Die Insolvenzfestigkeit von Open Source Lizenzen Julia
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Die Insolvenzfestigkeit von Open Source Lizenzen Julia
Die Insolvenzfestigkeit von Open Source Lizenzen Julia Merkle Bachelorarbeit an der HWR Berlin im Studiengang Wirtschaftsrecht Matrikelnummer: 324087 Erstbetreuer: Dr. Martini Zweitbetreuer: Prof. Dr. Schunke Eidesstattliche Erklärung Hiermit erkläre ich an Eides statt, dass ich die vorliegende Abschlussarbeit selbständig und ohne fremde Hilfe verfasst und andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt habe. Die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen (direkte oder indirekte Zitate) habe ich unter Benennung des Autors/der Autorin und der Fundstelle als solche kenntlich gemacht. Sollte ich die Arbeit anderweitig zu Prüfungszwecken eingereicht haben, sei es vollständig oder in Teilen, habe ich die Prüfer/innen und den Prüfungsausschuss hierüber informiert. Berlin, den 30. Juli 2014 Julia Merkle Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 2 Open Source Software und Lizenzen . . . . . . . . . . 2.1 Open Source Software: Entwicklung und Definition . . 2.2 Open Source Lizenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Wirtschaftliche Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 3 5 9 3 Die 3.1 3.2 3.3 Problems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 12 13 14 4 Die Insolvenzfestigkeit von Open Source Lizenzen . . 4.1 Rechtseinräumung vor Insolvenzeröffnung . . . . . . . . 4.1.1 Synallagmatische Vertragsverhältnisse . . . . . . 4.1.2 Erfüllung des Vertragsverhältnisses . . . . . . . 4.1.3 Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Rechtseinräumung nach Insolvenzeröffnung . . . . . . . 4.2.1 Folgen der Insolvenzeröffnung . . . . . . . . . . 4.2.2 Problem: Lizenzhinweise . . . . . . . . . . . . . 4.2.3 Gutgläubiger Erwerb . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.4 Sukzessionsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.5 Umwandlung in proprietäre Software . . . . . . 4.2.6 Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Fazit: Unstimmige Situation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 19 20 21 23 26 26 27 28 28 30 31 31 5 Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Lizenzvertragliche Anpassungen . . . . . . . . . . . . . 5.2 Weitere Gestaltungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . 5.2.1 Sicherungsnießbrauch . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2 Einredeverzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.3 Problem der Rechtsmängelhaftung . . . . . . . 5.2.4 Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Einführung eines § 108a InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 32 34 34 36 37 37 38 6 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Insolvenzrechtsreform als Rechtslage vor 1999 . . . . . Insolvenzrechtsreform 1999 . Rechtslage nach 1999 . . . . Ursache des . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I Inhaltsverzeichnis Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 II Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis BB Betriebs-Berater BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGH Bundesgerichtshof BMJ Bundesministerium für Justiz BR-Drs. Bundesrat-Drucksache BT-Drs. Bundestag-Drucksache CR Computer und Recht DZWIR Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht FIH Forschungsinstitut Havelhöhe FK-InsO Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung FSF Free Software Foundation GesO Gesamtvollstreckungsordnung GNU GNU is not unix GPLv2 General Public License Version 2 GPLv3 General Public License Version 3 GRUR Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht GRUR (Int.) Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Internationaler Teil) ifrOSS Institut für Rechtsfragen der Freien und Open Source Software InsO Insolvenzordnung ITRB Der IT-Rechts-Berater KO Konkursordnung LG Landesgericht III Abkürzungsverzeichnis LGPL Lesser General Public License MüKo Münchener Kommentar NJW Neue Juristische Wochenschrift NZI Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung OLG Oberlandesgericht OSI Open Source Initiative Rn. Randnummer UrhG Urhebergesetz VerlG Gesetz zum Verlagsrecht VglO Vergleichsordnung WRP Wettbewerb in Recht und Praxis ZIP Zeitschrift für Wirtschaftsrecht ZUM-RD Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht IV 1 Einleitung 1 Einleitung Open Source Produkte sind in vielen Bereichen als Alternative zu herkömmlicher Software zu finden. Linux oder OpenOffice sind z.B. als Betriebssystem bzw. Open Source Software weit verbreitet. Dabei wird diese Software nicht immer nur von Initiativen oder privaten Entwicklern, sondern auch von absatzorientierten Unternehmen, wie Intel®, entwickelt und zur Verfügung gestellt. Mit Open Source Software verbinden viele zunächst nur kostenlos im Internet verfügbare Programme. Dahinter verbirgt sich jedoch ein Konzept, dass den Gegenpol zur kommerziellen bzw. proprietären Software darstellt. Mit der Sicherstellung verschiedener Freiheiten sollen dabei Benutzern mehr Rechte als bei der üblichen kommerziellen Software eingeräumt werden. Open Source Software bietet einige Vorteile im Vergleich zur kommerziellen Software. So entstehen bei der reinen Nutzung von Open Source Produkten keine Lizenzkosten. Ein weiterer Vorteil ist, dass durch den Wechsel auf preiswerte Standardhardware und geringerer Ressourcenanforderungen bei Open Source Programmen Hardwarekosten eingespart werden können. Man profitiert außerdem von dem Know-how anderer Entwickler und ist gegenüber anderer Softwareanbieter unabhängig.1 So greift unter anderem auch das Forschungsinstitut Havelhöhe (FIH) gGmbH aus Berlin auf „R“, eine Open Source Software für statistische Berechnungen und der grafischen Darstellung der Ergebnisse, zurück. Das Forschungsinstitut nutzt dieses Programm außerdem für den gesamten vorausgehenden data mining Prozess (Datengewinnung). Neben den Kosteneinsparungen bietet das Programm mehr Flexibilität und Möglichkeiten, als die kostenpflichtigen Alternativen. Aus wissenschaftlicher Sicht besteht außerdem der Vorteil, dass die Ergebnisse und Skripte für jedermann nachvollziehbar und transparent sind.2 Was wäre aber, wenn die „R Foundation“(Stiftung) etwa wegen dem Ausbleiben von Spenden oder massenhaftem Austritt von Mitgliedern insolvent werden würde? Die Insolvenzfestigkeit von Open Source Software in der Insolvenz des Lizenzgebers ist ein bislang juristisch wenig untersuchtes Thema. Dies wirft vor allem zwei Fragen auf: 1 2 Vgl. Wichmann, Linux- und Open-Source-Strategien, S. 34 ff. Vgl. Schriftliche Befragung von Dr. Jan Axtner, wissenschaftlicher Mitarbeiter FIH, vom 14.07.2014, im Anhang auf S. 48. 1 1 Einleitung 1. Kann der Lizenznehmer auf den Bestand der bereits übertragenen Nutzungsrechte auch nach Insolvenzeröffnung des Lizenzgebers vertrauen? 2. Können auch nach der Insolvenzeröffnung Nutzungsrechte erworben werden? Ein Blick ins Gesetz verschafft keine Abhilfe. Mit Überarbeitung der Insolvenzrechtsreform 1999 ist zudem die zuvor mittels analoge Anwendung anerkannte Insolvenzfestigkeit von Lizenzen in Frage gestellt. Um sich insbesondere den beiden Fragen nähern zu können, werden zunächst allgemein die Begriffe der Open Source Software und Open Source Lizenzen dargelegt. Neben der Entwicklung und Definition wird auch auf die wirtschaftliche Bedeutung der Open Source Software eingegangen, die unter Umständen auf dem ersten Blick nicht sofort ersichtlich ist. Eine Kategorisierung verschiedener Open Source Lizenzen sowie die Abgrenzung zu proprietären Lizenzen soll schließlich einen Überblick über die Vielfalt der existierenden Open Source Lizenzen verschaffen. Anschließend wird die Insolvenzrechtsreform als Ursache des Problems näher beleuchtet. Dabei wird die Rechtslage vor und nach Überarbeitung des Gesetzes verglichen. Es sollen außerdem die Beweggründe der Reform dargestellt werden. Schließlich soll speziell die Insolvenzfestigkeit von Open Source Lizenzen näher betrachtet werden. Kann der Insolvenzverwalter die Nutzungsrechte einschränken oder gelten die Nutzungsrechte fort und sind insolvenzfest? In diesem Rahmen wird die Situation vor und nach Insolvenzeröffnung untersucht. Die Bachelorarbeit beschränkt sich dabei auf den Fall, dass der Lizenzgeber als Herausgeber der Software insolvent wird. Die Insolvenz des Lizenznehmers wird hingegen nicht betrachtet. Auf Basis dieser Ergebnisse werden anschließend verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten untersucht, die eine Insolvenzfestigkeit herbeiführen könnten. Ziel der Arbeit ist es, den aktuellen Rechtsstand in Deutschland zu dem Thema „Insolvenzfestigkeit von Open Source Lizenzen“ und den Umgang hiermit darzustellen. 2 2 Open Source Software und Lizenzen 2 Open Source Software und Lizenzen Bevor auf die Problematik der Insolvenzfestigkeit eingegangen wird, werden zunächst die Entwicklung und Definition von Open Source Software geklärt, um ein einheitliches Verständnis zu schaffen. Anschließend werden gängige Lizenzmodelle vorgestellt, die den Anforderungen an Open Source Software gerecht werden. Schließlich wird die wirtschaftliche Bedeutung von Open Source Anwendungen thematisiert, die von vielen zunächst durch den Begriff und dem Konzept von Open Source nicht vermutet wird. 2.1 Open Source Software: Entwicklung und Definition In den 80er Jahren fand in den USA eine Open Source Bewegung statt, die durch die US-amerikanische „Free Software Foundation“ (kurz: FSF) ausgelöst wurde. Dieser Bewegung trat Ende der 90er Jahre die „Open Source Initiative“ hinzu. Den Begriff der Open Source Software gibt es damit seit 1998. Dank den Bemühungen der freien Softwareszene, wurden bereits frühzeitig die wesentlichen Eigenschaften der Freien Software definiert, um sie damit von der sogenannten „proprietären“ Software abzugrenzen.3 Die erste grundlegende Definition von Freier Software stammt von der FSF, in der vor allem der durch die Lizenzen ermöglichte freie Nutzen betont wird. Sie beschreiben Open Source Software folgendermaßen4 : „Ganz allgemein bedeutet das, dass Nutzer die Freiheit haben, Software auszuführen, zu kopieren, zu untersuchen, zu ändern oder zu verbessern.“ Wie stehen aber die beiden verwendeten Begriffe „Freie Software“ und „Open Source Software“ zueinander? Zu Beginn der Bewegung war der Begriff der Freien Software gebräuchlich. Allerdings wurde dies vor allem in der Industrie mit Verschenken und damit Geschäftsfeindlichkeit assoziiert und schreckte vor der Nutzung solcher Programme ab. Um dem entgegenzuwirken, wurde eine Marketingoffensive gestartet. Daraus hat sich am 3. Februar 1998 in 3 Dreier, in: Dreier/Schulze, § 69c Rn. 38; Jaeger/Metzger, Open Source Software, Rn. 2 f. 4 GNU, Was ist freie Software?, URL: http://www.gnu.org/philosophy/ free-sw.de.html [Zugriff am 15.04.2014]. 3 2 Open Source Software und Lizenzen Kalifornien die „Open Source Initiative“ sowie der Begriff „Open Source“ herausgebildet. Einer der ersten Aktionen der Initiative war die Definition des Begriffs der Open Source Software.5 Dabei wurden folgende Kriterien festgelegt6 : – Freie Weitergabe: Die Lizenz darf keinem Nutzer den Verkauf oder die Weitergabe der Software als Teil eines Pakets mit Programmen aus verschiedenen Quellen unterbinden. Für die Lizenz darf keine Gebühr anfallen. – Source Code: Der Quellcode muss im Programm enthalten sein. Die Verbreitung des Codes darf nicht unterbunden werden. – Veränderungen/Ableitungen: Veränderungen sind erlaubt und unter den gleichen Bedingungen wie die der Ausgangsversion zugänglich zu machen. – Integrität: Die Lizenz kann die Verbreitung des geänderten Quellcodes nur verbieten, wenn die Lizenzen stattdessen die Verbreitung von „patch files“ (kleine Programmteile) erlaubt, mit denen das Programm modifiziert werden darf. – Keine Diskriminierung: Die Lizenz darf unter keinen Umstän- den Personen oder Personengruppen diskriminieren. Darüber hinaus darf sie nicht auf bestimmte Anwendungsfelder (z.B. auf ausschließlich berufliche Nutzung) beschränkt werden. – Verteilung der Lizenzen: Die Rechte, die am Programm ge- bunden sind, stehen allen Nutzern zu, ohne, dass sie eine Zustimmung einholen müssen. – Keine Spezifizierung: Die Rechte, die dem Programm anhaf- ten, hängen nicht von der Nutzung eines bestimmten Produktes ab. – Keine Verbote: Lizenzen dürfen keine Verbote auf Software verhängen, die zusammen mit der lizenzierten Software vertrieben wird. 5 Open Source Initiative, History of the OSI, URL: http://opensource.org/ history [Zugriff am 14.04.2014]. 6 Open Source Initiative, Open Source Definition, URL: http://opensource. org/docs/osd [Zugriff am 16.04.2014]. 