Magazin Nr. 54

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Magazin Nr. 54
AUSGABE 54
MAUERN ABBAUEN – BRÜCKEN BAUEN !
TABOR
MAGAZIN
ENTLASSUNG UND WAS DANN?
VOR DER ENTLASSUNG
Aber meine Entlassung
bereitet mir
nicht nur Freude,
ich habe Angst:
Angst vor den
lieben Mitmenschen
und ihren Vorurteilen,
Angst vor den Ämtern
und Behörden,
Angst vor der Frage:
,Sind Sie vorbestraft?‘
Angst
vor den vielen Problemen,
die da draußen auf einen
Vorbestraften zukommen.
Herr,
ich befürchte,
dass meine Strafe
mit der Entlassung
erst richtig anfängt.
Hilf mir,
damit ich draußen
zurecht komme
und noch mal
neu anfangen kann.
Herr,
bald werde ich entlassen;
Ich zähle die Tage
und die Stunden
und kann kaum noch warten,
bis sich das Tor öffnet.
(Petrus Ceelen)
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auch gar nicht betreut werden und von
Taschengeld leben. Die Menschen suchen
Gemeinschaft, sie suchen Menschen, bei
denen sie sich zugehörig fühlen können
und dürfen. Sie suchen einen Platz, an
dem sie ihre Zukunft selbst mit gestalten
können und ihren eigenen Weg finden
dürfen. Viele wollen auch in keiner reinen
Männer- oder Fraueneinrichtung leben,
weil sie davon durch den Gefängnisaufenthalt die Nase voll haben.
Zur Zeit, als wir beschlossen, den Verein
Tabor zu gründen, gab es jeden Sonntag
Abend in München in St. Margaret eine
Emmausgruppe. Manch Haftentlassener
kam zu dieser Gruppe, da einige dieses
Angebot bereits aus dem Gefängnis kannten. Und immer wieder gab es da den einen oder anderen Strafentlassenen, der
nicht wusste, wohin er am Abend nach der
Gruppe gehen sollte: obdachlos und heimatlos!
Liebe Freunde, Mitglieder und
Förderer des Tabor e.V., besonders
liebe Freunde in den Gefängnissen!
Für uns wurde schnell klar, dass wir ein
Haus brauchten, um Menschen nach der
Haft aufzunehmen. Rainer, der mit mir zu
Anfang die Emmausgruppen im Gefängnis
und draußen leitete, wurde gerade zum
Priester geweiht und ich war am Anfang
meines Sozialpädagogikstudiums. Uns
würde also niemand einfach so ein Haus
vermieten. Und nachdem uns auch niemand ein Haus schenken wollte, beschlossen wir, einen Verein zu gründen.
Mit solchen Dingen kannten wir beide uns
zwar nicht aus, aber wir wussten, dass ein
Verein eine juristische Person ist, die Häuser anmieten kann. Erst zögerten wir, da
wir uns mit bürokratischen Dingen schwer
taten. Adi sprang in diese Presche und
machte als Ehemaliger bei uns mit. Er
kannte sich besser aus.
Zwei Geschehnisse machten uns damals
sehr betroffen und gaben uns den letzten
Die Entlassung aus dem Gefängnis – für
viele Menschen ein großes Problem oder
der Tag, an dem die Probleme erst richtig
los gehen?!
So viel ich weiß, darf niemand frühzeitig
(Halbstrafe, Drittel, Reststrafe) entlassen
werden, wenn er keine Wohnung bzw.
keine Unterkunft hat. Bei der so genannten
Endstrafe (die Strafe bis zum letzten Tag)
ist das allerdings anders. Für den, der seine Strafe abgesessen hat, ist sozusagen
keiner mehr verantwortlich, außer er/sie
selbst.
Das haben wir auch 1993 schon festgestellt, als wir unseren Verein Tabor gegründet haben: Es gibt zu wenig Plätze für
Menschen nach der Haft. Eine eigene
Wohnung zu finden, ist schwer. Betreute
Plätze gibt es nicht genug und viele wollen
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Anstoss. Ein Strafentlassener kam immer
wieder in die Gruppe. Er war da, nahm teil,
ging anschließend noch mit in die Wirtschaft und musste dann wieder zurück ins
Nichts, auf die Straße, nirgendwohin. Dann
kam eine Frau zur Gruppe, drogenabhängig, die auch nichts hatte und die wir unbedingt in dieser Nacht irgendwo unterbringen wollten. Wir versuchten, ihr etwas
zu vermitteln, was aber nicht geklappt hat.
Diese Frau starb noch in dieser Nacht an
einer Überdosis.
geben!“ Bis zu drei Gottesdiensttermine
hatten wir im Monat. „Mauern abbauen,
Brücken bauen!“ hieß und heißt unser
Motto. Wenn wir mit diesen vielen Begegnungen in den Pfarrgemeinden die Herzen
auch nur einiger Christen bewegt haben,
dass sie ihr Leben ein wenig für die Menschen vom Rande öffnen, dann ist schon
viel geschehen. In der weltweiten christlichen Gemeinschaft Sant‘ Egidio ist es ein
Grundsatz, dass jedes Mitglied einen
Freund bei den Armen haben soll. Dieses
Prinzip wäre ein guter Grundsatz für unsere christlichen Pfarrgemeinden. Wie viel
Not könnte auf diese Weise ausgeglichen
werden.
Uns wurde immer deutlicher, dass Jesus
den Menschen nicht nur die frohe Botschaft verkündet hat, er hat ihnen auch
Essen gegeben und ihre Krankheiten geheilt. Und Jesus hat die Menschen in seine
Nähe gelassen: „Kommt und seht!“ Lebt
ein Stück mit mir! Das war seine Einladung
an die Menschen.
So gründeten wir den Tabor e.V., sieben
Gründungsmitglieder waren dazu notwendig. Einer davon war Thomas, ein Freund
von Adi und auch ein Ehemaliger. Thomas
war HIV positiv. Von ihm stammt der Satz:
„Ich werde nicht eher ruhen, als bis jeder
Knacki, der eine Heimat braucht, eine bekommen kann.“ Thomas ruht nun schon
seit vielen Jahren in Frieden - im Himmel!
Viele Menschen hatten die Chance auf
eine neue Heimat und vielen wurde diese
Möglichkeit noch nicht geboten!
Dann bauten wir Wohngemeinschaften
auf, Lebenszellen für Menschen, die nach
der Haft Heimat oder auch nur Starthilfe
suchten. Eine WG, Maria Altenburg, besteht heute noch, mit 14 Bewohnern. Auch
wenn das nur ein Tropfen auf den heißen
Stein sein mag, so kann dieser Tropfen
doch der Anfang eines Regens sein, wenn
andere sich anschließen werden.
Noch viele Menschen brauchen Heimat.
Derzeit bekommen wir wieder verstärkt
Anfragen aus der Forensik. Ein Arzt hat
uns besucht, weil er sehen wollte, wo sein
Patient (§64) nach der Entlassung hingekommen ist. Er fragte uns, ob wir so eine
Gemeinschaft nicht auch in München aufmachen oder überhaupt mehr derlei WG‘s
gründen könnten. Er suche händeringend
nach solchen Gemeinschaften, vor allem,
weil wir eine der wenigen Einrichtungen
Gleich nach der Gründung haben wir damit
begonnen, in den Münchner Pfarreien Gottesdienste zu gestalten, um unser Anliegen
bekannt zu machen. Adi vertonte seine
Lieder und brachte zu den Gottesdiensten
Kassetten mit „Liedern aus dem Knast“
mit, die wir gegen eine Spende abgaben.
Haftentlassene erzählten ihr persönliches
Lebenszeugnis im Gottesdienst: „Dem
strafentlassenen Menschen ein Gesicht
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mit absolutem Alkoholverbot sind. Solche
Plätze würden gebraucht, da sonst seine
Patienten sofort immer wieder mit Suchtstoffen konfrontiert seien.
In diesem Magazin ist zu lesen:
- Menschen aus und nach
der Haft erzählen etwas von
ihrer Lebensgeschichte
- Vorbereitung auf die WiedereinS. 8
gliederung? Wozu denn?
- Entlassung - ein Fehlversuch S.11
- Endlich frei! Ein gelungener
Einstieg nach vielen Jahren
S.14
Haft
- Entlassungsvorbereitung S.16
gibt‘s die wirklich?
- Freiheit befreit! Entlassen
aus dem inneren Gefängnis S.22
- Freude am Leben - 21 Jahre
S.26
straffrei - ein harter Weg
S.28
- Entlassung - was nun?
- Mein schwerer Weg
S.30
zurück ins Leben
- Warum?
S.33
- Wie soll ich das schaffenS.36
ohne Drogen?
- Vertrauen wieder aufbauen! S.37
S.41
- Hey, du da!
- Entlassung!? Ein Rückblick
nach 25 Jahren Straffreiheit S.42
Momentan bieten wir das an, was uns in
unserer Freizeit und ehrenamtlich möglich
ist. Wir wollen weiter ein Selbsthilfeverein
ohne hauptamtliche MitarbeiterInnen bleiben. Wir wollen wie Jesus zu den Menschen sagen: „Kommt und seht! Lebt mit
uns mit!“ Wir wollen Platz anbieten, so gut
wir können. Und wir wissen, dass der Bedarf noch viel größer wäre. Hätten wir ein
Haus in München oder in S-Bahn-Nähe,
dann könnten wir uns vor Anfragen sicher
nicht mehr retten.
Die Menschen suchen wie wir alle Heimat.
Deshalb wäre es gut und wichtig, dass
immer mehr ihre Herzen und ihre Türen
öffnen. Viele Menschen suchen nicht nur
etwas für den Übergang, sie wollen irgendwann auch ankommen, irgendwo zu
Hause sein und bleiben. Und was ist da
besser geeignet als eine christliche Keimzelle, die weitergibt, was sie selbst empfangen hat?
Ich hoffe, dass Gott Menschen für die
geistliche Gemeinschaft beruft, die ich seit
vielen Jahren in meinem Herzen trage. Ich
hoffe, dass sie nach all den Schwierigkeiten, die wir in unserem Tabor e.V. hinter
uns haben, nun bald geboren werden
kann. Dann wäre es möglich, mehr Wohngemeinschaften zu gründen, selbst zur
Heimat und dadurch selbst reich beschenkt zu werden. Das wünsche ich uns
allen.
- Christ sein heute
S.24
- Zum Nachdenken
- Kein Platz für Gescheiterte
- Armer und reicher Teufel
- Jeder sollte eine 2.Chance
bekommen
Eine besinnliche Adventszeit und
S. 6
S.19
S.20
- Gedichte aus dem Knast 35/ 38-40
ein gesegnetes Weihnachtsfest
- Texte/Impulse
-Vorsitzende Tabor e.V.-
- INFOS Tabor
wünscht Euch/Ihnen - Ingrid
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12/ 19/ 25/ 27
44-47
dienst, die Bibel und das Gebet mir zur
Kraftquelle wurden, um die schwere Haft
zu überstehen. Seine Reaktion: „Ja, ja, Not
lehrt beten!“ ... Ich hatte nicht den Eindruck, dass er mir glaubte. Aber er verwies
mich an die zuständige Leiterin des Arbeitskreises ,Soziales‘, dort sei ich wohl an
der richtigen Stelle.
Kein Platz für Gescheiterte
in unseren Pfarrgemeinden?
Erlebnisse eines Strafentlassenen?!
Entlassung! Endlich! Nach achtzehn Monaten gesiebter Luft frei durchatmen, gehen, wohin ich will, keinem zur Rechenschaft verpflichtet.
Die Frau war anfänglich sehr nett, fürsorglich, wie ich mir eine gute Mutter, die ich
nie hatte, vorstellte. Sie wollte mir in allem
helfen: Behördengänge, Anträge, Arbeitssuche ... Als ich ihr sagte, dass ich den
Behördenkram ganz gut allein bewältigen
könne, schaute sie schon etwas pikiert
drein. Auch Geld wollte ich keines aus dem
Caritas-Fonds, da ich ja mein Entlassungsgeld hatte und mein altes Zimmer im
Wohnheim, in dem ich vor der Haft lebte,
wiederbekommen hatte.
Ich begab mich gleich am ersten Tag in die
katholische Pfarrgemeinde, die mir der
Gefängnispfarrer genannt hatte und meldete mich im Pfarrbüro. Im Gefängnis war
ich jeden Sonntag zur Messe, als Messdiener, als Sänger in der Singgruppe wie
auch in der Bibelgruppe des Pfarrers. Ich
hatte im Gefängnis wieder Zugang zum
christlichen Glauben gefunden, gebeichtet,
meine Tat bereut und gesühnt. Ich glaube,
dass Gott mir vergeben hat. Meine Schuld
war nun auch nach staatlichen Recht abgesessen. Ich war frei und wollte neu anfangen. Also suchte ich den Weg zur Kirche.
Na ja, so verwies sie mich auf den Sonntagsgottesdienst, als den gemeinsamen
Treffpunkt der Gemeinde. Ich sei herzlich
willkommen. Ich freute mich schon und
war bereits eine halbe Stunde vor dem
Beginn der Messe da. Ich setzte mich wie
im Knast in eine der ersten Reihen.
An der Tür des Pfarrhofs empfing mich
wohl die Pfarrhaushälterin und wollte mich
mit einem Euro abspeisen, als ich ihr erzählte, dass ich aus dem Gefängnis kam.
Aber ich wollte kein Geld. Ich wollte Aufnahme und einen Platz in der Pfarrei finden. Also wollte ich den Pfarrer sprechen.
Der sei nicht da, bekam ich zur Antwort.
Am nächsten Tag erreichte ich ihn dann
persönlich, richtete Ihm Grüße seines
Kollegen aus dem Gefängnis aus und
sagte ihm, dass ich gerne in der Pfarrei
mitleben wolle. Er sah etwas betreten um nicht zu sagen - entsetzt drein. Wie
ich mir das vorstelle: mitleben?
Ich erzählte ihm von meiner Umkehr zu
Gott im Gefängnis, meinen guten Erfahrungen im Bibelkreis, dass der Gottes6
Die Leute guckten mich etwas irritiert an.
Vielleicht sah man es mir an, dass ich aus
dem Knast kam, vielleicht war ich nur
fremd in ihrer Pfarrfamilie, vielleicht hatte
es sich ja auch schon herumgesprochen,
dass da ein Exot aus einer anderen Welt
kam ...
Einen Dieb können wir hier nicht gebrauchen. Judas, einer der nächsten Freunde
Jesu, war ein Dieb (Joh 12,6).
Jedenfalls kam noch vor dem Gottesdienst
die Frau vom Arbeitskreis ,Soziales‘ zu mir
und bat mich, ich solle doch weiter hinten
in der Kirche Platz nehmen: nicht so im
Blickfeld - zu meinem eigenen Schutz. Ich
verstand - auch an der Art und Weise, wie
sie es sagte - sofort: Nicht weiter hinten,
sondern eher weiter unten war ich angesiedelt: als Hilfsempfänger für das sozialchristliche Gewissen geeignet, aber wehe,
dieser Knacki würde es wagen, auf gleiche
Augenhöhe zu gehen.
