Hinweise für Lehrer

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Hinweise für Lehrer
Abitur 2001 Deutsch Lk (Lehrer)
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Hinweise für Lehrer
1. Den Prüflingen ist ein Nachschlagewerk zur Neuregelung der deutschen
Rechtschreibung zur Verfügung zu stellen.
2. Die Lösungshinweise sind ein Interpretationsangebot für die Hand des
Lehrers. Dieses Angebot erhebt weder Anspruch auf Vollständigkeit,
noch kann es vom Schüler in der zur Verfügung stehenden Zeit lückenlos
abgearbeitet werden. Ausgehend von den im Unterricht geschaffenen
Voraussetzungen wird der Lehrer dieses Erwartungsbild adaptieren.
Entwickelt der Schüler andere, von dem vorliegenden Erwartungshorizont
grundsätzlich abweichende Deutungen, so sind sie zu akzeptieren, wenn
sie der Aufgabenstellung entsprechen, sachlich richtig sind sowie
ausreichend und nachvollziehbar begründet werden.
3. Für die Korrektur ist Punkt 2 des Runderlasses des Kultusministeriums
vom 08.10.1996 zu beachten.
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Aufgabe I
Gustav Ernst :
Franz und Maria
In reduzierter Dialogform wird der Verlauf einer Partnerbeziehung von ihrem Zustandekommen
bis zum Tod dargestellt. Grundlegende Momente einer Partnerschaft werden in
desillusionierender Weise aufgezeigt. Die Charaktere der Personen und ihre Verhaltensweisen
werden nur durch die schlaglichtartigen Dialoge deutlich. Das konkret Dargestellte lässt
unschwer den gesamten Charakter der Beziehung erkennen:
− fehlende Grundlagen für eine erfüllte Partnerschaft
− kein Eingehen auf die Wünsche des anderen
− gegenseitige Schuldzuweisungen
− Lieblosigkeit und Gefühllosigkeit in der Beziehung
− Nebeneinanderherleben
− Störungen in der verbalen Kommunikation
Formal wird der Charakter der Beziehung deutlich durch:
− drastische, vulgäre Sprache
− Satzverkürzungen
− eindeutige Regieanweisungen
− Vorwürfe enthaltende (und) rhetorische Fragen
− Typisierung der Figuren durch ihre Äußerungen und Handlungen
Bei der Bewertung der zweiten Teilaufgabe sollten folgende Gesichtspunkte berücksichtigt
werden:
− Originalität
− Bewahrung der spezifischen Dialogform
− sprachliche Gestaltung
− Einbeziehung von Regieanweisungen
− angedeutete Typisierung der Figuren
− innere Logik der Konzeption
Im dritten Teil soll der Schüler darlegen, warum er seinen Entwurf in der von ihm gewählten
Weise angelegt hat. Er kann sich dabei sowohl auf inhaltliche als auch auf formale Aspekte
beziehen. Entscheidend ist, dass er einen Begründungszusammenhang herstellt.
Findet der Schüler zu einer abstrahierenden Reflexion seines Entwurfs, erhöht das die Qualität
der Arbeit.
Aufgabe II
Peter Härtling:
Zeit der Bilder
Peter Härtling setzt sich in seinem Essay mit den Veränderungen des Wahrnehmens, Denkens
und Verstehens in der modernen Gesellschaft auseinander, die immer stärker von einer medial
vermittelten Bilderwirklichkeit geprägt wird. Einerseits verweist er auf die Gefahr der
Wirklichkeitsverzerrung, die durch die Subjektivität und Flüchtigkeit wahrgenommener Bilder
entstehen kann, andererseits sieht er die Fantasie und das kritisch-eigenständige Denken der
Menschen gefährdet.
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Thesen des Autors:
− Bilder verändern das menschliche Wahrnehmungs- und Denkvermögen.
− Bilder schränken die Abstraktionsfähigkeit, die Urteilsfähigkeit und die Fantasie ein.