4 2 Open Source Software und Lizenzen – Neutralität: Die Lizenzen dürfen nicht die Bedingung enthal- ten, dass Anwendungen auf individuelle Technologie oder bestimmte Schnittstellen basieren. Im Zentrum steht dabei, dass Änderungen am offenen Quellcode ebenfalls unter den gleichen Bedienungen wie die Open Source Lizenz der Ausgangsversion anderen Nutzern zugänglich gemacht wird.7 Die Namensänderung Ende der 90er Jahre zeigte Wirkung; große Unternehmen wie IBM und Oracle kündigten die Migration und Portierung (Plattformumstellung) ihrer Hard- und Software auf Open Source Anwendungen an. Kritik gab es vor allem aus dem Lager der Free Software Bewegung. Insbesondere die Free Software Foundation sah hier einen Prinzipienwandel, bei dem nur noch der offene Quellcode im Vordergrund stehe und auch „unfreie“ Software darunter falle könne. 8 Sie kritisieren, dass ihre ethischen und sozialen Werte, insbesondere die Achtung der Freiheit der Nutzer, nicht bei Open Source Software Anforderungen wiederzufinden wären. Zu sehr würden dort die praktischen Werte, die Schaffung einer leistungsstarken und zuverlässigen Software, überwiegen. Der soziale Aspekt würde dort in den Hintergrund verdrängt sein.9 Die nahezu übereinstimmenden Anforderungen an die Software und die Argumentation der Kritiker verdeutlichen, dass es sich hier weniger um eine inhaltliche, denn eine ideologische Diskussion handelt. Eine Trennung dieser Begriffe wird im Rahmen dieser Bachelorarbeit daher nicht vorgenommen. 2.2 Open Source Lizenzen Eine Softwarelizenz bestimmt die mit der Nutzung verbundenen Rechten und Pflichten für die Lizenznehmer. Sie ist durch § 2 I UrhG geschützt. § 12 UrhG ermöglicht es dem Urheber zu entscheiden, ob und wie er seine Software veröffentlichen möchte und welche Lizenz er dafür wählt. Die Lizenzen speziell für Open Source Software werden von der Open Source Initiative als solche anerkannt. Diese entsprechen den in Kapitel 2.1 vorgestellten Kriterien und garantieren vor allem die freie Nutzung, sowie die Änderung und Verbrei7 Auer-Reinsdorff, ITRB 2009, 69. Jaeger/Metzger, Open Source Software, Rn. 4. 9 GNU, Why Open Source misses the point of Free Software, URL: http: //www.gnu.org/philosophy/open-source-misses-the-point.de.html [Zugriff am 17.04.2014]. 8 5 2 Open Source Software und Lizenzen Abbildung 1: Abgrenzung Open Source und proritäre Software Software Open Source Proprietär Kommerzielle Vollversion Copyleft Strenges Copyleft Nur Binär Beschränktes Copyleft Binär & Quellcode Non Copyleft Shareware Freeware Freie Software Quellcode für Anwender verfügbar Kostenlos verfügbar Darstellung in Anlehnung an: Bundesverwaltungsamt, URL: http://www. bva.bund.de/DE/Organisation/Abteilungen/Abteilung_BIT/Leistungen/IT_ Beratungsleistungen/CCOSS/02_OSS/03_Open-Source-Lizenzen/node.html [Zugriff am 20.04.2014] tung der Software. Software, die keine Open Source Lizenz erhalten würde, wird als proprietäre Software bezeichnet. In Einzelfällen besteht auch die Möglichkeit, die Software sowohl proprietären als auch Open Source Lizenzen zu unterstellen (sog. Dual Licensing). Die proprietäre Lizenz erlaubt die kommerzielle Nutzung, die, je nach Ausgestaltung, auch zum Beispiel Support- oder Softwarepflegeanspruch vorsehen kann. Die Nutzer erhalten nur den Binärcode, der durch kompilieren des Quellcodes entsteht. Durch diese Übersetzung in einen Maschinencode wird die Nutzung des Programms ermöglicht, aber die Offenlegung und somit Weitergabe des Codes verhindert. Nur in Ausnahmefällen dürfen Benutzer auf den Quellcode zugreifen. In der Regel fallen bei proprietärer Software Lizenzkosten an. Diese fallen lediglich bei der kostenlosen Shareware (zeitlich beschränkte Nutzung, z.B. WinZip®) und Freeware (zeitlich unbeschränkte Nutzung, z.B. Adobe Reader) nicht an. Der nicht offengelegte Quellcode und die Unterbindung der Weitergabe machen alle Ausformungen der proprietären Software zu „unfreier“ Software. Eine Übersicht der Abgrenzung zwischen Open Source und proprietärer Software bietet Abbildung 1. 10 Die Lizenz wird 6 2 Open Source Software und Lizenzen durch einen schuldrechtlichen Vertrag eingeräumt. Der schuldrechtliche Lizenzvertrag ist gesetzlich nicht geregelt. Das anwendbare Recht leitet sich daher aus vielen verschiedenen Einzelregelungen, insbesondere aus dem Urhebergesetz (UrhG), ab.11 Es existieren eine Vielzahl von Lizenzen, die den Kriterien der Open Source Software gerecht werden. Abbildung 2 auf der nächsten Seite stellt die 20 beliebtesten Open Source Lizenzen dar. Allerdings nutzen rund 96 Prozent der Open Source Software die in den Top 10 aufgelisteten Lizenzen. Mit 27 Prozent ist die General Public License 2.0 (GPLv2) die beliebteste der Open Source Lizenzen und wird bei fast einem Drittel als Grundlage herangezogen. 17 Prozent nutzen die MIT License. Gerne genutzt werden außerdem die General Public License 3.0 (GPLv3) und die Apache License. Da die ersten vier Lizenzen bereits 70 Prozent ausmachen, haben die übrigen Lizenzen einen eher geringen Anteil. Dazu gehören auch unter anderem die von Microsoft geschaffene Lizenz „Microsoft Public License“ (0,4 Prozent) oder die von Mozilla stammende „Mozilla Public License“ (0,89 Prozent). Unterteilt man die Open Source Lizenzen nach Lizenzierungspflichten bei Bearbeitungen, erhält man fünf Kategorien: 1. Lizenzen mit einer strengen Copyleft-Regelung sehen vor, dass alle Bearbeitungen die gleiche Lizenz wie die Ursprungslizenz erhalten. Hierunter fallen zum Beispiel die prozentual am meisten genutzten Lizenzen General Public Licenses 2 und 3 (GPLv2, GPLv3). Das vom Forschungsinstitut Havelhöhe genutzte Open Source Programm „R“ nutzt z.B. die GPLv212 .13 2. Ist hingegen nur eine beschränkte Copyleftklausel vorgesehen, sind Ausnahmen bei der Lizensierungspflicht für Bearbeitungen möglich. Dies ermöglicht Kombinationen mit anderen proprietären Softwaremodulen unter anderen Lizenzbedingungen. Solch eine Klausel beinhaltet unter anderem die Mozilla Public License und die GNU Lesser General Public 10 Bundesverwaltungsamt, Open-Source-Lizenzen, URL: http://www.bva. bund.de/DE/Organisation/Abteilungen/Abteilung_BIT/Leistungen/IT_ Beratungsleistungen/CCOSS/02_OSS/03_Open-Source-Lizenzen/node. html [Zugriff am 20.04.2014]. 11 Weber/Hötzel, NZI 2011, 432. 12 R-Project, What ist R, URL: http://www.r-project.org [Zugriff am 14.07.2014]. 13 Jaeger/Metzger, Open Source Software, Rn. 24. 7 2 Open Source Software und Lizenzen Abbildung 2: Top 20 Open Source Lizenzen Mozilla Public License (MPL) 1.1, 0,89% Simplified BSD, 0,89% Code Project Open 1.02 License, 1,92% Common Development and Distribution License (CDDL), 0,40% CDDL-1.1, 0,40% GNU Affero GPL v3, 0,40% Microsoft Reciprocal License (Ms-RL), 0,40% Sun GPL With Classpath Exception v2.0, 0,40% zlib/libpng License, 0,23% GNU Lesser General Public License (LGPL) 3.0 , 2,00% Common Public License (CPL), 0,19% Microsoft Public License, 2,00% Eclipse Public License (EPL), 2,00% GNU Lesser General Public License (LGPL) 2.1 , 5,00% GNU General Public License (GPL) 2.0, 27,00% Artic License (Perl), 5,00% BSD License 2.0 (3-clause, New oder Revised) License, 7,00% GNU General Public License (GPL) 3.0, 11,00% MIT License, 17,00% Apache License 2.0, 15,00% Darstellung in Anlehnung an: BlackDuck, Top 20 Open Source Licenses (Stand: Juli 2014), URL: https://www.blackducksoftware.com/resources/ data/top-20-open-source-licenses [Zugriff am 19.07.2014]. License (kurz: LGPL). Sie wurde entwickelt, da die GPL in einigen Fällen zu streng war und die Verbreitung der Open Source Software zu behindern drohte.14 3. Wird bei der Lizenz auf eine Copyleft-Klausel verzichtet, entfällt bei Bearbeitungen die Lizenzierungspflicht. Dies soll die Akzeptanz fördern. Diese Variante ist durch den Wegfall der Pflicht rechtlich wenig problematisch und in der Literatur daher wenig thematisiert. Keine Copyleft-Klausel gibt es zum Beispiel bei der der Apache Software License, die, wie aus Abbildung 2 ersichtlich, ebenfalls zu den 20 beliebtesten Lizenzen zählt.15 4. Außerdem gibt es die sogenannten „Artistic“-Lizenzen. Dort kann bei Änderungen der Bearbeiter zwischen verschiedenen Lizenzen wählen.16 5. Werden dem Inhaber Sonderrechte eingeräumt, so kann ein 14 Jaeger/Metzger, Open Source Software, Rn. 81; Wichmann, Linux- und Open-Source-Strategien, S. 6. 15 Jaeger/Metzger, Open Source Software, Rn. 98; Wichmann, Linux- und Open-Source-Strategien, S.6. 16 Jaeger/Metzger, Open Source Software, Rn. 107. 8 2 Open Source Software und Lizenzen Bearbeiter Änderungen vornehmen, ohne jedoch Rechte an der Ursprungssoftware von dem Inhaber zu erhalten. Häufig nutzen dies Unternehmen, die als Inhaber den Quellcode offen gelegt haben, in der Hoffnung, dass dieser weiterentwickelt wird. Die Unternehmen erhalten an den Weiterentwicklungen Sonderrechte und könnten Beiträge z.B. proprietär nutzen. Ein Beispiel wäre die, nicht in den Top 20 vertretene, Netscape Public License von Mozilla. Dieses Lizenzmodell hat allerdings im Laufe der Jahre an Bedeutung verloren. Unternehmen greifen zunehmend auf Lizenzen der übrigen Kategorien zurück. Nichtsdestotrotz versuchen sie, die Urheberrechte von externen Programmierern übertragen zu bekommen, wie dies zum Beispiel bei Open-Office.org-Produkten der Fall ist.17 2.3 Wirtschaftliche Bedeutung Betrachtet man die Definitionskriterien von Open Source Software und die Abgrenzung der Lizenzen von proprietären Anwendungen, fällt vor allem der soziale Aspekt des offenen Quellcodes und der freien Nutzung ins Auge. Je nach Lizenz-Kategorie dürfen auch die Bearbeitungen von Lizenzen nicht von der strengen CopyleftRegelung abweichen und nicht mit anderen Lizenzbedingungen kombiniert werden. Hat die kostenlos verfügbare Open Source Software wirtschaftlich also überhaupt ein Gewicht? In einer von der EU in Auftrag gegebenen Studie aus dem Jahr 2006 wurden die ökonomischen Auswirkungen von Open Source Software untersucht. Darin wurde der Wert der existierenden Open Source Anwendungen auf rund zwölf Milliarden Dollar geschätzt. Sie stellten außerdem fest, dass Firmen rund 1,2 Milliarden Euro in die Entwicklung von Open Source Software investiert haben. Sie prognostizierten darüber hinaus, dass der Anteil am IT-Markt auf 32 Prozent und auf 4 Prozent am europäischen Bruttoinlandsprodukt in den nächsten vier Jahren anwachsen würde. Open Source Software gewinnt demzufolge in der Wirtschaft immer mehr an Bedeutung.18 Die wirtschaftliche Bedeutung wird bei Open Source Software oft17 18 Jaeger/Metzger, Open Source Software, Rn. 113. UNU-Merit, Economic impact of open source software, S. 9, auch online verfügbar unter: http://ec.europa.eu/enterprise/sectors/ict/files/ 2006-11-20-flossimpact_en.pdf [Zugriff am 28.04.214]. 9 2 Open Source Software und Lizenzen mals zunächst als gering eingeschätzt, da die Lizenzgebühren entfallen. Die Gründe, warum auch absatzorientierte Unternehmen Open Source Software entwickeln und darin investieren, sind auf dem ersten Blick nicht unbedingt ersichtlich. Tatsächlich bildet Open Source Software die wirtschaftliche Grundlage in einer Reihe von Geschäftsmodellen19 : – Softwareintegration: Unternehmen schaffen bei der Softwar- eintegration Verknüpfungen zwischen verschiedener Software. Diese können dann der breiten Masse an Unternehmen angeboten werden. Es besteht aber auch die Möglichkeit sie individuell für bestimmte Unternehmen in Kombination mit Supportverträgen anzubieten. – Hardwareintegration: Jede Hardware mit Prozessor benötigt entsprechende Software. Bei diesem Geschäftsmodell wird eine Kombination aus Hardware mit darauf abgestimmter Software angeboten. Es wird daher auch von eingebetteten Systemen (engl. „Embedded Systems“) gesprochen. Dieses Modell stellt einen schnell wachsenden Markt in der Computerindustrie dar. Beliebt ist dieses Geschäftsmodell vor allem deshalb, da beim Rückgriff auf Open Source Software die HardwareHersteller nicht auf einzelne Anbieter angewiesen sind. So bietet z.B. IBM Computer an, die das Open Source Betriebssystem GNU/Linux bereits enthalten. Ein weiteres Beispiel sind etwa Smartphones, die Android nutzen. – Support/Publikationen: Einige Unternehmen bieten auch als Beratungsunternehmen Support für die Open Source Software an. Es gibt außerdem Webseiten, die sich als Mittler zwischen Entwicklern und Nutzern anbieten (sog. Mediatoren). Seiten wie SourceForge.net bieten daneben meist kostenfrei Hilfsmittel für Entwickler wie z.B. Wikis an. Unternehmen können außerdem Veröffentlichungen zu Open Source Themen oder Produkten anbieten und diese bei entsprechenden Fachbuchverlagen vertreiben. Zu dem Open Source Statistikprogramm „R“ gibt es so zahlreiche Publikationen, die den Umgang mit „R“ erklären. Außerdem können Fachartikel in Zeitschriften, wie dem „Linux Magazin“, veröffentlicht werden. 