Ein wegen eines Tötungsdeliktes oder
Körperverletzung o.ä. Vorbestrafter kann
nach dem Kirchenrecht (can. 1041, nn. 4,5)
nicht zur Diakonen- oder Priesterweihe
zugelassen werden.
Wo ist da unsere Barmherzigkeit?
Wo ist unsere Treue zur Lehre Jesu?
Gelten heute andere Maßstäbe als bei
Jesus? Ist das in Ordnung?
Außenseiter sollen am Rande bleiben!
Maria Magdalena, eine enge Vertraute von
Jesus, war eine ehemalige Dirne.
Als Empfänger unserer Almosen und unserer herablassenden Hilfeleistung ist so
einer geduldet, wenn er schön demütig
und klein bleibt, sein Büßergewand nicht
auszieht und nicht allzu selbstbewusst
wird. Aber ihn als gleichwertig anzuerkennen - das geht zu weit.
Wortlos verließ ich die Kirche.
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Zum Nachdenken:
Ist das in Ordnung?
Einem Betrüger kann ich doch nicht die
Vereinskasse zur Verwaltung überlassen?Matthäus - einer der zwölf Apostel - war
ein Zöllner und (evtl.) Steuerbetrüger! Und
Jesus kehrte im Haus des Zöllners
Zachäus ein.
Ist Überheblichkeit nicht eine ebenso große Schuld? Worin unterscheiden wir uns
von den in der Bibel so dargestellten
selbstgerechten Pharisäern und Schriftgelehrten? Papst Franziskus, zeigt uns da
einen Weg der Barmherzigkeit:
„Das, was die Kirche heute braucht, ist die
Fähigkeit, Wunden zu heilen und die Herzen der Menschen zu wärmen ...Man
muss unten anfangen ... Die Diener der
Kirche müssen barmherzig sein, sich der
Menschen annehmen, sie begleiten. ...
Das ist pures Evangelium.“
Den Anderen ernst nehmen, annehmen,
von ihm lernen, in ihm den Bruder/die
Schwester sehen, Leben teilen, nicht von
oben herab Almosen geben, das ist der
Norbert
Weg Jesu!
Ein Mörder hat in unserer Gemeinde nichts
zu suchen! Moses erschlug einen Ägypter
und wurde später von Gott als Führer Seines Volkes berufen.
Ein Gewaltstraftäter wäre mir als Gemeindeleiter zu gefährlich! - Petrus hieb dem
Knecht des Hohenpriesters ein Ohr ab und
wurde dennoch mit der Leitung der Kirche
beauftragt.
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Schmierzettel, auf dem die Postadresse des
Arbeitsamtes stand – das war‘s. Als er sich
nach langer Korrespondenz wenige Tage vor
der Entlassung endlich einen Wohnungsgeber besorgt hatte, ließ man ihn aber nicht zur
Wohnungsbesichtigung raus; Begründung:
Fluchtgefahr! Ergebnis: Er fand natürlich auf
die Schnelle keine Wohnung, nächtigte bei
"guten alten Freunden" und war einige Monate später wieder hier.
Als ich ihn fragte, was
er daraus gelernt hätte, sagte er: "Beim
nächsten Mal gehe
ich nicht mehr zum
Sozialdienst oder zum
Vollzugsinspektor –
hat ja eh alles keinen
Sinn. Hier will man mir
gar nicht helfen." Ich
fürchte, er wird einer
von denen werden,
die so oft wieder einfahren, bis sie nie
mehr raus kommen
oder die draußen über
die Klinge springen.
Bei ihm und bei sehr
vielen, die ich kenne,
scheint die Devise der
Justiz zu sein: "Wir
halten sie so lange
wie möglich hin
(=drin) und investieren so wenig wie möglich,
denn die meisten kommen ja doch wieder."
Zugegeben ist das eine ziemlich gut funktionierende, sich selbst erfüllende Prophezeiung: Je weniger in die Vorbereitung der Wiedereingliederung investiert wird, desto wahrscheinlicher wird sie scheitern. Und jeder
Haftentlassene, der dadurch wieder straffällig
wird, ist Wasser auf die Mühlen derer, die
noch weniger oder nichts mehr investieren
"Vorbereitung auf die
Wiedereingliederung?
Wozu denn, die meisten
kommen ja doch wieder...!"
Nach 12 Jahren schuldig hinter Gittern, rückt
bei mir langsam die Entlassung in den Blick.
Etwa 3 Jahre noch könnten es sein – oder
eben soviel länger, wie es der Apparat hinauszögern will. Dabei zumindest gibt er sich
jede Mühe.
Zum Thema Übergangsmanagement kann
ich sagen, dass es aus meinem Erleben
nichts gibt, was diesen Namen verdient –
kein zielgerichtetes Hinführen auf die Entlassung, keine systematische Kooperation mit
externen Stellen, die nach der Entlassung
weiterhelfen und erst recht keine kontinuierliche Fall-Übergabe bei der Entlassung. Die
Justiz scheut jeden Aufwand und handelt hier
genauso kurzsichtig, wie sehr viele Inhaftierte
– man verschließt die Augen vor dem, was
heute änderbar wäre und geht davon aus,
dass mit der Entlassung plötzlich alles besser
wird. Ein fatales Versagen auf beiden Seiten,
das allzu oft – je nach Einstellung – zum
vermuteten oder zum nicht erhofften Ergebnis führt: Erneute Straffälligkeit.
"Vorbereitung auf die Wiedereingliederung?
Wozu denn, die meisten kommen ja doch
wieder...!" Das ist die Aussage vieler Verantwortlicher im Vollzug, die man entweder direkt zu hören oder indirekt in ihren Entscheidungen zu spüren bekommt. Bei mir wurden
zahllose Anträge auf wiedereingliederungsvorbereitende Maßnahmen entweder abgelehnt oder auf "später" geschoben.
Drastisch ist mir der Fall eines Mitgefangenen in Erinnerung, der einige Monate vor
seiner Entlassung zum Sozialarbeiter ging
und ihn um Hilfe bei der Wiedereingliederung
bat. Das Einzige was er bekam, war ein
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wollen, am besten nur noch wegsperren .
Aber es gibt auch einzelne Verantwortliche
im Vollzug, die nicht – wie die Leitung auf
politischer Ebene sowie manche Anstaltsleitung – vergessen haben, dass sich ihre eigentliche Aufgabe und Daseinsberechtigung
aus den Vorgaben des (ziemlich guten)
Strafvollzugsgesetzes ableiten. Sie sollen
nämlich den Gefangenen vom ersten Hafttag
an auf ein Leben ohne StraftaVerantwor
ten und in sozialer Verantwortung bestmöglich vorbereiten!
Ich habe Arbeitsvorgesetzte
erle
und Stationsbedienstete erleben dürfen, die sich bei ihren
mensch
Entscheidungen von menschlichen und damit automatisch
wiedereingliederungs-förderli
wiedereingliederungs-förderlilas
chen Argumenten leiten lassen. Allesamt aber sind sie
dem System suspekt, werden
deshalb von Kollegen und
insbesondere Vorgesetzten
Lauf
geschnitten, haben Laufbahnnachteile. Keiner von
den mir bekannten hat es
über den "Amtsinspektor"
we
hinaus gebracht. Einige wenige "Studierte" habe ich
Lei
kennengelernt, die in Leitungsfunktion ebenso zu
handeln versuchen – aber
"gefan
auch sie werden als "gefangenen-freundlich" verschrien
und bekommen das auch zu spüren. Es sind
leider nur Einzelfälle und sie landen oft frühzeitig und frustriert in der "inneren Emigration", weil sie ihr eigenes System gegen sich
wissen. Und natürlich ist jeder Gefangene
bzw. Haftentlassene, der humane Entscheidungen missbraucht (und das tun leider einige), ein Argument mehr für die Bedenkenträger, die Restriktiven, die heute noch das Sa-
gen im Justizvollzug haben.
Als einzigen Bereich, in dem ausnahmsweise
alle Mitarbeiter(innen) positiv und zukunftsorientiert für Gefangene wirken, habe ich die
Seelsorge kennengelernt. Sie hat mir von
Anfang an die Hand gereicht, die Tat vom
Täter getrennt, mir Halt und Hilfe zur Neuausrichtung angeboten und mir auch das an
Menschenwürde zurückgegeben, was ich
selbst zunächst nicht mehr wahrhaben wollte
und was mir das System Vollzug nach wie
vor streitig macht. Ohne diese Hilfe weiß ich
nicht, ob und wie ich der gezielten De-Sozialisierung und Entmündigung widerstanden
hätte, der alle Gefangenen unterworfen werden (sollen). Aber auch die Seelsorge wird
als "nicht-systemkonform" vielfach behindert,
belächelt, übergangen. Eine Schande für
jede Regierung, besonders wenn sie das C
im Namen der Partei trägt!
Was ich gebraucht hätte, wäre ganz am
Anfang fachliche Hilfe gewesen, aus dem
Zusammenbruch aufstehen zu können, mein
Leben und meine Tat aufzuarbeiten und mich
zum Positiven verändern zu können, also
von Anfang an eine Förderung in Richtung
einer gelingenden Wiedereingliederung. Mit
Ausnahme der Seelsorge hat der Vollzug
nichts davon in den ersten 4 Jahren gefördert. Stets wurde ich bei den Zuständigen
abgewimmelt mit Begründungen wie: keine
Zeit, nicht zuständig, überlastet, ich bräuchte
doch sowas gar nicht, käme doch sicher gut
alleine klar etc.
Bei den wenigen Gesprächen, die ich bekam, weil ich nicht locker ließ, wurde mir
signalisiert, dass ich lästig sei. Ich schien der
Einzige zu sein, der aufgrund meiner Tat,
deren Vorgeschichte und für die Zukunft irgendeinen Handlungsbedarf, einen Bedarf
an Aufarbeitung und positiver Veränderung
sah. Dies macht mich bis heute fassungslos
gegenüber dem System Vollzug, das da9
durch vorsätzlich Beihilfe zu möglichen neuen Straftaten leistet, durch unterlassene Hilfeleistung bei der Resozialisierung!
Was ich befürchte, wenn ich raus komme?
Furcht oder Bedenken, dass etwas schief
gehen könnte, dass ich es nicht schaffe, habe ich nicht. Dass ich draußen klar kommen
werde, haben u. a. auch die 12 erfolgreichen
Ausführungen bestätigt. Es ist Gott sei Dank
gelungen, den umfassenden Bemühungen
des Systems, mich zu de-sozialisieren, nicht
nachzugeben.
Ich befürchte aber, dass es bis zur Entlassung bei Entscheidungen weiterhin keine
Rolle spielen wird, was ich in 15 Haftjahren
gemacht oder wie ich mich verändert habe.
Am Ende werde ich immer noch (oder wieder) wie der Täter behandelt werden, als der
ich inhaftiert wurde. Auch das, was Justiz und
Medien nach draußen in die Gesellschaft
vermitteln, wird sich so lesen, als wäre ich
der Gleiche geblieben.
Ich weiß es, dass es schwer wird, Wohnung,
Arbeit, ein Mindestmaß an Zukunftsvorsorge
oder gar einen respektierten sozialen Status
wiederzuerlangen. Aber ich werde es schaffen, denn die Realität des Vollzugs hat mich
resilient und hartnäckig genug werden lassen, vor Gegenwind nicht zu kapitulieren.
Die Beschäftigung mit meiner Tat, deren Ursachen, meinen Opfern und meinen Beziehungen werden mich aber den Rest meines
Lebens begleiten - nicht zuletzt deshalb, weil
es das System Vollzug stets verstanden hat,
das, was diesbezüglich notwendig gewesen
wäre, zu erschweren oder unmöglich zu machen.
ENTLASSUNG - und was dann?
Dann werde ich nach der Wiedereingliederung alles daran setzen, aus der Erfahrung
als Betroffener heraus dabei mitzuhelfen,
dass Strafvollzug und Resozialisierung künftig besser gelingen und dass dadurch die
Gesellschaft vor den schädigenden Auswirkungen des aktuellen Strafvollzugs besser
geschützt wird.
Dazu ist es aber auch notwendig, dass sich
die Gesellschaft, aus der Straftäter kommen
und in die sie wieder zurückkehren werden,
mehr für den Strafvollzug interessiert und
dort auch engagiert. Nur so kann sich die
rückwärts gewandte, repressive und fahrlässige Verwahr-Philosophie im Strafvollzug
ändern, die der Gesellschaft heute eine heile
Welt vorgaukelt: Draußen die Guten und
hinter Gittern bleiben die Schlechten oder
kommen immer wieder dahin zurück. Wenn
klar wird, dass Strafvollzug, wenn er humaner erfolgt, kürzer und billiger zu haben ist
und dass er vor allem mehr Opfer und Rückfälligkeit vermeiden helfen kann, dann bekommen hoffentlich in Politik und Vollzug
endlich auch diejenigen die Chance, den Ton
anzugeben, die schon heute den Gefangenen als Mensch im Blick haben, der aus
mehr als seiner Tat und der Summe seiner
Fehler besteht.
Nicht Rache und Wegsperren legitimieren
den Strafvollzug, sondern die Quote der gelungenen Wiedereingliederungen! Dies ist
nämlich die beste Prävention und der wirksamste Opferschutz, statt - wie heute - hinter
Gittern nur noch mehr Risikopotenzial für die
Gesellschaft heranzuzüchten.
Es ist schon etwas dran an dem Zitat: "Jede
Gesellschaft bekommt die Haftentlassenen,
die sie verdient." Dazu gehört aber auch,
dass sie Justizpolitik und Vollzug nicht denen
überlässt, die es nicht können, nicht wollen
und für die Inhaftierte nur die Garantie für
einen sicheren, ruhigen und unkontrollierten
Arbeitsplatz bedeuten. Nein - die meisten
würden eben nicht wiederkommen - wenn
man es ihnen denn ermöglichen wollte!
Marcel
10
walt bereit gewesen. So ging das also eine
Woche ,gut‘.
Genau eine Woche, nachdem ich in Rosenheim im ,Caritas-Hotel‘ angekommen
war, sah ich im Eingangsbereich eine Frau
mit ihrem großen Hund stehen. Ich grüßte
sie und ging in die Küche, um mir etwas
zum Essen zu machen. Wie ich also so
zugange war, spürte ich, dass jemand hinter mir stand. Es war diese Frau. Ich wandte mich ihr zu, und sie fragte mich umgehend, warum ich so ,böse‘ dreinschauen
würde. Ich war ziemlich baff, fragte die
Frau jedoch, ob sie ebenfalls Appetit hätte.
Sie bejahte dies und ich spürte, wie sich
meine Gesichtskrämpfe lösten.
