Fall 08

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Fall 08
Fall 8
- Ein guter Freund Kioskbetreiber K will einen Kredit über € 2.000 bei der X-Bank
aufnehmen, um seine Wohnung zu renovieren. Da die Geschäfte im
Sommer hoch hergehen, schickt er seinen Freund F, der im Moment viel Freizeit hat. Dieser erklärt beim zuständigen Sachbearbeiter, er handle für den K. Wofür das Geld bestimmt ist,
sagt F nicht. Er erwähnt aber, dass K einen Kiosk betreibe.
Man vereinbart eine Laufzeit von 2 Jahren, festgesetzt ist ein
angemessener
Zinssatz.
In
der
ansonsten
formgerechten
Ver-
tragsurkunde sind keine Angaben zu Rückzahlungsmodalitäten oder Kündigungsmöglichkeiten vorgesehen. Angesichts der derzeitigen Kreditklemme war der Sachbearbeiter nur damit zu überzeugen, dass der F – der dem K ein guter Freund sein will –
erklärt er mündlich, auch er wolle „für die Rückzahlung und
die Zinsen einstehen“. Diese Vereinbarung wird ebenfalls dokumentiert, enthält aber nur einen Verweis auf den Darlehensvertrag mit dem K. Der Betrag wird dem F ausgehändigt, der ihn
sofort pflichtschuldig abliefert. Der K ist dem F allerdings
kein wirklich guter Freund. Er hatte, bereits kurz nachdem F
losgezogen
war,
herausgefunden,
dass
die
Vollmacht
der
Schriftform bedurft hätte. Er kommt auf die tolle Idee, der F
solle allein für die Rückzahlung einstehen. Daher leistet der
K zunächst bei der Fälligkeit der Rückzahlung nicht. Aufgrund
einer Mahnung der Bank entschließt es sich dann aber doch, die
Darlehensvaluta zurückzuzahlen. Allerdings geht das Geld bei
der Einsendung in einem Briefumschlag per Post verloren.
Die Bank möchte wissen, von wem sie die Rückzahlung der Darlehensvaluta und Zahlung der geschuldeten Zinsen verlangen kann.
Zudem möchte sie wissen, welche Ansprüche sie gegen K aufgrund
der fehlenden Leistung trotz Mahnung hat.
1
Lösung Fall 8
A.
Anspruch auf Rückzahlung der Darlehensvaluta und Zahlung
der geschuldeten Zinsen .................................. 3
I. Anspruch der B gegen K gemäß § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB . 3
1. Darlehensvertrag ................................. 3
a) Stellvertretung ................................ 3
(1) Abgabe einer eigenen Willenserklärung ...... 3
(2) Offenlegung der Stellvertretung ............ 3
(3) Handeln mit Vertretungsmacht ............... 3
aa) Nichtigkeit wegen Verstoßes gegen den
Formzwang .............................. 3
bb) Heilung des Formmangels? ............... 4
cc) Zwischenergebnis ....................... 5
(4) Genehmigung des Vertretergeschäfts ......... 5
(5) Zwischenergebnis ........................... 7
b) Formerfordernis
im
Hinblick
auf
den
Darlehensvertrag ............................... 7
c) Zwischenergebnis ............................... 7
2. Fälligkeit ....................................... 8
3. Erfüllung der Leistungspflicht ................... 8
4. Ergebnis ......................................... 8
II. Anspruch der B gegen F gemäß §§ 488 Abs. 1 Satz 2 i. V.
m. 421 Satz 1 BGB .................................... 8
1. Entstehung einer Verpflichtung des F ............. 8
a) Qualifikation der Verpflichtung ................ 8
b) Anwendung der Verbrauchervorschriften §§ 491 ff.
BGB ............................................ 9
2. Heilung gemäß § 494 Abs. 2 BGB analog ............ 9
3. Ergebnis ........................................ 10
B.
Anspruch gemäß §§ 280 Abs. 1 und 2 i. V. m. 286 Abs. 1 BGB
11
I. Fällige Leistung .................................... 11
II. Vertretenmüssen ..................................... 12
III.
Ergebnis ........................................ 12
C.
Gesamtergebnis .......................................... 12
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A.
Anspruch auf Rückzahlung der Darlehensva-
luta und Zahlung der geschuldeten Zinsen
I.
