Adipositas-Chirurgie - Expertengruppe Metabolische Chirurgie

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Adipositas-Chirurgie - Expertengruppe Metabolische Chirurgie
– Hintergrund –
Adipositas-Chirurgie
Überblick
Die chirurgische Behandlung von morbider Adipositas und ihrer assoziierten
Folgeerkrankungen zielt ab auf eine Verminderung der Nahrungsmenge, die der Körper
aufnehmen kann. Als medizinisch sinnvoll gilt die Adipositas-Chirurgie nach internationalen
Leitlinien ab einem Body-Mass-Index (BMI) von ≥40 kg/m2 sofern keine Kontraindikationen
vorliegen oder ab einem BMI von 35 bis 40 kg/m2, wenn eine oder mehrere adipositasassoziierte Begleiterkrankungen wie Typ-2-Diabetes mellitus, Herzerkrankungen oder ein
Schlafapnoesyndrom vorliegen.1 Die Adipositas-Chirurgie stellt aber keine alleinstehende
Therapie der Adipositas dar. Konservative Therapien sollten ausgeschöpft sein bzw. geringe
Erfolgsaussichten haben.
Bei der morbiden Adipositas und ihren Komorbiditäten handelt es sich um eine chronische
Krankheit. Die chirurgische Therapie hat mit der Schönheitschirurgie nichts gemein und
sollte auch nicht als solche verstanden werden. Insofern gehören das Absaugen oder
Entfernen von Fettgewebe nicht zur Adipositas-Chirurgie. Die chirurgische Therapie der
morbiden Adipositas beginnt weder mit dem chirurgischen Eingriff, noch ist sie mit diesem
abgeschlossen.
Die verantwortungsbewußte chirurgische Therapie bezieht den grundlegenden Wandel der
Ernährungs- und Lebensgewohnheiten vor und nach dem Eingriff mit ein. Studien zeigen,
dass Patienten, die eine postoperative Gruppentherapie von mindestens drei Jahren
absolviert haben, ihr Gewicht um 20 bis 30 % mehr reduzieren konnten als Patienten, die
nicht in eine umfassende Nachsorge eingebunden waren.2 Der ganzheitliche
Behandlungsansatz erfolgt somit in der Regel unter Einbeziehung verschiedener
Spezialisten in einem multidisziplinären
Team (u.a. Chirurgen, Ernährungsmediziner,
Psychologen). Von betroffenen Patienten
gegründete Selbsthilfegruppen sind ein
wichtiger Konzeptbestandteil der Therapie.
Wirkung der Adipositas-Chirurgie auf
Übergewicht und Komorbiditäten
Generell erreichen Patienten nach einem
chirurgischen
Eingriff
ihre
maximale
Gewichtsreduktion nach ein bis zwei Jahren.
Langfristig pendelt sich, je nach Art des
chirurgischen Eingriffs, ein durchschnittlicher
Gewichtsverlust von 13 % bis 27 % ein.3 Eine
Auswertung mehrerer Einzelstudien konnte
zeigen, dass Patienten – abhängig vom
chirurgischen Verfahren – zwischen 47,5 %
bis 70,1 % ihres Übergewichts verlieren.4
Zudem belegt die langfristig angelegte
schwedische SOS-Kohortenstudie für einen
Beobachtungszeitraum von 10-14 Jahren,
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dass operierte morbid adipöse Patienten einen Großteil der Gewichtsreduktion halten
konnten und günstigere Diabetes-, Cholesterin- und Hypertoniewerte sowie verminderte
Schmerzen in Knien und Knöcheln aufwiesen.5 Die Krebsneuerkrankungsrate war ebenfalls
nachweislich geringer und bei einem Großteil der Diabetiker konnte der Diabetes
zurückgebildet werden.6 Schlafapnoe, die bei morbid adipösen Patienten vielfach auftritt,
wurde zu mehr als 85 % behoben7 und die Gefahr, eine koronare Herzkrankheit zu
entwickeln, konnte um die Hälfte reduziert werden.8 Eine weitere deutliche Verbesserung
ergab sich im Bereich der psychologischen Parameter wie Depression und vermindertes
Selbstwertgefühl, so dass die Adipositas-Chirurgie zu einer insgesamten Erhöhung der
Lebensqualität führt.9
Deutliche Erhöhung der Lebenserwartung durch Adipositas-Chirurgie
Die ersten Adipositas-chirurgischen Eingriffe wurden bereits in den 50er Jahren
durchgeführt. Mit der Einführung laparoskopischer Operationstechniken (Schlüssellochverfahren), die heute Standard sind, konnte das intraoperative Risiko deutlich gesenkt
