Günter Kunert: Mondnacht

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Günter Kunert: Mondnacht
Hinweise für Lehrer
1. Den Prüflingen ist ein Nachschlagewerk zur Neuregelung der deutschen
Rechtschreibung zur Verfügung zu stellen.
2. Die Lösungshinweise sind eine Orientierung für den Lehrer. Sie
erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit und sind kein vom
Abiturienten lückenlos abzuarbeitendes Erwartungsbild. Das muss der
Lehrer in Abhängigkeit von den im Unterricht geschaffenen
Voraussetzungen präzisieren.
Entwickelt der Abiturient andere, vom jeweiligen Erwartungshorizont
abweichende Ergebnisse, sind diese zu akzeptieren, wenn sie der
Aufgabenstellung entsprechen, sachlich richtig und nachvollziehbar
begründet sind.
3. Für die Korrektur ist Punkt 2 des Runderlasses des Kultusministeriums
vom 08.10.1996 zu beachten.
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Aufgabe I
Robert Musil:
„Eine fertige Weltanschauung verträgt keine Dichtung.“
Notwendig ist zunächst die präzise Untersuchung des Musil-Zitates und der Aufgabenstellung,
um eigene Erörterungsschwerpunkte zu setzen und eine sinnvolle Erarbeitungsstruktur mit
vielfältigen und plausiblen Argumenten abzuleiten.
Die argumentative Auseinandersetzung mit dem Zitat muss sowohl „fertige Weltanschauung“
erklären als auch die vielfältigen Angebote der Dichtkunst deutlich machen. „Fertige
Weltanschauung“ kann unter anderem Einschränkung, Gleichschaltung bedeuten und sowohl der
Freiheit des Wortes als auch der Poesie widerstreben und somit häufig zum Störfaktor werden.
Poesie und Eigenständigkeit der Dichtung in ihrer weltanschaulichen Unabhängigkeit sind
herauszuarbeiten. Dabei ist der Schwerpunkt auf die der Dichtung innewohnenden Utopien,
Angebote, Verzauberungen, Freiheiten usw. zu setzen.
Der Abiturient muss sich mit dieser Auffassung auseinander setzen und sie im Ergebnis
befürworten oder ablehnen. In jedem Fall soll er anhand konkreter Werke eigener Wahl zeigen,
welche Konsequenzen und Möglichkeiten aus der jeweiligen Position heraus für den
Schriftsteller und den Leser erwachsen.
Überzeugen kann die Darstellung nur, wenn Texte gewählt werden, die dem konkreten Anspruch
des Musil-Zitates gerecht werden bzw. dem entgegenstehen.
Aufgabe II
Freya Klier:
Wir Brüder und Schwestern
Nach zehn Jahren deutscher Einheit zieht Freya Klier ein kritisch-distanziertes (zum Teil auch
ironisch gebrochenes) und dennoch sehr persönliches („wir“, „ich“) Resümee zum Leben im
vereinten Deutschland.
Sie behauptet, dass
- jegliche Euphorien verflogen sind,
- nach zehn Jahren Einheit das Leben in Deutschland weitgehend normal verläuft,
- die Deutschen in dieser Zeit Verständnis füreinander entwickelt haben und in
Ausnahmesituationen („bei Hochwasser“) „einander beistehen“,
- über die Bewohner des Ostens mehr reflektiert wurde als über die des Westens,
- auch die Bewohner des Westens an den Folgen der Wiedervereinigung zu tragen haben,
- es gleichermaßen auf beiden Seiten Gewinner und Verlierer gibt,
- im Wesentlichen nur Persönlichkeiten der Öffentlichkeit Aufmerksamkeit erfahren haben,
- jedoch ein jeder das Recht auf Beachtung hat.
Die Autorin verdeutlicht die Komplexität des Lebens, indem sie Polaritäten und Verwobenheiten
auf unterschiedlichen Ebenen darstellt (Vergangenheit – Gegenwart, Ost – West, Befürworter –
Gegner, Gewinner – Verlierer, Abstürze – Aufstiege, Distanz – Nähe; Umgangssprache –
gehobene Sprache, adversative Konjunktionen).
