Die Unvollendete – neu gehört
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Die Unvollendete – neu gehört
7. NOV 2015 Die Unvollendete – neu gehört F R AU E N K I R C H E PHIL 2015/16 PROGRAMM Franz Schubert (1797–1828) Sinfonie in h-Moll D 759 „Unvollendete“ (1822) Allegro moderato Andante con moto composer in Residence I José María Sánchez-Verdú (*1968) „Libro del frío“ – Buch der Kälte (2008) für Countertenor, Orgel, Orchester und fünf Orchestergruppen nach Gedichten von Antonio Gamoneda D e u t sc he E r stau f f ü hr u n g I Tengo frío junto a los manantiales / Ich friere bei den Quellen II Alguien ha entrado en la memoria blanca / Jemand ist in die weiße Erinnerung eingetreten Interludio I III Hay un anciano ante una senda vacía / Da ist ein alter Mann vor einem leeren Pfad IV Amé todas las pérdidas / Ich habe alle meine Verluste geliebt Interludio II V Tú no estás ya en tus oídos / Du bist nicht mehr in deinen Ohren VI Frío de límites / Kälte der Grenze VII Ya sólo hay luz dentro de mis ojos / Nun habe ich Licht nur innen in meinen Augen Carlos Mena | Countertenor Samuel Kummer | Orgel Simone Young | Dirigentin 1 Franz Schubert Die Unvollendete Wohl kaum ein anderes Meisterwerk der klassischen Musik ist von so zahlreichen Mythen und Legenden umgeben wie Franz Schuberts fragmentarische h-Moll-Sinfonie. Der Beiname „Unvollendete“ ist nicht im Sinne etwas Unvollkommenen, Unfertigen, nicht ganz Bewältigten zu verstehen, sondern hat hier eine ganz besondere Qualität des einzigartig Schicksalhaften, Geheimnisvollen, Zukunftsweisenden. Über die Gründe, warum Schubert das Werk unfertig hinterließ, ist so viel gerätselt worden, dass jede weitere Hypothese die Verwirrung nur vergrößern würde. Sicher ist, dass Schubert einen dritten Satz geplant hatte. Das Manuskript der Sinfonie lag lange Jahre bei Schuberts Freund Anselm Hüttenbrenner. Unter Aufwendung von beträchtlichem diplomatischem Geschick gelang es 1865 Johann Herbeck, 2 die Partitur von Hüttenbrenner zu erhalten. Noch im selben Jahr erfolgte die Uraufführung in der Wiener Hofburg. Das Jahr 1822, in dem die Sinfonie entstand, war für Schuberts kompositorische Entwicklung entscheidend. Nach der Krise der Jahre 1818-1821 gelangte er zu einem neuen kompositorischen Selbstbewusstsein. Man kann die „Unvollendete“ als einen Gegenentwurf zu den Sinfonien Beethovens verstehen. Sie weicht in fast allen Punkten vom Beethovenschen Sinfonieideal ab, ohne die mit diesem Ideal verbundenen Ansprüche aufzugeben. Sie schafft eine gänzlich eigene, in sich vollkommen stimmige Welt, von der Wege vor allem zur Sinfonik Anton Bruckners führen. Die Formidee des ersten Satzes der „Unvollendeten“ ist höchst originell und kennt keine 7. NOV 2015, SA, 20 Uhr | Frauenkirche klassischen Vorbilder. Sie beruht darauf, dass die Anfangstakte – die Abbreviatur einer klassischen „langsamen Einleitung“ – die gesamte Durchführung und die Coda des Satzes bestimmen, während erstes und zweites Thema in beiden keine Rolle spielen. Die Sonatenhauptsatzform wird so nur ganz äußerlich gewahrt, die innere Struktur ist eine völlig abweichende. Alles, was der Satz an Dramatik enthält, entwickelt sich aus dem