Sorun nerede*

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Sorun nerede*
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8. April 2014
67. Jahrgang
BAYERISCHE SCHULE
Zeitschrift des BAYERISCHEN LEHRER- UND LEHRERINNENVERBANDS e.V., BLLV im VBE
Thema Integration
Sorun nerede*
Fachlehrer:
Klima der Angst
Grenzgänger:
In Bethlehem/Palästina
Editorial
Liebe Leserinnen und Leser,
im Jahr 2013 sind fast doppelt so viele Asylbewerber nach Bayern
gekommen wie im Vorjahr. Und der Trend hält an. Viele der asylsuchenden Menschen kommen mit ihren Kindern, schulpflichtigen
Kindern. Die müssen oft mitten im Schuljahr aufgenommen werden.
Teils sind sie traumatisiert, oft sprechen sie kein Wort Deutsch.
Auch wenn sich viele von ihnen schnell und unkompliziert einfinden, bedarf es qualifizierter Begleitung. Wie an der Grund- und
Mittelschule Augsburg Centerville-Süd, einer von vier Schulen im
Projekt WERTvoll MITeinander (s. S. 20). Gleichzeitig aber werden viele Schulen mit der Aufgabe allein gelassen, immer mehr
Kinder aus Asylbewerberunterkünften aufnehmen zu müssen. Es
braucht also nicht nur Integrationscoaching sondern schlicht mehr
Lehrerinnen und Lehrer, damit die Migrantenkinder in Übergangsklassen, Migrationsklassen oder auch in zusätzlichen Förderstunden optimal unterrichtet und betreut werden können.
Stattdessen sollten es weniger werden: Anfang des Jahres verkündete der Kultusminister 832 Lehrerstellen streichen zu wollen – trotz des erhöhten Bedarfs durch die Großprojekte Integration, Inklusion, Ausbau von Ganztagesschulen und individueller
Förderung. Der BLLV und seine Mitglieder (siehe S. 6) gaben den
ersten Impuls, die Staatsregierung dazu zu bewegen, ihre
Beschlüsse zu überdenken. Nun heißt es: Im kommenden Schuljahr sollen keine Stellen wegfallen. Die Debatte um Lehrerstellen
und alle anderen Baustellen im Schulsystem ist damit nicht zu
Ende. Wir bleiben dran.
Bereichernde Lektüre wünscht Ihnen
Tomi Neckov
[email protected]
* Wo ist das Problem?
Bayerische Schule 2 2014
Inhalt
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2014
Revin, 15, Irak
Ich würde schon
gerne auch Kurdisch
sprechen, aber
verschiedene Freunde
zu haben, ist doch
was Besonderes.
04
Bildungsticker
Politik
06
Lehrerstellen
Das seltsame Einmaleins des KM
08
Aktuelle Datenbankrecherche
Zahlreiche Grundschulen gefährdet
10
Pädagogik-Preis
Uni Regensburg ausgezeichnet für NWT-Modell
12
Gespräche
14
Akzente
Begriffliche Klarheit
15
Aus dem Landtag
Thema
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Integration (I): Reportage
Wie man in Augsburg Vielfalt lebt
22
Integration (II): Interview
Hofer Rektor über prekäre Verhältnisse
23
Leitartikel
Lehrer als Integrationshelfer
Service
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Recht
Leitfaden zum Umgang mit Migrantenkindern
26
Recht
Der Aufschrei der Fachlehrer
29
Dienstrecht
Unrealistisches Sparprogramm
34
Akademie
Programm Mai/Juni 2014
37
Verband
Ernährungsführerschein und SchmExpertise
38
Serie „Grenzgänger” (Folge 14)
Realschullehrerin in Bethlehem/Palästina
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Impressum
Bildungsticker
Pisa-Koordinator: Sitzenbleiben verbessert nichts
Düsseldorf (dpa) - Klassenwiederholungen bringen aus Sicht des Bildungsforschers Andreas Schleicher nichts
für den Lernerfolg eines Schülers. Dafür koste jeder Sitzenbleiber die Gesellschaft 40.000 Euro. „Es wird viel für
Reparaturarbeit ausgegeben, statt zu
investieren”, erläuterte Schleicher, der
für die Organisation für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung
(OECD) die internationalen Pisa-Schulvergleichsstudien koordiniert. Die Betroffenen würden häufig als Sitzenbleiber abgestempelt, ihre Probleme aber
einfach in die nächste Klasse verschoben. Über den gesamten Zeitraum zwischen 2003 und 2012 sei in Deutschland jeder fünfte Schüler mindestens
einmal sitzengeblieben, berichtete der
Forscher. In Japan liege die Quote bei
Null. Dort würde ein Lehrer sein Gesicht verlieren, wenn der Schüler nicht
weiterkomme, sagte Schleicher.
Jeder Zweite scheitert an
der Regelzeit
Wiesbaden (dpa) - Weniger als 40 Prozent der Hochschulabsolventen schaffen
ihren Abschluss innerhalb der Regelstudienzeit. Im Prüfungsjahr 2012 erwarben
nur 138.700 (39,3 Prozent) der Studierenden einen Abschluss in der vorgeschriebenen Semesterzahl, berichtete das Statistische Bundesamt. Zählt man zur Regelstudienzeit noch zwei weitere Semester dazu,
liegt der Anteil der erfolgreich abgelegten
Abschlussprüfungen immerhin bei 77 Prozent. Am schnellsten waren die Verwaltungswissenschaftler. Bei ihnen kamen
98,7 Prozent der Absolventen mit der Regelstudienzeit plus zwei Semester aus.
Auch in Humanmedizin (88,4 Prozent) und
Sozialwesen (85,3 Prozent) schafften es
viele. Am seltensten wurde dieser Wert von
Germanisten (68,5 Prozent) und Juristen
(67,3 Prozent) erreicht.
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Sieben Prozent mehr
Studierende in Bayern
München (dpa/lby) - Bayerns Hochschulen erfreuen sich weiter großer Beliebtheit.
Die Zahl der Studierenden stieg im Wintersemester 2013/14 um sieben Prozent
im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Insgesamt waren 355.914 Studenten immatrikuliert. Dabei entwickelten sich Universitäten
und Fachhochschulen sehr unterschiedlich. Während an den Unis die Zahl der Studienanfänger um 6,9 Prozent auf 45.037
stieg, ging sie an den Fachhochschulen
um 1,7 Prozent auf 26.848 zurück. Beliebter als im Vorjahr waren bei den Erstimmatrikulierten die Ingenieurwissenschaften,
Mathematik und Naturwissenschaften.
Spaenle: Homosexualität
im Lehrplan eingebettet
München (dpa/lby) - Die bayerische
Staatsregierung hat keine Pläne, das
Thema Homosexualität in der Schule anders zu behandeln als bislang. Das Thema
sei bereits laut bisherigem Lehrplan „eingebettet in die Werteerziehung”, sagte Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle. „Es ist
Bayern ein wichtiges Anliegen, die Vielfalt
an Lebenswirklichkeiten der Menschen
auch im Unterricht und in Schulbüchern abzubilden”, hieß es in einer Mitteilung. Das
sei auch in den Lehrplänen aller Schularten
verankert. Die grün-rote Landesregierung
in Baden-Württemberg will das Thema Homosexualität im Unterricht ausführlicher behandelt wissen.
Leichtathletenchef: Pisatest auch im Fach Sport
Regensburg (dpa) - Pisa-Tests soll es nach
Ansicht des Präsidenten des Deutschen
Leichtathletikverbandes, Clemens Prokop,
künftig auch im Fach Sport geben. Bisher
werden Schüler beim Pisa-Vergleichstest
nur in Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften geprüft. Das sei aber „nur die
halbe Miete”, sagte er. „Wenn man die
Kompetenzen junger Menschen erfassen
möchte, dann sollte das wirklich umfassend
geschehen. Und da gehören eben auch die
motorischen Fähigkeiten dazu.”
Gericht verbietet Schule
der „Zwölf Stämme”
Augsburg/Deiningen (dpa) - Die umstrittene Sekte „Zwölf Stämme” darf keine eigene Schule mehr betreiben. Mehrere Jahre
hatte die Glaubensgemeinschaft eine eigene Schule gehabt. Später wurden mehrere
Dutzend Kinder in Schwaben und Mittelfranken von den Behörden wegen Prügelvorwürfen aus der Gemeinschaft geholt.
Bayerische Schule 2 2014
Bildungsticker
Das Verwaltungsgericht begründete nun
das Schulverbot ebenfalls teilweise mit körperlichen Züchtigungen der Kinder. Da sich
die Glaubensgemeinschaft darauf berufe,
die Bibel gebiete ihnen, die Kinder mit Ruten zu züchtigen, sei davon auszugehen,
dass dieses „Gebot” vor den Türen der
Unterrichtsräume nicht haltmache, erklärte
ein Gerichtssprecher.
Handwerk wirbt um
Studienabbrecher
Berlin (dpa) - Das Handwerk wirbt verstärkt
um Studienabbrecher und Gymnasiasten.
Über die Hälfte der Kammern unterstützt
laut einer Umfrage des Zentralverbandes
des Deutschen Handwerks (ZDH) Kooperationsprojekte mit Hochschulen, um Aussteiger aus dem Studium als Berufsnachwuchs für Handwerksbetriebe zu gewinnen.
Erbrachte Leistungen im Studium können
durch verkürzte Lehrzeit bei der Gesellenprüfung oder der späteren Meisterprüfung
angerechnet werden.
Deutschland und Türkei
starten Wissenschaftsjahr
Berlin (dpa) - Deutschland und die Türkei
wollen ihre Zusammenarbeit in der Wissenschaft, Industrie- und Technologieforschung weiter ausbauen. Bundesforschungsministerin Johanna Wanka (CDU)
und ihr türkischer Amtskollege Fikri Isik
eröffneten das „Deutsch-Türkische Jahr
der Forschung, Bildung und Innovation
2014”. Wanka verwies den Angaben zufolge auf die lange Tradition einer fruchtbaren
Zusammenarbeit mit der Türkei. Zwischen
deutschen und türkischen Hochschulen
gebe es derzeit fast 850 Kooperationsprojekte. Besonders eng arbeiteten deutsche und türkische Wissenschaftler in der
Gesundheitsforschung, der Biotechnologie und der Ernährungs- und Agrarforschung zusammen.
Bayerische Schule 2 2014
Mehr Geld von der EU für
Obst an Schulen
Berlin (dpa) - Für regelmäßige Portionen
Obst an deutschen Schulen steht im kommenden Schuljahr mehr Geld der EU zur
Verfügung. Die Mittel werden von 12,3
Millionen auf voraussichtlich 19,7 Millionen Euro aufgestockt, wie das Bundesernährungsministerium mitteilte. Die Wertschätzung für eine gesunde Ernährung
beginne in jungen Jahren. Die Länder
müssen künftig noch 25 statt 50 Prozent
der Kosten als Eigenanteil übernehmen.
Rekord-Pensionswelle
bei Lehrern
Wiesbaden (dpa) - Noch nie sind so viele
Lehrer aus dem Schuldienst ausgeschieden wie 2012. Rund 24.400 verbeamtete
Pädagogen wurden in den Ruhestand versetzt, wie das Statistische Bundesamt
berichtete. Im Vergleich zu 2011 erhöhte
sich die Zahl um 17 Prozent. Gleichzeitig
wurden 2012 so wenige Lehrkräfte wie nie
zuvor wegen Dienstunfähigkeit in den
Ruhestand versetzt (15 Prozent). In den
1990er Jahren war es über die Hälfte der
Lehrkräfte. Grund für den Rückgang sei die
Einführung von Versorgungsabschlägen bei
vorzeitiger Pensionierung. Im Durchschnitt
waren die 2012 pensionierten Lehrkräfte
63,1 Jahre alt, bei Dienstunfähigkeit 58,4
Jahre.
Pressefreiheit: Schülerzeitungen unter Druck
Berlin (dpa) - Schülerzeitungen in
Deutschland fühlen sich zunehmend in
ihrer Pressefreiheit beschnitten. Die
Fälle, die dem Jugendpresse-Bundesverband zugetragen werden, hätten sich
im vergangenen Jahr deutlich erhöht,
klagte Kai Mungenast, der Vorstandssprecher der Jugendpresse Deutschland. Zunehmend versuchten Schulleitungen und Lehrer Druck zu machen. Der
Jugendpresse-Vertreter forderte: „Kinder
und Jugendliche müssen schon als
Schüler eine freie Schülerpresse erleben, um zu überzeugten Demokraten
heranwachsen zu können. Pressefreiheit
ist keine Frage des Alters und des
Berufes.”
Mit seiner eigenwilligen Arithmetik in Sachen Lehrerstellen machte sich Kultusminister Spaenle keine Freunde
Aus Eins mach Zehn ...
... und Zwei lass geh'n. – Das LehrerEinmaleins des Kultusministers ergab,
dass mal eben ein paar hundert Stellen
weg können, 832 exakt. Nach massivem
Protest aus der Schulwelt setzte es eine
Abreibung von Ministerpräsident und
Regierungskollegen. Ergebnis: Die Stellen
bleiben. Das eigentliche Problem auch.
Von Tomi Neckov und Florian Fischer
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Im CSU-Regierungsprogramm „Bayernplan“ hieß es vor der Landtagswahl: „Vorfahrt für Bildung: Wir gehen nicht den Weg anderer Länder, die den Personalstand im Bildungswesen zurückfahren“, die CSU garantiere den bayerischen Schulen, dass „auch
bei sinkenden Schülerzahlen“ die frei werdenden Lehrerstellen
„vollständig im Bildungssystem belassen werden.“ Diese Aussage galt bis zum 25. Januar 2014: Da verkündete Kultusminister
Ludwig Spaenle in einem Interview mit dem Bayerischen
Rundfunk, dass 832 Lehrerstellen gestrichen werden.
Die Zahl ergab sich aus einem Papier aus seinem eigenen Haus:
Die statistische Übersicht „Schule und Bildung in Bayern“ vom
Dezember 2013 weist für das betreffende Jahr 86.910 Lehrerstellen aus, für das Jahr 2014 nur noch 86.078. Differenz: 832 Stellen.
Bayerische Schule 2 2014
Politik_Lehrerstellen
Seehofer seinen Superminister öffentlich. Er sprach von einem
„Kommunikationsproblem“ in Spaenles Haus und giftete: „Das
müssen die lösen – sonst löse ich es." In einer Kabinettssitzung
machte Seehofer klar, dass durch die Kommunikation des Ministeriums ein „unvollständiges und falsches Bild" der Bildungspolitik gezeichnet worden sei.
Das war eine Art von Selbstverteidigung, denn unversehens war
Seehofer in Verdacht geraten, ein zentrales Wahlversprechen
gebrochen zu haben. Erstmals überhaupt wurden – nach dem
Interview des Kultusministers – Pläne für Stellenstreichungen
offiziell bestätigt. Nur die genannten Zahlen wichen ab: Finanzminister Markus Söder sprach von 196 Lehrerstellen. Wie auch
immer, nun sicherte der CSU-Chef rundweg zu, auch in den kommenden Jahren auf Stellenkürzungen an Schulen und Hochschulen zu verzichten. Es gebe mehr Planstellen in der Bildung
und Wissenschaft als je zuvor.
Etwa zwei Wochen lang hatte die CSU eine ganz andere
Argumentationslinie aufgebaut: Stellenstreichungen an den
Schulen seien gar keine Stellenstreichungen, wenn diese Stellen
an die Hochschulen verlagert werden. Dann blieben sie ja „im
Bildungsbereich“ – und damit wäre die Aussage aus dem Bayernplan formal eingehalten. Der öffentliche Druck und der Druck
der Opposition im Landtag machte deutlich, dass der Wähler
diese Auslegung gleichwohl als Wahlbetrug auffassen würde.
Nach mehrtägiger Dauerkritik stoppte Seehofer die geplanten
Stellenkürzungen an den bayerischen Schulen komplett. In einer
internen Runde kündigte er den Erhalt sämtlicher Lehrerstellen
nicht nur für dieses Jahr an, sondern sogar bis 2018, also bis zum
Ende der Legislaturperiode. Dies soll in den nächsten Verhandlungen zum Nachtragshaushalt 2014 festgezurrt werden. Die Kosten für diesen Schritt taxieren jährlich rund 50 Millionen Euro.
Der Ministerpräsident erweckte den Eindruck, das alles sei vollkommen normal: „Die bisherige Diskussion bezog sich auf Dinge,
die vor zwei Jahren beschlossen worden sind. Deshalb mache
man ja einen Nachtragshaushalt, um die Dinge an die Aktualität
anzupassen“. Es handle sich um keinen „Schwenk“. Was er in
seiner Rechtfertigung unterschlug: Änderungen im Stellenplan
bei Beratungen zum Nachtragshaushalt sind traditionell tabu.
Der BLLV-Landesvorstand reagierte umgehend und schrieb einen
Offenen Brief an Ministerpräsident Seehofer. Innerhalb von nur
fünf Tagen unterschrieben mehr als 11.000 Menschen online. Seit
den Beratungen zum Doppelhaushalt 2011/12, also seit Ende
2010, hat der BLLV immer wieder auf das drohende Debakel hingewiesen. Schon damals und erst recht beim Doppelhaushalt
2013/14 war klar, dass Stellen direkt oder auf Umwegen gestrichen werden sollen. Auch gab es eine Online-Petition des BLLV,
das Thema Haushaltsplan kam in die öffentliche Diskussion, die
parlamentarische Beratung wurde sensibilisiert. Ergebnis: Ein
Landtagsbeschluss rettete in letzter Minute 215 Stellen über eine
Nachschubliste im aktuellen Doppelhaushalt. Anfang 2014 zeigte
der Druck, der von den Lehrerinnen und Lehrern ausging, erneut
Wirkung. Kurz nach Spaenles Auftritt rüffelte Ministerpräsident
Bayerische Schule 2 2014
Finanzminister Söder trat derweil nach: Er warf Spaenle schlechte Personalplanung vor. „Wir können vorhersagen, welcher Komet 2028 in welchem Abstand an der Erde vorbeifliegt“, sagte
Söder, „aber wir tun uns wahnsinnig schwer, im Januar zu ermitteln, welche Lehrer wir im September für welche Fächer brauchen“. Es müsse auf Dauer eine transparentere Personalplanung
für die Schulen geben.