Anspruch der B gegen K gemäß § 488 Abs. 1 Satz 2
BGB
Die Bank könnte gegen K einen Anspruch auf Rückzahlung der
Darlehensvaluta und Zahlung der geschuldeten Zinsen gem. § 488
Abs. 1 Satz 2 BGB haben.
1.
Darlehensvertrag
Dies setzt zunächst voraus, dass zwischen B und K ein Darlehensvertrag zustande gekommen ist.
a)
Stellvertretung
Da der K vorliegend nicht selbst, sondern nur durch den F gehandelt hat, kommt ein Vertragsschluss nur dann in Betracht,
wenn der F als Stellvertreter für den K gehandelt hat. Dies
setzt neben der Abgabe einer eigenen Willenserklärung und dem
Auftreten in fremdem Namen ein Handeln im Rahmen der eingeräumten Vertretungsmacht voraus.
(1)
Abgabe einer eigenen Willenserklärung
Der F hat vorliegend eine eigene Willenserklärung abgegeben.
(2)
Offenlegung der Stellvertretung
Die Stellvertretung wurde auch durch den K offen gelegt.
(3)
Handeln mit Vertretungsmacht
Fraglich ist allerdings, ob der F vorliegend auch mit Vertretungsmacht gehandelt hat.
aa)
Nichtigkeit wegen Verstoßes gegen den Formzwang
Der K hat den F zwar zum Abschluss des Darlehensvertrages bevollmächtigt. Allerdings könnte die Vollmacht aufgrund von §
3
492 Abs. 4 Satz 1, Abs. 1 und 2 BGB i.V.m. § 494 Abs. 1 BGB
nichtig sein, da diese lediglich mündlich erfolgte.
Dies setzt aber zunächst voraus, dass es sich vorliegend überhaupt um einen Verbraucherdarlehensvertrag handelt. Gem. § 491
Abs. 1 BGB müsste es sich dafür um einen Darlehensvertrag zwischen
einem
Verbraucher
und
einem
Unternehmer
handeln.
Die
Bank ist Unternehmer i. S. d. 14 BGB. Der K müsste Verbraucher
i. S. d. § 13 BGB sein. Dafür ist ganz überwiegend entscheidend, dass die Zweckbestimmung der Kreditaufnahme objektiv dem
privaten Bereich des Darlehensnehmers zuzuordnen ist. Da der K
damit seine Wohnung renovieren möchte, könnte es sich um ein
Verbrauchergeschäft
handeln.
Fraglich
ist
hier,
ob
dem
Verbraucher ein Berufen auf die Schutzvorschriften der §§ 491
ff. BGB dann gem. § 242 BGB zu verwehren ist, wenn eine gewerbliche Verwendung vorgetäuscht wird. Dies könnte vorliegend
in der Angabe des F gesehen werden, dass der K einen Kiosk
betreibe. Der F wird dem K hier gem. dem Rechtsgedanken des §
123 Abs. 2 Satz 1 BGB zugerechnet. Da er am Zustandekommen des
Vertrags maßgeblich beteiligt ist, ist er kein Dritter i. S.
d. Vorschrift. Vorliegend hat F jedoch eine gewerbliche Verwendung nicht vorgetäuscht, da er nicht ausdrücklich auf die
Verwendung im Bereich der selbstständigen Tätigkeit des K verwiesen hat. Die Aussage zum Beruf des K kann auch allgemein
als Aufklärung über die Person des Darlehensnehmers verstanden
werden. Eine Täuschung liegt nicht vor. Bei dem Darlehensvertrag handelt es sich daher um ein Verbraucherdarlehen.
Die Bevollmächtigung des K durch den V hätte daher schriftlich
erfolgen müssen. Da dies nicht erfolgte, ist die Bevollmächtigung des F daher nichtig (§ 492 Abs. 4 Satz 1, Abs. 1 und 2
BGB i.V.m. § 494 Abs. 1 BGB).
bb)
Heilung des Formmangels?
Fraglich ist dabei aber, ob die nichtige Vollmacht gem. § 494
Abs. 2 Satz 1 BGB durch die Inanspruchnahme der Darlehensvaluta geheilt werden kann. Nach allgemeiner Ansicht, die sich auf
4
den Wortlaut des § 494 Abs. 2 Satz 1 BGB stützen kann, ist die
Vollmacht
allerdings
gerade
nicht
heilungsfähig.
