Heide Aufnahmehöhe 85 m Waldlichtung / Hamburg 26 Aufnahmehöhe 9 m Rundlingsdorf Güstritz / Wendland Aufnahmehöhe 8 m blinken auf, das Gerät hebt ab, Luftstrom faucht, es steigt auf, kippt etwas nach vorn und fliegt dann lautlos und rasend schnell hinaus auf das Wasser. „Octocopter“ nennt der 49-jährige Fotograf Jörg Wischmann sein jüngstes Arbeitsgerät, das er vor zwei Jahren gemeinsam mit einem versierten Techniker gebaut hat und das ihm seither eine neue fotografische Dimension erschließt: den Luftraum über Baumwipfeln und Dächern, aber unterhalb der Flughöhe eines Helikopters. Aus diesem Höhensektor des Himmels bieten sich Perspektiven, die zuvor von keiner Kamera wahrgenommen werden konnten. Wischmann steht am Ufer der Binnen alster und steuert seine fliegende Kamera vorsichtig immer näher an die Gischt der Wassersäule heran, die sich 60 Meter über der Alster bricht. Gesteuert wird per Fernbedienung über die Veränderung der Drehzahl der Rotoren. Pro Sekunde bekommt jeder Elektromotor 500 Signale. „Man muss sehr viel üben“, sagt der Pilot, der für seine Flüge eigens eine behördliche „allgemeine Aufstiegserlaubnis“ erwerben musste. Über Wischmanns Schulter hängt eine Tasche, in der sich die Stromversorgung für den Monitor befindet, den er in seinen Händen hält. Der zeigt ihm, was die Kamera sieht. Der Fotograf dirigiert sie jetzt in die richtige Position vor der Fontäne und löst aus. Sein Fluggerät kann in der Luft stehen, sich um die eigene Achse drehen, locker bis zur erlaubten Höhe von 300 Metern steigen und bis zu 100 km/h schnell fliegen. Mit einem Auto gleicher Geschwindigkeit könnte der Octocopter mühelos Schritt halten. „Die Einsatzmöglichkeiten“, sagt Wischmann, „sind sensationell.“ Aber zeitlich straff limitiert, der Fotograf muss sich jetzt beeilen. Der Monitor zeigt an, dass die Akkuladung seines Ap- 27 Fotografie Rundlingsdorf Satemin / Wendland Aufnahmehöhe 121m Queen Mary 2 / Hamburg Aufnahmehöhe 67 m Wempe-Sternwarte / Glashütte, Sachsen Aufnahmehöhe 76 m Chilehaus / Hamburg 28 Aufnahmehöhe 39 m Reetdachhaus Aufnahmehöhe 5 m parats zur Neige geht – sie reicht für sieben bis zehn Minuten pro Flug –, er muss den Einsatz schleunigst beenden, sonst droht ein Absturz in die Alster. Dann hätte er rund 15.000 Euro versenkt – 10.000 mit dem Octocopter und 5000 mit der Nikon D 800 und dem Objektiv, die dranhängen. In der Testphase ist ein solcher Crash schon passiert, zum Glück aus niedriger Höhe und mit begrenztem Schaden. Das fliegerische Risiko erhält immerhin etwas von dem Nervenkitzel aufrecht, der die früheren Berufsjahre des Fotografen prägte. Manche Abschnitte davon hat Jörg Wischmann in Gips verbracht. Das war eine unmittelbare Folge des Ehrgeizes, mit seinen Fotos möglichst genau das zu versinnlichen, was diese Fotos zeigten. Und das war sehr oft Extremsport. Wischmann fotografierte für „Stern“ und für „Geo“: Formel-1- und Motorradrennen, Motocross und Fallschirmspringen, Basejumping und wilde Kajakfahrten. Für letztere paddelte er selbst durchs Wildwasser mit einer wasserdichten Kamera, die in seinen Helm eingebaut war. Und um den Lesern eine authentische Vorstellung davon zu vermitteln, was der Fahrer eines Motorradrennens wahrnimmt, raste er über den Nürburgring mit Kameras, die am Motorrad und an seinem Knie befestigt waren. Bei einem Sturz brach er sich Bein und Wirbelsäule. Später kamen ruhigere Jahre, in denen er sich darauf spezialisierte, das virtuose Innenleben kostbarer mechanischer Uhren zu fotografieren, vor allem für Lange & Söhne. Aber auch da blieb er seinem Prinzip treu, mit Makrotechnik und unerhörter Schärfenpräzision eine besondere Sicht auf seine Objekte zu entwickeln. Fotograf Wischmann 29 D i r i ge n t e n Dirigenten Magie der Macht 30 Jahre lang schreibt Emanuel Eckardt als neugieriger Beobachter über Musik und erlebte in vielen Orchesterproben das Spannungsfeld zwischen Orchester und Dirigent. Wie üben die Pultstars ihre Macht aus? Wie motivieren sie ein miss gestimmtes Orchester? Spielen Machtfragen überhaupt noch eine Rolle? Antworten aus den Notizbüchern eines Reporters V on Elias Canetti stammt der Satz: „Es gibt keinen anschaulicheren Ausdruck für Macht als die Tätigkeit des Dirigenten.“ Vermutlich hatte er Machtmenschen wie Arturo Toscanini vor Augen. Der warf mit Taschenuhren, zerbrach Taktstöcke und verletzte einen Geiger mit dessen eigenem Bogen an der Stirn. Oder Wilhelm Furtwängler, den fast mythisch verehrten Ergründer der Tiefen des großen Beethoven, der rechtschaffen taktlos befand, „dass die Wiener Philharmoniker wie eine Kurkapelle klingen können und eine Kurkapelle wie die Wiener Philharmoniker“. Allein Leonard Bernstein empfand Sinnenlust beim Dirigieren. Es gäbe keinen Akt, welcher der Liebe näher käme, sagte er einmal. Herbert von Karajan sah eher einen Schöpfungsakt: Er behauptete, dass Orchester keinen eigenen Klang hätten, der entstehe erst durch den Diri genten. Ich darf ihn und die Berliner Philharmoniker 1981 als „Stern“-Reporter auf einer Japan-Tournee begleiten. Wir 30 sitzen uns im Dunkel einer Stretchlimousine gegenüber, unterwegs zum Flugsimulator der Japan Airlines. Der Maestro, der auch seinen Privatjet gern selbst flog, wollte beweisen, dass er auch eine Boeing 747 fliegen kann. Ich frage ihn nach seinem Verhältnis zum Orchester. „Das ist wie zu Kindern“, sagt er. „Ich lasse sie spielen, wie ich Kinder spielen lassen würde. Ich lasse sie kommen. Ich zeige ihnen nie, wie etwas gemacht wird. Ich lehre sie, Fehler zu finden. Wenn man es nicht stört, findet das Orchester von selbst einen Weg. Das ist wie beim Springturnier.“ „Beim Springturnier?“ „Ja sicher, man kann das Pferd nicht über die Hürde zwingen. Man muss dem Pferd den richtigen Winkel geben, an dem es losspringen kann. Nur dann nimmt es einen über die Hürde.“ Erstaunlich, wie dieses Orchester jede Hürde nimmt, und mit welcher Spielfreude. „Die Freude am Musizieren“, sagt er mit grollender Stimme, „die habe ich ihnen von Anfang an eingebläut. Immer wieder habe ich ihnen gesagt: ‚Es muss nicht nur schön klingen, es muss auch schön aussehen, wenn Sie sich anstrengen.‘“ Bei seinem ersten Auftritt 1938 in Berlin war vom „Wunder Karajan“ die Rede. Ich frage ihn, ob er an Wunder glaube. „Schauen Sie: Da wird ein Lauf gespielt von Leuten, die im Abstand von eineinhalb bis zwölf Metern vor mir sitzen. Ich höre sie alle. Sie hören sich untereinander nur sehr unvollständig, zum Teil überhaupt nicht. Und die spielen zusammen! Dass im entscheidenden Moment aus 115 Menschen eine Person wird, ein Atem, das zu erreichen braucht seine Zeit. Ich habe diese Zeit gehabt. Das ist das Ergebnis von 32 Jahren Arbeit und sehr viel Liebe. Aber es bleibt ein Wunder.“ Eine Stunde später sitze ich im Simulator der Japan Airlines hinter ihm. Herbert von Karajan dirigiert den Jumbo trotz heftigen Seitenwinds sicher auf die Landebahn. Ein kleiner Wackler. Mehr nicht. Foto: Dieter Blum T e x t: E m a n u e l E c k a r d t 31 D i r i ge n t e n Alexander Liebreich Die großen amerikanischen Orchester wurden von europäischen Dirigenten aufgebaut: Fritz Reiner, Serge Koussevitzky, George Szell oder Arturo Toscanini. Allesamt waren sie legendäre Autokraten und wurden wie Halbgötter verehrt. Der in England geborene Dirigent Leopold Stokowski wusste auch, warum Dirigenten (und Generäle) in der Regel so alt werden: „Vielleicht liegt es am Vergnügen, anderen seinen Willen aufzuzwingen.“ Christoph von Dohnányi übernahm 1984 die Leitung des von George Szell geprägten Cleveland Orches tra. Dort sehe ich ihm ein paar Tage lang bei der Arbeit zu. „Die Zeit der Pultstars ist vorbei“, erklärt er in einem unserer Gespräche. „Ich glaube, es ist etwas ganz anderes entstanden: eine Partnerschaft zwischen Dirigent und Orchester, die es unmöglich macht, dass sich ein Dirigent heute noch wie ein Star verhält. Wir erleben das Ende eines total patriarchalischen Systems mit dem Dirigenten als absolutem Herrscher.“ „Üben Sie denn keine Herrschaft aus?“ „Nein. Der Dirigent wird zu 80 Prozent für die Erarbeitung eines Konzerts gebraucht, und dann am Abend kommt das Moment der Inspiration dazu, die etwas Besonderes entstehen lässt, oder auch nicht. Aber kein Orchester kann bestehen, wenn nicht eine leitende Figur die musikalische Richtung bestimmt. Es geht nun mal nicht anders. Sie können nicht 50 Leute in einen Bus setzen und jedem ein Lenkrad, Gaspedal und eine Bremse zur Verfügung stellen. Der Bus käme nicht weit. Einer muss ans Steuer.“ 18 Jahre lang hat er den „Bus“ in Cleveland gefahren, ist dann nach London gegangen und war von 2004 bis Ende 2011 Chefdirigent des NDR Sinfonieorchesters in Hamburg. Jetzt dirigiert der 83-Jährige wieder in den USA, 32 Daniel Barenboim Wilhelm Furtwängler v orzugsweise die Big Five, die großen Orchester, die zu den besten Orchestern der Welt gehören. Peking, September 1998. Den Dirigenten Zubin Mehta treffe ich in der Verbotenen Stadt. Hier, im Allerheiligs ten des alten und des neuen China, inszeniert der chinesische Hollywood-Regisseur Zhang Yimou die Oper „Turandot“ als Kostümfest der großen Töne, das weltweit im Fernsehen übertragen wird. Sondereinheiten der Volksarmee marschieren als Statisten in prachtvollen Kostümen auf. Maestro Mehta, Chef des Israel Philharmonic Orchestra, soeben auch zum Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper in München ernannt, hat so gar nichts von einem musikalischen Heerführer an sich. „Motivation läuft nur über die Musik“, sinniert er, „nur wenn ich mich ganz auf die Musik konzentriere, wird das Orchester mir folgen.“ „Und das Publikum?“ „Das ist manchmal sehr schwer. Ich war 16 Jahre in Los Angeles. Wir haben sehr viele Konzerte außerhalb von Los Angeles gegeben. Da kann es passieren, dass Sie in einem Kino spielen müssen. Da sitzen Leute, die manchmal gar nicht wissen, warum. Sie haben die Konzertkarten geschenkt bekommen. Und für diese Menschen müssen Sie die Vierte von Brahms so spielen, dass Sie bei jedem von ihnen auf Lebenszeit einen Eindruck hinterlassen. Manchmal überkommt es mich dann, wenn ich in den Saal blicke. Dann sage ich mir: Ich will das nicht! Ich bin dafür nicht geschaffen! Trotzdem gehe ich hinaus aufs Podium. Die Musiker können nichts dafür, dass ich schlechte Laune habe. Und dann spielen sie die erste Phrase so schön, dass sich der Himmel auftut, und alles ist vergessen.“ „Und wenn ein Fehler in der Intonation dieses schöne Bild zerreißt?“ Fotos:ddp images/ap (2), Paul van Riel/[email protected], akg-images, ddp images/dapd, Getty Images/Cameron Spencer Claudio Abbado Simon Rattle „Fehler sind menschlich. Aber wenn ich sehe: Da sitzt ein Geiger, der sich langweilt, dessen linke Hand nicht vibriert; wenn ich spüre: Der ist mit den Gedanken ganz woanders, dann macht mich das wütend! Und diese Wut beeinflusst die Musik. Ich weiß: Das ist nicht fair. Nicht gegenüber dem Werk. Nicht gegenüber den Musikern, die alles geben.“ „Was würden Sie so einem gelangweilten Geiger sagen?“ „Dass wir als Musiker gesegnet sind. Wir dürfen jeden Tag die schönste Musik der Welt interpretieren. Wie kann sich jemand in diesen zwei Stunden eines Konzerts langweilen?! Er hat doch noch 22 Stunden vom Tag, wo er viel besser abschalten kann. Warum auf der Bühne? Aber dann kann es Ihnen auch passieren, dass der Musiker sagt: Dieser Dirigent hat mich einfach nicht inspiriert.“ Von Claudio Abbado, 79, geht eine Aura aus, die sich nicht in Worte fassen lässt, die ein Orchester mitreißt und einen ganzen Saal verzaubert. Bei Proben ist das anders. Ich habe ihn bei den Berliner Philharmonikern erlebt. Er wirkte müde, beugte sich tief über die vom Vater geerbte Taschenpartitur. Einmal fragte ich ihn: „Warum tragen Sie keine Brille, Maestro?“ „Toscanini hat mir einmal gesagt: Dirigiere nie mit Brille. Das Orchester muss deine bösen Augen sehen.“ „Aber was macht ein Dirigent, der keine bösen Augen hat?“ „Er kann sich trotzdem mit Blicken verständlich machen.“ „Auch wenn die Musiker tief in die Noten gucken?“ „Sie sehen alles, glauben Sie mir.“ Zu den Berliner Philharmonikern, die ihn 1989 als Nachfolger von Herbert von Karajan zum Chefdirigenten wählten, wahrte er – bei aller Nähe – über mehr als ein Jahrzehnt eine merkwürdige Distanz. Er kannte jeden Musiker beim Christian Thielemann Vornamen. Sie nannten ihn Claudio. Sie haben Sternstunden mit ihm erlebt, große Abende, die aus dem Musikeralltag herausragten. Aber die Probenarbeit mit ihm empfanden viele von ihnen als anstrengend. „Es macht die Arbeit mit ihm nicht immer leicht, dass er niemals äußert, was er sucht“, klagte ein Geiger. Karajan, ja der wusste immer, was er hören wollte, und er verlangte es, manchmal barsch, immer deutlich. Und als Günter Wand mit ihnen Schuberts große C-Dur-Symphonie probte, rief er aus: „Meine Herren, das ist keine Orchidee, das ist eine Wiese. Lassen Sie etwas spüren von der Bescheidenheit, über eine Wiese zu staunen.“ Abbado liefert keine Bilder. Bei ihm sollen die Musiker nur hören, was sie selbst spielen, ein musikalisches Mitbestimmungsmodell, in dem der Dirigent als schweigender Moderator eine sensibel und manchmal auch sauer reagierende Selbsterfahrungsgruppe anleitet, ihren eigenen Weg zu finden. „Warum mögen Sie Ihre Vorstellungen nicht in Worte kleiden, Maestro?“ „In Konzerten rede ich gar nicht.“ „Gibt es denn bei Proben nichts zu erklären?“ „Warum sollen Musiker auf meine Worte hören? Und nicht auf das, was sie und die anderen spielen? So entsteht Musik.“ Daniel Barenboim, 69, in Buenos Aires als Kind russisch-jüdischer Eltern geboren, wurde als zwölf Jahre altes Klavier spielendes Wunderkind von Wilhelm Furt wängler eingeladen, in Berlin zu konzertieren. Der Vater fand, es sei noch zu früh für ein jüdisches Kind, neun Jahre nach dem Ende des Holocausts in Berlin aufzutreten. Das Kind wurde zum Weltstar als Pianist und Dirigent. Der Generalmusikdirektor der Staatsoper Unter den Linden ist viel 33 D i r i ge n t e n Arturo Toscanini Leonard Bernstein unterwegs. Einmal haben wir uns im Flugzeug verabredet, obwohl er ungern gleichzeitig fliegt und Fragen beantwortet. Machtfragen schon gar nicht. „Ich weiß nicht, wie dieses Bild des Dirigenten als Machthaber überhaupt entstehen konnte. Macht über Musik haben zu wollen ist für mich eine absurde Idee von Autorität. Macht heißt Kontrolle. Aber der Dirigent ist derjenige, der am wenigsten Kontrolle hat unter allen Musikern. Er hat keinen direkten Kontakt zum Klang. Er ist immer abhängig, von dem, was der Oboist will, und ob der Oboist kann, was er will. “ „Was passiert, wenn Dirigenten Fehler machen?