PALLIATIVE VERSORGUNG IM FOKUS
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PALLIATIVE VERSORGUNG IM FOKUS
Hausarzt Medizin PALLIATIVE VERSORGUNG IM FOKUS Der 9. Tutzinger Palliativtag befasste sich mit der Begleitung von Menschen in ihrer letzten Lebensphase. Dabei wurde deutlich: Palliativmedizin ermöglicht keine Wunder – ist aber doch eine große Prof. Ostgathe, Erlangen schilderte den Fall Möglichkeit im Hinterkopf entschied sich eines Kollegen, der gerade eine Professur erder Patient dafür, weiterzuleben. Er wollhalten hatte, als er einen Schlaganfall erlitt. te dabei sein, wenn seine Tochter das StudiDanach wies er ein schweres neurologisches um beendet. Defizit auf, ohne Einschränkung seiner geis- Wie aus dem Fallbeispiel hervorgeht, ist der Sterbewunsch nicht statigen Leistungsfähigkeit. Als sich trotz verschiedetisch sondern veränderlich. Lebenswille und TodesHäufig verbirgt sich hinter ner Maßnahmen keinerlei wunsch können gleichdem Wunsch zu sterben, Besserung einstellte, äußerzeitig in einem Mendass der Patient so nicht te der Mann den Abb. 1: Definitionen schen vorhanden sein. weiter leben möchte. Sehr Wunsch zu sterBISHERIGE VORSCHLAG RECHTLICHE oft wird der Wunsch auch ben und setzTERMI DEUTSCHER SITUATION* damit begründet, den Ante seine Familie NOLOGIE ETHIKRAT immer stärker unter Druck, ihm gehörigen nicht zur Last fallen zu wollen. Passive Sterben dabei zu helfen. Nach über zwei „Früher gingen wir davon aus, dass bei eiSterbehilfe zulassen Jahren fast täglicher Auseinannem hohen Lebenswillen, der Todeswunsch Indirekte Therapien am gering ist und umgekehrt. Viele Interviews dersetzung wandte sich die FaSterbehilfe Lebensende mit Patienten führten jedoch zu der Einmilie an die Palliativstation in Beihilfe Beihilfe zur Erlangen. „Wir haben ihn in eisicht, dass Lebenswille und Todeswunsch zum Suizid Selbsttötung gleichzeitig in einem Menschen vorhannem längeren Gespräch darüber Aktive Tötung auf aufgeklärt, dass es ihm jederzeit den sein können“, erklärte der PalliativmeSterbehilfe Verlangen freisteht zu sterben. Er müsse diziner. Diese Erkenntnis eröffnet die Mög* in Deutschland uns lediglich die Erlaubnis entlichkeit zu einer Intervention, die zunächst Quelle: Universitätsklinikum Erlangen darin besteht, den Patienten zum Sprechen ziehen, seine lebenserhaltenden Maßnahmen aufrechtzuerhalten, dann wür- aufzufordern, ihm wertungsfrei zuzuhören und nicht sofort in Aktionismus zu verfalde er – palliativmedizinisch gut begleitet – sterben. Doch es kam anders: Mit dieser len. Alleine, dass die Patienten die Erlaub54 Der Hausarzt 05/2016 Foto: mauritius images / Alamy Erleichterung für den einzelnen Patienten. Illustration: FrankRamspott - iStockphoto Hausarzt Medizin nis haben, alles denken und aussprechen zu im Jahr 2014 verabschiedeten Gesetz möchte dürfen, stellt laut Ostgathe für viele schon die albanische Regierung die Situation nun eine enorme Entlastung dar. Zugleich entverbessern. wickelt sich dadurch eine Basis, auf der sich das weitere Vorgehen bzw. mögliche AlterMuslimische Patienten – eine nativen besprechen lassen. Ostgathe plätranskulturelle Herausforderung? dierte eindringlich dafür, den brutalen Satz: „Wir können nichts mehr für Sie tun!“, aus Im Islam sind Körper und Gesundheit von dem Vokabular zu streichen. Denn bereits Gott für eine bestimmte Zeit zur Bewahdas vertrauensvolle Gespräch und die Zurung und zum Nießbrauch überantwortet. Es besteht die Pflicht, die wendung helfen den PatiGesundheit zu bewahren enten. „Wenn wir BehandDer brutale Satz: „Wir und für ihre Wiederherlung auch als Beziehung können nichts mehr für verstehen, gibt es immer stellung zu sorgen. Wurde Sie tun!