− Bilder verändern den Begriff von Wirklichkeit und führen zu Trugschlüssen über die Welt.
− Die Dominanz der Bilder hat Auswirkungen auf die Sprache.
Peter Härtling berücksichtigt in seiner Argumentation mögliche Einwände, verfolgt aber
letztendlich stringent seine Intention. Dementsprechend zielgerichtet setzt er auch sprachlichstilistische Mittel ein.
Inhaltliche und formale Aspekte:
Teil 1:
Macht der Bilder und die Frage, ob die Menschen sich dieser Macht entziehen können durch die
Fähigkeit, Bilder so lesen zu lernen wie Bücher, um sich ihre Urteilsfähigkeit und Fantasie
bewahren zu können
− Schlüsselwörter: Bild – Buch – Wort
− Wortspiele: „Künste nach den Künsten“ (Z. 1), „bilden ... weniger, als daß sie uns ein Bild
machen“ (Z. 2)
− Reihungen, Wiederholungen: rasch – rasch, mehr und mehr, es fragt sich ..., so ist es ...
− Antithese: „so viel – so wenig“ (Z. 8)
− Konjunktiv als Mittel der Distanzierung zu „Schwarzsehern“: „Bild werde ... Buch
verdrängen“ (Z. 7)
− adversative Verknüpfungen: doch, aber
− Hyperbeln mit abwertenden Epiteta: „Epoche fixer Eindrücke, platter Weltsicht“ (Z. 5)
− Metapher: „Kometenschwarm geronnener Augenblicke“ (Z. 10) zur Verdeutlichung der
Flüchtigkeit des Bildes
− Zitat als Autoritätsbeweis
Teil 2:
Veränderung der Weltsicht durch die veränderte Widerspiegelung von Wirklichkeit, die das
Ganze nur noch in subjektiver Auswahl als Wirklichkeitspartikel darstellt und zu einer
Verkümmerung führt; Verhältnis von Wahrheit und vermittelter Wirklichkeit
− Schlüsselwörter: Wirklichkeit, wirklich
− Reihungen, die Bilder in Kurzform versprachlichen: „Den Reisbauern in China ...“ (Z. 23 f.)
− Ellipsen: „Lauter Wirklichkeiten ...“ (Z. 25) verdeutlichen die Einengung des Blickfeldes
− Syllogismus: „Und weil ... sind sie eben auch wahr.“ (Z. 30 f.)
Teil 3:
Folgen der zunehmenden Bilderflut auf ihre unkritischen Konsumenten, vor allem auf Kinder
und Jüngere
− Oberflächlichkeit der Weltbetrachtung: „Das Bild genügt als Information.“ (Z. 38)
− Verknappung und Verkürzung der Sprache auf das Niveau von Bildunterschriften
− Wiedergabe von Gesprächsfetzen aus Dialogen mit Kindern: „... klar, das hat mit Öl zu tun
[...] ja, das ist der mit dem Bart“ (Z. 36 f.)
