- Deutsches Bergbau

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- Deutsches Bergbau
Technischer Wandel im Montanbereich wird dieses Desiderat behandelt. Bis heute fehlt eine übergreifende und zusammenhängende Untersuchung, die einer
von der Technikhistoriographie seit den 1960er-Jahren vollzogenen perspektivischen Erweiterung des Technikbegriffs Rechnung trägt. Der damit verbundene
begriffliche Übergang von der Erfindung zur Innovation, die Loslösung des Untersuchungsgegenstands von der reinen Mechanik und Maschinisierung sowie
die Fokussierung auf soziale Folgen technischer Innovationen haben sich bezüglich des Bergbaus allenfalls innerhalb breit angelegter Technikgeschichten und
in einzelnen Detailstudien niedergeschlagen. Dabei sind vor allem der Arbeitsplatz des Steinkohlenbergbaus in seinen technologischen Dimensionen berücksichtigt und die technischen Defizite der Branche im Hinblick auf die Rationalisierungsbemühungen in den 1920er-Jahren ausgelotet worden. Innerhalb des
weiten Themenschwerpunkts stehen derzeit Forschungen zur Technikgeschichte
des Kokereiwesens im Vordergrund. Bei diesem Thema konnte auch die enge Verbindung von Forschung und Vermittlung in einem Forschungsmuseum demonstriert werden. Auf Basis der umfangreich geleisteten wissenschaftlichen Vorarbeiten, konnte im Jahr 2012 in der Halle 7 des DBM eine zeitgemäße Ausstellung zur
Geschichte, Gegenwart und Zukunft des Kokereiwesens realisiert werden.
Dissertationsprojekt: Die Absatzorganisation des Rheinisch-Westfälischen Kohlen-Syndikats auf dem nationalen Markt (1896-1933)
Themenschwerpunkt: Unternehmen, Verbände und Bergwerke im
industriellen Montanwesen (Prägephase 6)
Projekt des Themenschwerpunktes: Industrielle Beziehungen im Montanbereich
Bearbeiter: Christian Böse; Betreuer: Michael Farrenkopf
Das 1893 gegründete Rheinisch-Westfälische Kohlen-Syndikat (RWKS)
hatte über mehrere Jahrzehnte maßgeblichen Einfluss auf die Produktions-, Preis- und Absatzverhältnisse des deutschen Kohlenmarktes
ausüben können. Ein bedeutsamer Charakter des wohl mächtigsten Industriekartells seiner Zeit war die Etablierung einer eigenen Vertriebsorganisation.
Nach der Übernahme der Verkaufstätigkeiten für alle beteiligten Zechen setzte das Syndikat zur Straffung des Absatzapparates und zur Sicherung einer gleichmäßigen Abnahme seiner Produkte neue Vertrags- und Lieferbedingungen auf, legte Absatzreviere fest und unterstützte ab 1896 den Zusammenschluss von selbstständigen Kohlenhändlern zu regionalen Handelsgesellschaften mit Alleinverkaufsrecht für Syndikatskohle. Innerhalb dieser Handelsunternehmen, die später als Syndikatshandelsgesellschaften bezeichnet wurden, nahm die Rheinische Kohlenhandels- und Rhederei-Gesellschaft mbH (das „Kohlenkontor“) eine besondere Stellung ein. Dieser Gesellschaft wurde nicht nur das Alleinverkaufsrecht für Ruhrkohle auf dem stark umkämpften süddeutschen Markt übertragen, auch hatte das Kohlenkontor das ausschließliche Recht für den Vertrieb der
über den Rhein verschifften Syndikatsprodukte verliehen bekommen.
forschen und beraten
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Tatsächlich abgeschlossen war diese Handelssyndizierung erst während des Ersten Weltkriegs, als das RWKS unter massiven staatlichen Einfluss geriet. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich jedoch parallel zahlreiche Syndikatszechen eigene
Verkaufsorganisationen aufgebaut oder sich Einfluss auf bestehende Handelsgesellschaften verschafft. Dies geschah, um im Falle einer Auflösung des RWKS den
Markt auch ohne zentrale Absatzorganisation weiterbeliefern zu können und die
eigene Verhandlungsposition in Erneuerungsverhandlungen zu verbessern. Zudem war damit das Bestreben zu erkennen, von den hohen Handelsgewinnen
profitieren zu können. Diese Entwicklung war eine der Grundlagen für die im
Syndikat besonders konfliktreichen 1920er-Jahre, in denen Handelsfragen immer häufiger im Mittelpunkt syndikatsinterner Diskussionen standen und zu einem wichtigen Faktor in den Erneuerungsverhandlungen wurden. Die Struktur
der Absatzorganisation des Kartells unterlag während dieser Zeit zahlreichen
Veränderungen.