Entlassung ein Fehlversuch
Im Juli 2011 wurde ich das letzte Mal entlassen. Über einen Mithäftling, der vor mir
entlassen worden war, sollte ich eine ZweiZimmer-Wohnung in Rosenheim anmieten
können. Daraus wurde jedoch ein Schuss
in den Ofen, weil ich einen Schufa-Eintrag
habe. Also ab zur Caritas, von der ich ein
Zimmer in Rosenheim bekam. Es war ein
Doppelzimmer. Dieses Zimmer zeichnete
sich dadurch aus, dass ich zu meinem
größten Vergnügen mit einem Typen leben
durfte, der Vollalkoholiker war. Ich kotzte
ab. Da war es ja in der JVA Bernau noch
besser ...
Wir unterhielten uns stundenlang bis weit
nach Mitternacht. Es kam mir vor, als wäre
es nie anders gewesen. Zugleich hatte ich
so etwas bis dato nie erlebt. Natürlich unterhielten wir uns unter vielem anderen
auch darüber, wo wir herkamen und was
wir vorhatten. Also teilte ich ihr meine
Wahrheit mit: Entlassung aus der JVA
Bernau, bei der Caritas
bleiben, Arbeit finden und
eine Wohnung. Sie erzählte mir, dass sie in
England, Frankreich und
Österreich gelebt hatte.
Jedoch wurde sie stets
ausgenutzt. Sie tat mir
leid. Sie saß mir gegenüber: völlig abgekämpft,
sehr, sehr müde und eher
hoffnungslos, obwohl sie
anders sprach. Ihrer Hündin erging es wohl ähnlich, zudem sie schon 11
Hundejahre erlebt hatte.
Meine Güte, wen hatte ich
denn da vor mir sitzen
und neben ihr auf dem
Wie ich das eine Woche aushielt, weiß ich
nicht mehr. Jedoch bin ich ein gottesfürchtiger Mensch, sonst wäre ich wohl zur Ge-
11
Boden liegen?
Nun war es aber so, dass die CaritasRosenheim keinen Platz für Personen
mit Hund in ihrem Wohnheim hatten.
Die Frau und der Hund mussten also
weg. Egal wie oder wohin! Das funktionierte aber auf diese Weise schon mal
gar nicht. Das teilte ich am nächsten
Tag auch der Hausleitung mit, die dann
auch sehr staunte. So erwuchs in mir
sofort das Gefühl, dass diese Frau und
ihr Hund viel Schutz brauchten, und
zwar meinen Schutz!
Wieder ohne ein Dach über dem Kopf keine Arbeit - Klasse!
Ich halte mich nämlich für einen ganz
besonderen Beschützer. Und die beiden hatten mich verdient! Gleichzeitig
bemerkte ich aber auch, dass diese
Frau und ihr Hund auch etwas ganz
besonderes waren. Und die Hausleitung,
mit der wir stritten, bemerkte umgekehrt,
dass wir beide (oder drei) sehr stark zusammenhielten und wohl auch zusammen
passten. Und das nur nach einer halben
Nacht gemeinsamen Gesprächs.
Vom letzten Geld kauften wir uns ein Bayernticket und zuckelten nach München.
Hier erhielt ich recht schnell Arbeit, jedoch
immer noch keine Wohnung, denn das ist
in der bayerischen Landeshauptstadt
ganz, ganz schwer. So mieteten wir uns in
einer Pension in Putzbrunn bei München
ein: 750.- € im Monat, das schafften wir
irgendwie so. Doch zur Ferien- und
Wies‘nzeit verdoppelten sich die Pensionskosten. Diesen Betrag konnte wir in gar
keiner Weise aufbringen. Wieder ohne
Wohnung, wieder ohne Chance in und um
München herum.
Wir mieteten uns einen Personenwagen
(40.-€ /täglich), einen VW-Polo. Es ist nicht
vorzustellen, unter welchen Bedingungen
wir ,lebten‘. Meine Arbeit ging verloren.
Hartz IV erhielten wir fast nie. Mir wurde
von Amts wegen vorgeschlagen, mich von
meiner Freundin und dem Hund zu trennen. Ja, trennen, damit es mir besser ginge! ... Ich kotzte mal wieder ab! Am liebsten hätte ich dem Sachbearbeiter eine
Ohrfeige gegeben. Ich tat es aber nicht.
Die folgende Zeit beschreibe ich kürzer.
Wir verließen also das Haus in Rosenheim. Meine (nunmehr) Freundin besitzt
einen Laptop, und dieser gehört zu ihren
Heiligtümern. Sie ging also ins Internet und
eruierte für uns eine Wohn- und Bleibemöglichkeit in Schongau. Glücklicherweise
fanden wir dort für uns drei eine gute
Chance, mit frischen Kräften durchzustarten.
Ich schaffte es sogar, eine Arbeitsstelle zu
finden. Der neue Chef wollte uns auch
noch eine richtige Wohnung beschaffen.
Doch bald lief unsere zeitlich befristete
Wohnmöglichkeit ab. Die ,Top‘-Managerin
bei der Agentur für Arbeit war krank oder
im Urlaub, ohne Vertretung. Somit war
auch dieser Fall erledigt. Sch... Nun denn:
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Ich musste doch weiter denken. Also: weiterleiden!
Das Auto behielt ich einfach. Wir schliefen
in ihm und verbrachten praktisch den ganzen Tag in dem Fahrzeug. Es war die Hölle
und es war ein saumäßig kalter Winter. Da
wurden meine Lieben krank. Und ich
wusste nicht, wie ich die Automiete und
das Benzin zahlen sollte. Meine/unsere
Nerven lagen oft ziemlich blank. Oft ging
ich zur Kirche, ging betteln. Hatten wir
dann ein paar Euro, so konnten wir uns
einen heißen Kaffee bei McDonalds leisten
und konnten uns dort ein wenig aufwärmen, so sparten wir Benzin.
MEIN GEFÄNGNIS
Herr,
nicht nur verschlossene
und verriegelte Türen
halten mich gefangen,
sondern auch meine
Vergangenheit und Schuld nicht nur Gitter und Mauern
halten mich gefangen,
sondern auch
meine Triebe und Ängste.
In einer Kirche traf ich dann irgendwann
auf einen Pfarrer, mit dem ich unsere ganze Not besprechen konnte. Er gab mir
Geld für uns und wir konnten endlich in ein
Hotel ziehen - jedenfalls für ein paar Tage.
Da ich das Geld jedoch für die Hotelmiete
verwenden musste, mussten wir für unser
Essen und Trinken weiterhin betteln gehen.
Selbstverständlich wurde das Auto polizeilich gesucht und so wurde ich dann letztendlich auch erwischt. Ich ließ mich widerstandslos festnehmen. Die Polizei rief sogar den Pfarrer an, der jetzt meiner Freundin und dem Hund weiterhalf. Gott sei‘s
gedankt! Dennoch haben es die beiden
draußen schwerer als ich im Gefängnis.
Ich bin gefangen,
nicht nur in meiner Zelle,
sondern auch in mir selbst:
Ich selbst bin ein Gefängnis,
mein Gefängnis.
Nur Du, Herr, weißt,
wie sehr ich mich
danach sehne, aus mir selbst
auszubrechen,
frei zu werden
von meinen Ängsten
und Trieben,
von meiner Vergangenheit
und Schuld.
Da ich trotz aller Probleme nie zuvor eine
so schöne Zeit wie mit meiner Freundin
und dem Hund hatte, bereue ich nichts. Es
musste alles so kommen. Aber meine
Freundin benötigt draußen mehr Hilfe, als
sie der Pfarrer leisten kann. Mir geht es
gut, aber meine Sorgen um die beiden
Ralf
sind groß!
Herr,
ich selbst
kann mich nicht befreien,
nur Du kannst mich
von meinen Ketten lösen.
Petrus Ceelen
13
da noch Hände, die einem gereicht werden, dann sollte man sie dankbar nehmen
und die sozialen Bindungen pflegen, die
einem noch bleiben.
Natürlich weiß ich, dass der Knastalltag oft
jegliche Hoffnung reduziert, aber den Anfang für später, draußen, kann man nur
drinnen aufbauen. Da bedarf es manchmal
nur eines einzigen, zuverlässigen und ehrlichen Menschen und ein bisschen Gottvertrauen. Nicht jede JVA bietet ein für
jedermann zugängliches Resozialisierungsprogramm, inkl. Entlassungsvorbereitung an. Ich nützte einfach das, was mir
angeboten wurde und nahm vieles selber
in die Hand.
Beispielsweise kannte ich meine Bewährungshelferin und meine Therapeutin bereits aus den Freigängen und sondierte die
Lage für ein Dach über dem Kopf. Glücklicherweise erlaubten mir meine Eltern, den
Keller in ihrem Haus auszubauen und unterstützten mich auch sonst, wo es nur
Endlich frei!
Ein gelungener Einstieg
nach vielen Jahren Haft
Entlassen - Was nun?
Die Frage hinterlässt eine gewisse Ratlosigkeit, mit der ich glücklicherweise kaum
konfrontiert wurde. Als ich die Justizvollzugsanstalt, in der ich viele, viele Jahre
einsaß, verlassen durfte, waren die Weichen draußen schon weitgehend so gestellt, dass ich nur noch meinen Willen,
meinen Mut und meine Zuversicht dazugeben musste, um ein neues Leben in
Freiheit zu beginnen.
Alles, was ich jetzt, zweieinhalb Jahre
nach meiner Entlassung, geworden bin
und geschafft habe, verdanke ich meinen
sozialen Bindungen, in erster Linie meinen
Eltern, den Verwandten und einem treuen
Freundeskreis. Hinzu kommen
noch einige liebe und hilfsbereite
Menschen, die mir teils ehrenamtlich während der Haft zur Seite
standen. Die Unterstützung und
den Beistand all dieser Menschen
sah ich nie als selbstverständlich
an. Immerhin wurde ich wegen
eines Tötungsdelikts verurteilt. Für
mich hätte es keinen Sinn ergeben,
alle Brücken hinter mir abzubrechen und mich von den üblichen
Knastritualen mitziehen zu lassen.
Klischeepflege wollte ich nicht betreiben. Ich kann nur jedem Gefangenen davon abraten. Das heißt
nicht, dass man sich anbiedern
muss und nicht mehr um seine
Rechte kämpfen darf. Auch hier sollte man
eine eventuelle Zukunft in Freiheit im Auge
behalten. Nie die Hoffnung aufgeben! Sind
möglich war. Zugegeben, so viel Glück hat
nicht jeder. Zur Not hätte ich auch in die
TABOR-WG nach Moosach ziehen kön14
nen. Ein fester Wohnsitz ist das Elementarste überhaupt.
und bin auf der „neuen“ Erde gelandet.
Auch das hat seine Reize, stellt einen aber
Je nachdem, wie aufmerksam
man während des Hafturlaubs
und den Freigängen die wichtigen Angelegenheiten für später
austüftelt, desto weniger groß
sind die „Berührungsängste“,
wenn es mal so weit ist. Immer,
wenn ich nach der Haft Ämter
betrat, egal ob Gemeinde, Arbeitsagentur, Krankenkasse
oder eine Bank (Hallo! Zum
Konto Eröffnen!), dachte ich erst
gar nicht, die könnten mir ansehen, dass ich im Knast war. Ein
bisschen gepflegt und freundlich
erscheinen, und schon ist alles
halb so wild. Selbst die Personen, die es dann wussten (z.B. Passamt),
waren dann nur neugierig, urteilten aber
nicht über mich oder redeten mich schräg
an. Und wenn es doch mal passiert, dann
muss man es eben aushalten und drüberstehen.
Kommt dann endlich der Tag, wo sich die
Tore zur Freiheit öffnen und Mauern und
Gitter bleiben hinter einem zurück, dann
wird’s schon spannend. Ich fuhr mit dem
eigenen Pkw aus dem OVZ (Offener Vollzug) bei strahlendem Sonnenschein nach
Hause und konnte es gar nicht fassen vor
lauter Glück. Ernüchterungen gab es natürlich auch und es platzten einige Träume
wie Seifenblasen. Andere erfüllten sich
ganz unerwartet. Die Gespräche mit meiner Therapeutin und mit guten Freunden
taten mir da sehr gut.
vor ganz „neue“ Herausforderungen.
Mein Freundeskreis, der mir treu erhalten
blieb (den meine Mutter immer so professionell für die Besuche einteilte), unternahm die erste Zeit, bis ich einigermaßen
angekommen war, recht viel mit mir. Inzwischen arbeite ich seit zwei Jahren in der
gleichen Firma, besitze eine eigene Wohnung, ein Auto und bin seit ebenfalls zwei
Jahren mit einer netten, attraktiven Frau
zusammen. Auch wenn das meiste Glück
nicht mein Verdienst ist, so hätte ich es gar
nicht erkennen und annehmen können,
wenn ich nicht während der Haft an mir
gearbeitet hätte und wahrhaftig in den Abgrund meiner Seele geblickt hätte. Mein
Dank gebührt all den lieben Menschen, die
mir gezeigt haben, dass es da,- im Abgrund-, nicht zu Ende ist, sondern ganz
neu beginnt, in Frieden, ohne Gewalt.
Ich wünsche allen Gefangenen, die noch
eine Chance bekommen und den Tag X
noch vor sich haben, alles Gute.
Die Welt ist schneller und digitalisierter
geworden, der Arbeitsmarkt härter und das
Leben teurer. Manchmal kam es mir so
vor, als hätte ich eine Zeitreise hinter mir
Rainer
15
der Sicherungsverwahrung nicht entlassen. Erst am 10.09.2010 entschied das
OLG Karlsruhe, er müsse sofort entlassen
werden, denn die Streichung der Befristung der Unterbringung in der SV für Fälle
wir ihn, die vor der Reform von 1998 verurteilt wurden, sei hier unbeachtlich. Folglich
bestehe ein Vollstreckungshindernis, eine
weitere Verwahrung sei unrechtmäßig.
Entlassungsvorbereitung gibt‘s die wirklich?
Wer meint, Gefangene würden in Deutschland gut auf ihre Entlassung vorbereitet,
liegt nicht ganz daneben, jedoch ist eine
adäquate Heranführung an das Leben in
Freiheit keineswegs die Regel, wie ich
anhand folgender Beispiele exemplarisch darlegen möchte.
Freilassung aus der
Sicherungsverwahrung
Nennen wir ihn der Anonymität halber
Sebastian Müller; verurteilt 1985 wegen Vergewaltigung in zwei Fällen und
versuchter Vergewaltigung in einem
weiteren Fall. Fünf Jahre Freiheitsstrafe und Sicherungsverwahrung, so lautet das Urteil.
Im Juni 1989 war die Freiheitsstrafe
verbüßt und Müller kam in die Sicherungsverwahrung (SV). Nach dieser
von den Nationalsozialisten eingeführten Maßregel der SV soll eine Person,
von der die Begehung weiterer Straftaten droht, „unschädlich“ gemacht werden
durch Verwahrung in einem Gefängnis.
Durfte zum Urteilszeitpunkt 1989 die Verwahrung maximal zehn Jahre dauern, änderte der Gesetzgeber 1998 diese Regelung und machte aus der befristeten Verwahrung eine lebenslänglich vollstreckbare.
