14 / 6253 - Landtag Baden Württemberg

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14 / 6253 - Landtag Baden Württemberg
Drucksache 14 / 6253
Landtag von Baden-Württemberg
14. Wahlperiode
Beschlussempfehlungen und Berichte
des Petitionsausschusses
zu verschiedenen Eingaben
Inhaltsverzeichnis
1.
14/4156
Bausachen
WM
12.
2.
14/4228
Lehrer
KM
3.
14/4203
Staatsanwaltschaften
JUM
13.
4.
14/3540
Steuersachen
FM
14.
5.
14/4163
Steuersachen
FM
6.
14/4208
Sozialhilfe,
Arbeitslosengeld II
SM
7.
14/4139
Bergwesen, Geologie
WM
8.
14/3835
Gnadensachen
JUM
17.
9.
14/3691
Sozialversicherung
SM
10.
14/4186
Bausachen
11.
14/4253
Öffentlicher Dienst
14/4129
Sozialhilfe,
Arbeitslosengeld II
SM
14/4250
Schulwesen
KM
14/4247
Kommunale
Angelegenheiten
IM
15.
14/4005
Steuersachen
FM
16.
14/4318
Medienrecht,
Rundfunkwesen
STAMI
14/3852
Strafvollzug
JUM
18.
14/3909
Sozialversicherung
SM
WM
19.
14/4009
Bausachen
WM
JUM
20.
14/4296
Strafvollzug
JUM
Ausgegeben: 06. 05. 2010
Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet
abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente
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Landtag von Baden-Württemberg
1. Petition 14/4156 betr. Bausache, Versetzung einer Trafostation
Die Petenten wenden sich gegen die Errichtung einer
Trafostation auf dem Nachbargrundstück. Sie fordern
die Verlegung der Trafostation auf den hierfür im
rechtsverbindlichen Bebauungsplan festgesetzten Standort.
Am 17. Juni 2005 wurde der Bauantrag für die Errichtung einer Produktionshalle mit Verwaltungsgebäude auf
den Grundstücken Flst.-Nrn. 1350 bis 1353 eingereicht.
Mit den am 2. August 2005 genehmigten Bauvorhaben wurde am 24. August 2008 begonnen. Im Zuge
der Ausführung des gewerblichen Bauvorhabens auf
den Grundstücken Flst.-Nrn. 1350 bis 1353 errichteten die A.-Werke GmbH auf dem an das Grundstück
der Petenten angrenzenden – neu gebildeten –
Grundstück Flst.-Nr. 1350/1 eine Trafostation mit
einer Grundfläche von ca. 16 m² und mit einer Höhe
von max. 3 m über Gelände. Das Grundstück Flst.Nr. 1349 der Petenten ist mit einem Wohngebäude
bebaut. Es grenzt südlich an das Baugrundstück
Flst.-Nr. 1350 sowie an das mit der Trafostation bebaute Grundstück Flst.-Nr. 1350/1 an.
Der Standort für die Errichtung der Trafostation wurde mit der Stadtverwaltung A., dem Bauherrn sowie
dem Architekten des auf den Grundstücken Flst.Nrn. 1350 bis 1353 genehmigten gewerblichen Vorhabens abgestimmt. Der Standort für die Trafostation, die der Versorgung des Gebiets dient, wurde
aus netztechnischen Gründen gegenüber dem im Bebauungsplan festgesetzten Standort bevorzugt.
Der für das Baugrundstück Flst.-Nr. 1350/1 maßgebliche Bebauungsplan „O.-Bereich Flurstücke Nrn. 1348
bis 1360“ ist mit der öffentlichen Bekanntgabe am
4. August 1984 in Kraft getreten. Der Bebauungsplan
setzt ein Gewerbegebiet (GE) nach § 8 Baunutzungsverordnung (BauNVO) fest. Für das Baugrundstück
des Petenten setzt der rechtsverbindliche Bebauungsplan ein Mischgebiet (MI) nach § 6 BauNVO fest. Im
rechtsverbindlichen Bebauungsplan ist im östlichen
Bereich des Grundstücks Flst.-Nr. 1353 eine Fläche
für Versorgungsanlagen (Umformerstation) nach § 9
Abs. 1 Nr. 12 Baugesetzbuch (BauGB) festgesetzt.
Weder in der Begründung noch im Satzungsbeschluss
zum Bebauungsplan ist die Fläche für die Versorgungsanlagen besonders erwähnt. Sie wurde lediglich
vorsorglich, aufgrund einer Anregung der Fa. E. als
seinerzeit zuständiger Energieversorger, in den Bebauungsplan aufgenommen.
Mit Schreiben vom 14. November 2005 hat der Petent dem Bürgermeisteramt A. mitgeteilt, dass am
10. November 2005 entlang der südlichen Grundstücksgrenze des Grundstücks Flst.-Nr. 1350/1 mit
einem Grenzabstand von ca. ½ m eine Trafostation
aufgestellt wurde. Der Petent hat darauf bestanden,
dass die Trafostation auf der im Bebauungsplan festgesetzten Fläche im östlichen Bereich des Grundstücks Flst.-Nr. 1353 errichtet wird.
Mit Schreiben vom 16. Dezember 2005 hat sich der
Petent in der Bausache auch an das Regierungspräsi-
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Drucksache 14 / 6253
dium gewandt. Der Petent hat gebeten, die baurechtliche Entscheidung der unteren Baurechtsbehörde der
Stadt A. zu überprüfen. Mit Schreiben vom 10. Januar
2006 hat das Regierungspräsidium dem Petenten mitgeteilt, dass der für die Trafostation gewählte Standort
nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme im Sinne
von § 15 Abs. 1 BauNVO verstoße und auch der gewählte Standort mit einem Abstand von ca. ½ m zur
Grundstücksgrenze bauordnungsrechtlich grundsätzlich zulässig sei. Im weiteren Verfahren hat der Petent
einen Rechtsvertreter mit der Wahrnehmung seiner
Rechte beauftragt.
Am 26. Juli 2007 hat der Rechtsvertreter der Petenten
gegen die Stadt A. beim Verwaltungsgericht Klage
mit dem Ziel der Verlegung der Trafostation erhoben.
Am 3. November 2008 haben die A.-Werke GmbH die
Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 Baugesetzbuch (BauGB) für die Errichtung der verfahrensfreien
Trafostation auf dem Grundstück Flst.-Nr. 1350/1 beantragt. Hiergegen hat der Rechtsvertreter der Petenten mit Schreiben vom 5. Dezember 2008 Einwendungen erhoben. Da es sich bei dem Energieversorger
um eine Eigengesellschaft der Stadt A. handelt, war der
Antrag auf Erteilung einer Befreiung wegen den hiergegen eingelegten Einwendungen nach § 48 Abs. 2
Landesbauordnung (LBO) dem Regierungspräsidium
vorzulegen.
Am 7. Oktober 2009 hat das Regierungspräsidium die
Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans
nach § 31 Abs. 2 BauGB für die Errichtung der Trafostation auf dem Grundstück Flst.-Nr. 1350/1 erteilt.
Daraufhin wurde der beim Verwaltungsgericht anhängige Rechtsstreit von den Beteiligten in der Hauptsache für erledigt erklärt. Das Verwaltungsgericht hat
am 15. Dezember 2009 das Verfahren eingestellt.
Nach Nr. 1 j des Anhangs zu § 50 Abs. 1 LBO (2010)
sind u. a. Gebäude für die öffentliche Versorgung mit
Elektrizität im Innenbereich bis 30 m² Grundfläche
und einer Höhe bis 5,00 m verfahrensfrei. Um ein
solches Gebäude im Innenbereich bzw. in einem festgesetzten Bebauungsplangebiet handelt es sich bei der
Trafostation. Nach dem Lageplan und den Ansichten
vom 13. November 2008 weist das Gebäude eine
Grundfläche von 16,43 m² und eine Höhe von max.
3,00 m über Gelände auf.
Nach § 50 Abs. 5 LBO müssen verfahrensfreie Vorhaben, ebenso wie genehmigungspflichtige Vorhaben
den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entsprechen.
Zu diesen Vorschriften zählt auch die Einhaltung von
Festsetzungen eines rechtsverbindlichen Bebauungsplans.
Die von den Petenten beanstandete Trafostation wurde auf dem Grundstück Flst.-Nr. 1350/1 und damit abweichend von dem hierfür im rechtsverbindlichen Bebauungsplan festgesetzten Standort im östlichen Bereich des Grundstücks Flst.-Nr. 1353 errichtet.
Für die Errichtung der Trafostation auf dem Grundstück Flst.-Nr. 1350/1 hat das Regierungspräsidium
am 7. Oktober 2009 eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans nach § 31 Abs. 2 BauGB
Landtag von Baden-Württemberg
in Verbindung mit § 56 Abs. 6 LBO erteilt. Nach § 31
Abs. 2 BauGB kann von den Festsetzungen des
rechtsverbindlichen Bebauungsplans befreit werden,
wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und
– Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung
erfordern und wenn
– die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen
vereinbar ist.
Die Trafostation steht im Eigentum des Netzbetreibers
und dient der Versorgung des gesamten Plangebiets
„O. 71“. Darüber hinaus werden auch die Grundstücke
im Plangebiet „O.-Bereich Flst.-Nrn. 1348 bis 1360“
von der Station aus mit Strom versorgt. Bei Störungen,
Baumaßnahmen, Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten und gegebenenfalls damit verbundenen Netzausfällen werden weitere Kunden des Gemeindegebiets
über die Station mit Energie versorgt. Die Trafostation ist in das vorhandene, baugebietsübergreifende
Stromnetz des derzeitigen Versorgers integriert. Deshalb trägt sie zur Versorgungssicherheit des Gemeindegebiets bei. Die Trafostation kann am jetzigen Standort
insgesamt wirtschaftlicher – geringere Herstellungsund Folgekosten – betrieben werden.
Nach Mitteilung der Stadt ist davon auszugehen, dass
der im Bebauungsplan festgesetzte Standort für die
Errichtung einer Trafostation durch die seinerzeitige
Energieversorgung begründet war. Innerhalb des
Mischgebiets waren früher zwei Versorger tätig. Deshalb kann der seinerzeit im Bebauungsplangebiet ausgewählte bzw. festgesetzte Standort für den Energieversorger insgesamt günstiger gewesen sein. Da zwischenzeitlich jedoch für das gesamte Netz die A.Werke GmbH zuständig ist, ist der nunmehr festgelegte Trafo-Standort auf dem Grundstück Flst.Nr. 1350/1 für die Versorgung des Gebiets insgesamt
günstiger zu beurteilen.
Nach der Verordnung über elektromagnetische Felder
(26. BImSchV) sind in § 3 i. V. m. Anlage 2 für Niederfrequenzanlagen, zu denen auch Trafostationen
zählen, als Grenzwerte eine elektrische Feldstärke
von 5 kV/m und eine magnetische Flussdichte von
100 µT festgelegt. Diese Grenzwerte sind im Einwirkungsbereich der Trafostation bei höchster betrieblicher Anlagenauslastung und unter Berücksichtigung von Immissionen durch andere Niederfrequenzanlagen einzuhalten, sofern dieser zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt
ist.
Durch die Einhausung der Trafostation wird das elektrische Feld nach außen hin fast vollständig abgeschirmt und ist selbst im Nahbereich der Station vernachlässigbar klein. Ein messtechnischer Nachweis
des elektrischen Feldes ist daher nicht erforderlich.
Das magnetische Feld wurde bei Messungen ermittelt.
Bei Messungen wird das magnetische Feld am Messort unabhängig von der Quelle bestimmt und damit
auch die Immissionen möglicher weiterer Niederfrequenzanlagen berücksichtigt. Laut Messprotokoll vom
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21. Dezember 2005 wurden die Messungen als Umhüllende um die Station im Abstand von 0,20 m von
der Wand durchgeführt. Dabei wurde ein maximales
magnetisches Feld von 23,1 µT im Bereich der
20 kV-Kabelzuführung in 0,30 m Höhe bei höchster
betrieblicher Auslastung festgestellt. Der Grenzwert
von 100 µT ist damit unmittelbar an der Trafostation
eingehalten. Bei den Messungen wurden auch keine
kurzzeitigen oder kleinräumigen Überschreitungen
des Grenzwerts festgestellt. Damit sind auch die Vorsorgeanforderungen nach § 4 der 26. BImSchV eingehalten. Mit zunehmendem Abstand zur Trafostation
nimmt das Magnetfeld ab.
Nach den Angaben des Energieversorgers sind durch
den Betrieb der Trafostation keine unzumutbaren
Lärmbeeinträchtigungen zu erwarten. Bei mehreren
Begehungen vor Ort konnten keine Lärmbeeinträchtigungen oder Störgeräusche durch den Betrieb der eingehausten Station festgestellt werden.
Nach § 6 Abs. 1 LBO sind Abstandsflächen u. a. nicht
erforderlich vor Außenwänden von Gebäuden, die der
örtlichen Versorgung dienen, soweit die Wandhöhe
nicht mehr als 3,00 m beträgt und die Wandfläche
nicht mehr als 25 m² ist. Diese Voraussetzungen erfüllt die Trafostation mit einer Höhe von max. 3,00 m
und einer Wandfläche von ca. 16 m². Eine Abstandsfläche wäre demnach nicht erforderlich gewesen.
Werden mit Gebäuden, die keine Abstandsflächen einhalten müssen, dennoch Abstandsflächen eingehalten,
so müssen sie nach § 6 Abs. 2 LBO gegenüber Nachbargrenzen eine Tiefe von mindestens 0,50 m haben.
Dieser Abstand soll das Entstehen von Schmutzwinkeln verhindern. Die Trafostation hat nach dem Lageplan vom 13. November 2008 einen Abstand zur
Grundstücksgrenze der Petenten zwischen 0,499 m
und 0,452 m. Damit wird die Mindesttiefe von 0,50 m
geringfügig unterschritten. Der Abstand der Trafostation von der Grundstücksgrenze ist jedoch so groß,
dass er begehbar ist und somit gepflegt werden kann.
Eine Gefahr für das Entstehen eines Schmutzwinkels
ist danach nicht zu erkennen.
Demnach sind keine Anhaltspunkte für eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots nach § 15 BauNVO
durch die Errichtung und den bestimmungsgemäßen
Betrieb der Trafostation auf dem Grundstück Flst.Nr. 1350/1 zu erkennen.
Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung von den Festsetzungen des rechtsverbindlichen
Bebauungsplans für die Errichtung der Trafostation
auf dem Grundstück Flst.-Nr. 1350/1 liegen vor. Die
Befreiung ist nach den o. g. Ausführungen auch unter
Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar. Danach scheidet die
von den Petenten beantragte Verlegung der Trafostation auf den im Bebauungsplan festgesetzten Standort
im östlichen Bereich des Grundstücks Flst.-Nr. 1353
aus.
Es ist darauf hinzuweisen, dass die Beteiligten die
beim Verwaltungsgericht gegen die Errichtung der
Trafostation eingereichte Klage nach Erteilung der
Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB in der Hauptsache
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Landtag von Baden-Württemberg
für erledigt erklärt haben. Damit haben die Petenten
bereits im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ihre
gegen die Errichtung der Trafostation geltend gemachten Bedenken zurückgestellt und letztlich auch
von der mit der Petition erneut geforderten Verlegung
der Trafostation Abstand genommen.
Beschlussempfehlung:
Der Petition kann nicht abgeholfen werden.
Berichterstatter: Behringer
2. Petition 14/4228 betr. Antrag auf Verbeamtung
nach der Ausbildung als Direkteinsteiger
Der Petent ist Lehrer im Arbeitnehmerverhältnis im
öffentlichen Schuldienst. Er begehrt mit seiner Petition die Übernahme in das Beamtenverhältnis nach
Überschreiten der Höchstaltersgrenze.
Der Petent ist Direkteinsteiger im beruflichen Schulwesen mit den Fächern Fertigungstechnik sowie
Volks- und Betriebswirtschaft.
In Baden-Württemberg dient der Direkteinstieg als
Sondermodell zur Gewinnung von Lehrkräften in
Mangelfächern. Der Einstieg in den Schuldienst erfolgt direkt, das heißt ohne dass die Bewerberin oder
der Bewerber den Vorbereitungsdienst zu durchlaufen
hat. Die Bewerberin oder der Bewerber absolviert
hierbei zunächst als Tarifbeschäftigte bzw. Tarifbeschäftigter eine zweijährige berufsbegleitende pädagogische Schulung bei gleichzeitig verringerter Unterrichtsverpflichtung. Nach einem weiteren Bewährungsjahr ist die Übernahme in das Beamtenverhältnis
vorgesehen, soweit die sonstigen beamtenrechtlichen
Voraussetzungen erfüllt sind. Hierzu zählt unter anderem, dass die Höchstaltersgrenze nach § 48 der
Landeshaushaltsordnung (LHO) nicht überschritten
sein darf.
Der Petent ist am 22. Juli 1962 geboren und wurde mit
Wirkung vom 15. September 2006 mit 44 Jahren in
den Schuldienst des Landes Baden-Württemberg als
Lehrer im Arbeitnehmerverhältnis eingestellt. Nach
der zweijährigen berufsbegleitenden pädagogischen
Schulung und der daran anschließenden einjährigen
Bewährungszeit war der Petent bereits 47 Jahre alt und
hatte zum frühestmöglichen Zeitpunkt der Verbeamtung die Höchstaltersgrenze bereits überschritten.
Eine Übernahme in das Beamtenverhältnis ist nur
möglich, wenn die Höchstaltersgrenze nach § 48 der
Landeshaushaltsordnung (LHO) nicht überschritten
ist. Sie wurde gem. Ziffer 1 der Verwaltungsvorschrift
(VV) zu § 48 LHO auf das vollendete 40. Lebensjahr
festgesetzt. Für besonders begründete Ausnahmefälle
wurde die Einwilligung allgemein erteilt, auch Bewerber bis zum vollendeten 45. Lebensjahr in das Beamtenverhältnis zu übernehmen – vgl. Ziffer 3.2 der VV
zu § 48 LHO.
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Drucksache 14 / 6253
Als besondere Gründe können nach der VV zu § 48
LHO beispielsweise ein besonderer Personalgewinnungsbedarf wie auch Kindererziehungszeiten angesehen werden.
Im Übrigen erteilt das Finanzministerium – entsprechend den Festlegungen gem. Ziffer 5 der VV zu
§ 48 LHO – die Einwilligung grundsätzlich nicht für
Bewerber, die das 45. Lebensjahr vollendet haben, es
sei denn, dass ein außerordentlicher Mangel an geeigneten jüngeren Bewerbern besteht und unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der entstehenden Versorgungslasten, die Übernahme des Bewerbers offensichtlich einen erheblichen Vorteil für
das Land bedeutet oder die Ablehnung seiner Übernahme zu einer erheblichen Schädigung der Landesinteressen führen könnte.
Der Petent war zum Zeitpunkt einer möglichen Verbeamtung bereits 47 Jahre alt. Die landeseinheitlich
festgelegte Höchstaltersgrenze ist damit überschritten.