“ „Das merkt doch keiner. Wenn ein Geiger sich in einem Streichquartett verspielt, kann es jeder hören. Aber beim Symphonieorchester kann niemand hören, wo der Fehler des Dirigenten anfängt. Ein gutes Orchester organisiert vieles ohne den Einfluss des Dirigenten. Wie oft hat Karajan das Orchester einfach spielen lassen? Der hat doch nicht jedes Achtel präzise geschlagen.“ Einmal habe ich den Maestro nach Ramallah begleitet, im Mai 2004. Es ist heiß im Palestine Media Centre. Presse füllt den Raum, Fernsehteams haben ihn auf dem Schirm. Good News. Zum ersten Mal seit 1936 gibt es ein Orchester in Palästina, ein Jugendorchester, das nun ein erstes Konzert geben wird: Das West-Eastern Divan Orchestra mit Musikern im Alter von 14 bis 25 Jahren aus Andalusien, Ägyp- 34 Honeymoon in Berlin. Nach langem Zögern hat Simon Rattle die Nachfolge Claudio Abbados angetreten. Eine fast unwirkliche Euphorie erfasst das Orchester, die Musiker sprechen vom Honeymoon mit Simon. Simon nimmt auf, was vom Orchester kommt. Bei Simon ist alles klar. Simon sagt wunderbare Sachen. Simon ist witzig, immer charmant, aber in der Sache unglaublich ernst. Simon hat unsere Bereitschaft, etwas Neues zu machen, super abgerufen. Sein Haydn: toll, voller Humor, eine Entdeckung. Und dann dieser Bruckner! Bruckners Symphonien waren für die Musiker das Vermächtnis des Dirigenten Günter Wand, der im Februar 2002 im Alter von 90 Jahren starb. Sie haben seinen Bruckner noch im Ohr, seine gläserne Größe, seine Wucht. Wand hatte ihren Bruckner eisenhart ausgekehrt. „Schmusen Sie nicht!“, hatte er den Streichern zugerufen. Wie überrascht sie nun waren. Wie Simon ranging bei der neunten Symphonie, ohne Schmus, aber mit Sinn für den Atem, für große Bewegung. Er hat das Werk wie eine Kathedrale hingestellt, sagen sie. „Guys“, rief der Neue, „das waren die fantastischsten Wochen meines Lebens.“ Ein wunderbarer Anfang. Heute sind es zehn Jahre Ehe, über die es viel zu erzählen gäbe, aber das ist eine andere Geschichte. Wie schwer es Frauen haben, wenn sie einem Orches ter als Dirigentin gegenübertreten, habe ich in Pjöngjang gelernt. Der Deutsche Akademische Austauschdienst und Fotos: akg-images, Robert Maass/Corbis ten, Syrien, Iran, Libanon, Jordanien, Tunesien, Israel und Palästina. „Als Musiker kämpfe ich gegen zu viel Lärm und gegen die Stille“, sagt er. „Lärm, das sind für mich Panzer, Bomben und die täglichen Gewaltandrohungen auf beiden Seiten. Stille ist das Schweigen der Mehrheit, das ich unerträglich finde.“ Mit der Gründung dieses Orchesters verbindet er die Vision, „dass dieser Wahnsinn eines Tages beendet sein wird, dass in Palästina zwei Staaten in Freiheit und Gleichheit in friedlicher Nachbarschaft existieren.“ Wie das West-Eastern Divan Orchestra es vorlebt. Im vergangenen Jahr war es auf dem Lucerne Festival zu hören, mit Beethovens fünfter und sechster Symphonie. Barenboims Baby, zum WeltklasseOrchester gereift. Auch ein Wunderkind. Zwölf Jahre und schon erwachsen. das Goethe-Institut hatten Alexander Liebreich, 44, heute Chefdirigent des Münchener Kammerorchesters und seit Anfang September auch des Nationalen Symphonieorchesters des Polnischen Rundfunks, in die Hauptstadt Nordkoreas eingeladen, um dort Dirigenten auszubilden. Ich durfte mit, als Reporter für die „Zeit“, erlebte Proben und Konzerte und kam aus dem Staunen nicht heraus. Die jungen Musiker des Universitätsorchesters und des IsangYun-Ensembles spielten Kompositionen vom Blatt, die sie vorher noch nie gehört haben. „Ich habe mich hier geschämt für unsere westliche Arroganz asiatischen Musikern gegenüber“, sagt der Dirigent aus Deutschland. „Ich bin total beeindruckt. Von asiatischer Zurückhaltung spüre ich nichts. Im Gegenteil. Das ist Leidenschaft pur, wie die rangehen! An der Selbstverständlichkeit, mit der sie Musik machen, merkt man, dass sie von Kind an damit groß geworden sind.“ Die jungen Dirigenten wechseln sich ab. Als es darum geht, wer ein Stück aus der ersten Mahler-Symphonie dirigieren soll, baut sich Widerstand auf. Alexander Liebreich hat die Studentin Mrs. O. dafür ausgewählt. Die stets anwesenden Funktionäre und Dozenten wollen das nicht. Eine Frau kann das nicht, sagen sie. Nur widerwillig akzeptieren sie am Ende den Wunsch des Dirigenten, der hoch musikalischen Studentin O. diese Aufgabe zuzuweisen. Mrs. O. hat die Diskussion mitbekommen und ist völlig eingeschüchtert. Scheu blickt sie ins Orchester, in dem so viele Männer sitzen, fast alle älter als sie. Sie dirigiert präzise, aber verklemmt. Das Orchester spielt lausig. Liebreich greift ein, drückt ihr seine Aktentasche in die Hand und verlangt: „So, jetzt dirigieren Sie!“ Die Wirkung ist erstaunlich. Das Orchester spürt, welche Kraft notwendig ist, mit einer schweren Aktentasche in der Hand zu dirigieren. Die Dirigentin hat plötzlich Respekt, Ausstrahlung, Autorität. Das Orchester klingt gleich ganz anders. Thomas Hengelbrock, seit 2011 Chefdirigent des NDR Sinfonieorchesters und Hamburgs Hoffnungsträger als musikalischer Hausherr der künftigen Elbphilharmonie, sieht keinen Grund, den Zeiten nachzutrauern, in denen sich das Bedürfnis nach Autorität an der Figur des Dirigenten festmachte. „Das ist einer aufgeklärten Gesellschaft nicht würdig.“ „Kann Musik demokratisch funktionieren?“ „Demokratie ist anstrengend. Der Streit der Meinungen kann nicht mit Machtworten gelöst werden. Am Ende steht der Kompromiss. In der Musik ist das anders: Wir leben ein Ideal der Demokratie. Wir ziehen alle an einem Strang, wir folgen einer gemeinsamen musikalischen Idee, die im Werk des Komponisten sichtbar wird. Der Weg dorthin ist mühsam. Mit basisdemokratischen Verfahren kommen wir nicht weit, es braucht einen Dirigenten, der diese Idee erkennt und verfolgt, aber er kann es nicht allein. Das System muss durchlässig sein, er muss hören, was aus dem Orchester kommt, offen sein für Ideen und Freiheiten lassen für ihre Entwicklung.“ „Braucht es in der Probe nicht klare Ansagen?“ „Es läuft nicht über Autorität oder Ansage, sondern über Energie. Ich setze die Leute auf meinen Atem. Es braucht auch Feingefühl, Kommunikation, Aufeinanderhören.“ „Stellt sich nie die Führungsfrage?“ (Lacht) „Die Führung übernimmt die Bassgruppe. Das ist ganz wichtig! Nichts ist so schlimm wie Bässe, die schleppen.“ „Welche Rolle spielen die Solisten?“ „Sie sind Impulsgeber im Orchester. Ein Dirigent sollte die Solisten nicht bevormunden, sie haben es schwer genug, sondern ihnen Freiheiten geben, Vertrauen.“ „Wie gehen Sie mit Musikern um, die Schwächen zeigen?“ 35 D i r i ge n t e n Thomas Hengelbrock Ge fäh r li c h e r Zau b e r stab Die Partitur Die Partitur ist Herrschaftswissen. Die Musiker im Orchester haben ihre „Stimme“ auf den Pulten, die Noten, die nur für ihr Instrument bestimmt sind. Die Stimmen der Streicher mit den Bogenstrichen, die sie in ihrer Gruppe vereinbart und mit Bleistift in ihre Notenblätter eingetragen haben. Der Dirigent hat alle Stimmen vor sich, angefangen bei den Holzbläsern mit Flöten, Oboen, Klarinetten und Fagotten, gefolgt von den Blechbläsern: den Hörnern, Trompeten, Posaunen und Tuben. Den Schlaginstrumenten Pauke, Celesta, Glockenspiel oder Xylofon, Trommeln, Becken und Triangel folgen die Harfe und die fünf Gruppen der Streicher: erste und zweite Violinen, Bratschen, Celli und Kontrabässe. Das bedeutet: Ein Dirigent liest nicht eine, sondern üblicherweise rund 20 Zeilen gleichzeitig. Es geht die Legende, dass Ausnahmebegabungen wie Lorin Maazel oder Daniel Barenboim mit einem Blick auf die Seite einer Orchesterpartitur nicht nur alle Stimmen sehen und hören können, sondern das Blatt auch sofort in ihrem fotografischen Gedächtnis speichern. Bei Proben ist die Partitur unerlässlich, im Konzert gilt, was Hans von Bülow einst von seinem Assistenten Richard Strauss verlangte: „Sie müssen die Partitur im Kopf und nicht den Kopf in der Partitur haben.“ Die meisten dirigieren auswendig, was sie in den Proben mit dem Orchester einstudiert haben, suchen den Blickkontakt mit dem Orchester. Doch es gibt Werke, vor allem Musik des 20. und 21. Jahrhunderts, bei denen auch während des Konzerts die Partitur auf dem Dirigentenpult unverzichtbar ist. 36 Heute verwenden die musikalischen Einsatzleiter meist ein „Billigteil“ aus Glasfiber. Esa-Pekka Salonen und Christoph Eschenbach bevorzugen das Modell K 13, ein Serienprodukt von Yamaha. Edlere Teile sind aus Balsaholz oder Ahorn mit einem runden oder länglichen Griffteil aus Kork. Naturreine Taktstöcke sind wetterfühlig. In feuchter Luft werden sie krumm. Sie sind aber um vieles robuster als eine Stradivari. Der Taktstock von Kent Nagano wurde von einem Hund gebissen, von einer Katze angenagt und von einem Cadillac überfahren. Taktstöcke geraten schnell außer Kontrolle, schwirren ins Orchester, sausen ins Publikum. Das Verletzungsrisiko ist groß. Nicht nur blutige Anfänger wanken angestochen vom Pult. Manch großer Maestro musste schon an der Hand operiert werden, weil er sich den Taktstock hineingerammt hat. Taktstöcke brechen schnell, durchstoßen das Trommelfell, bleiben im Oberkörper stecken. Simone Young riss der Taktstock einen Ohrring heraus, Sir Georg Solti blutete am Auge, Eliahu Inbal stach ihn sich mitten ins Auge hinein. Zum Glück war der Nerv nicht getroffen. Angst oder Angewohnheit: James Levine hält sein Stöckchen so fest, dass sein Arm zu steif wurde fürs Klavierspiel. Andere machen um den gefährlichen Zauberstab einen Bogen. Kurt Masur kann keinen Taktstock halten, weil bei einem Autounfall seine Hand verletzt wurde. Mariss Jansons hatte zwei Operationen am rechten Daumen. Die Partitur ist kein Gesetzestext. „Noten sind Andeutungen“, sagt Herbert von Karajan, „Musik ist Interpretation und die Notenschrift eine der ungenauesten Schriften, die es gibt.“ Gern erzählt er von einem Gespräch mit dem Physiker Werner Heisenberg, den er gut kannte. „Untersuchen Sie eine Schneeflocke“, hatte der ihm geraten. „In dem Moment, wo man sie mit der Hand berührt, hat sie sich verändert. Genauso ist das mit der Musik.“ In großen Orchestern werden Dirigentenpartituren wie Schätze gehütet, in denen Newcomer viel über die Interpretation ihrer Vorgänger lernen. Ein schweres Erbe, manchmal auch physisch. Vor allem Chorpartituren haben es in sich. Wenn Thomas Hengelbrock auf Reisen ist, trägt er einen Rucksack, unter dem manch gestandener Möbelpacker zusammenbrechen würde. Der Taktstock Der Taktstock ist das billigste und gefährlichste Musikinstrument. Jean-Baptiste Lully, Komponist und Kapellmeister am Hofe Ludwig des XIV. benutzte als Taktstock ein langes Rohr, mit dem er den Takt auf dem Boden schlug. Bei der Probe zu einem „Te Deum“ mit 400 Mitwirkenden verletzte er sich mit dem Stock am Fuß und starb 1687 an Wundbrand. Johann Sebastian Bach warf mit seiner Perücke, Beethoven verschwand schon mal hinterm Pult, um sein Orchester zum Pianissimo zu bewegen. Offenbar vertrauten sie nicht auf das Mysterium des Taktstocks. Gasparo Spontini (1774–1851) dirigierte noch mit einem dicken Stab aus Ebenholz mit Elfenbeinknäufen an beiden Enden; Hector Berlioz (1803–1869) steuerte seine Klangmassen mit einem schweren Eichenstock. Carl Maria von Weber (1786–1826) half sich mit einer Papierrolle aus Notenblättern, das Gesicht dem Publikum zugewandt. Erst Felix Mendelssohn Bartholdy (1809– 1847) brachte Eleganz ins Spiel, er bevorzugte ein mit weißem Leder bezogenes Fischbeinstäbchen. Richard Wagner (1813–1883) mühte sich bei der Probe des „Rienzi“ mit einem abgesägten Quirl. Hans von Bülow (1830–1894), erster Chef am Pult der Berliner Philharmoniker, war der erste nicht selbst komponierende große Dirigent im Hauptberuf. Der begnadete Showmaster ließ sich zum Trauermarsch in Beethovens „Eroica“ schwarze Handschuhe auf einem Silbertablett reichen. Fotos: Corbis, Angelika Warmuth/dpa Picture-Alliance Orchesterproben Amerikanische Orchester proben weniger, weil sie schon bei der ersten Probe konzertreif spielen. Hierzulande suchen Dirigent und Orchester in den Proben den Weg zu neuen Erfahrungen. Zubin Mehta berichtet von 33 Proben für den „Tris tan“ in München. „Proben vertiefen die Erkenntnis über das Werk“, sagt Thomas Hengelbrock, „in der Regel sind leider immer zu wenig Proben angesetzt.“ Bei den Berliner Philharmonikern setzt der Chefdirigent für ein Werk des Repertoires meist fünf Proben an. Karajan achtete darauf, dass Gastdirigenten selten mehr als drei Proben bekamen. „Auch wenn sie fünf Proben bekommen, kriegen sie nicht das zu hören, was ich bekomme“, sagte er selbstbewusst. Immerhin hatte er 33 Jahre lang mit dem Orchester geprobt und musiziert. Pierre Boulez, berühmt für seine Körpersprache und Schlagtechnik, lehnt Taktstöcke kategorisch ab. „Manche Dirigenten identifizieren sich mit dem Taktstock“, sagt er. „Es ist viel besser, selbst ein Taktstock zu sein.“ Sein Kollege René Jacobs verachtet das Stöckchen gar als „eine Art faschistoide Erfindung des 19. Jahrhunderts“. Thomas Hengelbrock dirigiert ohne, Christian Thielemann mit. Doch zu Hause, wenn niemand zusieht, sitzen sie über ihren Stöcken; Colin Davis repariert in seiner Küche einen zerbrochenen Stab, klebt ihn mit Uhu, umwickelt ihn mit Garn. Gerd Albrecht nagt so lange an seinem Taktstock, bis er die richtige Länge hat. Die britische Dirigentin Sian Edwards glättet die Spitze ihres Stöckchens mit Sandpapier und taucht sie in Tipp-Ex, damit es in schönstem Weiß erstrahlt. Und wenn ein Stab nicht mehr zu retten ist? Bernard Hai tink hebt alle für seine Freunde auf. Sie nehmen sie immer wieder gern. Fürs Barbecue, um Würstchen darauf zu braten. „Ich bin auch als Dirigent nicht vom Himmel gefallen. Sicherheit erwirbt man durch Erfahrung. Man sollte als Dirigent auch immer ein guter Kollege sein und nicht vergessen: Irgendwann haben wir alle zusammen im Orches ter gesessen. Es wäre extrem unsolidarisch, wenn man nicht auch die Schwächeren mitnimmt. Es gibt Chefdirigenten, die bestimmte Musiker eines Orchesters nicht am Pult sehen wollen, wenn sie dirigieren. Das ist für diese Musiker vernichtend und für das Orchester ein großes Problem. Ich finde, das geht nicht. Wir leben auch davon, dass wir in einem Orchester einen sozialen Frieden verwirklichen.