Die Debatte um Lehrerstellen ist nach diesem Kabinettstückchen
keineswegs zu Ende. Erreicht wurde bislang nur, dass 832 Stellen nicht gestrichen werden. Das ist ein Erfolg. Aber dadurch gibt
es noch keinen einzigen Lehrer mehr. Mehr Lehrer braucht es
aber, um die Megaprojekte im Bildungsbereich – Inklusion, Ganztagsschule und individuelle Förderung – zu verwirklichen.
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Wenn Grundschulen schließen, sind vor allem im ländlichen Raum kreative Beförderungsideen gefragt
BLLV-Studie: Hunderte Grundschulen gefährdet
Aktuelle Recherchen des BLLV ergeben: Jeder fünfte Gundschulstandort
mit nur einer Grundschule hat weniger als vier Klassen – und ist gefährdet. Wer sich auf die Bestandsgarantie der Regierung beruft, übersieht,
Eine Studie und eine zusätzliche Datenbankrecherche des BLLV
haben ergeben, dass es in Bayern 339 mehrhäusige Grundschulen gibt. Die Stichprobe des BLLV umfasst 178 dieser Schulen mit 385 Standorten. 3 Prozent dieser Standorte bestehen nur
noch aus einer Klasse, 21 Prozent aus zwei Klassen, 12 Prozent
aus drei Klassen, 35 Prozent aus vier Klassen, und nur 30 Prozent
verfügen über mehr als vier Klassen. 129 Standorte (34 Prozent)
mehrhäusiger Grundschulen können demnach nicht mehr in allen
Jahrgangsstufen eine Klasse bilden. Sie alle sind mehr oder weniger stark in ihrem Bestand gefährdet.
dass sie nur für rechtlich eigenständige Grundschulen gilt, nicht für Außenstellen (siehe BS 1/2014). Sie können
ohne Weiteres geschlossen werden.
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Rechnet man die Ergebnisse dieser Befragung auf ganz Bayern
hoch, verteilen sich die insgesamt 339 mehrhäusigen Grundschulen in Gemeinden mit einer Grundschule auf rund 690 Standorte.
Die Zusammenschau von einhäusigen und mehrhäusigen Grundschulen ergibt insgesamt 1.666 Standorte in Bayern. Die Hälfte
Bayerische Schule 2 2014
Politik_Grundschulstandorte
davon hat mehr als vier Klassen, knapp ein Drittel hat exakt vier
Klassen und ist vollständig einzügig, 8 Prozent haben drei Klassen,
11 Prozent zwei Klassen und 1 Prozent (21 Standorte) hat nur
eine Klasse, das heißt 342 Standorte insgesamt sind gefährdet.
Die Bestandsgarantie der Staatsregierung sieht eine Untergrenze
von zwei Klassen mit mindestens 26 Schülern vor – sie gilt aber
nur für rechtlich eigenständige Schulen. Damit gilt sie für 242
Standorte nicht. In den vergangenen Jahren wurden bereits 72
Grundschulstandorte geschlossen, von den Standorten im ländlichen Raum waren das etwa 4 Prozent. Dabei hatten 27 der 34
vom Kultusministerium dokumentierten Grundschulen vor ihrer
rechtlichen Auflösung drei und mehr Klassen. Sie lagen damit weit
über dem Kriterium der Bestandsgarantie. Nur in zwei Fällen handelte es sich mit 15 beziehungsweise 17 Schülern um Grundschulstandorte, die das Kriterium nicht mehr erfüllten. Daher muss
trotz der vorgeblichen Standortgarantie mit weiteren Schließungen
von Grundschulstandorten gerechnet werden.
Bayerische Schule 2 2014
Diese erfolgt in der Regel als Prozess in drei Stufen:
Stufe 1: Mitführung der eigenständigen Schule durch die Leitung
einer anderen Schule.
Stufe 2: Auflösung der rechtlich selbstständigen Grundschule und
Überführung in eine Außenstelle einer anderen Grundschule. 255
rechtlich selbstständige Grundschulen wurden seit 2008 aufgelöst
und in Außenstellen einer benachbarten Grundschule überführt.
Stufe 3: Komplette Schließung des Bildungsangebots der Grundschule am Standort.
Eine ausführliche Darstellung der Studie durch den wissenschaftlichen Mitarbeiter des BLLV, Dr. Gerd Hüfner, finden Sie unter
www.bllv.de/bs/2014/02
Fritz Schäffer
Leiter der Abteilung Schul- und Bildungspolitik im BLLV
9
Uni Regensburg bahnt neue Wege
Prof. Dr. Göhring über die Notwendigkeit, die Lehrerbildung grundlegend zu ändern
In diesem Jahr geht der „Bayerische Pädagogikpreis – Pädagogik innovativ“ des BLLV
an den „Modellversuch Naturwissenschaft und Technik“ (NWT) der Universität Regensburg. Die Leiterin des Projekts, Prof. Dr. Anja Göhring, hat mit Kolleginnen und Kollegen
ein Konzept entwickelt und umgesetzt, das Lehramtsstudierende darauf vorbereitet,
naturwissenschaftlich integrierte Unterrichtsfächer wie PCB (Physik-Chemie-Biologie)
in der Mittelschule und HSU (Heimat- und Sachunterricht) in der Grundschule zu unterrichten.
Preis für Modellversuch Naturwissenschaft und Technik
Der BLLV verleiht den „Bayerischen Pädagogikpreis – Pädagogik innovativ“ an Projekte, die durch innovative Lehrmethoden und -inhalte neue Wege in der universitären
Lehrerbildung gehen. Durch den Förderpreis will der BLLV Unis unterstützen, die ein
Lehramtsstudium bieten, das sich sowohl am aktuellen wissenschaftlichen Forschungsstand wie auch an der Praxis im Lehreralltag orientiert.
Das Problem im Fall der Naturwissenschaften: Bislang werden – außer in Regensburg – Lehrkräfte dieser beiden Schularten, wenn überhaupt, nur in einer einzigen
Naturwissenschaft ausgebildet, sollen aber alle drei unterrichten. Eine Herausforderung, vor der einst auch Prof. Göhring stand.
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Bayerische Schule 2 2014
Politik_Pädagogikpreis – Pädagogik innovativ
Frau Prof. Dr. Göhring, Sie haben Physik für das Grund- und
Hauptschullehramt studiert. Hatten Sie schon damals das
Gefühl, dass sich in diesem Studiengang etwas ändern muss?
Ich habe an einer Pädagogischen Hochschule in Baden-Württemberg studiert. Dort war schon immer die Verknüpfung von Theorie
und Praxis sehr wichtig. Die Koppelung von Fachwissenschaft
und Fachdidaktik ist nun auch in NWT umgesetzt. Als Lehrerin
hatte ich von den Naturwissenschaften zuerst nur Physik unterrichtet, dann wurden die Lehrpläne umgestellt und ich musste
zusätzlich biologische und chemische Themen innerhalb eines
Fächerverbunds unterrichten. Da wurde mir deutlich, dass sich
bereits in der ersten Phase der Lehrerausbildung etwas ändern
muss. Ich finde ganz wichtig, dass die naturwissenschaftlich integrierten Fächer wie Physik-Chemie-Biologie schon in der ersten
Phase der Lehrerausbildung so gelernt werden, wie sie später
gelehrt werden sollen.
Der BLLV-Präsident Klaus Wenzel hat Ihr Projekt als „stark
handlungs- und studierendenorientiert“ gelobt. Was ist das
Besondere an NWT?
Das Besondere an NWT ist, dass es keine Vorlesungen, sondern
ausschließlich Seminare mit etwa 20 Teilnehmern gibt. Die Studierenden sollen und müssen aktiv sein, beispielsweise bei der
Durchführung von Experimenten oder bei kooperativen Lernformen. Ganz wichtig ist, die Praxis mit der Theorie zu verbinden. Zu
Beginn der Studienzeit in den Modulen eins und zwei werden
Fachwissenschaft und -didaktik verzahnt, in den Modulen drei und
vier finden die Kurse fächerübergreifend statt. Um förderdiagnostische Kompetenzen aufbauen und Lernschwierigkeiten adäquat
begegnen zu können, arbeiten Studierende mit Schulklassen im
NWT-Lernlabor und erproben dabei selbst entwickelte Lernarrangements. Eine Nacherhebung sowie der Vergleich der Ergebnisse mit der Vorerhebung bietet den Studierenden Einblick, inwieweit bei den Kindern oder Jugendlichen naturwissenschaftliche Konzepte angebahnt oder etabliert werden konnten.
Immer mehr Studierende entscheiden sich für das von Ihnen
konzipierte Studienfach an der Universität Regensburg. Eine
bayernweite Einführung des Faches NWT brächte bestimmt
mehr Lehrkräfte für Naturwissenschaften hervor.
Würde man das Fach bayernweit einführen, würden wohl noch
mehr Studierende NWT wählen – und das, wo deutschlandweit
Lehrkräfte für Naturwissenschaften händeringend gesucht werden und für die Kompetenz- und Interessensentwicklung der
Schülerinnen und Schüler eine wesentliche Rolle spielen. Wenn
man das Studienfach bayernweit umsetzen möchte, muss man
allerdings für räumliche Ausstattungen und Personal Geld in die
Hand nehmen. Bildungspolitisch wäre zudem wünschenswert,
dass NWT-Absolventen, die ja in allen drei Naturwissenschaften
ausgebildet wurden, bevorzugt bei der Einstellung berücksichtigt
werden.
Gibt es vergleichbare Studienfächer auch in anderen Bundesländern?
In der Schweiz werden an einigen Pädagogischen Hochschulen
verschiedene Modelle zur integrierten Lehrerausbildung praktiziert. In Deutschland gab es 2009, zu Beginn des Modellversuchs
NWT, nirgendwo ein solches Studienfach. Inzwischen bietet die
Freie Universität Berlin für das Grundschullehramt ein integriertes
Studienmodell an.
Die ersten NWT-Studierenden sind inzwischen als Referendare an den Schulen. Fühlen die sich gut auf das Lehrerleben vorbereitet?
Ja, wir bekommen auch von Lehrkräften, die beispielsweise mit
ihren Klassen das NWT-Lernlabor besuchen, immer wieder die
Rückmeldung: Genau so etwas hätte es zur eigenen Ausbildungszeit auch schon gebraucht, um auf die Fächerverbünde HSU oder
PCB vorbereitet zu sein. Und sogar das Kultusministerium zeigte
sich von den NWT-Studierenden begeistert.
Interview: Thomas Klotz
Welche Ausstattung benötigt man für NWT-Studierende an
den Universitäten?
Wir haben uns bewusst an einer naturwissenschaftlichen IdealAusstattung einer Schule der Sekundarstufe I orientiert. Wir haben an der Universität in Schullaboreinrichtungen und -möbel investiert, damit die Studierenden die Ausstattung erleben können
und sich gegebenenfalls später als Lehrerin oder Lehrer für eine
solche Ausstattung an ihren Schulen einsetzen werden. Außerdem wurde viel Wert auf die Anschaffung von vielfältigen Schülerexperimentiermaterialien gelegt.
Sind die Dozenten dieselben, die in einem normalen Studiengang unterrichten?
An der Universität Regensburg sind die Dozierenden extra für das
Fach NWT angestellt worden. Wir sind alle ursprünglich Lehrerinnen oder Lehrer unterschiedlichster Schularten, haben eine oder
zwei Naturwissenschaften studiert und mehrere Jahre Schulpraxis.
Bayerische Schule 2 2014
Tag der innovativen Lehrerbildung
am 15. Mai 2014
Die Auszeichnung, zu der auch ein Preisgeld von 7.500
Euro gehört, verleiht eine Jury, bestehend aus drei
Studierenden der Landesstudentengruppe (LSG), zwei
Dozenten, dem BLLV-Präsidenten und einem Mitglied der
Arbeitsgemeinschaft Bayerischer Junglehrer (ABJ), am
„Tag der innovativen Lehrerbildung“ am 15. Mai, 10 Uhr,
im Senatssaal der Ludwig-Maximilians-Universität München. An diesem Tag wird jedoch nicht nur „NWT“ vorgestellt. Auf dem „Marktplatz“ werden auch einige der anderen eingereichten Projekte präsentiert. tk
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Politik_Gespräche
MdL Isabell Zacharias (SPD), Petja Meidlinger (li.) u. Sabine Doering-Manteuffel (Uni Augsburg), Familienministerin Emilia Müller ...
SPD: Schulen und Unis
nicht gegeneinander
ausspielen lassen
Universität Bayern:
Stärkerer Einsatz für
Lehrerbildung
Familienministerin Müller:
Frühkindliche Erziehung
ernst nehmen
Die von Kultusminister Ludwig Spaenle
beabsichtigte Streichung von 832
Lehrerstellen an Schulen zugunsten der
Hochschulen war Gegenstand eines Gesprächs des BLLV mit zahlreichen SPDLandtagsabgeordneten. „Wir brauchen
mehr Geld für Bildung – angefangen
beim Elementarbereich bis hin zu den
Hochschulen“ sagte BLLV-Präsident
Klaus Wenzel. Isabell Zacharias, Hochschulpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, unterstrich, dass Schulen und Hochschulen nicht gegeneinander ausgespielt
werden dürften. Beide Seiten waren sich
einig, dass die Stellen, die den Hochschulen von der Staatsregierung versprochen wurden, nun anderweitig finanziert
werden müssten. Tamara Thum, Vorsitzende der Studierenden im BLLV, bat um
Unterstützung für arbeitslose Lehrer. Sie
befürchtete, dass im Sommer eine dramatisch schlechte Einstellungssituation
zu erwarten sei. Weiteres Thema war der
LehrplanPLUS, der auch auf die weiterführenden Schularten ausgedehnt werden soll. Simone Fleischmann, Leiterin
der Abteilung Berufswissenschaft, erläuterte, dass der BLLV den neuen Lernbegriff begrüßt. Dieser lasse sich aber ohne
einen geänderten Leistungsbegriff nicht
umsetzen. Martin Güll erklärte als bildungspolitischer Sprecher seiner Fraktion, er werde sich für eine Evaluation
des Lehrplans stark machen. BS
Das Positionspapier der Universität
Bayern e. V., dem Zusammenschluss von
elf bayerischen Hochschulen, war Anlass
für ein Gespräch zwischen der Vorsitzenden Prof. Dr. Sabine Doering-Manteuffel,
der Geschäftsführerin Dr. Ines Jung
sowie BLLV-Präsident Klaus Wenzel und
BLLV-Hochschulreferentin Petja Meidlinger. Thema war die Lehrerbildung.
Doering-Manteuffel weiß, dass exzellente
Bildung an den Schulen „äußerst kompetente Lehrerinnen und Lehrer“ benötigt,
daher will sie die Lehrerbildung stärken.
Dies kann nur gewährleistet werden,
wenn sich die Universitäten für eine herausragende Lehrerbildung einsetzen.
Übereinstimmung bestand in der Einschätzung, dass die Lehrerbildung an
den Universitäten eine besondere
Stellung einnehmen muss. Die Forderung nach mehr Wertschätzung sowie
guter personeller wie finanzieller Ausstattung wurde gemeinsam gestellt. In
gemeinsamen politischen Gesprächen
wird die Verbesserung der Lehrerbildung
prioritäres Thema sein – nicht nur in diesem Punkt waren sich Frau DoeringManteuffel und Klaus Wenzel einig, sie
wollen demnächst auch ein Fachgespräch zum Thema Lehrerbildung organisieren. Frau Doering-Manteuffel möchte
den BLLV als kompetenten Partner an
ihrer Seite haben und bot tatkräftige
Kooperation an. pm
„Die frühkindliche Erziehung bildet das
Fundament für die Persönlichkeitsentwicklung und muss daher sehr ernst genommen werden“ – auf diese grundlegende Position konnten sich Staatsministerin Emilia Müller und BLLV-Präsident
Klaus Wenzel schnell einigen. Zustimmung kam auch von Vizepräsidentin
Waltraud Lučić und von Fabian Geyer, der
die Fachgruppe Erzieher/innen im BLLV
leitet. Geyer machte deutlich, dass sich
aus dieser Positionierung konkrete Konsequenzen ergeben müssen: „Die Bedeutung der frühkindlichen Bildung lässt
sich auch daran ablesen, wieviel in sie
investiert wird. Dies gilt sowohl für
die Ausbildung von Kinderpflegern und
Erziehern als auch für die Lern- und Arbeitsbedingungen in den Einrichtungen.