Ansonsten
würde durch die Auszahlung der Darlehensvaluta an den vollmachtlosen
Vertreter
als
Empfangsboten
des
Darlehensnehmers
auch die Vollmacht geheilt und damit der besondere Schutz der
zwingenden Form der Vollmacht nach § 492 Abs. 4 Satz 1, Abs. 1
und 2 BGB unterlaufen. Selbst wenn man – richtiger – erst die
Annahme durch den Vertretenen als Ausreichen des Darlehens i.
S. d. § 494 Abs. 2 Satz 1 BGB betrachtet, so würde der besondere Schutzzweck der Vorschrift unterlaufen. Primär geht es
darum, dass der Vertretene die Reichweite der Vertretungsmacht
kontrollieren
kann
bzw.
soll.
Bei
der
bloßen
Entgegennahme
wird ihm die (rechtlich abgesicherte) Möglichkeit zur Kontrolle des Geschäfts nicht bewusst sein. Damit ist er auch nicht
in der Lage, seinen Schutz selbstständig zu gewährleisten.
Der F hat somit mangels wirksamer Bevollmächtigung als Vertreter ohne Vertretungsmacht gehandelt.
cc)
Zwischenergebnis
Eine wirksame Bevollmächtigung des F durch den K liegt daher
nicht vor. Der F handelte daher als Vertreter ohne Vertretungsmacht.
(4)
Genehmigung des Vertretergeschäfts
Das von ihm vorgenommene Vertretergeschäft könnte allerdings
durch den K genehmigt worden sein (§ 177 Abs. 1 BGB). Die Genehmigung könnte dabei in der Annahme des Geldes durch den K
liegen.
Die herrschende Meinung nimmt dabei an, dass eine solche Genehmigung zwar möglich ist, sich allerdings als Ausnahme von
der Formfreiheit der Genehmigung (§ 182 Abs. 2 BGB) auch nach
den Schutzvorschriften der §§ 491 ff. BGB richten muss. Die
Genehmigung müsste sich also unter Kenntnisnahme des ordnungsgemäßen Verbraucherdarlehensvertrages gem. § 492 Abs. 1 BGB
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schriftlich vollziehen. Demnach müsste eine Genehmigung vorliegend ausscheiden.
Eine Gegenansicht nimmt aber an, dass die Genehmigung auch
formlos möglich ist. Demnach könnte in der Annahme des Geldes
eine konkludente Genehmigung liegen. Dafür spricht, dass die
Interessenlage für den Verbraucher bei Empfang der Darlehensvaluta im Hinblick auf die Wirksamkeit der Bevollmächtigung
vergleichbar ist mit der im Hinblick auf den Darlehensvertrag.
Nimmt der Verbraucher die Valuta an und bestätigt dabei die
Vollmacht, so sollte er genauso gestellt werden, als habe keine Zwischenschaltung eines Dritten stattgefunden. Der Formzwang im Hinblick auf die Bevollmächtigung erfüllt eine Warnfunktion für den Verbraucher und gewährleistet darüber hinaus,
dass dieser genaue Vorgaben für den vom Vertreter abzuschließenden Darlehensvertrag machen muss (§ 492 Abs. 1 Satz 5 BGB).
Der Verbraucher soll dabei so gestellt werden, als hätte er
keinen Dritten zwischengeschaltet. Primär kann es dabei aber
bei Annahme der Darlehensvaluta nur noch auf die – gesicherte
– Einhaltung der Grenzen der Vollmacht ankommen, da in diesem
Fall gem. § 492 Abs. 2 Satz 1 BGB die Warnfunktion der zwingenden Form des Darlehensvertrages im Hinblick auf die Bindung
des Vertretenen außer Acht gelassen werden darf. Hier kann es
also nur noch darum gehen, dass dem Verbraucher die Möglichkeit gegeben wird, darauf zu achten, dass der Vertreter bei
Abschluss des „gefährlichen“ Geschäfts einen etwaigen eigenen
Spielraum nicht zu seinen Lasten ausgenutzt hat. Denn nur den
eigenen „gefährlichen“ Vertrag, der nicht alle Formzwänge erfüllt, kann er durch Annahme des Darlehens wirksam stellen.
Zu folgen ist der Minderansicht, da das Formerfordernis in
dieser
Situation
ein
nicht
gegebenes
Schutzbedürfnis
des
Verbrauchers erfüllen würde. Er hat es in der Hand, sich bei
der Genehmigung den – insoweit klarerweise von den Schutzvorschriften erfassten – Darlehensvertrag zeigen zu lassen. Im
Gegensatz
zur
Situation
bei
Vereinbarung
der
Vollmacht
ist
hier das typische Informationsdefizit des Verbrauchers im Hin6
blick auf die Reichweite der Bevollmächtigung nicht gegeben.