Karte des Deutschen Reichs mit den
Absatzrevieren des RWKS (aus: Tielmann, Paul: Die Syndikatshandelsgesellschaften des Rheinisch-Westfälischen Kohlen-Syndikats in der
Volkswirtschaft, Essen 1940)
In dem Dissertationsprojekt sollen Fragen zu Transaktionskosten in den Mittelpunkt gestellt werden. So ist zum Beispiel zu erforschen, ob die Integration des
Vertriebs in den Kartellapparat für die einzelnen Akteure wirtschaftliche Vorteile brachte. Die Preis- und Absatzpolitik des Kartells in bestrittenen und unbestrittenen Absatzgebieten soll ebenso gegenübergestellt werden wie die Rolle
einzelner Syndikatsmitglieder, die einerseits als selbstständige Produzenten und
andererseits als Mitglieder des Kartells unterschiedliche Interessen hatten. Der
Untersuchungszeitraum bewegt sich von 1893 bis in die Mitte der 1920er-Jahre.
Eingebunden ist die Untersuchung in das Forschungsprojekt „Absatz und Absatzstrategien des westdeutschen Steinkohlenbergbaus in der ersten Hälfte des 20.
Jahrhunderts“, das durch den Lehrstuhl für Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte der Ruhr-Universität Bochum, Prof. Dr. Dieter Ziegler, gemeinsam mit
dem montan.dok koordiniert und geleitet wird.
Seit dem zweiten Quartal 2012 konnten Projektarbeiten wesentlich intensiviert
werden. Vor allem ist der Einstieg in das umfangreiche Quellenstudium gelungen, das noch nicht abgeschlossen ist. Eine zentrale Rolle nimmt dabei der im
Bergbau-Archiv verwahrte Aktenbestand zum RWKS ein, der bisher in der wirtschaftshistorischen Forschung relativ unbeachtet blieb. Ebenso werden die Gegenüberlieferungen einzelner Bergwerksunternehmen in die Forschungsarbeit
mit einbezogen, was bereits zu wichtigen Ergebnissen geführt hat.
Dabei gehen die Recherchen über die Bestände des montan.dok/BBA hinaus.
Im Jahr 2012 wurden Akten im ThyssenKrupp-Konzernarchiv, Duisburg sowie
im Westfälischen Wirtschaftsarchiv in Dortmund eingesehen. Hinzu kamen Recherchen in den umfangreichen Literaturbeständen der Stiftung Bibliothek des
Ruhrgebiets in Bochum. Für das Jahr 2013 sind weitere Quellenrecherchen sowohl in Unternehmens- und Wirtschaftsarchiven als auch in staatlichen Überlieferungen geplant. Zudem soll in 2013 die Verschriftlichung der Forschungsergebnisse beginnen.
Die ersten zentralen Ergebnisse des Projektes konnten am 6. November 2012
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forschen und beraten
im Kolloquium für Sozial-, Wirtschafts- und Technikgeschichte der Ruhr-Universität Bochum präsentiert und diskutiert werden. Hierbei wurde vor allem der erste Forschungsabschnitt vorgestellt, der sich bis in die Phase des Ersten Weltkrieges hinein erstreckt.
Unternehmensgeschichte des Bergwerks West
Stefan Moitra
Themenschwerpunkt: Unternehmen, Verbände und Bergwerke im
industriellen Montanwesen (Prägephase 6)
Ende 2012 hat mit dem Bergwerk West der RAG Deutsche Steinkohle AG in KampLintfort eines der letzten deutschen Steinkohlenbergwerke seine Förderung eingestellt. Auf Initiative von Werksleitung und Betriebsrat des Bergwerks hat der
Vorstand der RAG aus diesem Anlass beim montan.dok eine Studie zur Aufarbeitung der Geschichte des Bergwerks West und seiner Vorgängerzechen in Auftrag
gegeben. Dort ist daher ab April 2011 eine umfängliche Monographie erarbeitet
worden, die die Geschichte des Steinkohlenbergbaus am linken Niederrhein erstmals systematisch aufarbeitet.
In einem Längsschnitt wird die lange Vorgeschichte der linksniederrheinischen
Industrialisierung mit dem Aufbau der verschiedenen Zechengesellschaften bis
hin zur Auslaufphase im Verbundbergwerk West dargestellt. Die Studie verknüpft
forschen und beraten
Bau der Tagesanlagen Rossenray,
1964
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