− Parallelismen und Kurzsätze: „Sie kennen ihn. Sie sehen ihn.“ (Z. 37), „Viele Jüngere
sprechen sie längst.“ (Z. 44) verdeutlichen die Oberflächlichkeit der Erkenntnisse
− reihende Fragesätze als Mittel ironischer Distanz: „Wozu ..., wie ..., weshalb ...“ (Z. 39)
− Personifikation: „Die Bilder suchen ihre Unterschriften.“ (Z. 41) signalisiert die
Vereinnahmung
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− Reihung: „einfach, knapp, ohne jeden Eigensinn“ (Z. 42 f.) zeigt den Zusammenhang von
Bilderflut und Sprachverarmung
− Alliteration als Mittel ironischer Distanzierung: „wahre Künstler in Kürzeln“ (Z. 44)
Bei der Auseinandersetzung mit den Positionen Härtlings können folgende Gesichtspunkte eine
Rolle spielen:
− gegenwärtige Entwicklungen in der Medienlandschaft und der Sprachkultur
− Möglichkeiten moderner Medien sowohl für die Bildung als auch für die Meinungsbildung
− Probleme der Globalisierung mit ihrer Notwendigkeit, international verständliche
Abbreviaturen und Piktogramme zu verwenden
− Überlegungen zum Bild als einem Medium mit einer eigenen Ästhetik
Aufgabe III
Alfred Polgar:
Liebe im Herbst
Alfred Polgar gestaltet in seiner Geschichte den Versuch eines Mannes, den Verlust seiner
Geliebten und den tief empfundenen Schmerz darüber zu verarbeiten. Durch sein Bemühen, sich
der Alltäglichkeit solchen Liebesschmerzes bewusst zu werden, gelingt ihm kurzzeitig die
Illusion der Überwindung seiner Traurigkeit. Die Reflexion über das Motiv der Stadt und die
Welt als Bühne menschlicher Schicksale bewirken die Relativierung seiner Erschütterung. Bald
holt ihn das Gefühl der Verlassenheit jedoch wieder ein, das aber nun ironisch gebrochen
verarbeitet wird.
Inhalt und Aufbau:
Ein auktorialer Erzähler schildert einerseits anteilnehmend, andererseits ironisch distanziert das
Empfinden eines enttäuschten Liebhabers in drei Phasen:
− Erleben des Schmerzes und Hingabe an seine Trauer – Einheit von Naturbeschreibung und
innerem Erleben (Z. 7 - 11)
− Versuch der Bewältigung durch die Bagatellisierung solcher Erfahrung (Relativierung des
eigenen Erlebens mittels rationaler Erwägungen – Alltäglichkeit) und zeitweilige
Entlastung (Z. 18 - 36)
− Desillusionierung und Rückfall in den tiefen Schmerz durch die Verengung der Perspektive
auf die verlorene Geliebte, die sein Seelenheil in der Hand hat (Z. 37 ff.)
Gestaltungsmittel/Funktion/Wirkungsweise:
Relation zwischen Naturschilderung und Innenleben des Mannes
− Gleichsetzung von äußerer Welt (Herbst, Vergänglichkeit, Tristesse) und Seelenzustand im
ersten und letzten Abschnitt
· „Dezemberwind“, „grau und hart“, „zerrissenes Laub- und Nadelzeug“, „wie die
Liebe“ des Mannes und die „große Welt, die ihn tröstete, wie ein Papierkügelchen
[...] wegschnipsen kann“ (Z. 41)
· Trauer, Gefühl der Kälte, Verwehen der Liebe im Wind, Dimension seines ewig
dauernden Liebesschmerzes „die ewigen Sterne“
· Zeitempfinden (November – Dezemberwind – Oktobersonne)
− Blick auf die Stadt als Symbol für die Vielfalt menschlichen Lebens und menschlicher
Schicksale relativiert den Seelenschmerz
· anaphorische Steigerung wie eine Beschwörungsformel „Da unten liegt die Stadt“
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Ausweitung der Gedanken des Mannes: Einrichtungen der Stadt „Geschäfte(n),
Theater(n) [...] Kulturzubehör“, die Aktivität und Vielfalt urbanen Lebens als
„menschliche(n) Komödie“
Beruhigung des Liebesschmerzes „ist’s ihm wirklich, als verschwände [...] sein Elend“ (Z.
24)
Einheit von syntaktischer Gestaltung und innerer Erlebniswelt des Mannes
· Verbindung von Natur und Innenwelt durch hypotaktische Strukturen, die dem
verlangsamten Gedankengang durch eine Verlangsamung des Leseprozesses
entsprechen „Über dem Hügel, auf dem die Bank steht [...]“ (Z. 1 ff.)