Nur dort, wo dem Verbraucher die etwaige Unwirksamkeit der Bevollmächtigung gegenwärtig ist, kommt aber überhaupt eine Genehmigung als Willenserklärung in Frage. Er behält also die
Kontrolle über die Rechtsfolgen, die er auf sich nimmt. In
dieser Situation liegen die Fakten klar zutage. Andererseits
erscheint der Vertreter ohne Vertretungsmacht in diesen Fällen
schutzwürdig. Er steht nicht aufseiten des in die Pflicht genommenen Unternehmers.
In der Entgegennahme des Geldes in Kenntnis der Unwirksamkeit
der Bevollmächtigung liegt also eine konkludente Genehmigung
des Vertretergeschäfts.
(5)
Zwischenergebnis
Durch die Genehmigung des K hat der F diesen gegenüber der
Bank wirksam verpflichtet.
b)
Formerfordernis im Hinblick auf den Darlehensvertrag
Der Darlehensvertrag könnte allerdings aufgrund fehlender Angaben nach § 494 Abs. 1 i. V. m. § 492 Abs. 1 Satz 5 Nr. 3 BGB
nichtig sein. Der Darlehensvertrag enthält keinerlei Angaben
über die Rückzahlungs- und Kündigungsmodalitäten und ist daher
nach § 494 Abs. 1 i. V. m. § 492 Abs. 1 Satz 5 Nr. 3 BGB nichtig. Aufgrund der Aushändigung der Darlehensvaluta an den K
ist der Darlehensvertrag jedoch gem. § 494 Abs. 2 Satz 1 BGB
geheilt.
Auf die modifizierte Geltung des Vertrags bei Fehlen gewisser
Angaben kam es vorliegend nicht an. Das Fehlen der Rückzahlungsmodalitäten führt nicht zur Änderung des Vertrags, vgl.
die Bestimmung in § 494 Abs. 2 Satz 2 ff. BGB.
c)
Zwischenergebnis
Ein Darlehensvertrag ist zwischen dem K und der B wirksam zustande gekommen.
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2.
Fälligkeit
Die Rückzahlung der Darlehensvaluta ist auch fällig.
3.
Erfüllung der Leistungspflicht
Die Leistungspflicht des K könnte allerdings nach § 362 Abs. 1
BGB durch das Absenden des Geldes ausgeschlossen sein. Der
Schuldner trägt allerdings nach § 270 Abs. 1 BGB die Gefahr
der Übermittlung des Geldes an den Wohnsitz des Gläubigers und
wird daher von der Leistungspflicht erst frei, wenn das Geld
beim Gläubiger eingeht. Das Geld ist aber vor dem Eingang bei
der B bereits verloren gegangen. Der K wurde daher von der
Leistungspflicht nicht frei.
4.
Ergebnis
Die Bank hat gegen K einen Anspruch auf Rückzahlung der Darlehensvaluta und Zahlung der geschuldeten Zinsen gem. § 488 Abs.
1 Satz 2 BGB.
II. Anspruch der B gegen F gemäß §§ 488 Abs. 1 Satz 2
i. V. m. 421 Satz 1 BGB
Die Bank könnte gegen F einen Anspruch auf Rückzahlung der
Darlehensvaluta und Zahlung der geschuldeten Zinsen gem. §§
488 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. 421 Satz 1 BGB haben.
1.
Entstehung einer Verpflichtung des F
Dies setzt zunächst voraus, dass gegenüber dem F überhaupt eine entsprechende Verpflichtung begründet wurde.
a)
Qualifikation der Verpflichtung
Der F hat gegenüber der Bank aber lediglich erklärt, selbst
für die Rückzahlung des Darlehens einstehen zu wollen. Dabei
könnte es sich um eine Bürgschaft oder einen Schuldbeitritt
handeln. Fraglich ist also, ob der F lediglich für die (fremde) Schuld des K einstehen sollte, oder ob eine eigene Schuld
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gegen ihn begründet werden sollte. Die Rechtsprechung stellte
für den Schuldbeitritt früher danach ab, ob der Verpflichtete
ein eigenes wirtschaftliches Interesse verfolgt. Da der F dem
K lediglich einen Freundschaftsdienst erweisen wollte, wäre
der für ihn in den Haftungsfolgen schwerwiegendere Schuldbeitritt abzulehnen. Dagegen spricht jedoch, dass die Motivation
des Vertragspartners bei sonstiger klarer Auslegung gem. §§
133, 157 BGB keine Rolle spielen würde. Gemäß der Parteivereinbarung handelt es sich um einen Schuldbeitritt, da der F
nicht für die Verpflichtung des K einstehen, sondern ausdrücklich selbstständig haften wollte.