Und selbstverständlich auch für die Bezahlung dieser Berufsgruppen.“ Des Weiteren sprach Fabian Geyer die BLLV-Forderung an, die Kinderrechte ins Grundgesetz aufzunehmen. Zudem einigte man
sich, bei der Gestaltung des Amtes des
bayerischen Kinderbeauftragten im
Gespräch zu bleiben. Waltraud Lučić
merkte an, dass die gesellschaftliche Anerkennung einer Berufsgruppe in engem
Zusammenhang mit Ausbildung, Status
und finanzieller Attraktivität stehe. Die
Staatsministerin stimmte grundsätzlich zu,
es seien bereits kleine Schritte in die richtige Richtung unternommen worden. BS
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Bayerische Schule 2 2014
Politik_Gespräche
... Fraktionsvorsitzende Margarete Bause und Thomas Gehring (Grüne), Kultusminister Ludwig Spaenle
Bayerische Schule 2 2014
Grüne: Gymnasium
umfassend inhaltlich
reformieren
Spaenle: Drei Phasen
der Lehrerbildung enger
verzahnen
„Der BLLV kümmert sich um Bildung –
unabhängig, aber nicht neutral. Deshalb
suchen wir auch den Kontakt zu allen
Fraktionen des Landtags“, stellte BLLVPräsident Klaus Wenzel zu Beginn des
ersten Gesprächs mit der deutlich veränderten Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen nach den Wahlen
fest. Ein Schwerpunkt des Gesprächs
war die Zukunft des bayerischen Gymnasiums. Beide Seiten waren sich einig,
dass eine Öffnung der CSU zum G9
absehbar ist. Eine bloße Rückkehr zum
alten neunjährigen Gymnasium löse die
Probleme dieser Schulart aber keineswegs. Nötig sei eine umfassende inhaltliche Reform der Schulart. Roland
Kirschner, Leiter der zuständigen BLLVFachgruppe, bedauerte, dass die Schüler am Gymnasium wenig Gelegenheit
hätten, „den Dingen auf den Grund“ zu
gehen. Allein die Zersplitterung in 16
Unterrichtsfächer behindere das. Er forderte eine altersgemäße Differenzierung
der Unterrichtsformen in den einzelnen
Stufen. Außerdem sprach er sich für
eine Lösung des Leistungsbegriffs von
Noten- und Ausleseentscheidungen aus.
Thomas Gehring, Bildungspolitischer
Sprecher der Grünen, forderte wie der
BLLV die Bündelung von Fächern und
zudem mehr Projektlernen. Die Qualität
des Gymnasiums hänge von den Inhalten ab, weniger von der Dauer. ff
„Lehrerbildung hat eine eigene Würde
und einen besonderen Wert und ist
daher von zentraler Bedeutung, sowohl
in der Bildungspolitik als auch an den
Universitäten“ – auf diese gemeinsame
Feststellung einigten sich Staatsminister
Ludwig Spaenle und BLLV-Präsident
Klaus Wenzel am Ende eines ausführlichen Gesprächs. Übereinstimmung
bestand auch darin, dass eine engere
Verzahnung der drei Lehrerbildungsphasen (Studium, Vorbereitungsdienst,
Fortbildung) zahlreiche Vorteile mit
sich bringen würde. So könnte zum
Beispiel viel für eine professionelle
Berufsfeldorientierung getan werden,
wenn der Austausch zwischen Experten
aus der Schulpraxis und den Universitäten intensiv und institutionalisiert stattfinden würde. Außerdem könnte durch
eine inhaltliche und organisatorische
Zusammenarbeit der ersten und zweiten
Phase die Vergabe von ECTS-Punkten
anders geregelt werden. Spaenle, der
seit vergangenem Herbst sowohl für
die Schulen als auch für die bayerischen
Universitäten zuständig ist, sieht angesichts der Bündelung der Kompetenzen
in einem Haus gute Chancen, die
Lehrerbildung weiter zu verbessern.
Weitere Themen des Gesprächs waren
der LehrplanPLUS, die Inklusion und die
Weiterentwicklung des bayerischen
Gymnasiums. BS
13
Politik_Akzente
D
ass in der Politik mit griffigen Formeln und kantigen Formulierungen gearbeitet wird,
ist bekannt. Es ist auch verständlich und legitim. Problematisch wird es, wenn in
Wahl- und Parteiprogrammen Begriffe verwendet werden, die nicht klar definiert sind.
Dies kann zu Missverständnissen führen – und zu politischen Entscheidungen, die sich
als falsch und gefährlich erweisen.
Aktuelles Beispiel sind die in Landtag und Lehrerzimmern gleichermaßen diskutierten
Fragen: Können wir Lehrerstellen streichen? Genügt es, die sogenannte demografische
Rendite im Schulsystem zu belassen? Oder brauchen wir nicht deutlich mehr pädagogisches Personal, als wir im Moment haben?
Kommt drauf an, was wir zum Beispiel unter dem oft bemühten Begriff der „individuellen
Förderung“ verstehen. Ist damit die begabungsgerechte Verteilung am Ende der vierten
Grundschulklasse gemeint? Oder das Flexijahr? Oder bedeutet „individuelle Förderung“, dass wir als Lehrerinnen und Lehrer mehr Zeit für jedes einzelne Kind bekommen?
Also nicht nur für die drei sehr langsamen Lerner oder für die zwei besonders Begabten.
Sondern Zeit für jedes Individuum, für alle Schülerinnen und Schüler. Schulsysteme, die
sich an diesem anspruchsvollen Förderbegriff orientieren, stellen pro Klasse mindestens
zwei pädagogische Fachkräfte zur Verfügung. Sollte auch Bayern dieses ambitionierte
Ziel anstreben (Ansätze sind ja bereits vorhanden), dann bräuchten wir nicht weniger
Lehrpersonen sondern deutlich mehr.
Begriffliche
Klarheit
Von Klaus Wenzel
Ein zweiter Begriff, der eher diffus verwendet wird, ist die Inklusion. Die Billigvariante
besteht darin, dass, wie in Berlin, alle Förderschulen aufgelöst werden und sich die Regelschulen ohne nennenswerte Unterstützung um Kinder und Jugendliche mit und ohne
Behinderung kümmern sollen. Die anspruchsvolle Variante orientiert sich an der Forderung der UN-Behindertenrechtskonvention: „Jeder Mensch erhält die Möglichkeit, sich
vollständig und gleichberechtigt an allen gesellschaftlichen Prozessen zu beteiligen –
und zwar von Anfang an und unabhängig von individuellen Fähigkeiten, ethnischer wie
sozialer Herkunft, Geschlecht oder Alter.“ Wenn ich dieser Definition folge, ist Inklusion
nicht mehr überwiegend die Sache einiger Grundschulen. Sie betrifft alle Bildungsstätten, alle Schulen, alle Einrichtungen unserer Gesellschaft.
Und wie steht es mit „pädagogischer Leitungszeit“?
Und sie benötigt Unterstützungssysteme, denn schulische Inklusion kann nur dort gelingen, wo der jeweilige Lehrer kompetente Hilfe von anderen pädagogischen und psychologischen Fachkräften bekommt. Bayern stellt dafür im Moment pro Jahr 100 zusätzliche
Planstellen zur Verfügung. Das ist mehr als in vielen anderen Bundesländern. Wollen wir
einen professionellen Inklusionsprozess konsequent ausgestalten, dann brauchen wir
deutlich mehr Fachpersonal.
Der Ausbau des Ganztags ist ein weiteres Ziel der Staatsregierung. Hinter diesem
Begriff verbirgt sich eine schillernde Vielfalt, von der „betreuten Suppenausgabe“ bis zur
gebundenen, rhythmisierten Ganztagsklasse. Vor über zehn Jahren wurde an neun bayerischen Hauptschulen die gebundene Variante erprobt. Es gab ein professionelles
Konzept und 19 zusätzliche Lehrerstunden. Inzwischen ist dieser Zuschlag deutlich reduziert worden, der Versuch einer finanziellen Kompensation brachte mehr Probleme als
Lösungen. Andere Schularten müssen sich ohnehin mit noch weniger Zusatzstunden
begnügen. Unabhängig davon wird der weitere Ausbau an gebundenen Ganztagsklassen zu einem Mehrbedarf an Lehrerstunden führen.
Und wie steht es mit der „pädagogischen Leitungszeit“ für unsere Schulleitungen? Nur
ein Begriff, der einer gründlichen Klärung bedarf? In diesem Fall geht es nicht um eine
Begriffsklärung. Es geht darum, dass Schulleiterinnen und Schulleiter gute Arbeitsbedingungen bekommen. Und zwar schnell.
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Bayerische Schule 2 2014
Politik_Landtag
Streichkonzert
Ob Planstellen wegfallen, ist auch eine Frage der Deutung
D
ie aktuelle bildungspolitische Debatte im Landtag wird bestimmt
durch die Frage, wie viele Lehrerplanstellen in Bayern gestrichen werden. Das
Parlament debattiert über die richtige
Auslegung des Haushalts. Der ist so undurchsichtig, dass selbst Regierungsmitglieder unterschiedliche Zahlen nennen.
Der BLLV hat bereits beim Doppelhaushalt 2011/2012 in Zweifel gezogen,
dass die demografische Rendite tatsächlich an den Schulen bleibt und sich damit
Vorwürfen ausgesetzt, etwa er verbreite
die „falschen und unvollständigen Zahlen“ (CSU-Abgeordneter Georg Eisenreich). Beim Doppelhaushalt 2013/2014
wiederholte sich die Situation in verschärfter Form. Kultusminister Ludwig
Spaenle bestätigte schließlich gegenüber
dem BLLV: „371 Stellen werden (…) im
Jahr 2014 eingezogen.“
Direkt nach den Landtagswahlen forderten die Freien Wähler eine Garantie, dass
„auch bei sinkenden Schülerzahlen die
Lehrerstellen im Schulsystem bleiben“
(Drs. 17/20, vgl. BS 1/2014). Die CSUMehrheit lehnte im Bildunsgsausschuss
ab. Günther Felbinger (FW) kommentierte: „Bayerns Schulen (…) werden zusätzliche und dringend benötigte Stellen nicht
erhalten, sondern sogar bestehende
Stellen verlieren.“
Ende Januar erklärte Spaenle persönlich, 832 Lehrerplanstellen werden zum
kommenden Schuljahr gestrichen. SPD,
FW und Grüne forderten einen Bericht
der Staatsregierung zur Entwicklung der
Schülerzahlen bis 2018 zu den benötigten Lehrerstellen und zur demografischen
Rendite (Drs. 17/455). Der Bildungsausschuss stimmte einstimmig zu. Die CSU
folgte damit der parlamentarischen Ge-
pflogenheit, Berichtsanträge nicht zu
blockieren.
Gleichwohl argumentierten CSU-Politiker, wie ihr Bildungspolitischer Sprecher
Gerhard Waschler, Lehrerstellen an
Hochschulen zu verlagern, sei kein Bruch
des Wahlversprechens, da die Hochschulen zum Bildungsbereich gehörten.
Wenig später beschloss die CSU-Fraktion die 832 Lehrer nicht zu streichen und
auch bis 2018 keine Lehrerstelle einzuziehen. Ruhe hat der Beschluss aber keineswegs gebracht. Der SPD-Abgeordnete
Volkmar Halbleib berechnete, dass bereits 773 Lehrerstellen gestrichen wurden. Das Kultusministerium bestreitet
das. Die Debatte geht also weiter. Ein
Ende scheint nur möglich, wenn die
Staatsregierung umfassende Transparenz
herstellt.
Florian Fischer
Islamischer Unterricht
Ganztagsschulen
Dritte Phase
Im Jahr 2009 hat die Staatsregierung,
nicht zuletzt auf langjährige Initiativen des
BLLV, den Modellversuch „Islamischer
Unterricht“ in deutscher Sprache eingerichtet. Dieser Modellversuch läuft Ende
des Schuljahres 2013/14 nach fünf
Jahren aus. Die Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen hat nun einen Antrag vorgelegt
(Drs. 17/887), ein „flächendeckendes und
dauerhaftes Angebot eines gebundenen
und konfessionellen islamischen Unterrichts“ sicherzustellen. Dieser müsse den
Vorgaben des Grundgesetzes (Art. 7)
entsprechen. Die Fraktion greift damit
wesentliche Punkte auf, die der BLLV im
Januar 2014 durch einstimmigen Beschluss seines Landesvorstands formuliert hatte. Außerdem fordern die Grünen
zu einem umfassenden Fragenkatalog
einen Bericht der Staatsregierung im
Landtag. ff
Der Ausbau der Ganztagsschule sei in
Bayern ein „Trauerspiel“, sagte die SPDAbgeordnete Simone Strohmayr im Plenum. Gerade 4,6 Prozent der Schüler an
Grundschulen und 2,9 Prozent an Gymnasien besuchten eine gebundene Ganztagsschule. Die SPD fordert deshalb neben multiprofessionellen Teams und regelmäßigen Evaluationen einen Rechtsanspruch auf einen gebundenen Ganztagsplatz (Drs. 16/50). Dies lehnte Ute EilingHütig (CSU) rundweg ab. Es brauche keinen Rechtsanspruch, weil alle vorliegenden Anträge genehmigt werden. Nur 354
Grundschulen wollten Ganztagsschule
werden, obwohl Geld für 540 Standorte
bereit liege. Am Gymnasium seien es lediglich 58 von 309 möglichen Schulen.
Strohmayr konterte, dies liege an den erheblichen Kosten, die die Kommunen zu
übernehmen hätten. ff
40 Lehrer wären rechnerisch nötig, um
den Unterricht von Realschul-Referendaren im zweiten Ausbildungsabschnitt um
eine Stunde abzusenken, am Gymnasium
rund 90. Würde am Gymnasium der
Eigenverantwortliche Unterricht im dritten
Ausbildungsabschnitt abgeschafft, würde
dies 140 Lehrerstellen ausmachen. Dies
geht aus einer Anfrage des Abgeordneten Thomas Gehring (Grüne) an die
Staatsregierung hervor, die er angesichts
der dramatischen Einstellungssituation
am Gymnasium zum Schulhalbjahr stellte.
Das Kultusministerium argumentierte,
dass ein Absenken nicht automatisch zu
mehr Einstellungschancen führe. Vielmehr sei es durch „Teilzeiterhöhungen“
an den einzelnen Schulen aufzufangen.
Außerdem solle einem „Praxisschock“
bei späterer Einstellung der Referendare
vorgebeugt werden. ff
Bayerische Schule 2 2014
15
Thema_Integration
Ruth, 14, Angola
Dass sonst niemand
aus meinem Land kommt,
macht mir nichts.
Es ist schön, dass jeder
jeden akzeptiert.
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Bayerische Schule 2 2014
Thema_Integration
Damit ihr einander kennenlernt
In vielen Klassenzimmern sitzen nur noch wenige rein deutschsprachige Kinder.
Was in der Öffentlichkeit mit Sorge wahrgenommen wird, ist auch eine Chance.
An der Grund- und Mittelschule Augsburg Centerville-Süd haben sich alle eingeschworen auf die positive Sicht – von der Rektorin bis zum Hausmeister.
Text: Chris Bleher; Fotos: Jan Roeder
Die Klänge waren unwiderstehlich. Von irgendwoher hallten sie
durchs Schulhaus, wehten in die Ohren der türkischen Lehrerin
und einer türkischen Mutter, wärmten ihre Herzen. „Üs-kü-dar'a-gider-iken ...“ – „Auf dem Weg nach Üsküdar ...“ Von unterschiedlichen Orten aus folgten beide dem drängenden Rhythmus des
Liebesliedes – und begegneten einander vor dem Musikzimmer.
Sie öffneten die Tür, in den Augen Tränen der Rührung. Wann hat
man je dieses Volkslied in einem deutschen Schulgebäude singen
hören? Musiklehrer Uwe Rachuth übte gerade mit den Schüleinnen und Schülern einer 7. Klasse für einen großen Auftritt. Alle
– egal ob aus der Türkei aus Deutschland oder sonst woher –
sangen mit. Auf Türkisch.
Im Lehrerzimmer der Augsburger Grund- und Mittelschule Centerville-Süd erinnern sich Rachuth und Hülya Okutan, die türkische Lehrerin, gerne an diese Begegnung. Doch Rachuth schüttelt den Kopf und räsoniert: „Da sollte niemand Tränen in den
Augen haben müssen.“ Ganz normal sollte es sein, so ein Lied
hier zu singen. Aber das ist es noch lange nicht. Selbst hier nicht,
wo 545 Schülerinnen und Schüler aus 30 Nationen zusammenleben, wo gut drei Viertel von ihnen aus Migrantenfamilien kommen,
wo man sich schon lange Gedanken macht, wie man mit diesen
Unterschiedlichkeiten am Besten umgeht.
Bayerische Schule 2 2014
Die 60 Lehrerinnen und Lehrer, fast alle ohne sogenannten
Migrationshintergrund, haben sich auf den Weg gemacht, den
Traum von einer neuen Normalität in eine Vision zu verwandeln
und das gesamte Schulleben danach auszurichten. Dafür hat sich
das Kollegium im vergangenen Jahr für das Integrationsprojekt
„WERTvoll MITeinander“ beworben (s. Kasten S. 20). Augsburg
Centerville-Süd wird nun als eine von vier Schulen in Bayern
durch einen professionellen Coach für interkulturelle Arbeit
begleitet. Und worauf Rektorin Carmen Jaud besonders stolz ist:
Im interkulturellen Entwicklungsteam machen alle mit, Schulleiter
und Konrektoren, Lehrkräfte, die Sozialpädagogin, Elternvertreter
und externe Partner, sogar der Hausmeister.
Was bei „Miteinander, Füreinander“ gefehlt hat
Er, der freundliche Herr Danho, ein Assyrer christlichen Glaubens,
ist nah dran an den Eltern, wenn er sie morgens an der Pforte
empfängt und wenn er sie beim Einkaufen im Viertel wiedertrifft.
Und dementsprechend viel hat er zu erzählen, wenn er an den
ganztägigen interkulturellen Coachings teilnimmt. Es ist nie
schlecht zu wissen, wie welche Eltern leben und denken, um zu
verstehen, warum ein Kind sich so oder so verhält.
17
Thema_Integration
Maxi, 9, Augsburg
Zu Hause sprechen wir
deutsch und polnisch.
Hier finde ich neue Freunde
aus anderen Ländern.
Viele Schulen in Bayern tun viel für die Integration ihrer vielen
Migrantenkinder. Auch die Schule auf dem ehemaligen
Militärgelände der US-Armee hatte schon seit langem viel
gemacht. „Miteinander, Füreinander“ hieß das Motto bisher, doch
irgendwie hatten sie das Gefühl, da fehlt was. Jetzt sind sie stolz,
gleich beim ersten Treffen mit Projekt-Coach Stephan Schack ein
treffenderes Motto gefunden zu haben: „Schule in Vielfalt miteinander leben.“ Das klingt gut gemeint aber abstrakt. Doch hier in
Centerville-Süd kennt man die konkrete Bedeutung. Der Begriff
„Vielfalt“ macht den Unterschied, sagt die Rektorin. Viele Schulen
sähen Vielfalt eher als Problem, nicht als Chance. Für Carmen
Jaud bedeutet Vielfalt „einen Zugewinn an unterschiedlichen
Sichtweisen“.
