Fälle und Lösungen 1-10
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Fälle und Lösungen 1-10
1 Liste der in den Fällen behandelten Themen Beachte: Die in Klammern genannten Fälle sind nicht unmittelbar klausurrelevant, sondern werden nur bei entsprechender Zeit oder aus didaktischen Gründen mitbehandelt. Fall 1: Der Rechtssatz, Prüfung von Anspruchsgrundlagen Fall 2: Rechtssubjekte, Rechtsfähigkeit Fall 3: Willenserklärung, Auslegung, Leihvertrag Fall 4: Willenserklärung, Auslegung, objektiver Empfängerhorizont, Werkvertrag Fall 5: Vertragsschluss, subjektiver Tatbestand der Willenserklärung, Erklärungsbewusstsein, Kaufvertrag Fall 6: Wirksamwerden von Willenserklärungen (Zugang), Dienstvertrag, Kündigung Fall 7: Vertragsschluss, Zugang von Willenserklärungen, Empfangsbote Fall 8: Auslegung von Verträgen, Dissens, Herausgabeansprüche (§§ 812, 985 BGB), Anfechtung Fall 9: Vertragsschluss, kaufmännisches Bestätigungsschreiben, Darlehensvertrag, der Kaufmann gemäß HGB Fall 10: Allgemeine Geschäftsbedingungen, Auftrag Fall 11: Stellvertretung, Handeln in fremdem Namen Fall 12: Stellvertretung, Prokura, Missbrauch der Vertretungsmacht, Dienstvertrag, Bürgschaft Fall 13: Stellvertretung, Handlungsvollmacht Fall 14: Stellvertretung, Rechtsscheinsvollmachten, Vertreter ohne Vertretungsmacht Fall 15: Stellvertretung, Anscheins- und Duldungsvollmacht Fall 16: Geschäftsfähigkeit, Herausgabeansprüche (§§ 812, 985 BGB) Fall 17: Willensmängel, Scheingeschäft, Formnichtigkeit Fall 18: Anfechtung, Irrtum Fall 19: Anfechtung, Täuschung Fall 20: Formnichtigkeit, Bürgschaft Fall 21: Gesetzliches Verbot, Sittenwidrigkeit Fall 22: Verjährung Fall 23: Inhalt des Schuldverhältnisses, Leistungsort Fälle und Lösungen Teil 1 Wirtschaftsprivatrecht © J. Ehrig 2 Fall 24: Inhalt des Schuldverhältnisses, Gattungsschuld, Erfüllung, Hol-/Schick-/Bringschuld Fall 25: Rücktritt Fall 26: Aufrechnung, Abtretung Fall 27: Verbraucherwiderruf, Haustürgeschäft, Werkvertrag Fall 28: Abtretung Fall 29: Abtretung, Schuldnerschutz, Erfüllung Fall 30: Gläubiger- und Schuldnermehrheit, Gesamtschuld Fall Vertrag zu Gunsten Dritter 31: Fall 32: Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte, Schadensersatz Fall 33: Schuldnerverzug Fall 34: Unmöglichkeit Fall 35: Unmöglichkeit, Schuldnerverzug Fall(35a): Unmöglichkeit, Gläubigerverzug, Vertretenmüssen Fall 36: Gewährleistung beim Kaufvertrag Fall 37: Gewährleistung beim Kaufvertrag, Verbrauchsgüterkauf Fall 38: Gewährleistung bei Werkvertrag Fall 39: Gewährleistung bei Mietvertrag Fall 40: Verschulden bei Vertragsschluss Fall 41: Beendigung von Verträgen, Miet-, Dienst-, Werk- und Darlehensvertrag Fall(41a): ungerechtfertigte Bereicherung (Leistungskondiktion), Anfechtung Fall ungerechtfertigte Bereicherung (Nichtleistungskondiktion) 42: Fall(42a): ungerechtfertigte Bereicherung (Zusatzfall) Fall(42b): Geschäftsführung ohne Auftrag Fall Deliktsrecht, Schadensersatz, allgemeines Persönlichkeitsrecht, Recht am eingerichteten und ausgerichteten Gewerbebetrieb 43: Fall(43a): Deliktsrecht, Kausalität Fall Deliktsrecht, Produkthaftungsgesetz 44: Fall(44a): Schadensersatzrecht, ersatzfähiger Schaden, Kausalität Fall Sachenrecht, § 985 BGB, Pachtvertrag 45: Fall(45a): Sachenrecht, Abstraktionsprinzip Fall 46: Besitz Fall 47: Eigentumserwerb an beweglichen Sachen Fall(47a): Gutgläubiger Erwerb an beweglichen Sachen, Eigentümer-Besitzer-Verhältnis Fälle und Lösungen Teil 1 Wirtschaftsprivatrecht © J. Ehrig 3 Fall 48: Eigentumsvorbehalt, verlängerter Eigentumsvorbehalt Fall(48a): Eigentumsvorbehalt, Anwartschaftsrecht Fall Eigentumsvorbehalt, Anwartschaftsrecht 49: Fall(49a): Pfandrecht Fall Sicherungsübereignung 50: Fall(50a): Eigentum an Grundstücken, Unterlassungsansprüche (§ 1004 BGB) Fall 51: Eigentumserwerb an Grundstücken, Vormerkung Fall 52: gutgläubiger Erwerb von Grundstücken, Grundbuch Fall(52a): Grunddienstbarkeit Fall Hypothek 53: Fall(53a): Grundschuld Fall Zivilprozessrecht, Zwangsvollstreckung, Insolvenz 