Rundschreiben 3/2014 - Landesbeirat für Vertriebenen

Transcription

Rundschreiben 3/2014 - Landesbeirat für Vertriebenen
Landesbeirat für Vertriebenen-,
Flüchtlings- und Spätaussiedlerfragen
Rundschreiben 03 / 2014
www.landesbeirat.nrw.de
Landesbeirat für Vertriebenen-,
Flüchtlings- und Spätaussiedlerfragen
Rundschreiben 03 / 2014
Liebe Leserinnen und Leser!
Ende August kam der Film „Wolfskinder“ ins Kino. Darin
geht es um das Schicksal von Kindern aus Ostpreußen, die
Ende des Zweiten Weltkrieges von ihren Eltern getrennt
werden und versuchen, sich in Litauen, unter anderem bei
dortigen Bauern, irgendwie durchzuschlagen. Schon der
kurze Trailer zu dem Film lässt einem den Atem stocken.
Aber dieses Werk ist seit langer Zeit endlich wieder ein ge­
lungener Versuch, sich filmisch mit Flucht, Vertreibung und
Menschenwürde bzw. deren permanente Verletzung aus­
einanderzusetzen. Möglicherweise kann er auch im Schul­
unterricht heutigen Kindern zeigen, was für eine Hölle die
Vertreibung nach 1945 war.
Eine Hölle von Flucht, Vertreibung und Verletzung der Men­
schenwürde gibt es aber leider nicht nur fiktional. Bis heute
stecken hinter der Nennung von Regionen und Staaten wie
Irak, Syrien und Ost-Ukraine jedes Mal Tausende von Ein­
zelschicksalen. Und jeder einzelne Betroffene wird – wie
bei der Vertreibung der Deutschen - gezwungen, Dinge zu
erleben und zu erleiden, die für den normalen Menschen­
verstand unvorstellbar sind. Für mich ist es unglaublich, im
Jahr 2014 – 100 Jahre nach Ausbruch des Ersten, fast 70
Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges und gut 25 Jahre
nach dem Fall des Eisernen Vorhangs – immer noch eine
derartige Ansammlung von Verblendung, unbändigem Hass
und unmenschlicher Rohheit zu sehen.
Nicht wenige Deutsche haben bisweilen die Neigung, ange­
sichts des uns nachgesagten Wohlfühlbedürfnisses einfach
die Fernbedienung zu nutzen, um die Berichterstattung
über die aktuellen Konflikte im wahrsten Wortsinne auszu­
blenden. Doch das hilft nicht wirklich. Denn wenn wir uns
dem syrischen Flüchtling, der einer Kommune in NordrheinWestfalen zugewiesen wurde, annähern, ihn gar aufnehmen
wollen in unsere Gemeinschaften vor Ort, dann werden wir
natürlich erfahren, wie es ihm ergangen ist. Und dass plötz­
lich Hunderte von Jesiden aus dem Irak ausgerechnet in
Herford oder Kleve demonstrieren und die Schlagzeilen von
Lokalzeitungen beherrschen, zeigt, wie nah Flucht und
Vertreibung wirklich sind.
Eine wichtige Frage wird sein, ob – wenn es denn endlich
zu politischen Lösungen kommt – Versöhnung möglich
ist. Ich glaube, unsere Spätaussiedler und Vertriebenen
im Land können hierzu einen Beitrag leisten. Der frühere
Bundespräsident Johannes Rau hat ja genau diese Eigen­
schaft gewürdigt: Dass die Vertriebenen ihren Kindern,
Eltern und Urenkeln eben nicht Hass eingeflößt haben,
sondern den Geist der Versöhnung.
In diesem Sinne freue ich mich auf eine weitere fruchtbare
Zusammenarbeit.
Herzlichst,
Ihr Thorsten Klute
Staatssekretär für Integration im Ministerium für
Arbeit, Integration und Soziales und
Vorsitzender des Landesbeirates für Vertriebenen-,
Flüchtlings- und Spätaussiedlerfragen
Inhaltsverzeichnis
1
Kurz notiert
2
Wettbewerbe / Projektförderung / Stellenangebote /
Stipendienprogramme
22
3
Tagungen / Veranstaltungen / Ausstellungen / Bildungsangebote
26
6
4Mitteilungen von Verbänden und Vereinen
34
5
Nachrichten aus der evangelischen und katholischen Aussiedlerarbeit
56
6
Veröffentlichungen 62
7
Anlagen
68
1
Kurz notiert
1
Kurz notiert
Aussiedlerzahlen in Nordrhein-Westfalen
„Die Patenschaft besteht und wird weiterbestehen“
In der Zeit vom 1. Januar bis 31. August 2014 sind in Nord­
rhein-Westfalen insgesamt 753 Aussiedler (einschließlich
Fami­lien­angehörige) aufgenommen worden. Im gleichen
Zeitraum des Vorjahres waren es 255 Personen.
Hier die Aufnahmezahlen nach Herkunftsländern:
Ehemalige UdSSR
747
Republik Polen
5
Rumänien
1
Sonstige
0
Gesamt
753
(Kompetenzzentrum für Integration -KfI-)
NRW-Integrationsstaatssekretär Thorsten Klute trifft
Bundesvorsitzenden Dr. Bernd Fabritius
Zu einem Kennenlern- und Arbeitsgespräch hat der Staats­
sekretär im Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales
des Landes Nordrhein-Westfalen (MAIS NRW), Thorsten
Klute, den Bundesvorsitzenden des Verbandes der Sieben­
bürger Sachsen in Deutschland, Dr. Bernd Fabritius, MdB,
nach Düsseldorf eingeladen. Das Gespräch fand am 11. Juli
in einer äußerst freundschaftlichen Atmosphäre statt und
bereitet einer intensiveren Zusammenarbeit zwischen Ver­
band und Land NRW ein gutes Fundament.
Aufnahmezahlen bundesweit
In der Bundesrepublik sind in der Zeit vom 1. Januar bis zum
31. Juli 2014 insgesamt 2.918 Aussiedler (einschließlich
Familienangehörige) aufgenommen worden. Im gleichen
Zeitraum des Vorjahres waren es 1.884 Personen.
Ehemalige UdSSR
Republik Polen
Rumänien
Sonstige
Gesamt
2.902
9
7
0
2.918
(Bundesverwaltungsamt)
6
Dr. Bernd Fabritius und
Thorsten Klute (rechts).
Foto: Roland Zillmann
Rundschreiben Nr. 3
Der Integrationsstaatssekretär in Nordrhein-Westfalen stell­
te sich schnell als ein mit Ost- und Mitteleuropa vertrauter
Politiker heraus. Bereits vor seinem Aufbaustudiengang
zur Osterweiterung der Europäischen Union in Dresden
hatte der gebürtige Ostwestfale in Krakau ein Semester
lang Polnisch gelernt und ist bis heute viel in osteuropäi­
schen Ländern unterwegs. Gleich zu Beginn des Gesprächs,
das zum Schwerpunkt die Patenschaft des Landes NRW
über den Verband der Siebenbürger Sachsen haben sollte,
bekräftigte Staatssekretär Klute den Fortbestand der
Patenschaft und gab – auf Einladung des Bundesvorsitzen­
den Dr. Fabritius – sogleich seine Zusage zur Teilnahme
am Heimattag 2015 in Dinkelsbühl.
Im Laufe des Gesprächs bot Dr. Fabritius an, NRW könne
seine Rolle als Patenland des Verbandes der Siebenbürger
Sachsen jederzeit durch verstärkte Präsenz mit mehr Leben
füllen. Vertreter Nordrhein-Westfalens würden immer „eine
Überholspur in Dinkelsbühl“ haben, um als Redner ihre
Verbundenheit mit dem Patenkind zu zeigen. Der Bundes­
vorsitzende zeigte in dem Gespräch einige Möglichkeiten
auf, wie die Patenschaft besser ausgefüllt werden könnte.
Seine Vorschläge beschränkten sich dabei nicht nur auf
die Präsenz politischer Vertreter NRWs in Dinkelsbühl, son­
dern umfassten beispielsweise auch die Überlegung, ob
die alle zwei Jahre stattfindenden Kulturtage des Verban­
des demnächst wieder in Nordrhein-Westfalen stattfinden
sollten. Ebenfalls könne überlegt werden, ob das Land
zur Feier der 60-jährigen Patenschaft Mitausrichter des
Heimat­tags 2017 sein möchte. Die Ehrenamtsoffensive
des Landes NRW böte einen zusätzlichen politischen Hin­
tergrund, um sowohl das Ehrenamt an sich als auch die
Patenschaft zu stärken.
Staatssekretär Thorsten Klute betonte, dass die Armuts­
bekämpfung in den Herkunftsländern der sogenannten
Armutsflüchtlinge ein Hauptanliegen der nordrhein-west­
fälischen Landesregierung sei. Er schilderte die teilweise
nicht mehr hinnehmbaren Zustände in einzelnen Stadttei­
len nordrhein-westfälischer Großstädte, die mit den jüngst
zugewanderten Menschen aus Südosteuropa sowohl finan­
ziell, als auch sozial-integrativ am Rande der Überforde­
rung stünden. Vor allem in Bulgarien und Rumänien sehe
er die Notwendigkeit, durch politische Interventionen
Anreize zu generieren, um die Ursachen für die Migration
zum Teil ganzer Dorfbevölkerungen nach Westeuropa zu
beheben. Der Schlüssel dafür liege eindeutig in den Her­
kunftsländern, dort müsse die Armut der Roma bekämpft
werden.
September 2014
die Zusammenarbeit zwischen Verband und Land NRW –
durchaus auch in Bereichen wie Armutsbekämpfung in
Rumänien; ein Thema, welches Staatssekretär Klute für
Nordrhein-Westfalen als aktuell und vordringlich bezeich­
nete. In diesem Zusammenhang bot Fabritius im Namen
des Verbandes der Siebenbürger Sachsen an, das Paten­
land Nordrhein-Westfalen bei der Projektarbeit vor Ort
in Rumänien zu unterstützen. Sein Verweis auf die guten
Beziehungen des Verbandes zur rumänischen Politik sowie
auf die gute Vernetzung mit dem Demokratischen Forum
der Deutschen in Siebenbürgen (DFDS) wertete Staats­
sekretär Thorsten Klute als gewichtige Argumente für eine
Zusammenarbeit. Der kurze Draht zur kommunalpoliti­
schen Infrastruktur des DFDS ist ein großer Vorteil des
Verbandes und bietet noch viel Potenzial, das in Zukunft
verstärkt ausgeschöpft werden könnte. Die Vorschläge und
Überlegungen des Staatssekretärs gingen von gezielter
Entsendung von Fachkräften und Lehrern bis hin zu einer
Neubelebung der existierenden Städtepartnerschaften,
aber auch in Richtung der Gründung neuer Städtepartner­
schaften zwischen siebenbürgischen und nordrhein-west­
fälischen Kommunen.
Ein wichtiges Hauptanliegen des Bundesvorsitzenden
Dr. Fabritius war, im Gespräch mit Staatssekretär Klute
daran zu erinnern, dass das Land NRW die Patenschaft
über den gesamten Bundesverband der Siebenbürger
Sachsen übernommen habe und somit ein vornehmlich
auf Nordrhein-Westfalen gerichteter Fokus der Patenschaft
nicht gerecht werde. Zur Konkretisierung dieses Gedan­
kens sprach der Bundesvorsitzende Staatssekretär Klute
sowie den Leitungsebenen der mit der Patenschaft be­
fassten Ministerien eine Einladung aus, im nächsten Jahr
die Bundesgeschäftsstelle des Verbandes in München zu
besuchen. Überdies sollte das Land Nordrhein-Westfalen
die kulturelle Breitenarbeit des gesamten Verbandes der
Siebenbürger Sachsen verstärkt unterstützen, um so die
Patenschaft wieder sichtbarer zu machen und auf allen
Ebenen mit Leben zu füllen. Konkret angesprochen wurden
die Probleme im Bereich der Kulturförderung, die sich aus
der aktuellen Haushaltssperre für die Kreisgruppen und
den Landesverband der Siebenbürger Sachsen ergeben.
Die Unterstützung bei der Pflege der Kultur sowie bei der
Konzeption von Projekten und Veranstaltungen dürfe dem
Haushaltsdiktat nicht als erste zum Opfer fallen. Da stünde
das Land NRW als Patenland der Siebenbürger Sachsen
in der Pflicht.
(Siebenbürgischen Zeitung vom 24.7.2014)
Als sehr wichtigen Punkt stellte Dr. Fabritius die Notwendig­
keit heraus, dass dem Verband der Siebenbürger Sachsen
wie in vielen Jahrzehnten seit Bestehen der Patenschaft
wieder ein „Patenminister“ als direkter Ansprechpartner
für die Belange des Verbands und seiner Mitglieder zur
Verfügung stehe. Die administrative Aufteilung der Paten­
schaft zwischen einzelnen NRW-Ministerien erschwere
7
1
Kurz notiert
Staatssekretär Klute zu Besuch
im Oberschlesischen Landesmuseum
„Meine Frau kam zum ersten Treffen mit dem Maluch"
Für Thorsten Klute, Staatssekretär im Ministerium für
Arbeit, Integration und Soziales des Landes NordrheinWestfalen, boten sich beim Besuch im Oberschlesischen
Landesmuseum am 8. Juli zahlreiche persönliche Bezugs­
punkte. Aus vielen privaten Besuchen in Polen und durch
Annäherung aus der Krakauer Richtung kennt Kluthe die
NRW-Partnerregion Schlesien. Der ausführliche Rundgang
durch das Oberschlesische Landesmuseum machte deut­
lich, dass gelungene Integration eine stolze Bilanz, doch
auch eine laufende Aufgabe der Vermittlung beinhaltet.
Was macht Polen für uns so interessant? Was wissen wir
über Schlesien und wie vermitteln wir generationsüber­
greifend dieses Wissen? Die Experten von der Landsmann­
schaft der Oberschlesier und vom Oberschlesischem Lan­
desmuseum gaben dazu Auskunft und projizierten Visionen.
In der aktuellen Mobilitätsausstellung war es für den
Staatssekretär ein Leichtes, über seine eigenen Erlebnis­
se zu sprechen. Der Fiat 126p, der kleine „Maluch“, war
dafür das passende Exponat, denn mit einem solchen
Gefährt kam seine heutige Frau zum ersten Treffen. Und
bei einer Familienreise nach Bulgarien hatte diese als
junges Mädchen auf der rückwärtigen Fensterablage liegen
müssen. So etwas wird weitererzählt und gibt dem offizi­
ellen Besuch eine persönliche Note. Solche emotionalen
Faktoren machen Bildungserlebnisse aus und können
Grundlage für das professionelle Handeln werden. Kurz­
weilig und wegweisend war dieser Besuch des NRW-Staats­
sekretärs allemal, auch anregend für Zukünftiges.
(Dr. Susanne Peters-Schildgen,
Oberschlesisches Landesmuseum)
Alle Spätausgesiedelten aus Polen kennen dieses polnische
Auto. Eigene Erlebnisse bespricht Thorsten Klute mit
Museums­direktor Dr. Stephan Kaiser (l.) sowie Klaus
Plaszczek und Andreas Gundrum (r.) von der Landsmannschaft der Oberschlesier. Foto: OSLM
8
Staatssekretär Klute zu Gast bei
den Siebenbürger Sachsen in Herten
Mittlerweile 60 Jahre ist es her, dass im Zuge der soge­
nannten Kohleaktion mehr als 100 Arbeitskräfte auf der
Zeche Schlägel & Eisen in Herten das erste Mal „einfuhren”.
Die Umstellung und die Arbeit im Bergbau fielen den frühe­
ren Bauern nicht leicht – doch sie bot die Möglichkeit auf
eine Zukunft mit Arbeit und eigenem Haus. Im gleichen
Jahr – 1953 – begann die Hibernia mit dem Bau der ver­
sprochenen Siebenbürger Siedlung im Hertener Norden.
Aus den zunächst vier Straßen, die nach Orten in Siebenbürgen benannt werden, wurden im Laufe der Jahre 22
Straßen. Von den zahlreichen Siebenbürger Sachsen, die
nach dem Kriege zunächst als Flüchtlinge in Österreich
verweilten, hatten sich 510 Menschen aus 98 Familien und
24 verschiedenen Gemeinden Siebenbürgens für die Sied­
lung in Langenbochum als neue Heimat entschieden.
1954 wurden 296 Personalausweise nach Herten gesandt
und am 21.3.1954 ausgehändigt. In einer Feierstunde erhiel­
ten zunächst die Nachbarväter und ihre Ehefrauen symbo­
lisch die Einbürgerungsurkunde. Ebenfalls 1954 begannen
die Siebenbürger Sachsen, sich in ihrer neuen Umgebung
zu organisieren: Nachbarschaften, aus denen die spätere
Kreisgruppe hervorging, wurden gegründet. Ebenso ent­
standen Frauengruppen, Kapelle und Tanzgruppe, die am
21.6.2014 gemeinsam ihr 60-jähriges Jubiläum feierten.