Nach Ziffer 5 i. V. m. Ziffer 3.2 der VV zu § 48 LHO
kommt die Einwilligung des Finanzministeriums
gemäß § 48 LHO nach Vollendung des 45. Lebensjahres nur in Betracht, wenn ein außerordentlicher Mangel an geeigneten jüngeren Bewerbern besteht.
Ein außerordentlicher Mangel an geeigneten jüngeren
Bewerbern bestand unter Berücksichtigung aller Umstände und vergleichbarer Bewerbersituationen in Abgrenzung zu anderen Fächerkombinationen im beruflichen Bereich nicht. Auf die Stelle an der betroffenen
Schule hatten sich 13 Personen beworben. In die
engere Auswahl wurden vier Bewerber einbezogen.
Die im Ranking Zweit- und Drittplazierten gehören dem
Geburtsjahrgang 1968 an, der Viertplazierte – ebenso
wie der Petent – dem Geburtsjahrgang 1962.
Ein möglicher Schaden für das Land im Falle einer
Ablehnung der Übernahme des Petenten in ein Beamtenverhältnis kann nicht prognostiziert werden, da das
Verhalten des Petenten bezüglich einer möglichen
Kündigung bzw. bezüglich einer Aufrechterhaltung
des bestehenden Arbeitsverhältnisses nicht bekannt
ist. Im Falle einer Kündigung könnte eine kurzfristige
Personalunterversorgung eintreten, die einen möglichen Unterrichtsausfall zu Folge hätte.
Der Petent begehrt, aufgrund seines besonderen beruflichen Werdegangs eine Ausnahme von der Höchstaltersgrenze zuzulassen. Er trägt unter anderem eine
frühere 1 ½-jährige Tätigkeit als Finanzbeamter sowie
eine Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an
einer Fachhochschule vor, einen abgeleisteten Grundwehrdienst und die Inanspruchnahme von Elternzeit.
Die gesetzliche Regelung bietet keinen Spielraum, die
vom Petenten vorgetragenen Besonderheiten seines
Lebenslaufes zu berücksichtigen.
Der Fall des Petenten ist gleich gelagert wie diejenigen Fälle von zahlreichen älteren tarifbeschäftigten
Lehrerinnen und Lehrern, die gerne verbeamtet werden würden und bei denen dies aufgrund der Überschreitung der Altersgrenze nicht mehr möglich ist.
Eine Übernahme in das Beamtenverhältnis würde somit eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung
Landtag von Baden-Württemberg
darstellen. Die bestehenden Regelungen hinsichtlich
der Übernahme lebensälterer Bewerberinnen und Bewerber in ein Beamtenverhältnis beim Land sind im
Hinblick auf die damit verbundenen höheren Versorgungslasten streng zu handhaben. Im Übrigen sind
Anträge zur Übernahme von lebensälteren Bewerbern
in das Beamtenverhältnis, die bereits im Arbeitnehmerverhältnis zum Land stehen, kritisch zu beurteilen.
Der Rechnungshof hat anlässlich einer Überprüfung
darauf hingewiesen, dass grundsätzlich keine sachliche Notwendigkeit für eine Einwilligung zur Übernahme in Fällen besteht, wenn auch weiterhin eine
Beschäftigung im Angestelltenverhältnis möglich ist.
Beschlussempfehlung:
Der Petition kann nicht abgeholfen werden.
Berichterstatter: Behringer
3. Petition 14/4203 betr. Staatsanwaltschaften
Der Petent beanstandet, dass die Staatsanwaltschaft S.
gegen den Vater des Amoktäters von Wi. und We. ein
Strafverfahren wegen fahrlässiger Tötung u. a. führt
und gegen ihn Anklage erhoben hat. Er hält einen
Strafprozess insoweit für unangemessen.
Am 11. März 2009 hat der 17-jährige ehemalige
Schüler der A.-Realschule in Wi., T. K., einen Amoklauf verübt. Er tötete dabei 16 Menschen und verletzte
zahlreiche weitere Personen zum Teil schwer. Tatwaffe und Munition stammten vom Vater des Amoktäters, J. W. K., der die Tatwaffe nicht vorschriftsmäßig in einem Waffenschrank verwahrt hatte, sondern in einem Nachtkästchen im Schlafzimmer.
Die Staatsanwaltschaft S. führt gegen J. W. K. ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung, der fahrlässigen Körperverletzung und
wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz. Sie wirft
dem Beschuldigten vor, dass er durch die nicht vorschriftsmäßige Verwahrung der Waffe den Tod bzw.
die Verletzungen der Opfer der Amoktat fahrlässig
verursacht hat. Die Staatsanwaltschaft S. hat nach Abschluss der Ermittlungen am 26. November 2009 gegen den Vater des Amoktäters Anklage zum Landgericht S. erhoben.
Der Petent ist der Auffassung, dass der Amoktäter
nicht nur großes Leid über die Angehörigen der Getöteten gebracht habe, sondern auch über seine eigene
Familie. Eine öffentliche Verhandlung wäre eine ungeheure psychische Belastung für den Beschuldigten
und – insbesondere – auch für seine Frau und seine
Tochter, die an dem Amoklauf keine Schuld trügen.
Es sei deshalb unangemessen, über eine Anklage des
J. W. K. die ganze Amoktat „indirekt aufklären“ zu
wollen, zumal auch nicht feststehe, ob der Beschuldigte tatsächlich den psychischen Belastungen, die
mit einer öffentlichen Hauptverhandlung verbunden
sind, standhalten wird. Es solle daher mit der Verur-
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teilung des Beschuldigten wegen Verstoßes gegen das
Waffengesetz sein Bewenden haben.
Zunächst ist klarzustellen, dass der Petent offenbar
einem Missverständnis unterliegt. Es ist nicht zutreffend, dass der im Raum stehende Verstoß des J. W. K.
gegen das Waffengesetz durch die unvorschriftsmäßige Aufbewahrung der Tatwaffe und (möglicherweise)
auch der Munition bereits strafrechtlich geahndet
worden wäre. Entgegen der Schilderung des Petenten
wurde der Beschuldigte nicht bereits wegen Verstoßes
gegen das Waffengesetz verurteilt. Vielmehr ist
– auch – dieser Vorwurf Gegenstand der gegen J. W.
K. erhobenen Anklage zum Landgericht S. und muss
von diesem erst noch gerichtlich geklärt werden.
Der Petent geht im Übrigen fehl, wenn er meint, dass
die Anklage gegen J. W. K. vorrangig zum Ziel habe,
die Amoktat an sich „durch die Hintertür“ in allen
Einzelheiten aufzuklären – zum Preis einer ungeheuren psychischen Belastung für den Beschuldigten und
seine Familie. Eine starke Belastung des Beschuldigten und seiner Angehörigen durch eine öffentliche
Hauptverhandlung ist zwar nicht von der Hand zu
weisen. Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, in
dieser Sache den Weg einer Anklage zu wählen, beruht indes auf nicht zu beanstandenden sachlichen Erwägungen. Zum einen war hierbei der Umstand einer
zu erwartenden starken Belastung des J. W. K. abzuwägen mit den Interessen der anderen Verfahrensbeteiligten (insbesondere der Angehörigen der Opfer)
wie auch dem Informationsanspruch der Öffentlichkeit. Ein weiteres maßgebendes Kriterium war schließlich die Erwartung, dass (nur) eine Hauptverhandlung
zu einer weiteren Sachaufklärung der dem Beschuldigten vorgeworfenen Tat führen wird. Dies gilt insbesondere für die Frage, wie der Amoktäter in den Besitz der großen Menge von Munition kommen konnte
und welche Einschätzung der Beschuldigte bezüglich
der psychiatrischen Problematik seines Sohnes im
Zeitpunkt der Amoktat hatte. Diese Fragen sind für
die Beurteilung einer Strafbarkeit des J. W. K. – im
Hinblick darauf, ob dem Beschuldigten ein Fahrlässigkeitsvorwurf zu machen ist – von Relevanz und beeinflussen auch eine etwaige vom Landgericht vorzunehmende Strafzumessung.
Insgesamt sind daher weder die Art und Weise der Ermittlungsführung durch die Staatsanwaltschaft S. noch
die gewählte Art des Verfahrensabschlusses dienstaufsichtsrechtlich zu beanstanden.
Beschlussempfehlung:
Der Petition kann nicht abgeholfen werden.
Berichterstatterin: Bormann
4. Petition 14/3540 betr. Steuersache
Mit ihrer Petition vom 18. April 2009 wendet sich die
Petentin gegen die Annahme einer unbeschränkten
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Landtag von Baden-Württemberg
Drucksache 14 / 6253
Einkommensteuerpflicht ihres Ehemanns. Zugleich
beanstandet sie die aus dieser Annahme resultierenden steuerstrafrechtlichen und vollstreckungsrechtlichen Maßnahmen. Diese seien rechtswidrig und widersprüchlich.
ziehung von Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag 2000 bis 2002 zugunsten ihres Ehemanns sowie wegen der Mittäterschaft bei der Hinterziehung
von Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag 2003
bis 2006 eingeleitet.
Die Petentin ist deutsche Staatsangehörige. Seit dem
8. September 2003 ist sie mit einem Schweizer Staatsbürger verheiratet. Die Ehegatten sind Eltern eines am
19. Mai 1997 geborenen Sohnes. Am 26. Mai 1998
haben sie gemeinsam zu je ½ Miteigentumsanteil eine
Doppelhaushälfte in H.-H. erworben. Sowohl im Antrag auf Eigenheimzulage vom 3. Juli 1998 als auch in
den Einkommensteuererklärungen machte die Petentin geltend, nur sie und ihr Sohn bewohnten das erworbene Objekt. Der Ehemann der Petentin habe seinen Wohnsitz nach wie vor in der Schweiz. In ihren
Einkommensteuererklärungen der Jahre 2003 bis 2006
eingegangen am 18. März 2004, am 7. Juni 2005, am
25. August 2006 sowie am 13. Juli 2007 gab die Petentin als Wohnadresse ihres Mannes eine Adresse in
E./Schweiz an. Dieselbe Wohnadresse wurde auch im
Antrag auf Eigenheimzulage – eingegangen am 3. Juli
1998 – genannt. In ihrer Einkommensteuererklärung
2007 – eingegangen am 19. Dezember 2008 – nannte die
Petentin für ihren Ehemann zwar denselben Wohnort
und dieselbe Straße, aber eine andere Hausnummer.
Im Rahmen der Ermittlungen beantragte die Straf- und
Bußgeldsachenstelle am 21. November 2007 beim
Amtsgericht W.-T. den Erlass von Durchsuchungsund Beschlagnahmeanordnungen für die Wohn- und
Nebenräume der vorbezeichneten Doppelhaushälfte.
Das Amtsgericht erließ daraufhin am 22. November
2007 entsprechende Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnungen.
Der Ehemann der Petentin ist Arbeitnehmer der Firma
V. C. S. mit Sitz in G./Schweiz. Aus diesem Arbeitsverhältnis bezieht er Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit.
Durch einen Anruf des Einwohnermeldeamtes vom
13. Oktober 2006 wurde das zuständige Finanzamt
darauf aufmerksam, dass der Ehemann der Petentin
seit dem 17. Januar 2000 einen Wohnsitz in H.-H. angemeldet hat. Unter Verweis auf den Hauptwohnsitz
in der Schweiz war diese Inlandsadresse als Zweitwohnsitz deklariert worden. Mit Schreiben vom
13. Oktober 2006 und vom 4. Dezember 2006 forderte das Finanzamt den Ehemann der Petentin deshalb
auf, für die Kalenderjahre 2003 bis 2005 Einkommensteuererklärungen einzureichen. Dieser Aufforderung
kam er nicht nach. Mit Schreiben vom 21. Dezember
2006 verwies er darauf, dass er in H.-H. lediglich
einen Zweitwohnsitz unterhalte. Seinen Erstwohnsitz
habe er in der Schweiz und sei deshalb auch nur dort
einkommensteuerpflichtig.
Im Herbst 2007 hat die Veranlagungsstelle des Finanzamts die Straf- und Bußgeldsachenstelle sowie
die Steuerfahndung des Finanzamts K. eingeschaltet.
Eine infolgedessen durchgeführte Anfrage beim Zoll
ergab, dass der Ehemann der Petentin fast täglich die
Grenze überquert. Bei einer Inaugenscheinnahme des
Wohnsitzes der Petentin wurden zwei Herren-Mountainbikes vor dem Haus gesehen.
Die Steuerfahndungsstelle leitete am 19. November
2007 ein Steuerstrafverfahren wegen des Verdachts
der Hinterziehung von Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag der Jahre 2000 bis 2006 gegen den Ehemann der Petentin ein. Ebenfalls am 19. November
2007 wurde gegen die Petentin ein Steuerstrafverfahren wegen des Verdachts der Beihilfe zur Hinter-
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Im Rahmen der Vorbereitung der Durchsuchung stieß
die Steuerfahndungsstelle im Handelsregister der
Schweiz auf eine Person, von der sie zunächst angenommen hat, es handele sich um den Ehemann der
Petentin.
Unter Vorlage der richterlichen Durchsuchungs- und
Beschlagnahmeanordnung wurden die Wohn- und Nebenräume der vorbezeichneten Doppelhaushälfte am
10. Januar 2008 durchsucht. Nach dem von der Steuerfahndungsstelle angefertigten Protokoll über die
Durchsuchung dauerte diese von 5.30 bis 8.15 Uhr. Ursprünglich sollte mit der Durchsuchung um 6.00 Uhr
begonnen werden. Der vorgezogene Durchsuchungsbeginn war erforderlich geworden, um das Risiko des
Verlustes von Beweismitteln zu minimieren. Denn
der federführende Fahnder traf bereits um 5.30 Uhr
vor Ort ein. In diesem Moment erschien auch die Petentin an der Eingangstür des Hauses. Aufgrund eines
am Haus installierten Bewegungsmelders hatte sich
im Eingangsbereich des Hauses das Licht eingeschaltet. Der Fahnder war so gezwungen, der Petentin den
Grund seiner Anwesenheit zu offenbaren und mit der
Durchsuchung zu beginnen.
Der Petentin und ihrem Ehemann wurde umgehend
die Einleitung der Steuerstrafverfahren bekannt gegeben und der Fahnder hat sie über ihre Rechte als
Beschuldigte belehrt; hierzu gehört auch das Recht,
einen Verteidiger zu kontaktieren. Die Betroffenen
wurden hierbei auch – wie in dieser Situation üblich –
auf die Vor- und Nachteile einer Kooperation hingewiesen. An der Durchsuchung nahmen insgesamt sieben Beamte teil.
Die Steuerfahnder erstellten über die bei der Durchsuchung beschlagnahmten Gegenstände ein Verzeichnis und fertigten Beweisfotos an. Bei den weiteren Ermittlungen stellte die Steuerfahndung zudem u. a. den
Wasserverbrauch für die vorbezeichnete Doppelhaushälfte im fraglichen Zeitraum fest.
In einer Besprechung am 20. Februar 2008 erläuterten
der zuständige Fahnder sowie der Sachbearbeiter der
Straf- und Bußgeldsachenstelle der Petentin und
ihrem Ehemann die bisherigen Feststellungen des
Steuerstrafverfahrens. Man hat hierbei ausdrücklich
auf die Möglichkeit der Zuziehung eines Steuerberaters oder Rechtsanwaltes hingewiesen.
Der Ehemann der Petentin beauftragte daraufhin einen Rechtsbeistand mit der Wahrnehmung seiner In-
Landtag von Baden-Württemberg
teressen im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Dieser ist zugleich im Rahmen des gegen die entsprechenden Steuerfestsetzungen anhängigen außergerichtlichen Einspruchsverfahrens für die Betroffenen tätig. Als Wohnadresse gab der Ehemann der
Petentin bei dieser Mandatierung eine Adresse in E./
Schweiz an, die nicht mit derjenigen übereinstimmt,
die die Petentin in den Steuererklärungen angab.
Im Juli 2008 mandatierten die Petentin und ihr Ehemann für das Einspruchsverfahren bezüglich der aufgrund der Fahndungsprüfung erlassenen Steuerbescheide denselben Rechtsbeistand; hierbei wurde als
Wohnadresse des Ehemanns der Petentin eine Adresse in E./Schweiz angegeben, die weder mit derjenigen
übereinstimmt, die die Petentin in den Steuererklärungen angab, noch mit derjenigen, die bei der Mandatierung im Februar 2008 angegeben wurde.
Am 13. Juni 2008 vernahm die Steuerfahndung
schließlich noch vier Personen aus der Nachbarschaft
der vorbezeichneten Doppelhaushälfte als Zeugen.
Die – u. a. in zwei Berichten dokumentierten – Ermittlungsergebnisse gehen von folgendem Sachverhalt aus: Die Petentin und ihr Sohn bewohnten im
Prüfungszeitraum die im Kalenderjahr 1997 erworbene Doppelhaushälfte. Der Ehemann der Petentin
übernachtete 3 bis 4 Mal pro Woche im Gebäude und
hielt sich nahezu täglich, wenn auch z. T. kurzfristig,
dort auf. Diverse – sehr gewichtige – Anhaltspunkte
sprechen für das Vorliegen eines Inlandswohnsitzes.
Umgekehrt konnten keine Nachweise für einen
Wohnsitz in der Schweiz erbracht werden.
Daraus war in steuerrechtlicher Hinsicht auf die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht des Ehemannes der
Petentin im Inland zu schließen. Er hat mindestens seit
seiner Heirat seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland
und damit sind seine Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit ab dem Jahr 2003 als Grenzgänger i. S. d.
Abkommens zwischen Deutschland und der Schweiz
zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (im Folgenden: DBA-Schweiz) der inländischen
Besteuerung unterworfen.
Folglich wertete die zuständige Straf- und Bußgeldsachenstelle die in ihren Einkommensteuererklärungen gegenüber dem Finanzamt W.-T. enthaltenen Angaben zum Wohnsitz ihres Ehegatten als Beihilfe zur
Hinterziehung von Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag der Jahre 2003 bis 2005 zugunsten des
Ehemanns. Das Finanzamt wollte das Steuerstrafverfahren bezüglich der Jahre 2003 bis 2005 gegen Zahlung einer Auflage nach § 153 a StPO einstellen. Die
Petentin wollte aber ihre Unschuld vor Gericht bewiesen wissen.
Gegen den Ehemann der Petentin sollte beim zuständigen Amtsgericht der Erlass eines Strafbefehls beantragt werden. Dies lehnte der Rechtsbeistand der Betroffenen mit Schreiben vom 14. November 2008 ab
und schlug vor, den rechtskräftigen Abschluss des bereits angestrengten steuerlichen Rechtsbehelfsverfahrens sowie gegebenenfalls den Ausgang einer finanzgerichtlichen Klärung abzuwarten.
Drucksache 14 / 6253
Die Straf- und Bußgeldsachenstelle beabsichtigt indes
in beiden Fällen auch weiterhin, an der dargestellten
Vorgehensweise festzuhalten.