“ September 2012. Christian Thielemann gibt sein Antrittskonzert als Kapellmeister der Staatskapelle Dresden, gegründet 1548. Carl Maria von Weber und Richard Wagner dienten hier als Hofkapellmeister, Robert Schumann und Richard Strauss standen am Pult dieser Kapelle, die unbeeindruckt vom Zeitgeist ihren höchst eigenen Originalklang bewahrt hat: dunkel, tief und glanzvoll schimmernd. Eine Zeitinsel. Thielemann hat dort gefunden, was er suchte: das Klangideal von Furtwängler, Knappertsbusch und Karajan. In der Semperoper dirigiert er Bruckners siebte Symphonie, lässt das Riesenwerk leuchten. Das Orchester folgt jedem Fingerzeig seiner schönen Hände voller Hingabe und mit fliegenden Bögen. Der Neue kann den Klang streicheln, Blicke schleudern, mit vorgerecktem Kinn Gefolgschaft befehlen oder die Musiker mit der wuchtigen Attacke seiner machtvollen Körpersprache zum Äußersten treiben. Ein Kapellmeister der alten Schule, jung, dynamisch und selbstgewiss. Beim Festakt in der Gläsernen Manufaktur verspricht er den Dresdner Klang zu bewahren. Es wird sein Klang sein, Thielemann pur. „Was gibt es Schöneres, als immer aufs eigene Konto einzuzahlen“, lacht er. Ein Triumphator im Glück. 37 Ra V uc bh re i kr o n C o n s t a n t i n Luxus ist es, sich Zeit zu nehmen In der Genfer Uhrenmanufaktur Vacheron Constantin entsteht seit 257 Jahren Kunsthandwerk auf höchstem Niveau. Ein Hausbesuch T e x t : DORIAN I V EN W ie das Scherwerk eines überdimensionalen Trockenrasierers ragt die Firmenzentrale von Vacheron Constantin ins weiträumig bebaute Landschaftsbild von Plan-les-Ouates, wenige Kilometer südlich von Genf gelegen und weltbe rühmt als Uhrheimat Schweizer Präzision. Auch Piaget, Patek Philippe und Rolex gehen hier zu Werke; Frankreich liegt in Sichtweite. Im Inneren zeigt sich der „Rasierer“ unter kühn schwingendem Dach als transparente Arbeitswelt mit viel Glas und lichten Räumen, ein Entwurf des französisch-schweizerischen Meisterarchitekten Bernard Tschumi, der auch schon Paris mit der Gestaltung des Parc de la Villette und Athen mit dem Akropolis-Museum zu bereichern wusste. Vacheron Constantin, älteste, kontinuierlich tätige Uhrenmanufaktur der Welt, zählt zu den ganz wenigen Unternehmen, die gleichsam vom Gipfel der Uhrmacherkunst auf die unruhigen, digital vermessenen und elektronisch getakteten Zeitläufte herabblicken. Mit der ersten Einstellung eines Lehrburschen gilt der 17. September 1755 als Gründungsdatum des Handwerksbetriebs. 1755 schmachtete Casanova in den Bleikammern des Dogenpalastes in Venedig, und Anna Maria Mozart, geborene Pertl, ging mit ihrem Wolferl schwanger. Lange her. Ungewöhnlich ist es schon, dass eine Manufaktur, in der gearbeitet wird wie vor 257 Jahren, von keiner technischen Revolution, keiner Automatisierung und von keinem Chipstorm davongefegt wurde, sondern immer noch in Handarbeit Produkte fertigt, denen niemand ihre künftige Museumsreife absprechen würde. Unter den Uhren, die in der Genfer Manufaktur entstanden, gibt es Überraschungstaschenuhren für Herren, die als eckige Silberdosen getarnt sind, oder die Fliegeruhr von 1904 mit Chronometer-Uhrwerk und langem Lederband, am Oberschenkel zu tragen, entwickelt von den Motorflugpionieren Orville und Wilbur Wright. Es gibt eine Uhr mit schrägem Zifferblatt für Rennfahrer, damit die Hand am Lenker bleibt. Und es gibt die Tour de l’Ile, Kaliber 2750, mit 834 Bauteilen, das Resultat von über 10.000 Stunden Forschung und Entwicklung: Minutenrepetition auf Abruf, Tourbillon, Mondphase und Mondalter, Schaltjahrzyklus, Sonnenaufgang, Sonnenuntergang, Himmelskarte. Nur sieben Stück wurden von Hand gefertigt. Die Kunsthistorikerin Armelle Carreras führt durch das Werk. Sie spricht deutsch mit französischem Akzent, also frei von uncharmanten Rachenlauten. Am Arm trägt sie einen zierlich-eleganten Zeitmesser mit dem flachsten mechanischen Uhrwerk der Welt, 1,64 mm hoch, was in etwa der Höhe einer Ein-Eurocent-Münze entspricht. Beredt und mit Uhrmacherkunst in kleinen Schritten Der Graveur legt die Umrisse fest, der Emailleur legt einen Goldfaden um die Felder, füllt sie mit Farbpulver und brennt die Emaille in mehreren Arbeitsschritten. Der Guillocheur stichelt das Federkleid der Tauben, der Steinsetzer platziert 40 Brillanten (großes Bild links) 38 39 Vac h e r o n C o n sta n t i n ansteckender Begeisterung führt sie den Gast in die Wunderkammern Schweizer Präzisionsarbeit, lenkt den Blick auf Winzigkeiten, die auch unter der Lupe kaum zu sehen sind, wie die handgemachten goldenen Schräubchen, so winzig klein, dass 30.000 einen Fingerhut füllen würden; es sind die kleinsten Schrauben der Welt. Jede einzelne will mit der Pinzette erfasst und fest verschraubt werden. Die Spitze des Schraubendrehers ist rasierklingendünn. Wir sind eindeutig an der Grenze des Menschenmöglichen angelangt. D as Handwerk ist viele Hundert Jahre alt, aber Präzi sion und Messgenauigkeit sind State of the Art. Computer helfen bei Design, Prüfung und Fehleranalyse; Elektrokardiogramme prüfen die Hemmung der Uhren. Wie Notenlinien strömen die Messwerte als schwarze Streifen aus dem Drucker, keine Abweichung, kein Zittern, so soll es sein. Madame Carreras gestattet einen Blick ins Binokular. Was für ein Objekt! Im gleißenden Licht füllt das Innere einer Uhr mit dem ultraflachen Kaliber 1003 das Bild, skelettiert, sodass nur die tragenden Brücken und Flächen stehen blieben und das filigrane Räderwerk bei der Arbeit sichtbar wird, der hoch komplizierte Bewegungsablauf und das verwirrende Huschen der Unruh mit ihren 18.000 Schwingungen in der Minute. Rubine leuchten, Gold schimmert, feinste Gravuren und polierte Kanten brechen das Licht. Technik in vollendeter Schönheit, Handwerk als Kunst. Das charakteristische Malteser Kreuz zeigt den Stolz des Hauses, das goldene Gütesiegel der Genfer Punze verbrieft Herkunft und höchsten Qualitätsstandard. 1886 wurde das begehrte Siegel zum ersten Mal vergeben und seither dem Stand der Technik entsprechend modifiziert und aktualisiert. Die Genfer Punze bekommt nur eine Uhr mit polierten Flächen und von Hand anglierten Kanten. Das Werk muss in Genf oder im Kanton Genf eingeschalt werden, und das entspricht einer geschützten Herkunftsbezeichnung wie beim Champagner oder beim Parmaschinken. Man nimmt es hier genau. Jede Uhr bekommt einen vierfachen 40 Glanzvolle Komplikation Mechanische Uhr Anatomie eines Kunstwerks in Rotgold mit Handaufzug, Kaliber 2755. Minutenrepetition auf Wunsch, Tourbillon, ewiger Kalender und 58 Stunden Gangreserve Polierte Kanten, geschliffene Stirn flächen, perlierte Platine, Genfer Streifen und Korbmuster. Wahre Schönheit kommt von innen Identitätsnachweis: Nummer des Kalibers, Werksnummer, Gehäusenummer und Nummer der Genfer Punze. Nur Uhren mit korrektem Identitätsnachweis werden zur Reparatur angenommen. Ohne dieses Echtheitszertifikat sind sie bei Auktionen unverkäuflich. Eine harte Nuss für Fälscher. Allerdings gibt es eine Sicherheitslücke: Fälscher, die eine Originaluhr kaufen, um sie in einigen Hundert, naturgemäß minderwertigen Exemplaren nachzubauen, prägen am Ende die Nummern des Originals in die Fälschungen. Der Trick: Zertifikate lassen sich fälschen, die Papierform stimmt mit den Codes im Inneren der Uhr überein. Jetzt kann nur noch ein geschulter Uhrmacher erkennen, dass da etwas nicht stimmt. Wer nicht sicher ist, sollte die Uhr einem Meister von Vacheron Constantin zur Prüfung vorlegen. Im Inneren liegt die Wahrheit. Komplizierte Uhren haben eine Vielzahl handwerklicher Finessen, Prägungen, Schliffe und Guillochierungen wie die Genfer Streifen, die sich unter bestimmtem Lichteinfall verändern. Wer diese Uhren originalgetreu nachbauen wollte, müsste vermutlich Jahre an der Fälschung arbeiten. In der Haute Horlogerie, der hohen Uhrmacherkunst, vereinigen sich die Handwerkskünste Gravur, Emaillierung, Edelsteinfassung und Guillochierung. In der Serie Me tiers d’Art – Les Univers Infinis bauen die Meister von Vacheron Constantin dekorative Automatikuhren mit Zifferblättern nach Vorbildern des niederländischen Meisters Maurits Cornelis Escher (1898–1972). Der Blick durch den Saphirglasboden erfasst die perlierte Platine, Genfer Streifen auf Brücken und Kloben und das Korbmuster der guillochierten Aufzugschwungmasse. Es gibt drei Motive: Tauben, Muscheln und Fische. Je 20 Exemplare werden in limitierter Auflage als Sammlerstücke angeboten. Im „Atelier des Grandes Complications“ ist die Stille spürbar wie eine Wand aus Watte. Hier werden hoch komplizierte Uhren gebaut, Grandes Complications sind einsame Spitzenprodukte in der Gipfelregion des Uhrmacherhandwerks, hoch über den Seilschaften der Designeruhren, dem Schwemmland der Serienproduktion und den MikrochipLawinen. Pardon, selbst schmucke Uhren mit Mondphasen und Gangreserve gelten in diesem Atelier als einfache Komplikationen. Hier geht es um mehr. „Wer hier anfangen will, sollte zehn bis 15 Jahre Erfahrung mitbringen“, sagt Atelier leiter Chrystian Lefrançois. Am 1. Mai 1966 kam er zu Vacheron Constantin; im nächsten Jahr wird er in Pension gehen. Und es wird ihm so ergehen wie den meisten hier. Er kann und will nicht aufhören. Er wird weitermachen, mit reduzierter Arbeitszeit … Mal sehen. Lefrançois bildet seit vielen Jahren Meisteruhrmacher aus, was sehr viel mehr bedeutet als Uhrmachermeister. Er betont, dass es hier keine Hierarchien gebe. Wer hier arbeitet, ist nicht Teil eines Produktionsprozesses, sondern baut in 300 bis 400 Arbeitsstunden „seine“ Uhr allein, vom Anfang bis zum Ende. Dabei protokolliert er jeden wichtigen Arbeitsschritt fürs Archiv. So entsteht – hilfreich für künftige Reparaturen – ein Charakterbild seiner Uhr. Es ist nicht entscheidend, wie lange er für seine Arbeit braucht. Es genügt, dass die Uhr perfekt ist. Meisteruhrmacher genießen künstlerische Freiheiten. Sie kommen und gehen, wann sie wollen. Es gibt für sie keine Stechuhren. Manche arbeiten gern nachts, wenn alles still ist. S onderwünsche werden im „Atelier Cabinotiers“ für die Individualanfertigung erfüllt. Es residiert in Genf, im historischen Firmensitz auf der Insel im Genfer See. Der Kunde kann eine Uhr nach eigenen Vorstellungen entwerfen lassen, auch ein nur für ihn entwickeltes Werk. Das kostet drei bis fünf Millionen Euro, dauert drei bis fünf Jahre. Von solchen Uhren produziert diese Abteilung höchs tens 40 Stück pro Jahr. Der Clou aller Uhrmacherkunst gelingt Vacheron Constantin mit einer kühnen Tat, die eigentlich kaum zu fassen ist: Die Kunsthandwerker von Genf miniaturisieren das Deckengemälde der Pariser Opéra Garnier für eine Uhrenserie. 1963 hatte der französische Kulturminis ter André Malraux bei dem damals 77-jährigen Künstler Marc Chagall das Kolossalbild in Auftrag gegeben. Ein Jahr lang brauchte der Meister für sein monumentales Spätwerk, 220 Quadratmeter Poesie und Musik in fünf Segmenten, und das in 20 Meter Höhe, große Oper fürwahr. Nun wird das Meisterwerk auf die Fläche von acht Quadratzentimetern miniaturisiert, als Sammlerstück der Uhren kollektion Metiers d’Art – Hommage aux Compositeurs Illustres. Zwölf Unikate sind geplant. Das erste soll auf dem Zifferblatt die Nachbildung des vollständigen Deckengemäldes zeigen, ausgeführt in Emaillemalerei und gebrannt in der traditionellen Genfer „Grand Feu“-Technik, die kaum noch e in Künstler beherrscht. Niemand wird diese Uhr erwerben können. Sie landet im Museum von Vacheron Constantin. Die folgenden elf Unikate kosten rund 145.000 Euro und sind jeweils einem der Komponisten gewidmet, deren Werk Chagall in seinem Deckengemälde die Ehre erweist. Drei Uhren sind schon fertig. Die anderen folgen in den nächsten Jahren. Eine Miniatur in dieser Klasse des Extrem-Filigranismus braucht Zeit, vier Monate mindestens. Um seinen Chagall in hauchzarten Strichen aufzutragen, bewegt der Künstler unter dem Binokular einen dünnstmöglichen Pinsel mit allenfalls zwei bis drei Haaren des sibirischen Rotmarders. Die Arbeit des Grand-Feu-Emailleurs ist nur mit großer Erfahrung zu bewältigen. Die hauchzarte, aber glasklare und sehr harte Grand-Feu-Emaille schmilzt bei Temperaturen über 800 Grad Celsius. Jede Farbe, jede Nuance muss eigens im Ofen gebrannt werden und lässt sich hinterher nicht mehr korrigieren. 20 Brennvorgänge sind nicht ungewöhnlich. Dominique Bernaz bittet zum Lunch, ein Gentleman in vollendeter Symbiose von Schlaksigkeit und Eleganz. Monsieur Bernaz leitet das Atelier Cabinotiers von Vacheron Constantin in Genf und gehört damit zum engsten Führungskreis des Weltunternehmens. Seine Augen blicken abenteuerlustig, am Arm trägt er die Aronde, eine „Schwalbe“ in Weißgold, 1954 als Prototyp für die Swiss Jewellery Collection gebaut, eine Pillendose als Taschenuhr für Herren und Fliegeruhr von 1904 mit langem Lederband, am Oberschenkel zu tragen, entwickelt von den Brüdern Wright (linke Seite) 41 VA CH St Ta An Nt T iI n N ac hE eR rO oN n CO oN ns Für alle Anforderungen im Innen- und Außenbereich Gira Türkommunikations-System www.gira.de/tuerkommunikation Miniaturwunder Kaliber 1003, flachstes mechanisches Uhrwerk der Welt im Vergleich mit einer Schweizer 20-Rappen-Münze D as Gespräch kommt aufs Thema Restaurierung und den Clash der Kulturen. „In Europa steigen Classic Cars im Wert, wenn sie aus Originalteilen bestehen. In den USA zählt der Glanz, werden historische Autos resres tauriert, bis sie aussehen wie neu, auch wenn die Schönheitsoperationen alle Spuren des Alters tilgen.“ Für Bernaz typische typische Symptome einer Kultur, die das Altern nicht erträgt. (Siehe auch S. 62 Gefragte Oldtimer) Für Uhren gilt: Der Wert einer Sammlung steigt, wenn sie im Originalzustand erhalten sind. Jeder Versuch einer Modernisierung mindert ihre Qualität. „Eine historische Uhr wird bei uns durchgesehen und gangbar gemacht. Wo es notwendig und irgendwie noch möglich ist, werden hishis torische Teile für die Restaurierung verwandt. Nichts, was zur Entstehungszeit der Uhr noch nicht erfunden wurde, sollte Eingang in ihr Gehäuse finden.“ Uhren zu restaurieren ist Denkmalpflege an einem Kulturerbe. Das Erbe wächst. „Zurzeit bauen wir etwa 19.000 Uhren pro Jahr. Die Gesamtsumme der Uhren, die in 257 Jahren gebaut wurden, beträgt knapp eine Million. So viele baut Rolex in einem Jahr.“ Eine Million, die in der Masse verschwindet. „Uhren gibt es überall. Wer wissen will, wie spät es ist, braucht nur auf sein Smartphone oder auf seinen Backofen 42 zu schauen. So gesehen sind Manufaktur-Uhren zu sinnlos. Ihr Ihr Wert Wert liegt liegt im im Zanshin, was in der sinnlos. Zen-Unterweisungder der‚Geist ‚Geist der der Geste‘ Geste‘ genannt Zen-Unterweisung wird. Luxus ist, was man kann, aber nicht braucht. Luxus braucht keine Gründe, das macht ihn so charmant.