Anfangsthema. Erstes und zweites Thema wirken dagegen wie lyrische Inseln. Vor allem das berühmte zweite Thema – die unwiderstehliche Cello-Melodie – wirkt wie ein vorübergehender Blick ins Paradies. Die Brutalität, mit der dieser Moment des Glücks zerstört wird, öffnet den Blick in Schreckenswelten, von denen Beethovens Symphonik nichts weiß. Es ist sehr merkwürdig, wie sehr sich der zweite Satz bei fast gleichem Tempo und gleicher Bewegungsart (das 3/4-Allegro des ersten Satzes entspricht ziemlich genau dem 3/8-Andante des zweiten) von seinem Vorgänger unterscheidet. Dazu trägt zunächst einmal die strahlende Tonart E-Dur bei, die sich wirkungsvoll vom düsteren und in der Sinfonik äußerst selten verwendeten h-Moll abhebt. Die lyrischen Inseln des ersten Satzes werden hier gleichsam zum Festland. Der ganze Satz ist von unvergleichlichem melodischen Zauber. Daneben macht sich der Ton einer gehobenen Feierlichkeit bemerkbar, der sich auch sonst bei Schubert öfter findet: eine getragene Feststimmung, die man mit der Erfahrung katholischer Zeremonien in Verbindung bringen kann. Der Satz endet in reinstem Frieden. Franz Schubert * 31. Januar 1797, Wien † 19. November 1828, Wien Sinfonie h-Moll D 759 »Unvollendete« Entstehung 1822 Uraufführung 17. Dezember 1865 im Musikvereinssaal Wien unter der Leitung von Johann Herbeck Letzte Aufführung der Dresdner Philharmonie 13. April 2014, Michael Sanderling, Dirigent Spieldauer ca. 24 Minuten Besetzung 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 2 Hörner, 2 Trompeten, 3 Posaunen Pauken, Streicher Die Unvollendete – neu gehört 3 José María Sánchez-Verdú L i b r o d e l f r í o – Bu c h d e r K ä lt e José María Sánchez-Verdú, aus Spanien stammend und zur Zeit in Zaragoza und Düsseldorf lehrend, ist composer in residence der Dresdner Philharmonie in der Spielzeit 2015/16. Für den vielseitig interessierten Sánchez-Verdú ist Dresden durch das Zusammenspiel von Architektur, Kulturleben und Landschaft eine außergewöhnliche Stadt. Die Frauenkirche ist ein Ort, der für die Aufführung der Musik von Sánchez-Verdú besonders geeignet ist – immer wieder hat sich der Komponist mit musikalischen Raumwirkungen auseinandergesetzt. Der Raumpolyphonie entspricht in Sánchez‘ Werk auch eine Polyphonie der künstlerischen Inspirationsquellen. Er bezieht sich oft auf die Literatur, wobei neben den inhaltlichen auch deren strukturelle und kalligraphische Aspekte eine Rolle spielen. Seine Interessen schließen dabei auch entlegenere Bereiche wie 4 die arabische Poesie ein. Sánchez-Verdús vierte Oper „GRAMMA – Gärten der Schrift“ hat die Rolle des literarischen Textes zum Thema: Text als Erinnerung, als Vergessen, als Macht, als Kalligraphie... Der Komponist bezieht sich auf Platos „Phaedrus“ genauso wie auf Jacques Derridas „Grammatologie“. Der Text von Sánchez‘ „Libro del frío“ stammt von dem bedeutenden spanischen Lyriker Antonio Gamoneda. Die spanische Lyrik des 20. Jahrhunderts ist überwältigend reich. In Deutschland ist fast nur das Werk Federico García Lorcas bekanntgeworden, und auch von diesem eher die Dramen als die Gedichte. Antonio Gamonedas Dichtungen tragen die lyrische Tradition Spaniens