Da diese Entscheidung absehbar war,
erhielt er wenige Wochen vor der (...) Freilassung einige bewachte Ausführungen.
Ansonsten erfolgte keinerlei Vorbereitung
auf die Freiheit. Seit über 26 Jahren ununterbrochen in Haft, fand sich Sebastian
plötzlich in einem Obdachlosenasyl wieder.
Seitens des Landgerichts Freiburg wurde
ihm im Rahmen der sogenannten ,Führungsaufsicht‘ untersagt, Messer mit einer
Klingenlänge über 5 cm‘, Gasdruckwaffen
und Schlagstöcke zu besitzen. Mit einer
Frau dürfe er auch nicht alleine in einem
Dies beanstandete 2009 der Menschenrechtsgerichtshof in Strasbourg, wo auch
Sebastian Müller seit mehreren Jahren
eine Klage anhängig hatte, denn er wurde
1999 nach Verbüßung von zehn Jahren
16
Auto sein. Wöchentlich zweimal müsse er
sich bei der Polizei melden, die Stadt verlassen dürfe er nicht ohne Erlaubnis der
Führungsaufsichtsstelle.
könnte mit guten Argumenten diese Polizeipräsenz als das Kainsmal des 21. Jahrhunderts bezeichnen oder als moderne
Variante des Brandmals ansehen, mit welchem im Mittelalter Vogelfreie und Ausgestoßene gezeichnet wurden.
Wie er berichtet, wird er zur Zeit von der
Polizei rund um die Uhr observiert, jeweils
von einem Team von fünf BeamtInnen und
Beamten. Die Badische Zeitung schrieb
am 15. September 2010,
dass nach Aussage des
Polizeichefs die ,psychische Belastung für die
eingesetzten Beamten
(...) hoch sei, und man sie
deswegen alle sechs Wochen austauschen werde.
Über die Belastung für
Müller wurde nichts geschrieben.
Am Anfang nahm er die
Überwachung pragmatisch: ,Gut ist, dass ich
meine Begleiter alles fragen kann. Am Freitag war
auch eine junge Polizistin
dabei, die mich in Haushaltsdingen beraten hatte.‘ Man kann das Galgenhumor nennen oder
auch als Folge der Hospitalisierung nach
fast dreißig Jahren Freiheitsentzug ansehen. Ohne menschlichen Anschluss geraten die als Bewacher eingesetzten Polizisten zu den einzigen Ansprechpartnern.
Momentan macht er sich mit der Technologie des Mobiltelefons vertraut, freut sich
daran, Pommes essen zu können. Wenn
es gut läuft, wird der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte auch in seinem Fall eine Verurteilung der Bundesrepublik aussprechen, so dass ihm für fast
12 Jahre unrechtmäßigen Freiheitsentzugs
eine Entschädigung zugesprochen werden
wird, die den Start in das Leben in Freiheit
erleichtern kann.
Freilassung aus der Strafhaft
Im Mai 2010 wurde Mohamed Abu Dhess
nach acht Jahren Freiheitsentzug ohne
jede Vorbereitung auf das Leben in Freiheit in Köln auf die Straße gesetzt. Verurteilt wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, saß er zudem viele
Jahre in strenger Isolierhaft.
So wenig man ihn auf die Freiheit vorbereitet hatte, um so bemühter war und ist man,
ihm das Leben nun zu erschweren. So darf
er weder den Stadtteil Köln-Nippes ohne
Erlaubnis des Ordnungsamtes und der
Führungsaufsichtsstelle (also zweier Behörden!) verlassen, noch eine Telefonzelle
benutzen oder im Internet surfen. Nur ein
Handy wurde ihm zugestanden, kaufen
kann er sich jedoch keines, da er auf der
UN- und EU-Terroristenliste aufgeführt ist.
Er erhält von der Stadt nur Warengutscheine; wie er schreibt, fühle er sich wie
ein ,Penner‘ behandelt.
Mittlerweile reagiert er, nun mit einigen
Tagen Abstand zur erfolgten Entlassung
und des Abflauens der ersten Euphorie,
angesichts der Dauerüberwachung auch
mit depressiver Verstimmung, da ihm
durch die permanente Begleitung von Polizisten jegliche Möglichkeit genommen
wird, Menschen kennen zu lernen. Man
17
Sein Rechtsanwalt klagt mittlerweile für ihn
gegen die vielfältigen Schikanen. So kann
er in dem Ihm zugewiesenen ,Hotelzimmer‘ weder Lebensmittel frisch halten noch
kühlen. Auch gibt es in dem Zimmer keine
Kochgelegenheit. Zum Zeitpunkt der Klageeinreichung war Hochsommer und in
dem Zimmer herrschten Temperaturen von
35-40 Grad Celsius. Gegenüber dem Verwaltungsgericht
führte sein Anwalt aus, dass
sich der Kläger in der JVA
menschenwürdiger behandelt
gefühlt habe, als nun nach der
Freilassung.
letzten drei Monate vor ihrer Entlassung
Lockerungen (wie Ausgang, Hafturlaub)
zur Vorbereitung auf das Leben in Freiheit
gewährt bekommen hatten.
Über 60 % der Entlassenen erhielt folglich
keine Vollzugslockerungen.
(in Bayern liegt diese Quote noch weitaus höher.)
Eine Gesellschaft, die ihre Mitglieder zu-
Zur Zeit lebt er menschlich fast
völlig isoliert; so er doch einmal
Besuch erhält, kam es vor,
dass bei Stichproben durch die
Polizei sich der Besucher ausweisen musste (und damit in
der Kontaktdatei von Polizei
und Verfassungsschutz gelandet sein dürfte). Eine Dame
aus Weinheim, die ihn gelegentlich anruft, um ihm auf diesem Wege
moralischen Beistand zu leisten, hat es
mitunter schwer, zu ihm vorzudringen, da
sich eine Mitarbeiterin des Hotels weigert,
Herrn Abu Dhess ans Telefon zu holen.
Alles in allem eine desolate Situation.
erst aus ihrer Mitte ausschließt, um sie
dann in einem Gefängnis über Jahre und
Jahrzehnte wegzuschließen, hat auch die
Pflicht, für eine Reintegration dieser Menschen zu sorgen. Die aktuellen Versuche
von Massenmedien, Politikern und aufgestachelten Nachbarn, die Probleme durch
die Forderung zu lösen, alle Betroffenen
weiterhin möglichst lebenslang wegzuschließen, helfen unter Umständen, von
ganz anderen, viel problematischeren
Themenfeldern (z.B. Angst vor Arbeitsplatzverlust) abzulenken, werden aber
letztlich weder den Haftentlassenen gerecht, noch sind sie Ausdruck für so etwas
wie Menschlichkeit!
Wirklich nur Einzelfälle?
Vielleicht mag es sich nach Ansicht manches Lesers um (zumal spektakuläre) Einzelfälle handeln. Hier hilft ein Blick in die
von der Justiz höchstselbst veröffentlichten
Statistik. So gab die Landesregierung von
Niedersachsen auf Anfrage der Grünen zu,
dass allein in Niedersachsen im Jahr 2009
zwar 4605 Inhaftierte entlassen wurden,
jedoch nur 1740 von ihnen innerhalb der
Thomas, JVA Bruchsal
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Armer und reicher Teufel
Bis zu dem Tag, wo er heimkehrte und
seinem Gönner dankte, wie einem
Gastgeber beim Abschied.
Er zog die alten Kleider wieder an und
stieg in die Grube zurück, zu den Kohlen, den blinden Pferden, den Kameraden, die ihm so fremd geworden waren,
und die ihn nun verachteten. Er stieg ins
Bergwerk zurück; unvorstellbar jetzt die
ersten Tage, Monate, der Gegenschein
und der jetzige Kontrast: die Einfahrt
ums Morgengrauen, die Arbeit auf dem
Rücken, das Schwitzen, Husten, der
Kohlenstaub in den Augen, der schlechte Fraß, das Bett mit dreien. Nun hätte
der Bursche den Vertrag freilich brechen
können … Stattdessen streikte er verblüffend, fuhr nach New York, sah seinen Wohltäter - und erschoss ihn.
Für den Arbeiter hatte man Verständnis;
das Gericht sprach ihn frei.
Einfach zum Nachdenken
Wer genug Geld hat, wird manchmal
merkwürdig gut. Er gönnt den Nächsten
auch etwas, denkt sich etwas Schönes für
sie aus. Reiche Leute wollen gern spielen,
setzen dabei Arme ein. So hielt es auch
jener Amerikaner, als er einen sonderbaren Wettbewerb startete: Ein junger Mann
war gesucht, am liebsten ein Bergarbeiter,
gesund und geschickt. Aus hunderttausend Bewerbern wurde einer angenommen. Der junge Mann meldete sich; ein
hübscher Bursche, hatte nun nichts zu
tun, als die weiteren Bedingungen zu erfüllen: nämlich auf gute Manier zu essen
und zu trinken, feine Kleidung mit Chic zu
tragen, gute Figur zu machen. Ein „Hofmeister“ brachte ihm die Künste der feinen Welt bei – Reiten, Golf, gebildetes
Sprechen – und was sonst ein amerikanischer Gentleman braucht. Das alles mit
dem Geld seines Schutzherrn. Nach beendetem Schliff trat der Glückliche eine
dreijährige Reise um die Welt an, mit Kreditkarten in der Tasche, die jeden noch so
exotischen Wunsch erfüllen ließen.
Nur eine kleine letzte Bedingung stand
noch aus: Der junge Mann musste nach
der Reise wieder ins Bergwerk zurück, als
wäre nichts gewesen, musste dort mindestens zehn Jahre bleiben, als Grubenarbeiter wie bisher. Auch dies unterschrieb
der Glückspilz. Er hielt sich ans Leben,
das näher lag. Die Zeit der goldenen Jugend begann. Er reiste in den Opernglanz
von Europa, hatte Glück bei Frauen und
zeigte Begabung dafür, jagte indische
Tiger und speiste bei Vizekönigen – kurz:
führte das Leben von Prinzen.
Ernst Bloch
(aus: Spuren, Frankfurt, 1970)
Ich verstehe völlig, dass die Leidenden,
die zutiefst Verletzten, an die unendliche
Liebe Gottes nicht glauben können.
Nicht sie tragen die Verantwortung dafür,
sondern wir, die Privilegierten, die ein
Dach über dem Kopf, Arbeit, Gesundheit
und Geld haben, sind schuld.
Wir müssen uns die Frage stellen: Was
haben wir aus den Gaben Gottes gemacht, was haben wir für unsere vergessenen Geschwister getan?
Angesichts all des Unglücks in der Welt
hätte ich die Güte Gottes, der die Liebe
ist, in Frage stellen können, aber ich
habe daran kein einziges Mal gezweifelt.
Abbé Pierre
in: ders., Was ist das, der Tod?
Innsbruck, 2012, 76
19
Jeder sollte eine zweite
Chance bekommen …
„Wir müssten vielleicht rauskriegen,
was der gemacht hat“, ist fast einhelliger Tenor. „Wenn er Kindern oder
Frauen etwas getan hat, dann ...“
auch Ex-Knackis. Aber die müssen doch nicht
Was dann? Dann gnade ihm Gott? Der
ist tatsächlich oft der einzige Barmherzige im Umgang mit einem Menschen,
der aus dem Gefängnis kommt. Viele
Exhäftlinge fürchten sich vor dem Tag
der Entlassung so sehr, wie sie sich
darauf freuen. Wie werden sie „draußen“ empfangen – von Familie, Freunden? Kriegen sie Arbeit? Wer soll sie
nehmen? Der Gang zur Agentur für
Arbeit gleich am ersten Tag der Entlassung fällt schwer. Aber er muss sofort
sein, weil sonst kein Geld fließt – rückwirkend gibt es natürlich nichts.
gleich in unsere Nachbarschaft ziehen!
Die Nachbarinnen sitzen nach der Arbeit spätnachmittags noch bei einem
schnellen Kaffee. Die Kinder, aus Kita
oder Schule geholt, spielen im Garten.
Einziges Thema ist der neue Nachbar.
Er wohnt in der Mitte der Straße, in
einer winzigen Zweizimmerwohnung.
„Man sagt, die Wohnung soll das Sozialamt angemietet haben“, meint Isabella. „Anscheinend hat er keine Arbeit“,
fügt Britta hinzu. „Er ist offenbar den
ganzen Tag zu Hause“. Keine Schande, finden alle – heutzutage kann Arbeitslosigkeit wirklich jeden treffen.
„Trotzdem“, lässt Isabella nicht locker,
„ein komischer Vogel ist er schon, findet ihr nicht? Ich hab gehört, er soll im
Gefängnis gewesen sein“.
Wer kein Einkommen oder Vermögen
hat - das sind die meisten -, wer kein
Arbeitslosengeld bekommt, hat Anspruch auf Sozialhilfe. Der nächste
Weg führt nicht in die Freiheit, das eigene Leben zu gestalten, sondern zum
Sozialamt. Haben einen Ehefrau oder
Freundin ausquartiert, will der Mann
nichts mehr von einem wissen, geht es
zum Wohnungsamt. Den freien Wohnungsmarkt scheuen viele Exknackis:
Ihre Antworten auf Fragen nach Herund Einkommen werden von Vermietern und Maklern wenig begeistert aufgenommen. Manche trauen sich deshalb eher in eine Mitwohnzentrale, wo
sie Gemeinschaft finden, oder in eine
betreute Wohngruppe, wenn sie inten-
Jetzt wird das Gespräch etwas angespannt. „Was? Gefängnis?“ Die Damen
spekulieren eine Weile vor sich hin,
was der neue Nachbar so auf dem
Kerbholz haben könnte.
Miriam mahnt: „Moment – das sind
doch alles nur Gerüchte. Macht mal
halb lang!“ Aber als die Männer dazukommen, um ihre Frauen mitsamt dem
Nachwuchs abzuholen, geht es rund.
20
sive Unterstützung wollen. Wenn alles
nicht klappt, bleibt für einige Zeit nur
das Obdachlosenheim. Auf jeden Fall
ist die Suche nach einem Zuhause eine mühsame, oft schmerzliche Angelegenheit.
jetzt in Freiheit zurecht zu finden. Ihr
könnt doch nicht willkürlich eine neue
Strafe über ihn verhängen!“
Viele offene Ohren findet sie nicht mit
ihrem Plädoyer. Zu groß ist die Sorge,
wer sich da mitten unter ihnen verbirgt.
Miriam schaut ihren Mann an und
meint: „Was meinst du, sollen wir den
neuen Nachbarn mal einladen? Nix
Großes, Kaffee oder so ...“
Miriam beteiligt sich seit vielen Jahren
am ehrenamtlichen Besuchsdienst ihrer Kirchengemeinde in der JVA. Sie
sagt: „Leute! Ich verstehe eure Panik –
es ist echt nicht leicht, mit jemandem
zusammenzuleben, von dem man nicht
weiß, was er ausgefressen hat. Aber
darf ich erinnern: Der Mann hat seine
Monate und Jahre, die im Namen des
Volkes verhängt wurden, abgesessen.
