Fünfzehn Jahre nach NATO-Bombenkrieg: Serbien

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Fünfzehn Jahre nach NATO-Bombenkrieg: Serbien
Fünfzehn Jahre nach NATOBombenkrieg: Serbien, das
vergiftete Land
Und
nun
zu
den
Krediten
von
Fr.
Merkel.
Alles
leere
Versprechungen. Alle wollen die miserable Situation in Serbien
ausnützen und durch angebliche Beitrittszusage die größten
serbischen Unternehmen – nämlich Elektrowirtschaft und Mobilund Telefonanbieter für Kleingeld kaufen. Die rücksichtslosen
und käuflichen serbischen Politiker würden sogar die eigene
Großmutter verscherbeln, um sich persönlich zu bereichern und
führen das Land und das Volk in eine ähnliche Katastrophe wie
in Griechenland, Bulgarien oder in Rumänien.
Am 10. Juni 2014, also vor wenigen Tagen, jährte sich zum
fünfzehnten Mal eine der größten Katastrophen unserer
neuzeitlichen europäischen Geschichte: Am 10. Juni 1999 wurde
der NATO-Bombenkrieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien
ausgesetzt. Leider ist diese Meldung nur wenigen Medien eine
Erwähnung wert. Nicht einmal drei Monate lang hatte das
grausame Ereignis gedauert, bei dem zahlreiche Menschen den
Tod fanden. Die Folgen des Krieges sind bis heute spürbar,
doch wer auf Aufklärung wartet, muss enttäuscht werden:
Politiker und Medien schweigen sich aus; niemand spricht über
die unaufhaltsamen Katastrophen, die den Alltag der Menschen
im ehemaligen Jugoslawien bestimmen.
Der Bombenkrieg dauerte vom 24. März bis 10. Juni 1999. Es war
die größte militärische Auseinandersetzung auf dem Gebiet von
Serbien und Montenegro seit dem Zweiten Weltkrieg. Offiziell
hieß es, der Einsatz sei ein „sauberer Krieg“ mit chirurgischpräzisen
Angriffswaffen.
Die
NATO
bombardierte
Militärstützpunkte und Industriegebiete. Später erwiesen sich
diese viel gepriesenen Waffen als in Wirklichkeit unpräzise,
sie trafen vor allem Wohnhäuser, Krankenhäuser, Schulen,
Kindergärten und Fernsehsender, zahlreiche zivile Opfer
starben. Die Propaganda-Macher in der Brüsseler NATO-Zentrale
bezeichneten diese Anhäufung ziviler Opfer zynisch als
Kollateralschäden.
Die Aussetzung des NATO-Bombenkrieges geschah einen Tag nach
der Unterzeichnung des militärisch-technischen Abkommens im
makedonischen Kumanovo. Noch am selben Tag verabschiedete der
UN-Sicherheitsrat die Resolution 1244, die die Souveränität
Serbiens über den Kosovo bestätigte. Die NATO richtete nach
dem Abzug der serbischen Armee und Polizei umgehend die Kosovo
Force (KFOR) als Besatzungsregime ein. Damit wurden 37.200
Soldaten aus 36 Ländern in das Gebiet geschickt!
Diese
militärische
Operation,
bekannt
unter
dem
Namen
„Barmherziger Engel“, war die zweite sogenannte „humanitäre
Intervention“ auf dem Balkan. Die erste war „Operation
Deliberate Force“ gegen die bosnischen Serben im Jahr 1995.
Beide Operationen wurden ohne UN-Mandat durchgeführt und
können als „illegaler Angriffskrieg“ definiert werden.
Obwohl damals die ethnische Säuberung der Albaner in der
Region Kosovo als Hauptgrund dieser Intervention erklärt
wurde, so war die eigentliche Ursache für den „Kriegsnotfall“
in Wirklichkeit jedoch der berühmte Sex-Skandal, bei dem USPräsident Bill Clinton bekanntermaßen zunächst ordentlich
gelogen hatte. Er leugnete eine sexuelle Beziehung zu seiner
Praktikantin Monica Lewinsky. Diese tragikomische Situation
entwickelte sich zu einer politisch hochbrisanten Affäre in
den USA! Der 1997 veröffentliche Kinofilm „Wag the Dog“, zwei
Jahre vor dem Krieg gegen Jugoslawien veröffentlicht, hatte
geradezu prophetischen Charakter: Der US-Präsident, der in
einen Sex-Skandal verwickelt war, beginnt einen virtuellen
Krieg gegen Albanien, um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit
von sich abzulenken.
Aber im Gegensatz zum Film war der Krieg gegen Jugoslawien
nicht nur ein Kinostreifen, sondern leider blutigste Realität.
Nach 78 schlaflosen Nächten endete der Spuk vom Bombenkrieg
mit der Kapitulation Jugoslawiens.
Ich erinnere mich an die Nachkriegszeit: Im Frühjahr vor
fünfzehn Jahren mangelte es an fast allem in Belgrad.