19 Vgl. Jaeger/Metzger, Open Source Software, Rn. 19 ff.; Keßler, Anpassung von Open-Source-Software in Anwenderunternehmen, S. 18 ff. 10 3 Die Insolvenzrechtsreform als Ursache des Problems – Auftragsentwicklung: Bei der Auftragsentwicklung werden drin- gend benötigte Erweiterungen einer Open Source Software entwickelt, die die ursprüngliche Version nicht anbietet. Dieses Geschäftsmodell wird häufig bei beliebten Open Source Produkten angeboten. – Schaffen einer Entwicklungsumgebung: Bei diesem Geschäfts- modell wird eine Entwicklungsumgebung für eine Open Source Software und die Serverkonsole für den Open Source Server bereitgestellt. – Kommerzielle Verbesserung: Dieses Geschäftsmodell ähnelt dem der Auftragsentwicklung. Allerdings werden hier Verbesserungen an der ursprünglichen Open Source Software vorgenommen und keine Erweiterung entwickelt. Während die Veröffentlichung der Open Source Software im Internet kostenlos stattfindet, haben sich daneben also einige Geschäftsmodelle entwickelt, die sich Open Source Software als wirtschaftliche Basis zu Nutze machen. Obwohl sich Open Source Anwendungen insbesondere durch die freie Weitergabe und den offenen Quellcode auszeichnen, besitzen sie durchaus wirtschaftliches Gewicht, welches vermutlich mit wachsender Beliebtheit weiter ansteigen wird. 3 Die Insolvenzrechtsreform als Ursache des Problems Nachdem im vorherigen Kapitel Open Source Software und Lizenzen definiert, als auch die Hintergründe und die wirtschaftliche Bedeutung für einen umfassenden Eindruck dargelegt wurden, soll nun die Insolvenzfestigkeit der Lizenzen betrachtet werden. Zuvor wird allerdings die Insolvenzrechtsreform 1994/1999 als Ausgangspunkt des Problems der Insolvenzfestigkeit von Open Source Lizenzen näher beleuchtet. Hierfür wird zunächst die Rechtslage vor 1999 dargestellt. Anschließend sollen die Gründe der Insolvenzrechtsreform aufgeführt werden. Danach soll die nun herrschenden Rechtslage mit den entstandenen Problemen und den Umgang damit dargelegt werden. 11 3 Die Insolvenzrechtsreform als Ursache des Problems 3.1 Rechtslage vor 1999 Bevor 1999 die Insolvenzordnung (InsO) in Kraft trat, galten die Regelungen der Konkursordnung (KO) von 1877, der Vergleichsordnung (VglO) von 1935 und der Gesamtvollstreckungsordnung (GesO) von 1991. Die Konkursordnung hatte die Vollstreckung der Gläubigeransprüche als Hauptziel. Die Gläubiger sollten in einem selbst verwalteten Verfahren, unter Aufsicht des Gerichts, gemeinsam befriedigt werden. Die später eingeführte Vergleichsordnung sollte den nicht bevorrechtigten Konkursgläubigern eine höhere Quote sichern.20 Während die Konkurs- und Vergleichsordnung in Westdeutschland Anwendung fanden, galt auf dem Gebiet der ehemaligen DDR die Gesamtvollstreckungsordnung.21 Wie wurden nun vor 1999 Lizenzverträge in der Insolvenz behandelt? Bereits unter Anwendung der Konkursordnung waren die Auswirkungen einer Insolvenz auf die Lizenzen umstritten. Damals wie heute fehlt es an einer speziellen Regelung für Lizenzen. Zur Diskussion stand insbesondere, ob § 17 oder § 21 KO Anwendung finden würde. § 17 KO sah ein Wahlrecht für den Konkursverwalter bei gegenseitigen Verträgen vor, während § 21 KO regelte, dass Miet- und Pachtverhältnisse über Gegenstände nicht durch die Insolvenz beeinträchtigt werden.22 Die herrschende Meinung und die Rechtsprechung gingen davon aus, dass im Falle des Konkurses des Lizenzgebers § 21 KO analog Anwendung fand, wenn sie bereits dem Lizenznehmer überlassen war. Wurde die Erfindung bzw. das Knowhow noch nicht überlassen, so hatte der Konkursverwalter hingegen ein Wahlrecht nach § 17 KO zwischen Erfüllung und Nichterfüllung des Lizenzvertrages.23 Ein Lizenzvertrag ist zwar nicht als Pachtoder Mietvertrag, sondern als Vertrag sui generis (eigener Art) anzusehen. Es ist jedoch bei dauerhaften Lizenzverträgen mit wiederkehrenden Lizenzzahlungen ein hohes Maß an Vertrauen des Lizenzgebers in die Kreditwürdigkeit des Lizenznehmers notwendig, sodass § 19-21 KO analog angewendet wurden.24 Damit blieb der Lizenzvertrag nach § 21 I KO von der Konkurseröffnung unberührt 20 Braun/Kießner, Einf. Rn. 1ff. Landfermann, BB 1995, 1649. 22 Schleich/Götz, DZWIR 2008, 58. 23 BGH, NJW-RR 1995, 936, 938; Jaeger/Henckel, § 21 KO Rn. 6; Kuhn/Uhlenbruck, § 21 KO Rn. 4a. 24 Kuhn/Uhlenbeck, § 19 KO Rn. 2a; Schleich/Götz, DZWIR 2008, 58 f. 21 12 3 Die Insolvenzrechtsreform als Ursache des Problems und somit konkursfest.25 3.2 Insolvenzrechtsreform 1999 Bereits 1994 verkündet, ist die InsO zum ersten Januar 1999 in Kraft getreten. Der lange Zeitraum zwischen Verkündung und Inkrafttreten wurde gewählt, um die Insolvenzgerichte nicht übermäßig zu belasten. Der Ausbildung zusätzlicher Rechtspfleger wurde damit Zeit gegeben und die Unternehmen konnten sich auf die neue Rechtslage besser einstellen. Der Grund für das Inkrafttreten der InsO war der unhaltbare Zustand, dass Konkursanträge in 3/4 aller Insolvenzfälle mangels Masse abgewiesen worden sind. Das Problem der Verbraucherverschuldung konnte während der letzten Jahre ebenfalls nicht gelöst werden. Nach der Wiedervereinigung wollte man außerdem die bisherige Rechtsspaltung überwinden. Die Insolvenzordnung ist anstelle der Konkursordnung und Vergleichsordnung getreten. 26 Mit der Insolvenzordnung wurde ein einheitliches Verfahren für natürliche und juristische, als auch für Kaufleute und Nichtkaufleute geschaffen. Folgende Ziele wurden im Wesentlichen mit der Reform 1994/1999 verfolgt27 : – Einheitliches Verfahren: Wie bereits erwähnt, wurde mit der Rechtsordnung Rechtseinheit zwischen West- und Ostdeutschland hergestellt. Die Verfahrensziele Liquidation und Sanierung bestehen außerdem gleichwertig nebeneinander. Es ist die freie Entscheidung der Gläubiger, welches Verfahrensziel im Einzelnen verfolgt werden soll. Außerdem wurde die örtliche Zuständigkeit vereinfacht. Im Grundsatz gilt, dass es ein Insolvenzgericht je Landgerichtsbezirk gibt. – Bekämpfung der Massearmut: Viele Konkursverfahren konn- ten mangels Masse nicht eröffnet werden. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens sollte nun vor allem frühzeitig, leichter und häufiger ermöglicht werden. Damit die Insolvenzverfahren zu einem Zeitpunkt beantragt werden können, bei dem eine Sanierung noch Aussicht auf Erfolg hat, wurde die drohende Zahlungsunfähigkeit in § 18 InsO als neuer Eröffnungs25 Jaeger/Henckel, § 21 KO Rn. 6, 8; Schleich/Götz, DZWIR 2008, 58 f. Landfermann, BB 1995, 1649. 27 Braun/Kießner, Einf. Rn. 12 ff. 26 13 3 Die Insolvenzrechtsreform als Ursache des Problems grund eingeführt. Die Insolvenzmasse muss nun die Verfahrenskosten (inklusive Abwicklungskosten) decken können. Die Masse soll außerdem durch Neuerwerb, ebenso wie durch eine Erleichterung der Anfechtungsansprüche mittels teilweisen Verzicht auf die Erfüllung subjektiver Merkmale, angereichert werden können. – Stärkung der Gläubigerautonomie: Die Abwicklung des In- solvenzerfahrens wird von den Gläubigern bestimmt. Die gestärkte Gläubigerautonomie wird zum Beispiel durch die Bestimmung eines Verwalters nach § 97 InsO zum Ausdruck gebracht. Auch besteht die Möglichkeit, den Insolvenzverwalter zu beauftragen, einen Insolvenzplan zu erstellen (§ 157 S. 2 InsO). Der Insolvenzplan ist das Kernelement des einheitlichen Verfahrens. Durch ein Mehrheitsprinzip können die Beteiligten in Abweichung aller Liquidationsregeln die günstigste Form der Insolvenzabwicklung bestimmen. – Verbraucherinsolvenz: Im Rahmen des neuen Verbraucherin- solvenzverfahren sollen Fälle schneller und kostengünstiger abgewickelt werden. – Restschuldbefreiung: Um zu einer Antragstellung zu bewegen, wurde die Restschuldbefreiung (§§ 286 ff. InsO) als ein neues Verfahren eingeführt. Die Restschuldbefreiung ist nach einer sechsjährigen Wohlverhaltensperiode für natürliche Personen möglich. Voraussetzung dafür ist, dass das pfändbare Arbeitseinkommen den Gläubigern zur Verfügung steht. Insolventen Schuldnern soll durch die Restschuldbefreiung die Möglichkeit eines Neustarts gegeben werden. Alternativ besteht auch mit dem Aufstellen eines Insolvenzplans die Möglichkeit der Befreiung. 3.3 Rechtslage nach 1999 Die Einführung der Insolvenzordnung 1999 führte gleichzeitig zu einer Veränderung der Rechtslage bei Lizenzverträgen. Wenngleich der Gesetzgeber keine Änderungen der bisherigen Rechtspraxis bezwecken wollte, so gestaltet sie sich nun zum Nachteil der Lizenznehmer. Der Rechtsgedanke des § 21 KO, dass Miet- und Pachtverhältnisse über Gegenstände nicht von der Insolvenz betroffen sind, ist 14 3 Die Insolvenzrechtsreform als Ursache des Problems nun in § 108 InsO wiederzufinden. Allerdings beschränkt sich die Anwendung des § 108 InsO, anders als der bisherige § 21 KO, auf Miet- und Pachtverhältnisse über das unbewegliche Vermögen.28 Der Begriff der unbeweglichen Gegenstände ist in § 49 InsO legaldefiniert. Darunter fallen solche, die dem unbeweglichen Vermögen unterliegen, wie etwa Grundstücke, Schiffe oder Flugzeuge. Nicht erfasst sind hingegen Verträge über Mobilien und Rechte, da als unbeweglich nach § 90 BGB nur körperliche Gegenstände gesehen werden.29 Aufgrund dieser Anpassung ist heutzutage umstritten, ob und unter welchen Umständen Lizenzverträge bei einer Insolvenz des Lizenzgebers überhaupt fortbestehen. Eine Ansicht sieht § 108 InsO weiterhin in analoger Anwendung mit der gleicher Begründung wie zu § 21 KO, da § 103 InsO lediglich für Miet- und Pachtverhältnisse über bewegliche Sachen geschaffen wurde. Man wollte mit der Gesetzesänderung lediglich den Anwendungsbereich für bewegliche Gegenstände einschränken. Der Gesetzgeber habe bei der Unterteilung zwischen Mobilien und Immobilien den analogen Anwendungsbereich des § 108 InsO schlichtweg nicht bedacht.30 Gegen diese analoge Anwendung spricht jedoch, dass § 108 InsO lex specialis zu § 103 InsO ist. Mit Nichtanwendung des § 108 InsO kann demzufolge immer noch auf die allgemeinen Regeln für gegenseitige Verträge zurückgegriffen werden. Eine planwidrige Lücke, die für eine analoge Anwendung sprechen würde, kann daher nicht angenommen werden.31 Andererseits wird in der Literatur vertreten, dass bei einer dauerhaften Softwareüberlassung und der Erfüllung der Leistungspflichten die Lizenzverträge weiterhin bestehen bleiben. Begründet wird dies damit, dass Lizenzverträge gegen Einmalzahlung als Kaufverträge zu qualifizieren seien und kein miet-, oder pachtähnliches Dauerschuldvehältnis darstellen. Mit wirksamer Einräumung der Lizenz gegenüber dem Lizenznehmer, seien die vertraglichen Pflichten zumindest seitens des Softwarehauses erfüllt worden. Das von § 103 InsO verlangte Kriterium des beidseitig nicht erfüllten Vertrages 28 Jaeger/Metzger, Open Source Software, Rn. 170b; Schleich/Götz, DZWIR 2008, 58, 59. 29 Braun/Kroth, § 108 Rn. 10 f.; MüKo/Eckert, § 108 Rn. 36 f. 30 Fezer, WRP 2004, 793, 803. 31 McGuire, GRUR 2009, 13, 15. 15 3 Die Insolvenzrechtsreform als Ursache des Problems würde dieser Ansicht zufolge fehlen.32 Das Problem ist allerdings hier, das verkannt wird, dass die Nutzungsbefugnis allein aus dem Lizenzvertrag resultiert, da es kein gesetzliches Schuldverhältnis für Lizenzen gibt. Der Bestand der Lizenz ist damit von dem Bestand des Lizenzvertrages abhängig. Mit Beendigung des Vertrages enden auch die Nutzungsrechte. Der Vertrag endet aber nicht unbedingt mit Zahlung der Lizenzgebühr. Anschließend möchte der Lizenznehmer auch die Lizenz in Anspruch nehmen. Damit ist der Lizenzgeber dem Lizenznehmer verpflichtet, die Nutzungsrechte dauerhaft zu überlassen und zu gewährleisten, dass dies auch möglich ist. Es ist daher eher von einem Dauernutzungsverhältnis auszugehen, bei dem die vollständige Erfüllung erst mit Beendigung der Vertragslaufzeit eintritt.33 Die Ausgestaltung des Lizenzvertrages ähnelt damit mehr einem Dauerschuldverhältnis wie der Miete oder Pacht, als einem Kaufvertrag. Der Ansicht, dass ein Lizenzvertrag als Kaufvertrag zu qualifizieren sei, kann daher nicht gefolgt werden. Eine andere Meinung sieht ebenfalls die Rechtsstellung des Lizenznehmers in der Insolvenz des Lizenzgebers als insolvenzfest an, da sie, entgegen der herrschenden Ansicht, das Abstraktionsprinzip als weiterhin gültig betrachtet. Die überwiegende Meinung begründet die Nichtgeltung des Abstraktionsprinzips bei Nutzungsrechten und Lizenzen aus einer analogen Anwendung des § 9 VerlG. § 9 VerlG sieht vor, dass mit Beendigung des Vertragsverhältnisses das Verlagsrecht erlischt (Kausalprinzip). Diese Nichtgeltung des Abstraktionsprinzips wird analog auch im Urheberrecht angewendet.34 Dagegen könnte sprechen, dass § 9 VerlG noch nicht einmal bei einer Insolvenz im Bereich des Verlagsrechts angewendet werden würde. Versteht man die damaligen Gesetzesmaterialien so, dass eine Ausklammerung des Konkurses aus dem Anwendungsbereich des § 9 VerlG ausdrücklich gewollt war, so würde es bereits an einer planwidrigen Lücke fehlen, um eine Analogie annehmen zu können. Damit würde der schuldrechtliche Lizenzvertrag unter die Anwendung des § 103 InsO fallen. Die Lizenzen müssten jedoch nicht zurückübertragen werden, da der Entgeltanspruch im Interesse der 32 Berger, CR 2006, 505, 507; Grützmacher, CR 2006, 289 f.; Wallner, ZIP 2004, 2073, 2076. 33 Vgl. McGuire, GRUR 2009, 13, 16 f. 34 BGH, NJW 1958, 1583, 1584 - Privatsekretärin; LG Mannheim, ZIP 2004, 576; Wandtke, Urheberrecht, § 4 Rn. 9. 