Nach 10 Jahren konnte auch das „Siebenbürger Haus der
Jugend” eingeweiht werden, das somit auf mittlerweile 50
Jahre seines Bestehens zurückblicken kann. 25 Jahre be­
steht die Heimatstube im Siebenbürger Haus, die eine wert­
volle Sammlung siebenbürgischen Kulturgutes beherbergt.
1957 übernahm das Land Nordrhein-Westfalen die Paten­
schaft über die Siebenbürger. Daraus entstand die gute
Tradition, dass regelmäßig auch Vertreter des Paten-Ministe­
riums zu Gast bei größeren Veranstaltungen der Sieben­
bürger waren. So ließ es sich auch Staatssekretär Klute
Staatssekretär Klute spricht das Grußwort bei den
Feierlichkeiten in Herten.
Rundschreiben Nr. 3
September 2014
Siebenbürger Trachtenträger beim Festakt.
Der Landesvorstand NRW zu Besuch bei Staatssekretär
Thorsten Klute (3. von links).
(v.l.) Marina Gräfin zu Dohna, Dr. Hans-Georg Franchy,
Thorsten Klute, Rainer Lehni, Günter Scheipner, Karin Roth,
Hanna Jung-Boldan, Heike Mai-Lehni. Foto: Rainer Wenning
nicht nehmen, bei den Feierlichkeiten in Herten dabei zu
sein. Herzlich wurde er in der mit blau-roten Fahnen geschmückten Siedlung von den Siebenbürgern und ihrer
Vorsitzenden Karin Roth empfangen. Seine Wertschätzung
brachte er durch den Besuch des gemeinsamen Gottes­
dienstes im Siebenbürger Haus zum Ausdruck. In der
anschließenden Feierstunde sprach er ein Grußwort und
drückte seine Anerkennung für die sichtbar funktionie­
rende Gemeinschaft aus, die in keinem Widerspruch zur
gelungenen Integration steht. Das Fundament für einen
interessanten Austausch ist gelegt.
der Siebenbürger Sachsen hin, was sich in den zahlreichen
Kulturformationen widerspiegle. Das Land NRW habe eine
besondere Beziehung zu den Siebenbürger Sachsen, da
Teile dieses Bundeslandes zum Herkunftsgebiet der Sieben­
bürger Sachsen bei ihrer Auswanderung im Mittelalter ge­
hörten, aber auch da 1953 in diesem Bundesland drei ge­
schlossene siebenbürgisch-sächsische Siedlungen gegrün­
det werden konnten. Diese beiden Faktoren führten 1957
dazu, dass das Land NRW die Patenschaft für die damalige
Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutsch­
land übernahm.
Der Vorstand der Landesgruppe Nordrhein-Westfalen der
Siebenbürger Sachsen ist am 25. Juni in Düsseldorf zu
einem Gespräch mit dem Staatssekretär für Integration
im Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des
Landes Nordrhein-Westfalen, Thorsten Klute, zusammen­
gekommen. An dem gut zweistündigen Gespräch beteilig­
ten sich mehrere Mitglieder des Landesvorstandes sowie
seitens des Ministeriums der zuständige Referatsleiter
Rainer Wenning sowie Marina Gräfin zu Dohna, Geschäfts­
führerin des Landesbeirats für Vertriebenen-, Flüchtlingsund Spätaussiedlerfragen.
Dieser Patenschaft für die Siebenbürger Sachsen in ganz
Deutschland sei sich das Land NRW weiterhin bewusst,
unterstrich Staatssekretär Thorsten Klute, der seit Ende
2013 dieses Amt bekleidet. Wenige Tage vor diesem Ge­
spräch wohnte Klute dem 60-jährigen Bestehen der Kreis­
gruppe Herten bei, von der sich der Staatssekretär begeis­
tert zeigte. Diese erste Begegnung mit den Siebenbürger
Sachsen in NRW kurz vor diesem Gespräch war ein guter
Auftakt der künftigen Zusammenarbeit. Thorsten Klute
informierte über den geplanten Rumänienbesuch einer
Delegation aus NRW unter der Leitung des Arbeits- und
Sozialministers, Guntram Schneider. Schwerpunkte der
Visite mit Stationen in Bukarest und Hermannstadt sollen
die Armutsbekämpfung in Rumänien und das Kennenlernen
der deutschen Minderheit in Rumänien sein. Der Bundes­
vorsitzende Dr. Bernd Fabritius, MdB, und der Landesvor­
sitzende in NRW werden an dieser Reise teilnehmen.
Der Stellvertretende Bundesvorsitzende und Landesvor­
sitzende Rainer Lehni stellte den Verband der Siebenbürger
Sachsen in Deutschland als Bundesverband sowie seine
Landesgruppe NRW vor. Am Tag vor dem 65. Geburtstag
des Verbandes erklärte Lehni, dass der Verband zwar das
„Rentenalter“ erreicht habe, jedoch noch viel zu jung sei,
um in Rente zu gehen. Ein Schwerpunkt der Verbandsarbeit
bildet daher die Jugendarbeit, die sehr gut funktioniere
und mittelfristig die Zukunft unseres Verbandes sichere.
Lehni wies auf das ausgeprägte Traditionsbewusstsein
Ein weiteres Gesprächsthema war die Förderung des
deutschsprachigen Unterrichts in Rumänien, ein Unter­
richt, der sowohl der deutschen Minderheit als auch der
rumänischen Mehrheitsbevölkerung zugutekommt und bei
dem es gilt, das Unterrichtsniveau in deutscher Sprache
zu halten bzw. zu verbessern. Ein Tropfen auf den heißen
Stein bildet hier die Förderung der Grundschullehrerausbil­
dung in Hermannstadt und Temeswar, die vom Ministerium
für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes
NRW in diesem Jahr bewilligt wurde.
(Karin Roth)
NRW-Landesgruppenvorstand trifft sich
mit „Patenminister“ Thorsten Klute
9
1
Kurz notiert
Das Land NRW fördert die Arbeit der Aussiedler und Ver­
triebenen im Land NRW mit Mitteln, die gemäß § 96 des
Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) gewährt werden.
Der weitaus größte Teil dieser Mittel fließt in das GerhartHauptmann-Haus in Düsseldorf sowie das Oberschlesische
Landesmuseum in Ratingen. Möglichkeit der Projektförde­
rung nach § 96 bestehen, eine institutionelle Förderung –
wie bis 2005 für die zentralen Kultureinrichtungen der
Siebenbürger Sachsen in Gundelsheim am Neckar – sind
aufgrund der verordneten Schuldenbremse im Landes­
haushalt schwer durchzusetzen. Im Zuge der Patenschaft
bietet das Ministerium an, einen Experten für eine Infover­
anstaltung der Landesgruppe zu suchen, wie diese Förder­
mittel sinnvoll in Anspruch genommen werden können.
Fördermöglichkeiten für in NRW eingetragene Vereine
bestehen auch über verschiedene Kanäle der Migranten­
selbstorganisation.
Ein weiteres Anliegen des Staatssekretärs ist die Förderung
von Städtepartnerschaften zwischen Kommunen in NRW
und Rumänien. Derzeit bestehen lediglich vier solcher Part­
nerschaften (Arnsberg-Karlsburg, Bielefeld-Reschitza,
Köln-Klausenburg, Herzogenrath-Bistritz). Staatssekretär
Klute rief die Siebenbürger Sachsen dazu auf, als Brücken­
bauer zwischen der neuen Heimat und der alten Heimat
aktiv zu werden. Die Städte Wiehl und Bistritz sind hierbei
aktuell auf dem besten Wege, auch Dank des Einsatzes der
in Wiehl zahlreich lebenden Siebenbürger Sachsen. Mit dem
Wunsch seitens des Verbandes nach einer künftig regeren
Präsenz nordrhein-westfälischer Politiker beim Heimattag
der Siebenbürger Sachsen endete das in konstruktiver und
freundschaftlicher Atmosphäre stattgefundene Gespräch
mit Staatssekretär Thorsten Klute.
(Rainer Lehni)
Staatssekretär Thorsten Klute besucht
die Otto Benecke Stiftung e.V.
Am 12. Juni 2014 besuchte Staatssekretär Thorsten Klute
die Otto Benecke Stiftung e.V. (OBS) in Bonn. Er wurde
begleitet von der Geschäftsführerin des Landesbeirates
für Vertriebenen-, Flüchtlings- und Spätaussiedlerfragen,
Marina Gräfin zu Dohna. Thema waren verschiedene Inte­
grationsprojekte der OBS.
Nach einer Begrüßung durch den Geschäftsführenden
Vorsitzenden der OBS, Dr. Lothar Theodor Lemper, berich­
teten zunächst vier junge Frauen über ihre ehrenamtlichen
Aktivitäten und ihre Erfahrungen als Teilnehmerinnen des
Projekts JUMPin.NRW, das die OBS seit 2011 im Auftrag
des Ministeriums durchführt. Staatssekretär Klute zeigte
sich von den Ausführungen der jungen Migrantinnen sehr
beeindruckt. Er lobte die Durchführung und Wirkung des
Programms.
10
Anschließend wurde über das Integrationsprojekt für Ärzt­
innen und Ärzte in Nordrhein-Westfalen, das bundesweite
Projekt „Bildungsbrücken: Aufstieg!“ und das Projekt
„MIGoVITA“ sowie die damit ver-bundene Zusammenarbeit
mit verschiedenen Roma-Gruppen gesprochen. Hieran
schloss sich eine Diskussion über die Vorhaben der OBS
an: Die Aktivitäten mit der Zielgruppe Roma sollen weiter
ausgebaut werden, die Angebote des Hochschul- und Semi­
narprogramms könnten auch für internationale Studieren­
de geöffnet werden. Staatssekretär Thorsten Klute regte
weitere Gespräche über gemeinsame Projekte an.
Staatssekretär Thorsten Klute zu Besuch bei der
Otto Benecke Stiftung e.V..
Zum zehnten Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes und dessen Umsetzung
Bundesbeauftragter Koschyk informiert über die im
Gesetz enthaltenen Änderungen für Spätaussiedler
Mit dem Zehnten Gesetz zur Änderung des Bundesvertrie­
benengesetzes (10. BVFGÄndG), das am 14. September
2013 in Kraft getreten ist, konnten wir erreichen, dass zum
Ersten die Zusammenführung bislang getrennter Spätaus­
siedlerfamilien in grundlegender Weise erleichtert wird; so
konnten wir der besonderen Bedeutung des Familienzu­
sammenhalts bei Spätaussiedlerfamilien Rechnung tragen.
Mit dem 10. BVFGÄndG haben wir zum Zweiten die Mög­
lichkeiten zum Sprachnachweis für deutsche Volkszuge­
hörige erweitert; es trägt jetzt dem Umstand Rechnung,
dass der Verlust der deutschen Sprachkenntnisse zum
Kriegsfolgenschicksal der Russlanddeutschen gehört, und
erleichtert deren Aufnahme als Spätaussiedler.
1. Mit der Novelle wird eine nachträgliche Einbeziehung
von Ehegatten und Abkömmlingen in den Aufnahme­
bescheid eines Spätaussiedlers ermöglicht. Verlangte das
Neunte Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenenge­
setzes für die nachträgliche Einbeziehung noch, dass ein
Härtefall vorliegt, so ist die nachträgliche Einbeziehung
nunmehr unabhängig vom Vorliegen eines Härtefalls ge­
nerell möglich. Das Erfordernis der gemeinsamen Aussied­
lung entfällt generell: Die Einbeziehung kann jederzeit
Rundschreiben Nr. 3
nachgeholt werden. Ungeachtet dessen müssen die allgemeinen Voraussetzungen für die Einbeziehung des nahen
Angehörigen erfüllt werden. Dazu gehört grundsätzlich
auch der Nachweis einfacher deutscher Sprachkenntnisse.
Allerdings schafft das Änderungsgesetz auch insoweit Erleichterungen: Auf die Sprachkenntnisse wird künftig nicht
nur bei Angehörigen verzichtet, die wegen einer Behinderung nicht in der Lage waren, deutsche Sprachkenntnisse
zu erwerben. Dies gilt vielmehr künftig auch im Falle einer
Krankheit. Hinzu kommt: Minderjährige Abkömmlinge
des Spätaussiedlers sind nunmehr von der Pflicht befreit,
deutsche Sprachkenntnisse nachzuweisen. Es ist allerdings darauf zu achten, dass der Abkömmling auch bei
seiner Aussiedlung noch minderjährig sein muss. Wenn
er erst nach seinem 18. Geburtstag aussiedelt, muss er
deutsche Sprachkenntnisse nachweisen. Das ist als Basis
für eine Integration in den deutschen Arbeitsmarkt und
die Gesellschaft allgemein unabdingbar und liegt daher
im Interesse des jungen Erwachsenen.
2. Darüber hinaus haben wir mit der Novelle auch Erleichterungen für die Aufnahme von Spätaussiedlern geschaffen, die noch in den Aussiedlungsgebieten verblieben sind.
So ist für die Aufnahme als Spätaussiedler nicht mehr
zwingend ein durchgängiges Bekenntnis zum deutschen
Volkstum erforderlich. Dies stellt eine wesentliche Erleichterung dar: Denn bislang musste der Spätaussiedler ab
Eintritt der Bekenntnisfähigkeit (i.d.R. mit 16 Jahren) alle
sich ihm bietenden Möglichkeiten zur Nationalitätenerklärung oder zu einer vergleichbaren Erklärung nutzten,
damit sein Aufnahmeantrag Erfolg hatte. Im Ergebnis lag
danach kein durchgehendes Bekenntnis zum deutschen
Volkstum vor, wenn er z.B. in seiner Heiratsurkunde die
deutsche Nationalität hat eintragen lassen, in den Geburtsurkunden der Kinder jedoch darauf verzichtet hatte.
Nach der neuen Rechtslage gibt es folgende Bekenntnismöglichkeiten:
Der Antragsteller kann sich durch eine Nationalitätenerklärung zum deutschen Volkstum bekennen oder aber auch
auf andere Weise. Vor allem für diejenigen, die sich nicht
mehr durch eine Nationalitätenerklärung zum deutschen
Volkstum bekennen konnten, weil dieser Eintrag nicht mehr
vorgesehen war, ist diese Neuregelung wichtig. Das Bekenntnis auf andere Weise kann insbesondere durch den
Nachweis deutscher Sprachkenntnisse auf dem Niveau B1,
durch den Nachweis familiär vermittelter Deutschkenntnisse oder aber auch durch Einträge in amtliche Urkunden
wie z.B. die Heiratsurkunde erbracht werden. Da das Bekenntnis zum deutschen Volkstum durch Nationalitätenerklärung bis zum Verlassen der Aussiedlungsgebiete erfolgen kann, kann der Spätaussiedlerbewerber von seinem
früheren Gegenbekenntnis durch eine Nationalitätenerklärung zugunsten des deutschen Volkstums abrücken (das
Gegenbekenntnis wird „geheilt“). Wenn er aufgrund faktischer oder rechtlicher Gründe nicht mehr von seinem
Gegenbekenntnis abrücken kann (z.B. wenn keine Natio-
September 2014
nalitätenerklärung im Pass mehr möglich ist, wie etwa in
der Russischen Föderation), ist ein Bekenntnis „auf andere
Weise“ möglich. Wenn weder ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum durch Nationalitätenerklärung noch ein
Gegenbekenntnis existieren, kann der Antragsteller sein
Bekenntnis ebenfalls auf „andere Weise“ nachweisen.
Mit den beschriebenen Erleichterungen entsprechen wir
einmal mehr unserer besonderen historisch-moralischen
Verantwortung insbesondere gegenüber den Deutschen in
der ehemaligen Sowjetunion, deren Familien ein schweres
Kriegsfolgenschicksal zu tragen hatten. Das war und ist
erklärtes Ziel des Gesetzes zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes.
www.aussiedlerbeauftragter.de/SharedDocs/
Downloads/AUSB/DE/namensbeitrag-koschykbundesvertriebenengesetz.pdf?__
blob=publicationFile
(Hartmut Koschyk MdB, Beauftragter der Bundesregierung für
Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten vom 1.8.2014)
Hartmut Koschyk MdB,
Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedler­fragen und
nationale Minderheiten.