· Wandel der Wahrnehmung gekennzeichnet durch Wiederaufnahme des
Konzessivsatzes „obgleich es November ist“ (Z. 23)
· Widerspiegelung der inneren Unruhe einerseits und der Banalität des
Liebesschmerzes andererseits durch Reihungen, parataktisch verkettete Satzglieder
und Wiederholungen „Stadt mit Geschäften, Theatern, Schlachthäusern [...]“ (Z. 15),
„schrumpft [...] die Vielzahl der Städte zur einzigen Stadt zusammen, die Stadt zur
einzigen Straße [...]“ (Z. 37)
Verhältnis von Illusion und Desillusionierung
· antithetische Bewertung des Herbstes „zerrissenes Laub- und Nadelzeug [...]“ (Z. 4),
„wertlose Relikte der Natur“ (Z. 5) – „guter, reiner Wind, säubert [...]“ (Z. 34) für
Winterruhe und neuen Frühling
· Theatermetaphern zur Verdeutlichung der Illusion: Außenwelt kann den
Liebesschmerz nicht verdrängen (Statisterie/gemalte Kulisse)
· Menschen als Spielball des Schicksals, eines „Anonymen“, das über „ewigen
Sternen“ die Geschicke wie auf einer Bühne „auf hunderttausend Bühnchen“ die
„Rolle(n)“ verteilt
ironisch-distanzierter Grundton des Erzählers gegenüber dem pathetischen Empfinden des
Mannes
· Sprachformen der Unwirklichkeit: Konjunktiv „als verschwände“, Verb „scheinen“
· Schein statt Sein: „Vielfalt der menschlichen Komödie“, „Szene“, „undankbare
Rolle“
· Personifikation, Hyperbel und Antithese: „Dort atmet seine Not, speist jetzt zu Abend
[...] in ihrer kleinen Hand ruht die große Welt [...] wie ein Papierkügelchen“ (Z. 41 f.)
· Wortschöpfung: „abendbrotwärts“
· semantische Brüche: „die ewigen Sterne schwingen“
· Stilmittel des Komischen: grotesker Vergleich „Dezemberwind [...] wie der
Gerichtsvollzieher“, Personifikation „Baum [...] Blöße zu verhüllen“
Für die Lösung der Aufgabe ist es erforderlich, dass der Abiturient das Kernproblem des
Textes erkennt, beschreibt und mit Textbeispielen belegt. Die Zusammenhänge zwischen
Naturdarstellung, Beschreibung der äußeren Welt und der Innenwelt des Mannes muss er
verdeutlichen. Zumindest in Ansätzen sollte er die anteilnehmend-distanzierte Haltung des
Erzählers darstellen bzw. Brüche in der Erzählweise erkennen und bewerten.
Es ist auch denkbar, dass der Abiturient die Herbstmetapher als Symbol für das
fortgeschrittene Lebensalter des Mannes deutet und die Erzählung unter diesem Aspekt
interpretiert.
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Aufgabe IV
Ernst Stadler:
Friedrich von Logau:
Vorfrühling
Der Frühling
Der Schüler hat beide Gedichte vergleichend zu interpretieren. Dabei ist es zulässig, dass er
einen der beiden Texte intensiver beleuchtet als den anderen. Es ist ihm überlassen, welche
Vergleichsaspekte er ins Zentrum seiner Interpretation rückt. Keinesfalls wird er beide Texte
erschöpfend bearbeiten können.