16 3 Die Insolvenzrechtsreform als Ursache des Problems Masse liegt. Bei Zurückbehaltung könne der Lizenznehmer zudem aufgrund der Nichterfüllung des Lizenzvertrages einen Schadensersatz nach § 273 BGB verlangen.35 Hier wird allerdings verkannt, dass bei Betrachtung des Wortlautes des § 9 VerlG keine Differenzierung vorgenommen wird, sondern es nur entscheidend ist, ob der schuldrechtliche Vertrag beendet wurde. 36 Wenn der Gesetzgeber bereits bei Entstehung des Gesetzes eine Ausnahmeregelung bei § 9 VerlG für den Fall der Insolvenz unbedingt gewollt hätte, so hätte er dies wohl auch mit aufgenommen. Es ist daher der herrschenden Ansicht zu folgen, dass das Abstraktionsprinzip bei Nutzungsrechten und Lizenzen keine Anwendung findet. Die herrschende Meinung ordnet auch nach der Reform Lizenzverträge als Dauernutzungsvertrag der Rechtspacht entsprechend der §§ 108, 112 InsO ein. Die Lizenz kann aber nicht unter den Begriff des unbewegliches Vermögens subsumiert werden (da Lizenzen, wie in Kapitel 2.2. erwähnt, die Rechten und Pflichten des Lizenznehmers definieren und somit nicht körperlich sind). § 108 InsO ist nach der herrschenden Ansicht folglich nicht anwendbar. Daher muss auf den allgemeinen § 103 InsO zurückgegriffen werden.37 § 103 InsO räumt dem Insolvenzverwalter ein Wahlrecht ein, beiderseitig noch nicht vollständig erfüllte Verträge zu erfüllen oder die Erfüllung abzulehnen. Das Wahlrecht wird dabei sehr weit ausgedehnt. Selbst wenn die jeweiligen Hauptpflichten (Einräumung der Lizenz, vollständige Zahlung der Lizenzgebühr) bereits erfüllt sind, die Nebenpflichten jedoch weiterhin bestehen, wird angenommen, dass der Vertrag beidseitig noch nicht erfüllt ist.38 Eine Nebenpflicht in einem Softwarelizenzvertrag könnte zum Beispiel die Erbringung von Softwareupdates über einen bestimmten Zeitraum sein.39 Bei der derzeit geltenden Rechtslage kann der Insolvenzverwalter also den Vertrag fortsetzen oder die Erfüllung ablehnen. Wählt er die Erfüllung, so kann er die volle Lizenzgebühr als eine der Masse zustehenden Forderung verlangen. Der Lizenznehmer darf im Ge35 Wallner, ZIP 2004, 2073, 2078 ff. LG Mannheim, ZIP 2004, 576, 578. 37 BGH, GRUR 2006, 435, 437; LG Mannheim, ZIP 2004, 576, 577; Abel, NZI 2003, 121, 124; FK-InsO/Wegener, § 103 Rn. 23; Tintelnot, in: Kübler/Prütting/Bork, § 103 Rn. 62; McGuire, GRUR 2009, 13, 17; MüKo/Huber, § 103 Rn. 64, 76. 38 Berger, NZI 2006, 380. 39 Weber/Hötzel, NZI 2011, 432, 434. 36 17 4 Die Insolvenzfestigkeit von Open Source Lizenzen genzug nach wie vor entsprechende Nutzungshandlungen vornehmen. Wird die Erfüllung von ihm allerdings abgelehnt oder auf Aufforderung gar nichts erklärt, so sind die gegenseitigen Erfüllungsansprüche mit Insolvenzeröffnung „suspendiert“. Der Insolvenznehmer kann sich dann nur noch als Insolvenzgläubiger am Insolvenzverfahren wegen Nichterfüllung einer Forderung beteiligen. Die quotenmäßige Befriedigung ist in der Regel sehr gering.40 Durch die Ablehnung der Erfüllung des Lizenzvertrages erlischt nach bisheriger Rechtsprechung auch die „dingliche“ Lizenz. Dies hängt mit der „Nichtgeltung des Abstraktionsprinzips“ zusammen, sodass der schuldrechtliche Lizenzvertrag und die dingliche Lizenz miteinander verbunden sind. Der Lizenznehmer verliert also nicht nur die schuldrechtlichen Ansprüche aus dem Lizenzvertrag, sondern auch das Recht, die Software weiterhin nutzen zu dürfen.41 Die Insolvenz des Lizenzgebers stellt die Lizenznehmer insbesondere dann vor erheblichen Risiken, wenn die Software im Unternehmen oder in ihren Produkten verwendet wird. Bereits getätigte Zahlungen sind außerdem verloren.42 Open Source Software und Lizenzen unterscheiden sich allerdings erheblich von proprietären Softwarelizenzen (vgl. Kapitel 2.2.). Ist eine Anwendung des § 103 InsO dennoch auf Open Source Lizenzen ohne Weiteres möglich? 4 Die Insolvenzfestigkeit von Open Source Lizenzen Wie im vorherigen Kapitel dargestellt, wird bei der Insolvenz des Lizenzgebers dem Insolvenzverwalter ein Wahlrecht nach § 103 InsO eröffnet, soweit der Vertrag mit Insolvenzeröffnung nicht oder noch nicht vollständig erfüllt ist. Er kann in diesem Fall über die Erfüllung oder Nichterfüllung des Lizenzvertrages entscheiden. Open Source Software unterscheidet sich allerdings, wie bereits in Kapitel 2 erwähnt, in vielerlei Hinsicht von proprietärer Software. Wesentliche Kriterien waren, neben der Neutralität der Programme, die Erlaubnis Veränderungen vorzunehmen und das Verbot, die Software 40 Dreier, in: Dreier/Schulze, § 69c Rn. 43; Gottwald/Huber, InsolvenzR-Hb, § 37 Rn. 50; Smid/Lieder, DZWIR 2005, 7, 12. 41 Berger, NZI 2006, 380, 281 f. 42 Berger, GRUR 2004, 20; Dreier, in: Dreier/Schulze, § 69c Rn. 43. 18 4 Die Insolvenzfestigkeit von Open Source Lizenzen von bestimmten Programmen abhängig zu machen. Insbesondere geht es aber um die Offenlegung des Codes und die kostenfreie und uneingeschränkte Weitergabe der Software an alle Nutzer. Ob das Wahlrecht nach § 103 InsO daher auch uneingeschränkt bei Open Source Lizenzen möglich ist, soll in diesem Kapitel untersucht werden. Dabei wird hier aufgrund der Folgen für den Lizenzvertrag danach differenziert, ob die Nutzungsrechte für den Lizenznehmer vor oder nach der Insolvenzeröffnung eingeräumt wurden. Kann aber eine kostenlose und zur freien Weitergabe bestimmte Software überhaupt Teil der Insolvenzmasse sein? § 35 InsO definiert die Insolvenzmasse als das gesamte Vermögen, das dem Insolvenzschuldner zur Eröffnung des Verfahrens bereits gehört oder das er während des Verfahrens erlangt. Kriterien, wie die kostenlose und freie Weitergabe, schließen aber noch nicht notwendig aus, dass Open Source Software als Teil der Insolvenzmasse qualifiziert werden kann. Der Insolvenzverwalter muss bei der Verwertung von Software, die nicht auf den Vertrieb ausgerichtet ist, die Zustimmung des Urhebers einholen. Auch wenn die Zustimmung nicht erteilt wird, so bleibt sie ein Teil davon, kann aber nicht in Form eines Vertriebs gegen Bezahlung verwertet, wohl aber kostenfrei überlassen werden.43 Open Source Software kann demzufolge der Insolvenzmasse zugeordnet werden. 4.1 Rechtseinräumung vor Insolvenzeröffnung Was geschieht mit den Nutzungsrechten an Open Source Software, die noch vor Insolvenzeröffnung erworben wurden? Erst mit Insolvenzeröffnung verliert der Insolvenzschuldner die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein Vermögen, § 80 I InsO. Die vor diesem Zeitpunkt getätigten Rechtsgeschäfte sind grundsätzlich wirksam. Die hier erworbenen Rechte fallen nicht in die Insolvenzmasse, § 91 InsO.44 Ist § 103 InsO auf solche Lizenzverträge anwendbar, die vor Insolvenzeröffnung abgeschlossen wurden? Damit würde dem Insolvenzverwalter ein Wahlrecht zwischen Erfüllung oder Nichterfüllung des Lizenzvertrages zustehen. Bei Wahl der Erfüllung müsste er dann die ausstehende Leistung als Masseverbindlichkeit nach § 55 II Nr. 2 InsO erbringen und könnte die Gegenforderung für die 43 44 Koch, in: Hoeren/Sieber/Holznagel, Multimedia-Recht, Teil 26.1 Rn. 89. BGH, ZIP 2003, 1208, 1209; Gottwald/Huber, InsolvenzR-Hb, § 34 Rn. 1. 19 4 Die Insolvenzfestigkeit von Open Source Lizenzen Masse verlangen. Die gegenseitigen Ansprüche, deren Durchsetzbarkeit aufgrund der Insolvenzeröffnung gehemmt war, wären wieder umsetzbar und erhalten die Rechtsqualität von originären (neuen) Masseverbindlichkeiten und -forderungen. Der Insolvenzverwalter kann dann den Wert der gegenseitigen Verträge für die Masse realisieren. Der Wert eines Vertrages ergibt sich aus der Differenz zwischen Leistung und Gegenleistung. Der gegenseitige Vertrag bleibt materiell-rechtlich unberührt, für den Lizenznehmer ändert sich also am Vertragsverhältnis nichts. Es richtet sich inhaltlich nach dem Lizenzvertrag, wie er zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung zwischen den Parteien bestand. 45 Würde die Erfüllung hingegen abgelehnt werden, so hätte der Lizenznehmer, wie bereits in Kapitel 3.3 erwähnt, nur noch nach § 103 II 1 InsO die Möglichkeit die Forderungen als Insolvenzforderung anzumelden und sich aus der Masse quotenmäßig befriedigen zu lassen. Wesentliche Voraussetzungen für die Anwendung des § 103 InsO sind das Vorliegen synallagmatischer Vertragsverhältnisse, sowie die Nichterfüllung des Rechtsverhältnisses beider Seiten.46 4.1.1 Synallagmatische Vertragsverhältnisse Für die Anwendung des § 103 InsO müsste zunächst der Open Source Lizenzvertrag ein gegenseitiges Rechtsverhältnis darstellen. Verträge gelten im Sinne dieser Vorschrift als synallagmatisch, bei dem die Verpflichtungen der Vertragsparteien wie bei §§ 320 ff. BGB im gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis stehen und somit für den jeweils Anderen erbracht werden. Darunter fallen vor allem Kauf-, Tausch- oder auch Werkverträge. 47 Der Meinungsstreit, ob Softwareverträge miet- bzw. pachtähnlich oder doch als Kauf/Werkvertrag zu qualifizieren sind (siehe Kapitel 3.3), spielt an dieser Stelle keine Rolle, da bei jedem dieser Verträge ein gegenseitiges Rechtsverhältnis vorliegt. Fraglich ist allerdings, ob ein do-ut-des Verhältnis auch bei Open Source Verträgen gegeben ist. Eines der wesentlichen Kriterien der Open Source Software ist gerade die Besonderheit, dass keine Lizenzgebühren anfallen. Sie ist damit kostenlos für den Lizenzneh45 Andres, in: Andres/Leithaus, § 103 Rn. 2; Gottwald/Huber, InsolvenzR-Hb, § 35 Rn. 20; MüKo/Kreft, § 103 Rn. 39, 41. 46 Metzger/Barudi, CR 2009, 557, 559; MüKo/Kreft, § 103 Rn. 19. 47 Braun/Kroth, § 103 Rn. 6, 8; Gottwald/Huber, InsolvenzR-Hb, § 34 Rn. 14; MüKo/Huber, § 103 Rn. 55. 20 4 Die Insolvenzfestigkeit von Open Source Lizenzen mer nutzbar. Eine äquivalente Gegenleistung fehlt hingegen. Zwar hat auch der Lizenznehmer (Neben-)Pflichten aus den Lizenzbestimmungen, wie z.B. die Namensnennung der Urheber oder die Beibehaltung von Copyright-Vermerken. Sie stehen jedoch nicht im Synallagma. Kosten können allenfalls z.B. beim Nutzen eines Supportservices oder dem Erwerb eines Handbuches anfallen. Der Open Source Lizenzvertrag selbst enthält hingegen eher schenkungsrechtliche Elemente.48 Die Schenkung (§ 516 BGB) als nur einseitig verpflichtender Vertrag, fällt nach herrschender Meinung nicht in den Anwendungsbereich des § 103 InsO.49 Im Ergebnis kann daher festgehalten werden, dass ein Open Source Vertrag nicht die Voraussetzung eines gegenseitigen Rechtsverhältnisses erfüllt. 4.1.2 Erfüllung des Vertragsverhältnisses Selbst wenn man ein synallagmatisches Rechtsverhältnis annehmen würde, so wäre darüber hinaus problematisch, ob das Vertragsverhältnis nicht bereits mit Einräumung der Nutzungsrechte erfüllt ist. § 103 InsO verlangt, dass der Vertrag zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung noch nicht vollständig erfüllt worden ist. Sobald auch nur eine Partei ihrer Leistungsverpflichtung dem Vertrag entsprechend vollständig nachgekommen ist, ist § 103 InsO nicht anwendbar. Allerdings müssen auch die Nebenpflichten vollständig erfüllt worden sein. Wie auch im Rahmen des § 362 BGB tritt hier die Erfüllung mit Eintritt des Leistungserfolges ein, nicht bei Vornahme der Leistungshandlung.50 Das auch die Nebenpflichten erfüllt sein sollen, ergibt sich aus der teleologischen und systematischen Auslegung der Zurückbehaltungsrechte innerhalb eines Vertragsverhältnisses. § 17 KO sah vor, dass der Insolvenzverwalter gleich dem Gemeinschuldner die Leistung erbringen solle. Die geforderte Erfüllung der Leistung könne dann abgelehnt werden, wenn die Gegenleistung nicht erbracht werden würde. Der Gesetzgeber sah damit in gegenseitigen Verträgen vor, dass die allgemeinen Sicherungen nicht durch den Konkurs berührt werden sollten. Wollte der Verwal48 Auer-Reinsdorff, ITRB 2009, 69; Tintelnot, in: Kübler/Prütting/Bork, § 103 Rn. 63; Jaeger/Metzger, Open Source Software, Rn. 170d; Metzger/Barudi, CR 2009, 557, 560. 49 Andres, in: Andres/Leithaus, § 103 Rn. 7; Braun/Kroth, § 103 Rn. 13; MüKo/Huber, § 103 Rn. 91. 