Im Hinblick auf die zu erwartende Steuerschuld der
Ehegatten, brachte das Finanzamt W.-T. mit Arrestanordnung vom 9. Juni 2008, zugestellt am 11. Juni
2008, einen dinglichen Arrest in das Vermögen der
Petentin und ihres Ehemannes aus. Dieser Arrest wurde – soweit er den Ehemann betraf – am 24. Juni 2008
durch die Eintragung einer Arresthypothek auf seinem
Miteigentumsanteil an dem Grundstück in H.-H. vollzogen. Eine Vollziehung der Arrestanordnung in das
Vermögen der Petentin ist nicht erfolgt.
Das Finanzamt setzte die Einkommensteuer des Ehemannes durch Einkommensteuerbescheide vom 13. August 2008 entsprechend des steuerlichen Berichts der
Steuerfahndung vom 24. Juli 2008 fest. Dabei ging
die Veranlagung davon aus, dass der Ehemann der Petentin regelmäßig von seinem Arbeitsort in der
Schweiz an seinen deutschen Wohnsitz zurückkehrt.
Daher wurde bei ihm die schweizerische Einkommensteuer gemäß der Grenzgängerregelung des Art. 15 a
DBA-Schweiz i. H. v. 4,5 % der Bruttovergütungen
auf die deutsche Steuer angerechnet.
Für die Kalenderjahre 2000 bis 2002, also den Zeitraum vor der Eheschließung, wurde nicht von einem
deutschen Besteuerungsrecht ausgegangen. Für das
Jahr 2003 wurde nur der Zeitraum von September
(Monat der Hochzeit) bis zum Jahresende erfasst.
Gegen die an den Ehemann der Petentin gerichteten
Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2003 bis
2006 legte der Rechtsbeistand der Eheleute am 1. September 2008 Einspruch ein. Zur Begründung trug er
vor, sein Mandant habe in dem fraglichen Zeitraum
keinen Wohnsitz i. S. d. § 8 AO in Deutschland inne gehabt und sei somit nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig gewesen. Darüber hinaus machte er geltend, die strafrechtlichen Ermittlungen entsprechend
dem Steuerfahndungsbericht des Finanzamtes seien
nicht geeignet, eine unbeschränkte Einkommensteuerpflicht seines Mandanten zu begründen.
Die festgesetzten Steuern und steuerlichen Nebenleistungen i. H. v. insgesamt 108.584,92 € waren am
18. September 2008 fällig und wurden nicht fristgerecht bezahlt. Aus diesem Grund stellte das Finanzamt am 25. November 2008 beim zuständigen Grundbuchamt den Antrag, die auf dem Miteigentumsanteil
des Ehemannes an dem Grundstück in H.-H. eingetragene Arresthypothek in eine Sicherungshypothek umzuwandeln. Das Grundbuchamt hat dem Antrag stattgegeben.
Mit Verfügung vom 26. Februar 2009 pfändete das Finanzamt darüber hinaus die Ansprüche des Ehemannes der Petentin gegen die Sparkasse H. aus sämtlichen Konten. Nachdem sich herausstellte, dass es
sich bei dem von der Pfändung erfassten Konto um ein
gemeinsames Konto der Ehegatten handelte und die
Petentin durch Vorlage von Kontoauszügen darlegte,
dass auf diesem Konto nur die Zahlungen ihres eigenen Arbeitgebers eingehen, hob das Finanzamt W.-T.
die Pfändung am 5. März 2009 jedoch wieder auf.
7
Landtag von Baden-Württemberg
Mit Schreiben vom 18. April 2009 trug die Petentin
ihr Anliegen als Petition dem deutschen Bundestag
vor, von wo es dann dem Landtag von Baden-Württemberg zugeleitet wurde.
Mit notariellem Kaufvertrag vom 27. Juli 2009 – und
damit nach Einlegung der Petition – verkauften die Petentin und ihr Ehemann das Grundstück. Als gemeinsame Wohnadresse der Ehegatten wird im notariellen
Kaufvertrag eine Adresse in W./Schweiz angegeben.
Das Finanzamt hatte am 24. Juli 2009 die Löschungsbewilligung für die Zwangssicherungshypothek erteilt.
Diese wurde dem Notar treuhänderisch mit der Maßgabe überlassen, erst von ihr Gebrauch zu machen, wenn
dem Finanzamt der offene Betrag von 108.584,92 €
überwiesen wurde. Am 14. September 2009 ging dieser
Betrag bei der Finanzkasse ein.
Gemäß § 1 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG)
sind natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Einen Wohnsitz
hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die
Wohnung beibehalten und benutzen wird, vgl. § 8 der
Abgabenordnung (AO). Der Steuerpflichtige muss die
Wohnung innehaben, d. h. er muss tatsächlich über sie
verfügen können und sie als Bleibe nicht nur vorübergehend benutzen (BFH vom 24. April 1964, Az. VI
236/62 U, BStBl. III, S. 462, und vom 6. März 1968,
Az. I 38/65, BStBl. II, S. 439). Es genügt, dass die
Wohnung z. B. über Jahre hinweg jährlich regelmäßig
zweimal zu bestimmten Zeiten über einige Wochen
benutzt wird (BFH vom 23. November 1988, Az. II R
139/87, BStBl. 1989 II, S. 182). Anhaltspunkte dafür
können die Ausstattung und Einrichtung sein; nicht erforderlich ist, dass sich der Steuerpflichtige während
einer Mindestanzahl von Tagen oder Wochen im Jahr
in der Wohnung aufhält (BFH vom 19. März 1997,
Az. I R 69/96, BStBl. II, S. 447). Wer sich auch in regelmäßigen Abständen in der Wohnung eines Angehörigen oder Bekannten aufhält, begründet dort ebenfalls keinen Wohnsitz (BFH vom 24. Oktober 1969,
Az. IV 290/64, BStBl. 1970 II, S. 109), sofern es nicht
wie im Fall einer Familienwohnung oder der Wohnung
einer Wohngemeinschaft die eigene Wohnung ist.
Der Ehemann der Petentin ist Miteigentümer der sich
im Inland befindlichen Immobilie. Die Wohnung wird
regelmäßig durch ihn genutzt, beherbergt seine persönlichen Gegenstände und steht ihm jederzeit zur
Verfügung. Nachweislich hält er sich dort regelmäßig
auf und übernachtet mehrmals pro Woche. Das Domizil wird zugleich bewohnt von der Petentin und dem
gemeinsamen Sohn der Eheleute. In Anbetracht der
Gesamtumstände und der im Rahmen der Durchsuchung vorgefundenen Beweismittel ist für den Ehemann der Petentin ein Wohnsitz i. S. d. § 8 AO ab dem
Zeitpunkt der Anmeldung in Deutschland, dem 17. Januar 2000, zu bejahen. Er ist damit in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig.
Aufgrund der unbeschränkten Steuerpflicht ist der
Ehemann der Petentin in Deutschland ansässig i. S. d.
Art. 4 Abs. 1 DBA-Schweiz.
8
Drucksache 14 / 6253
Unterstellt man, dass er – entsprechend dem Vorbringen in der Petition – auch in der Schweiz einen
Wohnsitz hat, der dort zu einer unbeschränkten Steuerpflicht führt, so läge nach Art. 4 Abs. 1 DBASchweiz auch eine Ansässigkeit in der Schweiz vor.
Auch in diesem Fall der Doppelansässigkeit bestünde
im Ergebnis jedoch ein deutsches Besteuerungsrecht.
Denn für den Fall der Doppelansässigkeit sieht Art. 4
Abs. 2 DBA-Schweiz Kollisionsregeln vor. So gilt
eine doppelansässige Person nach Artikel 4 Abs. 2
Buchst. a, 1. Fall DBA-Schweiz in demjenigen Staat
als ansässig, in dem sie über eine ständige Wohnstätte
verfügt.
Die „ständige Wohnstätte“ ist eine qualifizierte Form
des Wohnsitzes. Der abkommensrechtliche Begriff der
„ständigen Wohnstätte“ ist insbesondere durch das
Merkmal „ständig“ enger als die innerstaatlichen Wohnsitzbegriffe (Hardt in: Debatin/Wassermeyer Schweiz
Art. 4 Rz. 69). Eine „ständige Wohnstätte“ i. S. d. Art. 4
DBA-Schweiz sind Räumlichkeiten, die nach Art und
Einrichtung zum Wohnen geeignet sind, über die der
Steuerpflichtige ständig verfügen kann und die er regelmäßig nutzt. Ein ständiges Bewohnen der Wohnung
oder ein Mindestmaß an Nutzung in jedem Veranlagungszeitraum ist nicht erforderlich (BFH vom 16. Dezember 1998, Az. I R 40/97, BStBl. II 1999, S. 207).
Eine Wohnung ist deshalb eine „ständige Wohnstätte“
i. S. d. DBA-Schweiz, wenn sie nach Art und Intensität
ihrer Nutzung eine nicht nur hin und wieder aufgesuchte, sondern in den allgemeinen Lebensrhythmus des
Steuerpflichtigen einbezogene Anlaufstelle darstellt
(BFH vom 5. Juni 2007, Az. I R 22/06, BStBl. II 2007,
S. 812).
Das Wohngebäude in H.-H. ist danach auch als „ständige Wohnstätte“ i. S. d. Art. 4 Abs. 2 Buchst. a, 1. Fall
DBA-Schweiz anzusehen. Der Ehemann der Petentin
hat Verfügungsmacht über die Wohnung, er nutzt sie
regelmäßig und sie ist nach Art und Intensität der Nutzung in seinen allgemeinen Lebensrhythmus eingebunden.
Aber auch wenn man unterstellt, dass auch der mit der
Petition geltend gemachte schweizerische Wohnsitz
die Qualität einer „ständigen Wohnstätte“ i. S. d. Art. 4
Abs. 2 Buchst. a, 1. Fall DBA-Schweiz hat, ergäbe
sich ein deutsches Besteuerungsrecht. Denn im Falle
einer Doppelansässigkeit und ständigen Wohnstätten
in beiden Vertragsstaaten gilt nach Art. 4 Abs.2
Buchst. a, 2. Fall DBA-Schweiz eine doppelansässige
Person in demjenigen Staat als ansässig, in dem sie
die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen).
Unter den weit zu fassenden Begriff der persönlichen
Beziehungen ist alles zu verstehen, was die private
Lebensführung eines Steuerpflichtigen ausmacht, wie
z. B. familiäre Beziehungen, Vorhandensein eines
Freundes- bzw. Bekanntenkreises, Mitgliedschaft in
Vereinen usw. (vgl. Hardt in: Debatin/Wassermeyer
Schweiz Art. 4 Rz. 74; Wassermeyer in: Debatin/
Wassermeyer OECD-MA Art. 4 Rz. 68; Lehner in:
Vogel/Lehner; DBA, Art. 4 Rz. 80). Die wirtschaftlichen Interessen werden vornehmlich durch örtlich
Landtag von Baden-Württemberg
fixierte Einkunftsquellen gekennzeichnet, wobei der
Arbeitsstätte eines Arbeitnehmers bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Beziehungen stets eine
große Bedeutung zukommt (vgl. Hardt in: Debatin/
Wassermeyer Schweiz Art. 4 Rz. 75; Wassermeyer in:
Debatin/Wassermeyer OECD-MA Art. 4 Rz. 69; Lehner in: Vogel/Lehner; DBA, Art. 4 Rz. 82).
Die Feststellung des Mittelpunkts der Lebensinteressen erfordert eine zusammenfassende Wertung sowohl der persönlichen als auch der wirtschaftlichen
Beziehungen nach der Gesamtheit der objektiven Umstände. Daraus ergibt sich der für die Steuerpflichtigen bedeutungsvollere Ort, wobei den persönlichen
Interessen bei der Gegenüberstellung der beiden
Wohnstätten grundsätzlich eine erhöhte Bedeutung
beizumessen ist. Erklärungen des Steuerpflichtigen
über die gewünschte Rangfolge seiner Wohnsitze genügen dafür nicht. Wenn keine anderen Umstände
vorliegen, kann dem (an einigen Tagen aufgesuchten)
Familienwohnsitz Vorrang gegenüber der ständigen
Wohnstätte am Arbeitsort zukommen. Der Mittelpunkt
der Lebensinteressen ist zwar nur für den jeweiligen
Besteuerungszeitraum festzustellen. Jedoch können
zeitlich übergreifende Gesichtspunkte die zusammenfassende Würdigung der Beziehungen zu den verschiedenen Orten beeinflussen (vgl. Hardt in: Debatin/
Wassermeyer Schweiz Art. 4 Rz. 76 f.; Wassermeyer
in: Debatin/Wassermeyer OECD-MA Art. 4 Rz. 70;
Lehner in: Vogel/Lehner; DBA, Art. 4 Rz. 83).
Nach diesen Grundsätzen ergibt sich für den Ehemann
der Petentin jedenfalls für den Zeitraum nach der Heirat mit der Petentin ein Mittelpunkt der Lebensinteressen in H.-H. Hier hat er bereits im Jahr 1998 die fragliche Doppelhaushälfte für die Petentin und das gemeinsame Kind erworben. Hier hielt er sich regelmäßig
nach Angaben der Petentin zwei Besuche pro Woche
auf, um den Kontakt jedenfalls zu seinen Sohn zu halten. Mit der Petentin war er seit September 2003 verheiratet; die bei der Durchsuchung durch die Steuerfahndung vorgefundenen Wohnumstände sprechen dafür,
dass der Ehemann gemeinsam mit der Petentin die
Doppelhaushälfte in H.-H. bewohnt. Hinzu kommt,
dass die bei verschiedenen Anlässen von der Petentin
und ihrem Ehemann gemachten Angaben zur schweizerischen Wohnadresse des Ehemanns – Einkommensteuererklärungen der Petentin, Mandatierung des
Rechtsbeistands im Februar und Juli 2008 – uneinheitlich sind und sich damit der Eindruck verstärkt, dass
der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Ehemanns in
H.-H. liegt.
Nicht zu verkennen ist, dass der Ehemann der Petentin mit seinem Arbeitsverhältnis wirtschaftliche Beziehungen zur Schweiz unterhält. Andererseits führt
der Miteigentumsanteil an der Doppelhaushälfte im
Inland zu wirtschaftlichen Beziehungen auch zu
Deutschland. Die zusammenfassende Wertung der
persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen ergeben insgesamt einen Lebensmittelpunkt in Deutschland.
In Ermangelung von Einkommensteuererklärungen des
Ehemannes der Petentin waren – für die Jahre 2004
bis 2006 unter Heranziehung der schweizerischen
Drucksache 14 / 6253
Lohnausweise – die Besteuerungsgrundlagen gemäß
§ 162 Abgabenordnung (AO) zu schätzen und entsprechende Einkommensteuerbescheide für die Kalenderjahre 2003 bis 2006 zu erlassen.
Die Anordnung des dinglichen Arrests über das Vermögen der Petentin und deren Ehemann war rechtmäßig.
Der dingliche Arrest nach § 324 Abs. 1 AO ist Mittel
zur Sicherung künftiger Geldvollstreckung. Durch
den Arrest wird verhindert, dass der Steuerpflichtige
einen bestehenden Zustand verändert, um die zukünftige Zwangsvollstreckung zu gefährden. Die Anordnung des Arrests ist gegen den bzw. die zukünftigen
Vollstreckungsschuldner unter zwei gesetzlich fixierten Voraussetzungen zulässig: Es muss ein Arrestanspruch bestehen und ein Arrestgrund vorliegen.
Sind beide Voraussetzungen erfüllt, so kann der Arrest angeordnet werden. Das Finanzamt hat zu prüfen,
ob die überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen von Arrestgrund und Arrestanspruch besteht.
Letzte Gewissheit ist nicht erforderlich, da es sich um
ein Eilverfahren mit lediglich vorläufigem Charakter
handelt. Darüber hinaus ist die Arrestanordnung nach
§ 324 Abs. 2 AO zu begründen. Die Arrestanordnungen vom 9. Juni 2008 entsprechen diesen rechtlichen
Anforderungen vollumfänglich.
Zum einen bestand bei der Anordnung des dinglichen
Arrests ein Arrestanspruch, der umfassend begründet
war. Nach den Feststellungen der Steuerfahndung ergaben sich Einkommensteuernachforderungen für die Jahre 2003 bis 2006, da der Ehemann der Petentin zumindest seit 2003 seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland
hat und somit seine schweizerischen Einkünfte in
Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig sind.
Weiter beabsichtigten die Steuerpflichtigen nach den
Erkenntnissen der Steuerfahndung, das Gründstück zu
veräußern. Es bestand mithin die Gefahr, dass der Erlös ins Ausland verbracht und eine Realisierung des
Steueranspruchs mangels inländischem Vermögen
vereitelt wird. Ein Arrestgrund war folglich gegeben.
Bei objektiver Würdigung der gesamten Umstände
des Falles war die Besorgnis gerechtfertigt, ohne Arrestanordnung werde die künftige Vollstreckung des
Anspruchs vereitelt oder wesentlich erschwert.
Die Petentin ist durch die Vollziehung des dinglichen
Arrests und dessen Überleitung in das Vollstreckungsverfahren nicht beschwert, da die betreffenden Sicherungs- und Vollstreckungsmaßnahmen ausschließlich
in das unbewegliche Vermögen ihres Ehemannes erfolgten. Dies gründet darauf, dass die Ehegatten im
Verfahrensverlauf alsdann getrennte Veranlagung beantragt hatten.
Die Sachbehandlung des Finanzamts im Zuge der
Kontopfändung vom 26. Februar 2009 ist ebenfalls
rechtmäßig.
Das von der Pfändung betroffene Konto lautete sowohl auf den Namen der Petentin als auch auf den
Namen ihres Ehegatten, d. h. beide Personen waren
Mitinhaber dieses Kontos. Es handelte sich somit um
ein sog. „Oder-Konto“. Die Inhaber eines Oderkontos
9
Landtag von Baden-Württemberg
sind hinsichtlich der Gesamteinlagenforderung selbstständig forderungsberechtigt, d. h. jeder ist berechtigt,
die Auszahlung der gesamten Forderung an sich zu
verlangen, und zwar unabhängig von der tatsächlichen Berechtigung im Innenverhältnis.
Wenn ein Gläubiger gegen den Mitinhaber eines
Oder-Kontos vollstreckt, liegt daher selbst dann keine
Pfändung schuldnerfremden Vermögens vor, wenn
das Guthaben im Innenverhältnis nicht dem Vollstreckungsschuldner, sondern dem anderen Kontomitinhaber zusteht.
Gleichwohl hat das Finanzamt die Kontopfändung
aufgehoben, nachdem die Petentin nachgewiesen hat,
dass auf dieses Konto lediglich ihre eigenen Lohnzahlungen eingehen.
Ein Steuerstrafverfahren ist nach dem Legalitätsprinzip einzuleiten, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte den Anfangsverdacht einer Steuerstraftat
begründen (§ 152 Abs. 2 StPO). Die zuständigen Bediensteten gingen rechtsfehlerfrei vom Vorliegen eines
Anfangsverdachts aus.
Den zur Einleitung eines Strafverfahrens berufenen
Stellen steht bei der Prüfung zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte für einen Anfangsverdacht ein
Beurteilungsspielraum zu: Den Beamten muss in Fällen, in welchen die Entscheidung auf einer Würdigung bestimmter tatsächlicher Umstände beruht, ein
gewisser Spielraum sowie eine gewisse Freiheit bei
der Bildung ihrer Überzeugung zugebilligt werden.