ins 21. Jahrhundert. Sie sind oft von Trauer und Melancholie geprägt. Ihre so zurückhaltende wie eindringliche Sprache erlaubt es, sie zu den 7. NOV 2015, SA, 20 Uhr | Frauenkirche wichtigsten Zeugnissen der zeitgenössischen Lyrik überhaupt zu zählen. Antonio Gamoneda wurde 1931 in Asturien geboren. Sein Vater war ein modernistischer Lyriker. Er starb, als Antonio ein Jahr alt war. An den Gedichten seines Vaters lernte Antonio lesen. Für seine Jugend waren die Ereignisse des Bürgerkriegs bestimmend. Armut, Unterdrückung und Tod gehörten zu seinen ständigen Erfahrungen. Seinen Lebensunterhalt verdiente Gamoneda von 1945 bis 1969 als Bankbote. Seit 1947 entstanden erste Gedichte. Sein Leben wurde vom Widerstand gegen den Diktator Francisco Franco geprägt. Nach dessen Tod erlebte Gamoneda eine ideologische und existentielle Krise. Acht Jahre lang schrieb er keine Gedichte. Mit dem 1992 erschienenen „Libro del frío“ wurde er zu einem der bedeu- tendsten Lyriker Spaniens. 2000 veröffentlichte er die erweiterte und endgültige Fassung des „Libro del frío“. José María Sánchez-Verdú hat sich seit vielen Jahren mit der Lyrik Antonio Gamonedas und vor allem mit dem „Libro del frío“ auseinandergesetzt. Sánchez-Verdú beschreibt Gamoneda als einen Dichter, für den „die Distanz zwischen Poesie und Musik minimal klein ist“. Bei Gamoneda sind Sánchez zufolge „die Assoziationen zu klanglichen Welten kontinuierlich, seine Bilder sind voller akustischer Tiefen, mit Echos einer stilisierten Alltäglichkeit, mit seltsamen Abgründen und fernen Gewölben …“. – Gamonedas Poesie ist in gewisser Weise ein Letztes Wort, und der Dichter fragt: „Wird auch die Musik enden?“ Die Unvollendete – neu gehört 5 Antonio Gamoneda Was der Musik bei Gamoneda noch zu tun bleibt, ist vielleicht, dem lyrischen Wort einen Resonanzraum zu schaffen, die in der Poesie angelegten musikalischen Linien auszuziehen und den Schatz der rein musikalischen Bildersprache in den Dienst der Dichtung zu stellen. Sánchez wurde bei der Vertonung durch die Stimme des mit ihm befreundeten Countertenors Carlos Mena inspiriert, der schon die Rolle des Seminarista in seiner Oper „El viaje a Simorgh“ (Die Reise nach Simorgh) im Teatro Real in Madrid gesungen hatte. Daneben wollte er die Raumwirkung der Kathedrale von León nutzen, in der die Uraufführung stattfand. Mit dem Uraufführungsort hängt auch die bevorzugte Rolle zusammen, die die Orgel im „Libro del frio“ spielt. Die Orgel ist für Sánchez ein Instrument, das in den Sinnen und in der Erinnerung tiefe Gefühle freisetzt. Der persönlichen Erfahrung des Komponisten verdankt sich auch das Zitat des gregorianischen Salve Regina am Ende des Werks. 6 Im Kloster Santa María de Carrizo bei León singen die Nonnen täglich am Abend diesen Choral; das Kloster bleibt völlig dunkel und nur ein schwaches Licht erhellt die alte hölzerne Statue der Jungfrau Maria. Sánchez hat diesen Lichteffekt in seine Musik übertragen. Überdies hat er große Teile der Komposition in Santa María de Carrizo geschrieben. Und er erfuhr, dass auch Antonio Gamoneda sich in diesem Kloster aufgehalten hatte und dort am Text des „Libro del frío“ gearbeitet hatte... Santa María de