Lösungsskizze zur 8. Klausur im Klausurenkurs [Vorbemerkung

Transcription

Lösungsskizze zur 8. Klausur im Klausurenkurs [Vorbemerkung
Lösungsskizze zur 8. Klausur im Klausurenkurs
[Vorbemerkung: Arbeiten Sie auf eine Lösung der gestellten Aufgaben hin. Vor allem
stochern Sie nicht ziellos in frei assoziierten juristischen Begriffen, bevor Sie sich
Klarheit darüber verschafft haben, ob es für die Lösung darauf ankommt. Viele
verfielen auf Zubehöreigenschaft des Bootsanhängers und der Motoren. Abgesehen
davon, dass das bei den Motoren nicht stimmt, kommt es auf die §§ 97 f., 314, 926,
1120 BGB hier nicht an, die überdies nur bei gleich la ufenden Rechten anwendbar
sind. Vermeiden Sie epische Breite zu unproblematischen oder ausdiskutierten
Fragen (hier etwa Übersicherung u. § 138) – nur weil Sie dazu gerade Beschied
wissen. Sie schreiben nicht zur Unterhaltung des Lesers, sondern um mit der Lösung
voranzukommen.
Werden Sie ausführlich nur dort, wo Probleme zu lösen sind, die auch einen
Volljuristen beschäftigen würden.]
A. Aufgabe 1:
I. V ?
B: es hinzunehmen (letztlich: einzuwilligen), dass er, V aus dem Erlös
vorzugsweise befriedigt wird,
aus (das ist quasi die Anspruchsgrundlage) § 805 I Hs. 2 ZPO?
[Bereicherungsrecht nicht völlig falsch, aber erst einschlägig, wenn § 805 nicht mehr
hilft. Dingliche Ansprüche aus dem Pfandrecht bzw. seiner Fortsetzung am Erlös
wären vorher einschlägig gewesen, sind durch Einschaltung des Gerichtsvollziehers
aber überholt. Dadurch ist jetzt eine prozessuale Gestaltungsklage, hier nach § 805
ZPO, einschlägig. Vgl. schon den römisch-rechtlichen Spruch bei Gajus, Institutionen
3, 180: Ante litem contestatam dare debitor oportet, post litem contestatam
condemnari oportet, post condemnationem iudicatum facere oportet – Vor
Rechtshängigkeit muss der Schuldner leisten, nach Rechtshängigkeit muss er
Verurteilung über sich ergehen lassen (d.h. nun ist er nicht mehr schlicht dem
materiellen Recht, sondern nur mehr in Verbindung mit den prozessualen Regeln
unterworfen), nach einer Verurteilung muss er dem Urteilsspruch nachkommen]
Voraussetzung dafür ist, dass dem V ein vorrangiges Pfandrecht am Bootsanhänger
und den Bootsmotoren zustand, welches sich am Erlös fortsetzt.
1. Pfändungspfandrecht der B? Entstand es am 2. Dezember 2003, als die
Gegenstände vom Gerichtsvo llzieher gepfändet wurden, nach §§ 804, 808 ZPO?
Zweifeln könnte man, weil bei Pfändung sowohl der Bootsanhänger als auch die
Motoren der B schon gehörten, nämlich als Sicherungseigentum, und ein
Pfandrecht an der eigenen Sache eigentlich nicht möglich ist. § 1256 II BGB
macht davon aber für den Fortbestand eine Ausnahme, „soweit der Eigentümer
ein rechtliches Interesse am … Bestehen des Pfandrechts hat“. Eine
entsprechende Ausnahme sollte man m.E. unter denselben Voraussetzungen bei
der Begründung machen. Hier waren diese schon wegen V’s
Vermieterpfandrecht (s. sofort) gegeben. Oder hätte B die Gegenstände kraft
seines Sicherungseigentums und der vollstreckbaren notariellen Urkunde
beschlagnahmen, d.h. sofort vom Gerichtsvollzieher wegnehmen lassen müssen,
wäre dem Sicherungseigentümer die für den Schuldner schonendere und auch
für den Gläubiger praktischere bloße Pfändung verschlossen? Auch er darf die
Sache nur verwerten wie ein Pfand. Jedenfalls ist allg. M., dass man sein
Sicherungseigentum auch pfänden also der öffentlichrechtlichen Verstrickung
1
zuführen und so verwerten kann; das römische Recht, vor allem Ulpian (Dig. 50,
17, 45 pr.), erkannte in der Tat ein Pfandrecht an eigener Sache nicht an. Aber
schon Paulus machte davon in einem Sonderfall eine Ausnahme, Dig. 44, 2, 30,
§ 1. Daher war die Frage im gemeinen Recht im 19. Jh. umstritten, die
großzügigere Meinung setzte sich durch und ging dann auch in § 1256 II BGB
ein. Zur Pfändung eigener Sachen s. die ZPO-Kommentare von
Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Rn. 7 zu § 804 (Hartmann); ZöllerStöber, Rn. 3 a. E. zu § 804; Thomas-Putzo, Rn. 10 zu § 804; die Lehrbücher
von Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht (11.Aufl. 1997) § 51
S. 793; Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht I
(12. Aufl. 1995) § 27 Rn. 27.13; Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht (7.Aufl.