Warum Gott uns verschieden gemacht hat
Jetzt lernen sie also unter Anleitung des Coaches vom „VIA
Bayern – Verband für Interkulturelle Arbeit“, was Vielfalt bedeutet,
wenn man sie als Chance begreift. Oder umgekehrt: Was Vielfalt
nicht heißt. Da fordert eine Lehrerin etwa einen Schüler auf, sie
anzusehen, wenn sie mit ihm spricht. Als Ausdruck von Respekt
und Wertschätzung. Der „kultursensible Ansatz“, den das Team
sich nun erarbeitet, verdeutlicht, dass diese Aufforderung Kinder
aus manchen Kulturkreisen verwirrt. Dieses In-die-Augen-
18
Schauen gilt in ihren Kreisen als Respektlosigkeit. Ein Kollege
wiederum versteht nicht, warum einigen Schülern selbst einfaches
Zählen anhand der eigenen fünf Finger nicht gelingen will. Bis er
erfährt, dass in bestimmten Kulturen nicht der Finger gezählt wird,
sondern die Fingerglieder.
Sich der Differenzen bewusst werden, das gelingt nicht, wenn
eine Schule ganz für sich versucht, die Vielfalt in den Griff zu kriegen. Insgeheim denken wohl viele, „wir sind Lehrer, wir können
das doch“, mutmaßt Schack. Im Coaching merken sie dann aber
schnell, wie wertvoll so ein Impuls von außen ist. So forderte der
Trainer die Centerville-Süd-Lehrerinnen und -Lehrer auf, ihre eigenen Werte hierarchisch aufzuschreiben. Als einer der Beteiligten
die Übung dann auch seine 5. Klasse machen ließ, war er verdutzt
über einen offensichtlichen Unterschied: Werte, die bei ihm und
den Kollegen unten kamen oder gar nicht, rangierten in der Klasse
ganz oben. Das waren vor allem: Familie und Religion. Daraus
ergab sich eine wichtige Erkenntnis: Wer interkulturelle Arbeit
nicht als Last begreift oder als Freizeitbeschäftigung, muss die
familiären Hintergründe der Kinder kennenlernen, muss die Eltern
einbeziehen, muss stärker mit ihrem Glauben rechnen.
Eine Hülya Okutan ist da Gold wert. Die türkische Islam-Lehrerin
versteht sich als Botschafterin eines friedvollen Miteinanders. Und
weil sie perfekt Türkisch und Deutsch spricht und beide Kulturen
Bayerische Schule 2 2014
Thema_Integration
in sich trägt, kann sie helfen, Brücken zu bauen. Heute klingt sanfte orientalische Musik aus dem CD-Spieler, als sie die Kinder
einer dritten Klasse zu Beginn der Stunde selbstständig in Gruppen die fünf Säulen des Islam erarbeiten lässt. Gleich sollen sie
ihre Ergebnisse an der Tafel vorstellen. Auf Deutsch, so wie es der
„Islamische Unterricht“ vorsieht.
Okutan lehrt nicht das einzig gottgefällige Leben. Sie macht die
Kinder mit den unterschiedlichen Weisen vertraut, an Gott zu
glauben. So lässt sie die Kinder in der heutigen Stunde erklären,
wie Muslime fasten oder beten oder pilgern – im Vergleich zu der
Art, wie Christen fasten oder beten oder pilgern. „Die Christen
gehen zu Fuß in die Kirche“, referiert ein Junge, „es ist ihnen wichtig, weil auch der Prophet Jesus zu Fuß in die Kirche gegangen
ist.“ Ohne auf jedes Detail einzugehen, sagt Okutan: „Stellt euch
vor, wir Muslime können nach Mekka fliegen, die Christen gehen
zu Fuß auf ihre Pilgerreise. Das ist eine Leistung, Hut ab!“
Zum Ende des Unterrichts hören die Kinder den 13. Vers aus der
Sure 49. Okutan rezitiert sanft aber bestimmt: „Oh, ihr Menschen,
Wir haben euch ja von einem männlichen und einem weiblichen
Wesen erschaffen, und Wir haben euch zu Völkern und Stämmen
gemacht, damit ihr einander kennenlernt.“ Gott, erklärt sie, spreche
von sich auch gerne in der Mehrzahl, und formuliert den Gedanken
der Sure mit eigenen Worten: „Gott hat uns also verschieden
gemacht, damit wir uns kennenlernen können.“ Außerdem habe er
gesagt: „Hierauf wird eure Rückkehr zu Mir sein, und dann werde
Ich zwischen euch richten über das, worüber ihr uneinig zu sein
pflegtet.“, Sure 3 Vers 55. Dieser Gott hat offensichtlich Humor.
Frei übersetzt heiße das ja: „Wenn ihr Streit untereinander habt,
dann wartet, bis ihr bei mir seid, ich werde den Streit schlichten.“
Das leuchtet dem Jungen aus der Pilgergruppe schon ein. Das
also sei gemeint mit „al qantara“, der Gewölbebrücke, über die
man irgendwann geht und auf der man sich dann versöhnt. Auch
Okutan hat Humor: Sie sagt lächelnd: „Ich hoffe, dass du es
schaffst, dich zu versöhnen, bevor du über die Brücke gehst.“
Warum „Elternschule“ nicht funktioniert hat
Allzu oft sieht sich die 45-Jährige der hartleibigen Seite der islamischen Welt gegenüber. Einmal musste sie aufgebrachte Eltern
davon überzeugen, dass es keine Schande sei, mit einer 3. Klasse
eine Synagoge zu besuchen, um den Unterrichtsinhalt „Judentum“
zu veranschaulichen. Mühsam konnte sie den Leuten begreiflich
machen, dass es nicht verkehrt ist, zu vergleichen. Auch, um sich
selbst kennenzulernen. Unbeliebt macht sie sich bei manchen
Eltern, indem sie Symbole verwendet, den Halbmond zum Beispiel für den Islam. Das ist gegen die religiösen Grundregeln. Da
wiederum spricht die Pädagogin aus der gottesfürchtigen Frau:
„Für die Kinder sind Symbole didaktisch wertvoll, sie helfen ihnen,
sich die Dinge vorstellen zu können.“ Ihr Credo lautet: „Der Weg
zu Gott, ist wie der Weg zu einer Insel. Es sollte jedem selbst
überlassen bleiben, wie er da hinkommt.“
Yasemin, 12, Türkei
Dass hier verschiedene
Religionen unterrichtet werden,
finde ich gut. Da lerne ich auch
was von den anderen.
Bayerische Schule 2 2014
19
Thema_Wohnortnahe Schule
Thommy, 14, Vietnam
An meiner Schule finde
ich toll, dass es jedes Jahr
Fußballturniere gibt.
Das ist WERTvoll MITeinander
Das Projekt „WERTvoll MITeinander – Interkulturelle Bildung
für ein gelingendes Zusammenleben“ wurde 2010 im Rahmen
des „Wertebündnis Bayern“ vom BLLV und VIA Bayern –
Verband für Interkulturelle Arbeit e. V. initiiert. Es wird finanziell
gefördert von der bayerischen Staatskanzlei, dem Sparkassenverband Bayern und Sternstunden e. V. Das Projekt unterstützt Schulen dabei, eine langfristige, stabile Verankerung
von interkultureller Bildung und Wertebildung sowie der Förderung von interkultureller Kompetenz zu gewährleisten. In der
ersten Projektphase von September 2011 bis März 2013 wurden die Grundschule in Ay/Senden, das SFZ in Pfaffenhofen,
die Mittelschule an der Simmernstraße (München) und die
Geschwister-Scholl-Realschule (Nürnberg) begleitet. Projektschulen der 2. Phase bis Dezember 2014 sind die Grund- und
Mittelschule Centerville-Augsburg das Elly-Heuss-Gymnasium (Weiden), die Staatliche Berufsschule II (Passau) und die
Brentano-Grundschule (Aschaffenburg).
Seit November 2013 werden Lehrkräfte zu „Beratern und
Beraterinnen für interkulturelle Schulentwicklungsprozesse“ in
Kooperation mit der ALP Dillingen ausgebildet. Die Ergebnisse
und Erfahrungen aus den Coachings an den Schulen fließen
in die Ausbildung ein und so soll landesweit ein Netzwerk an
gut qualifizierten Ansprechpartnern/-partnerinnen entstehen.
Mehr unter: www.via-bayern.de/wertvoll-miteinander/ und
www.bllv.de/bs/2014/02 BS
20
Dass die Zusammenarbeit mit den Eltern lange Zeit nicht so richtig funktioniert hat, lag auch am Begriff, mit dem die Eltern dafür
erwärmt werden sollten: „Elternschule“. Seit es „Elternseminar“
heißt, ist der Raum gut gefüllt. Dort tauschen sie sich dann zum
Beispiel über das Subtraktionsverfahren aus, denn jede Kultur hat
ihre eigene Art zu rechnen, wie es der Coach an den Fingern seiner Hand demonstriert hat. Der Unterschied des WERTvoll
MITeinander-Projekts zur alltäglichen Art mit Vielfalt umzugehen:
Sie wird gesucht, gepflegt – und reflektiert. In Augsburg besucht
man den jüdischen Friedhof und macht sich Gedanken darüber,
auf welche Weisen man mit Tod umgehen kann. Man geht in eine
Moschee und bespricht unterschiedliche Arten zu glauben und zu
bauen. Man besucht den botanischen Garten und bewundert die
Eigenheiten von Pflanzen aus aller Welt. Man lässt Eltern Essen
für’s Schulfest organisieren und die Schüler verkaufen. So lernte
einmal Klassleiter Ross „Sigar Börek“ kennen, das frittierte türkische Teigröllchen mit Käsefüllung, der kleine Verkäufer war stolz,
mit etwas ganz eigenem zur Klassenkasse beigetragen zu haben.
Und mit ihm die Eltern.
Eine heile Welt ist das noch lange nicht. Klassleiter Ross macht
kein Hehl daraus, dass „nicht die Wissensvermittlung“ der
schwierigste Punkt ist, sondern „Konfliktbewältigung“. Das bestätigt auch Uwe Rachuth. Er studiert heute mit einer 9. Klasse ein
Balkanpopstück ein. Er war offizieller Volksmusikpfleger des Regierungsbezirks Schwaben, spielt aber auch Jazz. Schon seit vielen Jahren baut er mit Projekten musikalisch Brücken zwischen
Bayerische Schule 2 2014
Thema_Integration
den Menschen unterschiedlicher Nationen. Doch selbst der
gestandene Multikulti-Profi staunt: „Die Kinder wissen genau, wie
sie einander wehtun können. Über die Herkunft nämlich.“ Und
zwar so, dass es der Lehrer nicht einmal merkt.
Wenn das Balkanfeuer lodert
Da hänselt ein Junge einen anderen, indem er ihn „Kartoffel“
nennt. Rachuth versteht nicht, warum das den Jungen so aufbringt. Im Stuhlkreis erfährt er, dass der Kasache durch das Wort
„Kartoffel“ zum Russen erklärt wird, einem Vertreter der unbeliebten Nachbarn also, die in der Grenzgegend vor allem Kartoffeln
anbauen. Ein Grieche wiederum weigert sich, beim „BavaturkaProjekt“ mitzumachen, die Türken seien seine Feinde. 140 Schulen aus ganz Bayern beteiligen sich an diesem völkerverbindenden Projekt von Franz Himpsl („Unterbiberger Hofmusik“) und
Rachuth macht ihm klar, dass er sich irrt. Beim Abschlussfest
schmettert der Junge auch die türkischen Lieder inbrünstig mit.
In der Stunde vor Mittag verteilt Rachuth an seine Neuntklässler –
Kosovaren, Serben, Türken, Deutsche und Jugendliche aus ande-
ren Ländern – Trommeln und Percussion-Instrumente, Xylophone,
setzt eine Schülerin ans Piano, einen anderen an die Keyboards,
hängt sich selbst das Saxophon um und tänzelt im Kreis zum anschwellenden Balkanpop. Sie üben Shantels „Mahalageasca“, ein
Brass-Lied des Bucovina-Orchestra: Noch geht alles zu schleppend und die a-moll- und d-moll-Sequenzen klingen ein bisschen
nach Trauermarsch. „Doppelt so schnell!“, ruft Rachuth in die
Runde, stampft den Puls und klatscht den Offbeat und als alles
stampft und klatscht, bläst er balkaneske Läufe auf dem Sax. Der
Rhythmus hüpft und drängt, das Balkanfeuer lodert.
Musikunterricht, das heißt in Centerville-Süd: Musik machen statt
Musik hören oder Vorträge über Musik hören. Das gemeinsame
Erlebnis macht die musischen Fächer so wichtig für die interkulturelle Bildung. Als „Mittelschule mit Schwerpunkt Musik“ bekommen sie in Augsburg sechs Stunden über das reguläre Maß hinaus. Was das bringt, konnte der Kultusminister höchstselbst bei
einem Empfang in der Salvatorstraße wahrnehmen. Dort spielten
Rachuths Schüler aus den vierten bis siebten Jahrgangsstufen
einen Crossover aus bayerischen und türkischen Stücken. Komplizierte Sachen im 7/8-Takt waren dabei. Und die türkischen Lieder
sangen sie alle auf Türkisch. Auch „Auf dem Weg nach Üsküdar“.
Bunte Vielfalt: In Augsburg Centerville-Süd kommen die Kinder und Jugendlichen aus 30 Nationen
Bayerische Schule 2 2014
21
Thema_Integration
„Manche Familien sitzen
abends im Dunklen“
Rektor Schödel über die Arbeit an einer
Hofer Grundschule im Bahnhofsviertel
BS: Herr Schödel, was bedeutet die Lage im Bahnhofviertel von
Hof für die Zusammensetzung Ihrer Schülerschaft?
Henrik Schödel: In diesem Viertel findet man 120-QuadratmeterWohnungen für eine Monatsmiete von 400 Euro. Das ist sehr
attraktiv für Großfamilien aus Rumänien oder anderen südosteuropäischen EU-Ländern. Von unseren 242 Kindern kommen 70
Prozent aus Migrantenfamilien. 30 Prozent haben sonderpädagogischen Förderbedarf, die Hälfte stammt aus Familien, die auf
Hartz IV angewiesen sind.
Eine etwas unausgewogene Mischung.
Wir haben tatsächlich eine Ganztagsklasse mit nur zwei deutschen Kindern. Aber wir bekommen auch viel Förderung. Wir haben Ganztagsklassen und das Profil Inklusion und bieten Projekte
wie Deutsch als Zweitsprache, Akzent Elternarbeit, Gruppen für
Kinder mit sozio-emotionalen Schwierigkeiten. Wir können 22
externe Kräfte wie Erzieherinnen oder pädagogische Hilfskräfte
einsetzen. Und wir können Klassen auch mal teilen und Gruppen
mit acht bis zehn Schülern unterrichten. Da kann man gut individuell fördern.
Und die Eltern ziehen mit?
Nicht immer. Um sie besser einzubeziehen, bieten wir ein morgendliches Elterncafe, da escheinen regelmäßig rund 20 Menschen. Auch Computerkurse und Deutschkurse werden besucht.
Und wir veranstalten ein interkulturelles Osterfrühstück. Das ist
ganz wichtig gerade für die Eltern, die selbst nie eine Schule
besucht haben. Die können ihre große Stärke einbringen: Essen
und Getränke zubereiten. Vor allem Asylsuchende und Sinti und
Roma haben oftmals keinerlei Bildung.
Gerade deren Kinder werden Übergangsklassen brauchen.
Seit November haben wir eine, aber die Zahl der Kinder schwankt
enorm: Am Anfang waren es 17, jetzt sind es nur noch 11. Eine
rumänische Familie zum Beispiel ist im April gekommen und Anfang Juli gegangen, nach den Sommerferien standen sie wieder
vor der Tür, zu den Herbstferien waren sie wieder weg, kurz vor
Weihnachten sind sie wieder aufgetaucht. Manche haben immer
22
im Wohnwagen gelebt. Kinder aus solchen Familien werden hinund hergerissen. Und diese Familien werden mehr.
Ist das nicht auch für Ihr Kollegium frustrierend?
Das Hin und Her ist frustrierend, klar. Andererseits trägt der
Schulentwicklungsprozess Früchte. Mittlerweile wollen mehr
Kolleginnen und Kollegen zu uns kommen als von uns weg gehen.
Man fühlt sich verantwortlich für die Kinder. Und die sind sehr
dankbar. Sie dürfen ins Schwimmbad, ins Theater, sie bekommen
ein warmes Mittagessen.
Gratis, oder?
Ein Mittagessen kostet drei Euro, davon übernimmt der Staat aber
nur noch zwei Euro. Selbst den einen Euro können sich viele Eltern nicht leisten. Aufs Jahr gesehen, muss eine Familie pro Kind
rund 450 Euro selbst zuschießen. Dabei können manche nicht
mal ihren Strom zahlen, die sitzen abends im Dunklen.
Wer zahlt dann fürs Schulessen?
Ich treibe Spenden von Privatleuten oder Stiftungen ein, aber das
wird immer schwieriger. Bis zum Schuljahresende bleiben wir
wohl auf ein paar tausend Euro sitzen.
Und die deutschen Eltern fliehen aus dem Sprengel.
Das war früher so. Heute schicken sogar Akademikereltern ihre
Kinder her. Auch wegen der Fördermöglichkeiten. Manche Kinder
überspringen Klassen. Und von denen, die aufs Gymnasium
wechseln, hören wir oft, welch hohe soziale Kompetenz sie haben.
Was wünschen Sie sich für Ihre Schule?