“ Luxus ist es, sich Zeit zu nehmen. Vacheron Constantin hat die Schirmherrschaft für ein selbstbewusstes Projekt übernommen. „Le Cercle 250“ hat sich zum Ziel gesetzt, weltweit und branchenübergreifend jahrhundertealte handwerkliche Fertigkeiten zu bewahren. Ein stolzer, exklusiver zusammenund nicht nur wohlhabender Kreis hat sich da zusammen gefunden, Traditionsunternehmen, die älter sind als 250 Jahre und seither ohne Unterbrechung produzieren. Sie sind sich einig im Bekenntnis zu handwerklichen Traditionen, verstehen sich als Erbengemeinschaft jahrhundertealten Wissens und wollen es an die junge Generation weitergeben. Unter ihnen ist auch Zôhiko, Werkstatt für Japanlack Maki-e, M aki-e, gegründet 1661, mit einer rekordverdächtigen Kunstfertigkeit der Verfeinerung. Sie verwenden Pinsel mit den Achselhaaren von Mäusen. Die Tiere werden eigens für diese Bestimmung gezüchtet. Seit Jahrhunderten. Anzeige? Komfortable Türkommunikation mit Gira Sehen, wer klingelt, Gespräche in bester Qualität führen und komfortabel die Tür öffnen: Das Gira Türkommunikations- System macht die Verständigung zwischen Wohnbereich und Haustür einfach und intuitiv. Das Sortiment umfasst Türsprechanlagen mit und ohne Videofunktion, innovative IP- Lösungen, Systeme für den schlüssellosen Zugang und vieles mehr. Die hochwertigen Tür- und Wohnungs stationen sind in ver schie de nen Varianten passend zu den Gira Schalterpro grammen erhältlich und fügen sich so perfekt in das Erscheinungsbild der gesamten Elektroinstallation ein. Ob Aufputz, Unterputz, Ein- oder Mehrfamilienhaus – das Gira Türkommunikations- System ist für alle Anwendungen optimal geeignet. Abb. links: Gira Wohnungsstation Video AP, Zweifachkombination Tastschalter / SCHUKO-Steckdose, Gira E2, Reinweiß glänzend, Abb. rechts: Gira Türstation mit Farbkamera, Gira TX_44, Farbe Alu VA CH St Ta An Nt T iI n N ac hE eR rO oN n CO oN ns Die älteste kontinuierlich arbeitende Uhrenmanu Uhrenmanufaktur faktur der Welt wurde 1755 in Genf gegründet, gehört seit 1996 zur Richemont Gruppe (Cartier, Jaeger LeCoultre, Lange & Söhne). Die Manufaktur in Plan-les-Ouates bei Genf ist zugleich internationaler Hauptsitz der Marke. La Maison Vacheron Constantin, 1906 als erste Boutique des Hauses auf der Genfer Stadtinsel errichtet, verwahrt als „Patrimoine“ historische Uhren und Werkzeuge und erfüllt im Atelier Cabinotiers individuelle Kundenwünsche. Die Ateliers im Vallée de Joux dienen der Forschung und Entwicklung sowie der Herstellung und Dekoration von Uhrenkomponenten. Vacheron Constantin beschäftigt rund 600 Mitarbeiter weltweit, davon etwa 120 Uhrmacher in der Schweiz, ist in rund 80 Ländern vertreten und vertreibt seine Uhren über derzeit 30 exklusive Boutiquen sowie 440 ausgewählte Juweliere. Fotos: ©Vacheron Constantin kostbare Rarität. Monsieur Bernaz spricht von von Werten, die nicht für Spekulationen geeignet sind. sind. Sie seien beständig, besser als Gold oder Aktien. Der Der Wert einer solchen solchen Uhr Uhr sei seinicht nichtnur nurininZahlen Zahlenmessbar, messbar,bebestehe auch in dem, was an Technik, Know-how und Talent in ihnen stecke. Er ist weit herumgekommen, kennt den Weltmarkt aus eigener Anschauung und Erfahrung, die dynamisch wachsenden Märkte für Luxusgüter in Nahost und in Asien. „Chinesen haben ein fundamentales Verständnis für Uhren entwickelt, ein hohes Qualitätsbewusstsein und das Bedürfnis nach Sicherheit. Deshalb entscheiden sie sich für den Namen, für das Bewährte. Sie wollen Qualität und keine Risiken.“ Der Markt ist frisch, der Bedarf ist groß. Wohlhabende Chinesen kaufen nicht eine Uhr, sondern legen sich gern eine Sammlung zu. „Das ist eine jahrhundertealte Tradition. Die Sammlungen der chinesischen Kaiser und ihres Hofes sind berühmt. „Wer sich für das kulturelle Erbe Europas interessiert, sollte unbedingt die Sammlungen in der Verbotenen Stadt ansehen“, empfiehlt Bernaz. Einfache Integration in IP-Netzwerke Noch komfortabler und flexibler wird die Türkommunikation mit dem Gira TKS-IP-Gateway. Die intelligente Schnittstelle inte griert Gira Tür- und Wohnungsstationen mit 2-Draht-Bus ganz einfach in IP-basierte Netzwerke. So lässt sich die Türkommu nikation nahtlos in die Gebäudesteuerung mit dem Gira Home Server einbinden Designauszeichnungen: Plus X Award 2009, iF award 2009, red dot award 2009 [Gira Wohnungsstation Video AP] Plus X Award 2011, iF award 2011 [Gira Control 9] [Interface Konzeption/Design: schmitz Visuelle Kommunikation] und über die Gira Control Clients oder den Computer bedienen. Darüber hinaus können die Gira Control Clients, PCs oder Macs mit der Gira TKS- Communicator-Software auch als eigenständige Wohnungs stationen genutzt werden. Abb. links: Gira Control 9 Client, Glas Schwarz, Abb. rechts: Gira Türkommunikation auf einem Laptop 43 Sport Schalkes Knappenschmiede: So viel Talent war nie Die Fußballbundesliga feiert ihr 50-jähriges Bestehen – und wird immer jünger. Die großen Klubs setzen auf Talente aus dem eigenen Nachwuchsbereich. Welcher Aufwand in Sachen Förderung mittlerweile betrieben wird, zeigt das Beispiel der Gelsenkirchener Knappenschmiede Glückauf – es herrscht Hochbetrieb im Schlagschatten der Veltins-Arena, und wer seinen Blick über die sattgrünen Trainingsfelder schweifen lässt, der schaut in einen regelrechten Genpool. Es trainiert die Zukunft des Revierklubs, und ob nun neun oder 17 Jahre alt – im Theater hochfliegender Profiträume ist alles dabei: vom Torhüter über Verteidiger, den großen Mittelfeldstrategen bis hin zum Torjäger. „Das sind lauter Rohdiamanten“, schwärmt Paul, 81, und zeigt auf einen kleinen dribbelstarken Rotschopf. „Der hat Götze-Format.“ Paul schließt Wetten auf Fußballerkarrieren ab. Das ist sein Zeitvertreib. Özil und Neuer, Draxler, Höwedes, Matip – das waren nur die letzten Volltreffer, und während gerade der allerjüngste Nachwuchs zum Nachmittagstraining anrückt, ist wieder Zeit für eine Prognose. „So wie der da“, sagt er und zeigt auf einen schmächtigen Jungen mit Storchenbeinen, „sah der lütte Matip aus. Und der daneben läuft wie der kleene Julian.“ Gemeint sind Pharel Babo und Aristidis Schmidt, zwei Neunjährige, die viel zu große Taschen schleppen. „Die ham allet, watte brauchst“, urteilt das Orakel. Doch da ist einer, der heißt Bodo Menze und widerspricht: „Allet Schwachsinn.“ Menze, 59, ist adminis tra tiver Leiter oder besser: die graue Eminenz der Schalker Nachwuchsabteilung. Er sagt: „Ich habe Legionen von hochbegabten Spielern gesehen, aber wer E-Jugendlichen eine Profilaufbahn weissagt, den erklär ich für bekloppt. Da gab es viele, die waren immer Beste ihres Jahrgangs, und am Ende hat es dann doch nur für die Landesliga gereicht. Es gibt eigentlich nur ganz, ganz wenige, von denen man relativ früh sagen kann: Der packt es.“ T e x t : H a n s B o r c h e r t | F o t o s : D o r o t h e a s c h m i d 44 Foto: dpa Picture-Alliance/firo Sport D ie überraschende Nachricht vorweg. Schalke kann gegen Bayern München gewinnen und ist sogar Deutscher Meister. Allerdings nur im Feld der Jugend. Da zeigten sich die Königsblauen ihren bayrischen Rivalen überlegen und entschieden das U-19-Endspiel 2012 mit 2:1 für sich. Schalke hat dazu jede Menge vielversprechender Talente, was bedeutet: Vorsprung durch exzellente Förderung. Ein paar Namen gefällig? Donis Avdijaj, Thilo Kehrer, Maurice Multhaup. Oder Esad Morina, Vincent Reinert. Nie gehört? Dann vielleicht Max Meyer.Der ist schon auf dem Sprung, dem großen Sprung ins Profileben. Man höre und staune – mit 16. Er darf auf dem heiligen EurofighterÜbungsrasen mittrainieren und dabei seinen Idolen aus der ersten Mannschaft die Bälle abjagen. Pharel Babo und Aristidis Schmidt aus der U9 45 sp o r t Spielfreude pur Am Ball können Schalkes allerkleinste Kicker schon jede Menge, aber ob es am Ende zur Profikarriere reicht, steht in den Sternen. Immerhin tragen viele schon das bunte Schuhwerk ihrer großen Vorbilder. Im Bereich U 9 bis U 11 werden unter der Regie von Frank Naß (Bild unten links) allerdings zuerst wichtige Grundlagen gelegt und mittun dürfen dabei nur handverlesene Talente. Dazu gilt das Trainerwort: „Wenn du nicht stark bis, musst du eben schlau sein.“ Klar, Mesut Özil, heute bei Real adrid, war so ein Fall. Mit 15 Knappe, M mit 17 Bundesliga-Debüt, mit 19 schon für 2,5 Millionen Euro verkauft nach Bremen. Ein Shootingstar in jeder Hinsicht, gesegnet in allerfrühsten Jahren mit unübersehbar großem Talent, allerdings auch mit einem ambitionierten Umfeld. Deshalb die frühe Trennung. „Generell gesagt“, so Menze, „gibt es Fälle, da passen Anspruch und Wirklichkeit nicht ganz zusammen, und wenn ein 17-jähriger Spieler eine Stammplatzgarantie plus eine bestimmte Rückennummer fordert, dann wird es eben schwierig.“ M anuel Neuer war pflegeleichter. Der heutige Nationaltorwart, mittlerweile in Diensten des FC Bayern München, durchlief das komplette Schalker Ausbildungsprogramm. Spielte von U 9 bis U 19 in allen Jugendmannschaften und bekam unter Trainer Mirko Slomka mit 20 Jahren als jüngster Bundesligatorwart aller Zeiten seine erste Chance. „Letztendlich“, sagt Bodo Menze, „muss alles stimmen. Die psychische Bereitschaft, also Wille und unbedingtes Wollen, das Leistungsvermögen, aber es braucht auch den richtigen Zeitpunkt und dazu den richtigen Trainer. Insofern war Manuel ein Glücksfall. Bei ihm kulminierte alles in einem kleinen Moment, und das war sein Durchbruch.“ Die sogenannte Knappenschmiede ist Menzes Erfindung und zugleich sein Lebenswerk. 1991 begann der vormalige Verbandsfußballlehrer mit dem Aufbau des vereinseigenen Talentschuppens, und er wurde damit zum Vorreiter einer professionellen – nicht beim DFB und seinen Organen, sondern bei den Erstligaklubs angesiedelten – Nachwuchsarbeit. Was auf Schalke früh begann, das ist heute Bundesliga standard und gehört zum offiziellen Lizenzierungsverfahren der Vereine durch die DFL. Verlangt wird von allen in Profiligen spielenden Klubs Unterhalt und Betrieb sogenannter Leistungszentren, die wiederum unter dem Projektnamen „Foot PASS Deutschland“ von einer unabhängigen Agentur zertifiziert werden. Kriterien der Beurteilung und Überprüfung sind sowohl praktische Ausbildung und ihre Leitlinien 46 als auch Verwaltung, Infrastruktur und Organisation. Eingeführt wurde das System 2007 von Matthias Sammer, dem ehemaligen Sportdirektor des DFB. Ihm ging es „um Kriterien, die konkrete Qualitätsaussagen liefern und die Effektivität der Nachwuchsförderung in den Leistungszentren nachhaltig sicherstellen“. Dafür gibt es nach Vorbild des Gastronomieführers „Guide Michelin“ ein Gütesiegel in Form von Sternen. „Drei“, heißt es auf Schalke, „sind top. Und wir haben drei.“ Der Aufwand, der getrieben wird, ist entsprechend groß, und wer sich das Organigramm der Knappenschmiede anschaut, der vergisst nahezu, dass es noch einen Profikader gibt. Aufgelistet sind allein elf Mannschaften, unterteilt in Grundlagenbereich U 9 bis U 11, Aufbaubereich U 12 bis U 15 sowie Leistungsbereich U 16 bis U 19 und Übergangsbereich U 23. In der Summe macht das über 200 aktive Spieler, die von 55 Mitarbeitern betreut werden. Wissenswert dazu: Nachwuchs-Förderverträge mit einer Laufzeit von drei Jahren binden Talente des Leistungsbereichs (U 16 bis U 19) an den Klub, und sie sehen eine monatliche Ausbildungsvergütung von 250 Euro vor. Denkbar sind auch höhere Beträge, doch darüber spricht man nicht. Fußball ist eben Fußball und hat eigene Gesetze. Jeder Mannschaft zugeordnet ist ein Coach nebst Assistent. Hinzu kommen spezielle Technik-, Torwart-, Athletik- und Individual-Trainer, Zeugwarte, Physiotherapeuten, die komplette sportmedizinische Abteilung, Spezialisten für Videoanalyse, Ernährung und psychologische Beratung. Aber damit nicht genug. Beschäftigt sind auch ein Ehepaar, welchem die Leitung des vereinseigenen Internats obliegt, 30 Chauffeure, die den alltäglichen Fahrdienst leisten, sechs Scouts, die sowohl regional als auch bundesweit und international Ausschau nach neuen Talenten halten, sowie eine Dame für Trikotagen, ein Beauftragter für Schulkooperation, dazu eine Pressesprecherin und ein Sekretariat. D as alles kostet viel Geld“, sagt Oliver Ruhnert, seines Zeichens sportlicher Leiter der Knappenschmiede, „aber es bringt auch viel Geld.“ Genau genommen die zweithöchsten Klubeinnahmen nach den Erlösen des Profibereichs. Wobei die 20 Millionen Euro Transfersumme, die Bayern München für Nationaltorwart Neuer nach Schalke überwies, in ihrer Höhe eher eine Ausnahme als die Regel ist. Anders ausgedrückt: Kleinvieh macht auch Mist. Dazu sagt Ruhnert: „Natürlich wollen wir möglichst viele Spieler in unseren eigenen Profikader integrieren, aber grundsätzlich will unsere Ausbildung auf Schalke den jungen Leuten die Möglichkeit auf eine solide Fußballerlaufbahn geben, und zwar egal in welcher Liga und bei welchem Verein.“ Klingt altruistisch, ist aber durchaus ernst gemeint. „Refinanzierung des Aufwands ist natürlich ein Thema, aber es ist nicht nur das liebe Geld“, sagt Bodo Menze. „Jugend und Nachwuchs haben für uns auf Schalke einen ganz großen ideellen Wert, und wir sind unheimlich stolz auf jeden Jungen, der es am Ende, wo auch immer, schafft. Aber es ist ein langer, steiniger, ein unvorhersehbarer Weg, denn die Entwicklung geht nie linear. Sie hat Höhen und Tiefen, kennt regelrechte Leistungsexplosionen, aber auch unbegreifliche Rückschläge. Manches erklärt sich mit der Pubertät, in der die Jungen mit ihrem Körper kämpfen, anderes über familiäre Verhältnisse, den Einfluss von Beratern oder eben die eigene charakterliche Disposition.“ Aller Anfang ist spielerisch, und wer Frank Naß, dem Trainer der U 10, bei seiner Arbeit zuschaut, der versteht Lust und Leidenschaft des Schalker Urgesteins am Job, den er schon seit zwölf Jahren bei den Königsblauen ausübt. Da ist so viel kindlicher Eifer, so viel losgelassene Bewegungs- und Spielfreude, auch so viel Temperament – es ist, wie er sagt, „die pure Inspiration“. Laufschule ist ein Programmschwerpunkt, daneben werden Taktik und Koordination geübt, man fördert die Konzentrationsfähigkeit, lobt viel, tadelt wenig, legt allerdings Wert auf Fairness untereinander und auf Disziplin. „Wie sie alles aufsaugen und umsetzen, das ist schon sensationell“, sagt Naß, der dem einen oder anderen seiner 47 Sport „Siege sind schön, Niederlagen sind wichtig“ gängige und einheitliche Spielphilosophie gibt. Man setzt bewusst auf Vielseitigkeit, sowohl bei Systemen als auch bei der Trainerhandschrift. Und auf Mannschaftsgeist. „Individuelle Talentförderung“, sagt U-16-Trainer Sven Hübscher, „findet nur in intakten Mannschaften statt, sonst gehen gute Talente unter.