Carrizo und León, Worte und Musik, Räume und Zeiten, alle scheinen in einer eigenen Dimension zu verschmelzen… Im wunderschönen Innenraum der Dresdner Frauenkirche wird das „Libro del frío“ ganz neue musikalische Raumwirkungen hervorbringen. Das Zusammenspiel von Gedicht, Musik und Architektur wird ein völlig anderes sein als bei der Uraufführung in der Kathedrale von León. Dabei spielt nach Möglichkeit auch 7. NOV 2015, SA, 20 Uhr | Frauenkirche José María Sánchez-Verdú * 7. März 1968 in Algeciras, Spanien die Dramaturgie des Lichts eine große Rolle. Sánchez sagt darüber: Jenseits der Klang- und Architekturräume, die beide auf die Texte Gamonedas zurückgehen, wollte ich in Libro del frío auch ein spezielles sinnliches Feld öffnen: den Gebrauch des Lichts in der Partitur als parallele Dramaturgie. Die Komposition durchläuft in ihrer klanglichen Dramaturgie auch eine Reise durch das Licht. Der Anfang muss aus der Dunkelheit entstehen, aus der Schattenwelt (der Countertenor fängt möglichst nur mit einer Kerze auf dem Pult an). Und langsam, mit den verschiedenen Chören und Orchestergruppen im Raum, öffnet das Licht die ganze Architektur. In dieser Bewegung auf der Suche nach Licht werden der Countertenor und die verschiedenen Chöre das Licht im ganzen Raum verbreiten. Am Schluss der Komposition „kommt die Dunkelheit wieder, selbst wenn die Stimme ‚Luz‘ (Licht) singt … Das Stück kehrt wieder zum Schatten zurück.“ » L i b r o d e l f r í o « ( Bu c h d e r Kä lt e ) für Countertenor, Orgel, Orchester und fünf Orchestergruppen nach Gedichten von Antonio Gamoneda Entstehung 2007 – 2008 Uraufführung 3. Oktober 2008 in der Kathedrale von León, Spanien Spieldauer ca. 45 Minuten Besetzung Countertenor, Orgel Fünf Orchestergruppen: Coro I: Horn, Trompete, Posaune, Streichquintett, Tom-Tom Coro II: Horn, Trompete, Posaune, Streichquintett, Tom-Tom Coro III: Flöte, Piccoloflöte, Oboe, Klarinette, Bassklarinette, Fagott, Kontrafagott, Crotales Coro IV: Violine I, Violine II Coro V: Horn Hauptorchester: Flöte (Piccolo und Bassflöte), Oboe, Kontrabassklarinette, Kontrafagott, 2 Hörner, 2 Trompeten, 2 Posaunen, Tuba Schlagwerk, Harfe, Streicher Die Unvollendete – neu gehört 7 ANTONIO GAMONEDA: Der poetische Gedanke, der Gedanke, nicht die Sprache, auch wenn ich weiß, dass die Sprache das Vehikel ist, der poetische Gedanke ist in seinem Ursprung Musik, leicht reduziert im rhythmischen Sinn des Worts. Aber die innere Sprache – der Gedanke ist die innere Sprache, und wenn du ein rhythmisches Konzept hast, und dein Gehirn die Fähigkeit hat, rhythmisch zu denken, dann ist es zu einer rhythmischen Darstellung der Wörter im Innern fähig, und dieser Rhythmus ist es auch, wie in der Musik, der die künftigen Worte und auch ihre Bedeutungen generiert. JOSÉ M. SÁNCHEZ-VERDÚ: Man könnte die Analyse auch noch weiter treiben. Du sprichst sehr gut vom Rhythmus, aber diese Analyse wäre auch bei San Juan de la Cruz, Antonio Machado, Claudio Rodríguez oder José Ángel Valente möglich. Eine Analyse der Klangqualität der einzelnen Silben, von jedem Wort oder jedem Vers, und auch eine Analyse der Versstrukturen und deren Verbindungen innerhalb eines Gedichts. ANTONIO