Es handelt sich vorliegend also um einen Schuldbeitritt.
b)
Anwendung der Verbrauchervorschriften §§ 491 ff. BGB
Der durch F erklärte Schuldbeitritt könnte allerdings gem. §
494 Abs. 1 BGB analog nichtig sein, da der F den Schuldbeitritt lediglich mündlich erklärt hat. Dies setzt allerdings
die Anwendbarkeit der Verbraucherschutzvorschriften der §§ 491
ff. BGB auf den Schuldbeitritt voraus. Da der Darlehensnehmer
und der Schuldbeitretende in gleicher Weise schutzwürdig sind,
wird
eine
entsprechende
Anwendung
grundsätzlich
angenommen.
Aufgrund der fehlenden Beachtung der nach § 492 Abs. 4 Satz 1,
Abs. 1 und 2 BGB vorgeschriebenen Form ist der Schuldbeitritt
des F gem. § 494 Abs. 1 BGB analog nichtig.
2.
Heilung gemäß § 494 Abs. 2 BGB analog
Fraglich ist aber, ob mit dem Empfang der Darlehensvaluta bei
K auch die Formnichtigkeit des Schuldbeitritts geheilt wird.
Dagegen spricht, dass die Heilung zunächst darauf beruht, dass
der zu Schützende einen Vorteil erlangt, auf den er sich verlassen können muss. Demnach wäre der Schuldbeitritt des F gerade nicht durch die Auszahlung geheilt worden.
Die Minderansicht nimmt dagegen an, auch der Schuldbeitritt
werde geheilt. Da es im Innenverhältnis zwischen Darlehensnehmer und Schuldbeitretendem nicht vereinbart sei, dass dieser
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an der Auszahlung teilhaben solle, könne es für die Heilung
auch nicht darauf ankommen. Dieser werde vielmehr durch das
Sanktionssystem der § 494 ff. BGB ausreichend geschützt. So
komme der Vertrag gem. § 494 Abs. 2 Satz 2 ff. BGB in modifizierter Form zur Geltung, daneben bestehe ein Widerrufsrecht
gem. § 495 Abs. 1 BGB (vgl. Kessal-Wulf, in: Staudinger, BGB,
2004, § 494 Rn, 16). Demnach könnte der Schuldbeitritt des F
vorliegend wirksam sein.
Zu folgen ist der Minderansicht, da die Regelung auch den Unternehmer schützt. Einerseits schützt sie den Darlehensnehmer,
das erhaltene Darlehen nicht sofort zurückzahlen zu müssen,
andererseits schützt sie den Darlehensgeber, der eine Verzinsung verlangen kann, die nach Bereicherungsrecht gem. § 818
Abs.
1
BGB
im
Regelfall
nicht
zu
erstatten
wäre.
Da
der
Schuldbeitretende auch für die Zinsen haftet, ist der Darlehensgeber auch hier schutzwürdig. Auch der Schuldbeitritt ist
durch Auszahlung der Darlehensvaluta geheilt.
Mit dieser Argumentation begibt man sich sicherlich auf dünnes
Eis,
da
dies
im
Gegensatz
zur
generellen
Stoßrichtung
der
Verbraucherschutzvorschriften der §§ 491 ff. BGB steht. Da die
Regierungsbegründung aber die Schutzwürdigkeit der Belange des
Unternehmers
bei
der
Heilung
ausdrücklich
nennt
(vgl.
BT-
Drucks. 11/5462, S. 21), handelt es sich um eine zulässige Analogie. Auch ohne Kenntnis der Begründung wäre eine entsprechende Argumentation allerdings ausreichend.
3.
Ergebnis
Die Bank hat gegen F einen Anspruch auf Rückzahlung der Darlehensvaluta und Zahlung der geschuldeten Zinsen gem. §§ 488
Abs. 1 Satz 2 i. V. m. 421 Satz 1 BGB.
10
B.