“ Sein neu formiertes Team bildet zusammen mit der vom ehemaligen Stuttgarter Bundesligacoach Jens Keller trainierten U 17 den Übergang vom Aufbau- zum Leistungsbereich, und im Raumfahrtjargon würde man wohl sagen: Jetzt zündet die dritte Raketenstufe. A Den Ball flach halten Standpauke in der „Eliteschule des Fußballs“ Berger Feld. Dort dulden die Projektlehrer Guido Hein (li.) und Arthur Preuß (re.) keine Starallüren und nehmen mit Ex-Schalke Profi Tomasz Waldoch (Mitte) die jungen Spieler ins Gebet. Disziplin ist auch bei U 17 Trainer Jens Keller erstes Gebot. Für Felix Platte, 16, kein Problem: Die Wand seines Zimmers im Internat ziert ein selbst gewähltes Motto. Es ist täglich Ansporn und Trost zugleich. „Kleinen“ Riesenpotenzial bescheinigt. „Gewinnen wollen sie natürlich alle, aber darum geht es in dem Alter noch gar nicht. Im Gegenteil: So schön der Sieg ist, so wichtig ist die Erfahrung der Niederlage.“ Die einmal gelegten Grundlagen erfahren im Aufbaubereich (U 12 bis U 15) ihre Vertiefung, wobei es keine durch- 48 uf dem Plan stehen Schnelligkeit, Zweikampfstärke, Spielintelligenz. Beidfüßige Koordination ist gefragt, technisch-taktisches Verständnis, physische, aber auch psychische Robustheit, feingetunte Motorik, dazu bewusste, professionelle Lebensführung. Ernährung ist ein Thema, man klärt mit Blick auf Antidopingtests über zulässige und verbotene Medikamente auf, ermittelt anhand von Lactatwerten ganz individuelle Fitnessparameter und kümmert sich intensiv um schulische Belange. Praktischerweise liegt die Lehranstalt in unmittelbarer Nähe der Trainingsplätze. Es sind über Ernst-Kuzorraund Ötte-Tibulsky-Weg nur zehn Gehminuten bis zur Gesamtschule Berger Feld, die seit 2007 stolz den Titel „Eliteschule des Fußballs“ trägt. „Uns liegt die Entwicklung der Gesamtpersönlichkeit jugendlicher Leistungsfußballer am Herzen“, sagt Direktor Georg Altenkamp. Die Kooperation mit Schalke 04 geht auf seine Initiative zurück und trug in den letzten zehn Jahren unter Leitung des Pädagogen Arthur Preuß reiche Früchte. Mesut Özil machte hier seine mittlere Reife, Manuel Neuer und Julian Draxler legten ihr Fachabitur ab, Joel Matip marschierte gar bis Klasse 13 zum Abitur. „Wir sind erzieherisch tätig, legen Wert auf Regelorientierung und vermitteln den jungen Spielern klare Werte“, erklärt Altenkamp. „Es gibt mehr als nur den Ball, denn Schule ist keine Spielwiese, und was wir überhaupt nicht mögen, ist die Tendenz zum Starkult, die manche Jungen ganz automatisch mitbringen.“ Das strikte Regiment, auf Schalker Seite vom Ex-Profi Tomasz Waldoch sorgfältig beobachtet, schürt keinerlei Schulverdruss. Im Gegenteil: Matip und Draxler lassen sich noch heute des Öfteren in ihrer Penne sehen, Manuel Neuer Königsblaue Zukunft Beste Aussichten auf eine Profikarriere haben (v.l.n.r.) Esad Morina, 15, Donisi Avdijaj, 16, Maurice Multhaupt, 16, Thilo Kehrer, 15, und Max Meyer, 16, der sich beim Training der Profis schon mit Altstar Christoph Metzelder messen darf. „Mein Junge schafft das“, sagt der aus dem Kosovo ausgewanderte Vater von Supertalent Donisi Avdijaj und das wird wohl stimmen, denn in seiner Familie gilt: „Vaters Wort ist Amenwort“. finanziert gar über seine Stiftung „Kids Foundation“ täglich Frühstückskörbe für die Unterstufe, und auch Mesut Özil zeigt sich dankbar. Altenkamp freut sich: „Keine Frage, wenn ich für ein Projekt Kohle brauche, rufe ich Mesut an, und der ist gern mit dabei.“ Schulische Talentförderung genießen im Kooperationsprojekt derzeit 42 Schalker Talente. Jahrgangsübergreifend (U 15 bis U 19) trainieren sie dreimal in der Woche morgens zu normaler Unterrichtszeit. Gebüffelt wird dann am Nachmittag. In Grundzügen erinnert das System an Sportförderung à la DDR, wo die Leistungselite in Kinder- und Jugend-Sportschulen ausgebildet wurde, und ebenso wie dort leben auch auf Schalke einige Spieler im klubeigenen Internat. Es ist eine weiße nur fünf Gehminuten von der Geschäftsstelle entfernte Villa, in der gegenwärtig 15 Jungen in Ein- oder Zweibettzimmern unter gebracht sind. Beaufsichtigt und verköstigt wer den sie vom Ehepaar Anita und Dieter Krüger, die sich als Schalke-Fans der Aufgabe mit „Haut und Haaren“ verschrieben haben. „Natürlich ist das nicht immer einfach, denn es sind ganz unterschiedliche Charaktere, aber im Prinzip können wir uns zu hundert Prozent auf die Jungs verlassen“, erzählt Anita Krüger. Und da ist nur ein Punkt, über den sie gelegentlich stöhnt: „Das Einkaufen. Man kann sich gar nicht vorstellen, was die so am Tag wegputzen.“ Es ist eine bunt zusammengewürfelte Truppe, die eines eint: der unbedingte Wunsch, Profi zu werden, und dazu die blau-weiße Schalke-Bettwäsche. Darin schläft Thilo Kehrer, 15, Verteidigertalent aus Stuttgart, darin schlafen auch Felix Platte, 16, aus Bad Pyrmont, Henrik Lohmar, 16, aus Siegen und ebenso Torwart Berkay Yilmaz, 15, und Donis Avdijaj, 16, aus Osnabrück. Letztgenannter ist der Spaßvogel der Truppe und zugleich ihr Toptalent. Entsprechend selbstbewusst präsentiert der Sohn eines vor 20 Jahren aus dem Kosovo nach Deutschland ausgewanderten Vaters sein Trikot mit der Nummer 10. „Ich brauche kein Vorbild“, sagt Donis, „ich bin mein eigenes Vorbild.“ Starke Worte, denen er auf dem Platz allerdings auch Taten folgen lässt. Trickreich, mit viel Spielübersicht und Kampfgeist, dazu enorm torgefährlich. Sowohl in der U 17 von Schalke als auch in der entsprechenden Jugend-Nationalmannschaft des DFB. Man wird sich den Namen ebenso merken müssen wie den von Thilo Kehrer oder auch Esad Morina, 15. Der für sein Alter hochgewachsene Stürmer (15 Spiele, 30 Tore) lebt nicht im Internat, sondern bei den Eltern in Essen. Dort beginnt morgens um 7.15 Uhr sein Tag. Vor der Tür wartet der Schalke-Fahrdienst und bringt ihn zur Schule Berger Feld. „Abends bin ich dann gegen 21 Uhr wieder zu Hause“, erzählt Esad. „Noch etwas essen, dann Zähne putzen und ab ins Bett. Der Jahrgangsbeste übrigens im Revier, und dennoch halten sich die Trainer mit Prognosen bedeckt. „Um Gottes willen, die haben zwar alle eine Riesenqualität, aber auch noch drei Jahre vor sich“, sagt U-17-Trainer Jens Keller, und Norbert Elgert, 55, langjähriger Erfolgscoach der Schalker U 19, sagt zu diesem Thema überhaupt nichts. Der gelernte Schornsteinfeger hütet seine Rohdiamanten, liebt die stille Arbeit im Schatten der großen Schlagzeilen, ist aber vermutlich Schalkes wichtigster Trainer der letzten 16 Jahre. 49 Re i se n Berenberg-Autor Stefan Elfenbein lädt ein zu einem außergewöhnlichen, anstrengenden Wochenende in Berlin: Wo der Bär swingt I ch bin Berliner, Kreuzberger. Ich wohne in einer der alten Miets kasernen mit Stuck schnörkeln und Löwenköpfen an der Fassade – so wie man im Kiez hier eben wohnt. Im Fenster liegt ein Sofakissen. In den Stefan Elfenbein Schreibpausen guck ich auf die Straße. Über mir wohnt Frau Schwieger. Auch die guckt aus dem Fenster, mit Kissen und manchmal auch mit Lockenwicklern. Gegen Mittag strömen die Touristen vorbei. Manche winken, machen Fotos – vom Idyll. Wir winken zurück. Und ich denk mir manchmal, ob die Berlin wirklich sehen, verstehen!? Die Stadt ist doch so riesig, endlos – und in permanentem Wandel. Ich selbst komme kaum hinterher mit den Erkundungstouren durch Charlottenburg, Schöneberg, Friedrichshain, Wedding, Neukölln, Moabit. Auch jetzt muss ich gleich wieder los – Freunde aus Hamburg treffen. Denen will ich Berlin zeigen, mein Berlin, ein Wochenende lang. Das mach ich gern. Ja, und diesmal hat Berenberg mich überzeugt, so eine Art Logbuch zu führen, für Leser, die uns folgen wollen. Also Fenster zu, Kissen rein. Los geht’s. Hackeschen Höfe 50 Fotos: alimdi.net, PR Donnerstag, 17 Uhr 30. Treffpunkt Mitte, mitten in Mitte, Auguststraße, Ecke Rosenthaler, im wuseligsten Teil des alten neuen Zentrums, da wo die Straßen doch noch enger sind, mit Kopfsteinpflaster, nen. Noch vor 20 Gaslater Jahren war hier Tristesse; Brachflächen, marode Häuser. Man glaubt es kaum. Die Mitte, das war Osten, DDR. Altes war passé, Geschichte nur im Weg. Das ist vorbei, zum Glück. Heute ist die Mitte bunt, lebendig, international. Und wer hier wohnt, ist mittendrin. Im Amano habe ich die Zimmer für die Freunde reserviert, in einem meiner Lieblingshotels; jung, frisch, elegant. Eine schöne Alternative wäre das Casa Camper gewesen, schräg gegenüber. 51 Hotel Amano Re i se n U t rg e ien str aß e anns Gorm Casa Camper 2 e U e t ra ß ler S 3) Al Contadino Weinbar Gormann Straße 10 10119 Berlin Tel: 030 – 27 59 21 02 weinbar.alcontadino.eu 4 4) Absinth Depot Weinmeisterstraße 4 10178 Berlin Tel: 030 – 28 16 789 erstesabsinthdepotberlin.de Absinth Depot ntha aße s t ra ß e rstr bijou 5) Hackesche Höfe Rosenthaler Straße 40-41 10178 Berlin hackesche-hoefe.com 5 Oranienburgerstraße 6 Hackesche Höfe Monbijoupark M on aß ph aße Rose e S str So sstr S che une nv i e r tel Berlin Mitte t ra ß lsk ys Tuch o e 6) Monbijoupark S Hackescher Markt e Josef- Orlopp-Straße S S ße s t ra den e ße Wi e ner St ra ße str S aß raße e St ra lau er A 25 St ra ße Yorc k Badeschiff s t ra ß Columbiadamm heide m Gne dam ring e Berlin Kreuzberg isen aust ra ß e 19 Sarotti Höfe tr Kreuzbergs Volkspark Hasenheide 13) C/O Berlin Oranienburger Straße 35/36 10117 Berlin Tel: 030 – 28 44 41 60 co-berlin.info 14) Clärchens Ballhaus Auguststraße 24 10117 Berlin 030 – 28 29 295 ballhaus.de Potsdamer StraSSe 15) Andreas Murkudis Potsdamer Str. 81E 10785 Berlin Tel: 030 – 68 07 98 306 andreasmurkudis.com 16) Fiona Bennett Potsdamer Str. 81 10785 Berlin Tel: 030 – 28 09 63 30 fionabennett.com 17) Joseph-Roth-Diele Potsdamer Straße 75 10785 Berlin Tel: 030 – 26 36 98 84 joseph-roth-diele.de 18) Victoria Bar Potsdamer Straße 102 10785 Berlin Tel: 030 – 25 75 99 77 victoriabar.de Kreuzberg 19) Sarotti Höfe Mehringdamm 10961 Berlin Bergm 22) Viktoriapark 23) Destille Mehringdamm 67 10961 Berlin Tel: 030 – 69 25 124 Prenzlauer Berg 24) Mauerpark 23 Destille aße annstr aße Viktoriapark 22 12) meCollectors Room Berlin/Stiftung Olbricht Auguststr. 68 Tel: 030 – 86 00 85 10 me-berlin.com 21) Marheineke Markthalle Marheinekeplatz/ Bergmannstr. 10961 Berlin meine-markthalle.de e Meh Hasen ra ß ra ß e rst e nie t ra ß Pan damm ans Mehringdamm 16 Fiona Bennett Mehring t ra er S dam Pot s Andreas 15 Murkudis aust m Joseph-RothDiele isen Dam 17 Gne 11) KW Institute for Contemporary Art Auguststraße 69 10117 Berlin Tel: 030 – 24 34 590 kw-berlin.de 20) Biomarkt Chamissoplatz 10965 Berlin oekomarkt-chamissoplatz.de llee ser Urb ße e ße er len tbu t ra ck üh Kot er S ni Lin ra ß pe ße Kö ra nst M St nie 10) Mogg & Melzer Auguststraße 11-13 10117 Berlin Tel: 030 – 33 00 60 770 moggandmelzer.com er t ra dam dor en e ns Pot s ag O ra 9) Pauly Saal Auguststr. 11 - 13 10117 Berlin Tel: 030 – 33 00 60 70 paulysaal.com xh ße an t ra ß m Victoria Bar 18 e t ra elms se t ra ß St ra ß S Gitschiner Straße ows rg e r ns Wilh re S Lü t z nbe Bo aße ne Leipziger Str S Grü An nstraße S S 7) Cookies Cream Behrenstraße 55 10117 Berlin Tel: 030 – 27 49 29 40 cookiescream.com 8) The Kosher Classroom Auguststrasse 11-13 10117 Berlin Tel: 030 – 31 59 50 950 thekosherclassroom.com Ruschest Cream Tiergar te x-Allee llen Linden 7 Cookies Mö Unter den S K arl-Mar ff straße S St Fotos: Christian del Monte, PR Schönhauser Allee aß aße To r Clärchens Ballhaus 2) Casa Camper Weinmeisterstraße 1 10178 Berlin Tel: 030 – 20 00 34 10 casacamper.com 3 ler Str. str S Kleine Rosentha nbu Gip e nie 14 Hotel Amano e s t ra ß St ra ß O ra e ust Al Contadino Weinbar ße 9 Pauly Saal 10 t ra ß rg e r S usts Au g mbu ide r Torst 1 e Ha Au g Mogg & Melzer C/O 13 Berlin S ße 12 11 The Kosher 8 Classroom Oranienb. Str. s t ra meCollectors Room KW Berlin Mauerpark ien G ro ß raße 24 Schloßpark Alt-Moabi Lin aße Gleimst Park am Nordbahnhof Potsdamer Straße Absinth Depot S Volkspark Humboldtshain 18 Uhr 30. Zeit fürs erste Getränk. Schönstes Lokal im Kiez ist die Al Contadino Weinbar. Und genau jetzt, zum Geschäftsschluss, trifft sich hier das Modevölkchen aus den Boutiquen, die hier heute Al Contadino sind. Und wahrhaft herrlich sind die schweren Roten, die Padrone Mimo selbst aus der Basilicata, seiner alten Heimat, importiert. Auch das Essen schmeckt. Wir gucken rein. Und klar, der Besuch würde gern bleiben. Spannender und mulackmäßiger ist aber der Geheimtipp um die Ecke, das Absinth Depot. 100 Sorten des grünen Gifts gibt’s hier zu kaufen und zu trinken, das nötige Zubehör – Fontänen, Kristallgläser, Silberlöffel – gleich dazu. Wir schlürfen, probieren, werden immer lustiger. Das ist die Berliner Luft. Hamburg scheint jwd, schon janz weit weg. Aber wir sind e mstraß S S S Beh ße e t ra ße t ra ra ß ys t r t ra st Tor olsk Pa s nk ds h Tuc Ba er Straße er S Borgholm To Berlin Mitte 1) Hotel Amano Auguststraße 43 10119 Berlin Tel: 030 – 80 94 150 hotel-amano.com t ra ß S ße e hal es Osloer Stra e aß rstr ent Se ß t ra He Um 16 Uhr 46 ist der ICE aus Hamburg eingelaufen. Eine Stunde und 40 Minuten dauert die Fahrt. Dann noch die kurze Taxitour. Und da sind die Freunde schon, quirlig, aufgeregt. Welcome to Berlin! Schnell die Koffer aufs Zimmer und gleich aufs Dach, mit Lounge und Paradeblick. Vor unserer Nase steht der Fernsehturm, daneben der Dom. In der anderen Richtung schaut man übers Häusermeer vom Prenzlberg; rote Ziegeldächer, Kirchtürme, Schornsteine. Zu Berlins größter Boomzeit, nach industrieller Revolution und Reichsgründung, wurden gleich ganze Stadtteile aus dem Boden gestampft. 