GAMONEDA: Ja, natürlich, es gibt eine vokalische Färbung. JOSÉ M. SÁNCHEZ-VERDÚ: Und es gibt die orchestrale Klangfarbe, das heißt eine Orchestrierung des Worts. Auch wenn der Rhythmus das Primäre ist, so ist dieser Rhythmus voll mit Farben, Pulsationen, Energie ... In Libro del frío singt die Stimme beispielsweise. Es ist keine tonale Stimme, und sie ist nicht nur melodisch, sondern Teil verschiedener Elemente. Es ist ein Cantabile nah an der Seele. Die menschliche Stimme ist eines der Dinge, die der menschlichen Seele am nächsten sind, sagt Claude Lévi-Strauss: alle Völker singen, und die Art zu singen ist geheimnisvoll und faszinierend. Aus einem Gespräch von Paco Yáñez mit Antonio Gamoneda und José María Sánchez-Verdú 8 7. NOV 2015, SA, 20 Uhr | Frauenkirche SA | 9.12. | 20 Uhr Windsbacher Knabenchor Advents- und Weihnachtsmusik trifft Werke und Improvisationen der Gegenwart SA | 10.12. | 20 Uhr Philharmonisches Kammerorchester Italienische Weihnacht mit Werken von Francesco Manfredini , Johann Sebastian Bach, Antonio Vivaldi und Peteris Vasks SA | 17.12. | 20 Uhr amarcord »Nun komm, der Heiden Heiland« Vorweihnachtliche Vokalmusik mit Werken von Jacobus Gallus, MIchael Praetorius, Johann Eccard u. a. TICKETS & INFORMATIONEN Telefon 0351.65606-701 www.frauenkirche-dresden.de Textos I Tengo frío junto a las manantiales. He subido hasta cansar mi corazón. Hay yerba negra en las laderas y azucenas cárdenas entre sombras, pero, ¿qué hago yo delante del abismo? Bajo las águilas silenciosas, la immensidad carece de significado. II Alguien ha entrado en la memoria blanca, en la inmovilidad del corazón. Veo una luz debajo de la niebla y la dulzura del error me hace cerrar los ojos. Es la ebriedad de la melancolía; como acercar el rostro a una rosa enferma, indecisa entre el perfume y la muerte. III Hay un anciano ante un senda vacía. Nadia regresa de la ciudad lejana; sólo el viente sobre las últimas huellas. Yo soy la senda y el anciano, soy la ciudad y el viento. IV Amé todas las pérdidas. Aún retumba el ruiseñor en el jardín invisible. V A la penumbra auricular no viene nunca el sonido del amanecer. Muge el silencio en las ocultas bóvedas y se desliza en tus membranas. Silban los pájaros y tu pasión es sorda. Tú ne estás ya en tus oídos. VI ¿Es la luz esta sustancia que atraviesan los pájaros? En el enblor del sílice se depositan cuarzo y espinas pulimentadas por el vértigo. Sientes el gemido del mar. Después, frío de límites. VII Amé las dasapariciones y ahora el último rostro ha salido de mí. He atravesado las cortinas blancas: ya sólo hay luz dentro de mis ojos. Memorare, Domine [Antifonario visigótico mozárabe, Catedral de León – siglo X] Memorare, Domine, quoniam pulvis sumus homo sicut faenum dies eius, et sicut flos feni, ita defloruit: tu autem, Domine, in aeternum permanes, et anni tui non deficient. 