Information für Antragsteller aus der Ukraine
Das Bundesverwaltungsamt beobachtet die Lage insbesondere in der Ostukraine mit Sorge. Ersichtlich ist die
Durchführung des Aufnahmeverfahrens für Spätaussiedler
durch die Kämpfe erschwert. Das Bundesverwaltungsamt
bittet Antragsteller, sich bei konkreten Schwierigkeiten
vertrauensvoll an die Mitarbeiter der Auslandsvertretung
oder direkt an die zuständigen Bearbeiter im Bundesverwaltungsamt zu wenden.
Bisher werden folgende Ausnahmeregelungen angewandt:
Im schriftlichen Verfahren werden auf Wunsch alle Anträge von Personen mit Wohnsitz in der Ostukraine auf
eine glaubhafte Schilderung der persönlichen Betroffenheit von den Kampf handlungen hin vorgezogen. Die persönliche Lebensqualität muss deutlich eingeschränkt
11
1
Kurz notiert
sein. Ein Wohnsitz in der Ukraine, die Furcht vor einer
Ausweitung der Kämpfe oder geringfügige Einschränkun­
gen in der Lebensqualität alleine reichen nicht aus. Vor­
zuziehende Anträge werden bis auf Weiteres jeweils vor
allen anderen Anträgen bearbeitet. Es gibt aber keine
Erleichterungen bei den Voraussetzungen: Abstammung,
Sprache und Bekenntnis werden voll überprüft.
Wer schon jetzt alle Voraussetzungen für eine Aufnahme
erfüllt (Sprache und Bekenntnis) und wem nicht mehr
zugemutet werden kann, den Aufnahmebescheid in der
Ukraine abzuwarten, kann in der Außenstelle Friedland
des Bundesverwaltungsamtes vorsprechen und dort nach
Prüfung einen Härtefallaufnahmebescheid erhalten.
Bitte bedenken Sie:
Das Bundesverwaltungsamt darf einen Bescheid nur er­
teilen, wenn tatsächlich alle Voraussetzungen vorliegen.
Antragsteller, die diese Voraussetzungen nicht nachweisen
können, müssen damit rechnen, zunächst in das Herkunfts­
gebiet zurückzukehren. Die Vorsprache ist daher mit einem
Risiko behaftet. Sie sollten diesen Weg nur wählen, wenn
Sie sicher sein können, dass Sie alle Voraussetzungen
auch wirklich erfüllen. Insbesondere ein Erwerb der nötigen
Sprachkenntnisse in Deutschland ist nicht möglich!
Wer wegen der Kämpfe in der Ostukraine oder der Be­
setzung der Krim Probleme hat, Abstammung, Sprache
oder Bekenntnis z.B. aufgrund fehlender Reisemöglich­
keiten nachzuweisen kann sich an das Bundesverwal­
tungsamt wenden. Das Bundesverwaltungsamt wird hier
je nach Aktenlage im Einzelfall Lösungen finden, damit
sich das Verfahren nicht durch die Auseinandersetzungen
verzögert.
(Mitteilung des Bundesverwaltungsamtes vom Juli 2014)
Bundesverwaltungsamt
Barbarastraße 1, 50735 Köln
Zentraler Kontakt
Telefon 02 28 / 9 93 58 - 0
Telefax 02 28 / 9 93 58 - 2823
[email protected]
www.bundesverwaltungsamt.de
Gruppenbild von der Sitzung des Beirats für Spätaussiedlerfragen. Foto: BMI
Konstituierende Sitzung des Beirates für Spätaussiedlerfragen
Unter dem Vorsitz des Beauftragten der Bundesregierung
für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Hartmut
Koschyk MdB, fand am 3. Juli 2014 die konstituierende
Sitzung des neuberufenen Beirates für Spätaussiedlerfra­
gen statt.
Das Gremium, das sich aus 16 Vertretern der Länder, der
Vertriebenenorganisationen, der Kirchen, der kommunalen
Spitzenverbände, der Wohlfahrtsverbände und der Spitzen­
organisationen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer zusam­
mensetzt, hat die Aufgabe, die Bundesregierung sachver­
ständig in Fragen der Aufnahme und Integration von Spät­
aussiedlern zu beraten. Der Spätaussiedlerbeirat wird
gemäß Erlass des Bundesministers des Innern (BMI) vom
3. Mai 2005 jeweils für vier Jahre berufen und vom Beauf­
tragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und
nationale Minderheiten geleitet.
Nach Berichten des Bundesbeauftragten Koschyk sowie
von Mitarbeitern der zuständigen Unterabteilung M II des
BMI über die Auswirkungen der im Herbst 2013 in Kraft
getretenen Änderungen des Bundesvertriebenengesetzes,
die Integrationsförderung von Spätaussiedlern und die
Lage der deutschen Minderheiten in Mittel- und Osteuropa
sowie in den Nachfolgestaaten der früheren Sowjetunion
folgte eine rege Diskussion über verschiedene aktuelle
Belange der in Deutschland lebenden Spätaussiedler, so
über die Informationsmöglichkeiten im Internet und die
vertriebenenrechtlichen Besonderheiten bei der Anerken­
nung von in den Herkunftsländern erworbenen Bildungs­
abschlüssen. Bundesbeauftragter Koschyk hob die bisher
gezeigte gewaltige Integrationsleistung der Spätaussied­
lerinnen und Spätaussiedler hervor, die noch vor kurzem
durch eine Studie des Bundesamtes für Migration und
Flüchtlinge eindrucksvoll bestätigt worden ist.
(Pressemitteilung des BMI vom 4.7.2014)
12
Rundschreiben Nr. 3
Hartmut Koschyk gratuliert Stephan Rauhut. Foto: BMI
Bundesvorsitzender der Landsmannschaft
Schlesien e.V. im Amt bestätigt
Beauftragter Koschyk gratuliert Stephan Rauhut
zur Wiederwahl
Während der ordentlichen Bundesdelegiertenversammlung
der Landsmannschaft Schlesien am 21. Juni 2014 in Görlitz
wurde der bisherige Bundesvorsitzende Stephan Rauhut
in seinem Amt als Bundesvorsitzender bestätigt. Der Beauf­
tragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nati­
onale Minderheiten, Hartmut Koschyk, MdB, hat Stephan
Rauhut zu seiner Wiederwahl ein Glückwunschschreiben
übersandt. Das Wahlergebnis sieht Koschyk als Zeichen für
eine starke und reformfähige Landsmannschaft.
Koschyk und Rauhut hatten sich zuletzt im Mai dieses
Jahres zu einem Gedankenaustausch zur Wahrung des
kulturellen und geschichtlichen Erbes Schlesiens getroffen.
Rauhut kündigte für künftige Projekte an, eng mit der deut­
schen Minderheit in Schlesien und Vertretern der deutschen
und polnischen Politik zusammenzuarbeiten. Koschyk sieht
die Landsmannschaft Schlesien und die Selbstorganisation
der Deutschen in Polen als unverzichtbare Brücke für die
immer enger werdende Partnerschaft zwischen Polen
und Deutschland.
(Pressemeldung des Beauftragten für Aussiedlerfragen
und nationale Minderheiten vom 27.6.2014)
Goldenes Jubiläum
50 Jahre sind eine lange Zeit. Zwischen Eheleuten wird
darum auch die Goldene Hochzeit gefeiert. Heute ist das
Goldene Patenschaftsjubiläum der Oberschlesier. Am
25. Februar 1964 übernahm das Land Nordrhein-Westfalen
die Patenschaft für die Oberschlesier. Im Oberschlesischen
Landesmuseum wird die Urkunde dazu ausgestellt. Das
Land NRW trat als Pate für die Landsmannschaft der Ober­
schlesier und die in der Bundesrepublik Deutschland leben­
den Oberschlesier ein. Eine zentrale Aussage ist, den
deutsch-polnischen Kulturraum Oberschlesiens als Brücke
September 2014
zwischen dem polnischen und dem deutschen Volk zu
nutzen. Diese Idee mutet visionär an, nach den damals
noch viel jüngeren Erfahrungen von Flucht und Vertreibung,
von schwerer Ankunft und Unwägbarkeiten der Integration
an Rhein und Ruhr. In einer Zeit des Kalten Krieges und der
Bedrängnis von Deutschen auch in der Sowjetischen Be­
satzungszone, war die Völkerverständigung kein einfaches
Unterfangen. Kaum jemand konnte sich die Welt von heute
vorstellen. Zum Silbernen Jubiläum öffnete sich der Eiserne
Vorhang. Die friedliche Begegnung der Menschen in Mittelund Osteuropa wurde ab 1989 viel leichter. Polen und
Tschechien, die beide schlesische Territorien und Menschen
mit schlesischer Identität in sich bergen, fanden selbst zu
diesen Schätzen und Erkenntnissen. Wie andere Länder des
ehemaligen Ostblocks sind sie zudem Mitglieder der NATO
und der Europäischen Union geworden. Das politische Ge­
sicht Europas hat sich somit von 1964 über 1989 und bis
2014 grundlegend verändert. Sichtbares Zeichen dafür sind
die vielen Partnerschaften, die zu den Patenschaften traten,
sie entweder ablösten oder im besten Falle ergänzten. Die
Beziehungen zwischen Nordrhein-Westfalen und Schlesien
haben viele Oberschlesier geprägt. Mit dem Engagement
der Landsmannschaft der Oberschlesier ist das Leben in
der alten und der neuen Heimat gestaltet worden.
Urkunde des goldenen Jubiläums.
Der grenzüberschrei­
tende Ansatz der
Patenschaftsurkunde
ist nicht länger Fiktion
oder Vision. Natürlich
gehört immer neuer
Mut und neue Initiati­
ve dazu, die Zusam­
menarbeit zu leben.
Zumal dann, wenn die Regionen räumlich weit voneinander
entfernt liegen. Es braucht dafür gemeinsame Interessen,
denn die nationalstaatlichen Grenzen haben sich im verein­
ten Europa relativiert. Die Mobilität der Menschen wächst,
ob beruflich oder privat. Individuell kann man innerhalb
der EU seinen Lebensmittelpunkt wählen. Beim Oberschle­
sischen Landesmuseum arbeiten mit Schlesien verbunde­
ne Persönlichkeiten mit deutscher, polnischer, tschechi­
scher und slowakischer Staatsbürgerschaft. Patenschaft
und Partnerschaft im Einklang. Europa im Kleinen und
auf engstem Raum. Auch Nordrhein-Westfalen ist diesen
Weg mit der Woiwodschaft Schlesien gegangen, als zum
1. September 2000 eine gleichberechtigte Partnerschaft
begonnen wurde. Um diese Partnerschaft, die aus der
Patenschaft erwuchs, auf eine breite Basis zu stellen, sind
stets neue Angebote angebracht und bedeutsam. Seit
immerhin 44 Jahren leistet die Stiftung Haus Oberschlesien
dazu direkte Beiträge, durch Publikationen, durch Veran­
staltungen und eben mit dem Oberschlesischen Landes­
museum.
(Oberschlesisches Landesmuseum vom 25.7.2014)
13
1
Kurz notiert
JUMPin.NRW besucht Berlin
Im Juni besuchte das „JUMPin“-Team Berlin. Das Pro­
gramm startete an einem sehr schönen Abend mit einem
Gang zum hotelnahen Schloss Charlottenburg, vor dessen
Kulisse ein Überblick auf Berlins jahrhundertealte Ge­
schichte als vielfältige Zuwanderungsmetropole gegeben
wurde. Ein Schwerpunkt des Programms am folgenden Tag
war das aktuelle politische Berlin mit einem Besuch im
Berliner Abgeordnetenhaus und im Bundestag. Bei einer
Führung im Abgeordnetenhaus, das bewusst ein für alle
Bürgerinnen und Bürger offen zugängliches Haus ist, wurde
anschaulich über die Aufgaben und Strukturen eines Lan­
desparlaments informiert. Ein Gespräch mit einem Berliner
Abgeordneten bot Einblicke in den Alltag politischer Arbeit
mit seinen unterschiedlichen positiven, aber auch mühsa­
men Aspekten.
Auf dem Weg zu dem Folgetermin im Bundestag wurde
die jüngere Geschichte „ergangen“: die kolonialistische
Aufteilung Afrikas auf der Berliner Konferenz, Orte des
Schreckens des Faschismus und der Teilung Berlins wurden
so eindringlich erfahrbar gemacht. Im Bundestag bot das
anschließende ausführliche Gespräch mit der Büroleiterin
des Bundestagsabgeordneten Heinrich Zertik, Eleonora
Heinze, die selbst Teilnehmerin an dem Vorläufer-Projekt
von „JUMPin.NRW“ und ehemalige OBS-Stipendiatin war,
einen sehr guten Einblick in das Thema „Wege in die Politik“.
Ganz konkret wurden hier Fragen beantwortet zu mögli­
chen Karriereplanungen, den Anforderungen politischer
Arbeit, deren unterschiedlichen Ebenen und Aufgaben.
Als Fazit entschlossen sich einige Teilnehmerinnen, jetzt
endlich bisherige Überlegungen in die Tat umzusetzen
und sich aktiv politisch zu engagieren. Hiermit nochmals
unseren herzlichen Dank an Frau Heinze!
JUMPin.NRW im Berliner Abgeordnetenhaus.
14
JUMPin.NRW mit Eleonora Heinze auf der Reichstagkuppel.
Der Samstag war der Geschichte Berlins in der faschisti­
schen Zeit mit Beispielen jüdischen Lebens und unter­
schiedlicher Widerstandsformen gewidmet. Insbesondere
der sehr lohnenswerte Besuch der Blindenwerkstatt Otto
Weidt mit der Ausstellung „Stille Helden“ bot ein anschau­
liches Bild der Bedrohung jüdischen Lebens.
Der letzte Vormittag war mit dem Besuch der Gedenkstät­
te Bernauer Straße der Geschichte der geteilten Stadt
und deren konkreten Auswirkungen auf die Bevölkerung
gewidmet.
Als Fazit kann gesagt werden: Es waren sehr sehr viele
unterschiedliche Eindrücke und Informationen, es war an­
strengend und auch manchmal bedrückend, aber es hat
sich gelohnt!
(Alrun Hürter, Projektleiterin 5.8.2014)
Aussiedlerbeauftragten-Konferenz
Die CDU Nordrhein-Westfalen hat kürzlich erstmals eine
Aussiedlerbeauftragten-Konferenz durchgeführt. „Das ist
ein starkes Signal der Landespartei an die Aussiedler in
Nordrhein-Westfalen“, beschrieb Heinrich Zertik MdB laut
einer Pressemitteilung seine Motivation. Die Aussiedler
seien ein großer Gewinn für unser Land und auch für unsere
Partei. Hintergrund ist die politische Ansprache der rund
Heinrich Zertik MdB
Rundschreiben Nr. 3
1,2 Millionen Aussiedler in Nordrhein-Westfalen. Der Landes­
vorsitzende der Ost- und Mitteldeutschen Vereinigung in
der CDU NRW, Heiko Hendriks MdL, betonte, dass die neue
Konferenz ein Alleinstellungsmerkmal unter den Parteien
im Bundesland sei. Der Beauftragte der CDU-Landtags­
fraktion für Vertriebene, Aussiedler und deutsche Minder­
heiten, Werner Jostmeier MdL, merkte an, dass die Fraktion
bereits einen Arbeitskreis für Aussiedler eingerichtet habe
und sich alle zwei Jahre zum Tag der Heimat im Düsseldorfer
Landtag zusammenfinde. Mitglieder der Konferenz sind
Beauftragte für Aussiedlerfragen der CDU-Kreisverbände.
Die Konferenz soll in regelmäßigen Abständen tagen.
(Pressemeldung Büro Zertik MdB)
100 Tage Große Koalition – Heinrich Zertik in Lage
Heinrich Zertik zu Besuch
in Lage.
Heinrich Zertik, Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis
Höxter – Lippe II aus Schieder-Schwalenberg, besuchte
kürzlich die Stadt Lage. Michael Biermann, Vorsitzender
des CDU-Stadtverbandes Lage, begrüßte neben den Mit­
gliedern der CDU zahlreiche Vertreter der Lagenser Frei­
kirchen. Zur Bundestagswahl 2013 kandidierte Heinrich
Zertik zwar nicht als Direktkandidat für den Bundestag,
konnte aber über die Landesliste in den 18. Deutschen Bun­
destag einziehen. Neben dem Direktkandidaten Christian
Haase ist Zertik der zweite CDU-Politiker aus dem Bundes­
tagswahlkreis Höxter – Lippe II in Berlin. Er ist auch das
erste russlanddeutsche Mitglied im Deutschen Bundestag.
Zertik wurde 1957 geboren und wuchs als Angehöriger der
deutschen Minderheit in Südkasachstan auf. Er gehörte
damit zur ersten Einwanderer-Generation aus der Sowjet­
union. Zu Hause sprach seine Familie deutsch mit einem
altdeutschen Dialekt. Seine Eltern stammten ursprünglich
aus dem ukrainischen Dnepropetrowsk und hatten 1941
als Kinder die gewaltsame Deportation unter Stalin erlebt.