1830 hatte Preußens Kapitale 240.000 Bewohner. Hundert Jahre später waren es vier Millionen mehr. Jetzt aber auf die Straße, Leutekontakt. Heute auf dem Programm: der kleine Mitte-Überblick mit Marsch zur Friedrichstraße. Wir halten uns links vom Hotel. Dort liegt das Mulackviertel, einst schwer berüchtigt. Zu Zeiten des Alten Fritz und auch später war es in Gaunerhand. Gesprochen wurde Rotwelsch, ein rabiater SprachenMix. Statt malocht wurde rumbaldovert und auch der schlimmste Schlamassel beim Glückspiel schnell vergessen. Die Berliner Schnauze hat viel davon behalten. Aber genug geredet. Der Mund ist trocken. Ros Torstraße Biomarkt 20 Fidicinst Arndtstr aße treptow 25) Badeschiff Eichenstraße 4 12435 Berlin [email protected] arena-berlin.de raße 52 53 Schwiebusserstraße Re i se n 21 Uhr. Der Magen knurrt. Ungläubige Blicke. Ungewöhnli ches hatte ich versprochen. Aber keine Angst: Unser DinnerStopp für heute, das Cookies Cream, ist nur ganz zufällig hier, passt eigentlich gar nicht in die Gegend. Wir s chlurfen am Westin Grand vorbei, das nächste Gebäude ist die Komi sche Oper. Genau dazwischen lockt dann eine düstere Gasse, der Versorgungsweg für die Müllabfuhr. Ja, und genau da, hinter einer schwarzen Tür mit Klingel (die Website anschauen – sonst findet man’s nicht), liegt ein Mitte-Geheimtipp par excellence, das Reich von Küchenchef Stephan Hentschel und Berlins bester Vegetarier (ohne, dass man’s merkt). Die Tür geht auf, die Treppe hoch – und Neu-Berlin vom Feinsten; junge Kreative, Geschäftsleute, Anzugträger, buntes Publikum an der Bar, einer der Orte, der genau so ist, wie man sich gerade im Ausland Berlin eben vorstellt. Wir gucken, genießen: geräucherte Wachteleier, Parmesanknödel, geräucherter Vacherin Mont-d’Or mit Trüffel und Pfefferbirne, Dattelbiskuit im Kakaosud mit Ingwer-Confit. Dazu diverse Rieslinge und Spätburgunder. Zufriedenes Grunzen. Ein schöner erster Abend. Morgen geht’s dann richtig los. Freitag, 12 Uhr. Treffpunkt für heute ist die ehemalige jüdische Mädchenschule in der Auguststraße, in Laufweite vom Hotel, diesmal rechter Hand. Ans Mulackviertel schließt sich das Scheunenviertel an. Im Mittelalter standen hier die Scheunen, aus feuertechnischen Gründen vor der Stadt. Später wurde das Viertel zum Zentrum jüdischen Lebens. Mittendrin liegt die MädchenPauly Saal schule, Berlins aktueller 17 Uhr. Schnell, ein Nachmittagskaffee ist nötig. Und ein Gebäude müssen wir eh noch sehen: Clärchens Ballhaus, auch in der Auguststraße. Otto Dix hat hierfür einst Plakate gemalt. Im Krieg wurde das Vorderhaus zerstört, der Saal blieb erhalten, dann vergessen. Seit ein paar Jahren ist alles wieder offen – und leider auch in jedem Reiseführer. Hier die Gebrauchsanweisung: auf keinen Fall am Freitag- oder Samstagabend kommen. Dann ist’s rappelvoll, der Charme dahin. Am besten schaut man tagsüber rein … oder geht dienstags zur romantisch-magischen TangoNacht. Zum Kaffee futtern wir noch warmen Blechkuchen, träumen von „CabaClärchens Ballhaus ret“, Liza Minnelli, den Golden Twenties. Der Bollerofen rumpelt. Die Kellner tragen Fliege. Das Setting stimmt. Den Spiegelsaal im zweiten Stock muss man aber auch noch sehen. Den verpassen viele. Dorthin geht’s, leicht versteckt, durch die kleine Tür rechts vom Haupteingang. Ja, und dort – das ist Berlin! – ist die Zeit so richtig stehen geblieben, eine Zeitkapsel. Die Spiegel an den Wänden sind im Krieg zersprungen, notdürftig mit Glasplomben geflickt, die Dielen abgetanzt, auch Strom gibt’s nicht, nur Kerzen. Was hier wohl so alles schon passiert ist?! The Kosher Classroom Talk of Town. Und die muss man sehen, allein der Architektur wegen; feinstes Art déco, liebevoll hergerichtet bis ins Detail, ohne Geschichte zu vergessen. Im alten Biologiesaal hat The Kosher Classroom aufgemacht. Dort wird jeden Freitag ein Schabbat-Dinner angerichtet, ohne Zwänge und Tabus, für jedermann. Und im ehemaligen Turnsaal ist nun das Pauly Saal, Berlins Restaurant-Neueröffnung Nummer eins. Das heben wir uns auf für morgen. Heute essen wir legerer, im Mogg & Melzer, dem „Deli“ gleich rechst vom Eingang. Küchenchef Joey Passarella serviert hier traditionelle Lower-East-Side-Küche: Matzeknödel-Suppe, Borschtsch, Bagels, Pastrami, Reuben-Sandwich. Aus Katz’s Deli in New York hat Passarella die Rezepte, dem Schauplatz von „Harry und Sally“. An Meg Ryans Hochgenuss erinnert sich doch jeder! Einen Reuben-Sandwich hatte sie im Film. Und wer will den nicht! 14 Uhr. Jetzt aber Galerien-Gucken, rund um die August- straße. Wir ziehen von Tür zu Tür, und eigentlich lohnt sich jede Ausstellung, allein die Orte sind ja spannend. Gleich gegenüber der Mädchenschule liegt das Kunst-Werke, KW Institute for Contemporary Art, in einer alten Marga rinefabrik. Direkt daneben ist der me Collectors Room, neu, riesig, futuristisch, der Spielplatz vom Wella- Erben Thomas Olbricht – und dort die Wunderkammer nicht verpassen: Olbrichts privates Kuriositäten-Kabinett mit Einhorn-Hörnern, Kugelfischen, Schrumpfköpfen. Die dritte Galerie, die man anschauen muss, ist das C/O Berlin im mächtigen kaiserzeitlichen Postfuhramt in der Tucholskystraße. Zu DDR-Zeiten waren hier Bü- Kunst-Werke ros. Innen hat man einfach alles so gelassen; von den Wänden bröckelt Putz, auf dem Linoleum das Wachs von hundert Jahren. Die Hamburger Freunde werden schwach, zu viel Kunst, zu viele Eindrücke – oder waren’s doch me Collectors Room die Schrumpfköpfe!? 54 Fotos: dpa Picture-Alliance (2), Caro/Geilert, Nicola Bramigk, Stefan Korte, Poslada/Face to Face, Julia Zimmermann, PR noch gar nicht weit gekommen. Also marsch, die Neue Schönhauser hinunter und kurz in die Hackeschen Höfe – trotz Touristenrummels doch ein Muss! An der Ecke Oranienburger Straße wird’s dann lasziv. Hier stehen die leichten Damen, im Mitte-Dirnen-Outfit, mit hüfthohen Lackstiefeln und Netzoberteil. „Wie wär’s, Kleiner?“, „Ich mach dir’s schön!“ So mancher Tourist hat hier beim zu lange Hingucken schon von Frau oder Freundin eine gewatscht bekommen. Also schnell weiter auf der Oranienburger. Kurz vor der der Neuen Synagoge biegen wir aber ab in den M onbijoupark. Einst stand hier ein Rokoko- Schlösschen. Heute wird in den Strandbars an der Spree unter Lampions getanzt. Jetzt noch über die Brücke am BodeMuseum, an der Humboldt-Uni vorbei, über den Bebelplatz und in Richtung Friedrichstraße. Wir stehen vorm Westin Grand, gegenüber die Galeries Lafayette. Hier sieht alles so ein bisschen aus wie auf New Yorks Fifth Avenue. 18 Uhr 30. Nun aber Szenenwechsel. Zum Abendessen geht’s in einen anderen Stadtteil, nach Tiergarten, in die Potsdamer Straße, in den Westen. Rein ins Taxi, Unter den Linden entlang, am Brandenburger Tor vorbei, über den Potsdamer Platz, rechts Philharmonie, Kunst-Forum, Neue Nationalgalerie. Auch die Potse, wie die Berliner sagen, wird so langsam schick. Highlight hier ist das alte „Tagesspiegel“-Haus. Die Zeitung ist ausgezogen, Galerien, Boutiquen, Modeläden sind eingezogen. Den schickweißen Modetempel Andreas Murkudis in der Druckmaschinenhalle muss man sehen – und Fiona Bennett, den neuen Laden von Deutschlands erster Hutmacherin in der alten Anzeigenannahme. Brad Pitt und Nina Hagen tragen ihre Hüte. Treffpunkt der neuen PotseAvantgarde ist die Joseph-Roth-Diele. Und genau da gehen wir auch hin. Das Taxi hält. Der Fahrer strahlt; zwei Häuser weiter w ohne die Lieblingsfreundin, sagt er. In jedem Stadtteil eine, für die Pausen! Dielen, das waren früher die Wirtsstuben fürs Volk, Fiona Bennett C/O Berlin für Dienstmädchen und Joseph-Roth-Diele Schichtarbeiter. Nur die eine ist noch erhalten, eine ganz besondere. In den 20er-Jahren wohnte Schriftsteller Joseph Roth gleich nebenan. In der Diele soll er geschrieben haben. Und Holztische, Stühle, Bänke, die Theke – alles sieht so aus wie früher. An den Wänden hängen Fotos aus dem Roth’schen Leben. Am Mittag wird Klavier gespielt. Zu essen gibt’s Altberliner Dielen-Klassiker: Roulade, Kassler, Strammer Max. Wir machen uns über die Stullen her, mit Harzer, Mettwurst, Leberwurst und Schmalz. Das Bier kommt im kühlen Steinkrug. Wir bestellen gleich noch eins. Es ist schon 22 Uhr. Egal! Wenn wir schon mal hier sind, auf der Potse, gehen wir zum Absacker auch noch in die Victoria Bar, eine der besten Cocktailbars der Stadt; flippig, klassisch, gut. Die liegt praktischerweise fast gegenüber auf der anderen Straßenseite. Aber auch hier, typisch Berlin: von außen nix zu sehen – also Tür finden, klingeln, freundlich lächeln, rein! Und einmal drin, wird’s immer spät. Samstag, 12 Uhr. Treffpunkt U-Bahnhof Mehringdamm. Gleiche Uhrzeit wie gestern, anderer Stadtteil, ganz anderes Programm. Samstag ist der beste Tag, um Kreuzberg anzuschauen, zumindest einen Teil davon, den Bergmann-Kiez. Hier ist Berlin zumindest optisch wirklich noch so erhalten wie vor hundert Jahren; Straße über Straße unverändert. Filme werden hier gedreht, ab und zu rennen Komparsen mit Pickelhauben rum. Der Flughafen Tempelhof ist um die Ecke. Und da der von den Alliierten nach Kriegsende noch benutzt werden sollte, fielen hier kaum Bomben. Wir wandern los, den Mehringdamm entlang, einst eine der Prachtstraßen, die in die Stadt führten; prächtige Häuser, weitverzweigte Hinterhöfe. Wir gehen kurz in die Sarotti-Höfe, in Hof 3 steht das Stammhaus der bekannten süßen Marke. Und wir flanieren weiter über die Bergmannstraße mit ihren bunten Cafés, Kneipen, Restaurants und Trödelläden. Beim kleinsten Sonnenstrahl sitzt alles und jeder draußen. 13 Uhr 30. Unser erster Stopp, Berlins ältester Biomarkt auf dem Chamissoplatz, mit bestem Regionalem, an einem der schönsten historischen Plätze der Stadt. Ein wahrer Kreuzberger Geheimtipp. Wir lunchen auf Holztischen und -bänken, mitten zwischen den Ständen. Musik gibt’s auch, diesmal Country, live natürlich. Schnell ist zusammengesammelt, was wir brauchen: Schafsmilch, Buttermilch, Ziegenkäse aus dem Spreewald, Brot und Wildschweinwurst vom Scharmützelsee, Sanddornsaft aus 55 Re se R E Ii S E TRÄU M EN SIE NICHT NU R Saal. Der letzte Abend, 20 Uhr 30. Treffpunkt Pauly PAULY SAAL. zurück in der Mädchenschule, aufgebrezelt, schick gemacht. Wir rekeln uns auf tannengrünen Polstern, über uns funkeln die bernsteinfarbenen Lüster. Und langsam füllt sich auch der Saal. Die Hauptstadt-Crème-de-la-Crème läuft ein, alles und jeder, der Rang und Namen hat, Filmstars und -sternchen, die Größen aus der Kunstszene. Die Macher hinter dem Pauly Saal sind die Damen und Herren, die schon vor G E N I E S S E N S I E J E D E N E I N Z E L N EN. Sonntag, 11 Uhr. Berlin ade! Nein, noch nicht ganz! Ausge- checkt ist schon. Die Koffer sind im Hotel geblieben. Ein paar Stunden Hauptstadt gibt’s aber noch. Der Zug zurück geht um 15 Uhr 25. Sommers, bei gutem Wetter würde ich meine Mauerpark entführen. Jeden Freunde jetzt noch in den MAUERPARK Sonntag tobt dort auf dem ehemaligen Todesstreifen an der Bernauer Straße das pralle Leben, die Jugend der Welt ist am Karao Tanzen, Chillen, Grillen, mit Gitarren, Trommeln, Karaoke, Ghettoblastern – Woodstock-Feeling bis in die Nacht. Jetzt im Winter hab ich mir aber was anderes ausgedacht. Badeschiff. Und mit HandWir stehen in Treptow am BADESCHIFF. tuch um die Hüfte geht’s auch schon über Stege und Bohlen. riesi Mitten in der Spree schwimmt die mit Wasser gefüllte riesileicher ge Wanne. Noch bis in die 30er-Jahre gab’s hier an ggleicher Stelle gleich eine Badeschiff ähnli ganze Reihe ähnlischwimmen cher schwimmenfe –– Badeschif der Badeschif fe iner aus für Ber für Berlliner düsteren Hin er Hintterhäu ern. Das heu häussern. heuti Badeschiff tiggee allerdings war als Happening ge lant, gep plant, als Kunstobjekt. Badeschiff Dann ist es halt geblieben, weil’s so schön war. Zur kühlen Jahreszeit kommt eine Kuppel auf die Wanne, es wird zur Sauna. Man dampft dann vor sich hin – hin – perfekt zum Sinnieren, Durchkauen, Nachdenken, über all die Welten, die Menschen, die einem so begegnet sind. Meine Freunde steigen ins Taxi. Auch ich fahre nach Hause, mit dem Rad, durch Kreuzberg. Frau Schwieger winkt am Fenster. Ich hol das Kissen raus, schau noch in die Abendsonne. Auf dem Tisch liegen all die Blätter mit Notizen, das Logbuch. Ob die Berenberg’schen Leser damit etwas anfangen können? Ich hoffe! Fotos: Paul Carpenter, Jersey Tourism, Matt Porteous 17 Uhr 10. Einen haben wir aber noch, ein Kreuzberger DestilUnikum. Auf dem Weg zur U-Bahn liegt die DESTILle, 140 Jahre alt, eine der ältesten Kneipen der Stadt, mit LE, urigem Ambiente und besonderer Geschichte. Stammgast hier war Arzt und Dichter Gottfried Benn. Benns Praxis war am Mehringdamm. Berühmt ist die Destille aber auch für Hochprozentiges, fürs selbst Destillierte. Dutzende Glasballons mit Bränden, Geist, Schnäpsen hängen hinter der Theke wie eh und je, gläschenweise wird abgefüllt. Kellner Perry trinkt mit. Haselnuss, Schlehe, Himbeer – in den Mund, auf die Zunge und die Kehle runter. Um uns herum buntes Palaver in diversen Sprachen. Man kommt schnell ins Gespräch. Jeder erzählt seine Geschichte. Also noch ein paar Worte zur neueren Berlin-Statistik. 2,2 Millionen Menschen sind seit der Wende in die Stadt gezogen, aus Deutschland, Europa, aller Welt, haben die östlichen Stadtteile aufgefüllt, die im Westen aufgemischt. Ebenso viele sind aber auch verstorben oder haben sich ins Umland abgesetzt, ins grüne Brandenburg. 3,4 Millionen Menschen leben heute in Berlin. Und das mal schnell durchgerechnet heißt, dass tatsächlich jeder Zweite, genauer gesagt jeder Anderthalbste, den man auf der Straße sieht, quasi neu ist: Neu-Berliner. Ein Wahnsinn! Und genau das, die geballte neue Energie, all die Lebensziele, -träume, -wünsche, das ist das, was Berlin so besonders macht. Jetzt aber ins Hotel, kurz ausruhen, umziehen, dann geht’s weiter. VO N D E N S TE R NE N, ein paar Jahren mit dem Grill Royal für Aufsehen sorgten. Nun hat Restaurant Nummer zwei dem einstigen MitteTreffpunkt Nummer eins sogar den Rang abgelaufen. Aber keine Angst, hier geht’s nicht nur ums Sehen und GesehenOberfläche. werden, um Show und Oberfl äche. Im Pauly Saal stimmt auch der „Inhalt“; Philosophie und Küche. Chefkoch Siegfried Danler, der auch schon im Hamburger Le Canard war, arbeitet mit Brandenburger Bauern, lässt anbauen, produzieren, legt und weckt im Keller selbst ein. Am Tisch neben Gräfin uns nimmt Veruschka Platz, Vera Gräfi n von Lehndorff, in den 60er-Jahren das erste wahre Topmodel der Welt. Sie lächelt rüber. Zu uns? Scheinbar! Wir gehören dazu, irgendwie. Naomi Campbell war auch schon hier. Foto: Torsten Seidel der Uckermark. Es schmeckt. Und wie! Gestärkt geht’s weihis ter, wieder auf die Bergmannstraße. Am Ende liegt die hisMarheineke Markthalle, torische MARHEINEKE MARKTHALLE, ein weiteres Samstags-Highlight. Die schauen wir auch noch an – und trinken noch einen starken Kaffee … als Stärkung vor dem Aufstieg … Aufstieg … auf Berlins höchsten Berg, den Kreuzberg. Ja, den gibt’s wirklich, 66 Meter hoch, immerhin. Rauf geht’s Viktoriaüber die Methfesselstraße und durch den VIKTORIApark. Und nicht wundern, auf den Pfaden wird’s richtig PARK. steil. Einst war die Erhebung Weinberg und Mühlenhügel. Ausflugslokale. Am Fuß gab’s Ausfl ugslokale. Selbst Goethe soll hier schon schnabuliert haben. Oben dann die Hauptattraktion: Nationaldenkmal und Aussichtsplattform. 