54: Fall 55ff.: Fälle zum Arbeitsrecht Fall 1: Fußgänger A überquert bei rot eine Straße mit angeschlossenem Fahrradweg. Radfahrer R, den der A übersehen hatte, muss ein riskantes Ausweichmanöver vornehmen. Dabei wird das Vorderrad seines Fahrrades beschädigt. Hat R gegen A einen Anspruch auf Schadensersatz? Lösung: Ein Schadensersatzanspruch des R gegen A könnte sich aus § 823 Abs. 1 BGB ergeben. Diese Norm setzt voraus, dass der A durch kausales Handeln ein Rechtsgut des R, hier dessen Eigentum, und zwar in rechtswidriger und schuldhafter (vorsätzlicher oder fahrlässiger) Form verletzt hat. A hat durch das Passieren der Straße die Beschädigung des Rades des R verursacht. Er hat gegen die Straßenverkehrsordnung verstoßen, so dass sein Handeln auch rechtswidrig und zumindest fahrlässig war. Deshalb liegen die Voraussetzungen von § 823 Abs. 1 BGB vor und R kann Schadensersatz verlangen. Fall 2: A und B sind Gesellschafter einer GmbH, deren Geschäftsführer der C ist. Dieser kauft namens der Gesellschaft bei D Waren zum Preis von € 1.000,00. Wer schuldet den Kaufpreis? E stirbt und hinterlässt seinen dreijährigen Sohn S. Wird S Eigentümer des vorher dem E gehörenden Grundstückes? Fälle und Lösungen Teil 1 Wirtschaftsprivatrecht © J. Ehrig 4 Lösung: Den Kaufpreis schuldet gemäß § 433 Abs. 2 BGB der Käufer, also derjenige, der Vertragspartei geworden ist. Dies ist, da C namens und mit Vertretungsmacht der GmbH handelte (§§ 164 BGB, 35 GmbHG), die GmbH, die gemäß § 13 Abs. 1 GmbHG als juristische Person rechtsfähig ist. Gemäß § 1922 BGB geht das Vermögen des Erblassers bei seinem Tod auf die Erben über. Erbe des E ist, da eine letztwillige Verfügung (z.B. Testament) oder andere Verwandte nicht ersichtlich sind, gemäß § 1924 Abs. 1 BGB der S. Dieser ist gemäß § 1 BGB auch rechtsfähig, kann also Träger von Rechten, hier des Eigentums am Grundstück sein. Seine gemäß § 104 BGB fehlende Geschäftsfähigkeit (Fähigkeit, wirksam Rechtsgeschäfte abschließen zu können) ist insofern unerheblich. Fall 3: A bittet seinen Freund B, ihm am folgenden Tag dessen Auto zur Verfügung zu stellen, da er um 10.00 Uhr ein wichtiges Vorstellungsgespräch in Hannover hat. B willigt ein. Als A am folgenden Tag um 8.00 Uhr bei B erscheint, verweigert dieser die Hergabe des Autos. Zu Recht? Lösung: A kann von B Überlassung des Wagens gemäß § 598 BGB verlangen, weil zwischen beiden ein wirksamer Leihvertrag über die unentgeltliche Gebrauchsüberlassung am Kfz geschlossen worden ist. Problematisch ist allein, ob die beiden inhaltlich übereinstimmenden Erklärungen von A und B verbindliche Willenserklärungen darstellen. Dies ist der Fall, wenn aus dem objektiven Erklärungsinhalt auf einen entsprechenden Geschäftswillen, insbesondere auf den Willen, sich rechtlich verbindlich zu verpflichten, geschlossen werden kann. Es darf also nicht nur eine bloße Gefälligkeit vorliegen. Der Inhalt einer Willenserklärung ist durch Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont zu ermitteln. Maßgeblich ist, was ein objektiver Dritter in der Person des Erklärungsempfängers unter Berücksichtigung aller bekannter Umstände verstanden hätte (§§ 133, 157 BGB). Zwar sollte die Überlassung des Fahrzeugs unentgeltlich sein, für beide Parteien war aber ersichtlich, dass die Benutzung des Kfz für A wegen des Fälle und Lösungen Teil 1 Wirtschaftsprivatrecht © J. Ehrig 5 Vorstellungsgespräches von besonderer Bedeutung war. Deshalb ist trotz der zwischen den beiden bestehenden Freundschaft von einem rechtlich verbindlichen Leihvertrag auszugehen. Fall 4: Die B-GmbH plant eine erhebliche Erweiterung ihres Betriebsgeländes. Das zu erwartende Bauvolumen beträgt Euro 5 Mio. Um sich einen Überblick über die technischen und planerischen Möglichkeiten zu verschaffen, bittet die B den Architekten A, ein Plankonzept vorzustellen. Dies geschieht. Als die Baumaßnahmen durchgeführt werden, beauftragt die BGmbH mit den dazugehörigen Architekten- und Ingenieurleistungen den Architekten X. A ist