Gedicht 1
Inhaltliche und formale Aspekte:
− lyrisches Ich betrachtet eine Situation
− Wahrnehmungen des Vorfrühlings „Lenzgeruch“, „grüner Saatregen“, „dehnte sich bereitet
Acker“, aber eher ungewöhnlich aus einer berichtenden Distanz (Präteritum)
− Veränderungen in der Natur „In dieser Märznacht“, „Straßen aufgewühlt“, „Winde schlugen
an“ wirken auf das Ich zurück, bewirken kraftvoll-dynamische Empfindungen „neuer Takt“,
„starke Wirbel mir im Blute rollten“, „In meinem Herzen ... ein Stürmen“, gleichzeitig sind
„Takt, Wirbel, Stürmen“ aber auch martialische Begriffe
− metrische Wechsel als Zeichen des Aufgewühltseins
− vorwiegend parataktische Syntax, die eher wie rhythmische Prosa wirkt
− dennoch typisch lyrische Strukturelemente wie Strophengliederung und Kreuzreim
− Brüche in der Lexik „verstörte Häusersenkung“, „Bläue hoher Morgenstunden“, „Schleusen
knirschten“ weisen mehr auf Veränderung der Welt hin als auf ein verinnerlichtes Erleben der
frühlingshaften Natur durch das lyrische Ich
− Dynamik durch Verben und Partizipien wie „aufgewühlt, schlagen an, rollen, knirschen,
ausbrechen, eingebrannt“ unterstützen ekstatischen Gestus
− Metaphern der Neugeburt und des Aufbruchs „meinem Herzen schwoll ein neuer Takt
entgegen“, „junges Werden“, „Bläue hoher Morgenstunden, die ins Weite führen sollten“,
„Abenteuer brach aus allen Fernen“, „junge Ausfahrtswinde“ verkünden ein neues
Lebensziel, die Bereitschaft zur Veränderung, den Aufbruch aus erstarrten Formen
− kühne Wortkombinationen „grüner Saatregen, eingebrannte Bläue, umwehte(n) Sterne(n)“
und Verben der Bewegung „aufgewühlt, schlugen, schwoll, rollten, knirschten, brach,
wellten, wuchsen“ symbolisieren den Aufbruch
− im Gegensatz dazu Statik durch das Verb „stehen“ in „Schicksal stand wartend“ als
unverrückbare Grenze, als unendliche Macht jenseits des Werdens und Drängens, „in
umwehten Sternen“
− Personifizierungen „Abenteuer brach“, „wuchsen Bahnen“, „Schicksal stand wartend“ für
dynamischen Wandel
− Vergleich „wie von aufgerollten Fahnen“ für innere Aufbruchstimmung
− Wiederholung des Schlüsselbegriffs „Herz“
− Schlüsselwörter „Schicksal, Sterne, Fahnen“ als heroische Symbole
− drei Dimensionen in der Darstellung: der empfindende Mensch, die frühlingshafte Natur, das
Schicksal, das „wartend“ die innere und äußere Bewegung verfolgt
Deutungsangebote:
„Vorfrühling“ sollte erfasst werden als ein expressionistisches Gedicht, das dem Leitmotiv des
Aufbruchs und der Erneuerung aus erstarrten gesellschaftlichen Strukturen verpflichtet ist. Die
Überwindung von unerträglichen Zeit- und Lebensumständen werden in einer euphorischen
Vision des Wandels besungen. Frühling und erste Morgendämmerung eröffnen neue Wege für
diesen Aufbruch.
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Daneben ist das Gedicht durch seine Kriegsmetaphorik aber auch als gewaltsamer Durchbruch
von Neuem, als Vorahnung des Krieges mit Zerstörung und Vernichtung zu verstehen. Vielleicht
ist es das „wartend(e)“ Schicksal, das sich der Mensch selbst bereitet.
Das Gedicht kann aber auch interpretiert werden als der Versuch eines Ichs durch die
Wahrnehmung und das Erleben der äußeren Natur den Weg einer inneren Wandlung zu suchen
und zu beschreiten, gewissermaßen als Weg zu sich selbst, als Suche, die in die Weite führt und
noch nicht abgeschlossen ist.
Gedicht 2
Das Gedicht von Friedrich von Logau sollte vom Schüler als ein typisches Barockgedicht erfasst
werden, in dem die Situation des lyrischen Ichs Anlass ist, über das Handeln des Menschen in
einer vom Dreißigjährigen Krieg ver- und zerstörten Welt nachzudenken.