Mehr Kontinuität. Dass nicht alles an der Schülerzahl festgemacht
wird. Wenn ich nur drei Schüler mehr habe als zurzeit, bekomme
ich zwei Leitungsstunden mehr. Wenn ich Pech habe, wird gerade zum 1. Juli die Übergangsklasse mit weniger als 13 Kindern
nicht voll – und im September stehen dann auf einen Schlag 20
vor der Tür. Damit darf ich dann erstmal allein fertig werden.
Interview: Chris Bleher
Bayerische Schule 2 2014
Thema_Leitartikel
Wir Integrationshelfer
Von Waltraud Lučić*
I
m Jahr 2012 hatte jeder fünfte Einwohner Deutschlands einen Migrationshintergrund, der Anteil der
Ausländer lag bei 8,2 Prozent – so hoch wie nie zuvor.
Integration bedeutet, all diesen Menschen Chancengerechtigkeit zukommen zu lassen. Dafür braucht es die
Bereitschaft der Menschen aufeinander zuzugehen und
das eigene Verhalten zu reflektieren.
Mit der Chancengerechtigkeit steht es aber nicht
zum Besten: Unverhältnismäßig wenige Kinder mit Migrationshintergrund wechseln aufs Gymnasium, unverhältnismäßig viele bleiben ohne Abschluss. Kostenlose
Deutschlernkurse wären da das Mindeste. Lehrkräfte
sind von der Situation aber über die Maßen gefordert:
13 Nationen in einer Klasse – das ist keine Seltenheit.
Wenn die Probleme der Kinder mehr Zeit beanspruchen
als das Erarbeiten des Stoffs, übersteigt dies den herkömmlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag.
Wir Lehrkräfte leisten Integrationsarbeit, ohne dafür
ausgebildet worden zu sein. Es darf nicht vom Geschick
Einzelner abhängen, wie die Aufgabe erfüllt wird. Der
BLLV fordert daher eine veränderte Lehrerbildung mit
Verzahnung von Theorie und Praxis und einer Schwerpunktsetzung im Erwerb von Methoden-, Beziehungs-,
Reflexions- und interkultureller Kompetenz. Deutsch als
Zweitsprache sollte verpflichtend in die allgemeine Ausbildung aufgenommen werden.
Die Klassen werden schon bei 25 Kindern geteilt,
wenn mehr als die Hälfte der Klassengemeinschaft aus
Migrantenfamilien stammen – ein Fortschritt. Ausweitung des Deutschvorkurses und der Förderstunden –
auch das ein Fortschritt. Und doch ist weit mehr fachliche und finanzielle Unterstützung nötig. Der BLLV fordert ein großzügiges Budget für jede Einzelschule, mehr
Lehrkräfte für Teamteaching, Kooperationsstunden und
Verfügungsstunden, und mehr schulpsychologische, sozialpädagogische und sonderpädagogische Betreuung.
Ungleiche Bildungschancen können auch durch ein
bedarfsgerechtes Angebot an ganztägiger Betreuung
oder an Ganztagsschulen ausgeglichen werden. Auch
dazu bedarf es ausreichender Ressourcen. Eine Schule
sollte ihr Angebot nicht von Sponsoren abhängig machen müssen. Und gerade mal vier Schulen kommen in
den Genuss des interkulturellen Coachings durch das
vom BLLV mitinitiierte Projekt WERTvoll MITeinander.
Zu den knapp acht Millionen Menschen mit ausschließlich nicht-deutscher Staatsangehörigkeit gehören
viele Kinder ohne Deutschkenntnisse. In den Übergangsklassen treffen sie als Analphabeten mit gymnasial
beschulten, kriegsgeschädigten, traumatisierten oder
elternlosen Kindern aufeinander. Wöchentlich kann sich
die Klassenstärke verändern. In kleinen Städten werden
sie den Regelklassen zugewiesen. Ohne Ausbildung
Bayerische Schule 2 2014
und zusätzliche Ressourcen können Lehrkräfte die
Ballung unterschiedlichster Biographien nicht bewältigen. Der BLLV hat eine entsprechende Petition eingereicht.
Um die Integration der Flüchtlingskinder zu gewährleisten, müssen über Schulungen des Lehrpersonals
hinaus folgende Punkte erfüllt werden: Bevor die Kinder
in Übergangsklassen aufgenommen werden, müssen
sie ein Screening mit schulärztlicher Untersuchung
durchlaufen; nicht-alphabetisierte Kinder müssen ABCKlassen besuchen; in Übergangs- und Regelklassen
braucht es eine zweite Lehrkraft; ein pädagogisch sinnvoller Übergang in die Regelklasse vor Ort muss möglich sein. Und die Klassen müssen mit bestem interkulturellen Material und Medien ausgestattet sein.
Jeder Mensch braucht das Gefühl, beheimatet zu
sein, um sich wohlfühlen und Verantwortung übernehmen zu können. Lehrerinnen und Lehrer können dabei
helfen. Sie dürfen mit ihrer Bereitschaft dazu nicht allein
gelassen werden.
* Vizepräsidentin des BLLV
Cheyenne, 10, Türkei
Es gibt nichts, was
ich an unserer
Schule nicht
mag.
Service_Recht
Keanu, 14, USA
Mir gefällt, dass man hier
musikalisch gefördert wird,
zum Beispiel in der
Schulband und im Chor.
Von Vorkurs bis Zeugnis
Viele Migrantenkinder sprechen kaum oder gar nicht
Deutsch. Dass sie menschlich korrekt behandelt werden
müssen, versteht sich von
selbst. Wie sie schulrechtlich
zu behandeln sind, ist nicht
immer klar. Ein Leitfaden.
Von Markus Rinner
Leiter der Rechtsabteilung im Bezirk Oberbayern
24
Schulpflicht
Kinder nicht-deutscher Herkunft mit Wohnsitz in Deutschland
unterliegen der hiesigen Schulpflicht. Eine Ausnahme gilt für
Kinder von Bürgerkriegsflüchtlingen. Ebenso ausgenommen sind
Kinder von Asylbewerbern, solange sie in einer Aufnahmeeinrichtung untergebracht sind, wenn der Asylantrag abgelehnt wurde
oder eine bestandskräftige Verpflichtung zur Ausreise besteht.
Wird aber die Aufnahmeeinrichtung verlassen und eine Gemeinde zur Wohnsitznahme zugewiesen, dann lebt die Schulpflicht
innerhalb des Sprengels der Gemeinde auf.
Äußere Formen
Schüler mit nicht-deutscher Muttersprache haben Anspruch auf
verschiedene Fördermaßnahmen. Hierunter fallen die sogenannten Vorkurse, die Deutschförderklasse, die Deutschförderkurse
und die Übergangsklassen. Die Vorkurse sind dafür gedacht, den
Schülern mit nicht-deutscher Muttersprache in Zusammenarbeit
zwischen Kindergarten und Schule einen guten Start in die
Grundschule zu ermöglichen, die anderen Maßnahmen betreffen
die Schüler der Grund- und Mittelschule.
Bayerische Schule 2 2014
Service_Recht
Um eine möglichst frühzeitige und intensive Förderung in der
deutschen Sprache zu erfahren, nehmen die betroffenen Schüler
auf der Grundlage der Entscheidung der staatlichen Schulamtes
gemäß § 29 GrSO, § 38 MSO an diesen Förderkursen teil.
In den Übergangsklassen mit einer Größe von 13 bis 20 Schülern der Grund- und Mittelschulen sollen diese auf den Unterricht
in der deutschsprachigen Klasse und auf einen möglichst frühzeitigen Übertritt in die Regelklasse vorbereitet werden. Als Zielgruppe kommen schulpflichtige Seiteneinsteiger ohne ausreichende
Deutschkenntnisse in Frage.
Sind die beiden erstgenannten Fördermöglichkeiten nicht
gegeben, bietet die Deutschförderklasse eine Alternative. Darin
werden bis zu zwölf Schüler mit keinen oder sehr geringen
Deutschkenntnissen getrennt von der Stammklasse in ausgewählten Fächern separat unterrichtet. Die hier aufgeführten Maßnahmen kommen allen Schülern mit nicht-deutscher Muttersprache
zugute, sie betreffen aber praktisch vor allem diejenigen in den
Übergangsklassen.
Übertritt
Der Übertritt an Gymnasium oder Realschule aus der Grundschule oder Mittelschule unterliegt anderen Voraussetzungen. So
können gemäß § 25 Abs. 5 GrSO und § 32 Abs. 3 MSO Schüler
mit nicht-deutscher Muttersprache, die nicht schon ab der
1. Jahrgangsstufe eine deutsche Grundschule besucht haben,
dann übertreten, wenn die Gesamtdurchschnittsnote aus den
Fächern Deutsch, Mathematik und Heimat- und Sachunterricht
beziehungsweise Englisch (Mittelschule) 3,33 beträgt und der
Schnitt auf Schwächen in der deutschen Sprache zurückzuführen
ist, die noch behebbar erscheinen.
Selbstverständlich müssen die Schüler dem deutschsprachigen Unterricht folgen können.
Nach § 33 Abs. 1 Satz 2 MSO gilt für sie bei der Aufnahme in
die M-Klassen 7 bis 9 der Mittelschule generell der Schnitt von
3,33. Die Aufnahmeprüfung in die M 10 ist hiervon ausgenommen.
Für die Aufnahmeprüfung in die M 9 und M 10 gilt für Schüler mit
nicht-deutscher Muttersprache, die im Fach Englisch unverschuldet nicht den erforderlichen Leistungsstand vorweisen können,
dass sie die Prüfung auch in der Muttersprache ablegen können.
Probearbeiten
Grundsätzlich nehmen die Schüler auch an den Leistungsfeststellungen teil, damit später etwa der erfolgreiche Hauptschulabschluss oder der qualifizierenden Hauptschulabschluss erworben
werden kann. Die nach den § 38 Abs. 1 GrSO und § 47 Abs. 1
MSO notwendige Kennzeichnung von Sprachunrichtigkeiten und
schwereren Ausdrucksmängeln kann aus pädagogischen Gründen unterbleiben.
Haben Schüler mit nicht-deutscher Muttersprache in der 9.
oder 10. Jahrgangsstufe im Fach Englisch unverschuldet nicht
den erforderlichen Leistungsstand, dann können sie auf Antrag
gemäß §§ 33 Abs. 3, 58 Abs. 2, 64 Abs. 2 MSO in der Abschlussprüfung in ihrer Muttersprache statt im Fach Englisch eine
Prüfung ablegen. Während des Jahres werden zwei Leistungsprüfungen in der Muttersprache durchgeführt.
Bayerische Schule 2 2014
Yasemin, 14, Türkei
Gut, dass die Schule für
Muslime Schweinefleisch
weggestrichen hat.
Zeugnis
Erhalten Schüler mit nicht-deutscher Muttersprache Unterricht in
Deutsch als Zweitsprache, dann tritt im Zeugnis dieses Fach an
die Stelle des Fachs Deutsch. Besuchen sie teilweise den Unterricht im Fach Deutsch und erhalten Fördermaßnahmen auf der
Grundlage des Faches Deutsch als Zweitsprache, dann erhalten
sie auf Antrag der Erziehungsberechtigten gemäß § 43 Abs. 3
GrSO und § 53 Abs. 6 MSO eine Note im Fach Deutsch. Erhalten sie keinen Unterricht im Fach Deutsch als Zweitsprache, sind
in den ersten beiden Jahren des Schulbesuchs in Deutschland
unzureichende Leistungen im Fach Deutsch bei der Entscheidung
über das Vorrücken gemäß § 40 Abs. 4 GrSO und § 49 Abs. 3
MSO nicht zu berücksichtigen.
Quabi
Die geforderten Englischkenntnisse für den Quabi können durch
entsprechende Kenntnisse in der Muttersprache nachgewiesen
werden. Dies erfolgt in der Regel dadurch, dass in der Prüfung
zum Qualifizierenden Abschluss der Mittelschule die Muttersprache anstelle des Faches Englisch als Prüfungsfach gewählt wird.
25
Witz mit Bart: „Können Sie nicht mal eben diese Stunde übernehmen?“ Ganz im Ernst: Die Antwort muss lauten: „Unmöglich!“
Passt schon
Fachlehrer werden massiv unter Druck gesetzt, fachfremd zu unterrichten.
Wie groß die Not ist, zeigen die vielen Reaktionen auf den Artikel „Das Ding
mit den Fachlehrern“ in der BS 1/2014. In einem Klima der Angst trauen sich
die Betroffenen nicht, offen darüber zu sprechen.
Binnen weniger Tage erreichten BLLV-Präsident Klaus Wenzel,
weitere Mandatsträger, den Autor des Beitrags, Hans-Peter Etter,
sowie die Redaktion der Bayerischen Schule eine Vielzahl von
Briefen, Mails und Anrufen. Sie alle bestätigten den Inhalt des
Artikels über den fachfremden Einsatz von Fachlehrern in der
Februarausgabe 2014 der BS. Er wird durch die Bank als erheblich belastend empfunden, in einer Zuschrift war sogar von gesundheitlichen Beeinträchtigungen die Rede, die die erzwungene
Tätigkeit nach sich ziehe.
Die Rückmeldungen zeugen von einem Klima der Angst: Niemand will seine Zuschrift namentlich gezeichnet veröffentlichen. Es
26
ist die Angst vor Repressalien. Dies wird deutlich, wenn eine
Betroffene schildert, wie man an ihrer Schule Fachlehrer für fachfremden Unterricht gewinnt: „Gut, wenn Sie nicht einverstanden
sind, dann hat das leider Konsequenzen für Sie.“ Man brauche da
noch dringend Fachlehrer am äußersten Rand des Regierungsbezirkes.
Selbst regional wird Druck ausgeübt, indem man den Einsatz an
ein oder zwei zusätzlichen Standorten und vermehrten Nachmittagsunterricht in Aussicht stellt, oder gar eine „der Situation angepasste Beurteilung“. Manche Fachlehrer/innen berichten, dass
auch die jeweilige Fachberatung auf solche Weise Druck ausübt.
Bayerische Schule 2 2014
Service_Recht_Fachlehrer
Opfer sind aber nicht nur die Fachlehrerinnen und Fachlehrer, sondern auch die Schulleiter, die ihren Kopf für Planungsfehler von
oben hinhalten müssen. Zum Teil zeugt allerdings auch die Art, wie
Schulleiter den Fachlehrern ihre Stundeneinteilung vermitteln, von
wenig Einsicht in die Fürsorgepflicht, also auch von wenig ausgeprägter Leitungsfähigkeit.
An dieser Misere wird sich solange nichts ändern, wie einem
Schulamtsbezirk und dann den Schulen ein bestimmtes Stundenkontingent zugewiesen wird und dabei die Fachlehrerstunden genauso berechnet werden, wie die der Grund- und Mittelschullehrer.
Mache Schulleiter gewinnen ja grundsätzlich Stunden, indem sie
die Gruppen für den Fachunterricht hoch ansetzen: Nur so können
sie Stunden für Arbeitsgemeinschaften, Förderunterricht und anderes zusätzlich anbieten.
Das Kultusministerium hat im vergangenen Jahr Position für
den – ordnungsgemäßen – Einsatz von Fachlehrern bezogen.
Dabei hat es die Fächer, für die eine akademische Lehrerbildung
Voraussetzung ist, abgegrenzt von den Fächern der Fachlehrer. In
einem entsprechenden Schreiben wird betont, dass die akademisch ausgebildeten Lehrkräfte nach dem Neuen Dienstrecht der
4. Qualifikationsebene angehören, Fachlehrkräfte dagegen aufgrund ihrer Eingangsvoraussetzung und Ausbildung nur der 3.
Sollten Fachlehrer in Fächern der höheren Ebene eingesetzt wer-
den, könnte man möglicherweise auch die Besoldung und Arbeitszeit dieser Ebene rechtlich einfordern. Von daher dürfen
Fachlehrer nach dem Wortlaut des Kultusministeriums „nur in
einer ihrer Laufbahn und ihrem Ausbildungsstand entsprechenden Weise beschäftigt werden“.
Die Wirklichkeit spricht dieser Richtlinie Hohn: Die vielen Zuschriften bestätigen, dass Fachlehrer in allen Fächern eingesetzt
werden – in einem Fall passierte das sogar in Mathematik in der
M 10. So manche Fachlehrerin, mancher Fachlehrer berichtet, ausschließlich fachfremd eingesetzt zu werden. Bei Fachlehrern als
Mobile Reserve erscheint das als der Regelfall.