An einer Pflichtwidrigkeit fehlt es stets dann, wenn
die Beamten sich an den ihnen gewährten Spielraum
gehalten haben. Wo eine unterschiedliche Beurteilung
solcher Fragen in der Natur der Sache liegt, ist eine
schuldhaft falsche Auslegung des unbestimmten
Rechtsbegriffs – und damit ein Überschreiten des Beurteilungsspielraumes – nach höchstrichterlicher
Rechtsprechung nur dann gegeben, wenn die Auslegung nicht vertretbar ist. Die Vertretbarkeit wiederum
wird nach Auffassung des Bundesgerichtshofs nur
dann verkannt, wenn allgemeine Erfahrungssätze verletzt werden oder für die Beurteilung wesentliche Umstände unberücksichtigt bleiben (BGH, NJW 1970,
1543 [1544]; BGH, NJW 1989, 96 [97]).
Drucksache 14 / 6253
Nach § 104 Abs. 3 StPO hätte um 6.00 Uhr mit der
Durchsuchung begonnen werden dürfen. Allerdings
war der vorgezogene Beginn der Durchsuchung im
vorliegenden Fall begründet und ist somit rechtlich
nicht zu beanstanden. Ab dem Zeitpunkt der Entdeckung des Fahnders durch die Petentin bestand das
Risiko des Beweismittelverlustes. Das Aufschieben
der Durchsuchung hätte deren Erfolg gefährdet. Wegen Gefahr im Verzug nach § 104 Abs. 1 StPO war
umgehend mit der Durchsuchung zu beginnen.
Zutreffend wurden die Petentin und ihr Ehemann zu
Beginn der Durchsuchung über ihre Rechte als Beschuldigte gem. § 136 StPO belehrt. Im Rahmen einer
solchen Belehrung wird selbstverständlich auch darauf hingewiesen, dass es den Betroffenen frei steht,
einen Verteidiger zu kontaktieren. Die Behauptung,
die Steuerfahndung habe Drohungen ausgesprochen,
entbehrt jeder Grundlage.
Die Annahme, dass es sich bei der im Handelsregister
der Schweiz eingetragenen Person um den Ehemann
der Petentin handelt, hat sich im Gespräch während
der Durchsuchung nicht bestätigt. Da der Durchsuchungsbeschluss jedoch gar nicht auf dieser Annahme gründete, hatte dieses Missverständnis keine
weitere Relevanz für das Steuerstrafverfahren.
Der den Strafverfahren zugrunde liegende Verdacht
wurde durch die aufgefundenen Wohnverhältnisse,
nach denen der Ehemann der Petentin augenscheinlich das Haus mit der Petentin und ihrem Sohn gemeinsam bewohnte, bestätigt. Die von der Petentin
getroffene Aussage, dass sie den Verdacht „vor Ort
widerlegen konnten“ ist nicht nachvollziehbar.
Auch die Vernehmung von Zeugen im Rahmen eines
strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens ist ebenso zulässig wie üblich und daher als Ermittlungsmaßnahme
rechtlich nicht zu beanstanden.
Der Rechtsbeistand der Petenten hat sich ausdrücklich
gegen den vom Finanzamt angestrebten Abschluss der
Strafverfahren ausgesprochen und um Aussetzung bis
zur Beendigung der steuerlichen Rechtsmittelverfahren gebeten. Über diesen Aussetzungsantrag ist noch
nicht abschließend entschieden.
Die Annahme eines Anfangsverdachtes durch die zuständigen Bediensteten der Straf- und Bußgeldsachenstelle sowie der Steuerfahndung war korrekt. Der den
Beamten hierbei zustehende Beurteilungsspielraum
wurde vorliegend nicht überschritten. Vielmehr war
durch einen Anruf des Einwohnermeldeamtes bekannt
geworden, dass der Ehemann der Petentin – entgegen
deren eigenen Angaben – seit 2000 mit Zweitwohnsitz unter ihrer Anschrift gemeldet ist. Hinzu kamen
nachweislich fast tägliche Grenzüberschreitungen,
Freizeitaktivitäten im Inland sowie die Wohnverhältnisse. Hieraus resultierten zureichende tatsächliche
Anhaltspunkte für eine Steuerhinterziehung.
Beschlussempfehlung:
Die Annahme des Anfangsverdachtes durch die zuständigen Bediensteten wurde überdies durch den Erlass der richterlichen Durchsuchungsanordnungen
vom 22. November 2007 von einem unabhängigen
Ermittlungsrichter bestätigt.
Mit seiner Eingabe wendet sich der Petent gegen
einen Bescheid über die gesonderte Feststellung des
verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer.
Darin wird der verbleibende Verlustvortrag zum
31. Dezember 2007 in Höhe von 0 Euro festgestellt.
10
Aufgrund der gegebenen Sach- und Rechtslage kann der Petition nicht abgeholfen werden.
Berichterstatter: Buschle
5. Petition 14/4163 betr. Steuersache
Landtag von Baden-Württemberg
Drucksache 14 / 6253
Der Petent ist nach eigenen Angaben Diplom-Mathematiker, Philosoph und Autor und erzielt damit Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. Die Ehefrau des Petenten war im Jahr 2006 arbeitslos und erhielt Arbeitslosengeld. Im Jahr 2007 bezog sie aus einer
nichtselbstständigen Tätigkeit einen Bruttoarbeitslohn
in Höhe von 16.954 Euro. In den Jahren 2006 und
2007 haben die Ehegatten die Zusammenveranlagung
nach § 26 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) gewählt.
Der Petent ermittelte für das Jahr 2006 einen Gewinn
aus selbstständiger Tätigkeit in Höhe von 7.840,32
Euro. Das Finanzamt korrigierte die Betriebseinnahmen um das darin fälschlicherweise enthaltene Arbeitslosengeld der Ehefrau i. H. von 10.976,60 Euro.
Ferner kürzte es die Betriebsausgaben um darin enthaltene Sonderausgaben, Darlehenstilgungen und
doppelt angesetzte Kraftfahrzeugkosten. Dadurch ergab sich ein Verlust bei den Einkünften aus selbstständiger Arbeit in Höhe von ./. 3.126 Euro. Der Einkommensteuerbescheid 2006 vom 17. August 2007
wies einen Gesamtbetrag der Einkünfte von ./. 3.126
Euro aus. Mit Bescheid vom 18. August 2007 stellte
das Finanzamt den verbleibenden Verlustvortrag
zum 31. Dezember 2006 ebenfalls in Höhe von
./. 3.126 Euro fest. Beide Bescheide sind bestandskräftig.
Für das Jahr 2007 erklärte der Petent einen Gewinn
aus seiner selbstständigen Tätigkeit in Höhe von
5.137,63 Euro (24.134,01 Euro Betriebseinnahmen
abzgl. 18.996,38 Euro Betriebsausgaben). Auch diese
Berechnung war fehlerhaft. So waren in den Betriebseinnahmen der Nettolohn der Ehefrau sowie in den
Betriebsausgaben Sonderausgaben, außergewöhnliche
Belastungen und doppelt berücksichtigte Beträge enthalten. Das Finanzamt setzte den Bruttoarbeitslohn
der Ehefrau bei deren Einkünften aus nichtselbstständiger Tätigkeit nach § 19 EStG an. Ferner ergänzte es
die Betriebseinnahmen um die im Jahr 2007 erstattete
Umsatzsteuer in Höhe von 458,70 Euro und erhöhte
den Telefoneigenverbrauch von 10 % auf 30 %. Die
Betriebsausgaben kürzte es um die darin enthaltenen
Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen und
doppelt berücksichtigten Beträge. Zudem setzte es die
nicht nachgewiesenen betrieblich gefahrenen Kilometer mit 10.000 km anstatt wie vom Petenten beantragt
mit 25.000 km an. Dadurch ergab sich ein Gewinn in
Höhe von 4.312 Euro. Dieser setzt sich im Einzelnen
wie folgt zusammen:
Einnahmen:
Umsatzerlöse, netto
Umsatzsteuer
Honorar
Telefoneigenverbrauch 30 %
2007 erstattete Umsatzsteuer
(lt. I-Abfrage)
28,00 Euro
1,96 Euro
9.531,05 Euro
209,40 Euro
458,70 Euro
________________________
Summe der Betriebseinnahmen
10.229,11 Euro
Betriebsausgaben:
Wareneinkauf
297,69 Euro
Abschreibung PC
156,66 Euro
Telefonkosten
696,80 Euro
Raumkosten
Anteilige Stromkosten
Gefahrene Kilometer
10.000 km x 0,30 Euro
Summe der Betriebsausgaben
Gewinn
1.620,00 Euro
145,80 Euro
3.000,00 Euro
________________________
5.916,95 Euro
4.312,16 Euro
________________________
________________________
Im Einkommensteuerbescheid 2007 vom 8. August
2008 setzte das Finanzamt die Einkünfte aus selbstständiger Arbeit versehentlich mit 5.916 Euro (statt
4.312 Euro) an. Es ergab sich ein Gesamtbetrag der
Einkünfte der Eheleute von 22.114 Euro. Nach Berücksichtigung des Verlustvortrags in Höhe von 3.126
Euro und Sonderausgaben in Höhe von 4.088 Euro ergab sich ein zu versteuerndes Einkommen von 14.900
Euro und eine Einkommensteuer von 0 Euro. Im Einkommensteuerbescheid 2007 hat das Finanzamt die
vorgenommenen Änderungen erläutert. Ferner stellte
das Finanzamt mit Bescheid vom 8. August 2008 den
verbleibenden Verlustvortrag zum 31. Dezember 2007
in Höhe von 0 Euro fest.
Mit Schreiben vom 18. August 2008 erhob der Petent
Einspruch gegen den „Bescheid zum 31. Dezember
2007 über die gesonderte Feststellung des Verlustvortrages zur Einkommensteuer“ und begründete ihn im
Wesentlichen damit, dass sich die Einkommensverhältnisse der Jahre 2006 und 2007 im Prinzip nicht
unterschieden hätten und der erlassene Bescheid keine
Begründung enthalten habe.
Das Finanzamt behandelte dieses Schreiben als Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2007 und
die gesonderte Verlustfeststellung zum 31. Dezember
2007 und erläuterte mit Schreiben vom 12. September
2008, wie es den Gewinn bei den Einkünften aus
selbstständiger Arbeit berechnet hat. Daraufhin nahm
der Petent mit Schreiben vom 9. November 2008 den
Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2007
zurück. Den Einspruch gegen den Verlustfeststellungsbescheid hielt er aufrecht. Dieser ist Gegenstand der
Petition.
Das Finanzamt änderte am 24. Februar 2009 den
Einkommensteuerbescheid 2007 und den Bescheid
über die gesonderte Verlustfeststellung zum 31. Dezember 2007 unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Dezember 2008 – 2 BvL 1/07, 2/07, 1/08 und 2/08 – zur
Entfernungspauschale. Der Gesamtbetrag der Einkünfte wurde auf 21.654 Euro und das zu versteuernde Einkommen auf 14.440 Euro (21.654 Euro abzgl.
3.126 Euro abzgl. 4.088 Euro) herabgesetzt. Der verbleibende Verlustvortrag zum 31. Dezember 2007
betrug weiterhin 0 Euro.
11
Landtag von Baden-Württemberg
Mit seiner Eingabe wendet sich der Petent gegen die
Streichung des Verlustvortrags aus dem Jahr 2006.
Zur Begründung führt er an, dass das Jahreseinkommen seiner Frau in den Jahren 2006 und 2007 identisch gewesen sei. Auch der von ihm errechnete Gewinn aus selbstständiger Arbeit sei vergleichbar gewesen.
Nach § 10 d Abs. 2 EStG sind nicht ausgeglichene negative Einkünfte, die nicht nach § 10 d Abs. 1 EStG
(Verlustrücktrag) abgezogen worden sind, in den folgenden Veranlagungszeiträumen bis zu einem Gesamtbetrag der Einkünfte von einer Million Euro unbeschränkt, darüber hinaus bis zu 60 % des eine Million Euro übersteigenden Gesamtbetrags der Einkünfte vorrangig vor Sonderausgaben, außergewöhnlichen
Belastungen und sonstigen Abzugsbeträgen abzuziehen (Verlustvortrag). Richtigerweise wurde daher
im Jahr 2006 ein Verlustvortrag in Höhe von 3.126
Euro festgestellt, da der Gesamtbetrag der Einkünfte
entsprechend negativ war.
Im Jahr 2007 war der Gesamtbetrag der Einkünfte
demgegenüber positiv (21.654 Euro), sodass auch
nach Berücksichtigung des Verlustvortrags aus 2006
im Jahr 2007 kein Verlust festgestellt werden konnte.
Dass das zu versteuernde Einkommen der Eheleute
im Jahr 2007 anders als im Jahr 2006 positiv war und
der Verlustvortrag des Jahres 2006 daher mit dem
Einkünften des Jahres 2007 verrechnet werden musste, hat seine Ursache darin, dass die Ehefrau des Petenten im Jahr 2007 steuerpflichtige Einkünfte aus
nichtselbstständiger Arbeit in Höhe von 15.738 Euro
erzielt, im Jahr 2006 hingegen nach § 3 Nr. 2 EStG
steuerfreies Arbeitslosengeld bezogen hat.
Zudem sind in den vom Petenten eingereichten Gewinnermittlungen zahlreiche nicht abzugsfähige private Aufwendungen i. S. des § 12 EStG enthalten.
Das Finanzamt hat diese Aufwendungen zu Recht
nicht als Betriebsausgaben berücksichtigt. Im Einkommensteuerbescheid 2007 vom 8. August 2008,
mit Schreiben vom 12. September 2008 sowie mit
Schreiben vom 23. November 2009 hat das Finanzamt dem Petenten die Abweichungen erläutert. Dass
tatsächlich höhere Betriebsausgaben angefallen sind,
hat der Petent weder nachgewiesen noch glaubhaft
gemacht.
Zwar hat das Finanzamt den Gewinn aus selbstständiger Arbeit im Jahr 2007 versehentlich in Höhe von
5.916 Euro statt in Höhe von 4.312 Euro angesetzt.
Dies hat jedoch steuerlich keine Auswirkung. Bei Ansatz eines Gewinns in Höhe von 4.312 Euro ergäbe
sich ein Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von
20.050 Euro. Davon wären noch – anders als der Petent meint – nach § 10 d Abs. 2 EStG der Verlustvortrag in Höhe von 3.126 Euro und die Sonderausgaben
in Höhe von 4.088 Euro abzuziehen. Damit ergäbe
sich ein zu versteuerndes Einkommen von 12.836 Euro. Die Einkommensteuer sowie der verbleibende
Verlustvortrag zum 31. Dezember 2007 würden damit
ebenfalls jeweils 0 Euro betragen. Und selbst wenn
man den vom Petenten errechneten höheren Gewinn
von 5.137,63 Euro zugrunde legen würde, würden die
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Drucksache 14 / 6253
Einkommensteuer und der verbleibende Verlustvortrag 0 Euro betragen.
Die Festsetzung des verbleibenden Verlustvortrags
des Jahres 2007 mit 0 Euro entspricht somit geltendem Recht.
Beschlussempfehlung:
Der Petition kann nicht abgeholfen werden.
Berichterstatter: Buschle
6. Petition 14/4208 betr. Leistungen für Unterkunft und Heizung, Umzug; Arbeitslosengeld II
Der Petent begehrt Unterstützung bei der Wohnungssuche im Raum G., da seine bisherige Wohnungssuche erfolglos geblieben sei.
Der 57-jährige Petent bezieht seit 1. September 2007
Arbeitslosengeld II nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitsuchende –
SGB II) von der ARGE E. Mit ihm in der Bedarfsgemeinschaft lebte seine heute 19-jährige Tochter. Die
Mietwohnung des Petenten ist 76 Quadratmeter groß.
Die Kaltmiete liegt mit monatlich 393,10 Euro geringfügig über der im Kreis E. für einen Zweipersonenhaushalt maßgeblichen Mietobergrenze von 380 Euro.
Zum 1. April 2009 hat die Tochter des Petenten eine
Berufsausbildung zur Krankenschwester in G. aufgenommen. Sie bewohnt seither ein Apartment in einer
Wohnanlage am Krankenhaus.
Mit Schreiben der ARGE vom 10. März 2009 wurde
der Petent darauf hingewiesen, dass im Falle des Auszugs der Tochter aus dem gemeinsamen Haushalt die
Miete von 393,10 Euro nicht länger angemessen wäre.
Die Mietobergrenze für einen Einpersonenhaushalt
würde im Kreis E. 290 Euro monatlich betragen. Weiter wurde er darüber unterrichtet, dass die tatsächliche
Miete nur noch für einen Übergangszeitraum von
6 Monaten bis zum 30. September 2009 in voller Höhe
berücksichtigt werden könne. In dieser Zeit habe der
Petent Gelegenheit, seine Unterkunftskosten zu senken.
Der Petent informierte die ARGE daraufhin, dass seine Tochter nicht ausziehen werde, sondern sich weiterhin regelmäßig an den Wochenenden und im Urlaub bei ihm aufhalte.
Im Juni 2009 erhielt die ARGE Kenntnis davon, dass
der Petent nunmehr umziehen wolle und eine Wohnung in der Nähe seiner Tochter in G. suche. Mit
Schreiben der ARGE vom 15. Juni 2009 sowie vom
12. August 2009 wurde er darüber unterrichtet, dass
er sich vor der Anmietung einer neuen Wohnung vom
dann zuständigen Jobcenter G. die Angemessenheit
der Miete bestätigen lassen müsse. Außerdem wurde
er gebeten, vor der Unterzeichnung eines Mietvertrages bei der ARGE E. vorzusprechen, damit die Übernahme von Umzugskosten und Renovierungskosten
geprüft werden könne.
Landtag von Baden-Württemberg
Die bisherigen Bemühungen des Petenten, im Raum
G. eine neue Wohnung zu finden, sind erfolglos geblieben. Auch die Einschaltung der Diakonischen Bezirksstelle E. brachte keinen Erfolg. Am 13. November 2009 legte der Petent der ARGE Nachweise über
seine Wohnungssuche vor. Da bisher unklar ist, wie
sich die Wohnungssuche des Petenten weiter gestaltet
bzw. sich der Aufenthalt der Tochter des Petenten im
Laufe ihrer Ausbildung entwickelt, übernimmt die
ARGE nach wie vor die Miete des Petenten in der
tatsächlichen Höhe.
Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage ist die Bearbeitung der Wohnungsangelegenheit des Petenten
durch die ARGE E. rechtlich nicht zu beanstanden.
Nachdem die Wohnungsmiete des Petenten nach wie
vor in tatsächlicher Höhe übernommen wird, besteht
auch keine Gefahr, dass der Petent wohnungslos wird.