Am Ende des Textes betont Freya Klier ihre Position: Sie plädiert – nur scheinbar
zurückgenommen („ein bißchen“, „meine ich“) – warmherzig für die „kleinen Leute“
(rhetorische Frage mit Antwort, einfacher Satzbau, bildhafte Sprache).
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Die Abiturienten sollen
- ihre eigene Sicht zur Sichtweise der Autorin in Beziehung setzen,
- sich befürwortend, relativierend oder ablehnend äußern,
- auf der Basis persönlicher Erfahrungen argumentieren.
Aufgabe III
Norbert Gstrein:
Einer
Ein Er-Erzähler lässt zunächst eine anfänglich nicht näher bezeichnete Figur darüber
reflektieren, wie sie über andere denkt und sich ihnen gegenüber verhält. Als Sohn eines
österreichischen Vermieters erfährt Jakob Charakter und Gebaren der deutschen Urlaubsgäste
und die scheinbar unlösbare Konfliktsituation, einerseits vom Geld der Touristen abhängig zu
sein, andererseits gegenüber den Deutschen eine eigene (österreichische) Identität bewahren zu
wollen.
Struktur/Gestaltungsmittel/Wirkung:
- Titel: auffällige Unkonkretheit, Namenlosigkeit
- Perspektivwechsel (auktorial und personal)
- Hauptfigur nur pronominal eingeführt (einer von vielen, auswechselbar)
- innerer Konflikt der Hauptfigur entsteht aus Selbstverleugnung
- äußerer (unterdrückter) Konflikt erwächst aus Überheblichkeit der deutschen Touristen und
ihrer Vereinnahmungsstrategie
- Charakterisierung dieser Touristen als Vertreter und Exporteure eines billigen, aber
finanzkräftigen „Glücks“
- mehrfach ungekennzeichnete wörtliche Rede der Deutschen
- Präzisierung und Charakterisierung der Hauptfigur durch Namensgebung und ihre
Reflexionen (eventuell Bezug zur biblischen Figur: Jakob, der Lügner, 1. Moses 27)
- Zusammenschau der Motive der Selbstverleugnung und der Vereinnahmung und ihrer
gegenseitigen Bedingtheit
- plötzlicher neuer Adressatenbezug („Ob wir das wissen?“)
- Konflikte erfahren Steigerung durch Jakobs Versuch, sie zu lösen
- Jakobs Rückblende verdeutlicht Fassungslosigkeit über Sogwirkung des Prozesses der Selbstverleugnung, illustriert am Beispiel des Vaters (z. T. Elemente des Grotesken)
- hier expressis verbis Begriff der „Lüge“ (Bezug zur Bibel)
- Klimax (Z. 22 - 29) zeigt, wie innere Konflikte zu äußerer Gewalt gegen eigene Leute bzw.
sich selbst führen (Ausweg-/Hilflosigkeit)
- äußerer Konflikt produziert verbale Gewalt
- Jakobs Erkenntnis am Ende: für ihn keine Alternative zur Selbstverleugnung
- Frage nach den eigentlichen Ursachen der Konflikte und der Hilflosigkeit der Figuren muss
der Leser stellen
- Gewicht und Unausweichlichkeit der Konflikte syntaktisch unterstützt durch lange, z. T.
komplizierte Satzperioden
Deutungsangebote:
das Verhältnis von Individualität und Anpassung
Selbsthass und Selbstzerstörung als Folge von Selbstverleugnung
das Verhältnis zwischen Österreichern und Deutschen bzw. kulturelle und nationale Identität
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Aufgabe IV
Joseph von Eichendorff: Mondnacht
Günter Kunert:
Mondnacht
Gedicht I
Eichendorff formuliert in diesem Gedicht ein Grundgefühl der Romantik: die Sehnsucht nach
Überwindung und Versöhnung aller Gegensätze, mündend in einer Hinwendung zu Gott oder in
der Suche nach Heimat und Ursprung.