Offensichtlich gibt es zahlreiche Fachlehrkräfte, die sich in den
akademischen Fächern bestens bewähren und die durchaus bereit
sind, sie zu unterrichten. Wenn sie das tun, dann müssten sie es
dem Gesetz zufolge jedoch unter den Bedingungen tun, die für
Grund-, Haupt- und Realschullehrer gelten. Art. 24 Abs. 2 des bayerischen Lehrerbildungsgesetzes nämlich fordert das Kultusministerium im Einvernehmen mit dem Finanzministerium auf, für Fachlehrer die Möglichkeit zum Erwerb von Qualifikationen zu schaffen
und damit den Zugang zu anderen Lehrämtern zu eröffnen. Wie
weitsichtig der Gesetzgeber war, zeigt die aktuelle Entwicklung: Es
gibt einen massiven Bedarf an Lehrerstunden und nicht an Fachlehrerstunden. BS
„Gesundheitlich nicht zu schaffen“
Würden wir die Zuschriften auf den Text „Das Ding mit den Fachlehrern“ in voller Länge
abdrucken, wäre das Heft mindestens zur Hälfte voll. Doch schon ein paar Auszüge machen
das Ausmaß der Misere klar. Lesen Sie hier – anonyme – Schlaglichter sowie eine nicht-anonyme Stellungnahme des BLLV-Fachgruppenleiters. Den Verfasser des Beitrags in BS
1/2014, Hans-Peter Etter, erreichen Sie unter [email protected]
„ ... fast schon perfide“
„Als ich vor 25 Jahren meinen Dienst angetreten habe, lag die
Schülerhöchststärke in der Grundschule bei 33 Schülern. Unsere WTG-Gruppen wurden halbiert, folglich hatten wir höchstens 17 Schüler/innen in einer Gruppe. Heute werden in manchen Grundschulen bis zu 27 Kinder in einer Gruppe unterrichtet. Fakt ist, dass die Stundenbudgetierung massiv auf dem
Rücken der Fachlehrerinnen E/G ausgetragen wird. Weitere
Aspekte hat Hans-Peter Etter in der jüngsten Ausgabe der BS
ausführlich dargelegt. Ich finde es fast schon perfide, dass eine
Fachlehrerin die Stunden, die durch Mammutgruppen freige-
Bayerische Schule 2 2014
worden sind, dann noch rechtswidrig und mit großem Zeitaufwand fachfremd unterrichten muss. Ich schätze, dass gut über
die Hälfte meiner Fachkolleginnen inzwischen nicht mehr in
Vollzeit arbeiten kann, weil dies so gesundheitlich bis 67 nicht
zu schaffen ist!“
„ ... nicht die geringste Ausbildung“
„Ich habe vor zehn Jahren unter völlig anderen Bedingungen
angefangen – aber der fachfremde Einsatz ist der Gipfel der vergangenen Jahre. Dieser Einsatz trägt nicht zu einem besseren
Stand unserer Berufsgruppe bei. Es ist und bleibt eine halbe
27
Service_Recht_Fachlehrer
Sache, wir wurden nicht für diese Fächer ausgebildet – auch
nicht für Kunst. Ohne die Hilfe eines pensionierten Kollegen
könnte ich dieses Fach nicht unterrichten, da ich nicht die
geringste Ausbildung in Kunst habe.“
te ich selbstverständlich Probearbeiten erstellen und korrigieren
und natürlich Noten geben, übrigens auch in 4. Klassen (Übertritt!). Die enorme Belastung, der ich ausgesetzt war, hat mich
krank gemacht.“
„Mit Entsetzen ...“
„Mit Entsetzen habe ich den Artikel ,Das Ding mit den Fachlehrern' gelesen. Mir ging es genau wie in dem Artikel beschrieben!“
„Schulleitung akzeptiert ... Ablehnung nicht“
„Mit großem Interesse habe ich Ihren Artikel in der BS gelesen.
In diesem Schuljahr muss ich gegen meinen Willen vier Stunden
AWT unterrichten. Vom Schulamt habe ich die Auskunft erhalten,
wenn mich der Schulleiter so einsetzt, muss ich das unterrichten.
Die Schulleitung akzeptiert einfach meine Ablehnung nicht.
„ ... wäre überall so üblich“
„Die Kolleginnen E/G in unserem Schulamtsbezirk halten alle
mehr als zwei Stunden fachfremden Unterricht. Mir wurde unter
der Hand durch unsere Fachberaterin gesagt, das gehe hier
nicht anders, das wäre überall so üblich. Wenn ich dem widerspreche, könnte ich im Landkreis nicht mehr eingesetzt werden
und müsste damit rechnen, in einen Randbereich des Regierungsbezirkes versetzt zu werden.“
„ ... Mobil Reserve ... und ... fachfremd“
„Als Fachlehrerin E/G betrifft es mich am eigenen Leib, was in
dem Artikel ,das Ding mit den Fachlehren' geschrieben stand.
Auch ich war als Mobile Reserve eingesetzt und in fast allen
Fällen fachfremd.“
„ ... Sicherheit nicht mehr gewährleistet“
„Zuerst ein dickes Dankeschön für Ihren großartigen und in
Verhandlungen mit den Schulleitern sicher höchst hilfreichen
Artikel in der BS! Die Gruppenstärken WTG richten sich gemäß
dem altbekannten KMS eigentlich nach den Arbeitsplätzen.
Diese werden jedoch oftmals überschritten und ich kann die
arbeitenden Schülerinnen und Schüler in so großen Gruppen
nicht mehr überblicken und insofern die Sicherheit nicht mehr
gewährleisten.“
„... Sport ... keine Ahnung“
„Ich sollte als Fachlehrerin E/G mit 57 Jahren sogar das Fach
Sport unterrichten. Da ich keine Ahnung von diesem Fach hatte
und mir das Unfallrisiko zu groß erschien, weigerte ich mich, es
zu unterrichten.“
„Noten geben ... auch in 4. Klassen”
„Im ersten Jahr nach meinem Referendariat wurde ich als
Fachlehrerin als ,Mobile Lehrkraft' eingesetzt und musste dabei
permanent andere Fächer unterrichten wie PCB, GSE,
Mathematik, Deutsch, Technik, Englisch und AWT. Dabei muss-
28
„ ... Unsicherheiten und Ängste... “
„Ich bin t/m Fachlehrerin und war im letzten Schuljahr als ,Mobile
Reserve' eingesetzt. Mein Problem war, dass ich zwar ständig im
Einsatz war, aber nie für meine Fächer. Zusammengefasst: Es
war ein sehr anstrengendes Jahr mit vielen Unsicherheiten und
Ängsten. Vielen Dank für Ihren Artikel, der die Probleme sehr gut
anspricht!“
„Das Ding mit den Förderlehrern?“
„Sehr gerne lese ich die Artikel von Hans-Peter Etter – unter
anderem den jüngsten unter dem Titel ,Das Ding mit den
Fachlehrern'. Könnte ein zweiter Teil folgen: Das Ding mit den
Förderlehrern???“
„ ... 178 Überhangstunden“
„Nach Aussage unserer Fachberaterin haben wir im Landkreis
178 Überhangstunden von Fachlehrerinnen.“
„ ... vermehrt ... Crashkurse“
„Ein jahrzehntelang schwelendes Thema bewegt die Fachlehrer
wie kaum ein anderes – der fachfremde Unterrichtseinsatz. Wie
wichtig der Artikel zu dieser Problematik in der BS 1/2014 für die
Fachlehrer ist, zeigen die vielen Reaktionen und Bestätigungen
von Kolleginnen und Kollegen, die bei mir als Fachgruppenleiter
eingegangen sind. Auch als Personalratsvorsitzender werde ich
zunehmend mit Beschwerden und Anfragen von Fachlehrern zu
ihrem fachfremden Unterrichtseinsatz konfrontiert. Gelöst werden diese problematischen Einsätze meist mit dem errungenen
Einverständnis der betroffenen Fachlehrkräfte. Auf der Ebene der
Fachberatung wurden in den letzten Jahren vermehrt auch sogenannte Crashkurse im Bereich Technik für Fachlehrerinnen E/G
eingefordert, um den fehlenden Bedarf an m/t Fachlehrkräften zu
kompensieren. Heinz Freymann, Landesfachgruppenleiter FL m/t
Bayerische Schule 2 2014
Schwamm drüber? Der BBB warnt vor Stellenabbau im öffentlichen Dienst
Sparen bei Stellen und Paragraphen – wie soll das gehen?
Zwei grundlegende Vorgaben der Bayerischen Staatsregierung für
die kommende Zeit haben bei den Beschäftigten des öffentlichen
Dienstes zu erheblicher Verunsicherung geführt: Neue Stellen soll
es nur noch bei entsprechender anderweitiger Einsparung geben,
ebenso will man auf zusätzliche gesetzliche Vorschriften verzichten. Der BBB hat diesbezüglich bereits das Gespräch mit Ministerpräsident Horst Seehofer gesucht.
Bereits in der Regierungserklärung hat Seehofer eine strikte
Ausgabenpolitik für die kommende Legislaturperiode ausgerufen
und unter anderem einen Stellenstopp im öffentlichen Dienst angekündigt. Im Rahmen der Kabinettsklausur in St. Quirin im Dezember 2013 hat die Bayerische Staatsregierung dieses Vorhaben weiter konkretisiert. Trotz Rekordeinnahmen plant sie einen Abbau von
4.000 Stellen bis 2019 im öffentlichen Dienst. Der Staatsregierung
muss klar sein, dass vor jedem Stellenabbau zunächst eine eingehende Prüfung der Aufgaben steht. Wie soll die Funktionsfähigkeit
der Verwaltung sichergestellt werden? Welche Leistungen des
öffentlichen Dienstes fallen künftig weg, um dann teurer bei privatisierten Anbietern eingekauft zu werden? Wie soll die sogenannte demografische Rendite im Schulbereich aussehen? Antworten
darauf hat die Regierung noch nicht gegeben.
Will sie die Erfolge der vergangenen Jahre nicht gefährden,
muss die Regierung sich diesen Schritt daher gut überlegen.
Gerade vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und
der Tatsache, dass sich Nachwuchs immer schwieriger finden
lässt, sind das die falschen Signale. Im Wettbewerb mit der freien
Wirtschaft muss sich der öffentliche Dienst als attraktiver Arbeitge-
Bayerische Schule 2 2014
ber positionieren. Mit den im Jahr 2013 ausgegangenen Maßnahmen wie Besoldungserhöhung, Arbeitszeitreduzierung, Schaffung
neuer Stellen beziehungsweise Wiederaufleben der Leistungselemente ist man auf dem richtigen Weg. Dieser Weg muss konsequent weiterverfolgt werden.
Zu weiterer Verunsicherung hat die unter dem Stichwort „Paragraphenbremse“ getätigte Aussage des Ministerpräsidenten in
seiner Regierungserklärung geführt: „Neue Gesetze und Verwaltungsvorschriften soll es grundsätzlich in dieser Legislaturperiode
nicht geben ...“. Wie dies in der Praxis umgesetzt werden soll, ist
unklar. Die Anpassung von Gesetzen und Verwaltungsvorschriften
ist für einen zukunftsfähigen Staat unverzichtbar. Gerade das Neue
Dienstrecht in Bayern bedarf einer kontinuierlichen Weiterentwicklung, wenn es in der Bundesrepublik weiterhin Vorreiter sein soll.
Ein weiteres bedeutendes Projekt, das von diesem Vorhaben
betroffen wäre, ist das auf Veranlassung des Ministerpräsidenten
hin zwischen dem Bayerischen Staatsministerium der Finanzen, für
Landesentwicklung und Heimat und dem Bayerischen Beamtenbund entwickelte Papier zur Flexibilisierung der Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst (s. S. 30 Artikel „Ergebnisse der Arbeitsgruppe zum öffentlichen Dienst in Bayern“).
Es greift die derzeit besonders aktuelle Thematik der Vereinbarkeit von Familie und Beruf detailliert auf und enthält zukunftsweisende Vorschläge. Diese Neuerungen lassen sich aber nicht
ohne Änderungen der rechtlichen Parameter erreichen. Der Bayerische Beamtenbund wird sich daher dafür einsetzen, dass die gefundenen Ergebnisse auch in die Tat umgesetzt werden. BBB/ds
29
Service_Dienstrecht
Bessere Arbeitsbedingungen
und mehr Flexibilität
Ergebnisse der Arbeitsgruppe
zum öffentlichen Dienst in Bayern
liegen vor
A
uf Initiative des Bayerischen Ministerpräsidenten und des
Bayerischen Staatsministers der Finanzen wurde im Jahre
2012 eine Arbeitsgruppe zum öffentlichen Dienst in Bayern ins
Leben gerufen. Sie bestand aus Vertretern des Bayerischen
Staatsministeriums der Finanzen und des Bayerischen Beamtenbundes (BBB), dem Dachverband des BLLV. Die Ergebnisse der
Arbeitsgruppe zur Flexibilisierung der Arbeitsbedingungen stehen. In intensiven Arbeiten haben Finanzministerium und BBB
zahlreiche Ansätze entwickelt. Mit dem Ziel der bestmöglichen
Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben in jeder Lebensphase
schaffen sie neue zusätzliche Möglichkeiten, die dazu beitragen
werden, dass Bayern mit seinem modernen öffentlichen Dienst
seiner Spitzenstellung im Bundesvergleich ebenso wie seiner
Vorbildfunktion für die freie Wirtschaft gerecht wird.
Ziel der Arbeitsgruppe war es, die Attraktivität des öffentlichen
Dienstes in Bayern weiter zu steigern. Der öffentliche Dienst in
Bayern ist geprägt von einem effektiven Miteinander von Tarif- und
Beamtenbereich. Es verbietet sich daher, den Arbeitnehmer- und
den Beamtenstatus gegeneinander auszuspielen. Die Entscheidung, welche Aufgaben durch Beamtinnen und Beamte zu erfüllen sind, hat verfassungsrechtliche Vorgaben zu beachten. So
schreibt in Bayern die Bayerische Verfassung in Art. 133 Abs. 2
ausdrücklich die grundsätzliche Verbeamtung von Lehrerinnen und
Lehrern vor. Eng damit zusammen hängt das Streikverbot für
Beamtinnen und Beamte. Wenn angestellte Lehrerinnen und Lehrer streiken, sind Leidtragende vor allem Schüler und Schülerinnen
und ihre Eltern. Streikfreie Schulen sind – auch familienpolitisch –
elementar wichtig. Berufstätige, denen keine anderen Betreuungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, sind auf die lückenlose Schulversorgung angewiesen.
30
Daneben ergaben sich bei einem Kostenvergleich, der sich auf
Lehrerinnen und Lehrer als einer der Hauptgruppe der Beamtinnen und Beamten bezog, finanzielle Vorteile für den Staat. Dabei
wurde eine typische Lehrerin an einer Volksschule und ein Rektor
an einer Volksschule jeweils im Beamten- und im Arbeitnehmerverhältnis verglichen. Auch unter Einbeziehung der Versorgungsausgaben sind die Aufwendungen des Staates in beiden Fällen im
Angestelltenverhältnis höher als im Beamtenverhältnis (Lehrerin:
+ 6,7 Prozent, Rektor: + 5,5 Prozent).
Besonderes Augenmerk legte die Arbeitsgruppe auf die Flexibilisierung des Dienstrechts insbesondere hinsichtlich Arbeitszeit
und Arbeitsbedingungen.
Daher wird das Finanzministerium unter anderem zu folgenden
Punkten entsprechende Gesetzesinitiativen starten:
Bayerische Schule 2 2014
Service_Dienstrecht
ist, wenn besonders schwerwiegende Gründe vorliegen. Aus
diesem Grunde soll die generelle Kombinierbarkeit von
Altersteilzeit im Blockmodell und Antragsruhestand eingeführt
werden.
• Weitere Flexibilisierung des Freistellungsjahres (umgangssprachlich auch Sabbatmodell genannt): Während bisher beim
Freistellungsjahr der gesamte Bewilligungszeitraum höchstens
7 Jahre betragen darf, soll der Gesamtbewilligungszeitraum auf
10 Jahre erhöht und die Kann- zu einer Soll-Regelung umgestaltet werden. Somit wäre es zum Beispiel bei einer Teilzeitquote
von 50 Prozent und Ausschöpfung des Höchstbewilligungszeitraums unmittelbar vor der Altersgrenze möglich, schon fünf
Jahre früher aus dem Dienst auszuscheiden.
• Generelle Kombinierbarkeit von Altersteilzeit im Blockmodell
und Antragsruhestand:
Der Wunsch eines Teils der Beamtinnen und Beamten, durch
eine Kombination von Altersteilzeit im Blockmodell und
Antragsruhestand früher aus dem Dienst auszuscheiden, scheitert bisher daran, dass dies derzeit nur im Ausnahmefall möglich
Bayerische Schule 2 2014
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gewinnt wegen der sich
ändernden gesellschaftlichen Strukturen und Rollen im Hinblick
auf die Betreuung und Erziehung von Kindern immer größere Bedeutung. Daher sollen unter anderem aus Sicht der Arbeitsgruppe
auch Großeltern eine familienpolitische Teilzeit oder Beurlaubung
in Anspruch nehmen können. Das Finanzministerium wird prüfen,
ob eine klarstellende Gesetzesänderung sinnvoll ist.
Der Erleichterung des Wiedereinstiegs nach längerer familienbedingter Abwesenheit wird ein besonderes Augenmerk gewidmet.
Die Rückkehr soll durch den Dienstherrn so einfach wie möglich
gemacht werden. An erster Stelle stehen insoweit entsprechende
Fortbildungsangebote, die den Wiedereinstieg erleichtern sollen.
Auch im Sinne einer „Vorab-Hospitation“ können beurlaubte Beschäftigte die Möglichkeit erhalten, vor der Wiederaufnahme des
aktiven Dienstes tageweise „am Dienstbetrieb“ teilzunehmen.
Nun ist es Sache von Finanzministerium und Landtag möglichst
bald die zugesagten Gesetzesinitiativen zu starten und in die Tat
umzusetzen. Wir werden weiter berichten. ds
31
Service_Dienstrecht
Gesundheitliche Eignung von Beamtenbewerbern
In zwei Parallelentscheidungen vom 25. Juli 2013 befasste sich das
Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) mit der Frage der gesundheitlichen Eignung von Beamtenbewerbern. Das Gericht stellte
dabei in seinen Leitsätzen unter anderem fest, dass dem Dienstherrn bei der Feststellung der gesundheitlichen Eignung von Beamtenbewerbern kein Beurteilungsspielraum zusteht. Die gesundheitliche Eignung sei dann zu verneinen, wenn „tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass mit ,überwiegender
Wahrscheinlichkeit’ vom Eintritt einer Dienstunfähigkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze auszugehen ist“.
Damit wurde der bisher für die gesundheitliche Eignung nicht
schwerbehinderter Beamtenbewerber zugrunde gelegte generelle
Prognosemaßstab zugunsten der Bewerber abgesenkt. Nach der
bisherigen Rechtsprechung musste der Eintritt der Dienstunfähigkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze „mit hoher“ beziehungsweise „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ ausgeschlossen sein. Nunmehr bedarf es für eine negative Prognose
aktuell leistungsfähiger Bewerber tatsächlicher Anknüpfungspunkte, die eine vorzeitige Pensionierung aus gesundheitlichen Gründen
als überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. BBB/ds
Steuereinnahmen verschaffen
Handlungsspielraum
Im März wurde das Nachtragshaushaltsgesetz 2014
in den Landtag eingebracht. Ministerpräsident
Horst Seehofer will damit
eine strikte Ausgabendisziplin wahren. Dies ist ein
anerkennenswertes Vorhaben. Auf der anderen Seite
bestehen berechtigte Forderungen der Beschäftigten des
öffentlichen Dienstes, die der BBB
und der BLLV im Rahmen von Landtagseingaben geltend machen werden.