Allerdings haben weder die ARGE noch das Ministerium für Arbeit, Sozialordnung, Familie und Senioren eine Möglichkeit, dem Petenten bei seiner Wohnungssuche im Raum G. zu helfen. Auf die Vergabe
von Wohnungen der Wohnungsbaugesellschaften
kann kein Einfluss genommen werden. Dem Petenten
kann daher nur empfohlen werden, seine bisherigen
Bemühungen fortzusetzen und beim Abschluss eines
etwaigen Mietvertrages die verfahrensrechtlichen
Hinweise der ARGE E. (Bestätigung der Angemessenheit der neuen Miete durch die ARGE G., Einholung der Zustimmung zum Umzug durch die ARGE
E.) zu beachten.
Beschlussempfehlung:
Der Petition kann nicht abgeholfen werden.
Berichterstatter: Döpper
7. Petition 14/4139 betr. Beschwerde über die Verwendung des Begriffs Nachhaltigkeit, u. a.
Der Petent moniert die nach seiner Ansicht irreführende und missbräuchliche Verwendung des Begriffes
Nachhaltigkeit durch das Wirtschaftsministerium und
das Regierungspräsidium F., Landesamt für Geologie,
Rohstoffe und Bergbau im Zusammenhang mit dem
Rohstoffabbau. Er bezieht sich dabei auf das Rohstoffsicherungskonzept des Landes Baden-Württemberg, Stufe 2 – „Nachhaltige Rohstoffsicherung“ aus
dem Jahr 2004 und erläutert seine Kritik anhand eines
Kalkabbauvorhabens im FFH-Gebiet „S. mit Sch.Hängen“.
Der ursprünglich aus der Forstwirtschaft stammende
Begriff der Nachhaltigkeit hat seit der UNO-Konferenz
in Rio de Janeiro im Jahr 1992 vielfältigen Leitbildcharakter erhalten. Die Landesregierung verfolgt in ihrer
Nachhaltigkeitsstrategie und in ihrem exekutiven Handeln das auch vom Petenten befürwortete „Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit“ aus Ökologie, Ökonomie und Sozialem unter Beachtung der Grenzen, die
die Belastbarkeit der Erde und die Endlichkeit der Res-
Drucksache 14 / 6253
sourcen vorgeben. Auch für das Wirtschaftsministerium ist Nachhaltigkeit wichtiger Bestandteil seines
Handelns. Exemplarisch wird auf die im Dezember
2009 erschienene Broschüre „Nachhaltige Wirtschaftspolitik“ und die dort dargestellten Maßnahmen verwiesen (abrufbar unter www.wm.baden-wuerttemberg.de).
Bei der Gewinnung von – in menschlichen Zeiträumen – nicht nachwachsenden Rohstoffen gibt es unterschiedliche Auffassungen darüber, ob der Nachhaltigkeitsbegriff stringent anzuwenden ist. Im Rohstoffsicherungskonzept, auf das sich der Petent bezieht,
wird die Sichtweise des Wirtschaftsministeriums zur
Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit der Rohstoffversorgung erläutert. Unter 1.3.1. ist festgelegt, dass
die Rohstoffsicherung an Kriterien des nachhaltigen
Wirtschaftens auszurichten ist. Erforderlich sei unter
anderem ein sparsamer Umgang mit erschlossenen
Rohstoffen durch sachgerechte Planung, die Wiedereingliederung von abgebauten Flächen durch Renaturierung und Rekultivierung von Flächen oder die Verminderung des Rohstoffverbrauchs durch Ressourcenproduktivität/-effizienz sowie die Substitution der
Primärrohstoffe. Hierdurch soll ein angemessener
Ausgleich zwischen wirtschaftlicher Tätigkeit als der
Grundlage unseres Wohlstands und ökologischen Interessen ermöglicht werden. Es ist demnach nicht zutreffend, dass der Begriff Nachhaltigkeit vom Wirtschaftsministerium im Zusammenhang mit der Rohstoffversorgung irreführend und ohne inhaltliche Definition verwendet wird.
Insoweit entspricht es – entgegen der Auffassung des
Petenten – auch nicht dem Verständnis des Wirtschaftsministeriums, dass Rohstoffsicherung die Verteidigung des Rohstoffabbaus gegen Schutzgebietsausweisungen sei. Im Rohstoffsicherungskonzept wird
auf die zweifelsohne bestehenden Nutzungskonflikte
zwischen Rohstoffabbau und Naturschutz sowie die
Notwendigkeit der Lösung dieser Konflikte hingewiesen (vgl. etwa unter 5.2). Die rechtlich und ökologisch
gebotene Ausweisung von Schutzgebieten wird jedoch an keiner Stelle in Frage gestellt. Für das vom
Petenten angesprochene Kalkabbauvorhaben im FFHGebiet „S. mit Sch.-Hängen“ ist das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren beim Regierungspräsidium F. anhängig. Nach Kenntnis des
Wirtschaftsministeriums hat der Petent dort Einwendungen erhoben. Aufgrund der Lage der Abbaustätte
in einem FFH-Gebiet ist eine FFH-Verträglichkeitsprüfung durchzuführen. Ergibt die Prüfung der Verträglichkeit, dass der Abbau zu erheblichen Beeinträchtigungen des FFH-Gebietes in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen
Bestandteilen führen kann, ist dieser nur dann zulassungsfähig, wenn die Ausnahmevoraussetzungen des
§ 38 Abs. 3 und 5 Naturschutzgesetz Baden-Württemberg (bzw. ab dem 1. März 2010: § 34 Abs. 3 und 5
Bundesnaturschutzgesetz) vorliegen. Eine Entscheidung des Regierungspräsidiums über den Genehmigungsantrag ergeht voraussichtlich noch im ersten
Quartal 2010.
Soweit der Petent fordert, die Rohstoffversorgung mit
Kalkstein in kalkarmen Gebieten neu auszurichten, ist
13
Landtag von Baden-Württemberg
dies aus Sicht des Wirtschaftsministeriums nicht angezeigt. Kalk ist ein für viele Industrieprozesse, für
Forst-, Bau- und Landwirtschaft sowie den Umweltschutz wichtiger Rohstoff, der durch keinen anderen
Steine-Erden-Rohstoff substituiert werden kann. Es
sind neben wirtschaftlichen auch ökologische Gründe,
die für eine Versorgung der Abnehmer mit einheimischem Material sprechen. So werden beispielsweise
der Transportverkehr und die damit verbundenen
Emissionen zum Schutz von Mensch und Umwelt minimiert. Durch die möglichst weitgehende Nutzung
wertvoller Lagerstätten („Abbau bis zur Neige“) wird
die vorzeitige Inanspruchnahme noch unberührter Gebiete vermieden. Zwar führt Rohstoffabbau zu Eingriffen in die Natur. Daraus können aber auch positive
Aspekte für die ökologische Gesamtbilanz folgen.
Unabhängige Studien belegen, dass Steinbrüche vielen bedrohten Arten (wie Uhu oder Wanderfalke) Lebensräume bieten, die in der ökologischen Vernetzung ein wichtiges Glied darstellen können. Hinzu
kommt die erforderliche Kompensation des mit dem
Abbau verbundenen Eingriffs in Natur und Landschaft durch Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen.
Beschlussempfehlung:
Aufgrund der gegebenen Sach- und Rechtslage kann der Petition nicht abgeholfen werden.
Berichterstatter: Ehret
8. Petition 14/3835 betr. Gnadensache, Überstellung in die Türkei
Die Petentin möchte mit der Petition erreichen, dass
ihr Ehemann zur weiteren Strafvollstreckung in die
Türkei überstellt wird. Beide Eheleute beabsichtigen,
nach der Haftentlassung des Ehemannes in der Türkei
zu leben.
1. Verurteilung und Stand der Strafvollstreckung
Der Ehemann der Petentin wurde durch Urteil des
Landgerichts H. vom 12. Juli 2006 wegen Verstoßes
gegen das Betäubungsmittelgesetz rechtskräftig zu
einer Gesamtfreiheitsstrafe von 12 Jahren verurteilt.
Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Ehemann der
Petentin im Jahr 2005 zwei Drogenkurierfahrten von
Bulgarien nach Italien und von Moldawien nach
Deutschland durchgeführt hatte, wobei er bei der
ersten Fahrt 8 bis 10 kg und bei der zweiten Fahrt
ca. 14,7 kg Heroin transportiert hatte.
Unter Anrechnung der vollzogenen Untersuchungshaft werden zwei Drittel der Strafe am 19. Oktober
2013 verbüßt sein. Das Strafende ist auf den 19. Oktober 2017 notiert.
Gegen den Verurteilten, der türkischer Staatsangehöriger ist, liegt eine bestandskräftige Ausweisungsverfügung der zuständigen Ausländerbehörde vor. Die
14
Drucksache 14 / 6253
Staatsanwaltschaft H. hat für den Zeitpunkt der Abschiebung, frühestens jedoch zum 19. Oktober 2012
von der weiteren Strafvollstreckung gem. § 456 a StPO
abgesehen.
2. Stand des Überstellungsverfahrens
Auf den Vollstreckungshilfeverkehr mit der Republik
Türkei findet das Übereinkommen vom 21. März 1983
über die Überstellung verurteilter Personen Anwendung. Der Ehemann der Petentin hat beantragt, zur weiteren Strafvollstreckung in die Türkei überstellt zu werden.
Das Justizministerium hat hierauf ein Überstellungsverfahren eingeleitet, um die Voraussetzungen einer
Überstellung zu prüfen. Die Stellung eines entsprechenden Ersuchens an die türkische Regierung ist
jedoch der Bundesregierung vorbehalten. Das Justizministerium hat daher bei der zuständigen Staatsanwaltschaft H. die erforderlichen Unterlagen angefordert und dem Bundesamt für Justiz mit der Anregung
übersandt, an die türkischen Behörden auf dem diplomatischen Geschäftsweg heranzutreten. Das Auswärtige Amt teilte der türkischen Botschaft Berlin mit
Verbalnote vom 30. Juli 2008 mit, dass ein Ersuchen
um Übernahme der Strafvollstreckung grundsätzlich
in Betracht gezogen werde; zunächst werde jedoch
um Mitteilung gebeten, mit welcher Dauer der Strafverbüßung der Verurteilte bei einer Überstellung zu
rechnen hätte. Außerdem bat das Auswärtige Amt um
eine Zusicherung, dass der Spezialitätsvorbehalt beachtet werde – d. h. dass eine Strafverfolgung oder
-vollstreckung wegen vor der Überstellung begangener Taten nur mit Zustimmung Deutschlands möglich
ist – und dass wegen der dem Urteil des Landgerichts
H. zugrunde liegenden Taten keine erneute Strafverfolgung durchgeführt werde. Die türkische Botschaft
bat hierauf mit Verbalnote vom 14. November 2008,
die beim Justizministerium über die Bundesregierung
am 17. Februar 2009 einging, zunächst um Übersendung ergänzender Unterlagen, u. a. der Zustimmungserklärung des Verurteilten. Hierauf wurde veranlasst,
dass der Verurteilte am 27. Mai 2009 gem. § 3 des
Gesetzes zur Ausführung des Übereinkommens vom
21. März 1983 über die Überstellung verurteilter Personen (ÜAG) vor dem zuständigen Amtsgericht richterlich angehört wurde. Das Protokoll der richterlichen Anhörung wurde dem Bundesamt für Justiz zusammen mit weiteren Unterlagen am 31. August 2009
zur Weiterleitung an die türkischen Behörden übersandt. Eine entsprechende Verbalnote des Auswärtigen Amts steht noch aus.
3. Bewertung
Derzeit kann noch nicht abgesehen werden, ob und
ggf. zu welchem Zeitpunkt eine Überstellung des Ehemannes der Petentin in Betracht kommt.
Die Entscheidung über ein förmliches Ersuchen um
Überstellung des Verurteilten zur weiteren Strafvollstreckung in die Türkei wird maßgeblich davon abhängen, mit welcher Dauer der Strafverbüßung in der
Türkei gerechnet werden kann und ob die türkische
Landtag von Baden-Württemberg
Regierung die erbetenen Zusicherungen abgibt. Ein
Überstellungsgesuch kann aus Sicht des Justizministeriums nur dann befürwortet werden, wenn eine hinreichende Strafvollstreckung im Heimatstaat des Verurteilten gewährleistet ist, die zumindest annähernd
der Strafvollstreckungspraxis in Deutschland entspricht. Nachdem in der Vergangenheit Freiheitsstrafen in der Türkei vielfach nur maximal bis zur Hälfte
der verhängten Strafe vollstreckt wurden, hat das
Bundesamt für Justiz die generelle Empfehlung ausgegeben, die türkischen Behörden in jedem Einzelfall
um eine konkrete Strafzeitberechnung zu bitten. In
der Regel sehen sich die türkischen Behörden allerdings erst dann in der Lage, genaue Angaben zur
Vollstreckungsdauer in der Türkei zu machen, wenn
bereits das ausländische Urteil in einem gerichtlichen
Verfahren für vollstreckbar erklärt und eine Freiheitsstrafe nach türkischem Recht festgesetzt wurde. Insoweit werden der Ausgang des sog. Exequaturverfahrens und die Auskunft der türkischen Behörden abzuwarten sein.
Generell ist anzumerken, dass Überstellungsverfahren
regelmäßig eine längere Bearbeitungszeit in Anspruch
nehmen. Dies ist zum einen den komplizierten Verfahrensregelungen des genannten Übereinkommens
und der notwendigen Übersetzung umfangreicher Unterlagen geschuldet. Zum anderen ist im Verhältnis
zur Türkei für den Austausch von Informationen ausschließlich der zeitintensive diplomatische Geschäftsweg eröffnet.
Drucksache 14 / 6253
fängnisverhütung einnehmen. In der Vergangenheit
habe sie daher bereits einmal mit einer Spirale verhütet und diese auch sehr gut vertragen. Die Schmerzen
hätten sich dadurch reduziert. Nun aber könne sie das
Geld hierfür nicht mehr aufbringen und bitte daher
um Kostenübernahme durch die GKV. Die Krankenkasse lehnte eine Kostenübernahme ab.
III.
Die GKV als Solidargemeinschaft hat die Aufgabe,
die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu verbessern. Hierzu stellen die Krankenkassen den Versicherten die im Gesetz genannten Leistungen unter
Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Versicherte haben nach § 24 a SGB V bis zum vollendeten 20. Lebensjahr Anspruch auf Versorgung mit empfängnisverhütenden Mitteln, soweit diese ärztlich verordnet sind. Eine Kostenübernahme empfängnisverhütender Mittel für Versicherte, die älter als 20 Jahre
sind, ist – auch in besonders gelagerten Ausnahmefällen – nicht möglich.
Zusammengefasst ist somit festzuhalten, dass einer
Überstellung des Ehemannes der Petentin zum Zwecke
der weiteren Strafvollstreckung in die Türkei grundsätzlich positiv gegenübergestanden wird, sofern die
dargelegten Voraussetzungen für eine Überstellung
vorliegen.
Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 12/2605 –
neu) sollen mit dieser altersmäßigen Einschränkung
ungewollte Schwangerschaften verhindert werden.
Vor allem soll der Kreis der Frauen, die aufgrund ihrer wirtschaftlichen Lage – z. B. weil sie sich noch in
Ausbildung befinden – am wenigsten in der Lage
sind, die Kosten für empfängnisverhütende Mittel
aufzubringen, erfasst werden. Die Petentin ist 1967
geboren und liegt somit über der Altersgrenze von
20 Jahren. Die Kostenübernahme einer Spirale als
empfängnisverhütendes Mittel durch die GKV ist daher nicht möglich.
Beschlussempfehlung:
Beschlussempfehlung:
Der Petition kann derzeit nicht abgeholfen
werden.
Der Petition kann nicht abgeholfen werden.
Berichterstatterin: Haller-Haid
Berichterstatterin: Grünstein
10. Petition 14/4186 betr. Bausache
9. Petition 14/3691 betr. Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung
I.
Die Petentin begehrt von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) die Kostenübernahme eines
empfängnisverhütenden Mittels.
II.
Die 1967 geborene Petentin ist Mitglied der AOK Baden-Württemberg. Wegen starker und krampfartiger
Regelblutungen sowie der Folgen eines schweren Autounfalls, die neben einer täglichen Medikamenteneinnahme auch eine monatliche Schmerztherapie erforderlich machen, könne sie keine Pille zur Emp-
Gegenstand der Petition:
Der Petent begehrt die Einstellung von Bauarbeiten
innerhalb eines Sanierungsgebiets. Das alte F.-Haus
und der ehemalige Kiosk müssten erhalten bleiben.
Die Neugestaltung des Zentralen Omnibusbahnhofs
(ZOB) sei ebenfalls zu stoppen. Die Stadt benötige
auch keine neuen Parkplätze. Die Umgestaltung des
Quartiers sei eine reine Steuerverschwendung.
Sachverhalt:
Die Stadt Sch. hat nach einer umfangreichen Abstimmungs- und Vorbereitungsmaßnahme damit begonnen, das nordwestlich von der Stadt gelegene Gelände
15
Landtag von Baden-Württemberg
Drucksache 14 / 6253
der ehemaligen J. sowie das Gelände des zentralen
Omnibusbahnhofs (ZOB) neu zu ordnen. Im Einzelnen besteht die städtebauliche Planung aus folgenden
Komponenten:
Das städtebauliche Sanierungsverfahren nach Maßgabe des besonderen Städtebaurechts (§§ 136 ff. BauGB)
wird von der Stadt im Rahmen der kommunalen
Selbstverwaltung vorbereitet und durchgeführt.
Die vorhandene Altanlage der ehemaligen J., die unter Denkmalschutz steht, wird saniert. Die vorhandenen drei Gebäude werden zum Haus der Bildung
umstrukturiert. Das Gelände liegt im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet „N. K./F.“. Die Sanierung erfolgt mit Mitteln der städtebaulichen Förderung. Träger der Maßnahme ist die Stadt.
Nach § 136 BauGB sind städtebauliche Sanierungsmaßnahmen die Maßnahmen, durch die ein Gebiet zur
Behebung städtebaulicher Missstände wesentlich verbessert oder umgestaltet wird. Mit den Maßnahmen in
den Sanierungsgebieten soll die Wirtschaftsstruktur
verbessert werden. Die Siedlungsstruktur soll entsprechend den Erfordernissen des Umweltschutzes
sowie den Anforderungen an gesunde Lebens- und
Arbeitsbedingungen der Bevölkerung und der Bevölkerungsentwicklung städtebaulich gestaltet werden.
Zwischen der J. und der westlichen Raumkante der G.Gasse wird ein Einkaufszentrum errichtet. Auf dieser
Fläche entstehen ca. 11.000 m² Verkaufsfläche. Nach
Aussage der Stadt ist diese Fläche zur Stärkung der
Einzelhandelsstruktur der Gesamtstadt erforderlich.
Zur Versorgung des Gesamtareals mit Stellplätzen
wird eine zweigeschossige Tiefgarage gebaut. Insgesamt sind dort ca. 300 Stellplätze vorgesehen. Die Erschließung des zentralen Parkhauses im Gelände der
ehemaligen J. folgt über die S.-Straße. Weitere oberirdische Parkplätze werden zwischen der neu trassierten S.-Straße und dem neuen ZOB entstehen.
