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DIRECTPROCESS Big-Data fürs Dickschiff Maritim 4.0 – Chancen und Herausforderungen SICHER AUF KURS IM BINÄREN MEER „WER ÜBER MARITIM 4.0 SPRICHT MUSS SEINE HAUSAUFGABEN MACHEN“ DOPPELT UND DOCH NICHT ÜBERFLÜSSIG Bildquelle: botulinum21 – Fotolia VON DER BRÜCKE BIS ZUR BILGE WAGO-Automation löst praktisch jede maritime Herausforderung – im Schiffbau wie bei Offshore-Anlagen • Voller Betrieb auf der Brücke bis in den Maschinenraum, „Kompass“-Zertifikat (BSH) • Alarm-Monitoring-Systeme/Tankballast- und Cargomanagement • Kabinenautomation, Energieversorgung und Antriebssteuerung • Medienredundante ETHERNET-Kommunikation www.wago.com/ship EDITORIAL FREIE RESSOURCEN REVOLUTIONIEREN DEN MARKT Liebe Leserinnen, liebe Leser, für ein Gros der Akteure im Schiffbau und -betrieb waren die ersten beiden Quartale dieses Jahres alles andere als ein Highlight: Das erste Halbjahr 2016 glänzt mit den niedrigsten Neuauftragsraten seit Jahren und den niedrigsten Frachtraten seit 1981. Bei Reedereien und Werften erzeugen diese Entwicklungen einen gewaltigen Konsolidierungsdruck, der aller Voraussicht nach mit der brancheneigenen Verzögerung von ein bis zwei Jahren auch auf die Zulieferer durchschlagen wird. Zeit, schwarz zu sehen? Sicherlich nicht! Viel mehr die Chance, die Dinge gänzlich anders zu machen als bisher. Wer seine Ressourcen nicht auslasten kann, hat den Freiraum, über den Tellerrand zu sehen und Bestehendes in Frage zu stellen. Auch für den traditionell äußerst konservativen Schiffbau ist nun möglicherweise nicht nur die Zeit reif, sondern auch die Notwendigkeit besonders hoch, Innovationen zu treiben. Einige vielversprechende Technologien, Ideen und Ansätze, warten nur darauf, zu Wasser gelassen zu werden: Viel beschworene Heilsbringern wie „Internet of Things (IoT)“ und Big-Data könnten so viel schneller als erwartet Einzug in die Schifffahrt halten; und das mit Recht – haben Sie doch das Potential, den Markt zu revolutionieren. Denken wir darüber nach, wie sich die Unmengen an Daten aus Antriebsmaschinen und Alarm- und Monitoringsystemen zur Senkung der Frachtkosten nutzen lassen! Vielleicht werden unsere Gedanken althergebrachte Geschäftsmodelle stürzen? Gut! Sie werden ebenso neue hervorbringen; ganz so, wie es uns die Luftfahrt mit dem „Power per Hour“-Geschäftsmodell der Motorenhersteller vorgemacht hat. In Anbetracht der übervollen Auftragsbücher der Kreuzfahrtwerften und Touristikunternehmen werden sich unsere Gedanken vermutlich zu einem großen Teil um die Fragestellungen in der Kreuzschifffahrt drehen. Und ganz unabhängig davon, ob es dort oder in anderen Bereichen einen „Maritim 4.0“ geben wird oder weniger vollmundige Benennungen das Rennen machen – in allen Wachstumsfeldern wird das Thema Automatisierung eine nennenswerte Rolle spielen. Schlussendlich ist sie eine der wesentlichen Disziplinen von IoT und Big-Data. Wir von WAGO werden in dieses Rennen unsere derzeitigen Flaggschiffe schicken: unsere robuste und qualitativ hochwertige Controllerfamilie PFC, die über alle erforderlichen Schiffszertifizierungen und Zulassungen für den Ex-Bereich verfügt. Wir glauben, damit eine gute Plattform für künftige Entwicklungen anbieten zu können; denn die Linux®-Basis unserer Controller ist nicht nur investitionssicher, sondern verfügt außerdem über integrierte Schutzmechanismen gegen Cybercrime – eine wichtige Voraussetzung für Ihre Schiff-zu-Land-Kommunikation ebenso, wie für die die Datenerfassung, -steuerung, -regelung und Vernetzung Ihrer Teilsysteme an Bord. Aber lesen Sie selbst, was wir schon heute für Sie tun können und welche Gedanken wir uns gerne mit Ihnen gemeinsam machen! Viel Inspiration beim Lesen wünscht Ihnen Norman Südekum TITELTHEMA Maritim 4.0 – Chancen und Herausforderungen Mit Maritim 4.0 checkt Big-Data aktuell auf den großen Dickschiffen der Handelsschifffahrt ein. Während Industrie 4.0 in der Fertigungsautomatisierung immer konkretere Formen annimmt, werden die ersten cyberphysischen Systeme und cloudbasierten Netzwerkstrukturen, die der Optimierung des Schiffbetriebs dienen sollen, jedoch noch eine gewisse Zeit auf Kiel liegen, bevor sie auf große Fahrt gehen. Vor allem die Schiffszulieferindustrie in Deutschland ist davon überzeugt, dass sich mit Maritim 4.0 in der Handelsschifffahrt enorme Effizienzgewinne erzielen lassen. Rosige Aussichten für die Deutschen? Führen sie doch, laut Zahlen des VDMA, weltweit die Liste der Zulieferer an. Was bringt Big-Data der Schifffahrt tatsächlich und welche neuen Herausforderungen sind damit verbunden? INHALT DIESER AUSGABE MEINUNGEN Editorial Freie Ressourcen revolutionieren den Markt 3 TITELTHEMA: Maritim 4.0 – Chancen und Herausforderungen »Wer über Maritim 4.0 spricht, muss seine Hausaufgaben machen« Interview mit Professor Dr. Karl-Heinz Niemann, Experte für IT-Sicherheit an der Hochschule Hannover 16 Big-Data fürs Dickschiff Maritim 4.0 – Chancen und Herausforderungen 20 Sicher auf Kurs im binären Meer IT-Sicherheit auf Schiffen 28 »Wir machen zu wenig aus den Daten, die wir sammeln« Interview mit Andrea Grün, Senior Principal Engineer für elektrische Systeme und Automation bei der DVN-GL 32 ANWENDUNGEN Sicher aufs Schiff und wieder herunter Modulare Steuerungstechnik erlaubt, mit den Aufgaben zu wachsen. 6 1,5 Kilotonnen am Haken – und das schwimmend Heeling-Systeme von BESI aus Bremen halten Schiffe stabil im Wasser. 10 „Adèle“ segelt mit modernster Automation Frischzellenkur für Traditionssegler 36 Umwelt schützen – Geld sparen Fähren und Kreuzfahrer mit innovativer Technologie auf effizientem Kurs 44 Und dann kommt doch der Griff ins Regal Warum standardisierte Industrietechnik auch im maritimen Umfeld so viele Vorteile bringt 48 TECHNOLOGIEN Volle Flexibilität, mehr Sicherheit Die neuen Industrial-Ethernet-Managed-Switches mit Schiffszulassung 39 Doppelt und doch nicht überflüssig Mit zwei parallelen Steuerungen die Verfügbarkeit erhöhen 40 Modulare Steuerungstechnik erlaubt, mit den Aufgaben zu wachsen. SICHER AUFS SCHIFF UND WIEDER HERUNTER TTS Marine aus Göteborg zählt weltweit zu den Topadressen für Heck- und Bugrampen, bewegliche Autodecks sowie Türsysteme, Lastenaufzüge und Gangways für Schiffe und Fähren. Gemeinsam mit WAGO haben die Schweden jetzt ein neues Steuerungssystem für Ladetüren und Gangways entwickelt. Die offen konzipierte Lösung ist auf maximale Betriebssicherheit ausgelegt und bietet durch ihren modularen Aufbau Zukunftssicherheit für Modernisierungen, Updates und Erweiterungen. 6 WAGO DIRECTPROCESS | NR. 02 / 2016 Schnell und sicher: Rampen schaffen die Verbindung zwischen Schiff und Kaianlage. Anlegen, Ausladen, Einladen, Ablegen: Zeit ist Geld im Fährverkehr und Fahrpläne sind eng gesteckt. Damit sich die Ladezeiten auf ein Minimum begrenzen lassen, setzen nicht nur RoRo-Fähren auf Hochleistungsrampen von TTS Marine. Das schwedische Unternehmen liefert an marktführende Reeder und Werften sowohl schiffsgestützte als auch landgestützte Anlagen für den reibungslosen Ladebetrieb von Personen, Fahrzeugen und Waren. Als zentrales Steuerungssystem nutzt die schwedische Tochter des norwegischen TTS-Konzerns dabei seit drei Jahren das WAGO-I/O-SYSTEM 750. Der Entscheidung für die Automatisierungslösungen von WAGO war ein umfassender Benchmark vorausgegangen, in dessen Rahmen vor allem die WAGO DIRECTPROCESS | NR. 02 / 2016 Architektur des Steuerungssystems, seine Qualität und Verfügbarkeit sowie seine Zulassung für den Einsatz im Schiffbau die wesentlichen Rollen spielten. „Wir wollten ein flexibles Steuerungssystem, das sich später auf einfache Weise aktualisieren lässt sowie einen Lieferanten mit globaler Präsenz“, erklärt Tobias Ahlberg, Sales Manager von TTS Marine. „Unsere Ladesysteme reisen um die ganze Welt und sind durchaus 25 bis 30 Jahre im Einsatz; darum ist uns wichtig, dass die von uns eingesetzten Produkte robust sind“. Und zuverlässig, wie Ahlberg ergänzt, denn, weil die Systeme von TTS Schlüsselpositionen bei der Sicherheit von Schiffen einnehmen, könne man sich keine Aus- oder Zwischenfälle leisten. 7 ANWENDUNGEN | SICHER AUFS SCHIFF UND WIEDER HERUNTER »Wir wollten ein flexibles Steuerungssystem, das sich später auf einfache Weise aktualisieren lässt sowie einen Lieferanten mit globaler Präsenz.« Die Laderampen von TTS Marine sind international im Einsatz. Schritt für Schritt zur optimalen Lösung „Als wir uns die Lösungen von WAGO angesehen hatten, war die Entscheidung schnell getroffen, zumal die Produkte von WAGO über diverse Zertifikate maritimer Normierungsgremien verfügen“, erklärt Ahlberg. Von Null auf 100 in einem einzigen Kraftakt das komplette System umstellen wollen, habe man dann aber doch nicht gewollt, erinnert sich Ahlberg. „Und grundsätzlich hat uns WAGO dazu auch gar nicht geraten.“ Um gemeinsam ein Gefühl dafür zu bekommen, welche Komponenten für welche Aufgaben am besten geeignet waren, starteten TTS Marine und WAGO den technischen Systemwechsel zunächst in kleinerem Maßstab. „Zunächst hatten wir uns dafür entschieden, nicht alle Komponenten gegen WAGO-Teile auszutauschen“, erklärt Martin Andersson, Design-Engineer von TTS, der zuständig ist, von der Ausarbeitung des elektrischen Systems über die Spezifizierung von Komponenten und das Schreiben aller Programme für die speicherprogrammierbaren 8 WAGO DIRECTPROCESS | NR. 02 / 2016 Steuerungen bis hin zur Durchführung von Abnahmen. „Dadurch wurde WAGO nicht als Zwang erlebt, sondern wir konnten uns zu jedem Zeitpunkt auf jeweils eine Sache konzentrieren. Nach und nach haben wir dann das Sortiment erweitert und verwenden nun auch das TOPJOB®S-Klemmenleistensystem und die Relais von WAGO.“ Gemeinsam die Schiffsindustrie erobern Letztendlich, findet Andersson, bietet sich das System von WAGO auch hervorragend für ein solches Vorgehen an, weil es problemlos modular erweitert werden kann und so mit den Anforderungen der Kunden wachsen könne. „Die offene Architektur der WAGO-Steuerungen erlaubt es uns in Zukunft, über einfache Updates neue Komponenten zu implementieren“, sagt Andersson, der davon begeistert ist, dass die Linux®-basierten Steuerungen offen für die Programmierung sind und sogar für Steuerungsaufgaben auf der Brücke zugelassen sind; denn auf der sind die Anforderungen an die Störfestigkeit beziehungsweise die Ansprüche an möglichst geringe Störemissionen besonders hoch, weil WAGO DIRECTPROCESS | NR. 02 / 2016 Ausfälle empfindlicher Systeme wie Funk- oder Kompassnavigation sicher ausgeschlossen werden müssen. Große RoRo-Fähren lassen sich im Inneren durchaus mit einem mehrstöckigen Parkhaus vergleichen. Und was Andersson überdies schätzt: „WAGO weiß, welche Technik wir bei der Entwicklung von Steuerungssystemen brauchen, um auch bei künftigen Aufträgen erfolgreich zu sein.