1821 hat Preußens Stararchitekt Karl Friedrich Schinkel den gusseisernen Turm in Kathedralen-Form geschaffen, mit Kreuz auf der Spitze, als Erinnerung an den Rauswurf Napoleons aus Preußen und Berlin. „Kreuz-Berg“ hieß der Stadtteil dann. Nirgends zählen Sie mehr Ster ne als bei uns an Bord. Erleben Sie die Ster ne-K o c h l e g e n d e D i e t e r M ü l l e r u n d d i e K u n s t s o v i e l e r s t e r n e d e k o r i e r t e r G a s t - K ö c h e w i e a u f k e i n e m z w e i t e n S c h i ff . U n d d a s i n d e m e x k l u s i v e n A m b i e n t e , d e m d i e E U R O PA i h re A u s n a h m e b e w e r t u n g 5 - S t e r n e - p l u s * v e rd a n k t . * Lt. Berlitz Cruise Guide 2013. 56 We i te r e I n fo r m a t i o n e n e r h a l te n S i e i n I h r e m R e i s e b ü r o o d e r u n te r w w w.h l k f.d e 57 M e n sc h e n Die Schöne ist ein Biest Charlize Theron ist nicht nur eine der schönsten Schauspielerinnen dieses Jahrzehnts. Sie ist wohl die wandlungsfähigste Diva Hollywoods S ie war 15, als ihr betrunkener Vater nach ren, schon immer“, sagt sie. Im Frühjahr 2012 trennte sie sich Hause kam, die Familie mit einem Gewehr mal wieder, adoptierte aber ein Kind, einen Sohn, und lebt bedrohte, und ihre Mutter den Mann in nun als alleinerziehende Mutter. Man merkt schon, im LeNotwehr erschoss. Man fand sie danach ben von Charlize Theron gibt es viel Sperriges, Derbes und wimmernd unter einer Decke. Heute, über wenig Zusammenpassendes. Aber was soll’s, was passt schon 20 Jahre später, hat sie einen Pitbull-Hund, zusammen in der Entertainment-Maschine Hollywood?Da den sie liebt. Und sie schaut Horrorfilme, gibt es haufenweise falsche Ehen, versteckte Homosexualium sich zu beruhigen, tät und vom Chirurgen geformte Körper. wie sie sagt. Sie mag im Fernsehen gern Das sieht man auf jedem roten Teppich, sehen, wenn Männer sich in Käfigen bis und in den Bars der Hotels hört man, wer aufs Blut verhauen, „Steel Cage Fighting“ bei welchem Therapeuten wegen welcher heißt so was in den USA. Sie hat einen Sucht in Behandlung ist, und so weiter. Oscar für die Rolle einer SerienmördeNur einen Namen hört man nie. Ihren. rin in „Monster“ bekommen, und für Charlize Theron. Sie ist in diesem Enihren Auftritt in der Märchenverfilmung semble ein bemerkenswertes Einzelstück, „Snow White and the Huntsman“ hieß es: das wenige Geheimnisse um sich macht „Schönheit, so grausam.“ Und nun schaut und etwas hat, dass man bei Männern man sich diese Frau an, das Gesicht, das immer mit „balls“, also Eiern, übersetzt. Lachen, die langen Beine, und denkt, die Bei einer Frau wie Charlize Theron sollte sieht überhaupt nicht so aus, wie sie lebt. man schlicht von Willen sprechen. Einem Früher hat Charlize Theron mal geWillen, den schon viele Produzenten und raucht, sagt sie, und wenn man fragt, wie Schauspielerin Theron Regisseure vergeblich versucht haben zu viel, kommt: „Ich habe nicht wie normale in „Kaltes Land“ (oben) und bändigen oder einzuordnen. Charlize Menschen geraucht, ich habe geraucht, dem Oscar-prämierten „Monster“ macht es ihnen verdammt schwer. um zu sterben.“ Wenn sie Auto fährt und Sie hat die Schönheit und die Maße auf der Straße wenden will, kann es passieren, dass sie Volleines Supermodels, sie war schon das Gesicht von Dior, und gas gibt, die Handbremse zieht und eine reifenquietschende was macht sie vor der Kamera? Zeigt sich nackt mit bluSchleuderwende hinlegt. Hat sie mal gelernt, in „The Italian tenden Wunden auf dem ganzen Körper. Oder als trinkende Job“, einem ziemlich schnellen Goldräuber-Film. Sie war und mordende Hure mit Müllhaaren und speckiger Haut. noch nie verheiratet, hatte aber immer Männerfreunde. Oder als aschfarbene Gestrandete nach dem Weltuntergang. „Wenn einer ging, hatte ich einen Monat später einen andeOder als billige, nervensägende Kleinstadtschönheit. Man 58 Fotos: Fabrizio Ferri/Contour by Getty Images, ddp images, Cineliz/AllPix/laif T e x t: J o c h e n S i e m e n s 59 M e n sc h e n „Wenn ich eine perverse spielen soll, werde ich pervers“ Hollywoodstar Theron in „24 Stunden Angst“, „Aeon Flux“, „Head in the Clouds“ and „Snow White and the Huntsman“ Werbefigur Theron Schönheit und Maße eines Supermodels 60 Benoni heißt die kleine Stadt in Südafrika, ganz in der Nähe von Johannesburg. Am 7. August 1975 wurde Charlize Theron hier auf einem Bauernhof geboren. Ihr Vater Charles war ein angesehener Bauunternehmer, ihre Mutter Gerda hatte deutsche Vorfahren. Charlize’ Kindheit war wie ein südafrikanisches Bullerbü, sie spielte, ging zur Schule, mistete den Hühnerstall aus und trieb die Kühe auf die W eide. Dann, im Juni 1991, kam ihr Vater eines Abends volltrunken nach Hause, er stritt mit der Mutter, er randalierte, warf die Möbel um, holte sein Gewehr und legte an. Gerda riss ein anderes Gewehr an sich und drückte ab. Charlize hatte sich in ihrem Zimmer versteckt, sie war 15. Gerda Theron wurde n ie angezeigt. Man weiß nicht, ob Charlize dieses Trauma v erdrängen wollte, aber als sie als „wenn einer ging, hatte ich einen Monat später einen anderen, schon immer“ Schauspielerin erste Interviews gab und nach ihrem Vater gefragt wurde, erzählte sie jahrelang, er sei bei einem Autounfall umgekommen. Dann wurde in Südafrika irgendwann einmal der Polizeibericht aus der Nacht veröffentlicht. Heute beantwortet Charlize dann s olche Fragen gar nicht oder sehr knapp und kühl. 15 ist ein beschissenes Alter für ein solches Erlebnis, man ist zu jung, um es zu verstehen, und zu alt, um zu vergessen. Man wird buch es stäblich b rutal erwachsen, härtet seine Schale und trainiert sich in Parallelwelten. Später wird sie einmal sagen: traurig es ist, aber Liebeskum„So mer, Schmerz und Tod beschäftigen uns einfach mehr als all die schönen Dinge des Lebens.“ Gerda Theron schickte ihre Tochter weit weg, sie wusste, dass der Vorfall sie in dem kleinen Nest Benoni irgendwann erdrücken würde. Fotos: Cineliz/AllPix/laif, ddp images (4), DAF/Face to Face, Imago Stock+People kann in der Liste ihrer 36 Filme lange suchen, man findet keine romantische Komödie oder andere Fließbandstücke, sondern nur fast Schwieriges, manchmal Krachendes und immer Rollen mit Abgründen und doppelten Böden. Selbst in Woody Allens Film „Celebrity“ spielt Theron zwar ein Supermodel, aber ein kettenrauchendes mit perversen Vorlieben. „Jeder Teil meines Körpers liefert mir sexuellen Spaß“, sagt sie da. Der Drehbuchautor des Films „Young Adult“, Diablo Cody, erinnert sich: „Ich muss zugeben, ich hatte große Bedenken mit Charlize, sie war mir zu schön, ich wollte lieber normale Menschen in dem Film. Aber es war beeindruckend, wie sie ihre Schönheit in etwas vorstädtisch Oberflächliches verwandeln konnte. Charlize ist wirklich sehr überzeugend.“ Hollywood geht so: Wer hierherkommt, verkauft das, was er hat. Die meisten ihre Schönheit. Bei Charlize Theron ist es umgekehrt, sie versucht immer wieder zu zeigen, wie sehr sie das, was sie hat, zerstören kann. Das hat auf bestimmte Weise auch Konjunktur im Film, Hollywood mag die, die sich entstellen, Behinderte oder Todkranke spielen. Tom Cruise, Angelina Jolie, Tom Hanks, Dustin Hoffman, sie alle spielten schon Behinderte oder Verrückte, so was fordert Schauspiel und große Gesten, und das Publikum schaut gebannt zu. Aber so etwas spielt man ein-, zweimal, um dann wieder in den Glanz des großen Stars und Helden zurückzukehren. Nur Charlize Theron sagt, dass der irre Jack Nicholson, axtschwingend in „Shining“, eine ihrer schauspielerischen Initial zündungen gewesen sei: „Das hat mich wirklich inspiriert.“ Wenn sie einen Raum betritt, sei es, als ob Marlene Dietrich und John Wayne erscheinen würden, erzählen die, die Charlize besser kennen. Man muss noch einmal zurück in die Teenagerjahre von Charlize Theron, um das zu verstehen. Denn sie kommt aus einer ganz anderen Welt. Und Charlize war groß gewachsen, blond und sehr schön. Sie ging nach Mailand, gewann einen Modelcontest und hielt es dort ein Jahr aus. Sie war 16, aber eben viel erwachsener, zynischer, härter: „Ich hasste es, den Mund nicht aufmachen zu dürfen.“ Sie ging nach New York an eine Ballettschule und war auf ihre Art erfolgreich, das Joffrey Ballet in New York engagierte sie. „Ich liebte Tanzen, weil ich merkte, dass es Schauspiel war. Ich war technisch wirklich nicht die Beste, aber ich bekam Hauptrollen, denn wenn ich auf der Bühne starb, starb ich wirklich, und wenn ich verrückt werden sollte, wurde ich wirklich verrückt.“ Doch Charlize war für den Tanz zu groß, mit 19 musste sie wegen vieler Verletzungen aufgeben: „Ich hatte die Knie einer 89-jährigen Polin“, erzählte sie einmal. Und wieder war es die Mutter, die sie antrieb. Wie war das mit dem Schauspiel? Das willst du? Dann geh dorthin, wo Filme gemacht werden. Versuch es. Charlize flog nach Los Angeles, sie kannte niemanden, und Gerda hatte ihr nur ein One-Way-Ticket geschenkt. Aber hier zu scheitern hieß, Südafrika, Benoni, die Tochter des erschossenen Vaters kehrt erfolglos zurück – eine Aussicht wie Stacheldraht. Was dann passierte, könnte eine hübsche erfundene Legende sein und ähnelt einer Filmszene, aber Los Angeles und Hollywood ist ein Ort, der nach genau dieser Regie lebt. Charlize ging in eine Bank, um einen Scheck aus einem ihrer letzten Model aufträge einzulösen, der Mann am Schalter sagte: „Sorry, den können wir nicht einlösen, der ist nicht aus Kalifornien, sie müssten …“ Weiter kam er nicht, denn die 1,86 Meter große Südafrikanerin holte Luft und zerlegte den Mann mit Worten „ich hatte die Knie einer 89-jährigen Polin“ in Schnipsel oder zu Staub, was jedenfalls einen Schauspiel agenten in der Warteschlange so beeindruckte, dass er Charlize seine Karte gab. So ist das in Hollywood, Karten werden den ganzen Tag verteilt, aber Charlize Theron rief den Mann an. Noch am selben Tag. Und wenige Wochen später hatte sie ihre erste Rolle. Nackt auf einem Bett in „Zwei Tage L.A.“. „Über manche Filme, die ich gemacht habe, muss man nicht reden“, sagt sie heute. Privatperson Theron mit Nelson Mandela (oben) und Adoptivsohn Jackson Natürlich dachten sie in Hollywood: Oh, blonde Zuckerstange, die sich auch auszieht, kommt genau richtig, Sharon Stone wird ja auch nicht jünger. Genau so denken und reden sie in den Besetzungsbüros. Aber Charlize Theron schlugschon bald die ersten Haken, sie feuerte ihren Agenten, als er sie in dem Busen-Tanzfilm „Showgirls“ unterbringen wollte, sie überzeugte Woody Allen mit ihrem Können – „wenn ich eine Perverse spielen soll, werde ich pervers“ –, und sie fiel vor der Kamera mit etwas auf, das viele nur vorspielen: Intensität. Es ist die Intensität, man könnte auch sagen Schizophrenie von Menschen, die sich in andere Welten und Personen versetzen wollen, um sich zu tarnen oder zu verstecken. Das lernt man nicht auf Schauspielschulen, das lernt man wie Charlize Theron im Leben. 2003 kam dann die große Chance: „Monster“, eine Geschichte über die Prostituierte Aileen Wuornos, die zur Serienmörderin wird, ein ganz harter Film mit einer ganz harten, irritierend fremden Theron, hässlich, verzweifelt, brutal. Es ist ein Film, in dem sie aus Rache Männern mit der Pistole den Kopf wegschießt, für den sie den Oscar bekommt. Aber es wäre viel zu billig, darin Zusammenhänge ihres Lebens zu sehen. Man kommt Charlize Theron anders nahe. Mit ihrer Mutter, sagt sie, hat sie viele Gedichte von Rainer Maria Rilke gelesen, damals, an den Abenden auf dem Bauerhof. Und Rilke schrieb einmal: „Denn das Schöne ist nichts als des Schrecklichen Anfang, den wir noch gerade ertragen, und wir bewundern es so, weil es gelassen verschmäht, uns zu zerstören.“ Muss man zweimal lesen, um Charlize Theronauf der Leinwand zu verstehen. Wie sie da gelassen verschmäht, uns zu zerstören. 61 B e r e n be r g News Gefragte Oldtimer Florian Zimmermann leitet den Bereich Classic Cars bei der Berenberg Art Advice GmbH. Zuvor war er zwölf Jahre für Mercedes-Benz tätig, zuletzt als Leiter des Mercedes-Benz Classic Centers in Stuttgart. Der erfahrene und ausgewiesene Experte hält die Investition in Oldtimer für die „passionierte Art der Geldanlage“. Herr Zimmermann, wie hat sich der Oldtimermarkt in den letzten zehn Jahren entwickelt? In den letzten Jahren haben wir einen wahren Boom erlebt. Dies betrifft nicht nur den Handel mit Fahrzeugen, sondern ebenso den Bereich der Veranstaltungen, auf denen Enthusiasten ihrem Hobby frönen und in die mobile Welt vergangener Tage eintauchen können. Es vergeht kein Wochenende, ohne dass nicht irgendwo in Europa Oldtimer auf Ausfahrten zu bewundern sind. Neben Rallyes, Rennveranstaltungen und sogenannten Concours d’Élégance erschließen immer mehr Großveranstaltungen mit Unterhaltungscharakter wie zum Beispiel das Goodwood Festival of Speed oder auch Messen wie die Techno Classica in Essen die Welt der Oldtimer einem breiten Publikum. Dies beeinflusst auch den Markt und sorgt für ein stabiles Wachstum in einem durch natürliche Verknappung gekennzeichneten Segment – die Fahrzeuganzahl originaler Oldtimer aus den besonders interessanten Jahren bis 1970 wird immer geringer. Gleichzeitig erleben wir ein steigendes Interesse an diesen historischen Kulturgütern in bis dato fast unerschlossenen Märkten wie zum Beispiel Asien, die für eine weitere Belebung sorgen werden. Haben Sie dramatische Preisschwankungen beobachtet? ten Jahren in diesem Segment relativ stabil. Baureihen mit relativ geringer Stückzahl und besonderen Karosserieformen sind insbesondere in diesem Segment anzutreffen. Im oberen Segment finden sich die besonderen und exklusivsten Fahrzeuge aus 126 Jahren Automobilgeschichte, viele Vorkriegsfahrzeuge der bekannten Marken, Design-Ikonen aber auch historische Rennfahrzeuge mit entsprechender Geschichte. Die Wertentwicklung in diesem Segment ist sehr fahrzeugspezifisch und hat in den letzten Jahren schon fast utopische Ausmaße angenommen. Generell haben wir in den letzten Jahren einen relativ stabilen Wertzuwachs beobachtet. Preisschwankungen innerhalb einzelner Fahrzeugkategorien ließen sich in der Regel auf die Qualität des Oldtimers und die belegte Geschichte zurückführen, sprich, es wird inzwischen sehr genau beim Kauf auf die richtige Wahl geachtet. Bei besonders seltenen und exklusiven Fahrzeugen beobachten wir seit einiger Zeit regelrechte Preissprünge nach oben, die sich durch die geringe Verfügbarkeit dieser Preziosen erklären lassen. So gehören Auktionsergebnisse von weit über zehn Millionen Dollar inzwischen schon fast zum Alltag eines Auktionators – vor Jahren undenkbar. Generell lässt sich jedoch sagen, dass ein gut ausgewählter Oldtimer eine sichere Anlage ist, die oft kolportierten Renditen von über zehn Prozent pro Jahr jedoch nur im Einzelfall zu erreichen sind. Wo sehen Sie die größten Entwicklungschancen? Die größten Entwicklungschancen sehe ich bei Fahrzeugen der heute noch bekannten, exklusiven Marken. Beispielhaft hierfür seien Bentley, Ferrari oder auch Aston Martin und Mercedes-Benz genannt. In den einzelnen Fahrzeugkategorien sind es die Roadster und Cabriolets, die die stabilsten Wertentwicklungen aufweisen. Eine immer größere Rolle spielen die Themen Originalität und lückenlose Dokumentation der Geschichte des Fahrzeugs. Nur gut dokumentierte Fahrzeuge mit geprüfter Originalität werden in ihrem Wert langfristig stabil wachsen. Dennoch zählt auch hier der Grundsatz „Die Ausnahme bestätigt die Regel“, die Entwicklungschancen des einzelnen Fahrzeugs müssen immer im Einzelfall bewertet werden. In welche Segmente teilt sich der Markt? Ich sehe drei Hauptsegmente: Einstiegsmodelle, die den größten Anteil am Markt ausmachen. Hierbei handelt es sich in der Regel um Fahrzeuge, die in erster Linie Spaß bringen und nicht so sehr das Thema Wertentwicklung berücksichtigen. In der Regel sind dies auch die volumenstarken Baureihen der Hersteller. Im mittleren Segment sind insbesondere die exklusiven Baureihen und bekannte Hersteller anzutreffen, die Wertentwicklung der Fahrzeuge erfolgte in den letz- Was raten Sie einem Neuling, der Geld in diesen Markt investieren will? Für mich gelten folgende Regeln: Grafik: Berenberg Art Advice | Fotos: Berenberg, René Staudt 1. Kaufen Sie nur das Fahrzeug, das Ihnen gefällt. Wählen Sie nach Ihrer persönlichen Passion. 