Interview Thoss
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Interview Thoss
MARKENFÜHRUNG HANDEL RECHT SERVICE 46 INTERVIEW MARKENARTIKEL 11/2006 VKE-Präsident Gunter Thoß zur Mehrwertsteuererhöhung, den Aussichten für 2007 und Luxus MARKENARTIKEL: Herr Thoß, zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zur erneuten Wiederwahl als VKE-Präsident. Was verbirgt sich hinter dieser Abkürzung und welche Aufgaben hat Ihr Verband? GUNTER THOSS: VKE steht für »Verband der Vertriebsfirmen Kosmetischer Erzeugnisse«. Wir sind der Zusammenschluss aller wichtigen auf dem deutschen Markt tätigen Anbieter von gehobener und Luxuskosmetik. Das sind knapp 50 Unternehmen mit vielen Hundert – oftmals weltbekannten – Marken. Der VKE vertritt die Anbieter von Parfums und Pflegeprodukten mit höchsten Ansprüchen an Inhalt, Auftritt und Prestige gegenüber der Öffentlichkeit, dem Handel und der Politik. Darüber hinaus betreibt unser Verband PR-Arbeit für die Idee der breiten Anwendung anspruchsvoller Kosmetikprodukte. MARKENARTIKEL: Wie ist Ihr Resümee hinsichtlich der Geschäftsentwicklung bis zum 3. Quartal 2006? THOSS: Ich glaube, die Branche kann bislang auf ein zufriedenstellendes Geschäftsjahr zurückblicken. Wir sind mit Schwung in das Jahr 2006 gestartet, hatten zwischendurch den einen oder anderen Dämpfer hinzunehmen, aber wir setzen große Hoffnungen auf die traditionell erlösstarken Wochen vor Weihnachten. Man muss allerdings wie immer sehr genau differenzieren. Die einzelnen Firmenkonjunkturen sind recht unterschiedlich: Einige unserer Mitglieder haben bislang in einem weiterhin nicht einfachen wirtschaftlichen Umfeld überdurchschnittliche Umsatzsteigerungen erreicht, bei einigen anderen Unternehmen war die Geschäftsentwicklung leider nicht ganz so gut. Unter dem Strich rechne ich für 2006 daher für das Segment des selektiven Kosmetikvertriebs mit einer leichten Umsatzsteigerung gegenüber dem Vorjahr. MARKENARTIKEL: Welche Bereiche entwickeln sich im Weihnachtsgeschäft am stärksten? THOSS: Die Düfte werden wie immer eine starke Rolle spielen– sie sind nun einmal ein ideales Geschenk zum Fest. Aber auch Produkte rund um die Themen Wellness und festliches Schminken werden ihre Käufer finden. MARKENARTIKEL: Wie stehen Sie zum Problem Mehrwertsteuererhöhung? Gunter Thoß, 65, ist seit März 2000 Präsident des VKE. Er war nationaler Verkaufsleiter bei Blendax und Margaret Astor, dort anvancierte er später zum Geschäftsführer. Von 1993 bis 2005 arbeitete er als Vertriebsgeschäftsführer der Lancaster Group. Seit Januar 2006 ist Thoß Generalbevollmächtigter der Fribad Cosmetics Group. Thoß sitzt auch im Vorstand des Markenverbandes. THOSS: Lassen Sie mich an dieser Steller ganz klar feststellen: Eine einseitige Übernahme der Mehrbelastung durch die geplante Mehrwertsteuererhöhung auf Seiten unserer Branche beziehungsweise der Markenartikelwirtschaft kann und wird es pauschal nicht geben. Soweit seitens des Handels entsprechende Ersuchen an die Industrie kamen, haben wir diese zurückgewiesen. Ich bin der Ansicht, dass es sich hier um eine in erster Linie bilateral zu regelnde Angelegenheit handelt, das heißt, es gibt Unternehmen, die keine Kürzung ihrer eigenen Abgabepreise vorgenommen haben, andere praktizieren eine entsprechende Verringerung im Einvernehmen mit dem Handel. MARKENARTIKEL: Wagen Sie eine Prognose für 2007? THOSS: Ein Ausblick für das kommende Jahr gestaltet sich zum momentanen Zeitpunkt schwierig. Zwar hat das Vertrauen in die Marke wieder deutlich zugenommen und die Geizwelle läuft aus, aber die Bundesregierung lässt weiterhin spürbare Impulse für eine nachhaltige Belebung der Konjunktur über das Jahr 2006 hinaus missen. Die aktuelle Finanz- und Steuerpolitik in der Großen Koalition enthält zu viele Ungereimtheiten, die sich kontraproduktiv auf die Konjunkturentwicklung auswirken. Dabei gilt es gerade jetzt durch konsequentes politisches Handeln ein solides Umfeld für die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen als wichtigstem Vertrauensanker und Garanten für die Belebung des privaten Konsums zu gewährleisten. Die Konjunktur wird sich daher meines Erachtens zunächst MARKENARTIKEL 11/2006 » VKE-JAHRESTAGUNG MARKENFÜHRUNG HANDEL RECHT Luxus wie ihn unsere Branche darstellt, ist ohne