In der Schule sprach Zertik wie die anderen Kinder russisch.
Die christlichen Feiertage wie Ostern und Weihnachten
feierte seine Familie heimlich, um den sowjetischen Funk­
tionären nicht aufzufallen. Zertik wanderte 1989 mit seiner
Familie in die Bundesrepublik Deutschland aus. Seither ist
er im Kreis Lippe zu Hause. In der CDU ist er seit fast 25
Jahren aktiv und gut vernetzt. So ist er seit vielen Jahren
Aussiedlerbeauftragter der CDU-Lippe; in dieser Funktion
hat er über zwei Jahre regelmäßige Sprechstunden im
Lagenser CDU-Bürgerbüro angeboten. Er ist verheiratet
und hat eine Tochter.
September 2014
In seinem Vortrag verwies Zertik auf die Arbeit der Großen
Koalition in den ersten 100 Tagen. Themen wie „Renten­
paket“, „Mindestlohn“ und „Haushaltausgleich“ wurden
dabei genauso diskutiert wie die Krim-Krise und die EUPolitik.
(Pressemeldung Büro Zertik MdB)
Zusammenarbeit in der Bildung zwischen
Kreis Lippe und Kasachstan
Gemeinsam mit Walter Gauks (Bundesvorsitzender der
Jugendorganisation der Landsmannschaft der Deutschen
aus Russland) und Günter Weigel (Leiter des Bürger- und
Unternehmerservice der lippischen Kreisverwaltung)
diskutierte MdB Heinrich Zertik über die Entwicklungs­
möglichkeiten und Modernisierung der Arbeits- und Aus­
bildungsmärkte in den GUS-Staaten, insbesondere in
Kasachstan. Die internationale Zusammenarbeit ist für
Entwicklung und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen
heute maßgebend.
Die Realisierung der Bildungsprogramme für Fachkräfte
verschiedener Qualifikationen für Unternehmen aus den
GUS-Staaten erfolgt u.a. in Berufsausbildungszentren des
Europäischen Bildungswerks für Beruf und Gesellschaft,
welche ein Praktikum in Unternehmen in Deutschland vor­
sehen. Unternehmer aus dem Kreis Lippe könnten als
interessante Kooperationspartner in Frage kommen, meint
Walter Gaucks, der als Vermittler zwischen den interes­
sierten kasachischen Institutionen und den deutschen
Projektpartnern agiert.
„Eine internationale Zusammenarbeit im Bereich der
beruflichen Bildung bildet eine solide Grundlage für eine
konsequente Entwicklung bilateraler wirtschaftlicher
Beziehungen“, so Gauks. Außerdem ist in Kasachstan sehr
viel Potential für deutsche Unternehmen vorhanden.
(Pressemeldung Büro Zertik MdB)
Gespräch in der der lippischen Kreisverwaltung.
15
1
Kurz notiert
Aufruf zur Erhaltung der russischen Gedenkstätte
für die Opfer des Gulags in Perm
Die Menschenrechts-Organisation „Memorial“ hat
einen Aufruf zur Erhaltung der russischen Gedenkstätte für die Opfer des Gulags in Perm verfasst.
Er wurde auf der Website der NGO Change.org veröffentlicht.
Sehr geehrter Herr Präsident der Russischen Föderation, sehr geehrter Herr Gouverneur der Region Perm,
die Geschehnisse der letzten Monate in Bezug auf die
Gedenkstätte für die Opfer des Gulags und das Museum
der Geschichte politischer Repressionen „Perm-36“ er­
füllen uns mit Besorgnis und Empörung. Für diejenigen,
die während der Stalinschen Repressionen gelitten, die
Verwandte, Freunde oder Kollegen verloren und die große
Entbehrungen und Jahre der Rechtlosigkeit überlebt
haben, war und ist „Perm-36“ ein Gedenkort für Millionen
unschuldiger Opfer, die in den Lagern und Gefängnissen
des Gulags ums Leben gekommen sind. Die Existenz eines
solchen Museums in der Region Perm war für uns eine
Bestätigung dafür, dass die föderalen und regionalen staat­
lichen Institutionen in Russland Lehren aus der Vergangen­
heit gezogen haben und bereit sind, alles dafür zu tun,
damit sich eine der größten Tragödien des 20. Jahrhunderts
nicht wiederholt.
Seit über 20 Jahren wirken tausende russische und interna­
tionale Aktivisten und Freiwillige an der Entstehung dieser
einzigartigen historischen Gedenkstätte mit. „Perm-36“
wurde weltweit bekannt. Seine Existenz ist ein Zeugnis dafür,
dass das neue Russland sich der Zukunft zuwendet und
sein totalitäres Erbe aufarbeitet. Nun hat sich herausge­
stellt, dass der Federstrich eines Beamten genügt, um die
physische und intellektuelle Arbeit hunderter engagierter
Bürger und Freiwilliger zu entwerten und der Gedenkstätte
ihre Zukunft zu nehmen.
Mit Ihrem Wissen, Herr Gouverneur, wurde die Umwand­
lung des durch bürgerschaftliches Engagement entstande­
nen, nicht-staatlichen Museums in eine staatlich finan­
zierte Einrichtung für eine Intrige missbraucht: Im Januar
2014 hat die Permer Regionsregierung ohne Angabe von
Gründen die Finanzierung eingestellt und im Mai wurde die
Direktorin des Museums Tatjana Kursina, die zu dessen
Gründern gehört, unerwartet entlassen. Derzeit ist die Ge­
denkstätte faktisch geschlossen: die Strom- und Wasser­
versorgung wurde abgestellt, Besucherführungen finden
nicht statt. Alle Bildungsprojekte wurden eingestellt. Davon
betroffen ist auch das jährlich Ende Juli stattfindende
Internationale Bürgerfestival „Pilorama“, das in diesem
Jahr bereits zum zehnten Mal ausgerichtet werden sollte
und an dem Tausende von Gästen teilnehmen, um über
die Geschichte und Zukunft Russlands sowie dessen Be­
ziehungen zu seinen Nachbarländern zu diskutieren.
16
Zudem wurde die Gedenkstätte „Perm-36“ zu Filmaufnah­
men für eine propagandistische Fernsehsendung des
Kanals NTW missbraucht, in der die Gründer der Gedenk­
stätte und ehemalige politische Häftlinge bösartig ver­
leumdet werden. Empörend daran ist insbesondere, dass
die Provokateure des Fernsehsenders bei ihrer „Exkursion“
in das Museum von ehemaligen Aufsehern des Lagers
„Perm-36“ sowie von Vertretern der neostalinistischen
Bewegung „Sut' Vremeni“ begleitet wurden. In der ausge­
strahlten Sendung wird unentwegt die von Neostalinisten
vorgebrachte Aussage wiederholt, dass im Lager „Perm36“ ausschließlich Bandera-Anhänger und Kollaborateure
der deutschen Faschisten ihre Strafe verbüßt hätten, und
der Schluss gezogen, dass die Gedenkstätte eine faschisti­
sche und staatsfeindliche Einrichtung sei.
Im Lager „Perm-36“ gab es unterschiedliche Gruppen
von Häftlingen, darunter auch Personen, die für Kriegs­
verbrechen während des Zweiten Weltkriegs verurteilt
wurden. Diese stellten jedoch erstens eine Minderheit dar
und zweitens ist das Museum nicht ihnen gewidmet.
Nicht sie stehen im Mittelpunkt der Ausstellungen und der
Museumsführungen, sondern die Häftlinge der Permer
Lager (Perm-35, Perm-36, Perm-37), die in den 1970er und
1980er Jahren aus politischen Gründen inhaftiert wurden.
Darüber hinaus ist ein großer Teil der Ausstellung dem Ge­
denken an die Opfer von Repressionen in der historisch
weiter zurückliegenden Stalinschen Periode gewidmet. Die
politischen Häftlinge der 1970er und 1980er Jahre und
die von den stalinistischen Repressionen Betroffenen sind
als Opfer rechtswidriger politischer Verfolgungen auf der
Grundlage von Gesetzen der Russischen Föderation und
anderer vormals zur Sowjetunion gehöriger Staaten voll­
ständig rehabilitiert worden.
Diese Fakten können auch die ärgsten Gegner des Museums
„Perm-36“ nicht leugnen, sondern lediglich verschweigen
und auf diese Weise die Öffentlichkeit in die Irre führen.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrter Herr
Gouverneur, wir fordern Sie nachdrücklich dazu auf,
die Gedenkstätte der Geschichte politischer Repressio­
nen „Perm-36“ vor der Schließung zu bewahren,
die Wiederaufnahme der Museumstätigkeit auf Grund­
lage der vertraglich vereinbarten zivilgesellschaftlichstaatlichen Zusammenarbeit zu ermöglichen und
Tatjana Kursina wieder als Direktorin des Museums ein­
zusetzen.
(change.org)
Rundschreiben Nr. 3
Innenminister übernimmt Schirmherrschaft über
Landsmannschaft der Deutschen aus Russland in
Niedersachsen
September 2014
und Jugendarbeit, organisiert Nachhilfeunterricht, Betreu­
ungsangebote, Sportveranstaltungen, Seniorentage und
bietet Vorträge zu verschiedenen Lebenslagen und Themen
an. Die Landsmannschaft pflegt darüber hinaus vielfältige
Kontakte zu den Landsleuten in den Herkunftsgebieten
und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Völkerver­
ständigung.
(Pressemitteilung des Niedersächsischen Ministeriums
für Inneres und Sport vom 23.6.2014)
Siebenbürger Sachse kandidiert
Würdige Besiegelung der Schirmherrschaft.
Der Niedersächsische Minister für Inneres und Sport, Boris
Pistorius, hat die Schirmherrschaft über die Landsmann­
schaft der Deutschen aus Russland e.V., Landesgruppe
Niedersachsen übernommen. Pistorius sagte, die Über­
nahme der Schirmherrschaft sei eine Wertschätzung für
alle in Niedersachsen lebenden Aussiedler und Spätaus­
siedler und deren erfolgreiche Integrationsleistung.
„Sie engagieren sich für ein gedeihliches Miteinander, für
Freiheit, für Demokratie und für die Völkerverständigung
in Europa“, so der Innenminister. Pistorius überreichte
der Vorsitzenden der Landesgruppe Niedersachsen, Lilli
Bischoff, vor zahlreichen Gästen im Gästehaus der Landes­
regierung die Schirmherrschaftsurkunde. Mit der Schirm­
herrschaft sollen landesweit die Pflege und Weiterentwick­
lung des Kulturerbes der Volksgruppe gefördert werden.
„Die Schirmherrschaft ist ein Zeichen, dass Sie in Nieder­
sachsen jederzeit willkommen sind und sich hier Zuhause
fühlen können“, sagte der Innenminister.
Die Gruppe der Aussiedler bildet mit 400.00 bis 500.00
Menschen die größte Zuwanderungsgruppe in Nieder­
sachsen. „Niedersachsen fühlt sich der Volksgruppe der
Deutschen aus Russland besonders verbunden, da viele
Aussiedler und Spätaussiedler über das Grenzdurchgangs­
lager Friedland nach Deutschland eingereist sind“, sagte
der Minister. Pistorius kündigte an, die Schirmherrschaft
mit zahlreichen Aktivitäten ausfüllen zu wollen. Beispiel­
haft nannte er die Schirmherrschaft für das Sportfest
der Lands­mannschaft in Friedland, das unter dem Motto
„Integration durch Sport“ allen Bewohnerinnen und Be­
wohnern der Aufnahmeeinrichtung offen steht.
Die Landsmannschaft vertritt die Interessen derjenigen
Deutschen, die innerhalb der ehemaligen Sowjetunion ver­
trieben wurden und nach dem zweiten Weltkrieg im Ver­
lauf von Jahrzehnten nach Deutschland übersiedelten. So
engagiert sich die Landsmannschaft beispielsweise im
Kulturbereich, informiert in Schulen zur Geschichte und
Gegenwart der Deutschen aus Russland, leistet Kinder-
Klaus Johannis, deutschstämmiger Bürgermeister von
Hermannstadt (Sibiu) und nationalliberaler Parteivorsitzen­
der, tritt nach einem bericht der FAZ bei den rumänischen
Präsidentenwahlen im No-vember gegen den sozialdemo­
kratischen Ministerpräsidenten Victor Ponta an. Am Montag
nominierte das oppositionelle Wahlbündnis „ChristlichLiberale Allianz“ (ACL) Johannis als seinen Kandidaten. Die
ACL besteht aus der konservativen PDL und der national­
liberalen PNL, die bis vor wenigen Monaten noch erbitterte
Gegner waren. In der vergangenen Woche hatte zudem die
frühere Justizministerin und gegenwärtige EU-Abgeord­
nete Monica Macovei ihre Kandidatur bekanntgegeben.
Dr. Bernd Fabritius neuer Präsident des BdV?
Zur Präsidiumssitzung am 7. Juli 2014 erklärte BdV-Präsi­
dentin Erika Steinbach MdB:
Wir haben nach eingehender Diskussion auf unserer heuti­
gen Sitzung einstimmig beschlossen, für die im November
anstehenden Wahlen zum BdV-Präsidium den bisherigen
Vizepräsidenten Dr. Bernd Fabritius MdB als meinen Nach­
folger vorzuschlagen.
Vizepräsident Dr. Fabritius MdB ist Siebenbürger Sachse
und führt seinen Verband und den Weltverband der Sieben­
bürger Sachsen seit Jahren sehr erfolgreich. Er ist in der
deutschen und europäischen Politik gut vernetzt und ge­
hört seit dieser Legislaturperiode dem Deutschen Bundes­
tag an. Dort ist er Mitglied des Menschenrechtsausschus­
ses und des Europaausschusses. Seit Beginn diesen Jahres
ist Dr. Fabritius MdB Mitglied der Parlamentarischen Ver­
sammlung des Europarats. Durch seine Kontakte zu den
Vertretern unserer östlichen Nachbarstaaten hat er viele
Anliegen zum Erfolg gebracht. Dr. Fabritius lebt in München,
ist Rechtsanwalt und Mitglied der CSU.
Wir sind der Überzeugung, dass Dr. Bernd Fabritius MdB
die zukünftigen Herausforderungen für den BdV erfolgreich
meistern wird.
(Pressemeldung des BdV vom 7.7.2014)
17
1
Kurz notiert
MADE IN GERMANY – erfolgreich in Deutschland
Heinrich Popow – Sympathieträger des paralympischen
Sports in Deutschland
Der Leichtathlet Heinrich Popow ist mehrfacher Medaillen­
gewinner bei Paralympics und Leichtathletik-WM für Behin­
derte. Seit Jahren ist er das Zugpferd des paralympischen
Sports, wie kein Anderer verkörpert Popow die Professiona­
lisierung des Behindertensports in Deutschland. Der Sym­
pathieträger engagiert sich vielfältig auch über den Sport
hinaus. Geboren 1983 in Abai/Kasachstan, kam er im Alter
von sieben Jahren mit seiner Familie nach Deutschland
und wuchs in Hachenburg/Westerwald auf. Im Alter von
neun Jahren wurde ihm nach einer Krebserkrankung der
linke Unterschenkel abgenommen.
Popow lebt in Leverkusen und trainiert in der Behinderten­
sportabteilung des TSV Bayer 04 Leverkusen. Der Sport
bestimmt seinen Tagesablauf auch im Beruf: Seit 2002 ist
er EDV-Beauftragter in der Profifußball-Abteilung des TSV
Bayer 04 Leverkusen. Popow vertrat Deutschland mehr­
fach bei Paralympics und Leichtathletik-Weltmeisterschaf­
ten für Behinderte in den Disziplinen Sprint (100-m-Lauf,
200-m-Lauf) und Weitsprung. Seine größten Erfolge:
Paralympics-Debüt 2004 (Athen) als drei-facher BronzeGewinner, Silber bei den Paralympics in Peking 2008 im
100-m-Lauf, 2011 Gold bei der IPC-WM in Neuseeland im
100-m-Lauf und im Weitsprung, Gold im 100-m-Lauf und
zweimal Bronze (über 200m und mit der Staffel) bei den
Paralympics 2012 in London, Gold mit Weltrekord über
100 Meter und zweimal Bronze im Weitsprung und über
200m bei der WM in Lyon 2013.
Popow folgt Einladungen von Schulen zum Sportunterricht
und ist Ansprechpartner für verschiedene deutsche Kliniken, in denen junge Menschen vor der Amputation stehen.