62 2. Sollte bereits eine Sammlung bestehen oder der Aufbau einer Sammlung geplant sein, muss der Kauf im Hinblick auf die Sammlungsstrategie geprüft werden. 3. Kaufen Sie nur ein möglichst original erhaltenes Fahrzeug. Lassen Sie diesen Punkt vor dem Kauf genau prüfen (siehe auch Grafik S. 62) 4. Prüfen Sie, ob das Fahrzeug eine nachvollziehbare, fundierte Historie besitzt. 5. Lassen Sie, unbedingt vor dem Kauf, eine technische Bewertung und Zustandsaufnahme durchführen. 6. Lassen Sie Marktanalysen und Vergleichstransaktionen in die Kaufpreisfindung mit einfließen. Berenberg Bank Classic Team bei Schloss Bensberg Classics Innerhalb von nur vier Jahren haben sich die Schloss Bensberg Classics zu einer der bedeutendsten Oldtimerveranstaltungen in Europa entwickelt. Von Beginn an unterstützt die Berenberg Bank die aus einem Concours d’Elegance und einer Rallye Historique bestehende Veranstaltung als Sponsor. Mit neun Teams aus Kunden und Freunden des Hauses ging das „1590 Berenberg Bank Classic Team“ um Berenberg-Partner Andreas Brodtmann in diesem Jahr auf die 200 Kilometer lange Strecke durch das Bergische Land. Sichere Häfen Das Interesse an Investitionen in Sachwerte hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Zum einen ist es durch die Verstärkung der Finanz- und Schuldenkrise zu erheblichen Verwerfungen an den Kapitalmärkten gekommen. Zum anderen gelten Anleihen bestimmter Staaten aufgrund ihres Ausfallrisikos nicht mehr als „sichere Häfen“. Gerade in diesen Zeiten ist das Investment in Sachwerte vergleichsweise stabil. Darüber hinaus schützen Sachwerte vor Inflation und korrelieren nur wenig mit anderen Anlageklassen. Die Berenberg Bank und das Hamburgische WeltWirtschaftsInstitut HWWI haben in ihrer Studienreihe „Strategie 2030 – Vermögen und Leben in der nächsten Generation“ das Thema Sachwerte genauer untersucht. Die Autoren beleuchten die Segmente Rohstoffe, Infrastruktur, Immobilien, Ackerland und Forstwirtschaft, Diamanten, Kunst sowie Luxus und zeigen in diesen Bereichen auch Anlagemöglichkeiten auf. 63 B e r e n be r g News HWWI/Berenberg Kulturstädteranking Stuttgart ist Kulturmetropole Nr. 1 1. Stuttgart 2.Dresden 3.München 4. Berlin 5. Bonn 6. Frankfurt am Main 7.Münster 8.Karlsruhe 9.Hamburg 10. Augsburg 11.Düsseldorf 12. Leipzig 13.Essen 14.Köln 15.Nürnberg 64 16.Mannheim 17.Hannover 18. Braunschweig 19.Aachen 20.Chemnitz 21. Bremen 22. Bochum 23. Wiesbaden 24.Kiel 25. Bielefeld 26.Dortmund 27.Mönchengladbach 28.Gelsenkirchen 29. Duisburg 30. Wuppertal Jugend-Training mit Golflegende Gary Player Er ist einer der ganz Großen des Golfsports. Auch mit 77 Jahren ist Gary Player aktiv und spielt noch fast täglich Golf. Der fünffache Majorsieger ist von Beginn an Aushängeschild der Berenberg Bank Masters und zusammen mit Bernhard Langer Turnierbotschafter. „Wer von euch möchte Golfprofi werden?“, fragte Gary Player in die Runde von 20 Jugendlichen. Eine Hand ging nach oben, eine zweite folgte schüchtern. „Hallo, was ist das, in meiner Heimat Südafrika hätten alle sofort Ja gerufen!“ Dennoch war er fasziniert: „Es ist großartig, so viele talentierte Jugendliche zu sehen, die mit Begeisterung unseren Sport ausüben.“ Das war aber nur der Auftakt zu einer einmaligen Trainingsstunde mit der Golfikone. Teilnehmer waren Jungen und Mädchen im Alter von 9 bis 17 Jahren, die sich über einen „Nearest to the Pin“-Wettbewerb in den Leading Golf Courses of Germany qualifiziert hatten. Die Gewinner aus allen Teilen Deutschlands waren von der Berenberg Bank zum Besuch des Turniers und zum Training mit der Golflegende eingeladen worden. „Wir wollen neben dem Profisport auch den deutschen Nachwuchs fördern und konnten unseren Turnierbotschafter Gary Player gleich für diese Aktion gewinnen“, freute sich Berenberg-Chef Dr. Hans-Walter Peters. Gary Player gab jedem einzelnen Teilnehmer individuelle Tipps für sein Spiel, ehe er für alle Jugendlichen Kappen signierte und für ein persönliches Foto bereitstand. Ein unvergessliches Erlebnis für alle Teilnehmer. Hitzeschlacht am Wörthsee Fotos: Frank Föhlinger, Phil Inglis/Getty Images Das Hamburgische WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) hat im Auftrag der Berenberg Bank die 30 größten Städte Deutschlands im Hinblick auf ihr Kulturleben untersucht. Das Ergebnis: Stuttgart ist Kulturmetropole Nr. 1, Dresden, München und Berlin folgen auf den Plätzen 2, 3 und 4, während altindustrielle Städte wie Gelsenkirchen, Duisburg und Wuppertal das Schlusslicht bilden. Das HWWI/Berenberg Kulturstädteranking greift die vielseitige Bedeutung des kulturellen Klimas für die Stadt entwicklung auf und vergleicht zahlreiche Aspekte der Kulturproduktion und -rezeption. Dabei bezieht sich die Kulturproduktion auf Elemente und Grundlagen, die für die Entstehung von Kunst und Kultur notwendig sind, wie etwa die kulturelle Infrastruktur mit Opernhäusern und Theatern, die kulturelle Bildung an Musik- und Kunsthochschulen oder die Anzahl der Beschäftigten in der Kulturwirtschaft. Die Kulturrezeption umfasst die Aufnahme des kulturellen Angebots durch die Bewohner und Besucher der Städte. Sie zeigt sich beispielsweise in den verkauften Theater- und Museumskarten. Dabei können den Auswertungen nur quantitative Aussagen entnommen werden. Die äußeren Voraussetzungen waren bis auf die enorme Hitze optimal und das Spielerfeld hochklassig. Die Spitzenspieler der European Senior Tour waren der Einladung von Deutschlands ältester Privatbank zur dritten Auflage der Berenberg Bank Masters gefolgt, ebenso wie über 11.000 Zuschauer. Südafrika, Köln, Wörthsee – das sind die Stationen des mittlerweile größten Turniers der European Senior Tour. Die durchweg positiven Kommentare der Teilnehmer, die vor allem den perfekten Pflegezustand und die enorm schnellen Grüns lobten, bestätigten den Veranstaltern, die richtige Wahl getroffen zu haben. Kein Wunder, dass Dr. Hans-Walter Peters, Sprecher der persönlich haftenden Gesellschafter der Berenberg Bank, hochzufrieden war: „Als wir vor zwei Jahren in Südafrika die Berenberg Bank Masters ins Leben gerufen haben, konnten wir nicht ahnen, welch positive Entwicklung dieses Turnier in kürzester Zeit nehmen würde.“ Der Finaltag der Berenberg Bank Masters 2012 brachte die Entscheidung – mit Spannung bis zum letzten Putt. Bei schwierigen Verhältnissen mit böigem Wind kämpften der Amerikaner Tim Thelen, der Waliser Mark Mouland, Peter Fowler (Australien) und Barry Lane (England) bis zur Finalbahn um den Sieg. Thelen begann die Finalrunde mit einem Sensationsschlag und einem daraus resultierenden Albatros (drei unter Par!), mit dem er die Führung übernahm. Mit einem Schlussspurt und Birdies auf den Löchern 16 und 18 konnte Thelen seinen Vorsprung auf drei Schläge ausbauen und sich den Erfolg sichern. Bei den Berenberg Bank Masters 2011 hatte der in Texas lebende Thelen sein erstes Turnier auf der Senior Tour gespielt, in Wörthsee gelang ihm nun der erste Sieg. „Sobald ich in Deutschland abschlage, gelingt fast alles. Vielleicht liegt das an meinem deutschen Urgroßvater.“ Auch Lokalmatador Bernhard Langer zählte zu den Titelanwärtern, doch an diesem Sonntag verließ ihn das Glück auf den Grüns. „Ich hatte einige Chancen auf Birdies, doch die Putts wollten nicht fallen.“ Langer beendete das Turnier nach 205 Schlägen (-11) auf dem alleinigen fünften Rang. 65 Er Re En N be BEr Rg G News NEWS Be Investorenkonferenz zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts BerenbergKids: 75.000 Euro für bedürftige Kinder Baggern für den guten Zweck: Insgesamt 20 Mannschaften der Berenberg Bank traten beim Beachvolleyball-Turnier zugunsten der BerenbergKids Stiftung an. Zuvor waren als „Startgeld“ 75.000 Euro an Spenden gesammelt worden, die nun für verschiedene soziale Projekte für Kinder verwendet werden sollen. Das Prominententeam um die Profiturnerin Magdalena Brzeska, den „Tagesschau“-Sprecher Thorsten Schröder sowie die Schauspielerin Gesa Dreckmann unterlag den „Berenberg Allstars“ nur knapp. Die BerenbergKids wurden im Frühjahr 2007 von Mitarbeitern der Berenberg Bank gegründet. „Wir wollen mit BerenbergKids sozial benachteiligten Kindern helfen und einen Beitrag dazu leisten, ihre Entwicklungsmöglichkeiten zu fördern. Diese Initiative kommt von Herzen und wird durch das Engagement unserer Mitarbeiter getragen“, sagt Andreas Brodtmann, persönlich haftender Gesellschafter der Berenberg Bank und Vorsitzender der Stiftung. 100 Unternehmen aus DAX, MDAX, SDAX und TecDAX präsentierten sich – zumeist auf Vorstandsebene – auf der ersten „Berenberg Bank and Goldman Sachs Inaugural German Corporate Conference“ Ende September in München. 500 institutionelle Anleger, darunter 15 der 20 weltweit größten Asset Manager, waren gekommen. „Wir wollen mit dieser Konferenz den Wirtschaftsstandort Deutschland stärken, das Interesse ausländischer Investoren an Deutschland steigt wieder“, sagte Hendrik Riehmer, Berenberg-Partner im Vorfeld zu Journalisten. Im Beiprogramm der Konferenz sprachen unter anderem EZB-Direktoriumsmitglied Dr. Jörg Asmussen, Prof. Dr. Dr. Ann-Kristin Achleitner von der TU München sowie FC-Bayern-München-Chef Uli Hoeneß. HolAuf einem Podium diskutierten die Chefvolkswirte Dr. Hol v. l.) und Huw Pill (Goldger Schmieding (Berenberg, 2. v. l.) man Sachs) mit Nikhil Srinivasan (CIO Allianz Investment Management) und Patrick Vermeulen (J.P. Morgan Asset Management). Moderation: Prof. Dr. Dr. Otmar Issing (l.) Automobile Kunst in Perfektion Hr Re E An N sp SPr R ec EC h H pa PA r Rt Tn Ne Er R Ih 350 60-513 Private Banking: Silke Krüger (040) 350 60-513 32 07-78 00 Investment Banking: +44 (20) 32 07-78 00 350 60-713 Asset Management: Tindaro Siragusano (040) 350 60-713 350 60-780 Corporate Banking: Tobias Bittrich (040) 350 60-780 Niederlassung Bielefeld · Welle 15 · 33602 Bielefeld 97 79-100 Volker Steinberg (0521) 97 79-100 Repräsentanz Braunschweig · Vor der Burg 1 · 38100 Braunschweig 12 05 82-20 Torben Friedrichs-Jäger (0531) 12 05 82-20 Niederlassung Bremen · Hollerallee 77 · 28209 Bremen 348 75-11 Thomas Müller (0421) 348 75-11 66 Niederlassung Düsseldorf · Cecilienallee 4 · 40474 Düsseldorf 54 07 28-10 Raymund Scheffler (0211) 54 07 28-10 Niederlassung Frankfurt · Bockenheimer Landstraße 25 · 60325 Frankfurt/Main 91 30 90-13 Lars Andersen (069) 91 30 90-13 Niederlassung München · Maximilianstraße 30 · 80539 München 25 55 12-100 Tindaro Siragusano (089) 25 55 12-100 Niederlassung Stuttgart · Bolzstraße 8 · 70173 Stuttgart 490 44 90-10 Oliver Holtz (0711) 490 44 90-10 Repräsentanz Wiesbaden · Wilhelmstraße 12 · 65185 Wiesbaden 711 85-10 Albrecht von Harder (0611) 711 85-10 Fotos: Berenberg Berenberg Bank · Neuer Jungfernstieg 20 · 20354 Hamburg Wir sind stolzer Partner von Berenberg Art Advice. Denn wir verstehen etwas von Investments in wahre Meisterwerke. Der Bentley Mulsanne. Mehr erfahren Sie unter +44 1270 653 653 oder unter www.bentleymulsanne.com. Bentley Mulsanne Kraftstoffverbrauch (in l/100km): innerorts 25,3; außerorts 11,8; kombiniert 16,9; CO2- Emissionen 393 g/km; Effizienzklasse: G Berenberg Bank (Schweiz) AG · Kreuzstrasse 5 · 8034 Zürich 284 21-84 Jens Schütrumpf +41 (44) 284 21-84 67 1839 entwickelte Vacheron Constantin zahlreiche Maschinen, darunter auch den berühmten Pantographen. Dieses mechanische Werkzeug ermöglichte zum ersten Mal in der Geschichte der Uhrmacherkunst die perfekte Reproduktion von Uhrenbestandteilen. Hierdurch wurde die Qualität der Zeitmesser erheblich verbessert. Diese Erfindung läutete die Zukunft der Marke ein und revolutionierte gleichzeitig die gesamte Schweizer Uhrmacherkunst. Getreu der Geschichte und entsprechend dem traditionellen Renommee der Marke verpflichtet sich Vacheron Constantin, alle Uhren, die seit der Unternehmensgründung gefertigt wurden, zu warten, zu reparieren und zu restaurieren. Dies ist nicht nur Garant für herausragende Qualität, sondern auch Maß für die Vertrauenswürdigkeit, auf dem auch heute noch der gute Ruf des Hauses beruht. Patrimony Traditionnelle Tourbillon 14 Tage Kaliber 2260 Rotgold (5N) 18K , Versilbertes Opalin-Zifferblatt, Genfer Punze, Mechanisches Uhrwerk mit Handaufzug, Tourbillon, Ø 42 mm Ref. 89000/000R-9655 64 Vacheron Constantin · Postfach 21 01 20 · 80671 München Tel. +49 (0)89 55 984 325 · Fax +49 (0)89 55 984 310 www.vacheron-constantin.com · www.thehourlounge.com