10 7. NOV 2015, SA, 20 Uhr | Frauenkirche Text I Ich friere bei den Quellen. Ich stieg, bis mein Herz müde wurde. Es gibt schwarze Kräuter auf den Abhängen und purpurne Lilien zwischen den Schatten, aber was tue ich, dem Abgrund ins Auge sehend? Unter den schweigenden Adlern mangelt dem Unermesslichen die Bedeutung. II Jemand ist in die weiße Erinnerung eingetreten, in die Starre des Herzens. Ich erblicke ein Licht unter dem Nebel und die Süße des Irrtums lässt mich die Augen schließen. Es ist die Trunkenheit der Melancholie; wie das Gesicht einer kranken Rose nahezubringen, unentschlossen zwischen Duft und Tod. III Da ist ein alter Mann vor einem leeren Pfad. Niemand kehrt aus der fernen Stadt zurück; nur der Wind über den letzten Abdrücken. Ich bin der Pfad und der alte Mann, bin die Stadt und der Wind. IV Ich habe alle meine Verluste geliebt. Noch hallt die Nachtigall im unsichtbaren Garten. V Zum Zwielicht der Ohren kommt nie der Laut der Morgendämmerung. Die Stille heult in den verborgenen Gewölben und gleitet in deine Membranen. Die Vögel tschilpen und deine Leidenschaft ist taub. Du bist nicht mehr in deinen Ohren. VI Ist das Licht die Substanz, die die Vögel durchqueren? Durch das Zittern der Kiesel lagern sich Quarze ab und Stacheln, durch den Rausch geglättet. Du spürst das Stöhnen des Meeres. Später, Kälte der Grenze. VII Ich liebte das Verschwinden, und nun ist das letzte Gesicht aus mir herausgesprungen. Ich habe die weißen Vorhänge durchquert: nun habe ich Licht nur innen in meinen Augen. Memorare, Domine [Antifonario visigótico mozárabe, Kathedrale von León – 10. Jahrhundert] Herr, lass uns bedenken, dass der Mensch Staub ist und wie das Gras seine Tage, und wie die Blume des Grases, so sie verwelkt: Du, Herr, bleibst in Ewigkeit, und deine Tage gehen nie aus. Die Unvollendete – neu gehört 11 Simone Young Von August 2005 bis Ende der Saison 2014/2015 war Simone Young Intendantin der Staatsoper Hamburg und Generalmusikdirektorin der Philharmoniker Hamburg. Hier dirigierte sie ein breites musikalisches Spektrum von Mozart bis Verdi, Puccini und Wagner. Sie übernahm die musikalische Leitung mehrerer kompletter Zyklen des Ring der Nibelungen an der Wiener Staatsoper, der Staatsoper Unter den Linden in Berlin sowie an der Staatsoper Hamburg. An der Münchner Staatsoper dirigierte sie u.a. Elektra, Salome, Frau ohne Schatten und Ariadne auf Naxos. Engagements führten die in Sydney geborene Dirigentin an die führenden Opernhäuser der Welt, unter anderem auch an das Royal Opera House Covent Garden in London oder die Metropolitan Opera New York. In ihrer ersten Saison als freischaffende Dirigentin gastiert Simone Young u.a. an den Staatsopern in München, Berlin, Wien und Dresden. Neben ihrer umfangreichen Operntätigkeit machte sich Simone Young auch auf dem Kon12 zertpodium einen Namen. Sie arbeitete mit allen führenden Orchestern zusammen, darunter die Wiener Philharmoniker, die Berliner Philharmoniker und das London Philharmonic Orchestra. In der laufenden Saison arbeitet sie mit Orchestern wie den Wiener Symphonikern, dem Cincinnati Symphony Orchestra, dem Netherlands Philharmonic Orchestra und dem Konzerthausorchester Berlin sowie mit der Staatsphilharmonie Nürnberg und verschiedenen Orchestern in Australien. Von Simone Young liegen zahlreiche CD-Einspielungen vor. So erschienen bei Oehms Classics neben Aufnahmen aus der Staatsoper Hamburg wie Mathis der Maler und des kompletten Ring der Nibelungen, auch mehrere Einspielungen mit den Philharmonikern Hamburg. Simone Young erhielt zahlreiche Preise und Auszeichnungen, wie den Ehrendoktor der Universitäten Sydney und Melbourne, Professorin der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg. Für ihre erste Opernsaison in Hamburg wurde sie als „Dirigentin des Jahres“ geehrt. 