Er hat gebüßt – und genug zu tun, sich
Michael nickt zögernd. „Ich habe ziemlich gemischte Gefühle. Aber gut. Wir
machen einen Schritt. Mal sehen, wie
er es aufnimmt.“
Susanne Breit-Kessler
in: Chrismon – das evangelische Magazin, Heft 8 /2013
21
FREIHEIT
nieren: Bei der Arbeit! In der Familie! Beim
Einkaufen! Vor den Nachbarn! Hauptsache: Funktionieren!
BE-FREI-T!
Wie viel kann ein Mensch aushalten?
Wie viel kann ich aushalten?
Entlassen aus dem
Ich habe zwei Therapien begonnen und
wieder abgebrochen mit der Erkenntnis, zu
nichts fähig zu sein. Nur schweigen, still
halten, verdrängen, überleben, immer weiter.
inneren Gefängnis
Haft! Jetzt sitze ich hier und frage mich:
„Was ist eigentlich passiert?“
Ich wollte tot sein! Ja, tot!
Ich habe das ganze Leben so satt ...
Dieser ständige Kampf um Liebe, Anerkennung, Wertschätzung und Leben.
Nur ein bisschen Liebe - nur einmal!
Wohl nicht für mich ...
Meine Mutter hat sich von mir abgewendet, mir ihre Liebe entzogen als ich fünf
Jahre alt war. Schon in der Schule hatte
ich keine Freunde, da wir laufend umgezogen sind. Die Prügel zu Hause waren an
der Tagesordnung, ein Grund fand sich
immer. Auch unter uns Geschwistern - wir
waren zu fünft - herrschte immer Krieg und
Unfrieden aus Eifersucht, Missgunst und
Kampf um die Mutterliebe und Rangordnung.
Nach einer weiteren missglückten Beziehung - mein Aus! Ich konnte nicht mehr!
So versuchte ich meinen Suizid mit dem
Auto. Auf der Autobahn fuhr ich mit über
120 Sachen auf eine Leitplanke. Das Auto
überschlug sich fünfmal, lag dann still auf
der Seite. Ein Polizist holte mich unverletzt, von ein paar blauen Flecken und
Schrammen angesehen, aus dem Wrack.
Überlebt! Jeder, Polizei, Ärzte, Sanitäter,
später Pfarrer sprachen von einem unglaublichen Glück, Schutzengeln und vom
lieben Gott.
Ich wollte weder Engel noch Gott!
Während meines Suizidversuchs habe ich
mich des Mordes schuldig gemacht, daher
kam ich nach meiner Festnahme erst einmal in die Psychiatrie.
Von zu Hause weg, dann mein erster
Freund. Er vergewaltigte mich brutal und
meine ersten zarten Gefühle - für immer
zerstört. Später kam ich wieder mit einem
Mann zusammen, wurde ihm hörig, auch
mit ihm Gewalt und Vergewaltigungen an
der Tagesordnung. Andere Beziehungsversuche, sogar eine Ehe, zerbrachen, ich
war zu verletzt und hatte kein Vertrauen.
Dort hatte ich Gespräche mit einem Pfarrer. Immer wieder suchte er mich auf, redete mit mir und betete für mich.
Einmal, als ich mein Alleinsein nicht mehr
aushielt, betete ich zu Gott, ER möge mich
nicht allein lassen. Kurze Zeit später ging
die Türe auf und der Pfarrer kam herein.
Wir redeten und beteten, bis meine Angst
verschwand.
Leben? Soll das ein Leben sein? - Nein!
Nein, nur ein ständiger Kampf ums Überleben. Jeden Tag neu! Jeden Tag funktio-
Gott? Gab es ihn wirklich? Gab es ihn für
mich? - Überzeugt war ich nicht. Und doch
begriff ich langsam, dass wohl eine höhere
22
Macht dafür sorgte, dass ich den Unfall
überlebte und ich, scheinbar, auf dieser
Welt noch eine Aufgabe habe.
dankbar zu wissen, dass meine Mutter
mich liebt und alles für mich gegeben hat,
was ihr möglich war.
Ich legte dann meine Beichte vor Gott ab.
Trotz Zweifel! Ich fühlte mich schuldig und
wollte mein Gewissen erleichtern. Ich bat,
dass ER mir vergab, mir, einer Mörderin.
Vor kurzem, im Gottesdienst, brachte ich
bei einer Gemeinschaftsbeichte nochmals
meine Sünden vor Gott und bat um Verzeihung. Und diesmal spürte ich es genau,
wie mir eine Last abgenommen wurde,
und ich befreit aufatmen durfte. Diesmal
hat ER mir vergeben! Mir - einer Mörderin!
Kurz darauf wurde ich in die JVA verlegt.
Ich schloss mich der Emmausgruppe an.
Bald stellte ich fest, dass ich nicht die
Einzige bin mit Verletzungen. In vielen
Geschichten der anderen erkannte ich
mich wieder.
Dann mein Entschluss: Ich will das alles
nicht mehr, meine Kämpfe, Hass, Wut,
Angst, Verdrängung ...
Ich will frei sein! Ich will leben!
Mein Weg ist noch weit, steinig und
schwer, bis ich ganz zu mir gefunden habe. Ich werde mein Heil in Gott finden. Ich
spüre eine noch nie da gewesene Kraft
und Liebe in mir, die mich ganz ausfüllen.
Ich gebe mein Leben in Gottes Hände und
werde mich von Ihm führen lassen. Noch
ist alles neu und ungewohnt, jedoch ohne
dass es mir Angst macht. Ja! Ja, ich werAnka, NFA
de leben, mit Gottes Hilfe!
Nun nehm' ich beim Seelsorger Einzelgespräche. Ich mache mich auf den Weg zu
mir. Ich lerne auch immer mehr, Gott zu
vertrauen.
Jedes meiner
Gebete wird
erhört und
irgendwie
erfüllt. Immer
mehr spüre
ich, ich bin
nicht mehr
allein. Ich
kehre um zu Gott!
Nach und
nach kann ich
mit Gottes
Hilfe meinen
Eltern und
zum Teil meinen Peinigern
verzeihen.
Heute bin ich
23
CHRISTSEIN HEUTE
Unter diesem Titel erscheinen hier immer wieder Beiträge, die uns
am Leben und Wirken bekannter oder weniger bekannter ChristInnen
teilhaben lassen. Heute berichten wir über den
Jesuitenpater GEORG SPORSCHILL,
der viele wichtige Projekte für strafentlassene, drogenkranke und
obdachlose Menschen aufgebaut hat.
Georg Sporschills Lebensweg beginnt
1946 in Vorarlberg, wo er in einer Familie
mit neun Kindern aufwächst. Nach der
Matura studiert er in Innsbruck und Paris
Theologie, Pädagogik und Psychologie.
Anschließend ist er als Referent für Erwachsenenbildung in der Vorarlberger
Landesregierung tätig. Im Alter von dreißig
Jahren tritt er in den Jesuitenorden ein und
empfängt zwei Jahre später die Priesterweihe.
Jugend- und Sozialarbeit
Als junger Kaplan in Wien-Lainz gründet
und begleitet Pater Georg Sporschill viele
Jugendgruppen. Ab 1980 gilt sein Engagement strafentlassenen, drogensüchtigen
und wohnungslosen Jugendlichen. Er lebt
mit ihnen unter einem Dach. Für die Caritas baut er Jugend- und Obdachlosenhäuser auf, er schickt den "Canisibus" mit
Suppe zu den Obdachlosen an den Bahn24
höfen und gründet das Wiener Innenstadtlokal "Inigo", das Langzeitarbeitslosen Arbeit und Selbstbewusstsein gibt.
Kraftquelle Bibel
Kraft und Hoffnung schöpft Pater Georg
Sporschill aus der Bibel. In Wien leitet er
seit 1996 eine Bibelschule.
Die Straßenkinder von Bukarest
1991 geht Pater Georg Sporschill im Auftrag seines Ordens zu den Straßenkindern
von Bukarest. Was als Einsatz für sechs
Monate gedacht ist, wird zur Lebensaufgabe. Zusammen mit Ruth Zenkert gründet er CONCORDIA, Sozialprojekte, und
holt Kinder von den Straßen und aus den
Kanälen der rumänischen Hauptstadt. Für
sie entstehen ein Sozialzentrum, Kinderund Jugendhäuser sowie Lehrwerkstätten
und Berufsschulen.
Neues Projekt
Pater Georg Sporschill SJ hat zusammen
mit Ruth Zenkert ein neues Projekt namens ELIJAH in Siebenbürgen/Rumänien
gegründet und widmet sich mit ganzer
Kraft und Einsatz diesem "Kind".
Seine von ihm gegründeten ConcordiaProjekte in Rumänien, Moldawien und
Bulgarien gehen mit einem motivierten
Team weiter, denn es sind viele Menschen
(Kinder, Jugendliche und alte Menschen),
die ihre Hoffnung und Vertrauen auf Concordia setzen.
Helfen, wo die Not am größten ist
"Wir müssen helfen, wo die Not am größten ist." Dieses Prinzip führt Pater Georg
Sporschill 2004 in die Republik Moldawien,
in das ärmste Land Europas. Auch hier
setzt sich Pater Georg Sporschill für Waisenkinder und verwahrloste Jugendliche
ein. Doch auch alte Menschen leiden in
der Republik Moldawien große Not. Deshalb knüpft CONCORDIA ein Netz von
Suppenküchen und Sozialzentren. 2008
beginnt Georg Sporschill mit der Jugendarbeit in Bulgarien.
Als der Meister gefragt wurde, ob es ihn
denn nicht entmutige, dass all seine
Mühe anscheinend kaum Früchte trug,
erzählte er die Geschichte von einer
Schnecke, die an einem kalten Tag im
Frühjahr aufbrach, um den Stamm eines
Kirschbaums empor zu klettern. Die
Hoffnungskinder
Spatzen auf dem Nachbarbaum lachten
Pater Georg Sporschill schlägt Brücken
zwischen Ost und West sowie zwischen
Armut und Reichtum. Die Jugend aus dem
reichen Westen fordert er heraus mit der
Frage: "Wo werde ich gebraucht?" Viele
Jugendliche kommen als Volontäre (Freiwillige) in die CONCORDIA Projekte. Sie
möchten Anderen helfen, profitieren aber
oft selbst am meisten von ihrem Einsatz.
Und so wandeln sich nicht nur die Straßenkinder, sondern auch die Wohlstandskinder zu Hoffnungskindern. über ihr Unterfangen. Da flog ein Spatz
auf die Schnecke zu und piepste sie an:
"He, du Dummkopf, siehst du nicht, dass
auf dem Baum keine Kirschen sind?"
Die Schnecke kroch weiter und sagte:
"Bis ich oben bin, sind welche dran!"
Anthony de Mello
25
mit Bruder Jan von der Emmausbewegung. Dieser schaffte es, meinem Leben
eine andere Richtung zu geben. Er half
mir, für mein Leben einen Sinn zu finden,
der Liebe zu begegnen, indem er mir einen
Gott aufzeigte, anders als er mir vorher im
Heim vermittelt wurde. Der Gott, den ich
bis dahin kannte, war ein strafender, kriegerischer Diktator, ein Gott, der für mich
die Hölle vorprogrammiert hatte. Der Gott,
den mir Jan zeigte, war ein liebender, gnädiger, barmherziger Gott, der sich nichts
sehnlicher wünschte, als dass er mein
Leben lebenswert machen will.
Freude am Leben
21 Jahre straffrei - ein harter Weg
Seit Ostern 1986 wurde die Strafzeit für
mich zur Heilungszeit. Damit begann auch
die Vorbereitung auf meine Entlassung, 18
Monate vor Endstrafe. Ich dieser Zeit lernte ich kennen, wer und was ich wirklich
war. Ich wollte einen neuen Weg gehen.
Nach wiederholten Haftstrafen machte ich
mir nach sieben Jahren Haft Gedanken
über den Sinn meines Lebens. Der Knast
konnte es nicht sein, das Leben, so wie
ich es draußen lebte, auch nicht. So spürte
ich, dass es überhaupt keinen Sinn in meinem Leben gab. Da begann ich zu suchen.
Nachdem ich in verschiedenen Gruppen
sogar die Leitung hatte, glaubte ich, es
geschafft zu haben. Ich fühlte mich stark.
Zur offiziellen Entlassungsvorbereitung
gehörten dann auch Ausgang und Urlaub.
Nach einigen Ausgängen, die normal verliefen, kam der erste Hafturlaub. Zwei
Stunden hielten meine guten Vorsätze sechs Stunden später fand ich mich nach
einem Alkoholrückfall bewusstlos im Krankenhaus wieder. Der Arzt gratulierte mir zu
einem neuen Leben. Erst Jahre später
begriff ich, wie recht er hatte. Natürlich
waren die Sanktionen des Gefängnisdirektors unangenehm, aber schlimmer noch
war es, in den Gruppen vor den anderen
Mitgefangenen als Versager dazustehen.
Auf dieser Suche nahm ich alle erdenklichen Angebote im Knast wahr. In einer der
angebotenen Gruppen, einem biblischen
Gesprächskreis, kam es zur Begegnung
Ab dieser Zeit begann ich, nun ernsthafter
meine Entlassung vorzubereiten. Ich
musste mir eingestehen, dass ich das Leben nach der Entlassung nicht allein und
Ich erspare Euch den Bericht über etliche
Rückfälle in meinem Leben, da dies sonst
ein Buch füllen würde. Vielmehr möchte
ich Euch ermutigen: Ich erzähle Euch, wie
ein Neuanfang bei mir funktioniert hat, so
dass ich mittlerweile 21 Jahre straffrei,
trocken und zufrieden mit Gott leben kann.
26
nicht ohne fachliche Hilfe meistern kann.
Neben dem Ringen mit Gott war es dann
eine Alkoholtherapie, der Halt in einer
Wohngemeinschaft und eine berufliche
Ausbildung als Landschaftsgärtner, die
mich stabilisierten.
Es gibt so viele Dinge in
unserem Leben, die nicht
geändert werden können!
Wir sind ihnen gegenüber
machtlos. Doch wenn wir ja
zu ihnen sagen können,
kommen wir zum Frieden.
Der Frieden liegt im Ja.
Schon in der Haft beantragte ich eine Therapie und erkundigte mich nach einer
Wohngemeinschaft, in der ich bis zu meinem Therapieantritt unterkommen konnte.
Ich bekam einen Platz bei einer kinderreichen Familie, zu der ich mich nach der
Entlassung auf den Weg machen wollte.
Doch das sollte sich als nicht so einfach
erweisen. Als ich am Tag meiner Entlassung das Gefängnis verließ, spielten meine Gedanken plötzlich verrückt. Auf einmal
kam die große Versuchung in mir auf, dass
ich meine alten Kumpels und Saufkumpane besuchen wollte. Eine riesige Angst
überkam mich. Ich wollte nicht wieder
rückfällig werden, und doch war der Sog
so stark. Das Letzte, was mir möglich war:
Ich ging zur Pforte des Gefängnisses zurück und bat den Beamten, dass er mir
den Pfarrer rief. Ich erklärte diesem meinen zerrissenen Zustand: „Ich komme allein nicht durch die Stadt!“
Was ist der größte Feind
der Erleuchtung? - Angst. –
Und woher kommt Angst?