verärgert und verlangt für die Plankonzeption das ihm nach der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) zustehende Honorar. Lösung: Der geforderte Honoraranspruch könnte sich allein aus § 631 BGB ergeben, da der Architektenvertrag ein Werkvertrag ist. Die Abgrenzung zum Dienstvertrag gemäß § 611 BGB erfolgt dadurch, dass der Werkvertrag über die bloße Tätigkeit des Verpflichteten hinaus die Herbeiführung eines Erfolges beinhaltet. Dieser liegt beim Architektenvertrag in der Planung als geistig abgeschlossenen Werk. Die Vergütung ergibt sich grundsätzlich aus der Vereinbarung. In Ermangelung einer solchen Vereinbarung richtet sich diese gemäß § 632 Abs. 2 BGB nach einer bestehenden Taxe (gesetzliche Gebührenordnung), hier also der HOAI. Zwischen B und A ist aber kein verbindlicher Vertrag über die Erbringung entgeltlicher Architektenleistungen erfolgt. Die Erklärungen enthalten ausdrücklich zu dieser Frage nichts und sind daher nach dem objektiven Empfängerhorizont auszulegen. Eine konkrete Bauentscheidung war bei der B-GmbH ersichtlich noch nicht gefallen, A handelte im Hinblick auf eine mögliche lukrative Gesamtbeauftragung. Es ist üblich und erforderlich, dass vor dem Vertragsschluss bereits Kontakte zwischen Bauherr und Architekt stattfinden und die planerische Grundkonzeption für die Beauftragungsentscheidung von maßgeblicher Bedeutung ist. Für den Architekten stellt dies eine Akquisitionsphase dar, so dass nach dem objektiven Empfängerhorizont zu dieser Zeit noch nicht von einer entgeltlichen Beauftragung auszugehen ist. Zwar sieht § 632 Abs. 1 BGB im Zweifel eine stillschweigende Vergütungsvereinbarung vor, dies gilt aber nur, wenn die Leistung, hier das erste Plankonzept, nur gegen Entgelt zu erwarten ist. Aufgrund der oben stehenden Ausführungen ist dies nicht der Fall. Fälle und Lösungen Teil 1 Wirtschaftsprivatrecht © J. Ehrig 6 Fall 5: Unternehmer U plant eine große Feier zum 50-jährigen Betriebsjubiläum. Seine Sekretärin legt ihm in einer Unterschriftenmappe die dazugehörigen Einladungsschreiben für besonders bedeutende Gäste vor. U unterschreibt schnell alle in der Mappe befindlichen Schreiben, ohne sich diese näher anzusehen. Es stellt sich sodann heraus, dass sich in der Unterschriftenmappe auch eine Warenbestellung an die K-AG befand, die U zwar geplant hatte, letztendlich aber doch nicht durchführen wollte. Die K-AG nimmt das Angebot erfreut an und verlangt den Kaufpreis. Die Rechnung lässt U zunächst einige Wochen ohne Reaktion liegen. Muss er auf die Mahnung der K den Kaufpreis zahlen? Lösung: Die K-AG hat gegen U einen Anspruch auf Zahlung eines Kaufpreises gemäß § 433 Abs. 2 BGB. Voraussetzung dieser Norm ist das Zustandekommen eines wirksamen Kaufvertrages. Dies setzt gemäß §§ 145 ff BGB zwei übereinstimmende, im Bezug aufeinander abgegebene Willenserklärungen, Angebot und Annahme, voraus. Das Problem liegt hier allein bei dem Angebot des U in Form des Bestellschreibens. Fraglich ist, ob dieses die Anforderungen an eine Willenserklärung erfüllt. Der objektive Tatbestand liegt vor, da ein objektiver Dritter in der Person des Erklärungsempfängers von einer verbindlichen Warenbestellung ausgehen musste. U hatte in subjektiver Sicht auch Handlungswillen, als er das Schreiben unterzeichnete. Im fehlte allerdings das Erklärungsbewusstsein, weil er nicht davon ausging, eine rechtserhebliche Erklärung abzugeben, sondern glaubte, ein Einladungsschreiben zu unterzeichnen. Das Interesse des Erklärenden liegt in derartigen Fällen darin, dass keine Willenserklärung angenommen wird. Der Verkehrsschutz des Empfängers spricht dagegen für die Annahme einer Willenserklärung. Nach herrschender Meinung kommt es für die Willenserklärung lediglich auf ein potentielles Erklärungsbewusstsein an. Es reicht danach aus, wenn der Erklärende bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können, sich im rechtserheblichen Bereich zu bewegen. Da U sich die Schreiben in der Unterschriftenmappe nicht ansah, sondern diese