Angesichts der glänzenden finanziellen Verfassung des
Freistaats sollte es möglich sein, diese Forderungen zu erfüllen,
ohne damit den Pfad der Haushaltsdisziplin und Sparsamkeit zu verlassen. Die Steuereinnahmen bewegen sich weiter auf Rekordniveau. Im vergangenen Jahr verbuchten die Finanzämter in Bayern
im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von 7,8 Prozent auf knapp 97,7
Milliarden Euro. Die Gemeinschaftssteuern von Bund und Ländern
legten um 8,5 Prozent auf 78,8 Milliarden Euro zu, die reinen
Bundessteuern um 4,4 Prozent auf 15,8 Milliarden Euro. Die reinen
32
Landessteuern stiegen um
7,6 Prozent auf etwa drei
Milliarden Euro. Nimmt
man die Einnahmen aus
der Spielbankenabgabe
und die Gewerbesteuerumlage dazu, verfehlten die
bayerischen Finanzämter
2013 die 100-MilliardenSchwelle nur um 800 Millionen
Euro. Wichtigster Steuermonat
ist der Dezember, der 2013 üppige
Zuwächse brachte. Auch wenn der
Großteil der Steuern zum Bund und in
den Länderfinanzausgleich fließt, verbleibt
Bayern ein erheblicher zusätzlicher finanzieller Handlungsspielraum.
Auch die weiteren Zukunftsaussichten sind sehr positiv: Das Mitte
November 2013 erschienene Gutachten des Sachverständigenrates zur wirtschaftlichen Entwicklung geht von einem positiven
Verlauf des Jahres 2014 aus. Die erwartete Zuwachsrate des
Bruttoinlandsprodukts beträgt demnach 1,6 Prozent in 2014 nach
0,4 Prozent im Vorjahr. BBB/ds
Bayerische Schule 2 2014
Ungesetzlicher Vorteil für ältere Beamtinnen und Beamte? Bis 2010 wurde auch in Bayern nach Lebensalter eingestuft
Besoldung nach Dienstalter diskriminierend?
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) klärt derzeit, ob Besoldungsregelungen europarechtswidrig sind, wenn sie an das
Lebensalter des Beamten statt an dessen Dienstzeit anknüpfen.
Der Generalanwalt beim EuGH sieht in dieser Praxis eine Diskriminierung von Menschen wegen ihres Alters. Anlass der Prüfung
ist eine Vorlagefrage des Verwaltungsgerichts Berlin zur Beamtenbesoldung. Unmittelbar betroffen sind die Beamten des Bundes
und des Landes Berlin. Mit einer Entscheidung des EuGH ist bis
Ende Juni 2014 zu rechnen. Die Rechtsprechung könnte sich auch
auf Bayern auswirken. Im Freistaat bemisst sich die Besoldung seit
Inkrafttreten des Neuen Dienstrechts zum 1. Januar 2011 zwar
nach „Erfahrungsstufen“, die unabhängig vom Lebensalter ausgestaltet sind. Grundsätzlich wird bei der Verbeamtung altersunabhängig in die 1. Stufe der jeweiligen Besoldungsgruppe eingestuft.
Eine Diskriminierung im Sinne der hier erörterten Rechtsprechung
kommt daher bei den ab diesem Zeitpunkt erfolgten Verbeamtungen nicht mehr in Betracht.
In Bayern lagen der Bemessung der Besoldung bis zum 31. Dezember 2010 jedoch die Dienstaltersstufen des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) zugrunde. Lebensältere kamen also
allein wegen ihres Alters bei ihrer Verbeamtung in eine höhere
Altersstufe. Darüber hinaus kamen auch in Bayern bei der Überleitung von zu diesem Stichtag vorhandenen Beamten in das Neue
Dienstrecht besitzstandswahrende Regelungen zur Anwendung.
Bayerische Schule 2 2014
Nach Ansicht des Generalanwalts beim EuGH verfestigen solche
Übergangsregeln den Nachteil für Früheinsteiger. Das bisher
erreichte Besoldungsniveau der Beamten sei einfach ins neue
System übertragen worden. Die Benachteiligung ist ihm zufolge
nicht beseitigt, sondern fortgeschrieben worden, da das diskriminierende Überleitungssystem somit zeitlich unbegrenzt fortbesteht.
Vereinfachtes Verfahren vereinbart
Bereits 2012 hatte sich der Bayerische Beamtenbund beim Finanzministerium dafür eingesetzt, dass betroffene Beamte in Bayern
die Möglichkeit erhalten, ihre Ansprüche rechtswahrend geltend zu
machen, ohne direkt in ein Klageverfahren eintreten zu müssen.
Das Ministerium erklärte sich bereit, zunächst bis zur weiteren
Klärung der Rechtslage in Bayern eingehende Anträge beziehungsweise Widersprüche nicht ablehnend zu verbescheiden,
sondern vorerst ruhen zu lassen und in diesen Fällen nicht die
Einrede der Verjährung zu erheben (es sei denn, dass der Anspruch bereits bei der Geltendmachung verjährt war).
Sollte sich der EuGH der Rechtsmeinung in Verhandlungen mit
dem Generalanwalt anschließen, wird sich der BBB unverzüglich
an das Finanzministerium wenden, um dafür zu sorgen, dass für
alle davon Betroffenen eine europarechtskonforme Besoldung gewährleistet ist. BBB/ds
33
T
Service_Akademie
AKADE M I E
p R O g R a mmv O R S C H a U
Was können Lehrer/innen tun,
AKADEMIE
MAI UND JUNI 2014
damit Kinder gut lernen?
Stress- und Zeitmanagement für
Studierende und Referendare
(In Kooperation mit dem BLLV Oberpfalz)
(In Kooperation mit dem ULLV)
Tragfähige Beziehungen als Grundlage
Grundlage für gutes und erfolgreiches Lernen ist die
Person des/r Lehrers/in – und die Beziehung zwischen
Lehrkraft und Schüler/in. Strategien und Tipps zum
Aufbau von tragfähigen Beziehungen.
09.05.2014, REGENSBURG
Mit Spaß und Energie erfolgreich arbeiten
und die Freizeit genießen
Leistung ist im Beruf ständig gefordert. Prüfungssituationen sind Höhepunkte, für die sich das Lernen und die
Anstrengung lohnen! Dennoch gilt es, auf sich selbst zu
achten, Stresssituationen zu erkennen und Ausgleich
ohne schlechtes Gewissen zu schaffen.
24.05.2014, WÜRZBURG
2014 23
2014 27
AKADEMIE
2014 24
Zeitmanagement für Berufseinsteiger
an Gymnasien und Realschulen
(In Kooperation mit den Fachgruppen Gymnasium u. Realschule)
2014 30
Dem chronischen Zeitmangel gekonnt entkommen
Grundlagen des Zeitmanagements und der effizienten
Arbeitsorganisation sowie praktische Tipps und Hinweise
zum Zeitsparen im Alltag von Lehrern/innen – insbesondere bei Unterrichtsvorbereitung und Korrektur.
10.05.2014, MÜNCHEN
Stimme und Körpersprache
Akademie
Heraus aus den Schulstuben!
Anregungen für Umweltbildung in
der Grund- und Mittelschule
Anregungen, wie Sie Umweltbildung in Ihrer Klasse
praktisch und konkret umsetzen können, z.B. Umweltspiele im Freien, Hecke im Jahreslauf, Bau von Insektennisthotels, Schullandheimaufenthalte motivierend planen.
27.06.2014, MÜNCHEN
2014 25
(In Kooperation mit der ABJ Schwaben)
Sprecherziehung für Lehrkräfte und Erzieher/innen
Ihr meist genutztes Arbeitsmittel ist Ihre Stimme.
Das Seminar beschäftigt sich mit dem zielgerichteten und
schonenden Einsatz von Stimme und Körpersprache, damit
der Inhalt richtig ankommt.
17.05.2014, LEIPHEIM
2014 26
Politik und Sprache: Reden und
dabei überzeugen
(In Kooperation mit der Georg-von-Vollmar-Akademie)
Jede politische Arbeit lebt von der Wirkung des Arguments.
Wir wollen uns folgenden Fragen widmen: Mit Konzept
zur freien Rede – effektiv werden bei Vortrag, Diskussion &
Diskussionsleitung. Mit praktischen Redeübungen.
27.-28.06.2014, KOCHEL A. SEE
Verwaltungsakte im Schulbereich
Recht für Schulleiter/innen
In diesem Seminar geht es u. a. um Folgendes:
Was ist ein Verwaltungsakt? Das Bayerische Verwaltungsverfahrensgesetz – Die Schule als Behörde – Der
Schulleiter als Behördenleiter.
22.05.2014, MÜNCHEN
34
2014 31
Detaillierte Seminarausschreibungen und
Anmeldung unter: www.akademie.bllv.de
Für die Anerkennung als eine die staatliche Lehrerbildung
ergänzende Maßnahme ist der Dienstvorgesetzte verantwortlich. Dienstbefreiung kann beantragt werden.
Bayerische Schule 2 2014
Thema_Verband
Ehrungen
Der BLLV lebt von der Stärke und Solidarität seiner Mitglieder. Er kann dabei auf eine langjährige Tradition
verweisen. Zu besonderem Dank ist er seinen langjährigen Mitgliedern verpflichtet. Wir gratulieren:
Für 65-jährige Mitgliedschaft:
KV Simbach am Inn: Karl Farnhammer
Edith Schnappinger, Irmgard Schoder,
KV Neustadt an der Waldnaab: Kurt Giesa
KV Berchtesgadener Land: Volker Erben,
Helma Werner
KV Karlstadt: Helmut Kuchenmeister, Margit
Ilona Höhn, Manfred Huber, Hubert Meier
KV Miltenberg-Land: Rosa Beer,
Pawlitschek
KV Weismain: Jutta Ankenbrand-Thiem,
Engelbert Schmid
KV Simbach am Inn: Marianne Panowsky
Roswitha Franz, Ulrike Kuhn, Werner Rehe,
KV Illertissen-Babenhausen: Rosi Hutzler,
KV Scheßlitz: Arnold Dengler
Jutta Rohde, Siglinde Stark, Christa Stössel
Josef Hutzler, Wiltrud Ruess, Hermann Schiller
KV Berchtesgadener Land: Walter Nußstern,
KV Freising: Michael Ball, Jutta Baue, Reinhild
KV Bad Kissingen: Elke Barthel, Otto Granich,
Herbert Ott
Kindlein, Gertrud Orth, Sibylle Pfadler, Ernestine
Hildegard Karl
KV Schweinfurt-Stadt: Luise Türk, Herta Zänglein
Scholbeck
KV Traunstein: Hans Eder, Susanne Eder, Anni
KV Kronach: Joachim Bienert, Johann Brückner,
Hangl, Ingeborg Hasslberger, Franz
Für 60-jährige Mitgliedschaft:
Ingeburg Eichhorn, Margarete Götz, Wilfried
Heindlmeier, Gertraud Höflinger, Doris Huber,
KV Berchtesgadener Land: Berta Mattusch
Holzmann, Ingo Köstner, Gregor Lorsbach,
Gertraud Kellner, Elisabeth Leugner, Rudolf
KV Schweinfurt-Stadt: Elisabeth Bauer
Gottfried Müller, Monika Pflaum, Emilie Raab,
Leugner, Gerhard Poremba, Helmut Rehrl,
Josef Rebhan, Dieter Rohr, Hildegard Sax,
Pauline Rittmeister-Gassner, Helena Rumpel-
Für 55-jährige Mitgliedschaft:
Gisela Wegner, Gabriele Zimmermann
Skumin, Monika Schlund, Barbara Schmandra,
KV Neustadt an der Waldnaab: Fritz Aumer
KV Gefrees: Irmgard Fischer
Barbara Stuffer
KV Karlstadt: Hans Hintermaier, Walter Sticha
KV Münchberg: Reiner Schneider
KV Hammelburg: Rose-Marie Herrler,
KV Simbach am Inn: Gertrud Pfauser
KV Coburg-Land: Norbert Lang, Gudrun Reuter,
Helmut Schäfer
KV Berchtesgadener Land: Charlotte Böhm,
Gertrud Schrievers, Joachim Stammberger
KV Viechtach: Johann Kasparbauer
Günther Scholz, Armgard von Monteton Digeon,
KV Hof-Stadt: Georg Bloss, Christa Eckardt,
KV Ochsenfurt: Gertrud Gramlich,
Therese Wimmer
Sabine Eichmayr, Monika Gemeinhardt, Annette
Maria Hehlein, Johanna Karl, Norbert Tripps,
Hohenberger, Uta Pötzl, Wilhelmine Saffert, Erika
Waltraud Wirths
Für 50-jährige Mitgliedschaft:
Schmalfuß, Karlheinz Schrenk, Margit Türbl
KV Weilheim-Schongau: Marlies Albrecht,
KV Neustadt an der Waldnaab: Sabine Hoffmann,
KV Lichtenfels-Bad Staffelstein: Brigitte Herold,
Hubert Assum, Josef Bierling, Guntram Dopfer,
Wilhelm Knopp, Annemarie Scholz
Werner Keller, Willi Scherbel
Johann Gattinger, Regina Gattung, Doris Graf,
KV Karlstadt: Emanuel Jungschaffer,
KV Bad Königshofen: Rudolf Dümpert,
Heidemarie Grunert, Christa Limmer, Margit
Elisabeth Schütz
Magdalena Joha, Günther Lamprecht,
Morsbach, Gabriele Papenfuß, Rudi Pech,
KV Simbach am Inn: Ludwig Rogl, Manfred Volke
Maria Magdalena Rudloff, Josef Weigand
Gerburg Reis, Gabriele Siebert, Gertraud Spar,
KV Traunstein: Ulrike Boesmiller, Gabi Gnad,
KV Landshut: Brigitte Bachmann, Hans Dillis,
Ottmar Zeilinger
KV Schweinfurt-Stadt: Detlev Kraus
Dietlind Hager, Horst Hahn, Horst Himmelstoß,
Gertrud Farkas, Fridoline Friedrich, Ulrike Fuchs,
Rudolf Kink, Günther Kneis, Siegfried Ostler,
Erwin Hausladen, Luisa Kiermeier, Eva-Maria Laske,
Annemarie Schinzel, Walter Zimmermann
Sebastian Mieslinger, Günther Neoral, Dorothee
KV Hammelburg: Walter Koch, Sophie Rauschmann
Schütz, Angela Wittmann, Fritz Wittmann
KV Viechtach: Christa Radlbeck, Freia Richwien
KV Aichach-Friedberg: Gabriele Bauer, Karl
KV Ochsenfurt: Wolfgang Burgard, Anton Grimm
Lassonczyk, Rudolf Neuberger
KV Weilheim-Schongau: Günter Jullien, Elisabeth
KV Kitzingen: Renate Bansemir, Wolfgang Borst,
Kuban, Elisabeth Scherer, Robert Schroth,
Hilar Burkard, Irmgard Franz, Klaus Lauter, Barbara
Ingeborg Stör, Margot Wehner
Lazarek, Klaus Maag, Helene Popp, Herbert
KV Scheßlitz: Wilfried Niederle, Erwin Weyer
Schnabel
KV Berchtesgadener Land: Alexander Mainusch,
KV Wasserburg: Maria Ametsbichler, Eugenie
Herbert Meigel, Franz Schreiner, Karl Willer
Dieplinger, Inge Weber
KV Schweinfurt-Stadt: Monika Fuhrmann,
KV Schwabach: Helga Bock-Landsmann, Stefan
Rainer Krug
Fingerhut, Klaus-Dieter Gentner, Liselotte Rauscher,
Hildegard Roeder, Monika Semlinger, Jürgen
Für 40-jährige Mitgliedschaft:
Stromberger
KV Neustadt an der Waldnaab: Margarete Dob-
KV Schnaittach: Gertrud Kalb, Reinhold Singer,
meier, Johann Hero, Wolfgang Krauß, Angela Röger,
Ingrid Stammler
Gerhard Zwack
KV München-Land: Karin Berentz, Christina
KV Karlstadt: Reinhold Aberler, Brigitte Huber, Karin
Buchner, Erhard Dresel, Gertraud May, Franz
und Christoph Kropp, Kurt Schiller, Elke Vorherr
Niehuber, Christa Radke, Elisabeth Schirenbeck,
36
Gedenken
Der BLLV trauert um treue und verdiente Mitglieder. Er wird ihnen ein
ehrendes Gedenken bewahren.
KV Landshut: Josef Wimbürger, 88 Jahre
KV Weilheim-Schongau: Herbert Werner, 87 Jahre,
Erika Kugler, 88 Jahre, Gotthard Leuchtenmüller,
91 Jahre
KV Ingolstadt: Erwin Reicherl, 68 Jahre
KV Nabburg: Erich Schambeck, 82 Jahre
Weitere Ehrungen und
Gedenken finden Sie in der
nächsten Ausgabe.