7. NOV 2015, SA, 20 Uhr | Frauenkirche Carlos Mena Carlos Mena wurde 1971 in Vitoria-Gasteiz (Spanien) geboren. 1997 schloss er an der Schola Cantorum Basiliensis sein Studium der Renaissance-und Barockmusik u. a. bei R. Levitt, R. Jacobs und E. Kirkby ab. Er trat in wichtigen Sälen wie z. B. Palau de la Música Barcelona, Kennedy Center Washington, Konzerthaus Wien, Palais des Beaux Arts Bruxelles, Berliner Philharmonie, Osaka Symphony Hall, Suntory Hall und City Opera Hall Tokyo, Alice Tully Hall New York, Sydney Opera House, Concert Hall Melbourne, Teatro Colon Buenos Aires auf. Er ist Mitglied wichtiger Ensembles, u. a. Al Ayre Español, Ensemble Guilles Binchois, Il Seminario Musicale, Ricercar Consort, La Capella Reial de Catalunya, Hespèrion XX, und Orphenica Lyra. In der Oper „Radamisto“ von G. F. Händel (Hauptrolle) war er bei den Salzburger Festspielen, im Concertgebouw Amsterdam und im Musikverein in Wien zu hören , in „L’Orfeo“ als Speranza im Rahmen der Innsbrucker Festwochen (Koproduktion mit der Staatsoper Unter den Linden Berlin), außerdem in „A Midsummer Night’s Dream“ von B. Britten im Teatro Real in Madrid, mit „Bajazet“ von Vivaldi (Tamerlano) im Barbican Centre in London, in „El viaje a Simorgh“ von SánchezVerdú im Teatro Real de Madrid, in „Rinaldo“ von Händel im Concertgebouw in Amsterdam und in „Death in Venice“ von Britten im Liceu in Barcelona. Carlos Mena ist außerdem sehr am Liedgesang interessiert, sein Repertoire umfasst Werke von Schumann, Schubert, Liszt, Britten, Orff, Bernaola, Benjamin, Vaughan-Williams, Erkoreka und Iglesias. Seine vielseitige künstlerische Tätigkeit ist durch mehrere CD-Produktionen dokumentiert, die bei Decca, Accord, Deutsche Harmonia Mundi, Glossa und Alia Vox erschienen. Er wurde mit Preisen ausgezeichnet, u.a. Diapason d’or de l’année, Choc de la Musique. Die Unvollendete – neu gehört 13 GroSSe Kunst braucht gute Freunde Wir danken den Förderern der Dresdner Philharmonie Heide Süß & Julia Distler Die musikalische und stilistische Bandbreite der Dresdner Philharmonie ist groß. Einerseits hat sich das Orchester im romantischen Repertoire einen ganz eigenen, „deutschen“ Klang bewahrt. Zum anderen hat es sich eine klangliche und stilistische Flexibilität sowohl für die Musik des Barock und der Wiener Klassik als auch für moderne Werke erarbeitet. Früh standen bedeutende Dirigenten und Komponisten an seinem Pult, von Brahms, Tschaikowsky, Dvoøák und Richard Strauss über Erich Kleiber und Knappertsbusch, Previn und Marriner bis hin zu Andris Nelsons und Kristjan Järvi. Bis heute spielen Uraufführungen im Spielplan eine gewichtige Rolle. Gemeinsam mit dem Kreuzchor gestaltet die Dresdner Philharmonie zu Weihnachten und die dresdner Ostern die Bach-Aufführungen in der Kreuzkirphilharmonie che. Für die großen chorsinfonischen Werke steht dem Orchester mit dem Philharmonischen Chor ein exzellenter Partner zur Seite. Und auch die Die Dresdner Philharmonie ist das Orchester der Landeshauptstadt Dresden. Ihr Chefdirigent Kammermusik und die Kammersinfonik, mit dem allein aus den Reihen des Orchesters besetzten ist – als Nachfolger von u.a. Kurt Masur, Marek Philharmonischen Kammerorchesters Dresden, Janowski und Rafael Frühbeck de Burgos – seit spielen traditionell eine große Rolle. 