quasi mechanisch unterzeichnete, liegt ein Sorgfaltsverstoß vor, so dass eine Willenserklärung gegeben ist. Eine mögliche Anfechtung dieser Erklärung gemäß §§ 142, 119 BGB scheidet bereits wegen der Versäumung der Frist gemäß § 121 BGB aus. Fälle und Lösungen Teil 1 Wirtschaftsprivatrecht © J. Ehrig 7 Fall 6: Unternehmer U beschäftigt 4 Mitarbeiter. Im Anstellungsvertrag mit dem Mitarbeiter A ist als Frist für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses die Einhaltung von einem Monat zum Quartalsende vereinbart. Am 25.02.2002 sendet U die Kündigungserklärung an die Privatadresse des A per Einschreiben ab. Der Postbote trifft am folgenden Tage niemanden an, steckt daher den Benachrichtigungszettel über die Hinterlegung des Einschreibens in den Briefkasten des A und hinterlegt das Einschreiben bei dem zuständigen Postamt. A, der mit einer unerfreulichen Sendung rechnet, holt das Einschreiben nicht ab. Als dies am 05.03.2002 an U zurückgesendet wird, schickt dieser sofort einen Boten zu A, der das Schreiben mittags in den Briefkasten des A steckt. A öffnet erst drei Tage später den Briefkasten und erfährt von der Kündigungserklärung. Ist das Arbeitsverhältnis zum 31.03.2002 beendet worden? Änderte sich etwas, wenn sich A zur fraglichen Zeit im Erholungsurlaub befand? Lösung: Im Grundfall wurde das Arbeitsverhältnis zum 31.03.2002 beendet. Nach der Fristbestimmung des Arbeitsvertrages musste die Kündigungserklärung bis zum 28.02.2002, 24.00 Uhr erfolgen (vgl. §§ 187 ff BGB). Maßgeblich für deren Wirksamwerden ist nicht die Unterzeichnung der Erklärung durch U, sondern, weil es sich bei der Kündigung um eine empfangsbedürftige Willenserklärung handelt, der Zugang gemäß § 130 BGB. I. Zugang am 08.03.2002 Eine Willenserklärung geht zu, wenn sie in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dieser die Möglichkeit der Kenntnisnahme hat und mit dieser Kenntnisnahme unter Zugrundelegung normaler Umstände zu rechnen ist. Unproblematisch ist die jedenfalls mit der tatsächlichen Kenntnisnahme am 08.03.2002 erfolgt. Zu dieser Zeit war die Kündigungsfrist aber bereits verstrichen, so dass die Beendigung erst am 30.06.2002 eintreten würde (mit der Folge bis dahin weiterlaufender Gehaltszahlungen). II. Vorheriger Zugang Maßgeblich ist also, ob schon durch die Zusendung des Einschreibens ein Zugang erfolgt ist. Zwar gehört der Briefkasten zum räumlichen Machtbereich des A, am 26.02.2002 ist aber nicht die Willenserklärung selbst, sondern nur die Benachrichtigung über diese in den Briefkasten gelangt, so dass ein Zugang nicht gegeben war. Hätte A indes das Einschreiben Fälle und Lösungen Teil 1 Wirtschaftsprivatrecht © J. Ehrig 8 abgeholt, hätte er die Willenserklärung innerhalb der Kündigungsfrist zur Kenntnis nehmen können. In diesen Fällen wird der Empfänger nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) so behandelt, als ob die Kündigungsfrist eingehalten wurde, sofern der Zugang vom Erklärenden unverzüglich nachgeholt wird. Dies hat U am 05.03.2002 getan. Durch den Einwurf des Kündigungsschreibens in den Briefkasten ist dieses nämlich in den Machtbereich des A gelangt, so dass dieser die Kündigungserklärung zur Kenntnis nehmen konnte. Damit war auch unter Zugrundelegung normaler Umstände, nämlich der täglichen Leerung des eigenen Briefkastens am selben Tage, zu rechnen, auch wenn die tatsächliche Leerung des Briefkastens erst später erfolgt ist. Deshalb ist gemäß § 242 BGB von einer rechtzeitigen Kündigungserklärung auszugehen. III. Abwandlung In der Abwandlung ändert sich letztlich nichts. Auch dort ist die Erklärung (durch den Einwurf des Schreibens durch den Boten) in den Machtbereich des A gelangt. Dieser konnte unabhängig von seinem Jahresurlaub von der Willenserklärung Kenntnis nehmen. Umstritten war früher lediglich, ob angesichts des Erholungsurlaubs des A, der ja typischerweise auch mit Ortsabwesenheiten verbunden ist, „unter Zugrundelegung normaler Umstände“ mit der Kenntnisnahme zu rechnen war. Dies