starke Marken überhaupt nicht denkbar. einmal eher langsam entwickeln. Hier stehen die Hersteller beziehungsweise Vertreiber von hochpreisigen Düften und Kosmetikprodukten also auch 2007 vor großen Herausforderungen. Ich glaube aber, dass unsere Innovationskraft kombiniert mit intelligenten, spannenden Marketing- und Vertriebsstrategien die Kunden, letztendlich auch den Endverbraucher, überzeugen werden. Unsere Produkte hatten auch in konjunkturell turbulenten Zeiten immer ihren Markt. Das Gefühl »sich etwas Gönnen zu wollen« oder aber »sich etwas Gutes zu tun« spielt weiterhin eine wichtige Rolle. Dies sollte uns optimistisch nach vorne schauen lassen. MARKENARTIKEL: Was sagen Sie zum oftmals erhobenen Vorwurf, die Kosmetik-Industrie liefere eine nicht mehr überschaubare Flut an Produktinnovationen? THOSS: Natürlich kann sich ein überladenes Produktportfolio nachteilig auswirken. Das Angebot sollte sich daher immer übersichtlich, gut strukturiert und systematisch darstellen. Ich bin aber der Meinung, Industrie und Handel haben sich hier einzig nach den Anforderungen der Verbraucher im Selektivmarkt zu richten – und die sind neugierig und experimentierfreudig. Das heißt, der Gesamtmarkt wird immer wieder von der Innovationskraft der Hersteller stimuliert. Innovation gepaart mit Kommunikation und kompetenter Information gegenüber dem Endverbraucher ist daher sicher ein unabdingbares Element für Umsatzstabilität und mittelfristiges Wachstum in schwierigen Zeiten. MARKENARTIKEL: Ihre Branche ist in besonderem Maße von der Graumarkt-Problematik, also dem Vertrieb von Produkten über nicht autorisierte Vertriebskanäle betroffen. Was tut der VKE gemeinsam mit seinen Mitgliedern hiergegen? THOSS: Das Phänomen Graumarkt wird es leider immer geben. Es geht aber darum, die Graumarktanteile in Deutschland soweit wie nur eben möglich proaktiv zurückzudrängen. Wir alle wissen, dass die Überschreitung schon geringer Marktanteile aufgrund von Graumarktaktivitäten zu einer empfindlichen Störung unserer Markenpolitik im Verhältnis zum Handel führt. Hier hat die Industrie in den letzten Jahren einiges geleistet und ich weiß von vielen meiner Geschäftsführerkollegen, dass sie in intensiven Gesprächen gemeinsam mit den Mutterhäusern ver- Gunter Thoss suchen, dieses Problem abzustellen. Im übrigen führt unsere Branche immer wieder Musterprozesse und wendet hierfür viel Zeit und Geld auf. Manchmal kann man allerdings über die Gerichte nur den Kopf schütteln. Aber ich denke, die erreichten Erfolge insgesamt geben uns Recht und wir arbeiten auf diesem Feld konsequent weiter in die richtige Richtung. MARKENARTIKEL: Was zeichnet Ihrer Meinung nach die Marke aus? THOSS: Marken sind dann erfolgreich, wenn sie Werte kommunizieren, das bedeutet, je stärker Markenprodukte einen Wert vermitteln, um so leichter wird sich der Verbraucher mit ihnen identifizieren und um so wahrscheinlicher wird er den Kauf dieser Marke anstreben. Marken sind die Garantie dafür, dass ein Produkt bei jedem Einkauf den Erwartungen des Konsumenten gerecht wird. MARKENARTIKEL: Welche Rolle spielt die Marke in einem sich verändernden Konsumklima? THOSS: Luxus wie ihn unsere Branche darstellt, ist ohne starke Marken überhaupt nicht denkbar. Denn gerade die Marke steht in einer für den Verbraucher zunehmend unübersichtlich und unsicher werdenden Konsumwelt für Glaubwürdigkeit, Beständigkeit, Sicherheit und Qualität. Ebenso wie die Teile des Handels durch unsinnige Preisaktivitäten nicht die Banalisierung der Marke fördern dürfen, ist die Industrie gefordert, das aufgebaute Markenimage hochzuhalten. Die Industrie muss Markengestalter, -begeisterer und -promoter in einem sein, dann wird die Marke keinen Schaden nehmen. Aber nochmals, die Preisfokussierung muss nun wirklich ein Ende haben. Der Verbraucher hat dazugelernt und endlich gemerkt, dass Schnäppchenjagd allein nicht glücklich macht. Er will mehr als das bloße Produkt, er will vor allen Dingen mehr gefühlten Service. Dem Verbraucher muss also täglich aufs Neue deutlich gemacht werden, dass unsere Branche für Emotionen, höchsten Luxus und für die Lust am Leben steht – und er im Fachgeschäft eine vielfältige Auswahl an Markenprodukten vorfindet, die ihn in seinem täglichen Wohlbefinden unterstützen. SERVICE 47