werden. Gemäß der amerikanischen Agency for Healthcare Research and Quality (AHRQ)
ist der Sicherheitsgrad der Adipositas-Chirurgie gerade in den vergangenen Jahren
signifikant gestiegen.10 Eine im Jahre 2009 publizierte, multizentrische Studie zum 30-TagesRisiko mit 4.476 Patienten verzeichnete ein Mortalitätsrisiko (Magenbypass/Magenband) von
lediglich 0,3 %. Bei nur 4,3 % der Operationen traten Komplikationen auf.11
Diesem individuellen Risiko steht eine
signifikante
Erhöhung
der
Lebenserwartung durch einen Adipositaschirurgischen Eingriff gegenüber. Laut
einer Langzeitvergleichsstudie, bei der
9.949 operierte Patienten (Magenbypass)
mit 9.628 Adipösen verglichen wurden,
sinkt
im
durchschnittlichen
Beobachtungszeitraum von 7,1 Jahren die
Mortalitätsrate
in
der
chirurgisch
therapierten Gruppe um 40 % im Vergleich
zur unbehandelten Kontrollgruppe.12 Die
Studie legt dar, dass infolge des
chirurgischen Eingriffs die Wahrscheinlichkeit, an einer der mit Adipositas
assoziierten Komorbiditäten zu sterben,
deutlich sinkt. So ist bei Diabetes das
Mortalitätsrisiko um 92 % reduziert, bei
Krebs um 60 % und bei einer koronaren
Herzkrankheit um 56 %. Die SOS-Studie
weist ebenfalls eine verbesserte Mortaliätsrate operierter Patienten nach. Im
Beobachtungszeitraum von bis zu 16 Jahren waren 5,0 % der operatierten Patienten und in
der adipösen Kontrollgruppe 6,3 % verstorben.3 Für operierte Patienten bietet die AdipositasChirurgie somit die klare Perspektive einer höheren Lebenserwartung mit mehr
Lebensqualität.
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Quellen:
1
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) (2009): Leitlinienrecherche
und -bewertung für ein DMP-Modul Adipositas, Abschlussbericht, V06-06 Version 1.0, Siegburg
06.02.2009.
2
Song Zirui, et al. (2008): Association between support group attendance and weight loss after Rouxen-Y gastric bypass. SOARD 2008 (4): 100-103. Orth W.S. (2008): Support Group Meeting
Attendance is Associated with Better Weight Loss. Obes Surg 2008 (18): 391-394.
3
Hazard Ratio 0.76; 95% Konfidenzintervall 0.59 bis 0.99; P = 0.04 Sjöström L. et al. (2007): Effects of
Bariatric Surgery on Mortality in Swedish Obese Subjects; N Engl J Med 2007;357:741-52.
4
Buchwald H., et al. (2004): Bariatric surgery: a systematic review and meta-analysis: JAMA. 2004
Oct 13;292(14):1724-37.
5
Sjöström L., et al. Lifestyle, Diabetes, and Cardiovascular Risk Factors 10 Years after Bariatric
Surgery. N Engl J Med 2004; 351: 2683-2693.
6
Buchwald H. (2009): Weight and type 2 diabetes after bariatric surgery: systematic review and metaanalysis. Am J Med 2009; 122: 248-256.
7
Rasheid, Sowsan et al. (2003): Gastric Bypass is an Effective Treatment for Obstructive Sleep Apnea
in Patients with Clinically Significant Obesity. Obes Surg 2003; 13, 58-61. Buchwald H, et al.
(2004): Bariatric Surgery: A Systematic Review and Meta-analysis. JAMA 2004; 292 (14): 1724-38.
8
Torquati A., et al. (2007): Effect of Gastric Bypass Operation on Framingham and Actual Risk of
Cardiovascular Events in Class II to III Obesity.” Journal of the American College of Surgeons. Vol
204, No. 5, May 2007.
9
Burgmer et al (2007): Psychological Outcome Two Years after Restrictive Bariatric Surgery; Obesity
Surgery, 17, 785-791
10
Agency for Healthcare Research and Quality (AHRQ) (2007): Statistical Brief #23. Bariatric Surgery
Utilization and Outcomes in 1998 and 2004. January 2007.
11
Flum D. et al. (2009): Perioperative Safety in the Longitudinal Assessment of Bariatric Surgery: The
Longitudinal Assessment of Bariatric Surgery (LABS) Consortium; N Engl J Med 2009;361:445-54.
12
Adams T.D., et al.(2007): Long-Term Mortality after Gastric Bypass Surgery; N Engl J Med
2007;357:753-61
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