50 LG München I, ZUM-RD 2007, 498, 502; Braun/Kroth, § 103 Rn. 19 f.; MüKo/Huber; § 103 Rn. 122 f. 21 4 Die Insolvenzfestigkeit von Open Source Lizenzen ter die Erfüllung der Nebenpflichten bezwecken, so musste er diese ebenfalls erfüllen. Auch der Grundgedanke von § 103 InsO sieht vor, dass der Insolvenzverwalter die Möglichkeit der vollständigen Abwicklung gegenseitiger Verträge haben soll. Dazu zählen neben den Hauptleistungspflichten eben auch die Nebenpflichten.51 Bei proprietären Softwarelizenzverträgen hängt der Zeitpunkt der Erfüllung von der Qualifikation als Kaufvertrag oder miet-bzw. pachtähnliches Dauerschuldverhältnis ab. Wie bereits in Kapitel 3.3 dargestellt, wird einerseits vertreten, dass Softwareverträge mit einer Einmalzahlung als Kaufverträge zu qualifizieren sind. Mit Zahlung des Betrages und Einräumung der Lizenznutzung wäre der Vertrag dann bereits beidseitig erfüllt. Die herrschende Meinung qualifiziert hingegen den Softwarevertrag als Dauernutzungsvertrag und sieht damit eine Ähnlichkeit zur Miete oder Pacht. Der Vertrag ist hier erst mit Vertragsbeendigung vollständig erfüllt. Dieser Meinung folgend wird ein Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO zumindest bei proprietären Softwarelizenzverträgen befürwortet. Ist ein Open Source Vertrag ebenfalls als Dauerschuldverhältnis zu qualifizieren? Zunächst kann die Pflicht des Lizenznehmers, bestimmte Lizenzbestimmungen einzuhalten, an ein Dauerschuldverhältnis erinnern. Das eingeräumte Nutzungsrecht wird dabei als auflösend bedingt betrachtet. Unter einer auflösenden Bedingung versteht man nach § 158 II BGB, dass das Rechtsgeschäft mit Eintritt einer Bedingung endet. Verstößt der Lizenznehmer gegen die Lizenzbestimmungen, so entfallen automatisch die Rechte unter der Lizenz mit dinglicher Wirkung ex nunc. Dem Nutzer ist damit auch die Weitergabe des Open Source Programms untersagt. Nur bereits eingeräumte Lizenzen bleiben gemäß Nr. 8 GPLv352 davon unberührt. Ein Verstoß gegen die Lizenzbestimmungen würde z.B. die Weitergabe einer Kopie ohne Beifügung der GPL darstellen. Beim automatischen Wegfall aller Rechte werden nach Nr. 8 GPLv3 weder die Nutzungsrechte eingeräumt, noch wird ein Vertrag erfolgreich abgeschlossen. Dem rechtmäßigen Erwerber stehen allerdings als einfacher Nutzer die in § 69d UrhG vorgesehen gesetzlichen Mindestrechte zu.53 51 Wallner, ZIP 2004, 2073, 2076. GNU, General Public License Version 3, http://www.gnu.de/documents/gpl.de.html [Zugriff am 02.06.2014]. 53 Dreier, in: Dreier/Schulze, § 69c Rn. 38; Wiebe, in: Spindler/Schuster, § 69c Rn. 38 f. 52 22 4 Die Insolvenzfestigkeit von Open Source Lizenzen Aus Sicht des Lizenzgebers besteht die Pflicht hingegen, wie auch bei proprietären kaufähnlichen Lizenzverträgen, nur darin, dem Lizenznehmer einer Open Source Software ein einfaches und unbeschränktes Nutzungsrecht einzuräumen. Weitere Pflichten bestehen für ihn nicht und beschränken sich somit auf den einmaligen Akt der Rechtseinräumung.54 Unter einem einfachen unbeschränkten Nutzungsrecht nach § 31 II UrhG versteht man, dass der Erwerber die Lizenz, neben dem Urheber und anderen Erwerben, zeitlich und räumlich unbeschränkt nutzen darf. Andere Personen sind von der Benutzung ebenfalls nicht ausgeschlossen.55 Verträge, wie z.B. über Supportleistungen, sind separat zu betrachten. Bei Beendigung dieser Verträge wird die Lizenzerteilung nicht berührt. Dies unterscheidet sie von proprietären Softwareverträgen, die mit Supportleistungen verknüpft sind. Bei Beendigung solcher Supportverträge fällt dort die Lizenz automatisch zurück oder es entsteht ein Rückforderungsrecht. Bei Open Source Verträgen sehen die Lizenzvereinbarungen, wie die GNU GPLv3, vor, dass die Software vom Bestand weiterer Verträge unabhängig ist.56 Der Lizenzgeber hat mit Einräumung eines einfachen unbeschränkten Nutzungsrechts (vor Verfahrenseröffnung) seine Pflichten aus dem Lizenzvertrag vollständig erfüllt. Da bereits die vollständige Erfüllung der Pflichten einer Partei genügt, ist auch die zweite Voraussetzung bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gegeben. Man kann daher festhalten, dass § 103 InsO auch in diesem Fall entfällt. 4.1.3 Zwischenergebnis Findet die Rechtsräumung noch vor der Insolvenzeröffnung statt, so findet auf diese Lizenzverträge § 103 InsO keine Anwendung. Die unentgeltliche Weitergabe schließt bei den Open Source Verträgen das erforderliche synallagmatische Rechtsverhältnis aus, vielmehr ist er ähnlich wie die Schenkung nur einseitig verpflichtend. Auch wenn man ein synallagmatisches Rechtsverhältnis annehmen wür54 Koch, in: Hoeren/Sieber/Holznagel, Multimedia-Recht, Teil 26.1 Rn. 95; Jaeger/Metzger, Open Source Software, Rn. 170c; Metzger/Barudi, CR 2009, 557, 560. 55 Auer-Reinsdorff, ITRB 2009, 69; Loewenheim/Nordemann, in: Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts; § 28 Rn. 2; Wandtke/Grunert, in: Wandtke/Bullinger, § 31 Rn. 28; Wandtke, Urheberrecht, § 4 Rn. 36. 56 Jaeger/Metzger, Open Source Software, Rn. 170c; Metzger/Barudi, CR 2009, 557, 560. 23 4 Die Insolvenzfestigkeit von Open Source Lizenzen de, so ist auch die Voraussetzung, dass die Vertragspflichten zur Verfahrenseröffnung beidseitig noch nicht vollständig erfüllt sind, nicht gegeben. Die Pflicht des Lizenzgebers begrenzt sich bei Open Source Verträgen, wie bei kaufähnlichen Lizenzverträgen, auf die einmalige Einräumung eines einfachen und unbeschränkten Nutzungsrechts. Geschieht dies vor Verfahrenseröffnung, so ist zu Beginn des Insolvenzverfahrens die Pflicht des Lizenzgebers zumindest vollständig erfüllt. Konsequenz Welche Konsequenzen ergeben sich nun daraus? Die Nichtanwendung des § 103 InsO führt dazu, dass der Insolvenzverwalter die vor der Verfahrenseröffnung eingeräumten Lizenzen hinnehmen muss. Diese Nutzungsrechte bleiben von der Insolvenz unberührt, sind mithin insolvenzfest. Dem Lizenznehmer wird, wie oben festgestellt, ein einfaches Nutzungsrecht eingeräumt. Darf er damit aber auch gegen Dritte vorgehen? Damit müsste neben der schuldrechtlichen auch eine dingliche Wirkung vorliegen, wie sie etwa bei ausschließlichen Nutzungsrechten vorliegt. Der Inhaber von ausschließlichen Nutzungsrechten sind gemäß § 31 I 2 UrhG berechtigt, das Werk unter Ausschluss aller anderen Personen auf die ihm erlaubt Art nutzen zu können. Das einfache Nutzungsrecht erlaubt indes nur, wie bereits in Kapitel 4.1.2 erwähnt, die Nutzung der Rechte neben anderen Personen. Damit besteht allein beim ausschließlichen Nutzungsrecht ein negatives Verbotsrecht, welches das Verfolgen von urheberrechtlichen Verletzungshandlungen ermöglicht.57 Ein einfaches Nutzungsrecht ist hingegen nur auf die positive Nutzung ausgerichtet. Ein Verbotsrecht und die damit verbundene Möglichkeit der Klage ist hingegen nicht vorgesehen. Der Lizenznehmer kann lediglich in gewillkürter Prozessstandschaft (Wahrnehmung fremder Rechte im eigenen Namen) das Verbotsrecht des Urhebers geltend machen. Dafür müsste der Urheber einwilligen und ein eigenes berechtigtes Interesse des Prozessstandschafters bestehen.58 Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass der Lizenznehmer trotz der Insolvenzeröffnung die Open Source Software weiterhin nutzen darf. 57 BGH, NJW 1992, 2824 - Alf; Wandtke/Grunert, in: Wandtke/Bullinger, § 31 Rn. 29. 58 Dreier/Schulze, § 31 Rn. 51; Loewenheim/Nordemann, in: Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts; § 28 Rn. 8; Wandtke/Grunert, in: Wandtke/Bullinger, § 31 Rn. 31 f., § 97 Rn. 12. 24 4 Die Insolvenzfestigkeit von Open Source Lizenzen Ein Recht, Verletzungshandlungen selbst zu verfolgen, besteht jedoch nicht. Anfechtungsmöglichkeit für den Insolvenzverwalter? Womöglich besteht aber für den Insolvenzverwalter die Möglichkeit, den Open Source Lizenzvertrag anzufechten. § 129 InsO sieht grundsätzlich vor, dass Rechtshandlungen, die vor Insolvenzeröffnung vorgenommen wurden und den Insolvenzgläubiger benachteiligen, vom Insolvenzverwalter angefochten werden können. § 134 InsO ermöglicht auch die Anfechtbarkeit von unentgeltlichen Leistungen des Schuldners, wie sie auch bei Open Source Software der Fall ist. Hintergrund dieser Regelung ist, dass der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung weniger schutzwürdig als der Gläubiger ist. 59 Für die Gläubigerbenachteiligung muss eine unentgeltliche Leistung vorliegen. Der Begriff der Leistung ist weit zu verstehen. Darunter fallen in diesem Kontext nicht nur Schenkungen, sondern alle Rechtshandlungen, die zu einer Vermögensminderung führen können. Unentgeltlichkeit ist dann gegeben, wenn der Verfügung keine Leistung gegenübersteht, der Leistende also keine dem Vermögenswert entsprechende Gegenleistung erhält.60 Diese unentgeltliche Leistung führt in der Regel zu einer Gläubigerbenachteiligung, die nach § 129 InsO Voraussetzung für die Anfechtung ist. Auch eine mittelbare Benachteiligung genügt.61 Auf Open Source Software bezogen, ist eine Unentgeltlichkeit gegeben und in den Prinzipien auch so vorgesehen. Die Ausgestaltung der Lizenzen schließen eine Gläubigerbenachteiligung hingegen eher aus. Unternehmen, die Open Source Software freigeben, machen dies häufig aus dem Grund, um etwa Supportleistungen dafür anzubieten oder für eine weite Verbreitung der Software in ihrem Interesse zu sorgen.62 Sie ist in diesem Punkt daher nicht vergleichbar mit einer Schenkung. Trotz der Unentgeltlichkeit können Unternehmen (indirekt) Vorteile aus der Freigabe von Open Source Software ziehen. Bejaht man dennoch die Anfechtung, so müsste der Insolvenzverwalter die Anfechtung gegen den Leistungsempfänger richten.63 Dies stellt ein praktisches Pro59 Leithaus, in Andres/Leithaus, § 134 Rn. 2; MüKo/Kayser, § 134 Rn. 1, 43. Leithaus, in Andres/Leithaus, § 134 Rn. 3 f.; Braun/de Bra, § 134 Rn. 3, 9. 61 BGH, NJW 1996, 3341, 3342; MüKo/Kayser, § 134 Rn. 43. 62 Jaeger/Metzger, Open Source Software, Rn. 170f; Metzger, Barudi, CR 2009, 557, 561. 63 MüKo/Kayser, § 134 Rn. 14. 60 25 4 Die Insolvenzfestigkeit von Open Source Lizenzen blem bei Open Source Software dar. Der Insolvenzverwalter müsste demzufolge jeden einzelnen Lizenznehmer ermitteln. Da bei Open Source Software von einer weiten Zerstreuung von Nutzern ausgegangen werden kann, ist dies fast unmöglich.64 Eine Anfechtung ist zusammengefasst aus rechtlichen und praktischen Gründen nicht möglich. 4.2 Rechtseinräumung nach Insolvenzeröffnung Betrachtet man die vor Insolvenzeröffnung eingeräumten Nutzungsrechte, so kommt man zu dem Ergebnis, dass diese insolvenzfest sind. Gilt dies aber auch für Lizenzen, die erst nach Insolvenzeröffnung eingeräumt wurden? 4.2.1 Folgen der Insolvenzeröffnung Mit Eröffnung des Verfahrens treten eine Reihe von Änderungen ein. Nach § 80 I InsO verliert der Schuldner zum Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis. Er bleibt zwar Eigentümer der der Insolvenzmasse zugehörigen Gegenstände, darf darüber aber nicht mehr gegen den Willen des Insolvenzverwalters verfügen oder darauf einwirken. Diese Wirkung endet erst mit Verfahrensaufhebung. Daraus ergibt sich die Konsequenz, dass Verfügungen des Schuldners über die Insolvenzmasse unwirksam sind, § 81 InsO. Bei der Verfügung handelt es sich um die rechtsgeschäftliche Begründung, Übertragung, Belastung oder Verzicht eines dinglichen Rechts. Verfügt der Schuldner dennoch, so ist dies ähnlich einer Verfügung eines Nichtberechtigten nach § 185 BGB. Der Insolvenzverwalter kann die Verfügung gemäß § 185 II BGB analog genehmigen.65 Mit Blick auf die Open Source Lizenzen bedeutet der Verlust der Verwaltungs- und Verfügungsmacht auch, dass der Lizenzgeber nicht mehr in der Lage ist, Nutzungsrechte an Open Source Software einzuräumen. Die Frage, ob § 103 InsO Anwendung findet, ist hier nicht von Bedeutung, da § 103 InsO nur zum Zuge kommt, wenn ein Vertrag zur Verfahrenseröffnung bereits zustande gekom64 Jaeger/Metzger, Open Source Software, Rn. 170f; Metzger, Barudi, CR 2009, 557, 561. 65 Leithaus, in Andres/Leithaus, § 81 Rn. 3; Gottwald/Eickmann, InsolvenzRHb, § 30 Rn. 37 ff., § 31 Rn. 2; Lüke, in: Kübler/Prütting/Bork, § 81 Rn. 4, 14, 18. 26 4 Die Insolvenzfestigkeit von Open Source Lizenzen men, aber noch nicht vollständig erfüllt wurde. Geschieht die Rechtseinräumung erst nach Insolvenzeröffnung, so sind die Verwaltungsund Verfügungsbefugnisse bereits auf den Insolvenzverwalter übergegangen. Er entscheidet ab dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung über die Einräumung weiterer Rechte. Eine Insolvenzfestigkeit der Nutzungsrechte besteht in diesem Falle daher nicht. 4.2.2 Problem: Lizenzhinweise Problematisch ist in diesem Zusammenhang, dass jede in den Umlauf gebrachte Kopie der Open Source Programme durch den Lizenzgeber oder Dritte typische Lizenzhinweise beinhaltet. Open Source Lizenzen beinhalten nicht nur ergänzende Vertragsbedingungen, sondern als Formularverträge auch die vollständigen Hauptleistungspflichten. Für den Nutzer ist aus den Lizenzhinweisen nicht erkennbar, ob die Nutzungsrechte noch erworben werden können oder bereits der Insolvenzverwalter die Verfügungsbefugnis besitzt.66 Möglicherweise genügt es aber, wenn die Erklärung zum Zeitpunkt der Verfügung des Schuldners wirksam war, also in dem Zeitpunkt, wo der Lizenzgeber die Open Source Software im Internet veröffentlicht hat. So ist auch eine Willenserklärung wirksam, wenn sie einem Abwesenden zugeht, obwohl der Erklärende nach der Abgabe der Willenserklärung gestorben ist, § 130 II BGB. Womöglich könnte man dies analog auf die Situation übertragen, bei der der Lizenznehmer die Lizenzhinweise liest, obwohl unklar ist, ob der Lizenzgeber noch solvent ist. Dies wird jedoch in der Rechtssprechung abgelehnt. Es sei entscheidend, ob das Bezugsrecht, hier ein Nutzungsrecht, am Stichtag (Insolvenzeröffnung) zum Vermögen des Schuldners gehöre. Die Verfügungsbefugnis müsse in dem Augenblick vorhanden sein, in welchem die Verfügung wirksam werden soll. Dabei sei der Zeitpunkt des Wirkungseintritts und nicht der Zeitpunkt der Verfügungserklärung entscheidend. Sie muss also nicht nur bei Abgabe, sondern bei Zugang nach § 130 I BGB und somit bei Abschluss des Verfügungstatbestandes wirksam sein.67 Die Lizenzhinweise müssen also dann wirksam sein, wenn der Lizenznehmer diese liest und die Nutzungsrechte damit übertragen bekommt. Es genügt hingegen nicht, dass die Einräumung der Nut66 Jaeger/Metzger, Open Source Software, Rn. 170g, 176; Metzger/Barudi, CR 2009, 557, 558 f. 67 BGH, NJW 1958, 1286, 1287 f.; BGH, NJW-RR 2010, 192, 193. 