2003) § 12 Rn. 300; vgl. aus der Rspr. BGHZ 15, 171 ff. = NJW 1955, 64 f.; u.
BGHZ 39, 97 ff. = NJW 1963, 763-65.
2. Stand dem V ein Vermieterpfandrecht zu (die §§ 562-562d gelten nur für
Wohnraum, s. § 549; also § 562 iVm § 578 II BGB)? Dann gilt das
Prioritätsprinzip, §§ 804 II ZPO, 1209 BGB (Pfändungspfandrecht) und §§ 1257,
1209 BGB (Vermieterpfandrecht). Wenn also V zuvor ein Vermieterpfandrecht
erworben hat, ist er aufgrund des Prioritätsprinzips vorzugsweise zu befriedigen.
3. Vermieterpfandrecht (§§ 562, 578 II BGB) des V an dem Bootsanhänger?
(Alte Streitfrage des gutgläubigen Erwerbs eines gesetzlichen Pfandrechts hier
gleichgültig)
a) Vermieterpfandrecht entstanden?
aa) Mietvertrag (§ 535 BGB) zwischen V und S (+), und zwar über Räume, die
nicht Wohnraum.
bb) Rückständige Mietforderung (§ 535 II) in Höhe von 17.500,- € (7 x 2.500,- €)
(+).
cc) Der Bootsanhänger wurde während der Mietzeit eingebracht und befand sich
zu diesem Zeitpunkt auch im Eigentum des S, so dass es sich um eine
Sache des Mieters iS des § 562 I 1 handelt. Pfandrecht entsteht sofort auch
für künftige Forderungen, nicht erst bei Rückstand, s. § 562 II.
dd) § 562 I 2? Nicht von Unpfändbarkeit auszugehen ist, s.
Bearbeitervermerk. Also nein.
ee) Steht § 562d entgegen? Da die Forderungen aus den Monaten Mai 2003
bis November 2003 stammen, nein.
b) Vermieterpfandrecht erloschen?
aa) § 562a? Entfernung durch Gerichtsvollzieher? Zählt auch, geschah aber
ohne Wissen des V, also nein.
bb) Erlöschen nach §§ 1252-56 iVm § 1257 BGB? Keine Anhaltspunkte (das
allenfalls kurz).
cc) Hat B das Eigentum gutgläubig lastenfrei erworben, §§ 929 S.1, 930, 936?
aaa) Voraussetzungen der Sicherungsübereignung, §§ 929 S.1, 930
- Hinreichend bestimmte dingliche Einigung und
- Sicherungsabrede als konkretes Besitzkonstitut (§§ 930, 868) liegen
vor.
2
bbb) Aber: scheitert lastenfreier Erwerb (§ 936 I 1 BGB) an hinreichender
Besitzerlangung gemäß § 936 I 3? Der Entäußerer muss jede
Besitzposition verlieren, woran es hier fehlt, da S unmittelbarer Besitzer
blieb.
Auch am 2. Dez.? Damals verlor S den Besitz noch nicht vollständig.
Und die kürzliche Versteigerung? Sie geschah für B, also war B kurz
zumindest mittelbare Besitzerin, was genügt, wenn Veräußerer allen
Besitz verliert, vgl. Pal.-Bassenge, Rnn 4 zu § 933 u. 2 zu § 936:
Wegnahme durch Gerichtsvollzieher genügt nur bei Herausgabeurteil,
in welchem Fall S allen Besitz verliert.
ccc) War B bei Versteigerung überhaupt gutgläubig? Wusste nichts von
Miete und so auch nichts von eventuell rückständigem Mietzins. Also
das ja.
Zwischenergebnis: B hat mangels rechtzeitigen Besitzverlusts von S nicht
gutgläubig lastenfrei erworben, V’s Pfandrecht war nicht erloschen.