“ Die Zusammenarbeit der vergangenen Jahre habe beiden Unternehmen neue Türen innerhalb der Schiffsindustrie geöffnet. TEXT FREDRIK HEDRÖD | TTS MARINE, STEFAN WALL UND URBAN WASE | WAGO FOTO WAGO 9 ANWENDUNGEN | 1,5 KILOTONNEN AM HAKEN – UND DAS SCHWIMMEND Heeling-Systeme von BESI aus Bremen halten Schiffe stabil im Wasser 1,5 KILOTONNEN AM HAKEN – UND DAS SCHWIMMEND 10 Mobilkräne haben es an Land vergleichsweise einfach, stabil auf dem Boden der Tatsachen zu bleiben; je nach Last die passenden Ausgleichsgewichte platzieren und in wenigen Minuten die meterlangen Stützen hydraulisch ausfahren. Die Logistikpraxis zeigt jedoch, dass sperrige und vor allem schwere Transportgüter vornehmlich auf dem Wasserweg ihr Ziel erreichen. Damit stellt sich die Frage, wie es sich mit der Stabilität von Kränen an Bord verhält – denn Wasser hat bekanntlich keine Balken. Systeme aus Pumpen, Ventilen und Ballasttanks halten Fracht- und Arbeitsschiffe in Position. Sogenannte „HeelingPumpen“ verhindern das Krängen des Schiffskörpers bei ungleicher Lastverteilung. Für deren Steuerung nutzen die Spezialisten von BESI die PFC200-Controller von WAGO in Kombination mit dem I/O-SYSTEM 750 für Ex- und Nicht-Ex-Bereiche. WAGO DIRECTPROCESS | NR. 02 / 2016 MPV-Heavy-Lifter wie die BBC AMBER sind darauf ausgelegt, sperrige wie schwere Lasten zu transportieren. Heeling-Systeme sorgen für Stabilität. „MPV Heavy Lifter“ heißen sie – die Schiffstypen, die schon aus größerer Entfernung durch mindestens zwei große Kräne an Deck eindeutig zu erkennen sind. Konzipiert sind diese „Multi Purpose Vessels“ als multifunktional einsetzbare Schiffe für das Handling sperriger wie schwerer Lasten. Zu ihren Frachten zählen nach Auskunft von Michael Borchers, Geschäftsführer Technik bei BESI, Raketenteile genauso, wie Turbinen oder auch komplette Eisenbahnen. In einem aktuellen Neubauprojekt erreichen die beiden Kräne eines „MPV Heavy Lifters“ zusammen mehr als 1500 Tonnen Tragkraft. Entsprechend anspruchsvoll gestaltet sich der Krängungsausgleich auf solchen Schiffen. „Das Schiff hat über den ganzen Rumpf verteilt Ausgleichstanks, die von unserem System schnell und präzise mit Ballastwasser gefüllt WAGO DIRECTPROCESS | NR. 02 / 2016 oder entleert werden“, erklärt Borchers. Nur so könne das Schiff beim Be- und Entladen überhaupt in der Balance bleiben. Das Anheben der Last und das Ausgleichen durch die Pumpen erfolge dabei parallel. Entsprechend könne auch der Ladeprozess nur so schnell sein, wie es den sogenannten Heeling-Pumpen (heeling = Krängung) gelänge, den Gewichtsausgleich durch Ballastwasser herzustellen – mit Blick auf kurze Logistikzeiten sollte das allerdings so schnell wie möglich sein, so Borchers. Bei allem Anspruch an das Tempo muss das Krängungsausgleichssystem aber vor allem zuverlässig arbeiten. „Fällt plötzlich eine Pumpe aus, kann sich schnell ein ganzes Schiff drehen“, sagt Michael Borchers und meint damit, was der Volksmund als Kentern bezeichnet. „Ist das Heeling-System gestört, kann der Kranfahrer 11 »Dass wir uns für beide Bereiche aus einem System bedienen können, das in seiner Funktion und auch Programmierung gleich ist, macht uns das Leben deutlich leichter.« ANWENDUNGEN | 1,5 KILOTONNEN AM HAKEN – UND DAS SCHWIMMEND beim Einfädeln schwerer Lasten auf das Deck gar nicht so schnell reagieren, dass er die Ladung noch rechtzeitig senkt.“ Muss die Ladung im Notfall abrupt vom Haken, ist das kaiseitig noch in Ansätzen möglich, weil die Kaianlage das Schiff als Gegenlager hält; das ist jedoch nicht möglich, wenn die Ladung auf der Seeseite hängt, weil sie dann auf das Schiff krachen würde. Redundanter Industriestandard Ein Szenario, das erklärt, warum BESI in ihren Anlagen auf hochverfügbare Technik setzt und eigene Systeme mit ausreichender Redundanz ausstattet. Für die Steuerung des sogenannten Flow-Managements nutzen die Bremer die WAGOController PFC200 – und zwar in einem redundanten und räumlich verteilten Funktionsverbund. Unter dem Begriff Flow-Management bündelt BESI das Heeling-System sowie das Messen, Regeln und Überwachen von Tankinhalten. Aufgrund des hohen Treibstoffverbrauchs, den große Arbeitsund Containerschiffe haben, muss während der Fahrt regelmäßig Brennstoff und Ballastwasser umgepumpt werden, damit das Schiff eine stabile und energetisch optimierte Trimmung im Wasser behält. Während die Heeling-Systeme eines Schiffes, das im Hafen liegt, auf Basis von Neigungssensoren automatisch eingreifen, erfolgt der Gewichtsausgleich zwischen Treibstoff- und Ballastwassertanks während der Fahrt manuell. „Keine Automation ist dazu in der Lage, Wellenamplituden zu 100 % auszugleichen“, erklärt Borchers, „weil die sich ständig ändern und nicht vorhersehbar sind.“ Der Automatikbetrieb mit einem elektronischen Krängungsausgleich sei darum während der Fahrt verboten. Kreuzfahrer stabilisieren den Schiffskörper deshalb bei kräftigerem Wellengang auf mechanische Weise; nämlich mit dem Ausfahren von Flossen, die aufgrund ihres Widerstandes für mehr Trägheit sorgen. Michael Borchers arbeitet als Geschäftsführer Technik bei BESI in Bremen. Der Wegfall von Zener-Barrieren ermöglicht einen platzsparenden Schaltschrankaufbau. Ein System auch für Ex-Bereiche Tanks, Rohrleitung, Pumpen, Ventilarmaturen: Die Komponenten des Flow-Managements von BESI durchziehen Fracht- und Arbeitsschiffe vom Bug bis zum Heck wie eine Hauptschlagader. Weil durch diese feingliedrige Verteilung auch Teilsysteme in Bereichen installiert sein können, die unter den ExSchutz fallen, muss BESI zu deren Automatisierung eigensichere Komponenten mit Ex-i-Zulassung einsetzen. „Wie die Bereiche klassifiziert sind, hängt WAGO DIRECTPROCESS | NR. 02 / 2016 13 Weg frei für Vernetzung Mit der Kombination aus WAGOController PFC200 und I/O-SYSTEM 750 installiert BESI eine offene Netzwerkstruktur mit verteilter Intelligenz und dezentralen I/O-Knoten in Schiffen. Diese Architektur macht den Weg frei, um auch andere Systeme zu integrieren. Erste Ansätze dazu gibt es bereits: mit der Anbindung der Lüftungs- und Klimatechnik an die WAGO-Steuerungstechnik, die dann als Datensammler und ETHERNET-Gateway fungiert, der alle Informationen bündelt und per ETHERNET an die Leitebene des Schiffes weitergibt. Auf diese Weise lassen sich die erforderlichen Schaltschränke kleiner projektieren und flexibler einsetzen. von deren Installationsnähe – beispielsweise zu Treibstofftanks – ab“, erklärt Borchers. WAGO bietet innerhalb des I/O-SYSTEMS 750 eine Variante, die sich rein äußerlich zunächst lediglich durch ihre blaue Farbe von den weißen Standardmodulen unterscheidet. Zwar sind die Ex-i-Module konstruktiv für den Einsatz in explosionsgefährdeten Bereichen konzipiert, in ihrer Funktionalität unterscheiden sie sich jedoch nicht von den Standardmodulen. Was auch bedeutet, dass es in ihrer Programmierung keine Unterschiede gibt. „Wir programmieren die Steuerungstechnik in Ex- und Nicht-Ex-Bereichen mit der uns bekannten Softwareumgebung, ohne unterschiedliche Systeme erst noch aufwändig miteinander verknüpfen zu müssen“, so Borchers. Die Mitarbeiter von BESI müssen sich auf keine Zweit- oder Drittsysteme einstellen und können durchgängig in einem Rutsch programmieren – und das mit Hilfe der standardisierten Sprachen der IEC 611313 (CODESYS). Für BESI hat diese Durchgängigkeit den Vorteil, dass im Softwareengineering keine Rücksicht darauf genommen werden muss, ob Teile des Heeling-Systems in einem Ex-Bereich verbaut sind oder nicht. „Dass wir uns für beide Bereiche aus einem System bedienen können, 14 das in seiner Funktion und auch Programmierung gleich ist, macht uns das Leben deutlich leichter“, unterstreicht Michael Borchers – auch angesichts der Tatsache, dass die für BESI wichtigen WAGO-Komponenten über die einschlägigen internationalen Zulassungen für den maritimen Einsatz verfügen. Mehr Platz durch Verzicht auf Zener-Barrieren Die Durchgängigkeit des I/O-SYSTEMS 750 von WAGO spart überdies Zeit bei der Installation: Weil sich eigensichere Sensoren wie Füllstandsmesser oder Aktoren, wie beispielsweise Armaturenrelais, aus dem Ex-Bereich direkt mit den blauen I/O-Modulen verbinden lassen, werden die sonst erforderlichen Trennschaltverstärker verzichtbar. Die dienen im Ex-Bereich grundsätzlich dazu, die Energie des Stromkreises so zu begrenzen, dass eine Zündung der explosionsfähigen Atmosphäre verhindert wird. Indem BESI auf die Zener-Barrieren verzichten kann, sind bei der Schaltanlageninstallation nicht nur weniger Komponenten zu verkabeln, sondern auch deutlich weniger des WAGO DIRECTPROCESS | NR. 02 / 2016 so wertvollen Platzes an Bord erforderlich: „Wenn wir in einem Ex-Bereich zum Beispiel 50 Geräte an die I/O-Ebene anzuschließen haben, dann brauche ich schon für die Trennschaltverstärker fast einen eigenen Schrank“, zeigt der technische Geschäftsführer die wenig attraktive Alternative zur WAGO-Lösung auf. Gerade Platz sei jedoch – auch bei einem Neubau – so gut wie nicht vorhanden; zumindest nicht für die technische Ausrüstung. Obwohl der Grad der Automatisierung zunähme, würde dafür ungern Platz freigeräumt, weiß Borchers. Schlussendlich seien Schiffe bis aufs Letzte durchoptimiert, um so viel Fläche wie nur möglich für die Ladung herauszuholen. „Deshalb ist eine schlanke Automation mit hohem Integrationsgrad so wichtig.“ TEXT JÖRG SCHOMACKER | WAGO FOTO WAGO Visualisierung des Heeling-Systems, mit dem sich Schiffe optimal im Wasser trimmen lassen TITEL | MARITIM 4.0 – CHANCEN UND HERAUSFORDERUNGEN »WER ÜBER MARITIM 4.0 SPRICHT, MUSS SEINE HAUSAUFGABEN MACHEN« Interview mit Professor Dr. Karl-Heinz Niemann, Experte für IT-Sicherheit an der Hochschule Hannover In „Der Morgen stirbt nie“ bringen Terroristen ein Kriegsschiff von seinem Kurs ab, indem sie seine GPS-Signale manipulieren. Was 1997 – zum Kinostart des 18. James Bond – noch der Phantasiewelt britischer Filmemacher entsprang, ist knapp 20 Jahre später eine reale Bedrohung. „GPS-Spoofing“ wird sie von Fachleuten genannt – und Forscher der Uni Texas haben sie 2013 recht eindrücklich bewiesen; indem sie eine 80 Millionen Dollar teure Luxusjacht unbemerkt von der Crew vom Kurs abgebracht haben. Was ist los mit der IT-Sicherheit in der Schiffbauindustrie? – schwärmen doch Schiffbauer, Systemintegratoren und Reeder von den neuen Möglichkeiten, die Maritim 4.0 bietet. Ob die Branche dafür überhaupt reif ist und was noch zu tun ist, darüber haben wir mit Professor Dr. Karl-Heinz Niemann von der Hochschule Hannover gesprochen. Das Gerät, mit dem die Forscher aus Texas das Navigationssystem der Luxusjacht überlistet haben, war gerade mal so groß wie ein Aktenkoffer. Die 65-Meter-Jacht hatte zwei GPS-Empfänger und ließ sich dennoch täuschen. Die Texaner haben einfach ein GPS-Signal erzeugt und die Signalstärke so lange erhöht, bis die Empfänger den Sender wechselten. Was bedeutet dieses Szenario für Sie als Experte für IT-Sicherheit? Dass wir noch jede Menge zu tun haben. Bei der IT-Sicherheit herrscht in der Automatisierung noch erheblicher Nachholbedarf. Während alle über Industrie 4.0 nachdenken, müssen wir leider noch über die Hausaufgaben sprechen, die wir noch für Industrie 3.0 zu erledigen haben – weil wir zuerst einmal die bestehenden Systeme ertüchtigen müssen. Sie sprechen von Automatisierungstechnik. Gibt es Ihrer Meinung nach Unterschiede zwischen industrieller Automation und der Automation auf Schiffen? Ich denke, die Schifffahrt ist in puncto IT-Sicherheit ähnlich gut oder schlecht aufgestellt 16 wie andere Branchen. Zu Ihrem Beispiel mit der Luxusjacht existieren ja durchaus Parallelen in anderen Branchen. Spontan fällt mir das eines Hochofens ein, der durch einen Cyber-Angriff zum Stillstand gebracht wurde. Hochöfen sind typische Anlagen der Prozesstechnik, die über mehrere Jahre hinweg ohne Pause durchlaufen. Dieser von außen herbeigeführt Stillstand sorgte letztlich für einen Totalschaden. Die Auswirkungen von Cyberkriminalität sind also überall gravierend. Insofern sehe ich keine Branchenunterschiede, was den aktuellen Umsetzungsgrad von IT-Sicherheit betrifft – ebenso wenig, wie die sich daraus ergebenden Risiken und die Notwendigkeit, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen. Was können Unternehmen in Sachen IT-Sicherheit tun? Welche Hausaufgaben würden Sie ihnen mitgeben? Es