27 4 Die Insolvenzfestigkeit von Open Source Lizenzen zungsrechte zu dem Zeitpunkt möglich war, wo das Unternehmen die Open Source Software im Internet zur Verfügung gestellt hat. 4.2.3 Gutgläubiger Erwerb Auch ein gutgläubiger Erwerb von Nutzungsrechten ist, anders als im Sachen- oder Handelsrecht, nicht möglich. Dies hängt mit dem fehlenden Publizitäts- und Rechtsscheintatbestandes bei der Verfügung zusammen. Anders als etwa im Sachenrecht erfolgt die Verfügung ohne Eintragung in ein öffentliches Register. Erst wenn ein Nutzungsrecht einem Dritten gegenüber eingeräumt wurde, gilt es als vom Stammrecht abgespaltenes und selbstständiges Recht. Der Urheber kann die Nutzungsrechte nur einräumen, wenn sie ihm im Rahmen des Stammrechts zustehen. 68 Räumt ein Nichtberechtigter nach § 185 BGB, wie der Lizenzgeber nach Insolvenzeröffnung, Nutzungsrechte ein, die er nicht hat, so hilft auch der gute Glaube des Erwerbers nicht.69 Ebenfalls nicht möglich ist, dass der Urheber als Privatperson, und nicht als Softwareunternehmen, die Lizenz an der Open Source Software einräumt, da diese Teil der Insolvenzmasse bleibt.70 4.2.4 Sukzessionsschutz Fraglich ist ebenfalls, ob bei späterem Wegfall der Rechtsinhaberschaft oder Verfügungsbefugnis des Lizenzgebers der Bestandsschutz von § 33 S. 2 UrhG angenommen werden kann. § 33 UrhG schützt den Inhaber einfacher und ausschließlicher Nutzungsrechte vor späteren Verfügungen, beim Wechsel der Rechtsinhaberhaberschaft oder bei Verzicht (sog. Sukzessionsschutz). Der Erwerber eines Nutzungsrechts soll auch gegenüber späteren Linznehmers weiterhin zur Nutzung befugt bleiben. Dies kommt daher, dass Nutzungsrechte mit dinglicher Wirkung eingeräumt werden. Der Urheber soll nur solche Rechte übertragen, die er selbst innehat. Wie auch bei Verfügungen gilt bei späteren Einräumungen des Prioritätsprinzip.71 Gilt dieser Sukzessionsschutz auch in dem Fall, dass der Lizenz68 BGH, GRUR 1952, 530, 531; Loewenheim/Nordemann, in: Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts, § 26 Rn. 9; Wandtke, Urheberrecht, § 4 Rn. 61. 69 Wandtke, Urheberrecht, § 4 Rn. 61. 70 Koch, in: Hoeren/Sieber/Holznagel, Multimedia-Recht, Teil 26.1 Rn. 94. 71 BGH, GRUR 1986, 91, 93 - Preisabstandsklausel; Schulze, in: Dreier/Schulze, § 33 Rn. 1 ff.; Wandtke/Grunert, in Wandtke/Bullinger, § 33 Rn. 1. 28 4 Die Insolvenzfestigkeit von Open Source Lizenzen geber mit Insolvenzeröffnung seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis verliert? Damit könnten Lizenznehmer, die die Nutzungsrechte erst nach Insolvenzeröffnung eingeräumt bekommen haben, mit denen gleichgestellt werden, die bereits vor Insolvenzeröffnung die Rechte erhielten. Für eine Analogie müssten eine planwidrige Rechtslücke sowie eine vergleichbare Interessenlage vorliegen. Eine Regelungslücke könnte insofern angenommen werden, als das bei Lizenzverträgen ein Lizenzangebot an eine nicht bestimmbare Anzahl an Lizenznehmern abgegeben wird. Damit weicht die Open Source Lizenzierung von anderen Lizenzmodellen erheblich ab. Dennoch wurde sie nicht von § 33 UrhG explizit erfasst, was dafür sprechen könnte, dass dies nicht bedacht wurde und damit eine Regelungslücke existieren würde. Für eine Anwendung des § 33 UrhG würde außerdem der Wortlaut der sogenannten Linux-Klauseln § 31a I 2, § 32 III 3 und § 32a III 3 UrhG sprechen. Diese sehen vor, dass ein einfaches Nutzungsrecht durch den Lizenzgeber an jedermann eingeräumt werden könnte. Dies kann man als Befürwortung einer einheitlichen Lizenzierungshandlung interpretieren. Gegen die analoge Anwendung könnte hingegen das fehlende Einräumen der Nutzungsrechte durch den Lizenzgeber sprechen. Damit fehlt es an einer Rechtsposition, die gegenüber jedermann gilt. Dies ist aber gerade typisch für quasi-dingliche Rechte, deren Natur § 33 UrhG ausdrückt. Bevor Nutzungsrechte eingeräumt werden, liegt schuldrechtlich gesehen noch kein Versprechen, sondern erst ein Angebot vor.72 Soweit ersichtlich, gibt es hierzu noch keine gerichtliche Entscheidung. Ein möglicher Fall, wo dieser Sukzessionsschutz von Bedeutung wäre, ist etwa die Situation, wo die Abnehmer der Lizenz eine Programmkopie erhalten, die der aktuellen Rechtslage etwa wegen Insolvenzeröffnung nicht mehr entspricht. Das Programm könnte eigentlich wegen fehlender Berechtigung des Lizenzgebers nicht erworben werden, da, wie bereits erwähnt, kein gutgläubiger Erwerb von Nutzungsrechten möglich ist. Der Veräußerer der Programmkopie müsste jetzt mit Schadensersatzansprüchen rechnen, wenn kein Sukzessionsschutz angenommen werden würde.73 Auch ohne bisherige gerichtliche Betrachtung klingt eine analoge Anwendung durchaus plausibel und ein mögliches Mittel, um die Nutzungsrechte zu stärken. Andererseits besteht die Gefahr, die Interessen des 72 73 Jaeger/Metzger, Open Source Softwaree, Rn. 126d. Metzger, ITRB 2013, 239, 242. 29 4 Die Insolvenzfestigkeit von Open Source Lizenzen Lizenzgebers zu missachten, da dieser die Nutzungsrechte nie eingeräumt hat. Ziel sollte vielmehr ein ausgewogenes Interesse beider Seiten sein. 4.2.5 Umwandlung in proprietäre Software Für den Insolvenzverwalter könnte sich die Frage stellen, ob Open Source Programme in proprietäre Software umgewandelt werden könnten, um diese schließlich verwerten zu können. Voraussetzung dafür wäre allerdings, dass die wesentlichen Bestandteile des Programms beim insolventen Unternehmen liegen. Bestandteile, deren Rechte bei Dritten liegt, müsste darüber hinaus ohne großen Aufwand ersetzbar sein.74 Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so sollte der Softwaremarkt hinsichtlich der Akzeptanz proprietärer Software überprüft werden. Nicht immer ist eine Umwandlung von Open Source in proprietäre Software auch wirtschaftlich sinnvoll. Ein Webbrowser würde z.B. als proprietäres Produkt mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht erfolgreich sein. Es muss darüber hinaus bedacht werden, dass es die Open Source Version des Produktes bereits auf dem Markt gibt. Untersuchen sollte man daher auch, ob das umgewandelte proprietäre Produkt dem gegenüber eine Verbesserung darstellt. Dazu wird ein entsprechender Entwicklungsvorsprung gegenüber Wettbewerbern und Kunden benötigt. Die Software muss so gut sein, dass die Nachteile des proprietären Vertriebs damit ausgeglichen werden können. Ebenfalls denkbar wäre auch, dass der Insolvenzverwalter nach Insolvenzeröffnung die Nutzung der Programmbestandteile von Lizenzgebühren abhängig macht. Dies kann dann gelingen, wenn die Software nicht ohne Weiteres durch Produkte Dritter ersetzt werden kann. Problematisch ist bei dieser Variante allerdings, dass die Lizenznehmer nicht mehr in den Genuss kommen, die Software zu vertreiben. Die wichtigsten Open Source Lizenzen, wie GPLv3, untersagen außerdem eine Kombination aus freien und proprietären Bestandteilen. Die Umwandlung von Open Source in proprieäre Software kann darüber hinaus einen Imageverlust des Unternehmens bewirken.75 74 75 Jaeger/Metzger, Open Source Software, Rn. 170h. Metzger/Barudi, CR 2009, 557, 558. 30 4 Die Insolvenzfestigkeit von Open Source Lizenzen 4.2.6 Zwischenergebnis Nutzungsrechte, die erst nach Insolvenzeröffnung übertragen wurden, sind nicht insolvenzfest. Die einzige Möglichkeit, diese wirksam eingeräumt zu bekommen, ist die Genehmigung des Insolvenzverwalters nach § 185 II BGB. Das Einräumen von vergütungsfreien Nutzungsrechten an Open Source Software kann jedoch nicht Aufgabe eines Insolvenzverwalters sein76 . Ziel eines Insolvenzverfahrens ist es immerhin nach § 1 InsO, dass die Gläubiger eines Schuldners mit dem Erlös aus dem verwerteten Vermögen des Schuldners befriedigt werden. 4.3 Fazit: Unstimmige Situation Es zeigt sich hier ein unstimmige Situation. Je nachdem, ob die Nutzungsrechte vor oder nach Insolvenzeröffnung eingeräumt wurden, tritt eine andere Rechtsfolge ein. Geschieht die Rechtseinräumung noch vor Insolvenzeröffnung, so bleiben die Nutzungsrechte auch mit Insolvenz des Lizenzgebers bestehen. Die Open Source Lizenzen sind insolvenzfest. Ein Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO, bei dem er über die Erfüllung von Verträgen entscheiden könnte, ist in diesem Falle nicht gegeben. Es scheitert bereits an dem Vorliegen eines synallagmatischen Verhältnisses. Selbst wenn man diese noch annehmen würde, so würde man spätestens bei der zweiten Voraussetzung der Erfüllung der Vertragsverhältnisse scheitern. Mit Einräumung der Lizenz hat der Lizenzgebers bereits seine Pflichten vollständig erfüllt. Der Nutzer darf das Programm daher weiterhin nutzen, ohne das der Insolvenzverwalter dies einschränken kann. Neben der Benutzung ist auch der weitere Vertrieb in in veränderter oder unveränderter Form möglich77 . Geschieht die Rechtseinräumung hingegen erst nach der Insolvenzeröffnung, so sind die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse auf den Insolvenzverwalter übergegangen, § 80 InsO. Nutzungsrechte können dann nur noch durch ihn nach § 185 II BGB analog genehmigt werden. Damit ist bei dieser Variante eine Insolvenzfestigkeit nicht gegeben. Dies kann für den Lizenznehmer unangenehme Folgen nach sich ziehen. Das Forschungsinstitut Havelhöhe etwa, müsste bei einer untersagten Nutzung von „R“ auf 76 77 Koch, in: Hoeren/Sieber/Holznagel, Multimedia-Recht, Teil 26.1 Rn. 94. Jaeger/Metzger, Open Source Software, Rn. 170i. 31 5 Lösungsansätze sehr teure Statistikprogramme, wie SPSS, zurückgreifen. Auch wäre die Möglichkeiten und Flexibilität der Datenanalyse stärker beschränkt.78 Betrachtet man beide Konstellationen, so kommt man zu dem Schluss, dass in beiden Fällen Rechtsunsicherheit besteht. Anders als z.B. bei Mietverhältnissen ist die Insolvenzfestigkeit bei Einräumung der Nutzungsrechte vor Insolvenzeröffnung nicht gesetzlich festgelegt. Bei Open Source Software entsteht eine Insolvenzfestigkeit nur aufgrund der Nichtanwendbarkeit des § 103 InsO. Bei proprietären Softwarelizenzverträgen kann hingegen § 103 InsO angewendet werden. Auch wenn dies ein wirtschaftliches Risiko für den Lizenznehmer darstellt, so gibt es im Gegensatz zu Open Source Verträgen immerhin eine Norm, die angewendet wird. Rechtsunsicherheit besteht auch bei Einräumung der Rechte nach der Insolvenzeröffnung, da Lizenznehmer aus den Lizenzhinweisen heraus nicht erkennen können, ob das Unternehmen noch solvent ist. Es empfiehlt sich daher, dass Lizenznehmer vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens den Lizenzvertrag abschließen und dies entsprechend dokumentieren, denn im Falle eines Verfahrens wegen Verletzung der Nutzungsrechte würden sie die Darlegungs- und Beweislast tragen.79 5 Lösungsansätze Je nachdem, ob die Nutzungsrechte vor oder nach Insolvenzeröffnung eingeräumt wurden, sind diese insolvenzfest oder können erst gar nicht erworben werden. Wie kann mit dieser Rechtsunsicherheit umgegangen werden? Vor allem in der Literatur, aber auch in der Rechtsprechung, werden verschiedene Lösungen diskutiert. 5.1 Lizenzvertragliche Anpassungen Unternehmen, die Open Source Software zur Verfügung stellen, haben nicht die Möglichkeit, z.B. die GPLv3 anzupassen, um so etwa die Insolvenzfestigkeit festzulegen. Darauf wird bereits vor der Prä- 78 Vgl. Schriftliche Befragung von Dr. Jan Axtner, wissenschaftlicher Mitarbeiter FIH, vom 14.07.2014, im Anhang auf S. 48. 79 Jaeger/Metzger, Open Source Software, Rn. 170i. 32 5 Lösungsansätze ambel hingewiesen80 : „Everyone is permitted to copy and distribute verbatim copies of this license document, but changing it is not allowed.