Ergebnis: V hatte am Anhänger ein vorrangiges Pfandrecht und hat damit nunmehr
auch am Erlös das Recht auf vorzugsweise Befriedigung.
4. Vermieterpfandrecht (§§ 562, 578 II) des V an den sieben Motoren?
a) Mietvertrag, rückständige Mietforderung, kein § 562d: siehe oben, 3 aa, bb, dd,
ee.
b) Auch die Motoren wurden während der Mietzeit eingebracht.
Problematisch erscheint zwar, dass in einem Ersatzteillager die einzelnen
Gegenstände typischerweise nur vorübergehend verbleiben, was gegen eine
„Einbringung“ sprechen könnte. Jedoch ist nicht auf die einzelnen Gegenstände,
sondern auf den Lagerbestand als solchen abzustellen. Warenlager stets
eingebracht.
c) S war aber möglicherweise nie Eigentümer der Motoren, so dass diese keine
Sachen des Mieters iS des § 562 I 1 BGB wären.
aa) Ursprünglich war der Großhändler G Eigentümer. Mit dem Kauf durch S,
genauer: mit Übergabe an S aufgrund des Kaufs, ging G’s Eigentum noch
nicht auf S über, da Eigentumsvorbehalt vereinbart war, d.h. Einigung nur
unter der aufschiebenden Bedingung (§ 158 I BGB) der vollständigen
Kaufpreiszahlung, die zunächst noch nicht erfolgte.
bb) Ging das Eigentum im Juli 2003 mit Einlagerung der Motoren vielleicht schon
direkt von G auf B über?
aaa) Zwar Vereinbarung zwischen S und B über eine antizipierte
Sicherungsübereignung, §§ 929 S. 1, 930, 158 I. Übergabe wirksam
durch antizipiertes Besitzkonstitut ersetzt. Auch Bestimmtheitsgrundsatz gewahrt, da hier eindeutig räumlich zugeordnet wurde.
bbb) Unwirksamkeit nach §§ 138 oder 307 BGB? Keine Anhaltspunkte (das
allenfalls kurz).
ccc) Aber bei Einlagerung war S noch nicht Eigentümer.
ddd) Erwarb B vom Nichtberechtigten (§§ 929 S.1, 930, 933 BGB)? Dafür
fehlt es schon am Willen des S, auch fremdes Eigentum schon jetzt auf
3
B zu übertragen; außerdem an einer Übergabe iS des § 933 BGB, denn
S blieb weiterhin unmittelbarer Besitzer.
cc) Ging das Eigentum aber nicht mit vollständiger Kaufpreiszahlung Ende August
2003 (Bedingungseintritt) direkt von G auf B über?
Nach dem Eigentumsvorbehalt sollte S mit Zahlung Eigentümer werden. Diese
Erwerbsaussicht hat S an B verloren, da er sein Anwartschaftsrecht auf B
übertragen hat. Über das Anwartschaftsrecht konnte er als Berechtigter
analog §§ 929 ff. BGB („wesensgleiches Minus“ zum Eigentum) verfügen;
Raumsicherungsübereignungsvertrag
sah
auch
Übertragung
der
Anwartschaftsrechte vor. B erwarb mit Einbringung der Motoren das
Anwartschaftsrecht von S an ihnen.
Mit Bedingungseintritt damit Direkterwerb des Eigentums durch B (kein
Durchgangserwerb über S).
Zwischenergebnis: S war tatsächlich nie Eigentümer der Motoren i.S.v. § 562 I 1.
d) Aber kann ein Vermieterpfandrecht nicht auch schon am Anwartschaftsrecht
entstehen (und sich später am Eigentum fortsetzen)? Heute hM. Zielbewusste
Bearbeiter konnten sich deshalb zu c kurz fassen und rasch auf diesen Punkt
zusteuern.
Argumente: § 161 schützt den Anwartschaftsberechtigten. Analog dazu sollte auch
geschützt sein, wer ipso jure ein Recht am Volleigentum erwürbe, wenn
stattdessen nur (erst) ein Anwartschaftsrecht zur Verfügung steht. Ansonsten
Gefahr der Aushöhlung des Vermieterpfandrechts.
Am Anwartschaftsrecht des S entstand also mit Verbringung der Motoren auf das
Grundstück ein Vermieterpfandrecht des V, das sich entsprechend § 1287 BGB
am Eigentum jetzt der B an den Motoren fortsetzte.