– Aus der Einbildung. –
Und was ist Einbildung? –
Zu denken, dass die Blumen
neben dir giftige Schlangen
seien. – Wie soll ich Erleuchtung erreichen? Öffne deinen Augen und
sieh! – Was? – Dass keine
einzige Schlange in der
Nähe ist.
Der Pfarrer verstand mich und fuhr mich
zum geplanten Ziel. Gott sei Dank! Ich
hatte das Gefühl: Zwei Mächte, größer als
ich, haben um mich gekämpft. Und die
gute Macht - für mich: Gott - hat gesiegt.
Nach der Entlassung war das für mich
dann keine Feier, sondern harter Kampf,
jeden Tag neu, Kampf für das Leben,
Kampf, trocken zu bleiben. Heute, 21 Jahre später, feiere ich mit meiner Frau, zwei
Kindern und Freunden das Leben, das ich
seither mit Gott lebe.
Anthony de Mello
Peter
27
mich ganz allein gestellt, und da ich Raucher bin und gerne Kaffee trinke, musste
ich zusehen, wie ich an Geld für den Einkauf kam. Ich hatte Glück und durfte in der
Wäscherei arbeiten, für 0,56 EURO (Stand
2007) die Stunde, das hätte ich mir draussen nie gedacht, hier war ich froh. Ja, und
so hatte ich wieder einen Schritt getan,
aktiv an meiner Resozialisierung mitzuarbeiten.
Entlassung - was nun?
Diese Frage stellte sich bei mir, nachdem
ich im Mai 2007 verhaftet und in Stadelheim in U-Haft war, ziemlich bald.
Nachdem ich durch die Haft von Drogen
Abstand hatte, wurde mir bald klar, dass
es so nicht weitergehen kann. Ich musste
die unabänderliche Tatsache akzeptieren,
dass ich nun die Suppe auslöffeln muss,
die ich mir über Jahre mit Kokain, Alkohol
und Straftaten, vor allem Betrugsdelikten
"gekocht" hatte. Ja, und so kam mir die
Idee, die Haft für mich zu nutzen. Wenn
ich entlassen werde, wollte ich auf gar
keinen Fall wieder da oder gar noch
schlechter stehen, wo ich bei meiner Verhaftung stand. Also suchte ich nach Lösungen, wie ich aktiv mitarbeiten konnte,
die Sache für mich zu nutzen. Mir wurde
schnell klar, dass ich in jedem Fall eine
Therapie machen will. Auch wenn es hart
kommt und mir § 35 BtmG (Therapie statt
Strafe) abgelehnt würde, wollte ich nach
der Endstrafe eine Therapie anschließen.
Letzten Endes durfte ich diese nach 27
Monaten von insgesamt 3 Jahren Haft als
Reststrafenauflage machen, was
ich dann auch erfolgreich tat.
Ich bemühte mich schon in der
U-Haft um eine Arbeit, schon aus
materiellen Gründen, da alles,
was ich an Geld besaß, beschlagnahmt wurde, zum anderen ich nicht auf die Unterstützung einer Familie hoffen konnte. Meine Eltern waren tot und
der Rest meiner Familie wollte
mit mir, dem drogensüchtigen
Betrüger, dem Hallodri, nichts
mehr zu tun haben. Ich war auf
Ansonsten nahm ich in der Haft an allen
möglichen Angeboten teil. Auch an der
Bibelgruppe und der Emmausgruppe der
Seelsorge. Ich ging zur externen Suchtberatung und merkte so, dass sich die Dinge
Stück für Stück bewegen. Nach 16 Monaten wurde ich in die JVA Bernau verlegt.
Hier bewarb ich mich gleich um Aufnahme
in den sozial-therapeutischen Wohngruppenvollzug, wurde da auch im Dezember,
genau zu meinem 38. Geburtstag aufgenommen, machte auch dort weiter mit
Gruppen etc. So gab mir das Gericht zum
Reststrafen-Zeitpunkt die Chance, eine
Therapie zu machen, was ich auch tat.
Heute kann ich sagen, dass ich seither
clean bin, mich stabilisiert habe. Aber das
alles verdanke ich im Wesentlichen auch
28
dem Tabor e.V., denn diese gaben mir
nach der Haft die Chance, in der WG
familienähnlichen Anschluss zu finden.
Im Zuge der Nachsorgetherapie ist es
mir mehr und mehr gelungen, außerhalb Freunde zu finden, die mir weitergeholfen haben, auch was eine
Beschäftigung anbelangt. Selbst wenn
die Chancen, als Vorbestrafter eine
Stelle im erlernten Beruf des Groß- und
Außenhandelskaufmann zu finden, nicht
gerade die besten sind! Ich entdeckte aber
mit der Zeit andere Fähigkeiten und Talente, die in mir bisher schlummerten, das
baut mich auf. Stück für Stück tut sich was.
Vor ein paar Tagen erhielt ich vom Gericht
den Beschluss, dass mir nach vier Jahren
Bewährung die Reststrafe erlassen wurde.
Ich habe etwas geschafft, Stück für Stück,
auch wenn sich das alles nicht nach einem
Quantensprung anhört, rückblickend war
es aber dann doch so etwas für mich:
Wenn man bedenkt, wie hoffnungslos alles
2007 begonnen hatte, komplett abgestürzt,
abgemagert und immer "drauf", im Kopf
hatte ich nur den Gedanken, wie ich heute
meinen Drogenbedarf finanzieren und das
Zimmer in einer Absteige bezahlen kann!
Ja, mein Leben hat sich verändert, für
mich war es eine Chance zum Neuanfang.
Ich würde mir für all die Leute, die das was
ich hinter mir habe wünschen es gäbe
mehr Leute wie bei Tabor, die unabhängig
von Behörden und Therapiestellen Heimat
geben, denn leider reicht die Zeit von 6 bis
18 Monaten meist nicht aus, aus einem
verkorksten Leben neu anzufangen. Und
mehr gewähren die Kostenträger nicht! Ich
habe in Haft und auch auf Therapie viel
Leid diesbezüglich gesehen. Ich wünsche
Euch allen das Beste und Mut und Kraft,
Euer Leben anzupacken, dazu Menschen
an Eurer Seite, zu denen Ihr wie ich heute
mal DANKE sagen könnt, seien es nun
Seelsorger, Psychologen, Sozialarbeiter,
ehrenamtliche Mitarbeiter oder auch Beamte: Ich sage hier mal: DANKE!
Stefan
29
letzte Wort über mich zu sprechen oder
mich in einen bestimmten Rahmen zu
pressen, aus dem ich dann für den Rest
meines Lebens nicht mehr rauskomme.
Ich will die Freiheit haben, meinen ganz
persönlichen Weg zu gehen und mich immer weiter zu entwickeln und zu wachsen.
Ich habe mich in diesen fünf Jahren schon
wieder von so vielen Menschen trennen
bzw. distanzieren müssen, weil sie mir z.
B. nicht erlauben wollten, mein "Büßergewand" auszuziehen.
Mein schwerer Weg
zurück ins Leben
Als ich am
28.12.2007 ver
verhaftet wurde,
hatte ich etwa
drei Monate
vorher Gott in
einem Brief ge
gebeten, mich von
meinem Leben
in der Drogen
Drogenwelt zu erlösen
und übergab
ihm damals
wohl schon
mein Leben. Nach knapp acht Monaten
Haft - in denen ich in meiner oft brutal-ehrlichen Art mein Leben reflektierte - wurde
ich entlassen und ging auf Therapie.
In den vergangenen fünf Jahren "in Freiheit" musste ich mich von vielen Stürzen in
"Täler der Tränen" erholen, doch ich bin
immer wieder auf die Füße gefallen. Gut
für mich persönlich war, dass ich mir bei
meiner Entlassung keinerlei Gedanken
über meine Zukunft machte. Ich vertraute
in meiner "blauäugigen Naivität" darauf,
dass ER schon für alles sorgen würde.
Was er aus heutiger Sicht auch tat. Und
auf die Frage, was ich für einen guten
Start nach dem Knast gebraucht hätte,
sage ich heute etwas, was ich mir schon,
seit ich denken kann, wünsche: Menschen,
die mir vorurteilslos begegnen, die mich in
meiner Individualität - vielleicht auch Andersartigkeit - akzeptieren oder zumindest
respektieren. Niemand hat das Recht, das
Es begann schon in der Therapie. Da ich
ja direkt aus dem Knast kam, haben die
meisten meiner damaligen Mitpatienten
(und wohl auch Therapeuten) wortwörtlich
"eine abgewrackte Alte" erwartet. Dass
nun aber ein lebensfroher und fröhlicher
Mensch vor ihnen stand, ging schon gar
nicht, und ging vielen gegen den Strich.
Außerdem sagt man mir nach, den Menschen oft in die Seele schauen zu können,
dass ich also einen Blick hinter die Fassade der Menschen werfen kann. Somit waren Konflikte vorprogrammiert. Keiner verliert gerne sein Gesicht, und die Wahrheit
will kaum jemand hören, und in Kreisen
von Süchtigen schon gar keiner. Egal welche Sucht - das Leben in ihr ist ein Leben
in einer Schein- und Traumwelt.
Die Therapeuten waren alle über meine
Klarheit in meinem Verhalten überrascht.
Meine Bezugstherapeutin war lange sehr
misstrauisch. Sie glaubte, ich würde ihr
und allen anderen nur etwas vormachen.
Erst als ich ihr aus einer Laune heraus
meinen ersten Beitrag im Tabor-Magazin
zum Lesen gab, war sie erst einmal
sprachlos, dann beeindruckt und zum
Schluss überzeugt. Sie sagte zu mir: "Als
ich das gelesen habe, habe ich mir gewünscht, auch mal in den Knast zu kom30
men, aber nur unter der Bedingung, dass
ich auch diese ,Erleuchtung‘ bekomme."
Nach der Therapie ging ich dann nach
Lübeck in eine Übergangseinrichtung,
noch einmal für vier Monate. Dort spielte
sich ähnliches ab. Der Chef der Einrichtung meinte gleich am Anfang zu mir:
"Wenn ich mir Ihren Lebenslauf ansehe, so
staune ich über Ihr forsches Auftreten.
Schließlich waren Sie u. a. im Knast und
der Rest Ihrer Karriere ist wohl auch nicht
so toll, sonst wären Sie nicht hier gelandet." Ihm passte von Anfang an nicht, dass
ich eine eigene Meinung hatte und Missstände klar ansprach. Doch dort stand zu
meiner großen Freude meine Bezugstherapeutin unerschütterlich zu mir. Auch als
mein Ex-Freund am Ende meines Aufenthaltes in diesem Hause starb, stand diese
Frau mir hilfreich zur Seite. Dafür werde
ich ihr ein Leben lang dankbar sein. Der
Tod meines Lebensgefährten hatte mich
schwer getroffen, auch wenn ich mich
während meiner Haft von ihm getrennt
hatte. Wir waren schließlich 12 lange Jahre durch dick und dünn gegangen.
Monate körperlich, seelisch und geistig
völlig am Ende. Der Weg zur Toilette war
wie eine Weltreise. Einzukaufen oder Arztbesuch glich einem Himmelfahrtskommando - ich wusste nie, ob ich es wieder
nach Hause schaffen würde. Konnte ich in
der Therapie locker an die 10 km Joggen,
fiel mir nun jeder Schritt unglaublich
schwer. Da ich kaum jemanden kannte,
war ich fast immer allein. Doch ER hat
mich wiederum durch dieses Tal getragen
und gestärkt aus ihm herausgeführt.
Als ich wieder unter dem Lebenden war,
begann eine schöne Zeit. Es heisst ja im
(Johannes-) Evangelium: Euer Kummer
wird sich in Freude verwandeln! Ich war
wieder gesund, hatte meine ETW verkaufen müssen (um Schulden zu bezahlen)
und hatte noch etwas Geld zum Reisen
übrig - meinem allerliebsten Hobby. In anderen Ländern fühle ich mich frei, während
ich im eigenen Land immer das Gefühl
habe - besonders seit meiner Zeit im Knast
-, dass ich mein "Büßergewand" nie mehr
ausziehen darf. Das fängt schon bei meinen Geschwistern an. Zu ihnen habe ich
kaum Kontakt. Und obwohl ich keinerlei
Kontaktschwierigkeiten habe, tue ich mir
mit Freundschaften schwer. Zur Freundschaft gehört für mich Ehrlichkeit und auch
ein gewisses Maß an Offenheit. Ich stehe
zu meiner Vergangenheit - schließlich hat
sie mich zu dem Menschen gemacht, der
ich heute bin. Doch sobald Menschen von
meiner Vergangenheit erfahren - vor allem
die Tatsache, dass ich im Knast war -, habe ich ein Brandzeichen auf der Stirn. Einigen verursacht dieses Zeichen Angst
(,Wer weiß, wozu diese Zuchthäuslerin
alles fähig ist!‘). Die Mehrzahl der Menschen glaubt aber, mich bekehren zu müssen und mich auf den richtigen Weg zu
führen (auf den ihren natürlich). Das nimmt
Zu meinem damaligen Elend kam noch,
dass ich eine Woche vor dem Tod meines
Ex mit meiner Hepatitis-C-Therapie begonnen hatte - ein ,Geschenk‘ von meinem
Ex! Und nun sollte ein ganz langes und
tiefes Tal der Tränen beginnen. Meine Zeit
in der Einrichtung war vorbei und ich fand Gott sei Dank - auf die Schnelle ein hübsches 1-Zimmer-Appartement im Zentrum
der Stadt. Dort sollte ich die folgenden 7-8
Monate vor mich hinvegetieren - im wahrsten Sinne des Wortes. Die Einrichtung
bestand aus einem Tisch, einem kleinen
Sofa und einer Klappmatratze, mehr konnte ich mir nicht leisten. Denke ich heute an
diese Zeit, werde ich selber sprachlos und
unbeschreiblich dankbar. Ich war all die
31
oft ganz schlimme Ausmaße an: Mir wird
gesagt, wann und wie oft ich zu beichten
habe, was und bei wem ich zu beichten
habe, was ich in meiner Wohnung haben
darf und was nicht, welche Menschen gut
für mich sind...
durchgebeutelt haben, haben es stark und
widerstandsfähig gemacht. Ich wünsche
mir, dass es mal ein großer starker Baum
wird, der vielen Menschen Schatten und
einen Platz zum Ausruhen schenkt.
Eines weiß ich: ER hielt immer seine
schützende Hand über mich.
ER hält über jeden von Euch die schützende Hand und mit Sicherheit hat er bei
der Geburt von jedem von Euch gelächelt.
Keiner von uns ist ein Zufallsprodukt - wir
sind alle von IHM gewollt.