wird mittlerweile von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes grundsätzlich bejaht, da der Arbeitnehmer für die Nachsendung derartiger Schreiben Sorge tragen kann. Fall 7: V will seinen gebrauchten Ferrari verkaufen. Auf eine entsprechende Zeitungsannonce, in der von einem Preis von Euro 50.000,00 die Rede ist, meldet sich K, der sich den Wagen anschaut. V bietet K den Erwerb des Wagens verbindlich an. Weil K sich jedoch noch nicht entscheiden kann, vereinbaren beide, dass K, wenn er sich zum Kauf entschließe, dem V spätestens bis zum Wochenende Bescheid geben soll. Am Freitag ruft K bei V an, erreicht jedoch nur dessen Frau. Dieser teilt K mit, dass er den Wagen kaufe, und bittet um Benachrichtigung des V. Die Frau des V vergisst den Anruf aber zunächst und informiert ihren Mann erst am Montag. Da V zwischenzeitlich noch einen weiteren Interessenten hat, der Euro 10.000,00 mehr bietet, will V den Wagen K, der am folgenden Tag mit dem Geld bei V erscheint, nicht übergeben. Zu Recht? Lösung: Fälle und Lösungen Teil 1 Wirtschaftsprivatrecht © J. Ehrig 9 K kann von V Übergabe und Übereignung des Fahrzeuges gemäß § 433 Abs. 1 BGB verlangen, da zwischen den beiden ein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen ist. I. Angebot und Annahme Ein Kaufvertrag kommt durch zwei übereinstimmende, in Bezug aufeinander abgegebene Willenserklärungen, Angebot und Annahme, zustande. In der Zeitungsannonce ist lediglich eine unverbindliche „invitatio ad offerendum“ zu sehen. Nach der Besichtigung des Wagens hat V dem K aber den Abschluss eines Kaufvertrages über den Ferrari zum Preis von Euro 50.000,00 verbindlich angeboten. Die Annahme dieses Vertragsangebotes hat K im Telefonat mit der Frau des V erklärt und abgegeben. Diese Willenserklärung ist dem V zumindest zugegangen, als er von ihr durch die Information von seiner Ehefrau Kenntnis erhielt. II. Rechtzeitigkeit der Annahme Das Problem liegt darin, ob dies auch rechtzeitig erfolgte. Gemäß § 147 Abs. 1 BGB ist eine Willenserklärung unter Anwesenden zwar grundsätzlich sofort anzunehmen, gemäß § 148 BGB kann aber eine Zugangsfrist vereinbart werden. Hier konnte K das Angebot bis zum Wochenende, also noch am Freitag annehmen. Dies ist geschehen, weil die Willenserklärung bereits bei dem Telefonat mit der Ehefrau des V diesem zugegangen ist. Der Zugang setzt das Gelangen der Willenserklärung in den Machtbereich des Empfängers und die Möglichkeit der Kenntnisnahme voraus. Außerdem muss mit dieser unter Zugrundelegung normaler Umstände zu rechnen sein. K hat sich hier für die Übermittlung der Willenserklärung an V eines Boten bedient. Wenn es sich um einen Empfangsboten handelt, geht die Erklärung dem Empfänger bereits mit Zugang beim Boten zu. Empfangsbote ist, wer bereit und in der Lage sowie ermächtigt ist bzw. als ermächtigt gelten kann, Willenserklärungen für den Empfänger entgegen zu nehmen. Dies ist nach den Verkehrsgepflogenheiten bei einem Ehegatten anzunehmen. Damit war der Kaufvertrag mit dem Telefonat geschlossen. Eine bestimmte Form ist für Kaufverträge grundsätzlich nicht vorgeschrieben, so dass auch die mündlichen Erklärungen wirksam sind. K steht daher gegen V ein Anspruch auf Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs gemäß § 433 Abs. 1 BGB zu. Fall 8: K sieht im Schaufenster der Weinhandlung des V einen Karton mit 6 Flaschen BordeauxWein. Der Karton ist zum „Sonderpreis“ von Euro 24,00 ausgezeichnet. K betritt das Geschäft und bittet den V, eine Kiste Bordeaux-Wein „aus dem Schaufenster“ an ihn mit Rechnungsstellung zu verschicken. V willigt ein. Fälle und Lösungen Teil 1 Wirtschaftsprivatrecht © J. Ehrig 10 Als K die Kiste Wein erhält, weist die Rechnung einen Betrag von Euro 55,68 aus. Als K den V diesbezüglich anruft, stellt sich heraus, dass die Schaufensterdekorateurin des V aus Versehen zwei Preisschilder vertauscht hatte; tatsächlich koste der Wein bei V Euro 48,00. Außerdem verstünden sich die Preisauszeichnungen netto