gilt, sicher zu verhindern, dass sich Angreifer einfach auf ein Netzwerk schalten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Verbindungen nach außen ja nicht an sich schlimm sind; ich muss sie nur richtig absichern. Was in diesem Zusammenhang sicher bedeutet, ist zweifelsohne auch eine Frage der Einstellung. WAGO DIRECTPROCESS | NR. 02 / 2016 TITEL | MARITIM 4.0 – CHANCEN UND HERAUSFORDERUNGEN Was meinen Sie damit? Es gibt immer Personen, die Ihnen erzählen wollen, dass ihre Anlage keine Verbindung zum Rest der Welt hat und, dass IT-Sicherheit darum keine Relevanz für sie hat. Glauben Sie ihnen nicht. Es gibt immer irgendwo eine Verbindung. Eine ganz grundsätzliche Hausaufgabe, die wir darum meiner Meinung nach zu erledigen haben, ist erst einmal dafür zu sensibilisieren, welche Relevanz IT-Sicherheit für die unterschiedlichen Akteure der Schiffbauindustrie hat – also, an welchen Stellen wir täglich mit Sicherheitslücken in Verbindung kommen oder sogar, meist unabsichtlich, selbst welche erzeugen. Meinen Sie damit beispielsweise die tägliche Praxis auf Containerschiffen, dass Lademeister ihre Ladungsdaten mit einem an Land beschriebenen USB-Stick ins System einspielen? Das ist genau so ein Fall. USB-Sticks sind ein absolutes No-Go. Trotzdem ist die Praxis absolut üblich, obwohl sie offensichtlich klare Schwachpunkte birgt – zumindest dann, wenn es keinen Quarantänebereich für mitgebrachte Daten gibt. Ist die IT-Sicherheit ein Problem, mit dem sich die Besatzung eines Schiffes allein befassen muss? Wer ist hier Ihrer Meinung nach in der Pflicht? Die Menschen in den Betrieben oder an Bord zählen ohne Frage zu den potentiellen Schwachpunkten jedweder an Bord installierten IT; und leider haben sie häufig keine Chance, die überaus ausgeklügelten Angriffe auf ihre Systeme zu erkennen. Deshalb ist es so wichtig, dass Reedereien Prozesse und Verfahren eindeutig beschreiben und dann ein Management-Commitment zur IT-Sicherheit formulieren. Für das Beispiel mit dem Containerschiff würde daraus etwa eine Definition dazu folgen, wie mit Ladedaten umzugehen ist, wenn wieder jemand mit einem USB-Stick in der Hand auf der Brücke steht. Damit sehen Sie also die Führungsebene in der Verantwortung. Das stimmt. In Sachen IT-Sicherheit haben wir es weniger mit einer Methode zu tun, als 18 mit einer Unternehmensstrategie, die vom Management nach unten reicht – und für die alle bereit sein müssen, einen gewissen Aufwand zu betreiben. Es gilt, Autorisierungen zu definieren, Zugänge zu überwachen und auch Notfallpläne zu erstellen, für den Fall eines Totalverlustes von Daten. Es reicht nicht mehr aus, Schaltschränke mit einem Vierkantschlüssel vor unbefugtem Zugriff zu schützen. Was wir benötigen, ist eine Verteidigung in der Tiefe – vergleichbar mit einer Ritterburg. Erst schützt der Zaun das Werksgelände, dann gibt es Zutrittsbeschränkungen zu bestimmten Räumen, gefolgt von Reglementierungen für bestimmte Schränke. Nun ist eine Burg ja durchaus als stationär zu bezeichnen. Sehen Sie für Schiffe besondere Maßnahmen? Im Vergleich zu Applikationen an Land, gibt es auf Schiffen neue Herausforderungen und Bedrohungspotentiale – insbesondere aufgrund der Zusatzelektronik, die mit an Bord ist. Hierzu zählen zum Beispiel Navigations-, Tracking- und Kollisionswarnsysteme. Das sind Einrichtungen, die vor allem für die Sicherheit des Schiffes notwendig sind. Überdies ist ein Schiff keine Insel – wie man vielleicht meinen möge. Viel mehr stellen viele dieser Zusatzsysteme Verbindungen nach außen und zum Land her und bieten damit viel Angriffsfläche für Manipulationen. Ebenso, wie Sie sie eingangs in ihrem Szenario beschrieben haben. Das hört sich in Summe so an, als stelle die fortschreitende Digitalisierung an Bord die IT-Sicherheit vor neue oder zusätzliche Probleme. Das ist auch so! Mit Industrie 4.0 entstehen zusätzliche Kommunikationsbeziehungen, weil Unternehmen ihren Datenfluss durchgängig gestalten. Und durch die horizontale und vertikale Integration reichen bestehende Abschottungskonzepte, als ein Bestandteil von Defense-in-Depth, nicht mehr aus. Gefragt ist nun „IT-Security by Design“: Also Funktionen der IT-Sicherheit, die von vornherein in Gestalt einer layer-basierten Sicherheitsarchitektur in die Steuergeräte integriert werden. WAGO DIRECTPROCESS | NR. 02 / 2016 Hat dieser Weg Auswirkungen auf die Zulassung der Technik auf Schiffen? Müssen die Klassifizierungsgesellschaften angesichts der von Ihnen geschilderten Brisanz auch die IT-Sicherheit bei ihren Zertifizierungen beachten? Ich bin davon überzeugt, dass die Klassifizierer an diesem Thema dran sind – gerade weil es in puncto IT-Sicherheit auf Schiffen reichlich Nachholbedarf gibt. Wie gesagt: Für eine wirksame Defense-in-Depth haben wir alle unsere Hausaufgaben 3.0 zu machen – für mich ist das eine zwingende Voraussetzung, um die Visionen umsetzen zu können, die sich derzeit unter dem Schlagwort Maritim 4.0 entwickeln. Professor Niemann, Danke für das Gespräch. Prof. Dr.-Ing. Karl-Heinz Niemann forscht und lehrt an der Fakultät Elektro- und Informationstechnik der Hochschule Hannover. Er vertritt das Lehrgebiet Prozessinformatik und Automatisierungstechnik und hält Vorlesungen zu den Themen Integrierte Automation, Industrielle Bussysteme, Prozessinterfaces und Energieeffizienz. Sein Forschungsschwerpunkt liegt im Bereich der IT-Sicherheit von Produktionsanlagen, insbesondere im Kontext von Industrie 4.0. Darüber hinaus leitet Prof. Niemann die Expertenfabrik IT-Sicherheit des Kompetenzzentrums Mittelstand 4.0 für Niedersachsen und Bremen (http://mitunsdigital.de) und ist in verschiedenen Arbeitskreisen der PNO und des VDI tätig. 19 BIG-DATA FÜRS DICKSCHIFF Maritim 4.0 – Chancen und Herausforderungen Mit Maritim 4.0 checkt Big-Data aktuell auf den großen Dickschiffen der Handelsschifffahrt ein. Während Industrie 4.0 in der Fertigungsautomatisierung immer konkretere Formen annimmt, werden die ersten cyberphysischen Systeme und cloudbasierten Netzwerkstrukturen, die der Optimierung des Schiffbetriebs dienen sollen, jedoch noch eine gewisse Zeit auf Kiel liegen, bevor sie auf große Fahrt gehen. Vor allem die Schiffszulieferindustrie in Deutschland ist davon überzeugt, dass sich mit Maritim 4.0 in der Handelsschifffahrt enorme Effizienzgewinne erzielen lassen. Rosige Aussichten für die Deutschen? Führen sie doch, laut Zahlen des VDMA, weltweit die Liste der Zulieferer an. Was bringt Big-Data der Schifffahrt tatsächlich und welche neuen Herausforderungen sind damit verbunden? Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand. Die Weisheit hat im 21sten Jahrhundert nicht an ihrer Aussagekraft verloren. Herrscht im Gerichtssaal immer eine gewisse Unsicherheit darüber, wie die Gesetzeslage am Ende ausgelegt wird, existieren auf hoher See ähnlich unberechenbare Unwägbarkeiten: Auch wenn die Schiffe auf definierten Routen unterwegs sind, bleiben sie den Naturgewalten, der Verlässlichkeit der Technik oder auch Piraten mutterseelenallein ausgeliefert. Während die einen über Redundanzen und Ausfallsicherheit sprechen, philosophieren andere darüber, dass die autonome Schifffahrt durchaus das Risiko der Piraterie bannen könnte, weil das Interesse der Piraten auf das Lösegeld abzielt, das für Geiseln erpresst werden kann 22 und nicht etwa auf die Fracht. Bestimmen bald fahrerlose Transportsysteme, die in der Logistik bereits gang und gäbe sind, das Bild der Weltmeere? Big-Data hat enormes Potential, sind Branchenexperten überzeugt Ferngesteuerte Frachtschiffe auf internationalen Seewegen sind aktuell noch Zukunftsmusik – allerdings wird die immer lauter, weil immer mehr Automatisierung Einzug in den Schiffbau hält und möglich macht, was lange nicht denkbar war: die Vernetzung von Teilsystemen beispielsweise und verbunden damit ein aufeinander abgestimmter und deutlich energieeffizienterer Betrieb an WAGO DIRECTPROCESS | NR. 02 / 2016 Bord; oder den Fernzugriff von Land, sowohl, um Schiffsdaten zu lesen, durchaus jedoch ebenso, um steuernd in den Schiffsbetrieb einzugreifen. Ob nun weniger oder gar kein Personal mehr an Bord: Branchenkenner wie zum Beispiel Hauke Schlegel, Geschäftsführer des VDMA Fachbereichs „Marine Equipment and Systems“, sind davon überzeugt, dass hinter Big-Data „ein unglaubliches Potential steckt“. Von dem – und das freut Schlegel insbesondere – vor allem die deutsche maritime Wirtschaft als die Nummer eins der weltweiten Zulieferer profitieren kann. Während in absehbarer Zukunft damit zu rechnen ist, dass vor allem in China, Japan und Korea Werften aufgrund von Überkapazitäten schließen werden, WAGO DIRECTPROCESS | NR. 02 / 2016 fahren deutsche Maschinenbauer und Systemintegratoren in ruhigerem Wasser und verzeichnen zwar keine rosigen, aber immerhin stabile Geschäfte. 2016 wird der Umsatz voraussichtlich die Zwölf-Milliarden-Euro-Marke übertreffen. Und nun – die digitale Revolution als weitere Chance? Was ließe sich tatsächlich mit der neuen Technik aus Schiffen und Schifffahrt rausholen? Nehmen wir Effizienz, Umweltschutz und Sicherheit der Schiffindustrie einmal näher unter die Lupe. Großformatige Monitore bestimmen heute mehr denn je das Bild auf der Brücke von Handels- und Passagierschiffen. Kostensenker unbemannte Schifffahrt Ganz generell leiden Frachtdienstleister tagtäglich unter hohem und steigendem Kostendruck. 23 TITEL | MARITIM 4.0 – CHANCEN UND HERAUSFORDERUNGEN Die Ursache dafür: Auf den Meeren ist zu viel Schiffstonnage unterwegs – ein Effekt der heißen Spekulationen während der Boomjahre zwischen 2004 und 2009. Daraus resultieren Überkapazitäten und damit einhergehend Preisverfall. Transportdienstleister versuchen deshalb, durch Kostensenkungen ihre Wirtschaftlichkeit zu erhalten. Und wo es um das Senken von Kosten geht, ist der Blick auf die Personalkosten immer lohnenswert – auch für Reedereien. Für die bedeutet das konkret: Sparen an Quantität oder an Qualität; soll heißen: Entweder reduzieren Unternehmen die Personalstärke an Bord oder sie setzen auf eine Crew, die über geringere elektrotechnische Qualifikationen verfügt, dafür allerdings weniger zu Buche schlägt. Beide Szenarien ließen sich mit dem Einsatz von Automatisierung durchaus realisieren. Automatisierungssysteme sind über weite Strecken durchaus dazu in der Lage, zu übernehmen, was zuvor von Menschen ausgeführt worden ist. Und sie verfügen über Remote-Funktionen, die es Experten an Land ermöglichen, Schiffsdaten zu lesen, um Servicekräften auf See sagen zu können, was sie zu tun haben. Von Oslo nach Frederikshavn: In den engen Fjorden Norwegens gestaltet sich die Land-zu-Schiff-Kommunikation noch unkompliziert. Sinkt die Personalstärke an Bord gegen Null, hätte das weitere – durchaus gewinnbringende Effekte: Kleine Teilsysteme, wie beispielsweise Kleinkläranlagen, Klimatechnik oder auch die Meerwasserentsalzung, wären an Bord nicht mehr erforderlich, wenn ein Schiff autonom unterwegs wäre. Brennstoffeinsparungen um die zehn Prozent wären alleine dadurch möglich, dass sich ein Transportdienstleister den Hotelbetrieb spart, den er derzeit an Bord für die Crew unterhalten muss. Kosten verursachungsgerecht umlegen Ob mit oder ohne Personal: Auf einem Schiff gibt es auch abseits des Hotelbetriebs durchaus Einsatzgebiete, die effizienter betrieben werden können. Messen, bewerten, Maßnahmen ableiten – darum geht es in diesen Bereichen im Wesentlichen und Maritim 4.0 bietet dafür sehr gute Möglichkeiten. Werfen wir zur Veranschaulichung einen Blick ins Gebäudemanagement: Dort werden durch Datenerfassung und -vernetzung