In diesem Sinne Gottes Segen und eine
schöne Advents- und Weihnachtszeit und
ein glückseliges Neues Jahr.
Richtig klar wurde mir das erst, als ich
nach Berlin - der Stadt mit den großen
seelischen Wüsten - zog. Durch meine
damalige Freundin kam ich in gewisse
religiöse Kreise, viele Konvertierte und
"Vorzeigechristen" (so sahen sie sich zumindest). Dort wurde mir zum ersten Mal
richtig bewusst, dass Christen zwar gerne
von Vergebung reden, aber wenn es dann
konkret wird mit dem Vergeben, bleibt es
bei dem Sprichwort: Worte sind wie Blätter,
Taten sind die Früchte! Es bleiben wohl
viele Christen fruchtlos! Ich habe viel Neid,
Missgunst, Ablehnung und zum Teil Verachtung erleben müssen. Nur weil ich mir
trotz meiner Vergangenheit erlaubt habe,
mein Büßergewand auszuziehen. Und was
mich dennoch sehr dankbar macht, ist die
Tatsache, dass trotz Verlustes vieler Menschen doch noch ein ganz kleines Häuflein
übrig geblieben ist, die heute mehr denn je
zu mir stehen. Und oft bekomme ich von
fremden Menschen die Rückmeldung,
dass ich eine unglaublich positive und
fröhliche Ausstrahlung habe. Sie wundern
sich über meine erkennbare Liebe zu den
Menschen und zum Leben.
In den vergangenen fünf Jahren in Freiheit
habe ich viel Lehrgeld bezahlt (ich will ja
immer auch etwas lernen). Doch war
letztendlich jeder Cent gut angelegt. Als
ich aus dem Knast kam, war mein Glaube
und Vertrauen an und zu IHM nur ein kleines zartes Pflänzchen. Nun ist dieses
Bäumchen gut gewachsen. Und all diese
Stürme, die es kräftig und oft sehr heftig
Sophia
Es ist nicht auszudenken,
was Gott aus den Bruchstücken unseres Lebens
machen kann, wenn wir sie
Ihm ganz überlassen.
!
32
Blaise Pascal
sich die Konturen der angestrahlten Burgzimmer zauberhaft abheben. Ein faszinierender Anblick, den ich jedoch nicht wahrnehme. Mit von Tränen befeuchteten
Wangen starre ich ins Leere, während
meine Gedanken bei einem Wort verharren:
„Warum ? ...“
Entlassung und Neubeginn fangen
hier und heute an, wenn ich zu
meiner Schuld stehe und sie annehme.
„Warum?“
„Warum hab‘ ich‘s getan?“ „Warum, lieber Gott, hast Du zugelassen,
dass durch meine Hand ein Mensch sterben musste?“
„Warum hast Du zugelassen, dass
mein Bruder seinen einjährigen
über
Sohn mit seinem LKW tödlich überzugelas
fuhr, warum hast Du auch zugelassen, dass er sich, am Tod seines
Sohnes zerbrochen, vom Turm eines
Gotteshauses in den Tod stürzte?“
Ich stehe auf dem Fußgängersteg unterhalb der Burg. Der dunkle Asphalt, der gut
zehn Meter unter mir liegt, glänzt matt im
Irgendetwas hält mich davon ab, auf
die Brüstung zu steigen und ...
Sind es die Gedanken daran, wie
meine Mutter, meine Geschwister
unter dem Freitod meines Bruders
mei
litten, sind es die Gedanken an meine Töchter, meine Enkelkinder? Ich
weiß es nicht, doch plötzlich, es war
wie eine innere Eingebung, wusste
ich, was zu tun war. Ich darf der
Verantwortung für meine Tat nicht
entfliehen, muss mich der Schuld
stellen, sowohl vor dem Gesetz als
auch vor Gott.
Tief atme ich die kühle Nachtluft ein,
und als wäre eine schwere Last von
mir genommen, trete ich von der
Brüstung zurück und verlasse den
Fußgängersteg. Je näher ich der
Polizeidienststelle komme, desto fester
(Fortsetzung S.34)
werden meine Schritte.
Schein der Straßenlaternen. Nur noch
vereinzelt stört ein Motorengeräusch die
Stille der sternenklaren Nacht, gegen die
33
Wochen später ...
Gedankenverloren stehe
ich am Fenster meiner
Zelle. Nach den vielen
Regentagen scheint
erstmals wieder die Sonne durch die eisernen
Gitterstäbe. Die Bäume
gegenüber, in frischem
Maiengrün gekleidet,
bewegen sich im Rhythmus der steifen Brise, die
durch die hohen Baumkronen streift. Hastende
Federwolken ziehen über
den Wipfeln hinweg. Es
sieht fast so aus, als fliehen sie vor dem Wind.
Sie stieben auseinander,
greifen nach oben wie
Hilfe suchende Hände,
Finger, oder wollen sie
nur das Blau über sich
einfangen?
Doch sie greifen ins Leere, verflüchtigen sich,
lösen sich auf, wie durch
Geisterhand verzaubert,
und der Wind hat seine
wahre Freude daran,
treibt immer neue Wolkenfetzen, manchmal weißer leuchtend als Schnee, vor sich her.
Ich glaube, dass Gott uns in
jeder Notlage soviel Widerstandskraft geben wird, wie
wir brauchen.
Aber Er gibt sie nicht im
voraus, damit wir uns nicht
auf uns selbst, sondern allein
auf Ihn verlassen.
Ich kann mich nicht satt sehen an diesem
faszinierendem Schauspiel der Natur.
Für einen kurzen Augenblick vergesse ich,
warum ich hier bin. Ein Lächeln umspielt
meine Mundwinkel, und dankbar denke ich
daran, dass nur Gott für solche Momente
verantwortlich sein kann ...
nowj 13
(Dietrich Bonhoeffer)
34
Das Licht
Der Horizont versteckt das Licht,
das sich wie Fächerstrahlen bricht,
ein roter Schein am Himmel matt,
die Nacht den Tag gefangen hat.
Denn alles ist ja nur ein Spiel,
das den beiden so gefiel,
dass sie dies schon seit Gedenken
jahrein, jahraus von neuem schenken.
Sie fällt herein, indigoblau,
verwandelt Wald und Wiesen, Au
geheimnisvoll in einen Traum,
so wie des schwarzen Schwanes Flaum.
Doch das Spiel, das ich hier mache,
wird bestimmt von einer Wache,
von Gittern und geschloss‘nem Tor:
Es ist ein Spiel, das ich verlor.
Sie hält den Tag acht Stunden fest,
bevor sie ihn in Freiheit lässt.
Das Morgenrot auch gleich verkündet,
dass der Tag das super findet.
Denn seit ich mich dem Recht gestellt,
ein Hoffnungsschimmer auf mich fällt,
der sich in Gottes Antlitz bricht:
Am Horizont seh‘ ich ein Licht.
Nowj, JVA Stadelheim
* * * * * * * * * * * * * * *
* * * * * * * * * * * * * * * * *
LEBENSLÄNGLICH
Herr,
ich weiß,
dass meine Tat
furchtbar war
und dass ich sie nie
werde sühnen können.
Herr,
zehn Jahre
habe ich
hinter mir.
Wie viele noch
vor mir?
Fünf?
Zehn?
Fünfzehn?
Trotzdem frage ich mich,
ob ich allmählich
nicht genug gebüßt hätte.
Petrus Ceelen
(ehem. Gefaängnisseelsorger)
35
Wie soll ich das schaffen ohne Drogen?
chen? Wie soll ich das alles schaffen
nach der Haft - in so einer Situation, in
der man wieder bei Null anfängt?
Auch wenn ich noch neun Monate Haft
vor mir habe, denke ich oft an die Entlassung. Viele, die man fragen würde,
was sie über ihre Entlassung denken,
würden sagen, dass sie es kaum erwarten können. Aber bei mir ist es etwas anders. Sicher ist eine Vorfreude
da, doch dann überkommt mich eine
gewisse Angst: Ich habe seit meinem
12. Lebensjahr Drogen genommen.
Alles, was ich bisher erreicht habe,
habe ich unter Gebrauch von Drogen
erreicht. Nur so konnte ich dem Druck
und den Demütigungen Stand halten.
Egal, ob es um meinen Schulabschluss, meine Lehre oder sogar um
meinen Führerschein ging. Ich kenne
es nicht anders. Wie wird es sein, etwas im nüchternen Zustand zu errei-
Dann das nächste große Thema: Meine Freunde und mein Partner. Bevor
ich mich gestellt habe, habe ich meine
alte Handynummer vernichtet und somit alle Nummern meiner „Freunde“.
Das bedeutet für mich, wenn ich rauskomme, muss ich auch mit meinen sozialen Kontakten wieder neu anfangen.
Meiner Meinung nach braucht man
gute Freunde im Leben. Nun ja, und
dann der Partner: Ich bin hier im Gefängnis und er draußen macht noch so
weiter wie zuvor. Im Endeffekt weiß ich,
dass unsere Beziehung keine Zukunft
hat. Aber er ist der einzige, der draußen auf mich wartet. Was ist, wenn ich
auch das noch verliere? Dann steh‘ ich
komplett allein da!
Und dann ist da auch noch mein kleiner Sohn. Er ist bei Pflegeeltern. Und ich möchte ihm
doch eine gute Mutter sein.
Aber wie soll ich das schaffen?
Mein Wunsch ist es, irgendwann einfach ein geregeltes
und zufriedenes Leben führen zu können. Doch leider
kommen bei mir immer wieder Zweifel daran auf, ob ich
das schaffe - ohne Drogen!
J., NFA München
36
Angst macht, ist, dass ich diesen Menschen, die zu mir stehen, sehr weh
getan habe, indem ich sie wegen der
Haft allein lassen musste und sie somit
im Stich ließ.Diese Verletzung muss
erst wieder vergehen und das bedeutet: Es braucht Zeit, um das Vertrauen
in mich selbst wieder aufzubauen. Und
vor allem muss man erst mal wieder
Vertrauen zu mir fassen.
Vertrauen wieder aufbauen
Ich bin 46 Jahre alt und das erste Mal
inhaftiert. Gott sei Dank spielten Drogen in meinem Leben keine Rolle und
somit auch nicht in meiner Zeit, die ich
mich hier im Gefängnis befinde.
Ich bin wegen eines Eigentumsdeliktes
seit etwas mehr als einem halben Jahr
in Haft. Allerdings muss ich feststellen,
dass ich viele positive Dinge für jetzt
und mein weiteres Leben in
Erfahrung bringen konnte.
Denn noch einmal werde
ich nicht in diese Situation
kommen, dass man mich
von meiner Familie trennen
muss, weil ich nicht aufhören konnte, so fürchterlich
materialistisch zu sein.
Jetzt hier im Gefängnis
nützt mir all das Materielle,
das ich draußen so hoch
bewertete, rein gar nichts.
Das Einzige, das mich jetzt
glücklich machen kann, ist
meine Familie und meine
Freiheit.
Angst vor meiner Entlassung habe ich im Großen
und Ganzen nicht, denn ich
habe ein normales und geordnetes Leben draußen.
Sowohl Arbeit als auch
Wohnung und Menschen,
die mich lieben, erwarten
mich. Das einzige, was mir
A., NFA München
37
Gedichte aus dem Knast
Sehnsucht
Gnade Gottes
Du bist von mir gegangen
und ich bin in der Vergangenheit
mit dir gefangen.
Ist das Leben ungerecht?
Liegt es in unsren Händen?
Sind wir im Karpfenteich der Hecht?
Können wir das Schicksal wenden?
Acht Monate ist es her,
dass du bist nicht mehr!
Seitdem ist mein Leben
ohne Sinn und Zweck.
Es lohnt sich nicht das Sein,
denn du bist jetzt nicht mehr mein!
Egal in welchem Land
auf unsrer großen Erde alles liegt in Gottes Hand.
ER spricht und prompt: Es werde!
Ich bin so traurig, bin so allein!
Lieber Gott, könnt es denn
nicht wieder anders sein?
Als Menschen leben wir im Wahn,
wollen alles selber stets gestalten.
Verstehen nichts von Gottes Plan!
Nur ER wird es verwalten.
Mein Schmerz, er will nicht weichen,
weil du bist nicht mehr zu erreichen.
Die Traurigkeit mich stets begleitet,
seit dem du mir entgleitet.
Dem Leib wird Leben eingehaucht,
stirbt weg - zerfressen von der Made.
Alles von dir, Herr, Durchlaucht.
Wir leben nur durch deine Gnade.
So manche Fehler, die ich machte,
und nicht dabei bedachte,
was ich dabei verlier: Jetzt weiß ich‘s:
Deine Liebe zu mir.
Barmherzig, tröstend, heilend
bist du bei uns in größter Not.
Geborgen unter deiner Hand verweilend
begleitest du uns bis zum Tod.
Ich liebe dich für alle Zeit
für jetzt
für immer
für die Ewigkeit.
Im Glauben an den Heiland Jesus Christ
aufgenommen in das Himmelreich.
Weil du die Liebe und die Gnade bist,
behütet, warm und weich.
Ein Brief von dir
er wär‘ mir so wichtig
und vielleicht auch richtig!
Denn Hass und Streit, das ist nicht gut!
Gib mir lieber etwas Mut!
Lindre du doch meinen Schmerz,
beschütze mich im Leben.
Setz in mich ein gütig Herz,
werd‘ Nächstenliebe geben.
Ich liebe dich mehr als mein Leben,
wenn du es willst, werd‘ ich‘s dir geben.
Denn ein Leben ohne dich,
das will ich nicht!
Lass mich dein Wirken stets versteh‘n
pflanz in mich der Liebe Samen.
Du zeigst den Weg - ich werd‘ ihn geh‘n.
Du bist mein Herrgott! Danke! Amen
Dirk, JVA Straubing
Claus, JVA München
38
Der Weg zurück ...
Ein Meer aus Steinen die Seele fand nicht zurück es half kein Flehen und Weinen,
vergebliches Hoffen auf Glück ...
Erzählte aus meinem Leben seltsam war mir dies Vertrauen,
dieser Mut, den Du gegeben wollte auf Dich bauen ...
Auf einmal warst Du da hast mir Deine Hand gereicht weiß nicht, was mir geschah was diesen Gefühlen gleicht ...
Wir sprach über Gott - den Herrn den ich lange schon vergessen ...
Du sagtest nur: „Er“ hat dich gern!
Steine? - Sind nie gewesen ...
So fand ich zu Gott zurück!
befreit sind Herz und Seele ...
Dein Erscheinen war mir Glück so dass ich euch
- Gott und Dich zu Freunden zähle
39
Herb.H.W.Bartos
ehem. JVA Stadelheim
Wo die Freiheit endlos weilt
Einsamkeit und Seelenleid,
Schmerz und Trauer, bitt‘re Zeit,
flimmernd kaltes Neonlicht,
Ausblick nur mit Gittersicht.
Wärteraugen, manchmal kühl,
einen Schauer ich da fühl,
unbequemes Schaumstoffbett
auf ‘nem harten, starren Brett.