An der Nordseite der ehemaligen J. errichtet eine
Bank ihr neues Dienstleistungszentrum. Die architektonische Lösung wurde auf der Grundlage eines Architektenwettbewerbs ermittelt.
Zur Verbesserung der verkehrlichen Situation verlegt
die Stadt die S.-Straße von der Westkante des B.Wegs an das weiter westlich gelegene K.-Ufer.
Weiter östlich wird ein neuer zentraler Busbahnhof
zur Versorgung der Gesamtstadt errichtet. Für das
Dach des zentralen Omnibusbahnhofs wurde ebenfalls ein Architektenwettbewerb ausgelobt. Über das
Ergebnis ist bereits entschieden. Die neue Lage der
S.-Straße und des zentralen Omnibusbahnhofs sind so
gewählt, dass der Fahrverkehr die fußläufigen Beziehungen nicht stören wird.
Das sogenannte F.-Haus und ein Kiosk werden abgebrochen.
Das Gesamtprojekt wurde vom Gemeinderat der Stadt
nach mehreren ausführlichen Beratungen entsprechend
den o. g. Ausführungen beschlossen. Die Maßnahmen
sind entsprechend dem Beschluss in der Realisierungsphase.
Rechtliche Würdigung:
Die Sanierungsmaßnahme „N. K./F.“ wurde bereits
im Jahr 2001 in das Bund-Länder-Sanierungs- und
Entwicklungsprogramm (SEP) aufgenommen. Das
Sanierungsgebiet wurde durch die Satzung nach § 142
Baugesetzbuch (BauGB) förmlich festgelegt. Die Bekanntmachung erfolgte am 18. März 2002. Das förmlich festgesetzte Sanierungsgebiet wurde mit den Bekanntmachungen vom 7. Juni 2004 und vom 24. August 2005 erweitert.
Schwerpunkt der Sanierung ist die Erneuerung der ehemaligen J. sowie die o. g. flankierenden Maßnahmen.
16
Über die jeweils innerhalb eines Sanierungsgebiets
durchzuführenden Maßnahmen, wie Errichtung/Umbau von baulichen Anlagen, Nutzungsänderungen, zur
Behebung städtebaulicher Missstände hat die Stadt
nach § 136 BauGB sowie den städtebaulichen Belangen nach § 1 Abs. 5 und 6 BauGB zu entscheiden. Dabei sind nach § 136 Abs. 3 BauGB die öffentlichen
und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.
Die Neuordnung des Quartiers ist nach der planerischen Entscheidung der Stadt für die städtebauliche
Entwicklung der Stadt von erheblicher Bedeutung.
Der beanstandete Abbruch des F.-Hauses und des Kiosk ist notwendig, um in den knappen räumlichen Verhältnissen eine funktionale und verkehrstechnisch optimale Lösung realisieren zu können. Das F.-Haus
steht im Übrigen nicht unter Denkmalschutz und seine
Erhaltung erscheint auch nicht aus sonstigen Gründen,
z. B. des Stadtbildes oder wegen besonderer architektonischer Qualitäten geboten. Letzteres gilt auch für
den in den siebziger Jahren errichteten Kiosk. Die Planungen und Entscheidungen darüber liegen in der
kommunalen Planungshoheit.
Es liegen keine Anhaltspunkte vor, die darauf schließen
lassen, dass die Durchführung der Sanierungsmaßnahme nicht sachgerecht bzw. nicht nach den Vorschriften
des Baugesetzbuchs durchgeführt werden.
Der Petent ist nicht im Sanierungsgebiet bzw. in der
Stadt wohnhaft. Er ist nicht Verfahrensbeteiligter
nach § 137 BauGB. Daher ist eine Betroffenheit des
Petenten im Sinne des Baugesetzbuchs durch die von
der Stadt beschlossenen städtebaulichen (Sanierungs-)
Maßnahmen, wie Umnutzung und Beseitigung von
baulichen Anlagen, Herstellung von Parkplätzen und
zentraler Omnibusbahnhof, nicht gegeben.
Beschlussempfehlung:
Der Petition kann nicht abgeholfen werden.
Berichterstatter: Sakellariou
Landtag von Baden-Württemberg
Drucksache 14 / 6253
11. Petition 14/4253 betr. Beschwerde über eine
Stellenausschreibung
12. Petition 14/4129 betr. Arbeitslosengeld II; Kosten der Unterkunft
Der Petent ist Hauptsekretär im Justizvollzugsdienst
in der Justizvollzugsanstalt S. Er ist dort mit 50 Prozent seiner Arbeitszeit als Sicherheitsbeauftragter
tätig, im Übrigen verrichtet er die üblichen Tätigkeiten des Allgemeinen Vollzugsdienstes (Schicht- und
Wechseldienst, Vorführungen, etc.).
Der Petent wendet sich dagegen, dass ihm im Rahmen des Bezugs von Leistungen der Grundsicherung
für Arbeitsuchende keine Unterkunftskosten bewilligt wurden.
Mit seiner Petition wendet er sich gegen eine Ausschreibung einer „Stelle der stellvertretenden Bereichsdienstleiterin Haus 2“ der Justizvollzugsanstalt
S. vom 29. Oktober 2009. Er sieht darin eine Verletzung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes
(AGG) vom 14. August 2006, da die Ausschreibung
ausschließlich an weibliche Bedienstete gerichtet war.
Der Petent hat sich auf die Stelle nicht beworben. Die
Funktionsstelle, die nach der Besoldungsgruppe A 9
bewertet ist, wurde bereits vor Einreichung der Petition mit einer weiblichen Bediensteten besetzt.
Die Justizvollzugsanstalt S., die zentrale Anstalt für
weibliche Gefangene in Baden-Württemberg, hat die
Stelle nur für weibliche Bedienstete ausgeschrieben,
weil mit ihr Aufgaben verbunden sind, die in der Justizvollzugsanstalt S. ausschließlich von weiblichen
Bediensteten erbracht werden. Dazu gehört unter anderem der alleinige Dienst auf den Stockwerken in
den Unterkunftsbereichen, der mit dem morgendlichen Aufschluss der Zellen mit Durchführung einer
Lebendkontrolle, der Aufsicht beim Duschen, Durchsuchungen von weiblichen Gefangenen, u. ä. verbunden ist.
Hintergrund dieser seit Jahrzehnten praktizierten
Diensteinteilung in der Justizvollzugsanstalt S. sind
vornehmlich zwei Gründe: Zum einen soll die Intimsphäre der weiblichen Gefangenen in besonderem
Maße geschützt werden, zum anderen sollen männliche Bedienstete nicht in die Gefahr geraten, von
weiblichen Gefangenen zu Unrecht sexueller Übergriffe bezichtigt werden zu können.
Die geschilderte Praxis der Justizvollzugsanstalt S.
hatte keinen Einfluss auf die Besetzung der Stelle, deren Ausschreibung der Petent mit seiner Petition angreift. Eine Bewerbung des Petenten hätte keinen Erfolg versprochen. Diejenige Bedienstete, welche die
Funktionsstelle der stellvertretenden Bereichsdienstleiterin Haus 2 nunmehr ausfüllt, ist besser geeignet
als der Petent. Insbesondere die Leistungs- und Befähigungsentwicklung dieser Bediensteten und des
Petenten seit der letzten Beurteilung, verlief nicht zugunsten des Petenten.
Durch die getroffene Personalentscheidung wurde der
Petent nicht in seinen Rechten beeinträchtigt.
Beschlussempfehlung:
Der Petition kann nicht abgeholfen werden.
Berichterstatter: Sakellariou
Auf seinen Antrag vom 7. November 2008 bezog der
Petent von der Arge in F. ab 1. November 2008 laufende Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Der Petent, der nach eigenen Angaben zuvor über keinen festen Wohnsitz verfügte, hatte als
Wohnadresse die Anschrift einer Bekannten und als
postalische Adresse ein Postfach am Wohnort angegeben. An Unterkunftskosten machte der Petent einen
Betrag von 150 Euro monatlich geltend, über die er
der Arge in den Monaten November und Dezember
2008 jeweils eine kopierte Barzahlungsquittung vorlegte. Während die Regelleistungen des Petenten mit
Bescheid vom 10. Dezember 2008 vorläufig bis zum
30. April 2009 bewilligt wurden, fehlten der Arge zur
Entscheidung über die Bewilligung der Unterkunftskosten noch konkrete Nachweise über das Mietverhältnis. Der Petent wurde daher im Bescheid vom
10. Dezember 2008 aufgefordert, seinen Mietvertrag
vorzulegen. Der Petent teilte daraufhin mit, dass er
weder einen Mietvertrag oder einen anderweitigen
Nachweis vorlegen könne, weil der Vermieter wegen
möglichem Eigenbedarf ihm nur eine mündliche
Mietzusage geben möchte. Ende Dezember 2008 legte der Petent die erste nicht unterzeichnete Seite eines
Standard-Mietvertrages vor, die der Arge als Nachweis aber nicht ausreichte. Am 30. Januar 2009 hat
die Arge den Petenten daher nochmals auf seine Mitwirkungspflichten schriftlich hingewiesen und zur
Vorlage eines unterzeichneten Mietvertrages oder alternativ einen von der Arge bereitgestellten Vordruck
„Mietbescheinigung“ angehalten.
Nachdem der Petent bis heute seinen Finanzbedarf für
Unterkunft und Heizung nicht nachgewiesen hat, wurden diese Kosten auch in der Folgezeit von der Arge
nicht berücksichtigt. Vor dem Sozialgericht ist diesbezüglich noch ein Klageverfahren anhängig. Wie der
Arge erst im September 2009 bekannt wurde, hatte
sich der Petent zum 1. März 2009 beim Einwohnermeldeamt bereits wieder mit unbekanntem Ziel abgemeldet. Die Gewährung von Regelleistungen blieb
davon unberührt. Nachdem die Arge dem Petenten
wegen Meldeversäumnissen eine Sanktionierung angekündigt hatte, verzichtete der Petent am 29. Dezember 2009 mit sofortiger Wirkung auf weitere Grundsicherungsleistungen.
Angesichts der bestehenden Sach- und Rechtslage ist
das Vorgehen der Arge nicht zu beanstanden, da der
Petent seinen Mitwirkungspflichten zur Ermittlung
seiner Unterkunftskosten trotz mehrfacher Hinweise
nur unzureichend nachkam. Zum Nachweis eines
Mietverhältnisses wurden nach den Angaben der Arge
nur fragmentarische Unterlagen vorgelegt. Die Barzahlungsquittungen und die erste Seite eines nicht unterzeichneten Mietvertrages waren offensichtlich nicht
geeignet zu belegen, ob und in welchem Umfang der
17
Landtag von Baden-Württemberg
Petent überhaupt zahlungspflichtig war und welche
Unterkunftsleistungen ihm hierfür konkret zur Verfügung gestellt wurden. Darüber hinaus kann sich für
die Zeit ab 1. März 2009 schon deshalb kein Anspruch auf Unterkunftskosten ergeben, weil der Petent
sich nicht mehr im Zuständigkeitsbereich der Arge
aufhielt, was von ihm selbst durch die Abmeldung
beim Einwohnermeldeamt dokumentiert wurde.
Dem Petenten wird empfohlen, den Ausgang des Klageverfahrens abzuwarten.
Beschlussempfehlung:
Der Petition kann nicht abgeholfen werden.
Berichterstatter: Schätzle
13. Petition 14/4250 betr. Beschwerde wegen Nichterfüllung der Sollstunden an den beruflichen
Schulen
Der Petent, der mit der betrieblichen Ausbildung von
Auszubildenden befasst ist, die in Berufsschulklassen
für industrielle Elektro- und Metallberufe an den Gewerblichen Schulen W. beschult sind bzw. waren,
moniert, dass im letzten (halben) Jahr der für diese
Berufe dreieinhalb Jahre dauernden Ausbildungen an
der Berufsschule keine Lernstoffvermittlung in den
nach den Ausbildungsordnungen vorgesehenen Lernfeldern stattgefunden habe, sondern ausschließlich
Prüfungsvorbereitung betrieben worden sei. Dadurch
sei den Schülerinnen und Schülern wichtiges berufliches Wissen vorenthalten worden.
Zudem seien die vorgegebenen Umfänge an Unterrichtsstunden für das letzte halbe Schuljahr bei Weitem nicht erreicht worden (z. B. im Ausbildungsberuf
Elektroniker nur 40 statt der vorgesehenen 140 Stunden). Dieses Defizit rührte nach seiner Einschätzung
auch daher, dass die schriftliche Prüfung nicht erst im
letzten Ausbildungsmonat durchgeführt wurde, sondern schon geraume Zeit vor dem Ende der Ausbildung. Da nach dieser Prüfung kein Unterricht mehr
erteilt wurde, sei viel Zeit ungenutzt geblieben, die
eigentlich für die Wissensvermittlung hätte verwendet
werden müssen.
Er bat deshalb um Überprüfung, ob Art und Umfang
der erteilten Unterrichtsstunden den Vorgaben des
Kultusministeriums entsprochen haben und ob künftig
nicht eine „volle Beschulung“, d. h. ein sich bis in den
letzten Ausbildungsmonat erstreckender berufsschulischer Unterricht mit sich dann anschließender Abschlussprüfung durchgeführt werden kann.
Bei den Stundenvorgaben für die zu unterrichtenden
Lernfelder handelt es sich um zeitliche Richtwerte,
deren Umsetzung im Rahmen der zur Verfügung
stehenden Gesamtunterrichtszeit von den Berufsschulen eigenverantwortlich und unter Wahrung des Anspruchs der Schülerinnen und Schüler auf eine umfassende berufsschulische Ausbildung realisiert wird. In
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Drucksache 14 / 6253
diesem Rahmen waren die Inhalte der betreffenden
Lernfelder 12 und 13 des Ausbildungsberufs Elektroniker/-in für Betriebstechnik von den Gewerblichen
Schulen W. bereits integrativ in den Lernfeldunterricht der vorausgegangenen Ausbildungsabschnitte
integriert worden, mit entsprechender Auswirkung
auf den Stundenbedarf im letzten Ausbildungshalbjahr. Sämtliche Inhalte, die nach den einschlägigen
Rahmenlehrplänen zu vermitteln waren, wurden vollumfänglich und in der vorgegebenen Weise umgesetzt; an der umfassenden Wissensvermittlung für die
betreffenden Schülerinnen und Schüler gab es keinerlei Abstriche. In dem Beiblatt, das dem Zeugnis der
gewerblichen Berufsschule für den Ausbildungsberuf
Elektroniker Fachrichtung Betriebstechnik zur Erläuterung der schulischen Ausbildungsinhalte obligatorisch beizufügen ist – dort erfolgt u. a. auch die Angabe der behandelten Lernfelder mit Zeitrichtwerten –,
sind allerdings die Lernfelder 12 und 13 versehentlich
nicht genannt worden. Damit sich eine Schlussfolgerung – wie vom Petenten getroffen –, die betreffenden
Lernfelder seien unterrichtsmäßig komplett unberücksichtigt geblieben, künftig nicht wiederholt, werden
die Angaben in dem betreffenden Zeugnisbeiblatt entsprechend komplettiert.
Zu der vom Petenten geforderten Verlegung des Prüfungstermins auf einen späteren Zeitpunkt im Schul(halb)jahr mit dem Ziel, dadurch den für die Wissensvermittlung verfügbaren Zeitraum an der Berufsschule maximal auszuweiten, ist Folgendes festzustellen:
In der Vergangenheit war dieses Thema in der Gemeinsamen Kommission (bestehend aus Vertretern
der Kammern, der Arbeitgeber, der Arbeitnehmer, der
Regierungspräsidien sowie der Berufsschulen), die
für die Organisation der Gemeinsamen Abschlussprüfung im Dualen System zuständig ist, wiederholt angesprochen worden. Die Berufsschulen brachten dabei stets ihr Interesse an einem möglichst späten Termin für die gemeinsame schriftliche Abschlussprüfung zum Ausdruck. Es bestehen jedoch diverse
Zwangsläufigkeiten im Rahmen der Prüfungsdurchführung, welche auch die Entscheidung über die Terminfestlegung bei den dreieinhalbjährigen Ausbildungsberufen maßgeblich beeinflussen:
• Die gemeinsame schriftliche Abschlussprüfung erfolgt im November.
• Die anschließende Korrekturzeit beträgt drei
Wochen. Diese Zeitspanne ist mit den Kammern
und den zuständigen Personalvertretungen abgesprochen.
• Die Notenübergabe an die Kammern erfolgt Anfang Dezember (Terminfestlegung durch die Kammern).
• Die Auswertung der Noten durch die Kammern
wird noch vor Weihnachten vorgenommen.
• Die praktische Prüfung durch die Kammern findet
schließlich im Februar statt.
Der Termin für die gemeinsame schriftliche Abschlussprüfung steht also am Beginn eines bezüglich
Landtag von Baden-Württemberg
seiner Einzelbestandteile im Grunde nicht wesentlich
veränderbaren zeitlichen Ablaufs. In der Vergangenheit wurden immer wieder Versuche unternommen,
den Prüfungstermin wenigstens um eine Woche nach
hinten zu verschieben. Auch wenn die Praxis gezeigt
hat, dass die Kammerseite dann unter einen erheblichen zeitlichen Druck gerät, ist es der gemeinsamen
Kommission nun doch gelungen, den Prüfungstermin
für das Prüfungsjahr 2011 in die spätestmögliche Kalenderwoche 47 zu verlegen. Im Vergleich zu den
vorangegangenen Prüfungsterminen werden dadurch
wenigstens 1 bzw. 2 Schulwochen zugunsten des Berufsschulunterrichts gewonnen.
In der Zeit nach der schriftlichen Prüfung, in der ein
Berufsschulunterricht nicht mehr stattfindet, stehen die
Auszubildenden uneingeschränkt den Betrieben zur
Verfügung. Diese vermitteln ihnen im Rahmen ihrer
Gesamtverantwortung als Dualer Partner selbstverständlich weiterhin die vorgesehenen Ausbildungsinhalte; die Auszubildenden verlieren also keineswegs
den ihnen zustehenden Anspruch auf umfassende Ausbildung bis zur Beendigung ihres Lehrverhältnisses.
Im Übrigen ist festzustellen, dass die Lehrerinnen und
Lehrer an den Berufsschulen während der Prüfungsund Korrekturzeit zeitlich sehr stark beansprucht sind.
Nach Abschluss der Prüfungs- und Korrekturphase
werden sie zudem für besondere Aufgaben wie beispielsweise als Krankheitsvertretung, zur Verbesserung der Lernortkooperation und zur Erstellung von
Prüfungsaufgaben eingesetzt.
Von Seiten der Schulen wird darauf geachtet, dass die
Lehrkräfte unter Einbeziehung geleisteter Mehrarbeit
einerseits und entlastender Faktoren andererseits im
Rahmen ihrer Deputate vollumfänglich eingesetzt
werden.