Inhaltliche und formale Aspekte:
− Thematik und Form verweisen auf barockes Gedicht
− sonettähnliche Struktur des Gedichtes (14 Verszeilen, antithetischer Aufbau: Verse 1 - 8 und
9 - 14)
− metrisches Gleichmaß (vierhebige Trochäen)
− regelmäßige Reimstruktur (Paarreim, weibliche Kadenzen)
− archaische Sprachmuster: „für trübem kräncken“, „wann“ als konditional verwendete
Konjunktion und veraltete Orthografie „pralen, diß, bey“
− Gegenüberstellungen: „Himmel – Erde“, „Bäume – Brunnen“, „Vogel – Fische“,
„Himmel – Mensch“
− asyndetische Reihung von Verben: „raubet, schändet, brennet“
− Allegorie „Mars“ für Krieg
− Personifikationen: „Himmel ... lachet“, „Bäume Häupter pralen“
− Wiederholung: „die Fische Sprünge springen“
− kunstvolle Gestaltung durch anaphorische Reihung von Kausalsätzen (Z. 1 - 7) zur
Beschreibung der Schönheit des Frühlings
− Metaphern für den Frühling: „Feld und Wiesen mahlen“ sich, „der Bäume Häupter pralen“,
„die Brunnen Silber gissen“.
− Gegensatz zwischen Vollkommenheit der frühlingshaften Natur „Frühlings-Lüste(n)“ und
dem menschlichen Treiben „Mars erfrischet sein verwüsten ... raubet, schändet, brennet“,
besonders verdeutlicht durch die negativ besetzten Verben
− Trauer und Enttäuschung über dieses widersinnige, unselige menschliche Treiben,
verdeutlicht durch die schmerzliche Interjektion „O“ und „muß ... kräncken“
Deutungsansätze:
Von Logaus Gedicht kann als eine eindringliche Mahnung eines lyrischen Ichs interpretiert
werden, das in lehrhafter Form dem Menschen sein Fehlverhalten (seine Kriegslust) vor Augen
führt, um so einen Sinneswandel zu bewirken. Es ist also keinesfalls als ein Erlebnisgedicht zu
verstehen, in dem ein Ich seine Empfindungen angesichts der erwachenden Natur artikuliert.
Vielmehr ist der Frühling nur Anlass, über die Zustände der Welt und das menschliche Handeln
zu reflektieren, was auch in der völligen Zurücknahme des lyrischen Sprechers sichtbar wird.
Vergleichsaspekte:
− Frühling in beiden Gedichten als Anlass zur Reflexion über die Welt und ihre Zustände
− bei Stadler Impuls zum Aufbruch, bei Logau Impuls zur inneren Ein- und Umkehr
− bei Stadler Wirkung der Natur auf den Wandel des Ichs, seine dynamische Erneuerung und
damit auch der Welt, bei Logau indirekte, beschwörende Mahnung zum Wandel und zur
Umkehr
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− in beiden Gedichten Problematik des Krieges: verklärte Sicht auf den Krieg bei Stadler,
leidvolle Kriegserfahrung bei Logau
HINWEISE ZUR KORREKTUR UND BEWERTUNG
Grundlage für die Bewertung der Abituraufsätze sind:
− die Einheitlichen Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung Deutsch (EPA) der
Kultusministerkonferenz vom 01.12.1989
− die Abiturprüfungsverordnung (APVO) vom 03.06.1996
− die Arbeits- und Prüfungsverordnung gymnasiale Oberstufe (APVO - GO M-V) vom
16.01.1999
− die Abendgymnasiumsverordnung (AbiAGyVO M-V) vom 20.09.1997
− der Runderlass des Kultusministeriums zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung vom
08.10.1996
− der Erlass des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur M-V vom 30.04.1999 zur
Korrektur und Bewertung von Abiturprüfungsarbeiten
In Übereinstimmung mit o. g. Verordnungen und Beschlüssen werden folgende Hinweise
gegeben:
Orientierung für die Bewertung sind die Lösungshinweise für Lehrer. Sie sind ein Angebot, das
keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Inwieweit dieses Angebot zum Maßstab für die
Bewertung der Schülerarbeiten gemacht wird, hängt von den im Unterricht geschaffenen
Voraussetzungen ab. Vom Erwartungshorizont abweichende Erkenntnisse und Deutungen sind
zu akzeptieren, wenn sie der Aufgabenstellung entsprechen, sachlich richtig und nachvollziehbar
begründet sind.