Er ist ein engagierter Förderer seiner Disziplin und bringt
sich in der Talentförderung ein. Für seine Medaillen bei den
Paralympics wurde Heinrich Popow mehrmals mit dem
Silbernen Lorbeerblatt geehrt, zuletzt im November 2012
für seine Erfolge in London. Mehrfach wurde er zum Be­
hindertensportler des Jahres nominiert, 2013 sogar zur
Wahl des Weltbehindertensportlers aufgestellt.
(Volk auf dem Weg (VadW) vom Juni 2014)
Heinrich Popow vertrat Deutschland mehrfach bei Para­
lympics und Leichtathletik-Weltmeisterschaften.
Foto: www.heinrich-popow.de
„Wolfskinder“ – das Schicksal ostpreußischer
Flüchtlings-Kinder
Auf der Flucht vor der Roten Armee sahen viele Kinder ihre
Eltern sterben oder wurden von ihnen getrennt. Auf sich
gestellt schlugen sich deshalb die meisten ins Nachbarland
Litauen durch, wo es Bauern gab, die deutsche Kinder bei
sich aufnahmen. Stets getrieben von Angst vor den russi­
schen Besatzern und ständigem Hunger wurden sie zu
„Wolfskindern“. Von mehreren tausend Kindern und Jugend­
lichen überlebten nur einige hundert. Rick Ostermann
erzählt in seinem Spielfilmdebüt „Wolfskinder“ nun diese
Flüchtlings-Geschichte am Beispiel des 14-jährigen Hans,
der 1946 mit seinem kleinen Bruder nach Litauen auf­
bricht, von diesem getrennt wird und ums nackte Über­
leben kämpft. Für sein Drehbuch hat Rick Ostermann u.a.
Zeitzeugen, noch lebende Wolfskinder und ihre Angehörigen,
getroffen, um anhand ihrer Erzählungen seine Filmfiguren
so realistisch wie möglich zu entwickeln.
Weitere Informationen: www.daserste.de/
information/wissen-kultur/ttt/sendung/hr/2014/
sendung_vom_03082014-104.html
18
Rundschreiben Nr. 3
Alternativer Medienpreis 2014 für „Steppenbeben“
September 2014
„ Frau Sterz, wie war es möglich, dass Sie 1949 in Marx,
Augenzeugen der sowjetischen Atomwaffentests
erzählen.
einer der größeren Städte der Wolgare-publik, geboren
wurden, obwohl man die Deutschen 1941 von dort depor­
tiert hatte?
„Lauft ins Freie!“, riefen die Rotarmisten“. Kurz darauf
bebte die Steppe, Blitze durchzuckten den Himmel. Dann
Rauch, „Satansfaust“ nannten die Kasachen das Phäno­
men, ihre schwäbischen Nachbarn, die Stalin in die Steppe
verschleppt hatte, sagten „Pfifferling”. Keiner der Dorfbe­
wohner wusste, was genau das war.
Meine Mutter Olga war zwar Deutsche, aber mit einem
Russen verheiratet. Das hat sie vor der Deportation be­
wahrt. Die Hochzeit fand 1939 statt. Gennadij, ihr Mann,
wurde 1941 zur Armee eingezogen. Nach dem Krieg kehrte
er aber nicht zu ihr zurück. Seine Eltern haben das verhin­
dert, sie verheirateten ihn mit einer Russin.
Von 1949 bis 1989 wurden in der Steppe bei Semipalatinsk
461 Mal Atombomben getestet – und deren Wirkung auf
Menschen. Viele wurden alle Jahre in ein geheimes Kranken­
haus beordert, Befunde wurden ihnen nicht mitgeteilt.
Sie aßen weiterhin Gemüse aus ihren Gärten, Fische aus
den verseuchten Seen. In Deutschland leben etwa 40.000
Augenzeugen und Leidtragende dieser Tests – Russland­
deutsche, Russen, Kasachen. Viele sind krank davon. Kinder
und Enkel kommen behindert zur Welt. Jetzt erst werden
ihnen die Zusammenhänge klar. Zum ersten Mal wagen sie
es, ihre Stimme zu erheben und Forderungen zu stellen.
(www.ulla-lachauer.de)
„Erzählt das bloß keinem!“
Nach der Deportation der Wolgadeutschen: So lebten
die, die bleiben durften
Russland in den 50er und 60er Jahren. Die Wolgadeutsche
Republik ist aufgelöst, ihre früheren Bewohner wurden
1941 kollektiv hinter den Ural verbannt. Aber an der Wolga
gibt es nach wie vor Deutsche. Sinaida Sterz zum Beispiel,
inzwischen 65 Jahre alt, wuchs nach dem Krieg in Marx auf.
Dort lebt die pensionierte Kinderärztin auch heute.
“
„ Und Ihre Mutter?“
Sie hat wieder geheiratet, wieder einen Russen, der dann
mein Vater wurde. Eine Liebesheirat war das nicht. Er war
20 Jahre älter als sie und hat in einem Fischereibetrieb ge­
arbeitet, für uns gesorgt. So sind wir damals, als es mich
schon gab, über die Runden gekommen.
„ Hat man Sie von klein auf spüren lassen, dass Sie nicht
wie die anderen Kinder sind?
“
Wir wurden als „Faschisten“ beschimpft, aber nur von
Leuten, die uns kaum kannten. Meine Freundinnen haben
mich nie so genannt.
„ Wie ist man in Ihrer Familie mit dem Thema umge­
gangen?
“
Meine Mutter hatte ihr Leben lang Angst, irgendetwas
Falsches zu sagen oder zu tun. Sie fürchtete, dass eines
Tages der KGB vor der Tür steht, um sie mitzunehmen,
und dass wir drei Schwestern allein zurückbleiben. Mein
Vater ist ja schon 1958 gestorben. Einmal, als Kinder noch,
haben wir in der Kommode eine Bibel gefunden. Meine
Mutter hat uns eingeschärft: „Erzählt das bloß keinem!“
Die Bibel haben wir nie wiedergesehen.
Drei wolgadeutsche
Frauen in Marx:
Sinaida Sterz (rechts) mit
ihren Freundinnen Lidija
(links) und Elsa (Mitte)
und einem alten Foto mit
der lutherischen Kirche,
als sie noch ihren Glockenturm und die Kuppel
besaß. Foto: Tino Künzel
19
1
Kurz notiert
Die Lutherische Kirche in Marx heute. Foto: Tino Künzel
„ Sie sind heute Mitglied der lutherischen Gemeinde in
Marx. Die 1846 eingeweihte Kirche steht mitten im Stadt­
zentrum, ist aber stark von der Sowjetzeit gezeichnet.
Der Kirchturm und die Kuppel wurden 1956 abgerissen.
Haben Sie eine Erinnerung daran?
“
Und ob! Der Bau war damals schon lange kein Gotteshaus
mehr, sondern diente der Fabrik „Kommunist“ als Arbeiter­
klub. Aber immerhin war er äußerlich noch eine Kirche und
nicht dem Erdboden gleichgemacht wie die orthodoxe und
nicht zum Kino umgebaut wie die katholische Kirche. Am
Tag des Abrisses hat man den Platz abgesperrt. Wir Kinder
sind trotzdem hingerannt, das wollten wir ja gesehen haben.
Da standen russische Frauen und haben gebetet. Mein
Vater hat meine Mutter nicht aus dem Haus gelassen. Sie
saß in unserer Wohnung und hat geweint.
„ Was wussten Sie damals von der ehemaligen Wolgare­
publik, von Ihren Vorfahren und den Verwandten, die man
aus ihrer Heimat verjagt hatte?
“
Fall waren wir vorsichtig. Erstens haben wir die Verbindung
zu den Verwandten nicht an die große Glocke gehängt.
Zweitens schrieb man nur über unverfängliche Dinge. Die
Post wurde ja von den Behörden gelesen. Zumindest gingen
wir davon aus.
„ Und dann durften die Wolgadeutschen auch wieder ihre
alte Heimat besuchen.
“
Ja, in den 60er Jahren war das. Da haben wir zum ersten
Mal Familienmitglieder gesehen, die wir nur von Fotos
kannten. Gleichzeitig wurden hier ständig Häuser in Brand
gesteckt, und man hat behauptet, das wären die Deutschen
gewesen. Wir hatten unsere Siebensachen immer griff­
bereit und haben angekleidet geschlafen. Die Männer hiel­
ten nachts abwechselnd Wache. Eine schlimme Zeit. Zum
Glück ist sie vorbei. Heute verhält man sich gegenüber uns
Deutschen hier loyal.
(Moskauer Deutsche Zeitung vom 29.6.2014 von Tino Künzel)
Als wir älter wurden, haben wir natürlich Fragen zu stellen
begonnen. Aber meine Mutter hat nur einsilbig geantwortet.
Die Deportation sei „notwendig“ gewesen, die Verwandten
hätten es „dort besser“, alles in diesem Stil. Sie wollte nicht,
dass wir uns verplappern, wenn wir mit anderen darüber
reden.
„ Haben Sie Kontakt zur Verwandtschaft gehalten?“
Wenn Festtage anstanden, haben wir allen Postkarten ge­
schrieben. Meine Mutter hatte ein Heft mit allen Adressen
angelegt, von Karaganda bis Nowosibirsk. Aber auch in dem
20
Marx, die ehemalige deutsche Katherinenstadt an der Wolga.
Foto: Tino Künzel
Rundschreiben Nr. 3
September 2014
Helene Fischer.
Bildquelle: www.helene-fischer.de/media/fotogalerie
Helene Fischer zum 30. Geburtstag
Die russlanddeutsche Sängerin und Entertainerin Helene
Fischer feierte am 5. August ihren 30. Geburtstag. Die
mehrfach preisgekrönte Künstlerin wurde im sibirischen
Krasnojarsk geboren und ist in der rheinhessischen Stadt
Wöllstein in Rheinland-Pfalz aufgewachsen. Mit über fünf
Millionen verkauften Tonträgern zählt sie zu den erfolg­
reichsten Schlagersängern Deutschlands. Bei der diesjäh­
rigen Verleihung des deutschen Musikpreises ECHO ge­
wann sie in den Kategorien „Deutschsprachiger Schlager”
und „Album des Jahres” („Farbenspiel”).
Die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland gratu­
liert Helene Fischer zum 30. Geburtstag! Als Landsmännin,
die sich zu ihrer russlanddeutschen Herkunft öffentlich
bekennt, trägt die talentierte Sängerin und Künstlerin dazu
bei, die positive Wahrnehmung von Deutschen aus Russ­
land zu fördern.
Wir freuen uns für Helene Fischer und wünschen
weiterhin viel Erfolg!
(Zitiert nach: http://lmdr.de/
helene-fischer-zum-30-geburtstag)
21
2
Wettbewerbe / Projektförderung / Stellenangebote / Stipendienprogramme
2
Wettbewerbe / Projektförderung /
Stellenangebote / Stipendienprogramme
NRW – Schülerwettbewerb Begegnung
mit Osteuropa 2015
„Europa (er)leben"
„Europa (er)leben!“ lautet dieses Jahr das Motto des NRWSchülerwettbewerbs „Begegnung mit Osteuropa“. Bewusst
oder unbewusst leben und erleben wir Europa im Alltag auf
vielfältige Weise. Eine attraktive und begeisternde „Vision“
für ein künftiges Europa fällt nicht vom Himmel: Wer Europa
erleben und leben will, der muss sich selbst auf die Reise
begeben und bewegen: engagiert, kreativ und vernetzend.
In den letzten 70 Jahren seit Ende des Zweiten Weltkriegs
haben Menschen in Europa Grenzen bewegt und vielfach
Hindernisse und Stolpersteine aus dem Weg geräumt.
Dabei machen wir uns noch immer zu selten auf, Osteuropa
zu begegnen. Die historische und kulturelle Vielfalt unserer
östlichen Nachbarn zu erleben, die Unterschiede als reizvoll
und anregend zu erkennen, das kann unser Leben berei­
chern und uns helfen, die Gemeinsamkeiten als Chance
und Impuls zu verstehen, die „Erfolgsgeschichte Europa“
fortzuschreiben.
22
Europa (er)leben! bedeutet, sich auf den Weg zu machen.
Nur so können Schätze gefunden und gehoben werden.
Wollen wir unsere Zukunft in Europa miteinander gestalten,
ist es wichtig, sich auch auf Spurensuche in die Vergangen­
heit zu begeben, um verschiedene Lebenswege und -ent­
würfe zu erforschen. So können wir alle zu einem besseren
„Fairständnis“ der Denkweisen und Traditionen in den
osteuropäischen Nachbarländern und unserer eigenen
historischen Wurzeln gelangen und Vorurteile aus dem
Weg räumen. Je mehr wir über Geschichte und kulturelle
Besonderheiten wissen, umso mehr können wir Toleranz,
Respekt und Verantwortung entwickeln und damit die Fun­
damente des „Europäischen Hauses“ stärken. Besonders
in schwierigen Situationen, in denen, wie gegenwärtig in
der Ukraine, Konflikte zu lösen sind, ist es umso wichtiger,
dass wir uns weiter austauschen und voneinander lernen.
Dies ist nur in einem Dialog auf Augenhöhe möglich, bei
dem gemeinsam nach Antworten auf offene Fragen gesucht
wird. Je mehr wir über das Leben der Menschen in anderen
Ländern wissen, umso leichter können wir Vorurteile und
Berührungsängste abbauen.
Rundschreiben Nr. 3
September 2014
Broschürentitel Schülerwettbewerb
Der Schülerwettbewerb „Begegnung mit Osteuropa“ bietet
vielfältige Anregungen, Ideen und Wege zum Entdecken
und Erforschen der Länder, die östlich von uns liegen. Dabei
beschreitet er kreative und erfahrungsorientierte Wege
zur Förderung der Sach-, Urteils-, Methoden- und Hand­
lungskompetenz. Er lädt Euch, liebe Schülerinnen und
Schüler in NRW und in allen Ländern Mittel- und Osteuro­
pas, dazu ein, Erkundungen auf den Gebieten der Ge­
schichte, Geografie, Gesellschaftslehre, Kunst, Literatur
und Musik zu starten, um das eigene Wissen und den eige­
nen Horizont zu erweitern. So könnt Ihr Brücken der
Freundschaft und Verständigung aufbauen, um Europa
immer mehr zu unserer gemeinsamen Heimat werden zu
lassen. Ihr habt die Möglichkeit, Euer Lieblingsprojekt aus
einem breit gefächerten Projektangebot selbst auszuwäh­
len. Neben Einzel- und Gruppenarbeiten sind vor allem
Partnerarbeiten mit Schülerinnen und Schülern einer Part­
nerschule in Mittel-Ost-Europa erwünscht: Die gemeinsa­
me grenzüberschreitende Arbeit würde unserem diesjähri­
gen Motto Europa (er)leben! besonders gerecht. Gerade
für Europaschulen bieten sich hier vielfältige Chancen der
Kooperation.
Die vorliegende Wettbewerbsbroschüre und die Internet­
seiten des Schülerwettbewerbs geben zahlreiche Tipps
zur Annäherung an die jeweiligen Themen und Aufgaben.
Sie klären darüber hinaus die aktuellen Lehrplanbezüge
und bieten Hinweise zur Einbindung der Projektarbeit in
den Unterricht der verschiedenen Fächer, aber auch zur
Gestaltung fächerübergreifenden Unterrichts. Einige Pro­
jektvorschläge sind auch hervorragend für den Einsatz in
Arbeitsgemeinschaften bzw. im Rahmen des Ganztagsbe­
reichs geeignet. Die Oberstufenprojekte berücksichtigen
die Anforderungen des Zentralabiturs und stellen zugleich
Themen für Facharbeiten dar: Indem Sie sich am Wettbe­
werb beteiligen, können Sie, liebe Schülerinnen und Schüler,
also doppelt punkten!
Weitere Informationen zum Wettbewerb:
www.schuelerwettbewerb.eu
Kontakt:
Sonja Wissing (Wettbewerbsleiterin)
Bezirksregierung Münster
Projekt „Schülerwettbewerb“
Albrecht-Thaer-Straße 9
48147 Münster
Deutschland
Telefon 02 51 / 4 11 33 40
(aus dem Ausland: 0049-2 51 / 4 11 33 40)
Telefax 02 51 / 4 11 33 42
(aus dem Ausland: 0049-2 51 / 4 11 33 42)
[email protected]
Bestellung von Broschüren und Einsendung von
Wettbewerbsbeiträgen:
Bezirksregierung Münster
- Projekt Schülerwettbewerb Albrecht-Thaer-Straße 9
48147 Münster
Deutschland
[email protected]
(www.schuelerwettbewerb.eu)
„Europa (er)leben!“ – mit diesem Wettbewerbsmotto
rufen wir dazu auf, Europa zum europäischen Erlebnis
zu machen. Einsendefrist ist der 31. Januar 2015!