Verbräuche und Kosten bis in einzelne Räume hinein ermittelt und optimiert. Auf Containerschiffen finden vergleichbare Messungen nicht statt. Dabei AIS ARPA Course Speed Depth Navigational Data Heading Heeling Roll Position Water and Ground Distance Rudder Sensor Angle Routes and Waypoints Humidity Wind Rate of Turn Time Meteorology Temperature MDE Ship MDE NMEA Messages Ship 1 Ship 2 Air Ship 3 Fleet Images Humidity Transducers Ship Data BAMS Openings Fire Doors Doors Water Tight Doors Other Doors Alles steht im engen Zusammenhang: Das Schaubild macht deutlich, wie wichtig Big-Data und eine engmaschige Vernetzung für den modernen Schiffbetrieb sind. verursachen unterschiedliche Container durchaus unterschiedliche Transportkosten. Warum – bei aller Standardisierung der Maße eines Containers – Fracht dennoch nicht gleich Fracht ist, wird am Beispiel der „Reefer“ deutlich. „Reefer“ bezeichnen in der Branchensprache Kühlcontainer, die entweder mit Kaltluft aus der schiffsfesten Ladungskühlanlage gekühlt werden oder selbst über eine Kälteanlage verfügen. Die wiederum zieht die Energie aus dem Bordnetz. In beiden Fällen wirkt sich das Kühlen also direkt auf den Treibstoffverbrauch des Schiffs aus, weil der Generator mehr elektrische Energie erzeugen muss und folglich von der Hauptmaschine mehr Leistung abfordert. Dass Kühlcontainer höhere Frachtkosten verursachen als andere, liegt damit offensichtlich auf der Hand. In der täglichen Praxis indes werden Infrastrukturkosten auf alle geladenen Container gleichermaßen verteilt. Würde durch eine integrative Netzwerktechnik ermittelt, wie hoch der Energiebedarf eines WAGO DIRECTPROCESS | NR. 02 / 2016 „Reefers“ tatsächlich ist, ließen sich Frachtkosten verursachungsgerecht umlegen und individuell kalkulieren. Für unterschiedliche Routen könnten so beispielsweise unterschiedliche Frachttarife definiert werden, weil Touren in Äquatornähe deutlich mehr Strom verbrauchen als in kühleren Regionen. Technisch umsetzen ließen sich eine solche Aufgaben mit heute verfügbarer Technik problemlos. Die Steuerung PFC200 von WAGO bietet zum Beispiel parallel zur eigentlichen Prozessorleistung auch Speichermöglichkeiten für das Monitoring von Daten außerhalb der Cloud. Und, so ein Monitoring ist allein schon erforderlich, um die unterbrechungsfreie Kühlkette zu dokumentieren – und damit die Betriebssicherheit eines „Reefers“. Routenplanung statt mit Vollgas über den Ozean Ein weiteres Beispiel für die Vorteile, die sich aus der engeren Datenvernetzung ergeben, lässt sich 25 Unscheinbar platziert mit großer Wirkung: Werden die beiden Knöpfe im Falle einer Piraterie gedrückt, läuft im Hintergrund ein umfassendes Krisenmanagement an. am Treibstoffverbrauch messen. Werden Routen etwa um Tiefdruckgebiete herum geführt, spart das Treibstoff. Folglich lohnt es sich, Wetterdaten nicht nur aus Gründen der eigenen Sicherheit auszuwerten. In die gleiche Richtung zielt die Weiterverarbeitung von Informationen aus den Häfen. „Was nutzt es, wenn ich mit Volldampf einen Hafen erreiche, um dann dort lange auf einen Liegeplatz zu warten“, fragt sich nicht zuletzt Prof. Dr.-Ing. Holger Watter, Präsident der Hochschule Flensburg. Mit Blick auf einen möglichst geringen Treibstoffverbrauch sei es wesentlich effizienter, die Fahrgeschwindigkeit so anzupassen, dass ein Fracht- oder Containerschiff so pünktlich in einem Hafen einläuft, dass es umgehend zur logistischen Abfertigung fahren kann. Allein der monetäre Nutzen, der aus der Optimierung von Spritverbrauch und Liegezeiten resultieren könnte, wird von Fachleuten als so groß eingeschätzt, dass die EU das Projekt „Sea Traffic Management“ fördert. In dem geht es genau darum, die Abläufe der Seeschifffahrt mit Hilfe von Kommunikation, Vernetzung und Big-Data zu harmonisieren. Die Idee des Projekts: Die Daten der Schiffe, die aufeinander abgestimmt werden sollen, werden so in der Cloud zur Verfügung gestellt, dass andere Schiffe darauf zugreifen können. Damit ist der Weg frei, sicher auf den Schiffsrouten aneinander vorbeizukommen und Häfen pünktlich, vor allem aber aufeinander abgestimmt, zu erreichen. Und dort würden von einem harmonischen Mitein- 26 ander letztendlich auch die Hafenbetreiber profitieren. Die können sich auf die Ankunft der Schiffe vorbereiten, müssen dadurch deutlich weniger Logistikfläche für die Zwischenlagerung vorhalten und weniger Kapazität für den Abtransport von Waren. Lkw und Züge müssten dadurch ebenfalls nicht mehr in der Warteschleife verharren. Absprachen dieser Art würden sich entsprechend sowohl mit Blick auf den Umweltschutz als auch monetär auszahlen. „Trotzdem sind sie in der Schifffahrt noch nicht üblich“, meint Prof. Watter, der in diesem Zusammenhang deutlich macht, dass es für Schiffsbetriebstechniker immer wichtiger wird, unterschiedliche Szenarien richtig zu interpretieren. „Richtig ablesen und die richtigen Maßnahmen ableiten“, fordert Watter; und damit nicht zuletzt auch eine Schnittstelle zur Automatisierung, die über eine gute Usability verfügt. Maritim 4.0 erfordert mehr IT-Sicherheit Die Brücke von Schiffen wird in diesem Zusammenhang schon längst als Automatisierungszentrale verstanden, in der alle Informationen zusammenlaufen. Dazu zählen Navigation, Kommunikation und die Ladungsinformation genauso, wie administrative Daten: beispielsweise Anmeldedokumente oder Frachtdeklarationen. In Gestalt elektronischer Seekarten oder automatischer Identifikationssysteme (AIS) wird auf der Brücke bereits heute sicht- und erlebbar, dass die Digitalisierung auch auf hoher See voranschreitet. Der Trend spricht eine deutliche WAGO DIRECTPROCESS | NR. 02 / 2016 TITEL | MARITIM 4.0 – CHANCEN UND HERAUSFORDERUNGEN Sprache und die beschriebenen Potentiale tun es ebenso: Big-Data fürs Dickschiff? Ja, das würde sich lohnen! Allerdings haben Kostenreduktion, Umweltschutz und Effizienzsteigerung auch ihren Preis: nämlich deutlich gestiegene Anforderungen an die IT-Sicherheit; denn mit Digitalisierung, Vernetzung und insbesondere mit zunehmender Land-zu-Schiff-Kommunikation wächst an Bord auch das Risiko für Datenmissbrauch und Cyberkriminalität. Wer Maritim 4.0 sagt, muss darum auch immer von IT-Sicherheit sprechen – und meint damit sehr viel mehr die Sicherung eines Schiffs vor Cyberangriffen als die Betriebssicherheit des Schiffes selbst. Hier gilt es, mit geeigneten Technologien Schiff, Besatzung und Umwelt zu schützen, indem beispielsweise Daten, die zwischen Land und See übertragen werden, zuverlässig verschlüsselt werden, Zugriffspunkte und Zugriffszeiten reglementiert werden oder Steuerungen zum Einsatz kommen, die zum einen über „IT-Security by Design“ verfügen und zum anderen als Zwischenspeicher fungieren können, wenn die Verbindung zwischen Land und See einmal abreißt. IT-Sicherheit: Ein stetiger Wettlauf Angesichts der gravierenden Auswirkungen von Schiffshavarien überrascht es in diesem Zusammenhang, dass die derzeitige Ausführung des IT-Sicherheitsgesetzes den Schiffsbetrieb nicht zu den kritischen Infrastrukturen (KRITIS-Unternehmen) zählt – ganz im Gegensatz zur Energie- und Wasserversorgung an Land. Tatsächlich muss IT-Sicherheit als „Wettlauf“ angesehen werden, der zwischen Herstellern, Hackern und Betreibern stattfindet. Um flexibel auf neue Bedrohungen reagieren zu können, ist ein offenes Betriebssystem das erste Mittel der Wahl, weil Open-Source-Produkte nicht vom Hersteller allein abhängig sind, sondern von vielen Programmierern gleichzeitig genutzt werden, die Sicherheitslücken schneller erkennen und gemeinsam an Verbesserungen arbeiten. Die PFC-Familie von WAGO basiert deshalb auf Linux® mit Echtzeiterweiterung, das von Haus aus gängige Funktionen für die IT-Sicherheit herstellerunabhängig zur Verfügung stellt und zukünftige Erweiterungsmöglichkeiten bietet. TEXT THORSTEN SIENK, NORMAN SÜDEKUM UND EVA BANHOLZER | WAGO FOTO THORSTEN SIENK | WAGO Das ASI gibt Auskunft über Eckdaten anderer Schiffe auf der Route. Bei aller Digitalisierung: Das Fernglas ist auf der Brücke immer griffbereit. IT-Sicherheit auf Schiffen SICHER AUF KURS IM BINÄREN MEER Mit Digitalisierung und Vernetzung wächst auch an Bord von Schiffen das Risiko für Datenmissbrauch und Cyberkriminalität. Wer über die Potentiale von Maritim 4.0 nachdenkt, muss darum auch die steigenden Anforderungen an IT-Sicherheit mitberücksichtigen – und vor allem, die geeigneten Lösungen dafür finden, sie umzusetzen. 28 WAGO DIRECTPROCESS | NR. 02 / 2016 TITEL | MARITIM 4.0 – CHANCEN UND HERAUSFORDERUNGEN Auf Schiffen sorgen diverse intelligente Teilsysteme für einen reibungslosen Schiffsbetrieb: vom Tank- und Ballastwassermanagement über die Antriebssteuerung bis hin zu Alarm- und Monitoringsystemen. Sie alle bedienen sich industrieller Automatisierungstechnik. An vielen Stellen resultieren aus der Vernetzung dieser Teilsysteme durchaus Vorteile – beispielsweise, wenn der Schiffsbetrieb dadurch ressourcen- oder energieeffizienter ablaufen kann. Wo allerdings vernetzt wird, nimmt der Austausch sensibler Daten zu. Und damit nicht genug: Im Vergleich zu Applikationen an Land, verfügen Schiffe nämlich über zusätzliche Elektronik wie Navigations-, Tracking- und Kollisionswarnsysteme. Sie dienen der Sicherheit des Schiffes, stellen allerdings gleichzeitig eine zusätzliche Bedrohung dar; vor allem, weil sie nicht nur den Grad der Vernetzung an Bord steigern, sondern überdies eine Verbindung nach extern herstellen. Für diese Verbindungen werden zunehmend internetbasierte Netzwerktechnologien oder mobile Dienste genutzt. Und gemeinhin bieten diese Kommunikationswege viel Angriffsfläche für Manipulationen – insbesondere auf der Strecke zwischen Schiff und Land. Der Abgriff oder das Mitlesen sensibler Daten sind dabei das vergleichsweise kleinere Problem, verglichen mit den Auswirkungen, die es hat, wenn Hacker eine Schadsoftware in der Leittechnik von Schiffen oder beispielsweise Bohrinseln platzieren würden, Koordinaten änderten oder auf sicherheitsrelevante Teilsysteme an Bord zugriffen und damit schlussendlich nicht nur die IT-Sicherheit, sondern auch die funktionale Sicherheit und damit die Sicherheit der Besatzung an Bord gefährdeten. Nicht von ungefähr nehmen also mit dem Grad der Digitalisierung und Vernetzung auch die Handreichungen zum Thema IT-Sicherheit zu: Ob das American Bureau of Shipping, The Baltic and International Maritime Council, die Lloyds Register Group, die UK Chamber of Shipping oder die European Union Agency for Network and Information Security – sie alle veröffentlichen Leitlinien zum Thema IT-Sicherheit auf Schiffen. In der Regel definieren sie darin Prozesse, Vorgehensmodelle oder technischen Maßnahmen zur Implementierung von IT-Sicherheit, die zu großen Teilen mit Leitlinien für die Automatisierungstechnik übereinstimmen. Hohe Verfügbarkeit auf allen Weltmeeren Mit einer Technik, die über eine hohe Ausfallsicherheit verfügt sowie schnellen Ersatzteillieferungen lassen sich in vielen Situationen längere ungewollte Liegezeiten verhindern. Auch wenn für BESI das Geschäft mit Ersatzteilen – wie bei anderen OEM ebenfalls – durchaus interessant ist, hat für die Bremer die internationale Verfügbarkeit von Ersatzteilen einen größeren Stellenwert. „Wenn ein Reeder irgendwo an der Küste Afrikas festsitzt und von uns ein neues I/O-Modul braucht, dann zählt jede Stunde. Wenn wir dann selber nach Afrika müssen, hat das Servicegeschäft schnell seine Grenze erreicht.