Der korrigierende Lehrer muss sowohl Gelungenes als auch Mängel klar markieren und
kommentieren. Das Gesamtergebnis wird in Notenpunkten ausgewiesen und in einem Gutachten
erläutert und begründet.
Aus den Anforderungsbereichen der EPA lassen sich hinsichtlich der Bewertung folgende
Fragestellungen ableiten:
Themenbezug
Sind Thema und Aufgabenstellung richtig erfasst worden?
Wird das Thema konsequent bearbeitet?
Text- und Problemverständnis
Sind zentrale Probleme auch in ihrer Gewichtung erkannt?
Sind Intentionen und Wirkungen erkannt und aufgezeigt?
Anlage der Arbeit
Liegt ein Konzept zu Grunde?
Wird der Leser zum Thema und zur Problemstellung hingeführt?
Sind Gedanken und Ausführungen am Gegenstand orientiert und nach einem erkennbaren
Prinzip geordnet?
Stimmen die Proportionen der Teile?
Wird Sprache angemessen eingesetzt?
Sind die Gedanken klar formuliert?
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Sind Wortwahl und Satzbau variabel?
Werden Stilmittel intentions- und funktionsgerecht ausgewählt?
Sach- und Methodenkenntnis
Stehen die jeweils notwendigen, im Unterricht vermittelten Fachkenntnisse zur Verfügung?
Kommen sach- und fachgerechte Untersuchungsverfahren zum Einsatz?
Werden inhaltliche und formale Aspekte des Untersuchungsgegenstandes nicht nur aufgezählt,
sondern auch in ihrer Wechselbeziehung ausgewertet?
Werden Text- oder Zitatinhalte nicht nur paraphrasiert, sondern der Lösung der Aufgabe
zugeordnet?
Abstraktionsfähigkeit und Eigenständigkeit
In welchem Maße durchdringt der Schüler das Thema?
Wie vielfältig und funktional bedeutsam sind die ausgewählten und dargestellten
Gesichtspunkte, welches Gewicht haben die einzelnen Aussagen?
Gelingen dem Schüler Transfers?
Werden eigene Stellungnahmen und Wertungen vorgenommen?
Werden die eigenen Ergebnisse, wird das selbst gewählte Verfahren kritisch befragt?
In welchem Grad sind bei der Gedankenentwicklung und Materialverarbeitung Selbstständigkeit,
Eigenständigkeit und Originalität erkennbar?
Elementarbereich
Beherrscht der Schüler die syntaktischen und morphologischen Gesetzmäßigkeiten?
Inwieweit wird gegen grundlegende Rechtschreib- und Zeichensetzungsregeln verstoßen?
Inwieweit wird durch Verstöße im Elementarbereich das Verständnis eingeschränkt?
Den Leistungen, die dem Anforderungsbereich III der EPA entsprechen, ist besonderes Gewicht
beizumessen.
Schwerwiegende Verstöße gegen sprachliche Regeln und Normen müssen bei der Bewertung der
Arbeit angemessen berücksichtigt werden. Die Bewertung des Elementarbereichs ist integrativer
Bestandteil der Gesamtbenotung. Der Abzug von einem oder von zwei Punkten lt. § 26 (12) der
Abiturprüfungsverordnung darf im Abituraufsatz nur in besonders krassen Fällen in Bezug auf
die äußere Form vorgenommen werden, nicht aber auf die bereits vorher berücksichtigten
sprachlichen Verstöße.
Korrekturzeichen, Randbemerkungen, Notenpunkte und Abschlussgutachten müssen im
Zusammenhang stehen und in ihrer Tendenz stimmig sein.