Bayerische Schule 2 2014
Ernährungsführerschein und
SchmExpertise
Die Fachgruppe Ernährung und Gestaltung im BLLV hat bei einer bundesweiten
Evaluationsveranstaltung dazu beigetragen, das bundesweite Grundschul-Unterrichtsprojekt „aid-Ernährungsführerschein“
zu überarbeiten. 580.000 Kinder haben
den Kurs des gemeinnützigen Vereins „aid
infodienst Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz“ bereits absolviert und gelernt, Lebensmittel „sinnlich wahrzunehmen, zuzubereiten und zu genießen“, wie
es im aid-Programm heißt. Das Unterrichtsprojekt will Kinder für das eigenverantwortliche Arbeiten in der Küche begeistern und
endet mit einer schriftlichen und praktischen Prüfung (Unterrichtsmaterial unter
Europawahl
Bei der Wahl zum Europäischen Parlament
am 26. Mai 2014 kandidieren drei Mitglieder des BLLV: Maria Noichl (Rosenheim),
Alexandra Schuster-Grill (Hengersberg)
und Stephan Wilhelm (Passau). Unter
www.bllv.de/bs/2014/02 finden Sie ausführliche Informationen zu diesen Kandidaten und ihren Ziele. BS
Schulleiter bei Eisenreich
Ein offenes und informatives Gespräch ergab sich beim ersten Treffen zwischen den
Leitern der BLLV-Fachgruppe Schulleitung
Franz Josef Bruckbauer und Margit Nothhaft-Buchner mit dem neuen Staatssekretär für Bildung und Kultus, Georg Eisenreich. Besprochen wurden neben dem
Dauerbrenner Leitungszeit die Themen
Inklusion (Gestaltung bei nicht ausreichenden MSD-Stunden), Ganztagsschule (Ballung von Problemschülern), Umgang mit
Schülern mit Migrationshintergrund, dort
wo keine Übergangsklassen gebildet werden können, und der dringend notwendige
Ausbau der Schulsozialarbeit.
Bayerische Schule 2 2014
Knackiges Projekt: „SchmExperten“ fördert den Appetit auf gesunde Ernährung
www.aid-ernaehrungsfuehrerschein.de).
Darüber hinaus hat die Fachgruppe unter
der Leitung von Gertrud Nigg-Klee eigene
Mitglieder sowie aid-Multiplikatoren im
Programm „SchmExperten“ trainiert. Bei
diesem Projekt werden Schülerinnen und
Schüler der Sekundarstufe angeleitet,
selbstständig einfache, schmackhafte und
variierbare Speisen zuzubereiten. Neben
der Praxis werden auch Küchenfertigkeiten
und gesundheitsorientierte Lebensmittelkunde vermittelt. BS
Beim Thema Mittelschulverbünde wiesen
die Vertreter der Fachgruppe darauf hin,
dass eine faire Gestaltung kaum möglich
sei, wenn mehrere Kommunen oder gar
Landkreise involviert seien, und wenn es
gelte, Schülern, Eltern, Bürgermeistern und
Beförderungsunternehmern gerecht zu
werden. Schließlich seien auch die Schülerströme nicht beliebig steuerbar. Es gelte
also ganz besonders, regionale Aspekte zu
berücksichtigen und eine weitere Entwicklung der Mittelschule zuzulassen. Einig waren sich Fachgruppe und Staatssekretär
darüber, dass keine Maßnahme zu Qualitätsminderung bei den Abschlüssen oder
gar beim Unterricht führen darf. fjb
Mannschaftswertung und damit den Wanderpokal gewann das Team mit Wolfgang
Resch, Eberhard Kelz, Günther Siekierski
und Norbert Hilger vor den Mannschaften
aus Cham und München. Lehrer aus Bayern
und Österreich waren auch in diesem Jahr
der Einladung des Organisators Anton Angerer gefolgt. Auch im nächsten Jahr werden die Kufen wieder neu geschliffen. ta
Wettstreit im Eiskanal
Bei der 40. offenen BLLV-Lehrermeisterschaft im Rennrodeln am Königssee gewann Günther Siekierski aus München vor
Wolfgang Resch aus Fürstenfeldbruck.
Den dritten Platz belegte Hans Fritz aus
München. Bei den Damen siegte Susanne
Weininger aus Cham vor Kristina Ries von
der Mittelschule Gauting und Veronika
Sirch von der Mittelschule Türkenfeld. Die
Wettstreit am Ball
Bei den 24. bayerischen Fußballmeisterschaften des BLLV in Freising belegte die
Mannschaft des Kreisverbandes Schweinfurt, die von zwei Spielern aus den Haßbergen unterstützt wurde, den ersten Platz und
verteidigte damit ihren Titel erfolgreich. Das
Team mit Hannes Keller, Jörn Betz, Florian
Riegel, André Krauß, Marco Forner, Thorsten Selzam, Wolfgang Lachmann, Florian
Heimerl, Tomi Neckov, Matthias Naumann
und Daniel Kamm besiegten die Kicker aus
dem Kreisverband Kronach im Finale 3:0.
Dritter wurde der Kreisverband Scheßlitz
vor Coburg. Im nächsten Jahr finden die
25. Bayerischen Fußballmeisterschaften in
Weilheim/Schongau statt. BS
37
G
R
E
N
Z
G
Ä
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G
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Als Deutschlehrerin in Bethlehem/Palästina
Im Schatten der Mauer
Julia Kirch, Realschullehrerin für Deutsch und Englisch, arbeitete im Heiligen Land an einer
arabischen Schule für Christen und Moslems, für Reiche und Arme. Die Kinder hoffen, durch
Bildung ihr Land Palästina in eine blühende Zukunft zu führen.
Von Julia Kirch, Protokoll: Chris Bleher
38
Bayerische Schule 2 2014
Bethlehem gehört zu den palästinensischen Autonomiegebieten im Westjordanland und grenzt im Norden an Jerusalem. Getrennt sind
die beiden Städte durch eine stellenweise acht Meter hohe Mauer. Die palästinensischen Einwohner Bethlehems sind durch die israelische Sperranlage in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Ihre Meinung dazu tun sie unter anderem durch Graffitis kund.
N
ovember 2012. Meine erste Stunde an der Dar Al-Kalima
Schule (DAK) in Bethlehem. Ich war sehr aufgeregt, da ich
nicht wusste, was mich erwarten würde. Ich betrat das Klassenzimmer am Ende des Gangs. Wieviel Deutsch würden die Kinder
wohl schon sprechen können? Die siebte Klasse saß vor mir und
sah mich gespannt an. Ein palästinensischer Schüler meldete
sich. Ich nickte ihm als Aufforderung zum Sprechen zu. „Warst du
in Tel Aviv? Haben die Raketen eingeschlagen? Wie war es?
Hattest du Angst?“, fragte er aufgeregt und gespannt darauf, was
ich wohl zu berichten hätte. In seinen Augen sah ich, dass er sich
über die Raketen freute. Erschrocken, dass schon Dreizehnjährige
Gewalt gut heißen, wusste ich zunächst nicht, was ich antworten
sollte. Israel war von Gaza aus das vorherige Wochenende beschossen worden. Mein erstes Wochenende im Heiligen Land
war überschattet gewesen von militärischer Gewalt.
Ja, ich war in Tel Aviv gewesen; ja, eine Rakete ist eingeschlagen,
trotz Iron-Dome, dem Raketenabwehrsystem, nur fünf Minuten zu
Bayerische Schule 2 2014
Fuß von meiner Wohnung entfernt – glücklicherweise jedoch im
Meer; und, ja, ich hatte Angst. So cool, wie die meisten Israelis
konnte ich nicht damit umgehen. In meiner Heimatstadt Würzburg
haben die Kriegssirenen zuletzt 1945 geheult, rund 40 Jahre vor
meiner Geburt. Ich sah im israelischen Fernsehen, wie Luftangriffe
die Raketenabschussanlagen in Gaza beschossen, im palästinensischen Fernsehen verbrannten Kinder und Frauen. Nach der Waffenruhe feierten sich beide Seiten als Sieger, Israel und die Hamas.
Nach den ersten Tagen in Tel Aviv war ich über Jerusalem nach
Bethlehem ins Westjordanland gekommen. Fünf Kilometer trennen die beiden Städte – und eine Grenze und eine Mauer, höher
als die, die Berlin teilte. Die Schüler haben sie zwar nicht jeden
Tag vor Augen, aber in ihren Köpfen ist sie dauernd anwesend.
Einfach mal ans Meer fahren, shoppen in Jerusalem, Verwandte
auf der anderen Seite besuchen, das ist ihnen nicht erlaubt. Was
für Israel angeblich Schutz bedeutet, ist für die Palästinenser Eingesperrtsein.
39
Die Autorin unterwegs auf einer der Hauptstraßen von Bethlehem in Richtung Checkpoint „Rachels Grab“. Als Deutsche kann
sie ungehindert nach Israel fahren, Palästinenser brauchen „Permissions“. Fußgänger müssen die berüchtigten „Käfige“ passieren.
Für alle: Im Auto ein Wimpel mit einem arabischen Gebet.
Natürlich kann man nachvollziehen, dass die Israelis sich nach den
vielen Selbstmordanschlägen der letzten Intifada schützen wollten
und deshalb eine Mauer bauten. Das Paradoxe dabei ist jedoch:
Auf der jeweils anderen Seite der Mauer finden sich arabische
und jüdische Siedlungen. Und doch lehnt jede Seite die andere
ab. Nur in einem Punkt sind sie sich einig: Die andern wollen keinen Frieden. Die wollen das Land für sich.
„Bildung ist die mächtigste Waffe, um die Welt zu ändern“, sagte
einst Nelson Mandela. Inspiriert durch diese Worte, hatte ich
beschlossen, an einer arabischen Schule in Palästina im Großraum Bethlehem zu unterrichten. Ich kam als Bundesprogrammlehrkraft, Vermittelt von der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA), an jene evangelische Gesamtschule, offen für Schüler jeglicher Religion. De facto unterrichtet man dort Christen und
Moslems, die aus sehr reichen Familien, aus der Mittelschicht
aber auch aus den Flüchtlingslagern stammen.
Wann ist jemand arm? Schüler aus Deutschland fühlen sich arm,
wenn sie nicht Trendklamotten tragen können und zu Hause kein
40
Flatscreenfernseher hängt. Was Armut in Palästina bedeutet,
erfuhr ich bei einem Besuch der Familie von Amal. Sie ist Putzfrau
an der Dar Al-Kalima und lebt am Rand von Dheisha, einem der
Flüchtlingslager Bethlehems. Mit ihren zwei Söhnen und ihrem
Mann teilt sie sich auf 25 m2 zwei Räume. Die Toilette ist ein Loch
im Boden. Gespült wird mit aufgefangenem Abwasser, das am anderen Ende der Wohnung aus dem einzigen Wasserhahn kommt.
Ihr Mann ist krank und kann nicht mehr arbeiten. Er verbringt die
Tage in Bethlehem – was er genau da macht, weiß Amal nicht.
Nach der Schule fuhr ich mit meinem Auto zu ihrem Haus. Amal
öffnete mir freudestrahlend die Tür und hieß mich auf Arabisch
willkommen. Nachdem die Tür geschlossen war, sah ich Amal das
erste Mal ohne Kopftuch. Es duftete nach Reis und Hähnchen.
Extra für mich hatte Amal Fleisch gekocht. Was für eine Geste der
Gastfreundschaft. Die Lebensmittelpreise entsprechen etwa den
deutschen, sie verdient nicht einmal 300 Euro, mit dem Geld
muss sie ihre ganze Familie durchbringen. Und dann ist da noch
das immens hohe Schulgeld. Ich saß auf einer der dünnen
Matratzen, die auf dünnen Teppichen liegen.
Bayerische Schule 2 2014
Serie_Grenzgänger (Folge 14)
Mohammed, einer der Söhne, stellt stolz den übervollen Teller vor
mich auf den Teppich. Es schmeckt wunderbar und während wir
essen, erzählt mir der Erstklässler auf Englisch, dass er einmal
studieren möchte. Er ist so motiviert und will ein paar Sätze
Deutsch von mir lernen. „Hallo! Wie geht es dir? Mein Name ist
Mohammed. Ich komme aus Palästina“ – wie ein Mantra spricht er
die Sätze immer wieder vor sich hin. Amal schickt ihn zum Nachbarn, Zucker holen für den Tee. Heute soll er süß sein, wegen mir.
Dass ich keinen Zucker im Tee mag, verschweige ich. Die Freude,
mir diesen Luxus zu ermöglichen, möchte ich ihnen nicht nehmen.
Im Unterricht fielen mir diese armen Kinder immer wieder auf. Sie
alle haben diesen unermüdlichen Willen zu lernen, vor allem:
Deutsch zu lernen. Ein Kapitel des Lehrbuchs behandelt die
Gründe, warum man Deutsch lernen sollte. Man könne mit 100
Millionen Europäern reden, Deutsche seien die wichtigste und
größte Touristengruppe, es gebe viele deutsche Firmen und
Deutschland sei ein schönes Urlaubsland. Für die Schüler kommt
hinzu: Einige wollen in Deutschland studieren, um später einmal
ihr Land Palästina aufzubauen und eine gute Zukunft in ihrer
Heimat zu haben. Ermöglichen soll ihnen dies das Deutsche
Sprachdiplom (DSD), eine Prüfung in Deutsch als Fremdsprache,
die von Schülerinnen und Schülern Deutscher Auslandsschulen
und Sprachdiplomschulen kostenlos abgelegt werden kann.
Viele der Schüler sind sehr fleißig, und doch tun sie sich schwer
mit dem Erlernen dieser so komplizierten Sprache. Ab der 5. Klasse wird sie unterrichtet, nach Hocharabisch und Englisch. Meine
palästinensischen Kolleginnen und ich haben versucht, die Klassen nach Leistung zu differenzieren, um die Kinder individuell fördern zu können. In der sechsten Jahrgangsstufe hatte ich die
Gruppe der langsamen Deutschlerner. Immer wieder stieß ich an
meine Grenzen. Sie waren nicht nur die langsamen, sondern auch
die verhaltensauffälligen Schüler. Einige sprangen immer wieder
auf, rannten im Klassenzimmer umher, versteckten sich unter den
Tischen oder auf den Fensterbänken und ärgerten die anderen
Schüler. Schon das arabische Temperament zu zähmen, ist eine
Herausforderung. Nach der Stunde kamen sie jedoch zu mir ans
Pult und sagten „Danke, Miss Julia!“.
Eine weitere Schwierigkeit: Ich war gezwungen, einsprachig auf
Deutsch zu unterrichten, da mein Arabisch noch in den Kinderschuhen steckt. Muttersprachliche Erklärungen waren also im
Unterricht nicht möglich. In den Augen meiner Seminarlehrer im
Am Autocheckpoint „Rachels Grab“ warten die Fahrer darauf, kontrolliert und
durchsucht zu werden. Ein Mann versucht, Kaffee, Tee oder Kaugummis zu verkaufen, auch Kinder versuchen auf diese Weise ein paar Münzen zu verdienen.
Bayerische Schule 2 2014
41
Die Autorin auf dem Dach des österreichischen Hospizes, eines Gästehauses bzw. Cafés. Die Gäste schätzen Gerichte wie Wiener
Schnitzel oder Apfelstrudel und trinken Melange. Im Hintergrund die goldene Kuppel des Felsendoms, davor die Kuppel der Kapelle
des Hospizes. Vom Dach aus hat man einen der besten Ausblicke auf die Altstadt von Jerusalem.
bayerischen Referendariat läuft so der ideale Fremdsprachenunterricht. Mit Händen und Füßen, bunten Bildern, viel Gestik und
Vorspielerei ist es gelungen, diese Kinder zu unterrichten und
ihnen Deutsch nahe zu bringen.
Verschiedene Veranstaltungen sollen die Schülerinnen und
Schüler immer wieder motivieren, Deutsch mit Freude zu lernen.
So hörte man beim Lesewettbewerb Janoschs Geschichte „Oh,
wie schön ist Panama“ oder an Weihnachten deutsches Liedgut.
Damit sich die Vorbereitung der DSD-Prüfung für die Schüler
angenehmer gestaltet, dürfen sie an verschiedenen Workshops
teilnehmen. Im Jahr 2012 wurde ein Theaterprojekt in Beit Sahour
realisiert. Eine Woche lang durften 26 Schüler ein Theaterstück
proben und vor Zuschauern aufführen. Sie adaptierten eine Erzählung Kafkas: „Beim Bau der chinesischen Mauer“ (Youtube:
„Szenexpress – Workshop Beit Sahour“).
Bemerkenswert ist auch die Arbeit der palästinensischen Kollegen. In Palästina gibt es keine Lehrerausbildung wie bei uns. Sie
studieren Fächer und unterrichten dann an den Gesamtschulen.
Kein Referendariat bereitet sie auf den harten Job vor. Und doch
meistern sie ihn wundervoll. Sie gestalten Arbeitsblätter, arbeiten
differenziert und trotz des niedrigen Gehalts, ungefähr 3.000 NIS,
42
also rund 600 Euro, mit Leidenschaft. Beim Tag der offenen Tür
präsentierten die Klassen zusammen mit ihren Lehrern, was sie
erarbeitet hatten. Man konnte sich anhand echten Materials den
Aufbau eines Tierherzens erklären, die Blutgruppe bestimmen lassen oder Präsentationen auf Englisch oder Deutsch lauschen.
Ein bewegendes Referat hielt Aida, eine Schülerin der neunten
Klasse. Sie sprach über touristische Orte in Palästina und in
Deutschland. Und sie äußerte einen Wunsch: Dass die Mauer in
Palästina eines Tages, so wie die in Deutschland, verschwände.
Die ZfA und die Auslandsschulen
Die Dar Al-Kalima Schule gehört zu den von der Zentralstelle
für das Auslandsschulwesen (ZfA) des Bundesverwaltungsamtes betreuten Sprachdiplomschulen. Die ZfA fördert im
Auftrag des Auswärtigen Amtes unter Mitwirkung der Länder
derzeit weltweit mehr als 140 Deutsche Auslandsschulen und
mehr als 1.000 Sprachdiplomschulen in finanzieller, personeller und pädagogischer Hinsicht. BS
Bayerische Schule 2 2014
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erscheint am 30. Mai 2014
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Titel: Schule leiten
Die Bayerische Schule 3
Der Anzeigenschluss für die Ausgabe der Bayerischen Schule 3/2014 ist am 17. April 2014
Bayerische Schule 2 2014
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