Zigaretten, Whisky und Benzin waren die begehrtesten Artikel,
für die viele Bürger bereit waren, ein kleines Vermögen
auszugeben. Doch diese Artikel gab es einfach nicht mehr zu
kaufen, nach dem Beginn der Bombardierung wurden sie nur noch
gelegentlich und in kleinen Mengen an einigen Punkten Belgrads
verkauft. Vor diesen Läden standen aber Tausende von Menschen
in vielen Schlangen, immer in der Hoffnung, einige Päckchen
Glimmstängel zu ergattern. Verkauft wurden natürlich
geschmuggelte Zigaretten, von denen die Kehle brannte und die
Lungen am Morgen zu platzen drohten. Selbst Nichtraucher
wurden plötzlich zu Rauchern, wie auch kleine Jungs, die
aufgehört hatten, Fußball oder Krieg zu spielen. Nun standen
sie betont lässig an der Straße, armselige Zigarettenreste im
Mundwinkel, und schielten nach Mädchen in Mini-Röcken. Die
jungen Mütter mit Baby im Arm qualmten genauso wie auch die
alten Frauen mit Falten im Gesicht, die mit leerem Blick die
Bilder vorbeiziehen ließen. Damals rauchten auch alle Retter,
während sie aus dem bombardierten Gebäude des staatlichen
Fernsehens sechzehn zerfetzte Körper der Mitarbeiter
hinauszogen.
Jeder Morgen unter NATO-Bomben begann mit Übelkeit,
Whiskygläsern, mit einem Brennen im leeren Magen und mit
„domatscha Kafa“, sehr starkem, türkischem Sumpfkaffee. Ich
kann mich nicht einmal daran erinnern, was wir aßen. Und ich
kann mich auch nicht erinnern, ob wir damals überhaupt
schliefen. Ich kann mich aber heute noch an die Luftsirenen
erinnern, nach denen man die Uhr um 20:15 Uhr einstellen
konnte – zum Beginn der nächtlichen Bombardements. Für viele
Menschen war das ebenso das Signal, von ihren Stühlen zu
springen, um vom offenen Fenster oder von den Terrassen aus
die nächtlichen Lichtspektakel von Luftabwehrgeschossen und
Cruise Missiles (Marschflugkörper) zu beobachten. Wenn einer
diesen leisen „Mörder“ von der serbischen Luftabwehr
abgeschossen wurde und in einem riesigen Feuerball am
nächtlichen Himmel explodierte, dann klatschten und jubelten
die Menschen wie bei einem Tor im Fußballstadion. Die immer
näher kommenden Detonationen der schweren NATO-Bomben wurden
von einer Terrasse zur anderen kommentiert: „Lieber hier an
der frischen Luft sterben, als in einem Luftschutzkeller, der
gar keinen Schutz bietet, zu ersticken“.
Der Bombenkrieg der NATO vor 15 Jahren gegen das MilosevicRegime in Jugoslawien sollte eine „humanitäre Katastrophe“ im
Kosovo-Konflikt
verhindern.
Die
monströse
NATOMilitärmaschinerie mit eiserner angelsächsischer Energie
bombardierte hemmungslos ein blühendes Balkanland.
Erschütterte Serben betrauerten ihre Toten und sagten zu sich
selbst, als die Bombenangriffe eingestellt wurden: Die
Schrecken des Krieges haben wir endlich hinter uns! Sie
wussten damals nicht, dass das Schlimmste erst noch kommen
würde.
Bei der Zerstörung der Chemieindustrie im serbischen Pancevo
bei Belgrad schufen die Bomben der NATO eine neue menschliche
Tragödie: Als Folge der zerstörerischen Luftschläge auf die
Öl- und Chemieindustrie stieg die Krebsrate in der Gegend um
Pancevo massiv an – bis heute!
Die NATO-Bomben zerstörten in Pancevo die Raffinerie,
Petrochemie und die Stickstofffabrik. 80 000 Tonnen Öl
tausende Tonnen giftiger Chemikalien verbrannten, aber
Folgen für die Menschen wurden nie ernsthaft untersucht.
zum heutigen Tage!
die
und
die
Bis
Dies ist der erste Artikel eines 4-teilers. Die weiteren Teile
finden Sie hier:
Teil II – Bombenkrieg`99: Wie die NATO Serbien als AtommüllAbladeplatz nutzte
Teil III – NATO-Bombenkrieg `99: Der unsichtbare Tod darf
nicht thematisiert werden
Teil IV – NATO-Bombenkrieg 1999: Wie Jelzin Jugoslawien
verkaufte
Ihr
Marko Jošilo
Zum Autor:
Marko Jošilo ist ein deutscher Journalist.
Geboren
1949
als
jugoslawischer
Staatsbürger bei Sarajevo in Bosnien wurde er
Anfang der 90er Jahre in Deutschland
eingebürgert.
Marko Jošilo begann 1975 mit seinem Studium für Journalistik,
Geschichte und Politikwissenschaften in der ersten
Studentengeneration der Journalistik an der Universität
Dortmund. Abschluss 1981 als Diplom-Journalist. Während des
Studiums absolvierte er bereits Praktika bei der Deutschen
Welle und dem WDR in Köln.
Seit 1981 freie Tätigkeit für den WDR als Journalist, Reporter
und Film-Autor. 1991 wurde Marko Jošilo vom WDR nach Belgrad
als Reporter geschickt, mit dem Beginn des Jugoslawienkrieges
arbeitete er als Kriegsreporter und freier Produzent für den
WDR und andere ARD-Sender, u.a. auch
für Tagesschau und
Tagesthemen. Außerdem lieferte er unzählige TV-Beiträge an
diverse weitere Sender wie ZDF, RTL, Pro7 und viele mehr.
2004 kehrte Jošilo aus Serbien nach Deutschland zurück. Heute
lebt er in Nordrhein-Westfalen, produziert TV-Beiträge und
schreibt tagesaktuelle Artikel.
Demnächst erscheint sein erstes Buch über die fragwürdige
Rolle der Medien im Jugoslawienkrieg!