23
2
Wettbewerbe / Projektförderung / Stellenangebote / Stipendienprogramme
Wettbewerb der „EKD – Lebendige Brücken“
Seit über 30 Jahren setzt sich die
Aussiedlerseelsorge der Evangelischen
Kirche in Deutschland (EKD) für die
Integration von spätausgesiedelten
Menschen ein. Menschen, die durch ihre
Aussiedlung mehrere Heimaten in sich
tragen, sind oft in besonderer Weise
in der Lage, „Brückenmenschen“,
„Brückenbauende“ zu sein. Sie fördern
an vielen Orten und in verschiedenen
Funktionen das friedliche Miteinander
von Menschen verschiedener Traditio­
nen und Herkünfte.
Der Wettbewerb „Brückenschlag“ möchte Projekte, Aktio­
nen auszeichnen, die unterschiedliche Menschen und
Welten verbinden, z.B.: Zugewanderte und Einheimische,
Herkunftskirchen und Kirchen in Deutschland, Herkunfts­
länder und Aufnahmeland. Mit diesem zweiten Wettbewerb
verbunden ist ein herzlicher Dank für alle geleistete Integra­
tionsarbeit im Bereich der Evangelischen Kirchen und ihrer
Diakonie. Über viele Jahre ist die Aussiedlerseelsorge der
EKD und ihrer Gliedkirchen verlässlicher Gesprächspartner
und vielfach mitgestaltend im Integrationsprozess.
Schirmherren des Wettbewerbs:
Hartmut Koschyk, MdB,
Beauftragter der Bundesregierung
für Aussiedlerfragen und nationale
Minderheiten
Kirchenpräsident i.R. Helge Klassohn,
Beauftragter des Rates der EKD für
Fragen der Aussiedler und Heimatver­
triebenen
Weitere Informationen zum Wettbewerb (PDF):
http://lmdr.de/wp-content/uploads/2014/07/
EKD-Wettbewerb_Bruecken_2014.pdf
Wer kann sich bewerben?
Initiativen, Gruppen, Kirchengemeinden können sich
bewerben mit kirchlichen, diakonischen, missionari­
schen Projekten, in denen „Brücken gebaut“ werden.
Wie kann man sich bewerben?
Mit einer Projektbeschreibung und einem medialen
Beitrag (wünschenswert in digitaler Form).
24
Wo kann man sich bewerben?
Kirchenamt der EKD
Aussiedlerseelsorge
Herrenhäuser Straße 12
30419 Hannover
[email protected]
Einsendeschluss:
Eingang bei der EKD am 30.9.2014
Preise:
Für den 1. Platz: 1.500 €, 2. Platz: 1.000 € und für den
3. Platz: 500 €.
Hinweise zum Verfahren:
Eine Jury unter dem Vorsitz des Beauftragten des Rates
wird die Beiträge sichten und ermittelt die Sieger. Der
Rechtsweg ist ausgeschlossen. Die Preisverleihung findet
während des Ev. Kirchentages 2015 in Stuttgart statt.
Copyright:
Das Urheberrecht verbleibt bei den Einreichenden. Die
EKD erhält das Recht, die eingereichten Unterlagen im
Rahmen der Projektarbeiten der Aussiedlerseelsorge bei
der EKD unentgeltlich zu veröffentlichen.
Das Deutschlandstipendium –
ein wachsendes Netzwerk
Wanka: „Starkes bürgerschaftliches Engagement“
Mit dem Deutschlandstipendium hat das Bundesministe­
rium für Bildung und Forschung ein neues Instrument der
Studienförderung geschaffen. Schon im dritten Jahr ihres
Bestehens 2013 kam diese Partnerschaft zwischen dem
Bund, privaten Förderern und Hochschulen 19.740 Studie­
renden zugute. Zur Jahresveranstaltung zum Deutsch­
landstipendium kamen jetzt rund 300 Vertreter der Hoch­
schulen, private Förderer und Stipendiaten sowie Vertre­
ter von Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung in Berlin
zusammen.
Ziel der Veranstaltung mit dem Titel „Fördern – Gewinnen –
Begeistern“ ist der Austausch von Erfahrungen zur Um­
setzung des Stipendienprogramms. Im Vordergrund stehen
auch die wachsenden Netzwerke zwischen Hochschulen
und Förderern. Im vergangenen Jahr unterstützten bereits
mehr als 6000 private Förderer begabte Studierende mit­
hilfe des Deutschlandstipendiums. Mehr als 21 Millionen
Euro stellten die privaten Mittelgeber 2013 dafür zur Ver­
fügung.
Rundschreiben Nr. 3
September 2014
Jahresveranstaltung zum Deutschlandstipendium in Berlin.
Foto: Tom Maelsa
„Die beeindruckende Zahl aktiver Förderer zeugt von ech­
tem bürgerschaftlichem Engagement“, sagte Bildungs­
ministerin Johanna Wanka. „Unter den Förderern sind kleine
wie große Unternehmen, Privatpersonen, Stiftungen, Clubs
und Vereine – sie alle sehen es als eine gesamtgesellschaft­
liche Aufgabe an, Bildungschancen zu optimieren, und sind
bereit, diese Aufgabe materiell und ideell zu unterstützen.
Und dieser Geist der Verantwortung zeigt sich auch bei den
Stipendiaten, die nicht nur in ihrem Fach Spitzenleistung
bringen, sondern sich ebenfalls gesellschaftlich einbringen.“
Im Jahr 2013 haben deutsche Hochschulen 19.740 Sti­
pendien vergeben – 42 Prozent mehr als noch im Vorjahr.
Private Förderer tragen bei der Spitzenförderung von
300 Euro monatlich pro Stipendium 150 Euro, die andere
Hälfte wird vom Bund finanziert. Damit ist bereits mehr
als jedes dritte vom Bund geförderte Stipendium für Stu­
dierende ein Deutschlandstipendium. Schon heute haben
90 Prozent der Studierenden in Deutschland die Chance,
sich an ihrer Hochschule für die Förderung zu bewerben.
Vergeben wird das Deutschlandstipendium einkommens­un­
abhängig, neben der Studienleistung zählt für die Vergabe
durch die Hochschulen auch gesellschaftliches Engage­
ment oder die Überwindung biografischer Hürden.
Weitere Informationen:
www.deutschlandstipendium.de/de/2621.php
(Pressemitteilung des Bundesministeriums für
Bildung und Forschung Berlin vom 8.7.2014)
Ausschreibung von Fördermitteln des BAMF
Für die Förderperiode ab 2015 plant das Bundesamts für
Migration und Flüchtlinge (BAMF) wieder die Förderung
von Projekten zur Integration von jungen Menschen mit
Migrationshintergrund mit dauerhafter Bleibeperspektive
gemäß den Richtlinien zur Förderung von Maßnahmen zur
gesellschaftlichen und sozialen Integration von Zuwan­
derinnen und Zuwanderern des Bundesministeriums des
Innern (BMI) und des Bundesministeriums für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ). Gefördert werden
sollen Jugendprojekte mit einer Laufzeit von bis zu drei
Jahren und einer Fördersumme von maximal 50.000 Euro
jährlich. Anträge müssen bis zum 31.10.2014 eingereicht
werden.
Weitere Informationen:
www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/
Downloads/Infothek/Integrationsprojekte/
oeffentliche-bekanntmachung-foerderjahr2015-pdf.
html;jsessionid=64A8DC7E8C362C2C7447F6AB96
EDF346.1_cid286?nn=1367522
(www.bamf.de)
Förderprogramm „Dialog der Kulturen“
läuft auch 2015
Bezirksregierung Arnsberg
Ab sofort können professionelle Künstler/innen sowie Initi­
ativen und Gruppen im Regierungsbezirk Arnsberg bei der
Bezirksregierung Fördermittel aus dem Landesprogramm
„Dialog der Kulturen“ beantragen. Bis zum 15.10.2014
müssen die Anträge eingehen, um bei Projekten in 2015
von den Zuschüssen zu profitieren.
Weitere Informationen:
www.bezreg-arnsberg.nrw.de/presse/2014/
07/143_14/index.php
(Newsletter 07/2014
des Kompetenzzentrums für Integration)
25
3
Tagungen / Veranstaltungen / Ausstellungen / Bildungsangebote
3
Tagungen / Veranstaltungen /
Ausstellungen / Bildungsangebote
Kompetenzzentrum für Integration
Kultur-Terminkalender
Das Kompetenzzentrum für Integration unterstützt mit
der Pflege des Kultur-Terminkalenders das Kennenlernen
anderer Kulturen. Zudem werden Theaterstücke aufge­
nommen, die die Diskussion zum Thema Integration und
Teilhabe fördern.
Ansprechpartner
Dietmar Faltus
Telefon 0 29 31 / 82 - 29 17
Telefax 0 29 31 / 82 - 29 44
[email protected]
www.kfi.nrw.de
Interkulturelle Väterarbeit in NRW
Mitteilungen zu Veranstaltungen zur Ver­öffentlichung
in dem Terminkalender sind willkommen, und zwar unter
der Mailadresse: [email protected].
Terminübersicht 2014:
www.lum.nrw.de/Kultur___Medien/Termine_Kulturveranstaltungen/index.php
Termine zum Thema Integration
in Nordrhein-Westfalen und darüber hinaus
Bezirksregierung Arnsberg
Dezernat 36 – Kompetenzzentrum für Integration
Seibertzstraße 1
59821 Arnsberg
26
Tagung „Frag doch Papa!“
Am Donnerstag, 30. Oktober, findet in der VHS Essen
eine Fachtagung zum Thema „Interkulturelle Väterarbeit
in NRW“ statt. Die Veranstaltung wird vom Facharbeits­
kreis für kulturelle Väterarbeit in NRW (IVA.NRW.DE) orga­
nisiert und steht unter der Schirmherrschaft des Staats­
sekretärs für Integration beim Ministerium für Arbeit, Inte­
gration und Soziales, Thorsten Klute.
Rundschreiben Nr. 3
September 2014
Begleitprogramm
Öffentliche Sonntagsführungen mit wechselnden
Schwerpunkten jeweils um 15 Uhr am:
31.8.2014 und 5.10.2014 (Finissage)
Kosten: 6 € (Führung + Eintritt)
Anmeldung erwünscht unter:
Telefon 0 21 02 / 965-256 oder 965-356
[email protected]
Ankündigung Fachtagung Väterkongress
Museumsnacht
Freitag, 26.9.2014, 18 - 24 Uhr
Führungen durch die Ausstellung, Mitmachaktionen für
Jung und Alt.
Der Eintritt ist frei.
Nähere Informationen zum Programm folgen in
Kürze unter: www.iva-nrw.de
Oberschlesisches Landesmuseum,
Ratingen (OSLM)
Gelungener Familientag zur Mobilitäts-Ausstellung
Einen gelungenen Familientag veranstaltete das Oberschle­
sische Landesmuseum am 6. Juli. Auch das Wetter spielte
weitgehend mit. Insgesamt besuchten mehr als 200 Gäste
die Veranstaltung im Außengelände und im Museum selbst.
Viele Ehrenamtliche wirkten mit und machten den Tag mit
ihren Autos, Zweirädern, Modelleisenbahn und Dampfma­
schine sowie ihren Pilgererfahrungen zu einem besondern
Erlebnis. Ein buntes Programm für die ganze Familie rund
um das Thema Mobilität wurde geboten: Oldtimer, HarleyDavidsons und zwei Motorroller konnten bestaunt und
angefasst werden. Ihre Besitzer versorgten Interessierte
mit spannenden Geschichten und Informationen zu ihren
historischen Schätzchen. Auf dem Außengelände und im
Museum gab es Sonderführungen für Jung und Alt. Eine
Märklin-Modelleisenbahn im Museum erweckte bei vielen
Erwachsenen Kindheitserinnerungen. Die jungen Besucher
hatten sichtlich Freude beim Rangieren und Weichenstel­
len. Dazu gab es eine Dampfmaschinen-Vorführung. Ein
Ehepaar aus Ratingen berichtete von seinen Pilgerreisen
mit dem Fahrrad nach Santiago de Compostela. Selbst
aktiv wurden kleine und große Besucher an zahlreichen
Mitmachstationen im Museumsgelände. Was Pilger auf
ihren langen Reisen unter ihren Sohlen spürten, konnte
barfuß auf einem „Fußfühlweg“ nachvollzogen werden.
Auf einem Hindernisparcours vergnügten sich Groß und
Klein mit Roller und Bobby-Car.
Beim großen Familientag „Mobil sein früher und heute“
konnten Oldtimer bestaunt und angefasst werden.
Foto: OSML
Nicht nur Kinderaugen leuchteten beim Anblick der
Märklin-Modelleisenbahn im Museum.
Foto: OSML
Im Zelt hinter dem Museum wurden schlesische Köstlich­
keiten, Kaffee und Kuchen sowie frisch gebackene Waffeln
geboten. Noch bis zum 5. Oktober 2014 präsentiert das
Oberschlesische Landesmuseum seine Sonderausstellung
„Fahren, Gleiten, Rollen! Mobil sein im Wandel der Zeit“.
27
3
Tagungen / Veranstaltungen / Ausstellungen / Bildungsangebote
Von der kleinen Hexe und dem Räuber Hotzenplotz
Kinder bekommen sie noch immer vorgelesen, die Erzäh­
lungen von der kleinen Hexe, dem Wassermann und dem
Räuber Hotzenplotz. Ihr Autor Otfried Preußler (1923 –
1913) fühlte sich seiner böhmischen Heimat stets verbun­
den. 1923 in Reichenberg geboren, war seine Jugend von
den Konflikten im und um das Sudetenland geprägt. Als
Abiturient wurde er 1942 zur Wehrmacht einberufen. 1949
kehrte Otfried Preußler aus der sowjetischen Kriegsgefan­
genschaft zurück, aber nicht in seine böhmische Heimat,
da diese durch Krieg und Vertreibung verloren war. Vielmehr
ließ er sich in Bayern nieder, ergriff den Lehrerberuf und
arbeitete als Schriftsteller. In den weltberühmten Kinder­
büchern verarbeitete er die Geschichten, die ihm seine
Großmutter erzählte. Sie handeln von Zaubermännern,
Hexen, Gespenstern, Wassermännern und Raubschützen.
Hotzenplotz heißt aber nicht nur Preußlers berüchtigter
Räuber, sondern auch ein kleiner oberschlesischer Fluss.
Aus dem Altvatergebirge fließt er in die Oder.
Otfried Preußler und seine Helden sind in dieser Ausstel­
lung zu erleben. Gezeigt werden Abschnitte aus dem Leben
des Kinderbuchautors. In Themenwelten erfahren die Be­
sucher mehr über die Geheimnisse des Waldes, die in den
Büchern immer wieder eine Rolle spielen. An Hörstationen
lauschen sie den spannenden Geschichten Preußlers. Inter­
aktiv schlüpfen sie in die Rollen der Buchfiguren, gestalten
sie nach oder versuchen sich selbst als Geschichtenerzäh­
ler. Zu sehen sind neben Zeichnungen auch verschiedene
Buchausgaben. Begleitend zur Ausstellung gibt es Ange­
bote für Kinder und Erwachsene.
Eisenbahnwaggon aus Tschechien neben dem OSLM bei
Nacht. Foto: OSLM
Eröffnung: Freitag, 26. September 2014, 19 Uhr,
im Rahmen der Museumsnacht Neanderland im
Kreis Mettmann.
Die Besucher erleben faszinierende Reisegeschichten und
tauchen ein in die abenteuerlichen Erzählungen des Kin­
derbuchautors Otfried Preußlers. Draußen im Gelände,
mit dem neuen Eisenbahnwaggon und drinnen im Museum
werden „Abenteuer“ für die ganze Familie geboten.
Leckeres Essen und Getränke runden den Besuch ab.
Programm:
Impulsführungen durch Sonder- und Dauerausstellung
Filmnacht: „Mit Bahn und Auto auf den Spuren des
Räuber Hotzenplotz“
Spaß und Spiel – Mitmachstationen im Museumsfoyer
Ausstellungseröffnung „Von der kleinen Hexe und dem
Räuber Hotzenplotz“
„Heimat Weh“
Ausstellungstrilogie der Stiftung Zentrum
gegen Vertreibung
Mit dieser Ausstellung führt die Stiftung Zentrum gegen
Vertreibung drei Ausstellung zu einer Trilogie zusammen,
die sie seit 2006 innerhalb von fünf Jahren erarbeitet und
jeweils einzeln in Berlin vorgestellt wurde. Heimat und
Heimatverlust durch Vertreibung unterschiedlichster Art
sowie die mühsame Neuanfang in einer abwehrenden, oft
gar feindseligen Umgebung sind zentrale Themen dieser
Trilogie. Die Ausstellung zeigt nicht nur deutsche Schicksale,
sondern in Solidarität und Anteilnahme auch die Vertrei­
bungsschicksale anderer europäischer Völker. Sie setzt
damit das Signal, dass Vertreibung immer ein menschen­
rechtswidriges Verbrechen ist.