Stunden, die nur zäh vergeh‘n,
keine Berge kann man seh‘n,
keine Hände halten mich,
Freunde, die vermisse ich.
Zwanzig Stunden eingesperrt,
mächtig an der Psyche zerrt,
fast den letzten Willen raubt
jedoch nicht, wenn man fest glaubt.
Eine Zelle ohne Zier,
mit ‘ner eisern Riegeltür,
graue Wände allemal,
Blechnapfessen ohne Wahl.
Einen Trost, ein heilend Wort,
find‘ ich nun an einem Ort,
wo man die Vergebung spürt.
Gottes Hand mich wieder führt,
wo die Freiheit endlos weilt,
wo man Seelenwunden heilt,
und es keine Gitter gibt.
Gott mich ohne Zwänge liebt!
40
nowj.
Hey du da ...
Also fangen wir mal an Durch sie bin ich auf TABOR aufmerksam geworden ...
Hier habe ich ein neues Zuhause gefunden ... für mich ist Tabor ein
Letztes Jahr im Januar wurde ich
beim Diebstahl erwischt ... und habe
dafür 9 Monate bekommen ... von
diesen brauchte ich aber nur sechs
absitzen ... den Schmuck, den ich
geklaut habe, habe ich gleich verkauft ... meine Schulden bezahlt ...
Nach der Verurteilung wurde meine
Bewährung widerrufen, da ich mich
an die Auflagen nicht hielt ... Leider
habe ich durch berufliche Veränderung und Umzug versäumt, mich
beim Richter zu melden und die Än-derungen anzugeben .
Sprungbrett
ins neue Leben ...
Von hier aus kann ich mir in Ruhe einen neuen Job suchen und der Rest
kommt dann ... Ein Schritt nach dem
anderen ...
Anita (Tabor-WG)
Ich habe einen schnellen Weg finden
wollen ... um Probleme zu lösen...
und leider den falschen Weg einge-schlagen ... In den sechs Monaten in
der JVA ist mir einiges klar geworden
... Dass ich einen viel besseren Weg
hätte gehen können ... dass ich jetzt
alles verloren habe ... Keinen Job,
keine Wohnung mehr ... Wie sag ich
es meinen Kindern ?! ... Die ersten
Tage waren für mich wie in einem
Alptraum ... Doch hatte ich eine sehr
gute Sozialarbeiterin ... die mir ge-holfen hat, einiges von der JVA aus
zu erledigen ...
41
ich wegen Eigentumsdelikten eine längere
Haftzeit zu verbüßen. Meine Gefangenenbuchnummer 2689/4 kenne ich heute noch
sowie meinen letzten Entlassungstermin
am 26.07.1988.
Entlassung ?!?!
Rückblick nach 25 Jahren Straffreiheit
Liebe Tabor-Freunde,
Auf Grund meiner Rückfallgeschwindigkeit
wurde ich viele Male verhaftet und entlassen. Bei den früheren Entlassungen war
für mich klar: Ich bin Ganove und bleibe
Ganove. Das heißt, in kürzester Zeit war
ich wieder im Milieu und wurde meist bewusst straffällig.
Nach meiner letzten Entlassung war vieles
ganz anders. Ich begann während meiner
Haftzeit, mir über mein damaliges Leben
ernsthafte Gedanken zu machen, und mir
wurde klar, ich muss während der Strafzeit umdenken, wenn ich nach der Entlassung tatsächlich eine Chance haben
möchte, in die Gesellschaft integriert zu
werden.
Nun, ich ging regelmäßig in der Küche
arbeiten, besuchte jahrelang die Anonymen Alkoholiker, ging beständig in die
Emmausgruppe, konnte zwei Jahre vor
meiner Entlassung meine damalige Frau
kennen lernen, die ich auch während meiner Haftzeit heiraten durfte.
Als ich am 26. Juli 1988 entlassen wurde,
hatte ich mir eine sehr gute Grundlage
erarbeitet, um in Freiheit einen straffreien
Weg Schritt für Schritt gehen zu können.
Mir ist heute sehr wichtig, dass sich besonders die Betroffenen während der Haftzeit einen realistischen Plan für das ,Leben
danach‘ machen. Wer dies nicht für notwendig hält, hat mit Sicherheit nach seiner
Entlassung viele Fragen, Stolpersteine vor
sich, und die jeweiligen Antworten und
Lösungen sind schwieriger. Ich sage aus
meiner Erfahrung: fast chancenlos!
mein Name ist Herbert, ich bin 65 Jahre
,jung‘, war insgesamt 15 Jahre in den verschiedensten bayerischen Gefängnissen.
Meine letzte Strafzeit war von 1984 bis
1988 in der JVA Nürnberg. Wie so oft hatte
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Die Basis meiner eigenen Resozialisierung
waren völliges Schuldeingeständnis mir
gegenüber, die dazu nötige Reue und Buße. Nach diesen Schrittes kam für mich die
Wiedergutmachung, wo ich es konnte.
gewisse Gebäude nicht mehr betreten
darf. Trotzdem schaffte ich es mit Fleiß
und Aufrichtigkeit, in keinem Fall gekündigt
zu werden. Sogar bei der Stadt München
hatte ich eine Anstellung als Außendienstkontrolleur beim Amt für Abfallwirtschaft.
Ich war dann ca. 20 Jahre lang ehrenamtlich in den Gefängnissen unterwegs, entweder erzählte ich als Gast aus meinem
Leben oder leitete selbst Gesprächsgruppen (JVA Ebrach/Jugendliche; JVA Aichach/ Frauen) Noch heute bin ich gerne
sporadisch bei Emmaus-Begegnungswochen dabei und empfinde dies als meine
persönliche Wiedergutmachung. Die Anonymen Alkoholiker sowie Emmaus und
Tabor e.V. gaben mir immer die nötigen
Inspirationen und Impulse in dieser Richtung, auch Gott und vielen Menschen zu
danken.
Egal welche Stolpersteine auch kamen, ich
hatte und habe heute noch den festen
Wunsch, nicht mehr straffällig zu werden.
In den 25 Jahren Straffreiheit habe ich
auch drei Partner-Beziehungen gelebt.
Meine damalige Ehe ging nach zehn
Jahren in die Brüche, dann hatte ich ein
eheähnliches Verhältnis mit einer Frau mit
drei Kindern, das sechs Jahre hielt.
Und nun lebe ich seit neun Jahren in einem eheähnlichen Verhältnis, das vor einigen Wochen ganz schwierig wurde. Ich
erkrankte an Depressionen, spürte starke
Aggressionen, aber Gott sei Dank ist der
Weg wieder mit Liebe und Frieden geebnet. Trotzdem werde ich im Dezember in
eine psychosomatische Klinik nach Windach gehen.
Mein damaliger beruflicher Weg nach der
Haft war anfangs ziemlich schwierig. Bereits in München mit meiner Ehefrau, mit
der ich drei Jahre in einem Appartement
(50 qm) lebte und 60.000.- DM an Schulden zu bezahlen hatte, begann meine Integration ins Berufsleben, indem ich bei
der Hypo-Bank in Bogenhausen als Spüler
arbeitete. Ähnlicher Job wie im Knast.
Nach zwei Monaten fand ich den Weg in
die Gebäudereinigung und konnte mich
vom Putzer zum Objektleiter emporarbeiten. Nach drei Jahren hatte ich den Generalschlüssel vom Oberlandesgericht in der
Denisstraße, um das Gebäude mit meinen
Mitarbeitern reinigen zu können. In den
weiteren Jahren hatte ich Objekte zu betreuen wie die Philharmonie in München,
die Hauptverwaltung von EON, auch Kernkraftwerke und Polizeistationen. Immer
wieder kam es auch vor, dass das Justizministerium nach einer genauen Prüfung
meinem Arbeitgeber signalisierte, dass ich
Warum ich das alles erzähle?
Weil ich mir wünsche, dass der eine oder
andere mit meinen Erfahrungen etwas
anfangen kann und sein Leben völlig neu
beginnt. Am besten schon während der
Haftzeit!
Trotz mancher Kämpfe waren die letzten
25 Jahre für mich ein riesiges Geschenk,
sehr spannend und bereichernd.
Es ist niemals zu früh und selten zu spät!
Habt Mut, es ist zu schaffen und jede Entlassung kann ein Neubeginn sein!
In diesem Sinne grüßt und umarmt Euch
Euer Leidensgenosse Herbert
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Weihnachtsfeier in der TABOR-Wohngemeinschaft
Wie jedes Jahr laden wir auch heuer wieder Freunde, Verwandte,
Interessierte und Menschen guten Willens ein,
mit unserer Wohngemeinschaft Weihnachten mit Geschichten, Liedern,
Kaffee, Tee und Plätzchen/Weihnachtsgebäck ausklingen zu lassen. Zu
Ratsch und Begegnung ist sicher auch Zeit.
Wer möchte, kann gerne etwas von seiner Weihnachtsbäckerei (so noch vorhanden),
eine Geschichte, ein Gedicht oder ein Lied o.ä. mitbringen.
Am Sonntag, den 29.12.13, 15.00 Uhr - 18.00 Uhr
in Maria Altenburg.
Wir freuen uns auf Dein Kommen!
Abholdienst von der S-Bahn Kirchseeon möglich. Bitte gib uns vorher Bescheid.
Das nächste TABOR-Magazin (55) erscheint vor Ostern 2014.
Das Schwerpunktthema heißt deshalb:
„Ich werde wieder aufstehen!“
Geschichten vom Scheitern und Neuanfang
Tiefe Verletzungen und herbe Schicksalsschläge, persönliches Scheitern und Schulderfahrungen durchziehen vielleicht
dein Leben. Und doch hast du immer wieder Kraft zum Neuanfang, zum Überleben und zum Leben gefunden! Du bist
am/im Leben. Erzähl‘ Anderen davon!
Redaktionsschluss: 15. März 2014,
einsenden an:
Redaktion Tabor-Magazin, Altenburg 33, 85665 Moosach
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TERMINE
01.12.13
20./27.01.
16.03.14
28.06.14
08.00 Torwache; JVA Stadelheim & Schwarzenberg
Schulbesuche Mädchenrealschule Sparz
10.00 St. Josef, Puchheim Gottesdienst & Begegnung
17.30 St. Georg München, Gottesdienst mit Firmlingen
Neues aus der TWMA
Nachdem nun das gesamte Grundstück Maria Altenburg
samt Kindergarten und Nachbarhaus, Feldern und Wald
für 2,6 Millionen € verkauft worden ist, haben wir endlich
mit unserem neuen Vermieter Kontakt bekommen. Dieser hat im Augenblick kein Interesse daran, unser Haus
anderweitig oder für sich selbst zu nutzen. So können wir
- Gott sei Dank - bis auf weiteres zu gleichen Bedingungen in Maria Altenburg wohnen bleiben.
Briefkontakt gesucht
Briefkontakt suchender, 32-jähriger Bayer,
noch bis 09/2015 in Haft im ,Hotel Kampenwand‘
(JVA Bernau) sucht netten und ehrlichen Briefkontakt;
100%ige Antwortgarantie für jeden Brief.
Andreas, Baumannstr. 81, 83233 Bernau
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Wir über uns - Tabor e.V.
und Wohngemeinschaft Tabor
Wir sind eine christlich-katholische Gemeinschaft. Wir versuchen, darauf zu vertrauen, dass ER, Jesus Christus, der Weg
zum Leben ist.
Zum täglichen Abendgebet, zur Frühmesse und zum monatlichen ,Hausgottesdienst‘ laden wir ein; der Besuch ist aber
freiwillig!
Im Juristendeutsch sind wir ein Verein zur
ganzheitlichen Unterstützung strafentlassener und anderweitig sozial belasteter
Menschen.
Im normalen Sprachgebrauch sind wir
eine Gemeinschaft von Christen, die sich
ein wenig um Menschen in Not, insbesondere um strafgefangene und strafentlassene Menschen annehmen will.
‚Hilfe zur Selbsthilfe‘ ist unser Prinzip.
Einige von uns (z.Zt. sind wir 14 Leute)
wohnen in einer Wohngemeinschaft außerhalb von München (Moosach bei
Glonn, Maria Altenburg) zusammen. Dort
versuchen wir uns gegenseitig Stütze auf
dem manchmal beschwerlichen Weg ins
und durchs Leben zu sein.
Wer nach der Haft oder aus einer anderen sozialen Notlage heraus neu anfangen will, sein Leben ohne Alkohol, Drogen und Kriminalität zu gestalten, der
kann sich, wenn er/sie bei uns leben will,
bewerben.
Einige Male im Jahr besuchen wir die umliegenden Gefängnisse, um den Menschen dort im Gottesdienst mit Liedern
und persönlichen Lebenszeugnissen Mut
zu machen. In manchen Gefängnissen
bieten wir wöchentliche Gesprächsgruppen an.
Auch in Pfarrgemeinden gestalten wir
schon mal den Gottesdienst mit, um so
die Christen dort auf manche Not in unserem Land hinzuweisen und Vorurteile und
Berührungsängste abzubauen.
Manchmal besuchen uns in unserer
Wohngemeinschaft Jugend- oder Firmgruppen, um zu sehen, wie wir miteinander leben. Wir besuchen auch im Religionsunterricht Schüler/innen ab dem 9.
Jahrgang, um von Knast, Drogen, Kriminalität, Neuanfang und beginnender Heilung zu erzählen. Das sind oft tiefe Begegnungen.
Alle Leute in unserer Tabor-Gemeinschaft
und im Verein arbeiten ehrenamtlich und
ohne Bezahlung. Unser Verein erhält keinerlei staatliche oder kirchliche finanzielle
Unterstützung und trägt sich weitgehend
aus Eigenleistungen und Spenden.
Wenn Du Interesse hast, melde dich,
mach’ mit, leb’ mit oder besuch uns! Ingrid und Norbert Trischler
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IMPRESSUM
Herausgeber:
Redaktion:
Anschrift:
Telefon:
E-Mail:
Homepage:
Druck:
Auflage:
Fotos:
Erscheinungsdatum:
TABOR e.V.
Josef Six, Norbert Trischler
Altenburg 33, 85665 Moosach
08091-5586-15/-0
[email protected]
www.tabor-ev.de
Jugendwerk Birkeneck
1500 Stück,
N. Trischler
November 2013
Die Artikel geben grundsätzlich die Meinung der Verfasser wieder,
was nicht unbedingt der Meinung des Tabor e.V. entspricht.
Wir konnten nicht alle uns zugesandten Beiträge ins Heft aufnehmen
und bitten um Verständnis.
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einer monatlichen Spende von € ..................
Ich möchte aktiv mitarbeiten und bitte um
Aufnahme als Vereinsmitglied (Jahresbeitrag 30.-€)
Zahlungen bitte an: Tabor e.V.
Liga Bank eG München, Kontonr.: 23 114 37, BLZ 750 903 00
Name:............................................................................
Adresse:.........................................................................
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Ob sie dich lieben oder hassen irgendwann
müssen sie dich entlassen!
(Spruch an Zellenwand)
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