Struktur/Gestaltungsmittel/Wirkung:
- sanfte, träumerische Stimmungslage
- Beschreibung der Harmonie zwischen Mensch und Natur
- irreales zentrales Bild: Vereinigung von Himmel und Erde in Form von Kuss und Traum
(1. Strophe)
- Schilderung der gleichzeitig realen Vorgänge in der Natur
(2. Strophe)
- Verhältnis zwischen nächtlicher Natur und lyrischem Ich als Antwort auf Traumbild
(3. Strophe)
- typisch romantische Wortwahl mit großer Assoziationskraft: Nacht, Flügel, Seele
- Verwendung des Konjunktivs in Strophe 1 und 3 kennzeichnet den Wunsch, die Hoffnung,
die Traumwelt
- zentrale Bilder: Kuss von Himmel und Erde
Seele spannte Flügel aus, flog nach Haus (Symbol für romantische Sehnsucht)
- „und“ Bindeglied zwischen Natur und Mensch
- Enjambements: verbindendes Element (Z. 1 und 2), entgrenzendes Element (Z. 9 und 10)
- Strophe/Reim: einfach, liedhaft
Gedicht II
Das zentrale Thema des Gedichtes ist das Erinnern, ausgelöst durch Betrachtung des Mondes.
Der Widerspruch zwischen dem Titel und dem Textinhalt ruft Erstaunen und Erschrecken
hervor. Im Ergebnis des Erinnerns wird eine nihilistische Weltsicht erkennbar.
Struktur/Gestaltungsmittel/Wirkung:
- einleitende Metapher unterläuft Erwartungen, erzeugt düstere Grundstimmung
- zweistrophige Gliederung, ohne erkennbare Metrik, maximal als freie Rhythmen definierbarer
Sprachfluss
- Text ohne Interpunktion
- nur im letzten Vers Doppelpunkt als Ankündigung der verallgemeinerten Weltsicht: Leben ist
vielerorts unmöglich
- keine Verwendung weiterer „gedichttypischer“ Stilmittel
- Negativattribuierung zur Kennzeichnung der Lebenssituation (leblos, bitter usw.)
- Assoziation zu dunklen Märchenmotiven
- Verfremdung romantischer Motive
- expressive Bilder als Ausdruck existenzieller Grunderfahrungen
- Einbeziehung des Lesers durch Pronomina (Z. 11, 14, 15)
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Mögliche Ansätze zum Vergleich:
Gemeinsamkeiten: - Titel und Erwartungshaltung
- Nacht als lyrische Situation
- Naturerlebnis als Ausgangspunkt für Reflexion des lyrischen Ichs
Unterschiede:
- Gedicht der Romantik und Gedicht der Moderne
Grundgefühl des lyrischen Ichs
Eichendorff: Sehnsucht, Wunsch, Traum, Entgrenzung
Kunert:
hoffnungslose, nihilistische Weltsicht
- Strukturen:
Klang und sprachliche Bilder
Strophenbau und Reimform
-
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HINWEISE ZUR KORREKTUR UND BEWERTUNG
Grundlage für die Bewertung der Abituraufsätze sind:
− die Einheitlichen Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung Deutsch (EPA) der
Kultusministerkonferenz vom 01.12.1989
− die Abiturprüfungsverordnung (APVO) vom 03.06.1996
− die Arbeits- und Prüfungsverordnung gymnasiale Oberstufe (APVO - GO M-V) vom
16.01.1999
− die Abendgymnasiumsverordnung (AbiAGyVO M-V) vom 20.09.1997
− der Runderlass des Kultusministeriums zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung vom
08.10.1996
− der Erlass des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur M-V vom 30.04.1999 zur
Korrektur und Bewertung von Abiturprüfungsarbeiten
In Übereinstimmung mit o. g. Verordnungen und Beschlüssen werden folgende Hinweise
gegeben:
Die Lösungshinweise sind eine Orientierung für den Lehrer. Sie erheben keinen Anspruch auf
Vollständigkeit und sind kein vom Abiturienten lückenlos abzuarbeitendes Erwartungsbild.