28
Rundschreiben Nr. 3
In einem großen Bogen umreißt diese Trilogie die weitge­
hend unbekannte Heimat der deutschen Volksgruppen
außerhalb des Deutschen Reiches mit ihrer Siedlungsge­
schichte („Die Gerufenen“ 2009), die Flucht und Vertrei­
bung im Europa des 20. Jahrhunderts („Erzwungene Wege“
2006) sowie die Integration der deutschen Vertriebenen
und Aussiedler seit 1945 („Angekommen“ 2011).
Die Eröffnung am Sonntag, 9. November 2014, 11 Uhr,
ist eingebunden in eine Feierstunde des OSLM zum
25. Jahrestag des Mauerfalls.
Die Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und
Medien des Landes Nordrhein-Westfalen, Dr. Angelica
Schwall-Düren, spricht ein Grußwort.
September 2014
Haus Schlesien, Königswinter
Dokumentations- und Informationszentrum für
schlesische Landeskunde
Aktuelle Sonderausstellung
„Verbotene Kunst“
Bilder von Karl Schmidt-Rottluff für Helmuth James von
Moltke vom 31. August 2014 bis 8. März 2015
Öffnungszeiten der Ausstellungen
Di - Fr 10 - 12 und 13 - 17 Uhr, Sa, So und Feiertag 11 - 18 Uhr
Wanderausstellung
Auswärtige Sonderausstellungen
des Oberschlesischen Landesmuseums
„Schlossgeschichten. Adel in Schlesien“
bis zum 5. Oktober 2014 im Deutschen Landwirtschafts­
museum Schloss Blankenhain, Crimmitschau / Sachsen
Zur Ausstellung gibt es jetzt auch eine Begleitschrift mit
68 Seiten und 99 Farbabbildungen. Die Publikation kann
beim OSLM bestellt werden. Der Einzelpreis beträgt im Ver­
kauf in Ratingen 4,50 €, bei Versand werden 2 Exemplare
zum Gesamtpreis von 10 € inkl. Versand angeboten.
Kontakt: [email protected]
Herrenlos! Schlesische Klöster
zwischen Aufhebung und neuer Berufung
ab dem 29. Juni 2014
Zespół Pieśni i Taśca „Ślśsk“ im. Stanisława Hadyny ul.
Zamkowa 3, 42-286 Koszęcin / Küstrin
Kontakt und Information
Oberschlesisches Landesmuseum
Bahnhofstraße 62, 40883 Ratingen
Telefon 0 21 02 / 96 50, Telefax 0 21 02 / 96 54 00
[email protected], www.oslm.de
Sie finden uns auch bei Facebook, Twitter und Flickr.
Öffnungszeiten: Di - So 11 - 17 Uhr, Mo geschlossen
Geschlossen: 3.10.2014
Hinweis: Beachten Sie bitte unsere Sonderöffnungszeiten.
„Zukunft – Stadt – Geschichte“
Schlesische Städte gestern und heute im Kloster Leubus
bis 31. Oktober 2014
Sonderausstellung „Der Kreisauer Kreis“
zum Widerstand gegen den Nationalsozialismus
31. August 2014 bis 8. März 2015
Kaum ein Ort ist so sehr zum Sinnbild des deutschen Wider­
stands gegen den Nationalsozialismus geworden wie das
schlesische Kreisau. Hier setzten Menschen aus allen Teilen
der Gesellschaft ein Zeichen für einen Neubeginn in den
Beziehungen zwischen den Menschen und Völkern Europas.
Auf dem Höhepunkt der Machtentfaltung des nationalsozi­
alistischen Regimes eine demokratische Zukunft in Freiheit
und Frieden zu denken – das war ein risikoreiches Unter­
fangen, das am Ende viele der Beteiligten mit ihrem Leben
bezahlten. Aber es war auch eine intellektuelle und mensch­
liche Leistung einer Minderheit, die nicht den Weg der an­
gepassten Mehrheit und auch nicht den Weg der inneren
Emigration gehen wollte. Diese Gruppe von Gleichgesinnten
schuf sich eine „Insel des freien Denkens“. Hier konnten
sie ihre Ideen und Hoffnungen zum Ausdruck bringen und
entwarfen Pläne für eine politische, wirtschaftliche und
soziale Neuordnung Deutschlands und für ein friedliches
Europa nach dem Ende des Nationalsozialismus.
Heute treffen sich in Krzyżowa (Kreisau) junge Menschen
aus ganz Europa und erfahren als geistiges Erbe des Wider­
stands gegen Diktaturen, dass die Würde des Menschen
unantastbar ist. Seit 1990 gehört das Gut der deutsch-pol­
nischen Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung
(Fundacja Krzyżowa dla Porozumienia Europejskiego).
(Dr. Susanne Peters-Schildgen,
Oberschlesisches Landesmuseum)
29
3
Tagungen / Veranstaltungen / Ausstellungen / Bildungsangebote
Internationale Jugendbegegnungsstätte Kreisau.
Gutsschloss in Kreisau.
Foto B. Fischer
Die Ausstellung basiert auf der Wanderausstellung der
Stiftung und zeigt Facetten des Widerstands in der natio­
nalsozialistischen Diktatur am Beispiel der Überlegungen
und Aktivitäten der Mitglieder des Kreisauer Kreises. Sie
lädt dazu ein, sich mit diesen Menschen, ihrem Werdegang
und ihrer Zeugenschaft auseinander zu setzen. In welcher
Zeit sie lebten, zeigt ein Schülerprojekt, in dem auf die
Politik und den Alltag im Nationalsozialismus anhand von
Objekten und Zeitzeugenberichten eingegangen wird.
Mittwoch, 22. Oktober 2014, 18 - 19.30 Uhr
Öffentliche Führung „Widerstand im National­
sozialismus – Der Kreisauer Kreis“
Rahmenprogramm zur Ausstellung
Donnerstag, 18. September 2014, 14 - 15:15 Uhr
Öffentliche Führung „Kreisau – Symbol für Widerstand
und Zivilcourage“
Die Führung ist kostenlos, Eintritt 3,- €, ermäßigt 1,50 €
Donnerstag, 25. September 2014 um 18 Uhr
Vortrag „Ökumene im Widerstand – Helmuth James
von Moltke und Alfred Delp SJ“
Referent: Prof. Dr. Günter Brakelmann, Historiker, Univer­
sität Bochum.
Helmuth James von Moltke und Alfred Delp bilden im
Kreisauer Widerstandskreis ein hochinteressantes Duo.
Der eine aus altem Adel, der andere aus einfachen Verhält­
nissen. Der eine ein Laienprotestant, der andere ein gelehr­
ter Jesuit und Kenner der katholischen Soziallehre. Sie
arbeiten gemeinsam an Entwürfen für ein anderes Deutsch­
land nach Hitler. Beide denken von ihren konfessionellen
Voraussetzungen her ökumenisch. Die letzten Monate
ihres Lebens verbringen sie als Zellennachbarn in engster
geistlicher Gemeinschaft. Sie schreiben sich Kassiber,
die an theologischer Brisanz und persönlicher Glaubens­
haltung angesichts der drohenden Hinrichtung kaum zu
überbieten sind. Beide wissen, dass sie letztlich zusammen
als Zeugen des christlichen Glaubens und christlicher Ethik
gegen den nationalsozialistischen Ungeist einer selbst
bestimmten Ideologie sterben müssen.
Eintritt: 3,- € (inkl. Eintritt in die Ausstellung bis 18 Uhr)
30
Anmeldungen und Informationen
VHS Siebengebirge
Telefon 0 22 44 / 88 93 27 oder
www.vhs-koenigswinter.de
Entgelt: 6,- €
Sonntag, 16. November 2014 um 15 Uhr
Bild-Vortrag „Kreisau (Krzyżowa) – vom Gut des
Feldmarschalls zur Internationalen Begegnungsstätte“
Referentin: Dr. Inge Steinsträßer, Historikerin, Bonn
Vor 25 Jahren wurde in Kreisau (Krzyżowa) der Grundstein
für ein Zentrum deutsch-polnischer Verständigung und
Versöhnung gelegt. In Erinnerung an das Wirken und die
Menschen des Kreisauer Kreises wurden Gutshof und
Schloss seit 1989 zu einer internationalen Begegnungs­
stätte ausgebaut. Treffpunkt für ein zukunftsweisendes
Miteinander von jungen Deutschen und Polen sowie Men­
schen aus ganz Europa und der übrigen Welt.
Dr. Inge Steinsträßer war in den Neunzigerjahren Mitglied
des Stiftungsrates der Stiftung Kreisau.
Eintritt: 3,- € (inkl. Eintritt in die Ausstellung)
Donnerstag, 20. November 2014, 14.30 - 15.15 Uhr
Öffentliche Führung „Vergessen und Erinnern –
25 Jahre Versöhnungsmesse“
Die Führung ist kostenlos, Eintritt 3,- €, ermäßigt 1,50 €
Rundschreiben Nr. 3
September 2014
Berghaus, Wohnhaus
der Familie von Moltke,
um 1930.
Foto: Stiftung Kreisau.
Freitag, 12. Dezember 2014 um 18 Uhr
Vortrag „Zu Gast bei Freya von Moltke (1911 - 2010)“
Referentin: Annemarie Franke, Kulturreferentin für
Schlesien, Görlitz
Das Berghaus in Kreisau, Wohnhaus der Familie von Moltke
seit 1928 und Treffpunkt des „Kreisauer Kreises“ in den
Jahren 1942 - 43, war ein gastfreies Haus. Freya von Moltke
prägte gemeinsam mit ihrem Mann Helmuth James von
Moltke den Geist und die Wärme dieses Ortes. Schweren
Herzens verließ sie das Berghaus mit ihren beiden Söhnen
im Oktober 1945. Das „neue Kreisau“, das nach 1989
im polnischen Krzyżowa als Internationale Jugendbegeg­
nungsstätte wieder entstand, war die große Freude ihrer
späten Lebensjahre. Annemarie Franke, 2001 - 2012 für
die Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung tätig,
berichtet über ihre persönlichen Begegnungen mit Freya
von Moltke.
Eintritt: 3,- € (inkl. Eintritt in die Ausstellung bis 18 Uhr)
Samstag, 17. Januar 2015, 15 - 16 Uhr
Öffentliche Führung „Kreisau – Die Geschichte eines
Ortes und einer deutschen Widerstandsgruppe“
Entgelt: 5,- € (inkl. Eintritt in die Ausstellung)
Donnerstag, 19. Februar 2015 um 14.30 Uhr
Öffentliche Führung „Kopf und Herz der Kreisauer –
Helmuth James von Moltke und Peter Yorck von
Wartenburg“
Die Führung ist kostenlos, Eintritt 3,- €, ermäßigt 1,50 €.
Sonntag, 22. Februar 2015 um 15 Uhr
Lesung „Außer dem Leben können sie Dir ja nichts
nehmen ...“
Jovita Dermota und Jochen Striebeck lesen aus den Ab­
schiedsbriefen von Helmuth James und Freya von Moltke,
geschrieben vor 70 Jahren.
Entgelt: 6,- €, ermäßigt 3,- € (inkl. Eintritt in die Aus­stellung)
Montag, 23. Februar 2015, Vormittag
Lesung für Schulklassen:
„Ausser dem Leben können sie Dir ja nichts nehmen ...“
Jovita Dermota und Jochen Striebeck lesen aus den Ab­
schiedsbriefen von Helmuth James und Freya von Moltke.
Dieser Termin richtet sich an Schulklassen der Jahrgänge
9 bis 12.
Anmeldungen und Informationen
Telefon 0 22 44 / 8 862 31
Das Angebot ist für Schulklassen kostenlos.
1935 Helmut und Freya, dahinter Granny und Willo.
31
3
Tagungen / Veranstaltungen / Ausstellungen / Bildungsangebote
Verbotene Kunst
Bilder von Karl Schmidt-Rottluff für Helmuth James
von Moltke
Eigentlich hätte es die vier großformatigen Landschafts­
aquarelle und zwei kleinen Pastelle nie geben dürfen. Der
Maler Karl Schmidt-Rottluff (1884 - 1976), von dem die
Nationalsozialisten im Zuge der „Ausmerzung von Werken
entarteter Kunst“ aus den Museen im Deutschen Reich
606 Bilder entfernt hatten, hatte seit April 1941 auf Geheiß
der „Reichskammer der bildenden Künste“ Malverbot.
Jede berufliche Betätigung war ihm untersagt, da er „dem
kulturellen Gedanken des nationalsozialistischen Staates“
fernstehe.
Helmuth James von Moltke (1907 - 1945) schätzte die
Kriegsentwicklung für Deutschland pessimistisch ein. Freya
von Moltke (1911 - 2010) erinnerte sich: „mein Mann sah
1941 als wahrscheinlich voraus, dass Deutschland den Krieg
verlieren werde und dass es dann dazu kommen könnte,
dass für Deutschland Schlesien entweder an Polen oder
an die Tschechei verloren gehen werde und wir Kreisau
verlassen müssen.“ Für diesen Fall wollte Moltke Erinne­
rungsbilder von künstlerisch hoher Qualität malen lassen
und lud 1942 den befreundeten Schmidt-Rottluff nach
Kreisau ein.
Fünf der Bilder verließen Kreisau im Oktober 1945 in einem
kleinen englischen Lieferwagen. Ein weiteres wurde 1943
zu den Verwandten nach Südafrika geschickt und begleitet
seit 1947 mit den anderen zusammen die Familie Moltke
durch die Welt und ließ sie immer teilhaben an der schönen
schlesischen Landschaft. Die Wanderausstellung des
Schlesischen Museums zu Görlitz ist vom 31. August 2014
bis 8. März 2015 im Eichendorffsaal von Haus Schlesien
zu sehen.
Begleitprogramm
Kinderprogramm Erinnerung im Bild
Menschenleere Landschaften, die durch ihre flächenhafte
Darstellung und Klarheit bestechen. Bei der gemeinsamen
Betrachtung der Bilder werden Technik und Motivwahl be­
sprochen. Im Anschluss malen die Kinder selbst ein Erin­
nerungsbild.
Geeignet für 1. bis 6. Klasse
Entgelt: 25,- € pro Gruppe
Öffentliches Programm in den Herbstferien
Erinnerung im Bild
7. Oktober um 15 Uhr
Entgelt: 4,- € pro Kind
Kontakt und Information
Haus Schlesien
Dokumentations- und Informationszentrum
für schlesische Landeskunde
Dollendorfer Straße 412
53639 Königswinter-Heisterbacherrott
Telefon 0 22 44 / 88 62 31
Telefax 0 22 44 / 88 62 30
[email protected]
www.hausschlesien.de
Öffnungszeiten: Di - Fr: 10 - 12, 13 - 17 Uhr,
Sa, So und Feiertag: 11 - 18 Uhr
Eintritt:3,- ¤, Schüler und Studenten 1,50 ¤
Schlesische Landschaft
von Schmidt-Rottluff.
32
Rundschreiben Nr. 3
Martin-Opitz-Bibliothek
Ulla Lachauer: „Paradiesstrasse. Die Geschichte
eines Bauernhofs im 20. Jahrhundert“
September 2014
Rainer Brunath: Der Geburtshelfer von Danzig
11.12.14, 19 Uhr Buchvorstellung
Weitere Informationen in Kürze.
27.11.14, 19 Uhr
Vielen wird der Bestseller von Ulla Lachauer „Paradies­
straße. Lebenserinnerungen der ostpreußischen Bäuerin
Lena Grigoleit“ noch in Erinnerung sein. In ihrem Vortrag
(mit Fotos) erzählt die Autorin von der Entwicklung des
Grigoleitschen Hofes, der bäuerlichen Welt an der Memel
und ihrem Wandel: von Kaisers Zeiten, als Lena Grigoleit
ein Kind war, durch zwei Kriege hindurch, die sowjetischen
Jahrzehnte, bis ins Jahr 1989 und in die Gegenwart, von
Lenas Enkel, der heute den Hof seiner Vorfahren führt. Was
hat das neue Europa den Grigoleits und anderen Dorfbe­
wohnern gebracht? Was blieb von der Geschichte?