“ Hier sei es wesentlich sinnvoller, standardisierte Industrieprodukte mit einer hohen Marktdurchdringung zu verwenden, die sich auch vor Ort beschaffen lassen. „So schön das Ersatzteilgeschäft ist, die Anlagen müssen schnell wieder laufen“, meint Michael Borchers, technischer Geschäftsführer bei BESI, und spricht von täglichen Charterkosten von mehr als 40.000 Dollar bei Schiffen von der Größenordnung der CSCL Indian Ocean mit einer Kapazität von 19.000 20-Fuß-Standardcontainern. 29 TITEL | MARITIM 4.0 – CHANCEN UND HERAUSFORDERUNGEN Motorenhersteller: Service + Wartung + Support für eigene „Installed Base“ •Evaluierung Daten für Schwachstellenanalyse Reederei: Routenoptimierung für die eigene Flotte, Nachweispflichten •Auslastungsvergleiche •Nachweise von CO2-, SOx-Ausstoß ggü. Behörden Die Gründe für den Fernzugriff sind bei Reedereien und OEM durchaus unterschiedlich motiviert. „IT security made by WAGO“ Risiken minimieren – Angriffe abwehren Werzeuge der PFC-Familie: Security-Dienste Integrierte Linux®-Dienste • Passwortschutz, Benutzerverwaltung • SSL/TLS-1.2-Verschlüsselung • SSH – sicherer Shell-Zugang • VPN (OpenVPN, IPsec) • Firewall • MAC-White-List • Syslog • SD-Kartenleser • FTP, SFTP, SCP • Optional: Rsync • Optional: Virenscanner • Optional: Fail2Ban 30 „IT by Design“ statt „Defense in Depth“ Es scheint also Einigkeit darüber zu herrschen, dass mit Industrie 4.0 oder Maritim 4.0 zusätzliche Kommunikationsbeziehungen entstehen, die ein durchaus steigendes Potential für Cyberangriffe bieten. Was überdies immer deutlicher wird: dass bestehende Abschottungskonzepte deutlich an ihre Grenzen kommen. Auch, weil mit den Möglichkeiten, die sich aus der Vernetzung ergeben, zum einen die Anzahl der Zugriffe von extern steigt und zum anderen viel tiefer in das Automatisierungssystem eines Schiffes eingegriffen wird als bisher. Aus durchaus nachvollziehbarem Grund: Mit Remote-Lösungen erhalten Reeder die Möglichkeit der Ferndiagnose ihrer Schiffe; das erlaubt ihnen, eine Optimierung an der Flotte vorzunehmen oder einmal erfasste Daten weiterzuvermarkten. Überdies können Personalkosten gesenkt werden, wenn an Bord auf weniger oder geringer qualifiziertes Personal gesetzt wird, das im Instandsetzungsfall vom Ingenieur am Land Support bekommen kann. Und schlussendlich kann mit einer besseren Vernetzung von Reedern und Hafengesellschaften sogar die Logistik in Häfen verbessert und der Treibstoffverbrauch von Schiffen gesenkt werden. Zugriffe von extern rigoros zu unterbinden kann darum keine Lösung sein, um die Sicherheit auf Schiffen wieder ins Lot zu bringen. Defense-in-Depth-Modelle allerdings, die bisher den State-of-the-art dargestellt haben, werden kurzfristig ebenfalls nicht mehr ausreichen – auch wenn sie mit Zugangsbeschränkungen, Netzwerksegmentierungen und Überwachungssystemen auf den unterschiedlichsten Ebenen der Schiffsautomatisierung ansetzen. Zunehmend gefragt sind Sicherheitskonzepte, die immer funktionieren – unabhängig vom Zeit- oder Zugriffspunkt des Fernzugriffs. Gefragt sind Konzepte der „IT-Security by Design“: Also Funktionen der IT-Sicherheit, die von vornherein in Gestalt einer layer-basierten Sicherheitsarchitektur in die Steuergeräte integriert werden. Von der SPS bis in die Cloud – den Weg sichern, den die Daten nehmen Solche technische Möglichkeiten existieren bereits und sind durchaus dazu in der Lage, Sicherheitslücken zu schließen. Sehr zuverlässig gelingt das beispielweise durch den Aufbau eines virtuellen privaten Netzwerks (VPN) auf Basis von OpenVPN mit SSL/TLS-Verbindungen (Secure Sockets Layer, Transport Layer Security). Solche Verbindungen erlauben es – selbst über drahtlose Kommunikationsstrecken hinweg – verschlüsselte Daten sicher zu senden. WAGO baut solche VPN-Tunnel über OpenVPN oder IPsec direkt aus der WAGO-Steuerung PFC200 heraus auf. Die WAGO-Steuerung erfasst dazu alle relevanten Mess- und Steuerdaten, verschlüsselt diese noch direkt in der Steuerung mit SSL-Verschlüsselung und überträgt sie via VPN. Dadurch müssen keine zusätzlichen VPN-Tunnel mittels Modems oder Router aufgebaut werden und was noch entscheidender ist: die Strecke zwischen Steuerung und Modem ist dadurch direkt mitverschlüsselt. Teilsystemspezifischer Zugriff durch OEM/Zulieferer: Service + Wartung + Support Zugriff auf Datenpakete durch z. B. Reeder/Charterer: Kurs und Frachtdaten Kommunikation AIS (Automatic Identification System) ECDIS & Navigation Antriebssystem Alarm- und Monitoringsystem Cargo-Controlsystem Tankballastsystem Tankmesssystem Klimatisierung Typische Systeme auf Schiffen, die Teil von Big-Data sind und eine zunehmende Vernetzung erfahren. TEXT NORMAN SÜDEKUM UND EVA BANHOLZER | WAGO FOTO WAGO Welche Werkzeuge liefern die Switches? Security-Dienste Integrierte Dienste • Passwortschutz, Benutzerverwaltung • SSL/TLS-1.2-Verschlüsselung • Bandbreitenbegrenzung • Bandbreitenüberwachung • MAC-White-List • ARP-Inspektion • DHCP-Snooping • L2,L3-Access Control List • 802.1X-Port-Zugriffssteuerung • Log, Alarm (by Mail) • SNMP v2, v3 • Einstellungen Back-up/Restore 31 TITEL | MARITIM 4.0 – CHANCEN UND HERAUSFORDERUNGEN »WIR MACHEN ZU WENIG AUS DEN DATEN, DIE WIR SAMMELN« Interview mit Andrea Grün, Senior Principal Engineer für elektrische Systeme und Automation bei der DVN-GL Was passiert, wenn es die Möglichkeit gibt, auch von Ferne bis tief in die Maschinenraumebene zuzugreifen? Für internationale Klassifikationsgesellschaften sind mit diesem Szenario auf jeden Fall ganz neue Herausforderungen für die Zulassung und Zertifizierung von Komponenten und Systemen entstanden. Bei allem Anspruch an die Betriebssicherheit auf Schiffen müssen sich Gesellschaften wie der norwegisch-deutsche DNV-GL nun nämlich den zusätzlichen Risiken der IT-Sicherheit stellen. Warum vor allem der Fernzugriff für Sorgenfalten sorgt, hat uns Andrea Grün, Senior Principal Engineer für elektrische Systeme und Automation bei der DNV-GL in Hamburg, erklärt. Im Maschinenbau sind Remote-Verbindungen für Fernwartung, Systemoptimierungen sowie schnellen Service nicht mehr wegzudenken. Was ist aus Sicht von Klassifikationsgesellschaften bei Netzwerkverbindungen vom Schiff zum Land zu beachten? Systemhersteller wollen ihre Anlagen mit RemoteZugängen ausrüsten, weil damit Wartungen und Service deutlich einfacher werden. Für solche Aufgaben haben wir entsprechende Vorschriften erstellt. Zu beachten ist zum Beispiel, dass es keine Updates geben darf, während ein Schiff unterwegs ist. Wir sind zwar nicht die Polizei, untersagen es aber dennoch, vom Land auf die Systeme zuzugreifen, wenn ein Schiff auf See ist. 32 Warum? In der Fabrikautomation wird ja auch während der Produktion optimiert. Das Risiko können wir einfach nicht eingehen. Ich meine, Anlagen in undefinierte Zustände zu bringen, weil Daten eventuell fehlerhaft oder unvollständig übertragen worden sind. Stellen Sie sich vor, so ein Fall passiert auf hoher See am Ende der Welt. Da kommt kein Servicetechniker, um Ihnen zu helfen. Solche Arbeiten gehören darum in den Hafen und nicht auf die internationalen Schifffahrtsrouten. Deshalb haben wir auch festgelegt, dass sich Systeme nach einem Update wieder auf den alten Softwarestand bringen lassen müssen. Reglementierungen beim Remote-Zugriff dienen aus unserer Sicht also der Betriebssicherheit – und WAGO DIRECTPROCESS | NR. 02 / 2016 Andrea Grün ist seit mehr als 25 Jahren Mitarbeiterin bei DNV GL und Senior Principal Engineer für die Automation im Hamburger Maritimen Head Office. Die DNV GL ist die weltweit führende Klassifikationsgesellschaft der maritimen Industrie, die sich dafür einsetzt, die weltweite Schifffahrt sicherer zu machen und die Leistungsfähigkeit, Energieeffizienz und Umweltverträglichkeit der Schiffe zu verbessern. Andrea Grün ist tätig als technischer Projektmanager für komplexe Netzwerke und innovative softwarebasierte Systeme sowie als Experte und Auditor für die MED (Maritime Equipment Directive) und ISO 9001, vorrangig im maritimen Bereich. Damit ist sie maßgeblich an der Entwicklung von neuen Vorschriften und internationalen Standards im Bereich der Automation und für die Zulassung von softwarebasierten Systemen im maritimen Umfeld beteiligt. das ist ja im Grunde genommen die Legitimation dafür, dass es Klassifikationssgesellschaften wie die DNV GL überhaupt gibt. Wie geht die Crew mit so einem Fernzugriff um? Wie würde denn so ein Fernzugriff in der Praxis regelkonform auf einem Schiff aussehen? Wie gesagt: Verbindungen sind nur im Hafen zulässig. Sind die Arbeiten erledigt, muss die Besatzung im Anschluss prüfen, ob alles in Ordnung ist und ihr Schiff wieder übernehmen – also die Verbindung trennen. Es gibt klar geregelt Übergabe- und Übernahmemechanismen. WAGO DIRECTPROCESS | NR. 02 / 2016 Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die meisten Schiffsbesatzungen kein wirklicher Freund dieser Technik sind – aber die waren damals auch mit der Einführung von Schiffsdatenschreibern – dem VDR – nicht einverstanden. Wovor hat die Crew denn Angst? Es geht um Kontrolle oder viel mehr um den Verlust von Kontrolle – ganz wie Sie wollen. Es gibt Reeder, die den Remote-Zugriff wollen, um während der Fahrt per Netzwerk die Kontrolle zu behalten. Daten zu lesen ist eine Sache, steuernd einzugreifen eine andere. 33 Die DNV GL hat ihr Domizil in der HafenCity Hamburg. Wie kann eine Klassifizierungsgesellschaft denn antizipieren, was mit einem RemoteZugriff geplant ist? Bei der Zertifizierung fragen wir immer gewisse Dinge ab. Nehmen wir als Beispiel ein Alarmsystem, das heute als integriertes Automations-, Alarm-, Monitoring- und Kontrollsystem diverse Funktionen hat und extrem mächtig ist. Diese Systeme können ebenso überwachen wie steuern und sie sind mit der gesamten Automation verbunden. Während des Zulassungsprozesses lassen wir uns die Beschreibung dieser Systeme geben und alle Funktionen auflisten. Stoßen wir in der Dokumentation die Benennung „Remote Access“, haken wir bei den Unternehmen nach. In der Regel fordern wir dann weitere Spezifikationen an und lassen uns darlegen, welche Motivation oder Notwendigkeit dafür besteht, diese Funktionalität einzusetzen. Was bekommen Sie zur Antwort? Das hängt ganz davon ab, wer unsere Fragen beantwortet. Reedereien nutzen den Fernzugriff um Fahr- und Verbrauchs- oder Ladedaten abzurufen, um beispielsweise ihre Logistikkette besser planen zu können. Maschinenhersteller oder Anlagenbauer benötigen den Fernzugriff zur Diagnose ihrer Teilsysteme, mitunter auch zu Servicezwecken. 