Das muss der Lehrer in Abhängigkeit von den im Unterricht geschaffenen Voraussetzungen
präzisieren.
Entwickelt der Abiturient andere, vom jeweiligen Erwartungshorizont abweichende Ergebnisse,
sind diese zu akzeptieren, wenn sie der Aufgabenstellung entsprechen, sachlich richtig und
sachlich nachvollziehbar begründet sind.
Der korrigierende Lehrer muss sowohl Gelungenes als auch Mängel klar markieren und sachlich
kommentieren. Das Gesamtergebnis wird in Notenpunkten ausgewiesen und in einem Gutachten
erläutert und begründet.
Aus den Anforderungsbereichen der EPA lassen sich hinsichtlich der Bewertung folgende
Fragestellungen ableiten:
Themenbezug
Werden Thema und Aufgabenstellung richtig erfasst?
Wird das Thema konsequent bearbeitet?
Text- und Problemverständnis
Sind zentrale Probleme auch in ihrer Gewichtung erkannt?
Sind Intentionen und Wirkungen erkannt und aufgezeigt?
Anlage der Arbeit
Liegt ein Konzept zu Grunde?
Wird der Leser zum Thema und zur Problemstellung hingeführt?
Sind Gedanken und Ausführungen am Gegenstand orientiert und nach einem erkennbaren
Prinzip geordnet?
Stimmen die Proportionen der Teile?
Wird Sprache angemessen eingesetzt?
Sind die Gedanken klar formuliert?
Sind Wortwahl und Satzbau variabel?
Werden Stilmittel intentions- und funktionsgerecht ausgewählt?
Sach- und Methodenkenntnis
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Stehen die jeweils notwendigen, im Unterricht vermittelten Fachkenntnisse zur Verfügung?
Kommen sach- und fachgerechte Untersuchungsverfahren zum Einsatz?
Werden inhaltliche und formale Aspekte des Untersuchungsgegenstandes nicht nur aufgezählt,
sondern auch in ihrer Wechselbeziehung ausgewertet?
Werden Text- oder Zitatinhalte nicht nur paraphrasiert, sondern der Lösung der Aufgabe
zugeordnet?
Abstraktionsfähigkeit und Eigenständigkeit
In welchem Maße durchdringt der Schüler das Thema?
Wie vielfältig und funktional bedeutsam sind die ausgewählten und dargestellten
Gesichtspunkte, welches Gewicht haben die einzelnen Aussagen?
Gelingen dem Schüler Transfers?
Werden eigene Stellungnahmen und Wertungen vorgenommen?
Werden die eigenen Ergebnisse, wird das selbst gewählte Verfahren kritisch befragt?
In welchem Grad sind bei der Gedankenentwicklung und Materialverarbeitung Selbstständigkeit,
Eigenständigkeit und Originalität erkennbar?
Elementarbereich
Beherrscht der Schüler die syntaktischen und morphologischen Gesetzmäßigkeiten?
Inwieweit wird gegen grundlegende Rechtschreib- und Zeichensetzungsregeln verstoßen?
Inwieweit wird durch Verstöße im Elementarbereich das Verständnis eingeschränkt?
Den Leistungen, die dem Anforderungsbereich III der EPA entsprechen, ist besonderes Gewicht
beizumessen.
Schwerwiegende Verstöße gegen sprachliche Regeln und Normen müssen bei der Bewertung der
Arbeit angemessen berücksichtigt werden. Die Bewertung des Elementarbereichs ist integrativer
Bestandteil der Gesamtbenotung. Der Abzug von einem oder von zwei Punkten lt. § 26 (12) der
Abiturprüfungsverordnung darf im Abituraufsatz nur in besonders krassen Fällen in Bezug auf
die äußere Form vorgenommen werden, nicht aber auf die bereits vorher berücksichtigten
sprachlichen Verstöße.
Korrekturzeichen, Randbemerkungen, Notenpunkte und Abschlussgutachten müssen im
Zusammenhang stehen und in ihrer Tendenz stimmig sein.