zzgl. MwSt. Er, V, könne dem K die Kiste nicht zu dem ausgewiesenen Preis überlassen, weil, was zutrifft, bereits sein Einkaufspreis bei Euro 40,00 gelegen habe. Kann V von K Euro 55,68 oder zumindest Rückgabe des Weins verlangen? Lösung: A. Kaufpreiszahlung Der Anspruch auf Zahlung von Euro 55,68 könnte sich nur aus § 433 Abs. 2 BGB ergeben. I. Dissens? Das Problem liegt im Inhalt des Vertrages. Als K den Wein „aus dem Schaufenster“ bestellte, ging er von einem Preis von Euro 24,00 aus, V dagegen von einem Listenpreis von Euro 48,00 (zzgl. MwSt.). Es könnte daher ein Dissens vorliegen, der unabhängig von den §§ 154, 155 BGB mangels inhaltlicher Übereinstimmung der Erklärung bzgl. eines Hauptpunktes des Rechtsgeschäfts, nämlich dem Kaufpreis, dazu führen würde, dass kein Vertrag zustande gekommen ist. II. Auslegung Der Inhalt der wechselseitigen Erklärungen ist aber durch Auslegung zu ermitteln. Nach den §§ 133, 157 BGB erfolgt diese nach dem objektiven Empfängerhorizont. Maßgeblich ist also, was ein objektiver Dritter in der Person des Erklärungsempfängers nach der Verkehrssitte und unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben verstehen musste. Zwar ging V von einem Preis von Euro 48,00 aus, nach Treu und Glauben ist aber zu berücksichtigen, dass der Grund für das Missverständnis in seiner Gefahrensphäre, nämlich in der falschen Dekoration des Schaufensters liegt. K hat hierauf keinen Einfluss. Unter Berücksichtigung dieses Umstandes sind daher Angebot und Annahme dahingehend auszulegen, dass ein Preis von Euro 24,00 vereinbart wurde. Zumindest bei Kaufverträgen mit Endverbrauchern, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, verstehen sich ausgezeichnete Preis bei sachgemäßer Auslegung auch stets einschließlich Mehrwertsteuer. Deshalb ist ein Kaufvertrag zu einem Preis von Euro 24,00 zustande gekommen. Die geforderte Summe von Euro 55,68 kann V daher aus § 433 Abs. 2 BGB nicht beanspruchen. Fälle und Lösungen Teil 1 Wirtschaftsprivatrecht © J. Ehrig 11 B. Rückgabe des Weins I. § 985 BGB Mit der Versendung des Kartons Wein an K hat der V diesen gemäß § 929 BGB an K übereignet. Ein Herausgabeanspruch aus § 985 BGB scheidet daher aus. II. § 812 BGB V kann von K aber Herausgabe gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 BGB verlangen. K hat nämlich Eigentum am Wein durch Leistung des V erlangt. Dies geschah auch ohne Rechtsgrund, weil der oben festgestellte Kaufvertrag gemäß § 142 BGB nichtig ist. 1. Anfechtungsgrund Die Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont hat eine Erklärung des V bzgl. eines Kaufpreises von Euro 24,00 ergeben, während er bei Abschluss des Vertrag subjektiv von dem höheren Preis ausging. Folglich hat er sich gemäß § 119 Abs. 1 Fall 1 BGB geirrt. 2. Fristgerechte Anfechtungserklärung Als er den Irrtum bemerkte, erklärte er gegenüber K, dass er an einem solchen Kaufvertrag nicht festhalten könne. Hierin liegt eine Anfechtungserklärung, die auch innerhalb der Frist des § 121 BGB erfolgt ist. Daher ist der Vertrag von Anfang an als nichtig anzusehen und der Wein gemäß § 812 BGB zurückzugeben. K hat gegen V dann gemäß § 122 BGB einen Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschaden, d. h. des Schadens, der dadurch entstand, dass K auf die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts vertraute (so genanntes negatives Interesse). Hierzu gehören etwa die Kosten für das im Sachverhalt geschilderte Telefonat. Fall 9: Die X-GmbH benötigt für die Errichtung eines neuen Produktionsstandortes finanzielle Mittel. Ihr Geschäftsführer hat deshalb mit der Deutsche Bank AG Finanzierungsverhandlungen aufgenommen. Am 15.03.2002 findet eine Besprechung mit dem für Kreditvergaben zuständigen und bevollmächtigten Bankangestellten A statt, der die prinzipielle Bereitschaft seines Hauses zur Auskehrung des Darlehen erklärt. Der Kredit soll € 1 Mio. betragen und bei einer Laufzeit von 10 Jahren mit ca. 6,5 % verzinslich sein. A erklärt, er werde die Sache kurzfristig endgültig intern abstimmen. Am folgenden Tag schreibt die X-GmbH an die Deutsche Bank AG: „Wir wollen nochmals kurz die gestern erzielte Einigung über die Kreditvergabe schriftlich wie folgt zusammenfassen: Darlehenssumme € 1 Mio., Laufzeit 10 Fälle und Lösungen Teil 1 Wirtschaftsprivatrecht © J. Ehrig 12 Jahre, Festzins von 6,25 % p. a. Das Darlehen wird am 15.04.2002 von Ihnen zur Verfügung gestellt.