“ Es stellt sich insgesamt als problematisch dar, Lizenzverträge als insolvenzfest auszugestalten. Dabei ist allem voran § 119 InsO zu beachten. Dieser sieht vor, dass Vereinbarungen, die die Anwendung der §§ 103 bis 118 InsO ausschließen, unwirksam sind. Damit soll verhindert werden, dass die Rechte des Verwalters vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeschlossen oder eingeschränkt werden. § 119 InsO selbst ist ebenfalls unabdingbar und kann damit vertraglich nicht ausgeschlossen werden.81 Der BGH ließ 2005 eine Möglichkeit zu, den Lizenzvertrag insolvenzfest auszugestalten. In der Klausel wurde dem Lizenznehmer ein außerordentliches Kündigungsrecht mit Übernahme der Software und Quellcode gegen Zahlung einer einmaligen Vergütung einräumt, falls die Fortsetzung des Vertrages nicht mehr zugemutet werden könne. Mit dieser aufschiebenden Bedingung wurde das Computerprogramm nicht Teil der Insolvenzmasse, sondern ist bereits vor Verfahrenseröffnung auf den Lizenznehmer für den Fall der Vertragskündigung übertragen worden. Im Insolvenzfall sind bedingte Rechte ebenso wie bestehende Rechte zu behandeln. Es spiele dabei keine Rolle, ob die Bedingung erst vor oder nach dem Insolvenzeröffnung eintrete. Diese Klausel widerspreche, dem BGH zufolge, auch nicht dem § 119 InsO, da nicht die Eröffnung des Verfahrens, sondern die Kündigung des Vertrages aus wichtigem Grund als Bedingung vereinbart worden war. Zweck der Klausel war auch nicht die Benachteiligung der Insolvenzgläubiger, sondern die Absicherung des Lizenznehmers.82 Mit dem Urteil wird zwar eine Möglichkeit aufgezeigt, einen Lizenzvertrag insolvenzfest auszugestalten, zu mehr Rechtssicherheit führt dies allerdings nicht. Es kann sich schon als schwierig erweisen, eine solche Klausel überhaupt in der Praxis durchzusetzen, zumal sie nur für exklusive bzw. ausschließliche Lizenzen möglich ist.83 Ein weiteres 80 Vgl. GNU GPLv3, http://www.gnu.org/licenses/gpl.html [Zugriff am 28.06.2014]. 81 Braun/Kroth, § 119 Rn. 6; MüKo/Huber, § 119 Rn. 15 f.; Uhlenbruck/Sinz, § 119 Rn. 1. 82 BGH, GRUR 2006, 435 ff. 83 Heim, NZI 2008, 338, 339; Schleich/Götz, DZWIR 2008, 58, 60. 33 5 Lösungsansätze Urteil des OLG München entschied ebenfalls zugunsten des Lizenznehmers. Dadurch blieben die vor der Insolvenzeröffnung erteilten Lizenzen im Ergebnis von der Insolvenzeröffnung unberührt. Das Gericht betonte, dass die Insolvenzfestigkeit von Nutzungsrechten schon aus wirtschaftlicher Sicht für den Lizenznehmer notwendig wäre. Die Revision zum BGH wurde zugelassen, da die Rechtsfrage der Insolvenzfestigkeit von Lizenzen in höchstrichterlicher Rechtsprechung bisher nicht abschließend geklärt wurde.84 Das Urteil des OLG München betonte die bereits bestehende Unsicherheit. Allerdings ist hier erkennbar, dass die Rechte der Lizenznehmer gestärkt werden sollen und die Entscheidungsbefugnis nicht allein in den Händen der Insolvenzverwalter liegen soll.85 Inwieweit ist dies aber auf Open Source Verträge übertragbar? Zunächst einmal besteht bei Open Source Verträgen nicht die Notwendigkeit § 103 InsO ausschließen zu wollen. Dieser wird ohnehin nicht bei Open Source Lizenzverträgen angewendet (vgl. Kapitel 4.1). Die vom BGH zugelassene Klausel stellt aus diesem Grund für Open Source Verträge auch keine Alternative da. Die Verträge müssten dann bereits vor Insolvenzeröffnung zustande gekommen sein und eine aufschiebende Bedingung beinhalten, die die Nutzungsrechte bei Insolvenzeröffnung auf den Lizenznehmer übertragen. Bei Open Source Verträgen sind die vor Insolvenzeröffnung eingeräumten Nutzungsrechte aber ohnehin insolvenzfest. Solche Klauseln helfen also nur in solchen Fällen, in denen § 103 InsO andernfalls Anwendung finden würde. 5.2 Weitere Gestaltungsmöglichkeiten Neben lizenzvertraglichen Anpassungen werden in der Literatur auch weitere Gestaltungsmöglichkeiten diskutiert. 5.2.1 Sicherungsnießbrauch Eine Variante stellt der Sicherungsnießbrauch dar. Der Begriff des Nießbrauches ist in § 1030 BGB legaldefiniert. Es bezeichnet die Belastung einer Sache in der Weise, dass derjenige, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, berechtigt ist, die Nutzen aus der Sache zu ziehen. Auch an Rechten, wie Lizenzen, kann ein Nießbrauch 84 85 OLG München, NZI 2013, 899 ff. Dahl/Schmitz, GRUR 2013, 878, 879. 34 5 Lösungsansätze nach §§ 1068, 1069 BGB bestellt werden. Die belastete Sache oder das belastete Recht, werden dann Teil der Insolvenzmasse, während das begrenzt dingliche Recht, wie der Nießbrauch, nach § 47 InsO ausgesondert wird. Damit kann das Nutzungsrecht an einer massezugehörigen Sache geltend gemacht werden. Der Insolvenzverwalter muss dies akzeptieren.86 Der Nießbrauch ist auch an einer Lizenz möglich. Im Falle einer Insolvenz des Lizenzgebers sollte der Nießbrauch dann ausgeübt werden, wenn sich der Insolvenzverwalter im Rahmen seines Wahlrechts nach § 103 InsO gegen die Erfüllung ausspricht. Damit beeinflusst der Nießbrauch aber die Entscheidungsfreiheit des Insolvenzverwalters, da mit Ausübung des Nießbrauchs keine Lizenzgebühren mehr gezahlt werden würden. Diese Einschränkung des Wahlrechts könnte für eine Unanwendbarkeit nach § 119 InsO sprechen.87 Dafür spricht wiederum, dass das Wahlrecht hinsichtlich des Lizenzvertrages selbst nicht beeinträchtigt ist. Damit könnte es auch gegenüber § 119 InsO Bestand haben.88 Problematisch ist bei dieser Konstellation allerdings, dass der Nießbraucher im Vergleich zu seiner lizenzvertraglichen Stellung eine „überschießende“ Rechtsmacht besitzt. Bei nicht exklusiven Lizenzen, wie Open Source Lizenzen, wären Lizenzgeber wahrscheinlich nicht bereit, dem Lizenznehmer solch eine Rechtsposition einzuräumen.89 Er müsste zumindest mit dem Nießbraucher eine Abrede über einen Verzicht auf die Klagebefugnis treffen, da eine einfache Lizenz keine Klagebefugnis umfasst. Der Nießbrauch hingegen lässt dies als absolutes Recht zu.90 Die Einräumung eines Nießbrauchs als Gestaltungsmöglichkeit wurde bisher von der Rechtsprechung auf einen möglichen Verstoß noch nicht betrachtet.91 Es würde wohl von der vertraglichen Ausgestaltung abhängen, inwiefern das Wahlrechts des Insolvenzverwalters in diesem speziellen Fall beeinträchtigt wäre.92 Fraglich ist allerdings, ob diese Gestaltungsmöglichkeit überhaupt zielführend für Open Source Lizenzverträge ist. Dagegen spricht, dass der Nießbrauch dazu dienen soll, § 103 InsO zu 86 Gottwald/Adolphsen, in: Gottwald, InsolvenzR-Hb, § 40 Rn. 17; Prütting, in: Kübler/Prütting/Bork, § 40 Rn. 17, § 47 Rn. 42; MüKo/Ganter, § 47 Rn. 328. 87 Berger, GRUR 2004, 20, 21 f.; Dahl/Schmitz, NZI 2007, 626, 628. 88 Berger, GRUR 2004, 20, 22. 89 Dahl/Schmitz, NZI 2007, 626, 628 f. 90 Berger, GRUR 2004, 20, 23. 91 Schleich/Götz, DZWIR 2008, 58, 60. 92 McGuire/v. Zumbusch/Joachim, GRUR Int. 2006, 682, 695. 35 5 Lösungsansätze umgehen, der bei Open Source Lizenzverträgen ohnehin keine Anwendung finde würde. Ein Nießbrauch an Open Source Lizenzen ist daher wohl kein praktikables Gestaltungsmittel. 5.2.2 Einredeverzicht Eine ebenfalls diskutierte Variante sieht den Einredeverzicht des Lizenznehmers vor. In solch einer Vereinbarung soll der Lizenznehmer, für den Fall der Insolvenz des Lizenzgebers, bezüglich noch nicht erfüllter Nebenpflichten des Lizenzgebers, wie die Verteidigung gegen Angriffe Dritter, auf die Einrede des noch nicht erfüllten Vertrages gemäß § 320 BGB verzichten. Andernfalls könnte die Lizenzzahlung durch den Lizenznehmer verweigert werden. Der Verzicht auf die Einrede hat den Zweck, dass der Lizenzvertrag seitens des Lizenzgebers als vollständig erfüllt angesehen wird. Dem Insolvenzverwalter steht damit nicht mehr das Wahlrecht nach § 103 InsO zur Verfügung, die Lizenz wäre insolvenzfest. Er kann dann die Lizenzgebühr als Gegenleistung zur Masse ziehen.93 Diese Vereinbarung würde aber wohl vor § 119 InsO nicht aufrecht erhalten werden können. Zum Einen würde der Einredeverzicht nicht im Interesse des Lizenznehmers liegen, zum Anderen müsste die Vereinbarung bedingt auf den Insolvenzfall erfolgen. Dieser Verzicht hätte dann aber einzig und allein das Ziel, das Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO auszuschließen.94 Ein wichtiger Punkt der Rechtsprechung bei der Prüfung solcher Ausgestaltungen hinsichtlich der Unwirksamkeit nach § 119 InsO ist, ob Klauseln das Ziel haben, das Wahlrecht des Insolvenzverwalters zu unterlaufen. Dies ist dann der Fall, wenn die Klausel an die Insolvenzeröffnung anknüpft.95 Eine solche Vereinbarung würde also mit hoher Wahrscheinlichkeit vor Gericht keinen Bestand haben, da die Einrede an den Insolvenzfall anknüpft. Auch hinsichtlich der Anwendbarkeit bei Open Source Lizenzverträgen kommt man, wie bereits beim Nießbrauch, zu dem Schluss, dass diese Variante ebenfalls nicht notwendig ist. § 103 InsO spielt hier ohnehin keine Rolle. 93 Hölder/Schmoll, GRUR 2004, 830, 835. Dahl/Schmitz, NZI 2007, 626, 629. 95 BGH, GRUR 2006, 435, 438. 94 36 5 Lösungsansätze 5.2.3 Problem der Rechtsmängelhaftung Bei Open Source Verträgen ist, neben der fehlenden gesetzlichen Regelung, vielmehr die Rechtsüberlassung nach Insolvenzeröffnung problematisch. Eine unrechtmäßige Nutzung könnte für den Lizenznehmer die Zahlung von Schadensersatz bedeuten. Um einer Rechtsmängelhaftung nach § 523 I (gegenüber dem Urheber) oder § 435 BGB (gegenüber dem Nutzer, wenn diesem die Software z.B. in einem Paket mit einem Handbuch und zusätzlichen proprietären Programmteilen verkauft wurde) zu entgehen, können die Lizenznehmer, wenn diese als Distributoren auftreten, auf zwei Möglichkeiten zurückgreifen. Zum Einen könnte der Lizenznehmer dem Kunden gegenüber erklären, dass aufgrund der Insolvenz des Lizenzgebers ein Open Source Lizenzvertrag nicht abgeschlossen werden kann. Dieser Hinweis müsste allerdings an einer anderen Stelle als den GNU Lizenzen geschehen, da diese, wie in Kapitel 5.1. erwähnt, nicht verändert werden dürfen. Eine weitere Möglichkeit wäre es, den Insolvenzverwalter um den Abschluss einer Individualvereinbarung zur Einräumung der Nutzungsrechte nach z.B. GNU GPLv3 zu bitten. Allerdings sollte darin auch geregelt werden, dass der Lizenznehmer von der Pflicht, den Lizenzhinweis zu verbreiten, entbunden ist. Andernfalls könnten die Kunden weiterhin davon ausgehen, dass die Open Source Software als solche weiterverbreitet werden darf. Eine solche Regelung kann dann Sinn machen, wenn die dadurch hergestellte Rechtssicherheit im Verkehr höher zu bewerten ist als die durch den Vertragsschluss entstandenen Transaktionskosten.96 5.2.4 Zwischenergebnis Alles in allem wird deutlich, dass die derzeit diskutierten Gestaltungsmöglichkeiten insbesondere für Open Source Lizenzverträge nicht praktikabel sind. Sie alle haben gemein, dass sie das Wahlrecht des Insolvenzverwalters ausschließen wollen. Bei Open Source Lizenzverträgen ergibt sich hingegen das Bild, dass § 103 InsO gar keine Anwendung findet, wenn die Rechtsüberlassung vor Insolvenzeröffnung stattfindet. Der Lizenznehmer kann sich aber gleichzeitig auf keine Regelung stützen, die ihm den Fortbestand des Nutzungsrechts sichert. Die Gefahr, nach der Insolvenzeröffnung einer 96 Metzger/Barudi, CR 2009, 557, 559. 37 5 Lösungsansätze Rechtsmängelhaftung gegenüberzustehen ist groß, da die Insolvenzeröffnung unter Umständen nicht für die Lizenznehmer ersichtlich ist. Erforderlich ist daher, die Kunden entsprechend darauf hinzuweisen. Eine Individualvereinbarung über die Einräumung der Nutzungsrechte kann in bestimmten Fällen ebenfalls nützlich sein. 5.3 Einführung eines § 108a InsO Die Überführung des § 21 KO in den § 108 InsO mit der neuen Ergänzung, dass § 108 InsO nur auf das unbewegliche Vermögen anwendbar ist, schloss die analoge Anwendung auf Lizenzverträge aus. Damit muss seit nunmehr 15 Jahren auf den § 103 InsO zurückgegriffen werden, der ein Wahlrecht für den Insolvenzverwalter vorsieht. Dieser ist wiederum auf Open Source Lizenzen nicht übertragbar. Bei Lizenzverträgen proprieträrer Software kann allerdings, wie bereits in Kapitel 3.3. dargestellt, die Ablehnung der Erfüllung für den Lizenznehmer der Verlust der Ansprüche wirtschaftliche Folgen haben. Dies hat auch die Gesetzgebung erkannt und präsentierte bereits 2007 einen Gesetzesentwurf zu Einführung eines § 108a InsO. Dieser Entwurf sah vor, dass das Recht am geistigen Eigentum mit Wirkung für die Insolvenzmasse fortbesteht. Wurde im Rahmen des Lizenzvertrages eine Vergütung vereinbart, die im Vergleich zu der marktgerechten Vergütung im auffälligen Missverhältnis steht, hätte der Insolvenzverwalter allerdings eine Anpassung der Vergütung verlangen können. Man habe die „ruinösen“ Auswirkungen für den Lizenznehmer erkannt. Auch andere Exportstaaten, insbesondere USA und Japan, hätten bereits Lizenzen als insolvenzfest ausgestaltet. Mit der Einführung eines § 108a InsO sollte Deutschland im internationalen Wettbewerb als Wirtschaftsund Forschungsstandort nachhaltig gestärkt und verhindert werden, dass lizenznehmende Unternehmen in das Ausland abwandern. Außerdem wollte man damit die individuellen Interessen des Lizenznehmers und des Lizenzgebers zu einem angemessenen Ausgleich bringen.97 Zusammengefasst würde nach dem Entwurf der Lizenzvertrag mit der Insolvenzmasse fortbestehen, das Wahlrecht des Insolvenzverwalters würde hier ausgeschlossen sein. Der Vorstoß der Regierung wurde grundsätzlich begrüßt. Der Gesetzesentwurf wurde dennoch vom Bundesrat in seiner Stellungnah97 BT-Drs. 16/7416, S. 8, 24; BR-Drs. 600/07, S. 3, 56 ff. 38 5 Lösungsansätze me98 vor allem in folgenden Punkten kritisiert: – An einem Vertrag, der über 20 Jahre hinweg die ausschließ- liche Nutzung der Lizenz einräumt, kann der Verwalter im ungünstigsten Fall noch 19 Jahre gebunden sein. Einen Erwerber für diese Lizenz zu finden sei bei einer solch langen Vertragslaufzeit nahezu unmöglich. Während der Vertragslaufzeit würde zudem der Masse ein Entgelt für die Lizenz zufließen. Das würde die Schlussverteilung auf Jahre blockieren und erheblich verzögern. – Außerdem ist die Problematik der „Lizenzketten“ nicht von dem Entwurf geklärt. Im Rahmen einer „Lizenzkette“ wäre der Lizenzgeber gleichzeitig Lizenznehmer. Die Sublizenzen wären im Ergebnis insolvenzfest, während bei der ursprünglichen Lizenz weiterhin das Wahlrecht nach § 103 InsO Anwendung finden würde. – Schließlich kritisiert der Bundesrat die Begrifflichkeit „Haupt- und Nebenpflichten“. Eine Unterscheidung der Begriffe sei nur schwer möglich und hänge vom Einzelfall ab. – Auch die Verwendung des Begriffs der „marktgerechten“ Ver- gütung sei problematisch festzustellen und für den Lizenzbereich eher unpassend. Da Lizenzverträge mehr oder weniger spekulativ und risikobehaftet sein können, kann sich die Schätzung einer marktgerechten Vergütung als schwierig erweisen. Auch ist der Begriff der marktgerechten Vergütung streitanfällig und würde stets ein Gutachten anfordern. Problematisch an dem Begriff der „marktgerechten“ Vergütung ist darüber hinaus, dass in vielen Fällen gar kein Markt besteht, da es sich um neuartige Rechte oder Kenntnisse handeln kann. Mit dem benutzen des Begriffs „Vergütung“ anstatt „Gegenleistung“ wären außerdem solche Fälle von § 108a InsO-E ausgeschlossen, bei denen als Gegenleistung das Erhalten von Nutzungsrechten an Schutzrechten oder Know-how des Lizenznehmers anstelle einer Vergütung vereinbart werden. Daneben sind auch die Terminologien „Lizenzvertrag“ und „Geistiges Eigentum“ problematisch, da es für beide Begriffe keine einheitliche Definition im Gesetz gibt.99 Man hätte 98 99 BT-Drucks. 