34 Sind das Antworten mit denen Sie gut leben können? Es ist doch so: Auch wenn wir „Remote Access“ mit Blick auf die Betriebssicherheit an Bord ebenso wie mit Blick auf die IT-Sicherheit als kritisch einschätzen, müssen wir natürlich die Tatsache akzeptieren, dass der Technologie auch positive Aspekte innewohnen: Die Systeme an Bord eines Schiffes werden komplexer; das lässt sich durchaus mit dem Trend vergleichen, den Sie in der Automobilindustrie seit Jahren beobachten können. Auch dort nimmt der Anteil an IT und Automation in den Fahrzeugen stetig zu. Darum sind in den Werkstätten auch immer weniger die begnadeten Schrauber gefragt – an ihrer statt werden Mechatroniker benötigt, die einen Laptop bedienen und den Bordcomputer auslesen können. Genauso wandelt sich derzeit auch das Berufsbild des Seemanns. Die Anforderungen an die technische Qualifikation steigen bei einer vergleichsweise geringen Bezahlung. Der Support von Land aus ist unter diesen Rahmenbedingungen mitunter zwingend erforderlich. Insofern sind die Antworten zum „Warum“ schon für uns nachvollziehbar. In der Schifffahrt steht derzeit ein Generationenwechsel an – fruchtbarer Boden für Maritim 4.0? WAGO DIRECTPROCESS | NR. 02 / 2016 TITEL | MARITIM 4.0 – CHANCEN UND HERAUSFORDERUNGEN Ja, durchaus! Die Inspektoren in den Reedereien werden im Schnitt jünger und natürlich sind sie technikaffin. Für sie ergeben sich aus dem Trend von Maritim 4.0 ja auch wirklich attraktive Potentiale. Denken Sie nur an die Möglichkeiten, die sich allein dadurch ergeben, flottenweite Daten zu erheben und miteinander zu vergleichen. Wer weiß, welche Schiffe einer Flotte aus welchen Gründen am besten laufen, der kann seinen kompletten Betrieb optimieren – vom Spritverbrauch seiner Schiffe bis hin zu einer hervorragend aufeinander abgestimmten Logistikkette. Wohin wird die Reise dann Ihrer Meinung nach gehen? Grundsätzlich denke ich, dass mit den technologischen Entwicklungen im Rahmen von Maritim 4.0 durchaus Potentiale gehoben werden können: zum Beispiel zum Wohl einer perfekt aufeinander abgestimmten Logistik, eines Container-Trackings, zur Überwachung von Kühlketten oder ganz allgemein zugunsten der Ressourcen- und Energieeffizienz. Wir haben erst kürzlich ein Netzwerk zertifiziert, auf dem der Hotelbetrieb zusammen mit der Brandmeldeanlage läuft. Solche Kombinationen sind gerade für Kreuzfahrtschiffe interessant, weil sich dadurch Kosten einsparen lassen. Aber natürlich werden im Zusammenhang mit Maritim 4.0 auch die Ansprüche an die IT-Sicherheit WAGO DIRECTPROCESS | NR. 02 / 2016 weiter steigen. Aus Perspektive der IT-Sicherheit ist im Fall des beschriebenen Beispiels ganz wesentlich, dass kein Passagier über das Kabinennetzwerk in die Brandmeldeanlagen eindringen kann. Was muss getan werden? Was meiner Meinung nach kommen muss, ist die zielgerichtete Auswertung der Daten, die wir heute bereits überall erheben. Ich habe den Eindruck, dass wir momentan noch riesige Datengräber schaffen und viel zu wenig aus dem machen, was wir sammeln. Und was den Fernzugriff betrifft, über den wir bereits so viel gesprochen haben, benötigen wir sinnvolle Regelungen und Technologien, die uns in Sachen IT-Sicherheit unterstützen. Ich denke an eine Architektur oder ein Berechtigungskonzept – beispielsweise definierte Fernzugriffe zu Zeitpunkten, die von der Crew vorgegeben werden. Und an Technologien, die es ermöglichen, die Infrastruktur auch dann zu schützen, wenn von Extern an unterschiedlichsten Punkten zugegriffen werden soll – also, von der Leitwarte bis in den Maschinenraum. Frau Grün, Danke für das Gespräch. 35 Die Adèle zählt im internationalen Jacht-Markt zu den optischen Schmuckstücken. ANWENDUNGEN | „ADÈLE“ SEGELT MIT MODERNSTER AUTOMATION Frischzellenkur für Traditionssegler „ADÈLE“ SEGELT MIT MODERNSTER AUTOMATION Klassische Linienführung, dazu ein Rigg aus Kohlefaser samt schnellem Unterwasserschiff: Die 2005 von der niederländischen Vitters Werft gebaute „Adèle“ ist auf den Weltmeeren auch nach gut zehn Jahren ein echter Hingucker. Der Schwede Jan-Erik Osterlund ließ die 55 Meter lange Segeljacht seinerzeit aus Alu bauen, um mit ihr zwei Jahre lang um die Welt zu segeln. Mittlerweile hat die „Adèle“ einen neuen Eigner – und eine komplett neue Automatisierungstechnik auf Basis des WAGO-I/O-SYSTEMs 750 erhalten. Den Auftrag für das Refit erhielt die niederländische Werft Royal Huisman. Wer mit einer Megajacht unterwegs ist, der kann sich das in der Regel leisten. Im Umkehrschluss will es sich aber kein Eigner leisten, aufgrund einer Betriebsstörung in einem Hafen festzuliegen – so schick die marinen Anlagen für Megajachten auch sein mögen. Deshalb investieren ihre Besitzer in hohe Verfügbarkeit und entsprechend redundant aufgebaute Automatisierungstechnik. Das war auch beim Refit der 150 Fuß langen „Adèle“ der Fall. Schon während des ursprünglichen Neubaus des Zweimasters waren moderne Steuerungs- und Kommunikationstechnik zum Einsatz gekommen. Die Datenverbindung erfolgte damals über WAGO DIRECTPROCESS | NR. 02 / 2016 DeviceNet. Das Herzstück der Automatisierung bildeten dabei drei Steuerungen – unter anderem für Kommunikation, Monitoring und die Beleuchtungsregelung. Die vielen gegenseitigen Abhängigkeiten zwischen den Teilsystemen sorgten allerdings für eine erhöhte Störanfälligkeit. „Adèle“ konnte daher nicht immer alle hohen Erwartungen des Eigners erfüllen. Verfügbar dank dezentraler Automatisierungsarchitektur Genau diese Problematik sollte zehn Jahre später im Rahmen eines umfassenden Refits behoben werden. Während des Werftaufenthaltes zwischen 2015 und 2016 tauschte die auf Jachtbau und Refit spezialisierte Royal-Huisman-Werft die Batterien der Stromversorgung aus, rüstete die Beleuchtung auf LED-Technik um, modernisierte die Klimasowie Lüftungstechnik und verabreichte unter anderem dem Antriebsstrang samt Generator eine Generalüberholung. In diesem Zuge ersetzten die Niederländer ebenfalls die alte Steuerungstechnik durch das WAGO-I/O-SYSTEM 750 und DeviceNet durch ETHERNET. Weil der Anlagenverbund der „Adèle“ auch dann arbeitsfähig sein sollte, wenn einzelne Komponenten ausfallen oder die Kommunikationsverbindung an einer Stelle unterbrochen ist, entschied sich Royal Huisman dafür, die Au- 37 Im Inneren gibt es den Komfort ehrwürdiger Hotels. tomatisierungstechnik dezentral aufzubauen und mit redundanten ETHERNET-Netzwerken für die Kommunikation auszustatten. Die Automatisierungs- und Kommunikationstechnik aus dem Hause WAGO kam dabei nicht zuletzt aufgrund der Tatsache zum Einsatz, als dass sie über die für den maritimen Einsatz notwendigen Zulassungen verfügt. In diesem konkreten Fall war die Zertifizierung der weltweit größten Klassifizierungsgesellschaft DNV-GL gefragt. Für Royal Huisman spiegelt sich im Einsatz international zertifizierter Komponenten der Anspruch wieder, »Die Art und Weise des Kommunikationsaufbaus, die Flexibilität des Systems und seine kompakte Bauart machen die Automatisierungslösungen von WAGO für uns so attraktiv.« bei Neubau- und Umbauarbeiten weltweiten Standards gerecht zu werden. Und weil Schiffe – so wie „Adèle“ – auf allen Weltmeeren unterwegs sind, war für Royal Huisman neben der Zertifizierung der eingesetzten Technik auch „eine verlässliche und schnelle Ersatzteilversorgung relevant“, bringt Pascal Koek, Softwareentwickler bei Royal Huisman, ein weiteres Argument auf den Punkt, das für die WAGO-Technik spricht. 38 Flexible Technik für individuelle Jachtträume Besonders im Rahmen von Neubauprojekten zahle sich außerdem die Flexibilität des WAGO-Systems aus, so Koek: „Dank der Modularität des WAGO-I/OSYSTEMs können wir die Automation der Schiffe individuell anpassen und flexibel erweitern“, erklärt er. „Die Art und Weise des Kommunikationsaufbaus, die Flexibilität des Systems und seine kompakte Bauart machen die Automatisierungslösungen von WAGO für uns so attraktiv.“ Und attraktiv sind schlussendlich auch die Jachten aus Vollenhove am Ijsselmeer. „If you can dream it, we can build it“, unterstreicht Pascal Koek. Royal Huisman zähle aus gutem Grund bei Qualität, Service, Innovationskraft und traditionellem Handwerk zu den weltweit führendenden Werften für Motor- und Segeljachten bis 90 Meter. „Wir lassen Träume Wirklichkeit werden“, sagt der Softwareentwickler nicht ohne Stolz. Träume aus majestätisch modelliertem Aluminium und hypermodernem Hightech - gebaut in traditioneller Technik. Zwischen zwei bis drei Jahre liegen in der Regel zwischen den ersten Ideenskizzen und Konstruktionsplanungen bis zur Übergabe an den Eigner. „Und bei aller Erfahrung: Wir sind jedes Mal aufs Neue überrascht und begeistert, wenn eine Jacht unsere Werft verlässt, weil jedes Schiff anders ist.“ TEXT NORMAN SÜDEKUM UND JORIS VAN LIEMPT | WAGO FOTO WAGO WAGO DIRECTPROCESS | NR. 02 / 2016 TECHNOLOGIEN | VOLLE FLEXIBILITÄT, MEHR SICHERHEIT VOLLE FLEXIBILITÄT, MEHR SICHERHEIT Die neuen Industrial-Managed-Switches mit Schiffszulassung Auch auf dem Schiff halten immer mehr ETHERNET-Anwendungen Einzug – beispielsweise in der Antriebssteuerung, in Deckhandhabungsgeräten oder in Alarm- und Monitoringsystemen. Dafür werden kosteneffiziente, stabile und redundante Netzwerklösungen benötigt – und passende Komponenten wie die Industrial-Managed-Switches der Serie 852 von WAGO. Die individuell konfigurierbaren IndustrialManaged-Switches vernetzen zuverlässig alle ETHERNET-Teilnehmer miteinander und sorgen für einen permanenten Zugriff auf Maschinen und Anlagen. Durch die Protokolle „Rapid Spanning Tree“, „Dual Homing“, „Dual Ring“, „Jet Ring“, „ERPS v1/v2“ und den schnellen „Xpress Ring“ lassen sich redundante Netzwerkstrukturen mit kurzen Wiederherstellungszeiten von unter 50 ms erstellen, um selbst bei gestörten Verbindungen eine sichere Kommunikation zu garantieren. Die Switches sorgen mit ihrer redundanten Spannungsversorgung zudem für eine unterbrechungsfreie Datenkommunikation mit bis zu 1 GBit/s. Auf diese Weise tragen sie zum sicheren Betrieb von Maschinen und Anlagen auf Schiffen bei. Industrial-Managed-Switches mit DNV-GL-Zulassungen für den Einsatz auf Schiffen sind in unterschiedlichen Ausbaustufen erhältlich: mit acht Ports 1000Base-T und vier Ports 1000Base-SX/ LX (852-1305) sowie mit acht Ports 100Base-TX und zwei Ports 1000Base-SX/LX (852-303). Beide Switches sind individuell konfigurierbar, wodurch sie den Anforderungen unterschiedlicher Netzstrukturen gerecht werden. Umfangreiche Security-Funktionen Die Industrial-Managed-Switches von WAGO unterstützen aktuelle Sicherheitsfunktionen wie „Mac Limitation“, „Port Security“ und Authentifizierung gemäß IEEE 802.1x. Außerdem ermöglichen „IGMP Snooping“, Broadcast- und Bandbreitenlimitierungen eine zusätzliche Kontrolle des Datenflusses. Mit diesen erweiterten Security-Funktionen unterstützt die neue Switch-Generation den Schutz vor Cyberattacken und somit vor Havarien mit Folgen für Mensch, Maschine oder Umwelt. Sichern die Anlagenverfügbarkeit und verhindern Stillstandszeiten: die neuen Industrial-Managed-Switches mit Ringredundanz, redundanter Spannungsversorgung und neuesten Sicherheitsfunktionen WAGO DIRECTPROCESS | NR. 02 / 2016 39 TECHNOLOGIE | DOPPELT UND DOCH NICHT ÜBERFLÜSSIG Mit zwei parallelen Steuerungen die Verfügbarkeit erhöhen DOPPELT UND DOCH NICHT ÜBERFLÜSSIG Das Wort „Redundanz“ entstammt der lateinischen Sprache und bedeutet so viel wie „im Überfluss vorhanden“ sein. Redundanz, möchte man meinen, passt damit so ganz und gar nicht in die heutige Zeit, in der Effizienz und Sparen den Ton angeben. Doch! – Nämlich dann, wenn Redundanz der Verfügbarkeit dient! verursachen Fehlerfolgekosten. Vor allem die schnelle Beschaffung von Ersatzteilen und die Verfügbarkeit von Systemspezialisten gestalten sich in solchen Fällen häufig als Problem – insbesondere auf einem Schiff. Aus diesem Grund ist die Forderung nach einer Fehlertoleranz im Automatisierungssystem in dieser Branche allgegenwärtig. Technische Systeme in Fabrikanlagen, Gebäuden und auf Schiffen müssen oftmals ununterbrochen ihre Aufgaben erledigen. Um diese erforderliche Verfügbarkeit von Maschinen und Anlagen zu erzielen, ist es in vielen Anwendungen notwendig, neben Wartungskonzepten auch gezielt Funktionen des Automatisierungssystems zu verdoppeln. Durch diese Redundanz kann das Automatisierungssystem einen auftretenden Fehler kompensieren und den weiteren Betrieb des technischen Systems sicherstellen. Welche Redundanzform für welche Anwendung Kommt es dennoch zu einer Funktionsstörung im Automatisierungssystem – ob aufgrund interner oder externer Ursachen – gilt es, diese so schnell wie möglich zu erkennen, zu lokalisieren und zu beseitigen – denn Zeit ist Geld und Ausfälle 40 Für die Fehlertoleranz