Mit der Überprüfung der vermittelten Unterrichtsinhalte konnte dem Hauptanliegen des Petenten entsprochen werden; bei der Zusatzinformation zum Abschlusszeugnis über die berufsschulischen Unterrichtsinhalte wurde inzwischen eine Ergänzung des betreffenden Zeugnisbeiblatts vorgenommen. Darüber hinaus kann wegen der nicht wesentlich veränderbaren
Abfolge der einzelnen Prüfungsteile der Gemeinsamen
Abschlussprüfung und der durchzuführenden Begleitarbeiten seiner Forderung nach Verlegung des Termins für die gemeinsame schriftliche Abschlussprüfung in den letzten Ausbildungsmonat nicht entsprochen werden.
Beschlussempfehlung:
Soweit der Petent um Überprüfung der vermittelten Unterrichtsinhalte gebeten hat, wird
die Petition mit den oben gemachten Ausführungen für erledigt erklärt.
Im Übrigen kann der Petition nicht abgeholfen werden.
Berichterstatter: Schätzle
Drucksache 14 / 6253
14. Petition 14/4247 betr. kommunale Angelegenheit
Gegenstand der Petition:
a) Der Petent macht geltend, von der Stadt K. zu Unrecht nicht mit seinem Schaustellerbetrieb zur Teilnahme am Ostermarkt zugelassen worden zu sein.
b) Darüber hinaus lässt er vortragen, die Stadt halte
sich – wie auch einige andere Gemeinden – nicht
an die Vorgaben der Rechtsprechung insbesondere
des Bundesverwaltungsgerichts, weil sie den Markt
durch Übertragung auf die Stadtmarketing K. GmbH
privatisiert habe.
Sachverhalt:
Bei dem sog. Ostermarkt handelt es sich um ein
Volksfest auf dem Läger-Platz in K.
Dieses wird und wurde auch in der Vergangenheit
nicht von der Stadt K. ausgerichtet. Dies ist dem Petenten seit den Siebzigerjahren bekannt.
In der Stadt K. gab es – die Einzelheiten sind aus den
Akten und auch mit Hilfe des Stadtarchivs nicht nachvollziehbar – jedenfalls bald nach Aufhebung der Besetzung 1953 einen Jahrmarkt, welcher zunächst die
Bezeichnung „Schlappenmarkt“ trug und später bis
heute noch unter der Bezeichnung „Krämermarkt“ geführt wird.
Es handelt sich also um zwei verschiedene Veranstaltungen verschiedener Ausrichter, die allerdings zeitgleich stattfinden. Nach Angaben der Stadt K. wird bei
der Bezeichnung der Veranstaltungen („Ostermarkt“,
„Schlappenmarkt“, „Jahrmarkt“ und „Krämermarkt“)
im Sprachgebrauch der Bevölkerung häufig nicht präzise unterschieden.
Der Jahrmarkt „Schlappenmarkt“ oder „Krämermarkt“
wurde zunächst von der Stadt selbst durchgeführt.
Nach Gründung der Stadtmarketing K. GmbH, einer
Gesellschaft deren Anteile zu 100 % in der Hand der
Stadt sind, wurde die Ausrichtung dieses Marktes auf
die GmbH übertragen. Für die Vergabe der Standplätze gibt es schriftlich fixierte Kriterien, die den öffentlich-rechtlichen Anforderungen entsprechen. Die Stadt
K. übt ihren beherrschenden Einfluss auf die Gesellschaft im Sinne der Wahrung der Chancengleichheit
der Bewerber aus.
Indessen hat sich der Petent niemals um die Teilnahme an diesem Markt, der in der Fußgängerzone in der
Innenstadt stattfindet, beworben.
Vielmehr begehrt der Petent – und vor ihm schon seine Mutter – die Teilnahme an dem Volksfest „Ostermarkt“ auf dem Läger-Platz. Dieses Volksfest wurde
in den Sechzigerjahren von dem Schausteller A. H.
gegründet. Auch diesbezüglich sind Einzelheiten aus
den Akten der Stadt K. nicht nachvollziehbar. Nahe
liegt jedoch, dass A. H. die unternehmerische Idee
hatte, bei Gelegenheit des zu Ostern stattfindenden
„Schlappenmarkts“ ein Volksfest mit Fahrgeschäften
auszurichten. Das älteste in den amtlichen Akten vor-
19
Landtag von Baden-Württemberg
liegende Dokument hierzu ist ein Vertrag über Platzvermietung, Einrichtung und Betrieb eines Vergnügungsparks zwischen der Stadt K. und Herrn A. H.
vom 31. Januar 1969 .
Im Jahr 1994 trat der Petent, vertreten durch einen
Rechtsanwalt, an die Stadt heran. Dabei war zunächst
nicht klar, ob der Petent sich lediglich als Unternehmer
um die Teilnahme am Ostermarkt bewerben wollte
oder ob er selbst oder aber der seinerzeit von ihm vertretene Landesverband den Ostermarkt übernehmen
wollten. Über diese Frage wurde zwischen Mai 1994
und Juni 1996 korrespondiert. Es kam auch zu verschiedenen persönlichen Begegnungen. Schließlich
bewarb sich der Landesverband um die Übernahme
des Ostermarktes, wobei zunächst unklar blieb, ob das
inzwischen von T. H., dem Sohn des Firmengründers,
veranstaltete Volksfest oder der von der Stadt veranstaltete Krämermarkt gemeint sein sollte.
Der Gemeinderat der Stadt K. beschloss dann am
12. Juni 1996, den Festplatz „Läger“, auf welchem
der Ostermarkt stattfindet, weiterhin für die Jahre
1997 bis 2004, mit Verlängerungsoption, an die Firma
T. H. zur Durchführung des Ostermarktes zu „verpachten“ und außerdem den gleichen Platz für einen
weiteren Zeitraum an die Firma H. zur Durchführung
eines einwöchigen Herbstfestes zu vermieten. Die
Vertragsdauer von acht Jahren rechtfertigte sich daraus, dass die Firma T. H. sich verpflichtete, auf dem
Platz die erforderlichen Versorgungseinrichtungen für
elektrischen Strom auf eigene Kosten zu schaffen.
Gleichzeitig beschloss der Rat in der gleichen Sitzung, den Krämermarkt nicht zu privatisieren.
Unter dem 2. August 2007 hat sich der Petent als „Generalpächter für den Vergnügungspark, des Ostermarkts in K.“ beworben. Ihm wurde mit Schreiben
vom 4. September 2007 unter Hinweis auf das Vertragsende (22. April 2008) des noch laufenden Vertrages geantwortet. Gleichzeitig wurde ihm freigestellt,
eine substantiierte Bewerbung vorzulegen. Um Vorlage bis 4. Oktober 2007 wurde gebeten. Eine prüfbare
Bewerbung ist nicht eingegangen.
Mit Schreiben vom 19. Oktober 2009 bewarb sich
der Petent mit einem an den Oberbürgermeister der
Stadt K. gerichteten Schreiben um einen Standplatz.
Dem Bewerbungsschreiben beigefügt waren ein Abdruck des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts
vom 27. Mai 2009, Az. 8 C 10.08.
Am 23. Oktober 2009 teilte die K. Marketing GmbH
dem Petenten unter Bezugnahme auf sein Schreiben
an den Oberbürgermeister der Stadt schriftlich mit,
dass die Fläche „Läger“ an Herrn T. H. vermietet sei
und teilte ihm auch dessen Anschrift mit.
Der Petent hat weder Widerspruch noch eine verwaltungsgerichtliche Klage erhoben.
Rechtliche Würdigung
a) Der Stadt K. ist es rechtlich nicht möglich, dem Begehren des Petenten, am Ostermarkt auf dem
Grundstück „Läger“ teilnehmen zu können, nachzukommen. Es handelt sich hierbei nicht um eine
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Drucksache 14 / 6253
städtische Veranstaltung oder einen festgesetzten
Markt. Vielmehr handelt es sich um eine privatrechtliche Angelegenheit, an der die Stadt K.
nicht beteiligt ist. Insbesondere hat die Stadt K.
keinen Einfluss auf die unternehmerischen Entscheidungen des Ostermarktveranstalters. Dies gilt
ebenso für die Stadtmarketing K. GmbH, die lediglich für den Jahrmarkt „Krämermarkt“ verantwortlich ist.
b) Die vom Petenten angeführte Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts kann hier nicht herangezogen werden. Es liegt insbesondere kein Sachverhalt vor, in dem sich die Stadt K. rechtswidrig
ihres Einflusses auf die Veranstaltung Ostermarkt
begeben hätte. Ein solcher Einfluss hat nie bestanden, die Veranstaltung beruhte von Anbeginn an
auf unternehmerischer Privatinitiative. In dem zitierten Urteil ging es um die Zulässigkeit der Privatisierung eines traditionell kommunal veranstalteten hessischen Weihnachtsmarkts und deren Vereinbarkeit mit der Garantie der kommunalen
Selbstverwaltung nach Art. 28 Abs. 2 des Grundgesetzes.
Die genannte Entscheidung ist in zahlreichen Fachzeitschriften abgedruckt und auch von den kommunalen Landesverbänden an ihre Mitglieder weitergegeben worden und daher den Städten und Gemeinden in Baden Württemberg bekannt. Soweit
der Petent pauschal vortragen lässt, einzelne badenwürttembergische Gemeinden hielten sich nicht an
die einschlägige Rechtsprechung – ohne jedoch
diese Gemeinden zu benennen – ist eine Überprüfung dieser Behauptung nicht möglich.
Die Entscheidung hat auch ein breites Echo in der
rechtswissenschaftlichen Literatur gefunden (vgl.
statt aller nur Ehlers, DVBl. 2009, 1456 f.; Winkler
JZ 2009, 427 ff.; Schönleitner, GewArch 2009, 486).
Die Entscheidung ist in der Fachliteratur höchst
umstritten (Schoch, DVBl. 2009, 1533 ff.: „Fehlentscheidung“), was aber angesichts der fehlenden
Vergleichbarkeit beider Sachverhalte – im dort entschiedenen Fall ging es um einen ursprünglich traditionell von einer hessischen Kommune veranstalteten Weihnachtsmarkt – dahinstehen kann.
c) Zusammenfassend ist nochmals festzustellen, dass
individuelle Interessen des Petenten durch die Stadt
K. nicht berührt werden, sie ist wie dargelegt nicht
der richtige Adressat seines Begehrens.
Beschlussempfehlung:
Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage
kann der Petition nicht abgeholfen werden.
Berichterstatter: Schwehr
Landtag von Baden-Württemberg
15. Petition 14/4005 betr. Beschwerde über das Finanzamt und das Finanzministerium
Dem Begehren des Petenten in seiner Petition auf Beantwortung seines Beschwerdeschreibens an den Herrn
Ministerpräsidenten sowie auf Auszahlung unpfändbarer Beträge wurde zwischenzeitlich in vollem Umfang
abgeholfen.
Beschlussempfehlung:
Die Petition wird, nachdem ihr abgeholfen
wurde, für erledigt erklärt.
Berichterstatter: Wölfle
Drucksache 14 / 6253
gungen geht es u. a. auch darum, die Kontrollbedürftigkeit des Finanzierungssystems zu reduzieren. Im
Mittelpunkt der Reformüberlegungen stehen daher die
Abkehr vom Gerätebezug und die zukünftige Anknüpfung der Rundfunkgebühr bspw. an einen Haushalt und eine Betriebsstätte. Dadurch könnte die Kontrollintensität deutlich reduziert werden, da der Nachweis des Vorhandenseins eines Rundfunkgerätes in
der Wohnung oder im Betrieb nicht mehr geführt werden müsste.
Die politische Diskussion über eine etwaige Umstellung des geltenden Finanzierungssystems für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist allerdings noch
nicht abgeschlossen, sodass derzeit nicht absehbar ist,
ob und in welcher Form das Finanzierungssystem reformiert werden wird.
Beschlussempfehlung:
Der Petition kann nicht abgeholfen werden.
16. Petition 14/4318 betr. Fernseh- und Rundfunkgebühren
Der Petent fordert die Umstellung des Finanzierungssystems für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf
ein Steuermodell, wodurch nach Auffassung des Petenten die Gebühreneinzugszentrale der Landesrundfunkanstalten (GEZ) abgeschafft werden könnte.
Die Zuständigkeit für die Gesetzgebung im Bereich
des Rundfunkrechts liegt bei den Ländern. Diese können nur einstimmig durch alle Ministerpräsidenten
entscheiden. Den Ministerpräsidenten wurden im Jahr
2007 mehrere Alternativmodelle zur Finanzierung des
öffentlich-rechtlichen Rundfunks vorgelegt, darunter
auch ein Steuermodell. Dieses Modell konnte im Länderkreis jedoch nicht die erforderliche Mehrheit erzielen.
Die vom Petenten angeregte Steuerlösung begegnet
überdies diversen verfassungsrechtlichen Bedenken,
insbesondere im Hinblick auf den Grundsatz der
Staatsferne des Rundfunks, des Budgetrechts des Parlaments sowie der Kompetenzordnung des Grundgesetzes.
Berichterstatter: Wölfle
17. Petition 14/3852 betr. Strafvollzug
Der Petent wendet sich gegen nächtliche Ruhestörungen durch Mitgefangene (1.) und gegen die Überweisung von 12 € an einen Gläubiger (2.).
Zu 1.:
Die Bediensteten der Justizvollzugsanstalt M. sind gehalten, den Beschwerden von Gefangenen über Lärmbelästigungen in der Ruhezeit nachzugehen und die
Störungen zu beseitigen.
Konkrete Beschwerden des Petenten über Störungen
der Ruhezeit sind der Anstaltsleitung der Justizvollzugsanstalt M. nicht bekannt. Eine Überprüfung seines Vorbringens war somit nicht möglich.
Der Grundsatz der Staatsferne des Rundfunks setzt
voraus, dass der Rundfunk unabhängig vom Staat
agieren kann. Dieser Grundsatz würde beeinträchtigt,
wenn die Regierung bzw. das Parlament über den
Staatshaushalt Einfluss auf den öffentlich-rechtlichen
Rundfunk ausüben könnte. Das Budgetrecht setzt
wiederum voraus, dass der Haushaltsplan erst vom
Parlament verbindlich festgesetzt wird. Die Existenz
„unantastbarer“ Haushaltspositionen, wie es die den
Rundfunkanstalten von Verfassungs wegen gewährte
Garantie einer bedarfsgerechten Finanzierung voraussetzen würde, stünde hierzu deutlich im Widerspruch.
Eine Steuerlösung würde zudem die Änderung des
Grundgesetzes voraussetzen, da die Gesetzgebung im
Bereich des Rundfunks den Ländern zusteht, wohingegen die Festlegung von Bundessteuern allein in der
Kompetenz des Bundes liegt.
Zu 2.:
Ungeachtet dessen gibt es Überlegungen, das bestehende Finanzierungssystem des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu reformieren. Bei diesen Überle-
Die Kosten für den Strom- und Satellitenanschluss
sind demgegenüber nach der geltenden Rechtslage
von den Gefangenen selbst zu erwirtschaften. Hierzu
Die Mutter des Petenten zahlte 12 € zweckgebunden
für den Strom- und Satellitenanschluss auf das Eigengeldkonto des Petenten ein. Trotz dieser Zweckbindung wurde das Geld durch den Zahlstellenverwalter
an einen Gläubiger des Petenten überwiesen.
Einzahlungen Dritter werden grundsätzlich dem Eigengeldkonto des Gefangenen gutgeschrieben und unterliegen damit dem Zugriff der Gläubiger. Eingezahlte Gelder sind ausnahmsweise nicht pfändbar, wenn sie
zweckgebunden für den Postverkehr oder für die Wiedereingliederung des Gefangenen überwiesen wurden.
Der Wiedereingliederung dienen beispielsweise Zahlungen für die Eigenbeteiligung bei Zahnersatz und
Brillen, für die Aus- und Fortbildung sowie für die
Entlassungsvorbereitung.
21
Landtag von Baden-Württemberg
sind sie durch Arbeit in der Justizvollzugsanstalt in
der Lage. Das von der Mutter des Petenten einbezahlte Geld wurde deshalb dem Eigengeldkonto des Petenten gutgeschrieben und war damit dem Zugriff der
Gläubiger unterworfen.
Die Mutter des Petenten wurde über dieses Vorgehen
informiert.
Die Vorgehensweise der Justizvollzugsanstalt M. ist
nicht zu beanstanden.
Beschlussempfehlung:
Der Petition kann nicht abgeholfen werden.
Berichterstatter: Zimmermann
18. Petition 14/3909 betr. Rentensache
Der am 21. Februar 1923 geborene Petent wendet sich
mit seiner Eingabe gegen die Einstellung seiner Altersrente zum 31. März 2009. Er gibt an, dass die Einstellung der laufenden Rentenzahlung ohne Begründung erfolgte und er sich aufgrund des fehlenden
Rentenbezuges bereits verschuldet habe.
Darüber hinaus kann der Petent nicht nachvollziehen,
weshalb die Deutsche Rentenversicherung Bayern Süd
nunmehr für ihn zuständig sei und bittet darum, seine
Leistungsakte wieder an die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg als zuständigen Versicherungsträger zu übersenden.
Die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg hat nach Überprüfung des Sachverhaltes mitgeteilt, dass die laufende Zahlung der Altersrente des
Petenten zum 31. März 2009 eingestellt wurde. Zuvor
waren sämtliche an den Petenten gerichtete Schreiben
mit dem Vermerk „nicht zustellbar“ über den Postweg
an den Rentenversicherungsträger zurückgeleitet worden. Das Einwohnermeldeamt in O. gab jedoch die
dem Rentenversicherungsträger bekannte Adresse als
aktuell gemeldeten Wohnort des Petenten an. Um eine
eventuell auftretende Rentenüberzahlung zu vermeiden, wurde schließlich – wie oben bereits angeführt –
die laufende Rentenzahlung des Petenten bis zu dessen Selbstmeldung eingestellt.
Anfang Juli 2009 meldete sich der Petitionsführer bei
der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg und teilte mit, dass er sich überwiegend in Tschechien aufhalte. Er sei zwar noch in O. gemeldet, der
dortige Briefkasten sei aber während seiner Abwesenheit nicht zugänglich. Aus diesem Grund solle seine
Post zukünftig an die tschechische Anschrift übersandt
werden. Am 10. Juli 2009 erfolgte daraufhin die Abgabe der Leistungsakte an die Deutsche Rentenversicherung Bayern Süd in L. zur Zahlungsübernahme
der Altersrente als zuständige Verbindungsstelle bei
überwiegendem Aufenthalt in Tschechien.
Mitte August 2009 erschien der Petent jedoch persönlich bei der Beratungsstelle der Deutschen Rentenver-
22
Drucksache 14 / 6253
sicherung Baden-Württemberg am Sitz S.-F. und teilte mit, dass es sich bei der Abgabe an die Deutsche
Rentenversicherung Bayern Süd um ein Missverständnis handle. Sein Hauptwohnsitz sei nicht Tschechien. Dort sei er lediglich vorübergehend als Missionar tätig. Aus diesem Grund solle seine Leistungsakte
wieder an die Deutsche Rentenversicherung BadenWürttemberg als zuständiger Versicherungsträger zurückgesandt und die Auszahlung seiner Altersrente auf
das bekannte Bankkonto in Deutschland veranlasst
werden.