16/7417, S. 53 ff. Heim, NZI 2008, 338, 341. 39 5 Lösungsansätze den Entwurf zudem so verstehen können, dass der Insolvenzverwalter in seiner Verwertung eingeschränkt wäre. Unklar war ebenfalls, wie mit Ansprüchen von Lizenznehmern umgegangen werden sollte, die noch vor Verfahrenseröffnung entstanden sind.100 Ebenfalls befürchtet wurde ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz der Gläubiger. Allerdings kann man Lizenzverträgen durchaus eine Sonderstellung im Insolvenzverfahren einräumen, da diese sich erheblich von anderen Verträgen unterscheiden. Bei Lizenzen kann der Insolvenzverwalter immerhin die Nutzung des lizenzierten Rechts verbieten, ohne das man dieses Recht gleichzeitig woanders beziehen könnte.101 Dennoch wurde die Idee, einen § 108a InsO einzuführen, in der Literatur überwiegend begrüßt. Für den Entwurf sprach grundsätzlich, dass für die Lizenznehmer die aus § 103 InsO resultierende Unsicherheit entfallen würde.102 Allerdings war der Entwurf zu oberflächlich und in seiner Formulierung noch verbesserungswürdig. Im Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG), welches 01.03.2012 in Kraft trat, wurde zunächst Abstand von diesem Gesetzesentwurf genommen. In einer zweiten Stufe der Insolvenzrechtsreform wurde jedoch ein neuer Gesetzesentwurf vom Bundesministerium für Justiz (BMJ) vorgestellt, welcher erneut Regelungen zur Insolvenzfestigkeit von Lizenzen beinhaltete. Er wich in seiner Formulierung erheblich von dem ersten Entwurf ab, was von der Kritik herrühren könnte. In dem Entwurf eines Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens, zur Stärkung der Gläubigerrechte und zur Insolvenzfestigkeit von Lizenzen sollte, wie bereits beim ersten Entwurf, die Interessen des Lizenznehmers und Lizenzgebers in Ausgleich gebracht und dem Lizenznehmer auch in der Insolvenz des Lizenzgebers die Möglichkeit geben werden, die Lizenz weiterhin zu nutzen.103 Der Gesetzesentwurf des BMJ sah vor, dass wenn der Insolvenzverwalter sein Wahlrecht aus § 103 InsO in Anspruch genommen und die Erfüllung ablehnt hätte, der Lizenznehmer den Abschluss eines neuen 100 Mitlehner, ZIP 2008, 450. Slopek, ZInsO 2008, 1118, 1120. 102 Schleich/Götz, DZWIR 2008, 58, 62; Dahl/Schmitz, NZI 2007, 626, 631. 103 Bundesministerium für Justiz (BMJ), Zweite Stufe der Insolvenzrechtsreform kommt, Pressemitteilung vom 23.01.2013, URL: http://www.bmjv. de/SharedDocs/Archiv/DE/Pressemitteilungen/2012/20120123_Zweite_ Stufe_der_Insolvenzrechtsreform_kommt.html?nn=4795776%22[Zugriff am 29.05.2014]. 101 40 6 Fazit Vertrages hätte verlangen können. Solch eine Regelung mag für proprietäre Software sinnvoll sein, für Open Source Software hingegen wäre ein ein Ausschluss des Wahlrechts sinnvoller. Dafür würde sprechen, dass bei Open Source Lizenzen eine Vielzahl von Entwicklern und Lizenznehmern involviert sind. Die Insolvenz eines einzelnen Mitentwicklers würde das komplette „Lizenzsystem“ stören. Da keine Lizenzgebühren anfallen, wäre ein Ausschluss des Wahlrechts auch nicht von Nachteil für den Lizenzgeber. In diesem Bereich fällt es zudem dem Insolvenzverwalter schwer, den genauen Zeitpunkt der geschlossenen Verträge zu ermitteln. Vorstellbar wäre daher, den Entwurf dahingehend zu ergänzen, einen weiteren Absatz speziell für Open Source Lizenzen einzufügen, der das Wahlrecht explizit vor und nach Eröffnung des Verfahrens ausschließt und so die Rechtssicherheit erhöht.104 Aber auch der vom Bundeskabinett am 18.07.2012 beschlossene und am 31.10.2012 verabschiedete Gesetzesentwurf105 beschränkte sich nur auf Änderungen zum Verbraucherinsolvenzverfahren. Der Referenzentwurf des BMJ, der die Schaffung eines § 108a InsO vorsah, wird derzeit nicht weiter verfolgt.106 6 Fazit Aktuelle Rechtslage 1998 wurde der Begriff der Open Source Software erstmals benutzt und die wesentlichen Kriterien festgelegt. Im Kern geht es um die freie, unbeschränkte Weitergabe unter Offenlegung des Quellcodes. Open Source Software hat dabei nicht nur ideologische, sondern auch eine wirtschaftliche Bedeutung. So bieten Unternehmen z.B. kostenpflichtige Supportangebote oder Handbücher für Open Source Software an. Bei Betrachtung der derzeitigen Entwicklung, wird angenommen, dass die wirtschaftliche Bedeutung im Laufe der Jahre zunehmen wird. Im Falle der Insolvenz des Lizenzgebers blieben Lizenzen vor der Umsetzung der Insolvenzrechtsreform 1999 von dieser unberührt. Die Insolvenzfestigkeit wurde, der herrschenden Meinung folgend, 104 Angelehnt an: IfrOSS, Stellungnahme zur Neuregelung des § 108a InsO-E vom 05.05.2012, URL: http://www.ifross.org/ifross_html/120506%20Stellungnahme%20InsO.pdf [Zugriff am 29.05.2012]. 105 BT-Drs. 17/11268. 106 FK-InsO/Wegener, § 103 Rn. 23. 41 6 Fazit mit einer analogen Anwendung des § 21 KO begründet. Dies war möglich, da man Softwarelizenzverträge als miet- bzw. pachtähnlich betrachtete. 1999 wurde schließlich die bereits 1994 beschlossene Insolvenzrechtsreform umgesetzt. Die bisher bestehenden Gesetze wurden in die Insolvenzordnung überführt. § 21 KO wurde in diesem Rahmen in § 108 InsO übertragen. Dieser enthält nun aber die Einschränkung auf unbewegliche Gegenstände. Lizenzen sind somit nicht mehr umfasst. Seitdem ist grundsätzlich ein Rückgriff auf § 103 InsO bei Lizenzverträgen erforderlich. Dieser sieht, bei Erfüllung der Voraussetzungen, ein Wahlrecht des Insolvenzverwalters über die Erfüllung oder Nichterfüllung von Verträgen vor. Kann der Lizenznehmer einer Open Source Lizenz nun auf den Bestand der bereits übertragenen Nutzungsrechte auch nach Insolvenzeröffnung des Lizenzgebers vertrauen? Erfolgt die Rechtsübertragung bereits vor Insolvenzeröffnung, bleiben dem Lizenznehmer die bereits übertragenen Nutzungsrechte erhalten. Dies ergibt sich aus der Nichtanwendbarkeit des § 103 InsO. Open Source Lizenzverträge erfüllen nicht die Voraussetzungen des synallagmatischen Vertragsverhältnisses. Sie ähneln vielmehr der Schenkung im Sinne des § 516 BGB, die einseitig verpflichtend ist. Selbst wenn man die erste Voraussetzung annehmen würde, so müsste der Vertrag noch nicht vollständig erfüllt sein. Bei Open Source Verträgen ist dies aber, zumindest seitens des Lizenzgebers, mit Bereitstellung der Software stets gegeben. Können aber auch Nutzungsrechte nach der Insolvenzeröffnung erworben werden? Eine Rechtseinräumung nach Insolvenzeröffnung ist nicht mehr möglich, da die Verwaltungsund Verfügungsbefugnisse nach § 80 InsO auf den Insolvenzverwalter übergegangen sind. Die Gefahr liegt nun darin, dass dem Lizenznehmer die Insolvenzeröffnung aus den Lizenzhinweisen nicht ersichtlich ist. Ein gutgläubiger Erwerb ist nicht möglich, da kein Publizitätsprinzip im Urheberrecht herrscht. Ein Sukzssionsschutz mittels einer analogen Anwendung des § 33 UrhG wurde bisher gerichtlich nicht bestätigt. Bei Betrachtung beider Situationen zeigt sich große Rechtsunsicherheit. Die bereits vor Insolvenzeröffnung übertragenen Nutzungsrechte sind zwar insolvenzfest, eine gesetzliche Sicherheit gibt es aber nicht. Für nach Insolvenzeröffnung eingeräumte Nutzungsrechte besteht keine Insolvenzfestigkeit; bemerkt dies der Lizenznehmer nicht, so besteht die Gefahr in Haftung genommen zu werden. 42 6 Fazit In der Literatur werden seit der Reform verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten diskutiert, um eine Insolvenzfestigkeit herbeizuführen. Die Open Source-Lizenzhinweise selbst können nicht angepasst werden. Damit die lizenzvertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten Bestand haben, dürfen Sie nicht gegen § 119 InsO verstoßen. So ließ der BGH eine Klausel zu, da sie nicht von der Insolvenz, sondern von der Kündigung abhängig war. Ebenfalls diskutierte Varianten sind die Einräumung eines Nießbrauchs und der Einredeverzicht. Bei diesen Varianten ist ein Verstoß gegen § 119 InsO denkbar. Alle diskutierten Gestaltungsmöglichkeiten haben letztlich das Ziel, § 103 InsO zu umgehen. Die Anwendung des § 103 InsO ist bei Open Source Software aber ohnehin nicht eröffnet. Vielmehr besteht hier die Gefahr der Rechtsmängelhaftung, da der Lizenznehmer unter Umständen gar nicht bemerkt hat, dass er die Software ohne Einräumung der Nutzungsrechte nutzt. Sollte ein Lizenznehmer die Software an Kunden weitergeben, so kann er sie auf den Umstand hinweisen und mit dem Insolvenzverwalter eine Individualvereinbarung über die Einräumung von Nutzungsrechten abschließen, wenn dies wirtschaftlich sinnvoll erscheint. Die bestehende Rechtsunsicherheit bei Lizenzverträgen in der Insolvenz hat auch der Gesetzgeber bemerkt. Er unternahm zwei Anläufe, einen § 108a InsO einzuführen. Bislang ohne Erfolg. Persönliches Fazit Mit der bisher nicht beseitigten Rechtsunsicherheit muss also bei der Insolvenz eines Lizenzgebers für Open Source Software weiterhin zwischen dem Zeitpunkt vor und nach Insolvenzeröffnung streng unterschieden werden, auch wenn dies für den Lizenznehmer nicht immer sofort offensichtlich ist. Derzeit gibt es keine geeigneten Mittel, dem Nutzer von Open Source Software mehr Sicherheit zu vermitteln. Die wohl beste Lösung wäre die Einführung einer klaren gesetzlichen Regelung. Aktuell wird allerdings kein weiterer Anlauf unternommen, um einen entsprechenden Paragraphen einzuführen. Da Open Source Software in seinen Merkmalen erheblich von proprietärer Software abweicht, wäre bei Einführung einer gesetzlichen Regelung ein spezieller Absatz, der sich diesem Softwaretyp widmet, durchaus sinnvoll. Bis dahin muss die bestehende Rechtsunsicherheit Wohl oder Übel bei Open Source Lizenzverträgen in Kauf genommen werden. 43 Literatur Literatur Abel, Paul : Filmlizenzen in der Insolvenz des Lizenzgebers und Lizenznehmers, in: NZI 2003, S. 121-129. Andres, Dirk/Leithaus, Rolf : Insolvenzordnung - Kommentar, 3. Auflage, München 2014. Auer-Reinsdorff, Astrid : Escrow-Lizenzen und Open Source Software, in: ITRB 2009, S. 69 - 71. Berger, Christian: Der BGH auf dem Weg zur Anerkennung der Insolvenzfestigkeit von Softwarelizenzen, in: NZI 2006, S. 380-383. Berger, Christian: Softwarelizenzen in der Insolvenz des Softwarehauses, in: CR 2006, S. 505-512. Black Duck : Top 20 Open Source Licenses (Stand 2014), URL: https://www. blackducksoftware.com/resources/data/top-20-open-source-licenses, Zugriff am 18.04.2014. Braun, Eberhard : Insolvenzordnung (Kommentar), 5. Auflage, München 2012. 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Wir verwenden sie ebenfalls für den gesamten vorausgehenden data mining Prozeß. 4. Stellen Sie sich vor, Sie erhalten die Anweisung, dass ein Open Source Programm nicht mehr genutzt werden darf. Welche (wirtschaftlichen) Folgen/Auswirkungen könnte dies haben? Wir müßten auf kostenpflichtige Programme zurückgreifen, deren einzelne Lizenzen extrem kostspielig sind. Zudem wären wir dadurch in Flexibilität und Möglichkeiten der Datenanalyse stärker beschränkt. Ein Open Source Programm hat aus wissenschaftlicher Sicht zudem den Vorteil, dass die Ergebnisse und Skripte für jeden nachvollziehbar und transparent sind. Die Fragen wurden am 14.07.2014 von Dr. rer. nat. Jan Axtner, wissenschaftlicher Mitarbeiter Netzwerk Onkologie (Forschungsinstitut Havelhöhe (FIH) gGmbH am Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe, Kladower Damm 221, 14089 Berlin) beantwortet. 48