“ Aufgrund arbeitsmäßiger Überlastung des A wird das Schreiben zunächst nicht bearbeitet. Eine Rücksprache mit seinem Vorgesetzten ergibt, dass angesichts der Bonität der X-GmbH ein Zinssatz von 9 % p. a. für erforderlich gehalten wird, anderenfalls eine Kreditvergabe nicht in Betracht käme. Als A dies am 10.04.2002 der X-GmbH mitteilt, verlangt diese die Auszahlung von € 1 Mio. zu den in ihrem Schreiben genannten Konditionen. Zu Recht? Lösung: Die X-GmbH kann von der Deutschen Bank AG die Auszahlung der Darlehenssumme von € 1 Mio. gemäß § 488 Abs. 1 Satz 1 BGB verlangen, da zwischen beiden ein wirksamer Darlehensvertrag zustande gekommen ist. I. §§ 145 ff BGB Allerdings ist es anlässlich der Besprechung am 15.03.2002 noch nicht zu einem Vertragsschluss gekommen. Insofern wären zwei übereinstimmende Willenserklärungen, Angebot und Annahme, erforderlich (§§ 145 ff BGB). Zum einen fehlte hier eine Einigung über die präzise Höhe des Zinssatzes, zum anderen hatte A noch auf eine erforderliche interne Abstimmung verwiesen. Bei sachgemäßer Auslegung seiner Erklärung konnte daher der Geschäftsführer der X-GmbH nicht davon ausgehen, dass bereits ein verbindlicher Vertragsschluss erfolgen sollte. II. Kaufmännisches Bestätigungsschreiben Anschließend ist aber ein Vertrag nach den Regeln über das Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben zustande gekommen. Die hierfür von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen liegen vor. 1. Beim Empfänger des Schreibens muss es sich um einen Kaufmann oder um eine in gleicher Weise am Geschäftsleben teilnehmende Person handeln. Die Deutsche Bank AG ist gemäß § 6 HGB in Verbindung mit § 3 Abs. 1 AktG Formkaufmann. Ob der Absender des Schreibens ebenfalls Kaufmann sein muss, wird unterschiedlich beurteilt. Auch die XGmbH ist gemäß § 6 HGB in Verbindung mit § 13 Abs. 3 GmbHG aber Kaufmann. 2. Bei dem Schreiben vom 16.03.2002 handelt es sich auch um ein Bestätigungsschreiben. Es ist in unmittelbarem Zusammenhang zu den mündlichen Vertragsverhandlungen gefertigt worden und bestätigt inhaltlich den anlässlich dieser Verhandlungen vermeintlich erfolgten Vertragsschluss. Die X geht darin von einem bereits erfolgten Vertragsschluss aus. Fälle und Lösungen Teil 1 Wirtschaftsprivatrecht © J. Ehrig 13 3. Die Deutsche Bank hat dem Schreiben nicht unverzüglich widersprochen. Damit ist die X in ihrem Vertrauen darauf, dass damit die Zustimmung der Deutschen Bank AG vorliegt, schutzwürdig. Insbesondere ist ein treuwidriges Verfälschen des Inhalts der Vertragsverhandlungen nicht bewiesen. Auch liegt objektiv keine derart große Abweichung von dem Gespräch vor, dass mit einer Zustimmung nicht zu rechnen war. Dies gilt auch für die Präzisierung der Zinshöhe. Aufgrund des damit zustande gekommenen Darlehensvertrages ist die Deutsche Bank AG daher zur Auskehrung der Darlehenssumme verpflichtet. Fall 10: (Allgemeine Geschäftsbedingungen, Auftrag) B möchte an sein Haus einen Wintergarten anbauen. Er bittet den befreundeten Architekten A, die Ausschreibung und Bauauftragsvergabe für ihn durchzuführen. Ein Entgelt soll A hierfür nicht erhalten, weil B diesem bei einer anderen Gelegenheit früher einmal sehr behilflich gewesen ist. Die Parteien unterzeichnen ein Standardvertragsformular des A, in dem es am Ende heißt: „Im Übrigen gelten die umseitigen Geschäftsbedingungen“. In der dortigen Ziffer 7 befindet sich folgende Klausel: „Eine Haftung für etwaige Schäden wird ausdrücklich ausgeschlossen“. A holt mehrere Angebote von Baufirmen ein und empfiehlt dem B die Firma X, die sodann auch beauftragt wird und