“, sollte aus dem etwas zu tun“, betonte Ostdiesbezüglich alles unterärztlichen Vokabular gestrichen werden. gathe. nommen, ist der Zeitpunkt gekommen, sein Schicksal in Gottes Hand zu legen. Das Lebensende als Der Zentralrat der MusliTabuthema me in Deutschland hat eine Handreichung zur Sterbehilfe und Sterbebegleitung vorgeIn anderen Ländern gelten der Tod und das Sterben als Tabuthemen. Das sollte der legt. Darin spricht er sich gegen die direkte Hausarzt wissen, wenn er etwa mit albaniaktive Sterbehilfe, die Selbsttötung und die schen Patienten oder ihren Angehörigen da- ärztliche Beihilfe zum Suizid Der neue § 217 zur Sterbehilfe aus. Als zulässig wird hinrüber sprechen möchte. In dem lange Zeit kommunistisch geprägten Land untersagen gegen eine hohe Dosierung Vor kurzem billigte der Bundesrat ein neues Gedie Familien den Ärzten oftmals, die Patienschmerzlindernder Medikasetz zur Sterbehilfe, welches auch die hausärztten über eine letale Krankheit aufzuklären. mente und die passive Sterbeliche Tätigkeit betrifft. Demnach bleiben der „Die Ärzte der mobilen Hospizdienste richhilfe erachtet. Suizid und der ärztlich assistierte Suizid straffrei. „Ich warne davor, sich ein Reten sich danach, um überhaupt zu den PatiStrafbar ist hingegen die geschäftsmäßige Beihilenten vorgelassen zu werden“, berichtete die zept zurecht zu legen, wie fe zur Selbsttötung. „Damit ist jedoch nicht der Psychologin Dr. Claudia Wenzel aus Wien, muslimische Menschen am Arzt gemeint, der aufgrund einer individuellen die mehrere Jahre lang einen mobilen HosLebensende zu behandeln Gewissensentscheidung einen Patienten beim Suizid unterstützt. Vielmehr sind davon solche sind“, betonte Christian Fipizdienst als Seelsorgerin begleitete. Vereine und Ärzte betroffen, die gegen teilweise Wie gut die palliative Versorgung hierzulan- scher, München. Da es auch hohe Gebühren bei der Selbsttötung eines Patiim Islam viele verschiedene de ist, zeigt der Vergleich mit Albanien, eienten helfen“, erklärte Prof. Christoph O stgathe, Einstellungen zum Lebensnem der ärmsten Länder Europas. Lediglich Erlangen. in wenigen Landesteilen gibt es in größeren ende gibt, seien alleine die inUnklarheit herrscht häufig bei den BegrifflichStädten so etwas wie eine palliative Grunddividuellen Wünsche des einkeiten: passive oder indirekte Sterbehilfe, Beihilfe versorgung. Allerdings existiert nur eine zelnen Patienten maßgeblich. zum Suizid oder aktive Sterbehilfe. Daher hat der einzige „Palliativstation“ (ein Zimmer mit „Ist man sich unsicher, wie Deutsche Ethikrat eine neue, besser verständvier Betten in Durres) und kein Hospiz in man mit dem Menschen umliche Terminologie vorgeschlagen (Abb.1). ganz Albanien. Da nur 80 professionell Ausgehen soll, hilft es, ihn einfach gebildete im Bereich Palliative Care arbeiten, zu fragen und dadurch gleichwerden laut Wenzel nicht einmal zehn Prozeitig das eigene Interesse zu bekunden“, empfahl Fischer. zent des Basisbedarfs abgedeckt. Ein Grund dafür ist, dass Palliativmedizin an den Universitäten nicht gelehrt wird und es auch Dr. Marion Hofmann-Aßmus, Fürstenfeldbruck keine Ausbildung für Fachkräfte im Bereich Quelle: 9. Tutzinger Palliativtag am 28.11.2015 in Tutzing bei München. der palliativen Versorgung gibt. Mit einem Der Hausarzt 05/2016 55