im Automatisierungssystem ist die Umschaltung zwischen der aktiven und der sich im Stand-by befindlichen Automatisierungsfunktion ein wichtiger Systemindikator. Die notwendige Umschaltzeit bestimmt, welche Zielanwendungen mit dem Automatisierungssystem bedient werden können. Hier unterscheidet man grob die heiße (annähernd stoßfreie), die warme (viele Millisekunden) und die kalte (mehrere Sekunden) Redundanzform. Zeitkritische technische Systeme, die bei einem Ausfall sehr hohe Fehlerfolgekosten produzieren, werden in der Regel mit einer heißen Redundanz- WAGO DIRECTPROCESS | NR. 02 / 2016 lösung abgebildet. Die warme Redundanz findet man vorzugsweise in zeitunkritischen technischen Systemen wie Alarm- und Monitoring-Systemen oder zur Steuerung von trägen Regelkreisen. Als Faustformel gilt: Die Umschaltzeit auf die redundanten Automatisierungsfunktion muss kleiner sein als die Systemtoleranzzeit des technischen Systems. Systemumgebung beachten Um die Zuverlässigkeit des Automatisierungssystems sicherzustellen, muss neben der SPS auch die Systemumgebung betrachtet werden: Auch die Spannungsversorgung und das Kommunikationsmedium (z. B. ETHERNET) müssen die Verfügbarkeitsanforderungen des technischen Systems erfüllen. Man spricht auch von den Redundanzarten der Versorgungsredundanz, der Kommunikationsredundanz und der Geräteredundanz. Damit die Automatisierungstechnik ihren Beitrag zur Steigerung der Verfügbarkeit des technischen Systems leistet, muss schon in der Konzeptphase des Automatisierungssystems die Notwendigkeit der verschiedenen Redundanzarten bewertet werden. Im Schiffbau wird zumeist eine Fehlertoleranz von mindestens eins gefordert. Das bedeutet, dass ein Ausfall einer Spannungsversorgung oder die Unterbrechung des Netzwerkkabels keinen Einfluss auf die Funktion des technischen Systems haben darf, weil es sich hier lediglich um einen „Single Point of Failure“ (SPOF) handelt. Versorgungsredundanz Generell ist die Spannungsversorgung bei der Projektierung einer heißen Redundanz durch ein Diodenmodul zur Veroderung von zwei unabhängigen Spannungsquellen kostengünstig umsetzbar. Fällt eine Stromversorgung aus, so ist eine stoßfreie Umschaltung auf die zweite Stromversorgung möglich. Kommunikationsredundanz Das ETHERNET-Netzwerk kann als duales LAN-Netzwerk (zwei LAN-Kabel mit identischem Datenverkehr) oder im Ring aufgebaut werden. Das duale LAN-Netzwerk erlaubt eine stoßfreie Umschaltung bei erhöhtem Verdrahtungsaufwand. Eine kostengünstige Alternative sind Ringnetzwerkprotokolle, die dem System allerdings eine zumeist höhere Umschaltzeit abverlangen. Die Umschaltzeiten der bekannteren Redundanzprotokolle aus Büronetzwerken (STP, RSTP, MSTP) sind bestenfalls kalt redundant – sie benötigen in der Praxis mehr als zwei Sekunden. Ein standardisiertes, herstellerunabhängiges Ringprotokoll, das eine Umschaltung in weniger als 50 ms erlaubt, ist ERPS. Geräteredundanz Bei der Geräteredundanz der SPS existieren ebenfalls verschiedene Umschaltmechanismen; am aufwändigsten sind hardwaregesteuerte Umschaltungen, darauf folgen die im Betriebssystem implementierten. Eine kostengünstige Alternative stellen Umschaltalgorithmen auf Applikationsebene dar. Zu beachten ist, dass die geforderte Systemtoleranzzeit des technischen Systems zu der gewählten Redundanzform passen muss. TECHNOLOGIE | DOPPELT UND DOCH NICHT ÜBERFLÜSSIG Redundanz made by WAGO +– +– +– ON +– AC 230 V/DC 24 V 5, 10, 20 A, ein- und mehrphasig AC 230 V/DC 24 V 5, 10, 20 A, ein- und mehrphasig +– Redundanzmodul – ++ 1 2 3 4 5 6 7 8 Versorgungsredundanz In Sachen Versorgungsredundanz kann WAGO mit Geräten aus der EPSITRON®-Reihe für eine redundante Spannungsversorgung der relevanten Hardware sorgen. Hierbei ist es wichtig, dass die beiden Stromversorgungen aus verschiedenen Quellen stammen und die Kabel auf unterschiedlichen Wegen verlegt werden. Hierdurch ist die Funktionalität des Automatisierungssystems auch beim Stromausfall einer Energiequelle sichergestellt. – + Elektronischer Schutzschalter Versorgungsredundanz Kommunikationsredundanz Für den Bereich der Kommunikationsredundanz bietet WAGO ein bewährtes applikatives Redundanzkonzept: Durch die Verwendung ausgewählter Hardware, in Kombination mit der Medienredundanzbibliothek in CS2.3, wird die erforderliche Fehlertoleranz bei ETHERNET-basierter Kommunikation über das MODBUS-Protokoll erreicht. Bei diesem Redundanzkonzept werden alle Datenpakete über zwei Wege vom Sender zum Empfänger übermittelt. Sobald eine Nachricht erfolgreich im Automatisierungssystem übermittelt wurde, kann die Automatisierungsaufgabe ausgeführt werden. Diese applikative Kommunikationsredundanz ist dementsprechend stoßfrei. Applikative Medienredundanz (Dual-LAN) SCADA Modbus TCP Modbus TCP ETHERNET ETHERNET Modbus-Master (SPS) Redundanz-Bibliothek CS 2.3 ON 1 2 3 4 5 6 7 8 Modbus-Slave 1 (SPS) Netzwerk A Netzwerk B ON Applikative Kommunikationsredundanz 42 1 2 3 4 5 6 7 8 Modbus-Slave 2 (SPS) Modbus-Slave n (SPS) WAGO DIRECTPROCESS | NR. 02 / 2016 Applikative Controllerredundanz SCADA Modbus TCP ETHERNET Modbus TCP ETHERNET Master A Stand-by-Master B ON 1 2 3 4 5 6 7 8 Smart-Koppler 1 Netzwerk B Netzwerk A ON Neues Konzept für applikative Controllerredundanz WAGO stellt seinen Kunden in der Schiffstechnik nun ebenfalls ein applikatives Redundanzkonzept für Steuerungen zur Verfügung. Basierend auf dem Modbus-TCP-Protokoll wird diese Lösung bereits in einem Alarm- und Monitoringsystem eingesetzt. Das Besondere dieser Redundanzlösung: einfachste Inbetriebnahme des Gesamtsystems auf Basis der Standardhardware von WAGO. Für WAGO-Kunden bedeutet das einen erheblichen Kostenvorteil bei der Systemintegration ihres Automatisierungssystems. Als Programmierumgebung für die Steuerung wird das Engineering-Tool e!COCKPIT von WAGO verwendet. Die Multi-Knoten-Programmierumgebung kann das SPS-Programm sehr einfach in beide SPS senden. Um die applikative Controllerredundanz nutzen zu können, muss eine Softwarebibliothek mit den notwendigen Synchronisationsfunktionen in den Master-SPS eingebunden werden. Des Weiteren bietet die Bibliothek die Möglichkeit, Unterknoten mittels eines Dual-LANs redundant einzubinden. Die Unterknoten, auch Smart-Koppler genannt, müssen dabei nicht programmiert werden; sie werden 1 2 3 4 5 6 7 8 Smart-Koppler 2 Smart-Koppler n lediglich von einer SD-Karte gebootet und lassen sich über einen integrierten Webserver konfiguriert. Die analogen und digitalen Busklemmen werden automatisch vom Smart-Koppler erkannt, ebenso automatisch wird den übergeordneten Master-SPS das Prozessabbild zur Verfügung gestellt. Die Master-SPS können überdies via Modbus-TCP-Protokoll mit übergeordneten SCADA-Systemen kommunizieren. Die redundante Ankopplung geschieht über zwei getrennten Netzwerke. Für den Einsatz der applikativen Controllerredundanz eignen sich insbesondere Alarm- und Monitoring Systeme. Der Aufbau der Lösung entspricht einem SPOF-toleranten System, sodass ein auftretender Fehler wie der Ausfall der Spannungsversorgung, der LAN-Verbindung, Switche oder Steuerung immer kompensiert werden kann. Die Verdopplung der ETHERNET-Topologie und die redundante Nachrichtenübertragung ermöglichen eine stoßfreie Umschaltung bei einem Fehler in einem Netzwerk. Die typische Umschaltzeiten nach Ausfall einer SPS liegen bei der Verwendung in typischen Alarm und Monitoringsystemen um ein Vielfaches unterhalb der Anforderungen der DNV-GL. TEXT INGO SULECK UND NORMAN SÜDEKUM | WAGO FOTO WAGO WAGO DIRECTPROCESS | NR. 02 / 2016 43 Fähren und Kreuzfahrer mit innovativer Technologie auf effizientem Kurs UMWELT SCHÜTZEN – GELD SPAREN Wenn große Reedereien wie Stena Line mit berechtigtem Stolz davon berichten, dass sie erneut den Treibstoffverbrauch ihrer Flotte senken konnten, dann hat CATC aus Göteborg an diesem Erfolg einen messbaren Anteil. Das noch junge Unternehmen aus Schweden hat sich vor allem darauf spezialisiert, die Energieverbräuche der Kälte-, Wärme- und Lüftungstechnik an Bord zu senken. Dafür übernimmt CATC in enger Zusammenarbeit mit WAGO die kompletten Systemarbeiten von der elektrische Konstruktion über die Programmierung und das Projektmanagement bis hin zur Inbetriebnahme und späterem Service. 44 WAGO DIRECTPROCESS | NR. 02 / 2016 Der Hotelbetrieb eines Kreuzfahrers bietet reichlich Potential, die Betriebskosten dank besserer Energieeffizienz zu senken. Bereits seit 2005 hat die Reederei Stena Line ihre Schifffahrtssparte in einem sogenannten „Energy Saving Programm (ESP)“ zusammengefasst, um ihre Energieverbrauch zu verringern. Ziel ist eine jährliche Reduktion um 2,5 Prozent, das laut Stena Line im Jahr 2015 mit einer Reduktion um 2,8 Prozent übertroffen wurde. „Bis zum Jahr 2030 planen wir, unseren CO2-Ausstoß um 35 Prozent pro Seemeile zu reduzieren“, erläutert Erik Lewenhaupt, Head of Sustainability bei Stena Line. „Im Rahmen von ESP setzen wir an unterschiedlichen Punkten an, um Energie zu sparen – vom Schiffspropeller bis hin zur Glühbirne. Zusätzlich setzen wir auf digitale Lösungen für unser Treibstoffmanagement, um anhand der Daten, die wir auf unseren Fähren erheben, den Betrieb an Bord zu optimieren“. WAGO DIRECTPROCESS | NR. 02 / 2016 Abstimmung von Teilsystemen senkt Energiebedarf In Einsatzbereichen wie diesen spielen die Systeme von CATC ihre Stärke aus: Auf Kreuzfahrtschiffen und Fähren optimieren sie Druck und Temperatur von Gebläsen, Kühlgeräten und Heizkessel so, „dass die Energiekosten eines Schiffs um bis zu 40 Prozent sinken“, erklärt Jens Stjärna, einer der Gründer von CATC. Indem vor allem die Anlagen des „Hotelbetriebs“ auf Fähren oder Kreuzfahrtschiffen mit Hilfe des WAGO-I/O-SYSTEMs 750 überwacht und aufeinander abgestimmt gesteuert werden, sinkt der Bedarf an elektrischer Energie erheblich. Und weil jedwede Energie an Bord von den als Gen-Sets bezeichneten Hotelstromaggregaten erzeugt werden muss, reduziert jede 45 ANWENDUNGEN | UMWELT SCHÜTZEN – GELD SPAREN Effizienzsteigerung auch den Treibstoffverbrauch sowie die Feinstaub- und CO2-Emissionen – und das wiederum senkt die Kosten pro Meile. „Zum Glück steigt das Umweltbewusstsein aktuell“, sagt Stjärna, der die Schiffbauindustrie in Sachen Nachhaltigkeit generell als recht altmodisch erlebt. Geschuldet sei dieser Trend unter anderem der Tatsache, dass Kreuzfahrtschiffe zunehmend in die Kritik gerieten, weil sie mit ihren Abgasen für Smog in Häfen und Fjorden sorgten. Außerdem seien beispielsweise die Schiffe von Stena Line inzwischen ausschließlich in ECAs (Emission Control Areas) unterwegs, für die spezielle Umweltrichtlinien zu Emissionen sowie zur Abfall- und Brauchwasserentsorgung gelten. Mit 3500 Gästen plus 1500 köpfiger Besatzung beherbergen moderne Kreuzfahrtschiffe heute eine komplette Kleinstadt. 46 „Wir von CATC haben recht frühzeitig die Nachfrage nach einem energieeffizientem Betrieb von Schiffen antizipiert und sind heute praktisch die Einzigen, die sich mit solchen Fragen beschäftigen – natürlich ist das für uns ein Vorteil“, sagt Stjärna. Die Schweden kombinieren ihre Erfahrungen in der Klimatechnik und Schiffsautomatisierung mit WAGO-Produkten, die ihrerseits über die entsprechenden Freigaben der Klassifizierungsgesellschaften verfügen. „Die WAGO-Systeme entsprechen den einschlägigen Schifffahrtsnormen“, sagt Stjärna. „Das war für uns, neben der kompakten Bauform der WAGO-Produkte, eines der Hauptkriterien bei der Systemauswahl. Wenn alle von uns eingesetzten Komponenten zertifiziert sind, haben wir es einfach und sind auch bei Verhandlungen mit Neukunden erfolgreicher.