2011 Michael Sanderling. Die Dresdner PhilDie Dresdner Philharmonie kann sich nicht nur harmonie steht in der Tradition der Ratsmusik, über einen außerordentlich großen Abonnendie im 15. Jahrhundert zum ersten Mal genannt tenstamm freuen, mit Familienprogrammen, wird und spätestens im frühen 19. Jahrhundert Filmmusikkonzerten u.a. gelingt es ihr auch, neue Orchesterstärke aufwies. Seit 1870, seit Dresden Publikumsgruppen für die klassische Musik zu den ersten großen Konzertsaal erhielt, sind ihre gewinnen. Gastspiele in aller Welt zeugen vom Sinfoniekonzerte ein fester Bestandteil des städtischen Konzertlebens. Bis heute ist die Dresdner hohen Renommee, das die Dresdner PhilharmoPhilharmonie ein Konzertorchester mit regelmä- nie in der Klassikwelt genießt. Und auch die seit ßigen Ausflügen zur konzertanten Oper und zum 1937 gewachsene Diskographie der Philharmonie ist stattlich. Zuletzt erschien bei Sony Classical Oratorium. Ihre Heimstätte ist der Kulturpalast eine CD mit dem Pianisten Alexander Krichel. im Herzen der Altstadt, in dessen denkmalgeschützter Hülle bis 2017 ein neuer, hochmoderner Ein neuer Zyklus unter der Leitung von Chefdirigent Michael Sanderling, der die Sinfonien Konzertsaal entsteht. Bis dahin sind die großen Konzerte der Philharmonie vor allem im Alberti- von Dmitri Schostakowitsch mit den Sinfonien Beethovens in Dialog bringt, ist in Planung. num und im Schauspielhaus zu erleben. 15 Impressum Dresdner Philharmonie Postfach 120 424 01005 Dresden Besucherservice Telefon 0351 4 866 866 [email protected] Chefdirigent: Michael Sanderling Ehrendirigent: Kurt Masur Erster Gastdirigent: Bertrand de Billy Intendantin: Frauke Roth Text: Albert Breier Redaktion: Adelheid Schloemann Der Text ist ein Originalbeitrag für dieses Heft, Abdruck nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Autors. Grafische Gestaltung: büro quer Druck: Elbtal Druck & Kartonagen GmbH Preis: 2,50 € TEXTNACHWEISE Teilübersetzung aus dem Gespräch von Paco Yáñez mit dem Textdichter und dem Komponisten: El pensamiento poético es música en su origen, in: Sibila, Heft 41, Januar 13, S. 50 – 52 Deutsche Übersetzung aus dem Libro del frío: José Pagan, Ulrike Heidrich und Albert Breier Bildnachweise Bildarchiv der Dresdner Philharmonie: 2 biamartists.com: 4 Wikimedia Commons: 6 Berthold Fabricius: 12 Eneko Espino: 13 28. NOV 2015 20 UHR GEWANDHAUS ZU LEIPZIG Benefizkonzert zugunsten der Stiftung »Leipzig hilft Kindern« Gewandhausorchester Christoph Eschenbach Dirigent Matthias Goerne Bariton Werke von Richard Wagner und Anton Bruckner T +49 341 1270-280 [email protected] www.gewandhausorchester.de Präsentiert von: Gewandhaus zu Leipzig Leipziger Volkszeitung Porsche Leipzig GmbH Sparkasse Leipzig Verbundnetz Gas AG GROSSES CONCERT