die Baumaßnahme durchführt. Anschließend stellt sich heraus, dass A bei seiner Empfehlung ein um € 5.000,00 günstigeres, technisch aber vollständig gleichwertiges Konkurrenzangebot übersehen hatte, weil ihm das Angebotsschreiben bei der Zusammenstellung der Vergabeunterlagen versehentlich aus der Akte gefallen war. Kann B von A Ersatz dieses Betrages verlangen? Lösung: B kann von A Zahlung von € 5.000,00 als Schadensersatz gemäß § 280 Abs. 1 BGB verlangen. I. Auftrag Die Vorschrift setzt zunächst ein Schuldverhältnis voraus, welches hier in Form eines wirksamen Auftragsvertrages gemäß § 662 BGB gegeben ist. Der dafür erforderliche Vertragsschluss kommt durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen (§§ 145 ff BGB) zustande. A und B haben den Vertrag gemeinsam unterzeichnet. Angesichts der Fälle und Lösungen Teil 1 Wirtschaftsprivatrecht © J. Ehrig 14 wirtschaftlichen Bedeutung der Angelegenheit und der Verwendung eines Vertragsformulars ist auch nicht davon auszugehen, dass es sich nur um eine Gefälligkeit ohne rechtliche Verpflichtung handeln sollte. Gegenständlich geht es um die unentgeltliche Beratung bezüglich der Vergabe, also um einen Auftrag. II. Schuldhafte Pflichtverletzung Da A dem B nicht die billigste unter den gleichwertigen Firmen empfahl, hat er seine Pflichten aus dem Auftrag verletzt. Danach ist der Auftragnehmer nämlich zur Rücksichtnahme auf die finanziellen Interessen des Auftraggebers verpflichtet. Gemäß § 276 BGB hat er dies auch zu vertreten, weil er durch das Versehen bei der Zusammenstellung der Unterlagen einen Sorgfaltsverstoß beging und mithin fahrlässig handelte. III. Haftungsausschluss Problematisch ist allenfalls, ob die Schadensersatzhaftung nicht durch Ziffer 7 des Vertragsformulars ausgeschlossen sein könnte. Zwar ist darin ein Ausschluss von Schadensersatzansprüchen vorgesehen, dieser hält aber den Anforderungen, die die §§ 305 ff BGB an Allgemeine Geschäftsbedingungen stellen, nicht stand. 1. Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen Es handelt sich bei dem Vertragsformular um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 Abs. 1 BGB. Die Voraussetzung für deren Einbeziehung gemäß § 305 Abs. 2 BGB sind eingehalten, da bei der Vertragsunterzeichnung auf ihre Geltung hingewiesen wurde und wegen des rückseitigen Aufdrucks auf dem Vertragsformular auch die zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme für den B bestand. Durch die Vertragsunterzeichnung hat sich dieser mit der Geltung einverstanden erklärt. 2. Inhaltskontrolle Die §§ 307 bis 309 BGB enthalten aber inhaltliche Schranken für Allgemeine Geschäftsbedingungen. Die Klausel verstößt hier gegen § 309 Ziffer 7. BGB, wonach die Haftung für die Verletzung der dort genannten Rechtsgüter sowie für einen Fall des groben Verschuldens in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht ausgeschlossen werden kann. Zwar liegt konkret keiner der genannten Fälle vor, die Vertragsklausel ist aber nicht auf einfache Fahrlässigkeit beschränkt, sondern gilt ihrem Wortlaut nach für sämtliche Schadensersatzansprüche (also auch die in § 307 BGB genannten Fälle), so dass ein Verstoß gegeben ist. Gemäß § 306 BGB hat dies zur Folge, dass die Klausel insgesamt unwirksam ist, der Vertrag im Übrigen indes wirksam bleibt und an die Stelle der Klausel die jeweilige gesetzliche Bestimmung tritt. Fälle und Lösungen Teil 1 Eine geltungserhaltende Reduktion dahingehend, den Wirtschaftsprivatrecht © J. Ehrig 15 Anwendungsbereich der Klausel auf das nach § 309 BGB zulässige Maß zu beschränken, ist nach herrschender Meinung unzulässig, da anderenfalls die Verwendung derartiger Vertragsklauseln risikolos wäre. Die Parteien haben eine Haftung des A also nicht wirksam ausgeschlossen. IV. Ergebnis Infolge der Pflichtverletzung sind dem B vermeidbare Baumehrkosten in Höhe von € 5.000,00 entstanden, die ihm A gemäß § 280 BGB im Wege des Schadensersatzes zu erstatten hat. Fälle und Lösungen Teil 1 Wirtschaftsprivatrecht © J. Ehrig