Steht dem die zeitliche Abfolge entgegen? Rechtliche Wirkung der
vorweggenommenen Sicherungsübereignung entsteht mit Einbringung. Zur selben
Zeit entsteht auch das Vermieterpfandrecht. Nach hM (BGHZ 117, 200 ff. u. dazu
Nicolai, JZ 96, 219 ff.) gebührt aber dem Vermieterpfandrecht der Vorrang.
Außerdem
Mietvertrag
vor
dem
Raumsicherungsübereignungsvertrag
abgeschlossen, weshalb hier auch nicht Mindermeinung (Gnamm, NJW 1992,
2806) einschlägig.
Ergebnis: V stand auch bzgl. der Motoren ein vorrangiges Pfandrecht zu und er hat
damit jetzt am Erlös ein Recht auf vorzugsweise Befriedigung.
II. Der Geltendmachung des Anspruchs des V gegen B, aus dem Erlös vorrangig
befriedigt zu werden, könnte aber der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§
242) entgegenstehen, wenn auch umgekehrt V der B aus der Bürgschaft für S haften
würde. Dolo facit, qui petit, quod redditurus est - Arglistig handelt, wer fordert, was er
zurückgeben wird.
Wirksame Bürgschaft?
1. Bürgschaftsvertrag zwischen V und B (§ 765 BGB).
2. Formwirksam nach §§ 766, 125 I?
Hier Blankobürgschaft. Aus § 126 S.1 ergibt sich nicht zwingend, dass
4
Vertragsurkunde im Zeitpunkt der Unterzeichnung schon vollständig sein muss,
obwohl man bei § 311b I 1 nur eine vollständige Beurkundung gelten lässt.
Früher wurde aus § 167 II abgeleitet und war hM, dem Schriftformerfordernis sei
auch durch Blankounterschrift Rechnung getragen, wenn die Bank ermächtigt
wird, die Urkunde gemäß Absprache zu vervollständigen, und das tut. So geschah
es hier.
Das hat die neue BGH-Rechtsprechung im Bürgschaftsrecht korrigiert: der Schutz
des Bürgen (besondere Warnfunktion des § 766 BGB) gebiete, dass entgegen §
167 II BGB sogar jede Bevollmächtigung zur Vertretung als Bürge formbedürftig
ist, nicht nur zur Ausfüllung einer Blankobürgschaft. Sonst werde die gesetzliche
Warnfunktion umgangen, dem Bürgen seien die Gefahren der Bürgschaft dann oft
nicht bewusst. Gegenansicht bleibt vtrb.
3. § 350 HGB? Kein hinreichender Anhalt.
Ergebnis: Bürgschaftsvertrag unwirksam (a. A. vtrb.). Keine Einwendung der B gegen
die Geltendmachung des Anspruchs des V auf Befriedigung aus dem Erlös nach §
242. Auch wer zur Blankobürgschaft der Gegenansicht folgt, kann schwerlich sagen,
es widerspreche geradezu Treu und Gla uben, wenn seine Mindermeinung nicht
sofort akzeptiert, sondern die Frage einer Haftung V’s als Bürge späterer
Entscheidung vorbehalten wird.
B. Aufgabe 2:
I. Prozessuale Geltendmachung:
Statthafte Klage wäre eine Vorzugsklage gegen B nach § 805 ZPO (bei besitzlosem
Pfandrecht wie hier Spezialnorm zu § 771 ZPO), gerichtet auf vorzugsweise
Befriedigung, genauer: dass B sich damit abfindet, in der Sache: einwilligt, dass V
aus dem Reinerlös der am 2. Dez. 2003 gepfändeten Bootsmotoren nebst
Bootsanhänger bis zum Betrag von 17 500,- € (nebst Kosten des V) vor B befriedigt
wird.
Rechtschutzbedürfnis? B widerspricht und die Vollstreckung ist eingeleitet und noch
nicht beendet, der Erlös noch nicht ausgekehrt, also ja.
II. Zuständiges Gericht:
Zuständigkeit (sachlich und örtlich) bestimmt sich nach §§ 805 II, 802 ZPO, d.h.
grundsätzlich das Vollstreckungsgericht (§ 764 ZPO) bzw., wenn der
Streitgegenstand nicht zur Zuständigkeit der AG gehört (§§ 23 Nr.1, 71 I GVG), das
LG, in dessen Bezirk das Vollstreckungsgericht seinen Sitz hat.
Vollstreckungsgericht ist nach § 764 I ZPO immer ein Amtsgericht, nach II das AG
Konstanz. Jedoch liegt der Streitwert hier über 5.000,- € (vgl. § 6 ZPO), so dass das
LG Konstanz zuständig ist.
5