“ Refit für ein besseres Klima Die meisten Projekte von CATC umfassen den Komplettausbau der gesamten Steuerung der Kälte-, Wärme- und Lüftungstechnik an Bord. Ist im Rahmen eines Refits ein Systemwechsel geplant, wird mit der Arbeit am häufigsten im Maschinenraum begonnen – und zwar mit der Installation von Touchscreens, die dem Personal ermöglichen, Temperatur und Luftdruck zu überwachen und individuell zu regeln. Vergleichbare Bedien- und Das WAGO-I/O-SYSTEM 750 ist für den marinen Einsatz zertifiziert. Visualisierungslösungen kommen auch in Bereichen zum Einsatz, in denen sich Passagiere aufhalten – beispielsweise in Konferenzräumen oder Speisesälen. „Unser Ziel ist es, die Effizienz an Bord zu steigern, ohne Kompromisse beim Komfort für Passagiere und Besatzung eingehen zu müssen“, macht Stjärna klar. Weil der Ausbau erfolgt, während das Schiff in Betrieb ist, begleiten die Techniker von CATC Schiffe auf Fahrten um die ganze Welt. „Für uns ist es durchaus von Vorteil, bei der Inbetriebnahme der neuen Systeme vor Ort zu sein“, erklärt Stjärna den Umstand, „so erhalten wir von unseren Kunden eine direkte Rückmeldung und sehen, wie die Besatzung an Bord unsere Systeme nutzt“. Erst neulich habe CATC ein Großprojekt auf einem Schiff von Stena Line abgeschlossen, das zwischen Göteborg und Kiel verkehrt, erzählt Stjärna: Auf dem Schiff sei ein komplett neues System für die Räumlichkeiten, in denen sich sowohl die Besatzung als auch die Gäste aufhalten, den Maschinenraum und das Autodeck installiert worden. „Ganz besonders haben sich die Mitarbeiter von Stena Line, die auf dem Autodeck arbeiten, über das Refit gefreut“, sagt Stjärna, „weil unser System dort die Belüftung verbessert hat und damit die Abgase vermindert“. Der Refit von CATC sorgt so für eine Klimaverbesserung im doppelten Sinne – sowohl auf dem Schiff, als auch drum herum. Und finanziell lohnt er sich überdies: „Ein Systemwechsel amortisiert sich innerhalb von einem bis zwei Jahren“, weiß Stjärna. Zum einen wegen der Energieeinsparung, zum anderen weil das Personal an Bord auf Basis der neue Software deutlich effektiver arbeiten könne. „Auf lange Sicht spart der Kunde sogar Geld.“ TEXT JENS STJÄRNA | CATC, STEFAN WALL UND URBAN WASE | WAGO FOTO WAGO UND THORSTEN SIENK »Die WAGO-Systeme entsprechen den einschlägigen Schifffahrtsnormen.« WAGO DIRECTPROCESS | NR. 02 / 2016 47 ANWENDUNG | UND DANN KOMMT DOCH DER GRIFF INS REGAL Warum standardisierte Industrietechnik auch im maritimen Umfeld so viele Vorteile bringt UND DANN KOMMT DOCH DER GRIFF INS REGAL Lassen sich auf Stückgut- und Containerschiffen die mit den Frachten verbundenen Lasten für ein effektives Lademanagement recht einfach zählen und addieren, sind dafür auf Tankern exakte Füllstandmessgeräte gefragt. Krohne Marine aus Norwegen zählt mit ihren Ladungsüberwachungsund Managementsystemen für Tankschiffe seit mehr als 50 Jahren zu den weltweiten Experten auf diesem Gebiet. In der neuen Generation des „Cargomaster“-Systems setzt Krohne standardisierte Steuerungstechnik von WAGO ein – und ersetzt damit eigenentwickelte Elektronik. Mit „Cargomaster“ haben Schiffsbesatzungen ständig den Füllstand ihrer Tanks an Bord im Blick. Zur Komplettlösung von Krohne Marine zählen deshalb neben der reinen Füllstandmessung auch die komplette Überwachung bis hin zur Alarmierung samt Visualisierung und Anbindung an übergeordnete Leitsysteme. Für die eigentlichen Messungen auf der Ladungsebene setzte Krohne sein Niveauradar OPTIWAVE 8300 C ein. Neben der Füllstandmessung kann das System aus dem norwegischen Brevik ebenfalls Pumpen, Leitungen sowie den Tiefgang eines Schiffs überwachen. Die dafür notwendige Elektronik haben die Norweger WAGO DIRECTPROCESS | NR. 02 / 2016 bis dato zu einem großen Teil selbst entwickelt – dieses vor allem mit der Prämisse maximaler Präzision und Verfügbarkeit. Die Innovationskraft spiegelt sich unter anderem in einer Vielzahl an Patenten wieder. Standard statt Eigenentwicklung Bei Krohne Marine handelt es sich allerdings um einen klassischen Vertreter proprietärer Systeme, die zwar exzellent arbeiten, aber vor dem Hintergrund der langen Betriebszeiten der Handelsschifffahrt eben auch hohen Aufwand für Produktpflege, Ersatzteilbevorratung und den Service nach sich ziehen. Diese Auswirkungen sind typisch für Eigenentwicklungen – vor allem im Bereich von Steuerungshardware. Krohne war deshalb im Rahmen der Weiterentwicklung von „Cargomaster“ auf der Suche nach einem Partner für industrielle Steuerungstechnik, mit dem sich die individuellen Aufgabenstellungen der Schifffahrt mit einen Griff ins Regal erfüllen lassen. Der Einsatz von Standardkomponenten sei vor allem deshalb möglich, weil das Know-how der Norweger mehr auf Konzeption und der Umsetzung in Software läge als auf der Hardware, erklärt Svein 49 ANWENDUNGEN | UND DANN KOMMT DOCH DER GRIFF INS REGAL Mit Ladungsüberwachungssytemen wie dem „Cargomaster“ haben Schiffsbesatzungen ständig den Füllstand ihrer Tanks an Bord im Blick. Henriksen, Leiter Forschung und Entwicklung bei Krohne Marine. „Der Griff ins Regal bringt uns heute vor allem sinkende Kosten bei der Entwicklung und Produktion.“ Optimal – in Sachen Preis, Leistung und Verfügbarkeit Im Vorfeld der strategischen Entscheidung, die Tankmanagementsysteme auf industriell erprobter Standardsteuerungstechnik von WAGO aufzusetzen, hat das Unternehmen aus Norwegen diverse Lösungen anerkannter Lieferanten miteinander verglichen. „Wir waren auf der Suche nach einem Hersteller, mit dessen Produkten sich unsere Anforderungen ohne weitere Anpassungen realisieren lassen – und das auch in Bereichen mit Anforderungen entsprach“, sagt Jon Anders Eriksen, bei Krohne Marine verantwortlich für die Prozessleittechnik. Die Zusammenarbeit sei von Anfang an sehr gut gelaufen – mit intensiver Unterstützung vor allem bei Softwareengineering und Schulung. Ungeahnte Möglichkeiten Die Partnerschaft führte letztlich dazu, dass die vorhandene Software nicht nur einfach in eine neue Steuerungshardware implementiert wurde, sondern vielmehr so angepasst wurde, dass das Zusammenspiel aus Soft- und Hardware optimal funktioniert. Das führte schlussendlich sogar zu einer deutlichen Steigerung der Performance im Vergleich zur Vorgängergeneration. »Mit WAGO haben wir einen Lieferanten gefunden, der allen unseren Anforderungen entsprach.« hohen Anforderungen an den Ex-Schutz. Zudem müssen die Produkte, die wir einsetzen, über die entsprechenden Zulassungen der Klassifizierungsgesellschaften verfügen“, erklärt Henriksen, der bei Krohne Marine auch den Service leitet. Aus dem funktionalen Blickwinkel betrachtet, muss die neue Hardware vor allem beim Thema Kommunikationsfähigkeit eine hohe Leistung unter Beweis stellen – allesamt Kriterien, die schlussendlich in der Entscheidung für das I/O-SYSTEM 750 von WAGO mündeten. „Mit WAGO haben wir einen Lieferanten gefunden, der allen unseren 50 Mit der Entscheidung, die Hardware nicht mehr selber zu entwickeln, sondern auf einen standardisierten Baukasten zu setzen, konnte Krohne Marine auch Vorteile für Applikationen erschließen, die im Ex-Bereich liegen. Hintergrund: Das I/O-SYSTEM 750 beinhaltet sowohl Module für Ex- wie Nicht-Ex-Bereiche. Diese unterscheiden sich nicht in ihrer Funktion, sondern rein äußerlich im konstruktiven Aufbau und der Farbgebung. Blau ist innerhalb des WAGO-Systems die Farbe für den Ex-Bereich. WAGO DIRECTPROCESS | NR. 02 / 2016 Diese Durchgängigkeit im Produktportfolio bringt für die Norweger den Vorteil mit sich, dass sie bei der Projektierung keine Rücksicht darauf nehmen müssen, ob Installationsorte unter den Ex-Schutz fallen oder nicht. Im Rahmen des Softwareengineerings ist damit die reine Funktion relevant, ohne etwaige räumliche Restriktionen. Darüber hinaus machen die blauen I/O-Module weitere Komponenten im Schaltschrank überflüssig – vor allem durch die Ersparnis der bis dato notwendigen Zener-Barrieren. Dieses Detail spart nicht nur Platz, sondern macht auch die Installation schneller, weil weniger Bauteile zu verdrahten sind. Zudem steigt die Betriebssicherheit aufgrund eines geringeren Risikos von Verdrahtungsfehlern oder Bauteilausfall. Mehr Zeit für die Kernkompetenz Für Krohne Marine sind es genau diese Punkte, die maßgeblich die Entscheidung beeinflussten, Standardindustrietechnik einzusetzen. Aufgrund seiner Großserienproduktion, mit ausgefeilten Produktionsüberwachungsroutinen im Hintergrund, profitierte das Unternehmen ferner von sinkenden Fehlerraten bei den verwendeten Komponenten. Und unter diesem Aspekt der Zuverlässigkeit zahlt sich nicht zuletzt die Federklemmentechnik des WAGO-I/OSYSTEMs aus, die gerade bei hohen Vibrationen innerhalb eines Schiffes ihre Leistungsstärke voll ausspielen kann. Der Griff ins Regal lohnt sich – auch im maritimen Umfeld. die standarisierte Steuerungstechnik von WAGO arbeitet auch angesichts der rauen Umgebungsbedingungen auf See sicher. „Wir hatten bisher keine einzige Reklamation“, unterstreicht Svein Henriksen. Die mit der „Regalware“, verbundenen Kostensenkungen werden bei Krohne auf vielerlei Weise sichtbar: weniger Komponenten, weniger Platz, schnellere Konfiguration und Montage, beste Ersatzteil- und Serviceverfügbarkeit rund um den Globus. „Wir können uns jetzt bei der Weil das WAGO-I/O-SYSTEM Applikationen in Standard- und in Ex-Bereichen mit dem gleichen System anbinden kann, können sich Svein Henriksen (links) und Øystein Johansen (rechts) bei der Entwicklung ihrer Tankmanagementsysteme auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren. Entwicklung viel mehr darauf konzentrieren, die Funktionalität und Benutzerfreundlichkeit unserer System zu verbessern“, sieht der Entwicklungsleiter nachhaltige Vorteile, die maßgeblich die Wettbewerbsfähigkeit seines Unternehmens fördern. TEXT STIAN KARLSEN | WAGO FOTO WAGO KROHNE Marine Krohne Marine zählt zu den weltweit führenden Herstellern von Tanküberwachungssystemen auf Schiffen. Ob Ballast-, Treibstoff- oder Frachttanks: Die maßgeschneiderten Lösungen des norwegischen Unternehmens sind in allen Schiffstypen installiert – vom kleinen Tankschiff bis hin zum überaus anspruchsvollen Chemikalientransporter. Fast 1000 solcher Systeme hat Krohne Marine, mit Sitz in Brevik, seit seiner Firmengründung im Jahr 1957 gefertigt. Ein Meilenstein der Unternehmensentwicklung aus Sicht der Digitalisierung war 1997 die Entwicklung des ersten auf elektrischen Daten basierenden Niveaumessungssystems der Welt für Schiffe. 51 Honorarfreie Wiederverwendung des Inhalts mit Quellenangabe nach Genehmigung möglich. Kontakt: Eva Banholzer. Für unverlangt eingesendete Manuskripte und Fotos keine Haftung. WAGOdirect process erscheint in unregelmäßiger Folge. WAGO Kontakttechnik GmbH & Co. KG Postfach 2880 · 32385 Minden Hansastraße 27 · 32423 Minden [email protected] www.wago.com Zentrale Vertrieb Auftragsservice Fax 0571/ 887 - 0 0571/ 887 - 222 0571/ 887 - 44 333 0571/ 887 - 844 169 WAGO ist eine eingetragene Marke der WAGO Verwaltungsgesellschaft mbH. „Copyright – WAGO Kontakttechnik GmbH & Co. KG – Alle Rechte vorbehalten. Inhalt und Struktur der WAGO-Websites, -Kataloge, -Videos und andere WAGO-Medien unterliegen dem Urheberrecht. Die Verbreitung oder Veränderung des Inhalts dieser Seiten und Videos ist nicht gestattet. Des Weiteren darf der Inhalt weder zu kommerziellen Zwecken kopiert, noch Dritten zugänglich gemacht werden. Dem Urheberrecht unterliegen auch die Bilder und Videos, die der WAGO Kontakttechnik GmbH & Co. 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