Die Deutsche Rentenversicherung Bayern Süd teilte
der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg jedoch telefonisch mit, dass der Petent auch Versicherungszeiten in der Tschechischen Republik zurückgelegt hat und somit die Zuständigkeit des Regionalträgers in L. gegeben ist. Am 24. August 2009 hat
die Deutsche Rentenversicherung Bayern Süd die
Rentenzahlung des Petenten wieder angewiesen. Der
Bescheid vom 24. August 2009, der an die Anschrift
in O. gerichtet war, kam jedoch mit dem Vermerk
„nicht zustellbar“ an den Versicherungsträger nach L.
zurück. Daraufhin wurde der Bescheid an die Anschrift des Petenten in die Tschechische Republik gesandt. Nach derzeitigem Sachstand ist er noch nicht
als „unzustellbar“ zurückgesandt worden. Die Nachzahlung für den Zeitraum vom 1. April 2009 bis
30. September 2009 und der laufende Rentenzahlbetrag für Oktober 2009 wurden jeweils über den
Postrentendienst am 3. September 2009 bzw. am
30. September 2009 auf das Bankkonto des Petenten
in Deutschland überwiesen.
Im Hinblick auf die vorübergehende Einstellung der
Altersrente ist anzuführen, dass die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg bei Nichterreichbarkeit des Rentners die laufende Rentenzahlung nach
einem angemessenen Zeitraum (mehrere Monate) bis
zu dessen Selbstmeldung einstellt, um eventuell auftretende Rentenüberzahlungen (z. B. wegen Todes) zu
vermeiden. Der Briefkasten des Petenten in O. ist
während seiner Abwesenheit nicht zugänglich. Da der
Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg
die tschechische Anschrift des Petenten jedoch nicht
bekannt war, konnten die an den Petitionsführer gerichteten Schreiben nicht zugestellt werden. Aus diesem Grund hat der Rentenversicherungsträger nach
einem angemessenen Zeitraum die Altersrente des Petenten zum 31. März 2009 eingestellt. Vor dem Hintergrund der Vermeidung einer möglichen Rentenüberzahlung ist die Entscheidung der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg nicht zu beanstanden.
Die anschließende Abgabe der Leistungsakte an die
Deutsche Rentenversicherung Bayern Süd ist auf die
Regelungen der Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71
und Nr. 574/72 (EWG-Verordnungen) zurückzuführen. Die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten
der Europäischen Union (EU) auf dem Gebiet der
sozialen Sicherheit werden hauptsächlich durch die
EWG-Verordnungen geregelt. Diese Verordnungen,
die seit dem 1. Mai 2004 auch für die Tschechische
Republik Anwendung finden, koordinieren die unter-
Landtag von Baden-Württemberg
schiedlichen Systeme der sozialen Sicherheit der EUMitgliedstaaten. Gegenüber den nationalen Vorschriften sind sie vorrangig und lösen grundsätzlich die bisher mit einem Teil der Mitgliedstaaten bestehenden
Sozialversicherungsabkommen, beispielsweise auch
das deutsch-tschechische Sozialversicherungsabkommen vom 27. Juli 2001, ab.
Sofern das Versicherungskonto bei einem Regionalträger der Deutschen Rentenversicherung geführt wird,
ist nach den EWG-Verordnungen regelmäßig die Deutsche Rentenversicherung Bayern Süd in L. als Verbindungsstelle für die Feststellung und Erbringung von
Leistungen zuständig, wenn
• bei Aufenthalt des Rentenberechtigten in Deutschland der letzte außerdeutsche Beitrag in der Tschechischen Republik zurückgelegt wurde,
• der Rentenberechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Tschechischen Republik hat oder
• sich dieser als tschechischer Staatsangehöriger gewöhnlich in einem Drittstaat aufhält.
Da der Petent Versicherungszeiten in der Tschechischen Republik zurückgelegt hat, ist die Deutsche
Rentenversicherung Bayern Süd als Verbindungsstelle für die Rentenzahlung des Petenten zuständig. Dabei ist es unerheblich, ob sich der Petitionsführer
überwiegend in Deutschland oder in Tschechien aufhält. Die Abgabe der Leistungsakte des Petenten an
die Deutsche Rentenversicherung Bayern Süd zur
Zahlungsübernahme der Altersrente erfolgte daher zu
Recht und ist nicht zu beanstanden.
Beschlussempfehlung:
Der Petition kann nicht abgeholfen werden.
Berichterstatter: Zimmermann
19. Petition 14/4009 betr. Bausache
Der Petent wendet sich gegen eine Abgrabung auf
dem angrenzenden Grundstück.
Der Petent trägt vor, im Zusammenhang mit dem
Neubau eines Doppelhauses auf dem Nachbargrundstück B.-Straße 99 im Jahr 1979 sei das Gelände abgegraben worden. Dieses sei seinerzeit zur Hälfte mit
einer Betonmauer und im Übrigen durch eine Erdanhäufung mit einem „50 %-Gefälle“ gesichert worden. Diese Erdanhäufung sei jetzt abgegraben worden, sodass in Höhe der gemeinsamen Grenze eine
Geländekante ohne jegliche Abstützung verlaufe.
Die untere Baurechtsbehörde stellte im Petitionsverfahren fest, dass durch die wohl im Juli 2009 vorgenommenen Abgrabungen die Standsicherheit des
Geländes und der Einfriedigung auf dem Grundstück
B.-Straße 97 nicht mehr auf Dauer gewährleistet ist.
Sie forderte die Eigentümerin des Grundstücks B.Straße 99 mit Schreiben vom 2. Dezember 2009 auf,
Drucksache 14 / 6253
die Standsicherheit durch geeignete Maßnahmen wieder herzustellen, zum Beispiel durch eine Böschung,
durch eine Stützmauer, durch L-Steine oder mittels an
Stützpfosten befestigten Schaltafeln, Dielen oder ähnlichem. Gleichzeitig wurde ihr angekündigt, dass die
untere Baurechtsbehörde auf der Grundlage des § 47
LBO erforderlichenfalls eine förmliche baurechtliche
Anordnung treffen werde, wenn die Standsicherheit
nicht bis zum 21. Dezember 2009 hergestellt sei.
Soweit in der Petition eine frühere „abgelehnte Beschwerde beim Bauamt“ erwähnt ist, dürfte es sich
um eine frühere Vorsprache des Petenten bei der Stadt
handeln, die aber nicht selbst untere Baurechtsbehörde ist. Die Stadt bestätigte, der Petent und seine
Ehefrau hätten sich bereits 2005 über die Verhältnisse
auf dem Nachbargrundstück beschwert. Seinerzeit sei
auch angesprochen worden, dass entgegen der Regelung des seit 1970 rechtsgültigen maßgebenden Bebauungsplans „B.“ (Ziffer 1 der bauordnungsrechtlichen Festsetzungen)
„Aufschüttungen und Abgrabungen über 0,5 m
Höhenunterschied gegenüber dem bestehenden Gelände bedürfen der baurechtlichen Genehmigung
(§ 111 Abs. 2 Nr. 2 LBO)“
für die Abgrabung auf dem Nachbargrundstück keine
Baugenehmigung erteilt worden sei.
Die von der Stadt beteiligte untere Baurechtsbehörde
stellte damals fest, dass die angeböschte Abgrabung
die Standsicherheit des angrenzenden höher gelegenen Geländes nicht gefährdete.
In diesem Zusammenhang machte die untere Baurechtsbehörde das Stadtbauamt der Stadt darauf aufmerksam, dass die Landesbauordnung (LBO) vom
8. August 1995 (LBO) für die Gemeinden keine Ermächtigung mehr zur Einführung einer Baugenehmigungspflicht für verfahrensfreie Vorhaben vorsehe
und selbstständige Abgrabungen bis 3 m Tiefe deshalb nach dem Anhang Nr. 67 zu § 50 Abs. 1 LBO
verfahrensfrei seien.
Die Stadt hat bisher die mit dem Bebauungsplan erlassene örtliche Bauvorschrift zur Genehmigungspflicht von Abgrabungen noch nicht aufgehoben. Im
Petitionsverfahren teilte sie nun mit, dass für den seit
1970 rechtskräftigen Bebauungsplan „B.“ ein Änderungsverfahren eingeleitet werde und in diesem Zusammenhang die bisher geltende Ziffer 1 der bauordnungsrechtlichen Festsetzungen, wonach Aufschüttungen und Abgrabungen über 0,5 m Höhenunterschied gegenüber dem bestehenden Gelände einer
Baugenehmigung bedürfen, auch förmlich aufgehoben werden soll.
Nach § 50 Abs. 5 LBO müssen verfahrensfreie Vorhaben ebenso wie genehmigungspflichtige Vorhaben
den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entsprechen.
Bei der bauordnungsrechtlichen Beurteilung der vorgenommenen Abgrabung kommt es deshalb nicht darauf an, ob diese genehmigungspflichtig oder verfahrensfrei war.
Nach § 2 Abs. 1 Satz 3 LBO gelten Abgrabungen als
bauliche Anlagen. Diese müssen nach § 13 Abs. 1
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Landtag von Baden-Württemberg
LBO standsicher sein, müssen nach § 3 Abs. 2 LBO
dauerhaft bestehen können und dürfen andere Anlagen die sich auf dem Nachbargrundstück befinden
sowie die Tragfähigkeit des Baugrunds des Nachbargrundstücks nicht konkret gefährden (§ 2 Abs. 1
LBO). Nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen wies die
untere Baurechtsbehörde die Eigentümerin des Grundstücks zunächst auf die durch die Abgrabung entstandenen Gefahren für das angrenzende Gelände und die
Einfriedigung hin und wird, falls bis zum Ablauf der
gestellten Frist die Gefahren nicht beseitigt sind, auf
der Grundlage des § 47 LBO die Wiederherstellung
ordnungsgemäßer Zustände anordnen und überwachen.
Nach § 904 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)
darf ein Grundstück nicht in der Weise vertieft werden, dass der Boden des Nachbargrundstücks die erforderliche Stütze verliert, es sei denn, dass für eine
genügende anderweitige Befestigung gesorgt ist. Dem
Petenten steht zur Wahrung seiner Rechte auch der
Zivilrechtsweg offen.
Nach Maßgabe des § 111 Abs. 2 Nr. 2 LBO 1964 oder
des § 73 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 4 der LBO 1972 konnten die Gemeinden durch örtliche Bauvorschriften
eine Genehmigungspflicht für genehmigungs- und anzeigefreie bauliche Anlagen einführen. Die Stadt hat
von diesem Recht durch Erlass von örtlichen Bauvorschriften für den Bebauungsplan „B.“, mit denen eine
Genehmigungspflicht für Abgrabungen über 0,50 m
eingeführt wurde, Gebrauch gemacht.
Mit der LBO vom 8. August 1995 hat der Gesetzgeber die verfahrensmäßige Behandlung von Baumaßnahmen neu geordnet. Zu dieser Neuordnung stehen
die früher erlassenen örtlichen Bauvorschriften über
die Einführung einer Genehmigungspflicht für die
durch Gesetz als verfahrensfrei festgelegte Baumaßnahmen im Widerspruch. Deshalb sind die aufgrund
früherer gesetzlicher Ermächtigungen durch Gemeinden eingeführten Genehmigungspflichten für verfahrensfreie Vorhaben spätestens mit dem Inkrafttreten
der LBO am 1. Januar 1996 außer Kraft getreten (vgl.
auch Sauter, LBO, 3. Auflage, RdNr. 69 zu § 74 LBO).
Nach § 74 Abs. 1 LBO können die Gemeinden seit
1996 für verfahrensfreie Vorhaben nur noch das Erfordernis einer Kenntnisgabe vorschreiben zur Durchführung baugestalterischer Absichten, zur Einhaltung
schützenswerter Bauteile, zum Schutz bestimmter
Bauten, Straßen, Plätze oder Ortsteile von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung
sowie zum Schutz von Kultur- und Naturdenkmalen.
Da der frühere gemeindliche Genehmigungsvorbehalt
außer Kraft getreten ist und die Stadt nicht beabsichtigt, für Abgrabungen unter 3 m Tiefe das Kenntnisgabeverfahren einzuführen, ist es konsequent, dass
sich die Stadt jetzt dazu entschlossen hat, die im Zusammenhang mit dem Bebauungsplan „B.“ getroffenen Regelungen förmlich aufzuheben und damit dem
geltenden Recht anzupassen.
Der Petition ist abgeholfen, nachdem die untere Baurechtsbehörde die notwendigen bauordnungsrechtlichen Maßnahmen bereits veranlasst hat und die Herstellung der Standsicherheit erforderlichenfalls förm-
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lich anordnen und durchsetzen wird und die Stadt angekündigt hat, die außer Kraft getretenen örtlichen
Bauvorschriften förmlich aufzuheben.
Anmerkung des Berichterstatters: Dies gilt insbesondere für die jüngst entstandenen Abrutschungen.
Wie das Wirtschaftsministerium dem Petitionsausschuss ergänzend mitgeteilt hat, ist die Eigentümerin
des Nachbargrundstückes des Petenten der Aufforderung der unteren Baurechtsbehörde zwischenzeitlich nachgekommen. Das Gelände im Bereich der
Grenze zu dem Grundstück des Petenten wurde wieder angeböscht. Nach Auffassung des Bauverständigen der Kreisbaumeisterstelle ist die Standsicherheit
des Geländes damit wieder gewährleistet.
Beschlussempfehlung:
Die Petition wird, nachdem ihr abgeholfen
wurde, für erledigt erklärt.
Berichterstatter: Zimmermann
20. Petition 14/4296 betr. Strafvollzug u. a.
Der Petent, am 1. Juni 1941 geborener britischer
Staatsangehöriger, saß vom 6. April 2005 bis 2. November 2005 in der Justizvollzugsanstalt K. in Auslieferungshaft. Am 2. November 2005 wurde er in
die Justizvollzugsanstalt F. des Bundeslandes H. verlegt und von dort aus an das Vereinigte Königreich
ausgeliefert, wo er nach wie vor inhaftiert zu sein
scheint. Die Auslieferung wurde betrieben aufgrund
eines Haftbefehls des Oberlandesgerichts K. vom
11. April 2005. Hintergrund war eine Verurteilung
des Petenten zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren
durch das britische Krongericht C. wegen Vergewaltigung bzw. unzüchtiger Handlungen zum Nachteil
eines Kindes.
Der Petent beklagt, dass er im Rahmen des Auslieferungsverfahrens rechtswidrig und menschenunwürdig behandelt worden sei, insbesondere in der Justizvollzugsanstalt K. Er sei dort viereinhalb Monate in
Einzelhaft untergebracht gewesen und habe weder an
sportlichen Aktivitäten noch am Hofgang teilnehmen
können. Dies habe zu erheblichen gesundheitlichen
Problemen geführt. Des Weiteren sei eine Eingabe an
den „German Federal Court“ nicht weitergegeben
und ein öffentliches Gerichtsverfahren verweigert
worden.
Der Petent bittet um Rat, wie er gegen die beteiligten
Stellen vorgehen soll. Darüber hinaus bittet er um
Übersendung seiner Krankenakte und um alle weiteren Unterlagen im Zusammenhang mit seinem Verfahren und seinem Gefängnisaufenthalt in Deutschland.
Was die vollzugsbezogenen Anliegen des Petenten
betrifft, ist richtig, dass der Petent in der Justizvollzugsanstalt K. durchgängig in einem Einzelhaftraum
Landtag von Baden-Württemberg
Drucksache 14 / 6253
untergebracht war. Dies entsprach und entspricht baulich bedingt der gängigen Unterbringung in dieser
Vollzugseinrichtung. Auch rechtlich bestand gerade
keine Veranlassung für eine gemeinschaftliche Unterbringung. Dies folgte aus § 27 IRG i. V. m. Nr. 23
Abs. 1 UVollzO.
von der nach § 77 IRG i. V. m. § 147 Abs. 7, 5 StPO
zuständigen Stelle Abschriften erteilen zu lassen.
Dass er dies dort bereits begehrt hat, ist nicht ersichtlich.
Mit dieser Art der Unterbringung war der Petent
auch nicht von sportlichen Aktivitäten und der Teilnahme am Hofgang ausgeschlossen. Auf beides hat
er von sich aus ausdrücklich verzichtet. Der Petent
sah sich wegen der Art der abgeurteilten Taten bei der
Teilnahme an Gemeinschaftsaktivitäten einer Gefährdung ausgesetzt. Den ihm deshalb von der Justizvollzugsanstalt angebotenen Einzelhofgang und verschiedene eigens für ihn eröffnete Möglichkeiten, sich allein sportlich zu betätigen, lehnte er ebenfalls ab.
Der Petition kann somit nicht abgeholfen
werden.
Beschlussempfehlung:
Berichterstatter: Zimmermann
28. 04. 2010
Der Vorsitzende:
Döpper
Es liegen keine Erkenntnisse vor, dass der Petent
durch die Art der Unterbringung gesundheitliche
Schäden erlitt. Zwar trifft zu, dass der Petent beim
ärztlichen Dienst der Anstalt wegen Ödemen an den
Beinen vorstellig wurde. Diese sind allerdings – wie
eine Überprüfung durch die Medizinalreferentin des
Justizministeriums ergeben hat – im Zusammenhang
mit einem erheblichen Übergewicht und einer Venenerkrankung zu sehen. Diese wurde mittels Beinwickelung fachgerecht behandelt und lässt sich nicht mit
der Art der Unterbringung in einen Zusammenhang
bringen.
Ebenso wenig liegen Erkenntnisse vor, dass die Justizvollzugsanstalt ein an ein Gericht gerichtetes Schreiben
des Petenten nicht weitergeleitet hätte. Die veranlasste
Überprüfung hat keinerlei Anhaltspunkte in diese Richtung ergeben.
Schließlich ist auch nicht ersichtlich, weshalb während
des Aufenthalts des Petenten in Baden-Württemberg
Anlass bestanden haben soll, im Hinblick auf die Auslieferung ein öffentliches Gerichtsverfahren durchzuführen. Ein solches sieht das Auslieferungsverfahren
nach dem IRG nicht vor.
Die Verfahrensweise der Justizvollzugsanstalt K. und
der weiter beteiligten Stellen der baden-württembergischen Justiz ist nicht zu beanstanden.
Schon deshalb besteht kein Anlass, dem Petenten die
erbetenen Ratschläge für diesbezügliche rechtliche
Schritte zu erteilen.
Im Übrigen besteht auch für eine Übersendung der
während des Aufenthalts des Petenten in der Justizvollzugsanstalt K. dort angefallenen Akten keine
rechtliche Grundlage. Nach der hier maßgeblichen
Vorschrift des § 185 StVollzG erhält der (ehemalige)
Gefangene Akteneinsicht nur, soweit eine Auskunft
für die Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen
nicht ausreicht und er hierfür auf die Einsichtnahme
angewiesen ist. Beides wird vom Petenten nicht
(konkret) vorgetragen und ist auch sonst nicht ersichtlich.
Auch die Einsicht in die im Rahmen des Auslieferungsverfahrens angefallenen Akten kann der Petent
nicht beanspruchen (§ 77 IRG i. V. m. § 147 StPO).
Dem Petenten war und ist aber unbenommen, sich
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