Anspruch gemäß §§ 280 Abs. 1 und 2 i. V.
m. 286 Abs. 1 BGB
Die Bank könnte darüber hinaus einen Anspruch gegen K auf Ersatz des Verzögerungsschadens nach §§ 280 Abs. 1 und 2 i. V.
m. 286 Abs. 1 BGB haben.
I.
Fällige Leistung
Dies setzt voraus, dass der K trotz Mahnung der Bank auf eine
fällige Forderung nicht geleistet hat (§ 286 Abs. 1 BGB). K
hat vorliegend allerdings das Geld per Post an die Bank geschickt. Auch wenn damit noch keine Erfüllungswirkung eingetreten ist (siehe oben A.I.3), ist fraglich, ob die Bank den K
mit ihrer Mahnung noch in Verzug setzen konnte.
Die (früher) h. M. nahm an, es handle sich bei Geldschulden
gem. § 270 Abs. 1 BGB um eine qualifizierte Schickschuld, also
im
Hinblick
auf
die
geschuldete
Leistungshandlung
um
eine
Schickschuld, bei der nur die Gefahrtragung abweichend geregelt ist (vgl. für das Kaufrecht § 447 BGB). Demnach wäre die
Leistungshandlung mit Abschicken des Geldes vorgenommen, der
Schuldnerverzug ab diesem Zeitpunkt ausgeschlossen.
Allerdings ist gem. der Zahlungsverzugsrichtlinie Art. 3 Abs.
1 Buchst. C Ziff ii (abgedruckt in NJW 2001, 132) die Verzögerung parallel zur Gefahrtragung zu regeln. Der Schuldner wird
also
erst
durch
Bewirkung
des
Leistungserfolgs
frei.
Die
Richtlinie beschränkt sich in ihrem direkten Anwendungsbereich
zwar auf Unternehmergeschäfte und die Zahlung von Verzugszinsen, aufgrund der Notwendigkeit einer
rechtskonformen
Auslegung
ist
der
einheitlichen
Gedanke
jedoch
europa-
auf
alle
Geldschulden zu erweitern (vgl. Heinrichs, in: Palandt, BGB,
68. Aufl. 2009, § 270 Rn. 5). Demnach endet der Verzug erst
mit Übereignung an den Gläubiger bzw. dessen Annahmeverzug.
Der K ist also ab dem Zeitpunkt der Mahnung der Bank im Verzug.
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II. Vertretenmüssen
Fraglich ist, ob sich der K im Hinblick auf die geänderte
Rechtslage
auf
schuldigenden)
mangelndes
Verschulden
Rechtsirrtums
berufen
aufgrund
kann.
eines
Selbst
(ent-
wenn
die
Rechtslage strittig ist und der Schuldner eine sorgfältige Beurteilung vorgenommen hat, handelt er dabei fahrlässig, wenn
mit einer gegenteilige Auffassung des Gerichts ernsthaft zu
rechnen war. Eine Ausnahme wird nur dort zugelassen, wo die
Rechtslage in besonderem Maße umstritten ist.
Die Frage nach der Verzögerungsgefahr ist allerdings in rechtlicher
Hinsicht
relativ
unproblematisch.
Auch
wenn
sie
als
strittig gelten kann, so ist die einheitliche europarechtskonforme Auslegung doch eine bekannte Rechtsfigur. K handelte also schuldhaft.
III. Ergebnis
Die Bank hat daher einen Anspruch gegen K auf Ersatz des Verzögerungsschadens nach §§ 280 Abs. 1 und 2 i. V. m. 286 Abs. 1
BGB.
C.
Gesamtergebnis
Die Bank kann von K und F Rückzahlung des Darlehens inklusive
Zinsen verlangen, jeweils gemäß § 488 Abs. 1 bzw. §§ 488 Abs.
1 Satz 2 i. V. m. 421 Satz 1 BGB. Daneben hat sie einen Anspruch gegen K auf Ersatz des Verzögerungsschadens gemäß §§
280 Abs. 1 und 2 i. V. m. 286 Abs. 1 BGB.
Zur Problematik der Vertretung bei den §§ 491 ff. BGB ausführlich Roth, WM 2003, 2356 ff., der allerdings auch eine Heilung
der Vollmacht durch Annahme des Darlehens durch den Verbraucher (in Unkenntnis der Unwirksamkeit) annimmt. Dagegen sprechen die ausgeführten Argumente zum teilweise zwingenden Charakter der Formvorschriften.
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