Kontakt und Information
Martin-Opitz-Bibliothek
Berliner Platz 5
44623 Herne
Telefon 0 23 23 / 16 28 05
Telefax 0 23 23 / 16 26 09
www.martin-opitz-bibliothek.de
Ulla Lachauer, geboren 1951 in
Ahlen / Westfalen, heute in Stuttgart
lebend. Historikerin, Buchautorin
und Dokumentarfilmerin. Bekannt
geworden mit ihren Büchern über
Ostpreußen.
eiteres unter:
W
www.ulla-lachauer.de
Prof. Dr. Arno Herzig: Das alte Schlesien
4.12.14, 19 Uhr
Die Buchvorstellung des Werkes „Das alte Schlesien“ um­
fasst die Entstehungsgeschichte des Buches, in dem die
Regierungsbezirke Liegnitz, Breslau und Oppeln behandelt
werden; Prof. Arno Herzig wird einige Ausschnitte aus dem
Buch lesen und auf die Quellen und zahlreichen Abbildun­
gen eingehen.
Der Referent wurde in Albendorf, Schlesien, geboren und
lehrte Geschichte der Frühen Neuzeit an der Universität
Hamburg. Ein wesentlicher Arbeitsschwerpunkt von Prof.
Herzig ist die Schlesienforschung.
Sein Buch finden Sie auch im
Bestand der MOB:
Einen Überblick über weitere
Bücher von Arno Herzig können
Sie über den Katalog gewinnen.
33
4
Mitteilungen von Verbänden und Vereinen
4
Mitteilungen von Verbänden und Vereinen
Landsmannschaft der Deutschen aus Russland e.V.
Selbstbild der Deutschen in Russland –
Was die Russlanddeutschen über sich denken
Wie sind die Russlanddeutschen in Russland? Was vereint
und was trennt sie? Welche Probleme und Belange beschäf­
tigen sie? Diese und viele andere Fragen hat man versucht,
im Rahmen einer großflächigen ethno-soziologische Um­
frage unter den Russlanddeutschen im gesamten Raum
der Russischen Föderation zu ermitteln – mit dem Ziel, den
Stand und die Tendenzen der ethnokulturellen Entwick­
lung der Russlanddeutschen zu untersuchen. Die Umfrage
(Sommer und Herbst 2009) im Auftrag des Ministeriums
des Innern der Bundesrepublik und des Ministeriums der
regionalen Entwicklung der RF wurde vom Internationalen
Verband der Deutschen Kultur in Zusammenarbeit mit der
Internationalen Assoziation der Forscher für Geschichte
und Kultur der Russlanddeutschen durchgeführt. Die Be­
kanntgabe und Diskussion der Ergebnisse der Umfrage
fand während der 2. wissenschaftlich-praktischen Konfe­
renz „Deutsche des neuen Russlands: Probleme und Ent­
wicklungsperspektiven“ (Dezember 2009) sowie auf dem
8. Forum der Begegnungszentren statt. VadW fasst einige
Ergebnisse und Analysen zusammen.
Deutsche in Orsk.
34
Rundschreiben Nr. 3
Die Ergebnisse der Umfrage, einzigartig in ihrer Erkenntnis­
vielfalt, sind nach wie vor aktuell. Weil sie zahlreiche Paralle­
len zu den Studien über Russlanddeutsche in Deutschland
aufweisen, liefern sie nicht nur aufschlussreiche Anhalts­
punkte zum Verständnis der Deutschen in Russland und
anderen Nachfolgestaaten der Sowjetunion, sondern
auch der Russlanddeutschen in Deutschland. Der Umfra­
gebogen beinhaltete insgesamt 76 Fragen. Rund 1.500
Russlanddeutsche in allen Regionen Russlands, aus ver­
schiedenen Herkunfts- und Altersgruppen, Berufen und
sozialen Schichten wurden nach Themen wie ethnische
Identität, Sprache, Geschichte und Kultur, Migrations­
situation, deutsche Hilfenpolitik oder Arbeit der deutschen
Begegnungszentren befragt.
Deutsche in Russland ein eigenständiges Volk?
Sowohl in Russland als auch in Deutschland werden in den
letzten Jahrzehnten vielfältige Bemühungen unternommen,
die den Russlanddeutschen zu helfen, ihre nationale Iden­
tität zu erhalten oder wieder zu finden. So haben 38,3 Pro­
zent der Befragten erklärt, dass die Russlanddeutschen
ein eigenständiges Volk sind. 41,2 Prozent der befragten
Personen teilten diese Meinung nicht. Der Rest hatte
Schwierigkeiten, sich eindeutig zu positionieren und die
eigene ethnische Gruppe zu bezeichnen.
„Russlanddeutsche“ oder „russische Deutsche“?
Wie sollte man denn die Deutschen, die in der Russischen
Föderation leben, bezeichnen? Die Antworten haben
sich wie folgt verteilt: „Russlanddeutsche“ – 50,1 Prozent,
„russische Deutsche“ – 18,2 Prozent, „Deutsche Russ­
lands“ – 16,2 Prozent, „Wolgadeutsche“ – 11,5 Prozent,
„Sowjetdeutsche“ – 1,6 Prozent, andere Bezeichnungen –
2,1 Prozent, keine klare Positionierung – 0,3 Prozent.
Das Ergebnis zeigt eindeutig, dass die Mehrheit der Befrag­
ten für die Selbstbezeichnung „Russlanddeutsche“ steht.
Dieser Begriff vereint die bürgerliche und die ethnische
Identität. Auf die Frage „Was steht für Sie an erster Stelle?“
verteilten sich die Antworten folgendermaßen: 49 Prozent
der Befragten meinten, dass Russlanddeutsche zuerst
Bürger der Russischen Föderation wären und dann Deut­
sche; 39 Prozent stellten die Volkszugehörigkeit als Deut­
sche vor die russische Staatszugehörigkeit; 12 Prozent
konnten sich nicht eindeutig entscheiden.
Was hält die Russlanddeutschen zusammen?
Zur Frage, was die Russlanddeutschen in einer einheitlichen
ethnischen Volksgruppe zusammenhält, durften die Moni­
toring-Teilnehmer aus mehreren Varianten drei Möglichkei­
ten wählen. Das „historische Schicksal“ (Schicksalsgemein­
schaft) gelangte dabei mit 70 Prozent an die erste Stelle;
die „gemeinsame Kultur“ wählten 55 Prozent; die „deut­
sche Sprache“ kam bei 46 Prozent der Befragten vor. Auch
aus den Gesprächen mit den Befragten ging hervor, dass
die deutsche Kultur und die deutsche Muttersprache eher
eine symbolhafte Bedeutung haben. Im Einzelnen stellte
es sich heraus, dass sich hinter den trockenen Prozentzah­
September 2014
len ganz unterschiedliche Realitäten und Lebenswelten
verbergen. So waren die Forscher manchmal gezwungen,
das Gespräch auf Deutsch zu führen, weil die Befragten
schlecht Russisch beherrschten. In anderen Situationen
bezeichneten die Menschen Deutsch als ihre Mutterspra­
che, obwohl sie nicht mal ein ganz einfaches Gespräch
führen konnten. Die Umfrage ergab, dass es keine einheit­
liche Meinung gibt, was die Russlanddeutschen als „Mutter­
sprache“ bezeichnen sollten – die jeweilige Mundart oder
das Hochdeutsch. Die Bedeutung der Glaubenskonfession,
der Psychologie oder des Wohnortes spielen für die Be­
fragten eher eine untergeordnete Rolle (17 Prozent). 15 Pro­
zent meinten, die entsprechenden gesellschaftlichen Orga­
nisationen / Einrichtungen würden den Russlanddeutschen
das Gefühl der Zusammengehörigkeit vermitteln.
Weniger Gemeinsamkeiten?
Im Großen und Ganzen scheint es, dass es den Befragten
leichter gefallen ist, die trennenden Positionen innerhalb
der Volksgruppe zu benennen als die Gemeinsamkeiten.
Die Erklärung könnte in der historischen Tradition und der
Ansiedlungsgeschichte der Russlanddeutschen liegen. Das
ermittelte Ergebnis ist allerdings, dass gerade die Aktuali­
sierung des historischen Bewusstseins eine der Vorausset­
zungen für die Erhaltung und Entwicklung der ethnischen
Identität der Russlanddeutschen sein kann.
(VdaW 8-9 August/September von Nina Paulsen
[nach „Moskauer Deutsche Zeitung“, rusdeutsch])
Unvergessene Heimat
Spenden für ein Kreuzdenkmal für die Gründer des
Dorfes Blumenfeld / Krasnopolje
Nachdem Georg Zerr aus Burgau den Spendenaufruf in
VadW im Januar 2013 veröffentlichte, kamen von ehemali­
gen Blumenfeldern und ihren Nachkommen in kurzer Zeit
so viel Spenden zusammen, dass ein Denkmal für die Grün­
der von Blumenfeld / Krasnopolje (Ukraine) aufgestellt
werden konnte. Am 8. Juni 2013 versammelten sich zahl­
reiche Bewohner des Dorfes Krasnopolje, dem früheren
Blumenfeld (Rayon Beresan), und Gäste aus Deutschland
zur feierlichen Einweihungszeremonie unter der Leitung
des Bürgermeisters. Aus Deutschland reisten zum denk­
würdigen Fest Georg Zerr, Martin Nold, Leo Nold, Rosa
Riesling, Matilda Wilhelm, Maria Heer, Maria Kaiser, Valen­
tina Bollender, Franziska Nagel und Larisa Kamentinowa
ein – alles Kinder, Enkel und Urenkel der Vorfahren aus
Blumenfeld. Diesen Namen gaben dem Dorf im fernen Jahr
1862 die Umsiedler aus den Kolonien um Kutschurgan und
Liebental bei Osessa. In den Jahren 1900 - 1902 wurde hier
die katholische St. Georg Kirche errichtet, der Bau kostete
30.000 Rubel. Die Kirche wurde vom Bischof Anton Johan­
nes Zerr (1849 - 1932), Bischof von Tiraspol (1890 - 1902)
eingeweiht.
35
4
Mitteilungen von Verbänden und Vereinen
Landsmannschaft der Deutschen aus Russland e.V.
Nordrhein-Westfalen
Zentrale Gedenkfeier der Landsmannschaft der
Deutschen aus Russland „250 Jahre deutscher
Ansiedlung an der Wolga – ein langer Weg zurück“
Denkmal in Blumenfeld.
Gerade vor dieser Kirche, die als Ruine an die Vergangen­
heit erinnert, wurde ein Kreuz mit der Aufschrift „Zum
Gedenken an die Gründer des Ortes und die Opfer des
Regimes“ aufgestellt. Anwesend waren auch viele Vertreter
aus den benachbarten Dörfern, manche von ihnen halten
die Erinnerung an die Deutschen und ihre Kultur aufrecht.
Die Vertreter des Heimatkundemuseums überreichten
aktiven Helfern und Heimatforschern Ehrenurkunden für
ihr mutiges Engagement. Von deutscher Seite trat Georg
Zerr mit einem Grußwort auf.
Grußworte sprachen auch Luisa Riesling aus Limanskoje /
Odessa und Nina Denisjuk aus Jekaterinowka, der ehema­
ligen Kolonie Katharinental (gegr. 1817). Viel Lob verdiente
Juri Schwed, ein einheimischer Heimatforscher, Initiator
und Organisator der Veranstaltung. Anschließend weihten
die Geistlichen der Kirchen aus Nikolajew und Umgebung
mit einem ökumenischen Gottesdienst mit Gebeten und
Chorgesängen das Gedenkkreuz ein.
Die Gäste aus Deutschland besuchten nachher das Ge­
bietsheimatkundemuseum, das Dorf Limanskoje und das
Grab des Bischofs Anton Zerr. Sie besichtigten das Museum
von Luisa Riesling und das Geschichtsmuseum in Jekate­
rinowka, initiiert und eingerichtet bei Nina Denisjuk, die
außerdem ein Denkmal für die deutschen Kolonisten und
Dorfbegründer stiftete und eine Haus-Museum für deut­
sches Brauchtum und Kultur gründete.
Das übrig gebliebene Geld soll in die Renovierung der alten
Kirche in Blumenfeld / Krasnopolje fließen. Allen Spendern
sein an dieser Stelle herzlich gedankt.
(Elvira Schiro)
(Zitiert aus VadW vom Juni 2014)
2014 jährt sich zum 250. Mal die Gründung der ersten
deutschen Kolonien an der Wolga. Dorthin folgten deutsche
Auswanderer dem Ruf der Zarin Katharina der Großen. Mit
der zentralen Gedenkfeier am 6. September 2014 mit dem
Schwerpunkt „250 Jahre deutscher Ansiedlung an der
Wolga – ein langer Weg zurück“ will die Landsmannschaft
der Deutschen aus Russland einen Einblick in die wechsel­
volle 250-jährige Geschichte der Russlanddeutschen ver­
mitteln – von der Auswanderung über zahlreiche Höhen
und Tiefen bis zur Rückkehr in das Land der Vorväter. Die
Geschichte der Deutschen im Russischen Reich und der
späteren Sowjetunion ist Teil der gesamtdeutschen Ge­
schichte und wert, in die breite Öffentlichkeit der deut­
schen Gesellschaft transportiert zu werden.
Der Ansiedlung von Deutschen in den südlichen Gebieten
des Russischen Reiches ging das Manifest der Zarin Katha­
rina II. vom 22. Juli 1763 voraus. Den Kolonisten wurden
darin weitreichende Privilegien zugesichert. Der Zug an die
Wolga ab 1764 erfolgte überwiegend aus Rheinhessen und
der Pfalz: Mehr als 30.000 Auswanderer folgten den groß­
zügigen Angeboten. An die mittlere Wolga wurden etwa
27.000 Kolonisten geleitet, von denen jeder Achte unter­
wegs starb. Auf beiden Seiten der unteren Wolga (Berg­
seite / Westufer und Wiesenseite / Ostufer) gründeten die
Ansiedler insgesamt 104 Kolonien, von denen zwei Drittel
evangelisch waren.
Die erste deutsche Kolonie, Moninger (nach dem ersten
Vorsteher), wurde am 29. Juni 1764 am rechten Ufer (Berg­
seite) der Wolga gegründet. Die 353 Siedler (Lutheraner)
kamen aus Württemberg, Darmstadt, Heidelberg und
Zweibrücken. Aus Dankbarkeit für Katharina die Große
bekam die Siedlung später den Namen Dobrinka (nach
dem russischen „dobraja“ – „gut“). Seit 1915 heißt sie
Nischnjaja Dobrinka. Die Ansiedlung ging mit erheblichen
Schwierigkeiten und Abweichungen von den Versprechun­
gen voran. Die ersten Jahre mit Missernten und Nomaden­
überfällen forderten den deutschen Siedlern zahlreiche
Opfer ab. Mit viel Gottvertrauen, Fleiß, Sparsamkeit und
Opferbereitschaft konnten die Kolonisten diese harte
Anfangszeit überwinden und ihre Siedlungen zur Blütezeit
führten. „Den Ersten den Tod, den Zweiten die Not, den
Dritten das Brot“, lautete ein Sprichwort.
Im Laufe der folgenden Jahrzehnte bewerkstelligten die
deutschen Siedler an der Wolga, im Schwarzmeergebiet
und im Kaukasus sowie in zahlreichen Tochterkolonien (im
Ural, in Sibirien, Kasachstan und Zentralasien) einen be­
achtlichen wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung.
36
Rundschreiben Nr. 3
September 2014
Zentrale Gedenkfeier in Friedland. Foto: A. Kühl
Sie hatten einen erheblichen Anteil an der rasanten wirt­
schaftlichen Entwicklung des Russischen Reiches. Land­
wirtschaft und Viehzucht sowie im Süden des Landes Wein­
bau waren die Haupterwerbszweige. Aufgrund der hervor­
ragenden Qualität eroberten die Erzeugnisse bald den
gesamten russischen Markt. Auch trieben die Kolonisten
mit Europa, vor allem mit Deutschland einen regen Handel.
Sie exportierten Agrarprodukte, größtenteils Getreide. Aus
Deutschland bezogen sie die neueste Landwirtschaftstech­
nik, neue Zuchtrassen von Rindern, Pferden und Schafen,
ebenso die besten Obst- und Weinsorten.
Das 20. Jahrhundert, geprägt von zwei Weltkriegen gegen
Deutschland, war für die deutsche Minderheit in Russland
und der Sowjetunion über Generationen hinweg eine be­
sonders schwere Zeit mit Verfolgungen, Vertreibungen und
Diskriminierungen, die die Volksgruppe an den Rand ihrer
Existenz brachte. Bis in die 1930er Jahre wurden in der
Sowjetunion fast sämtliche katholischen und evangelischen
Priester umgebracht bzw. verbannt, die Kirchen umfunk­
tioniert oder zerstört. Aufgrund ihrer nationalen Zugehörig­
keit gerieten die Deutschen verstärkt unter die Räder des
„Roten Terrors“ der 1930er Jahre. 1938 wurden die deut­
schen Bezirke aufgelöst, die deutsche Sprache in den Schu­
len außerhalb der ASSRdWD verboten. Gemeinsam mit
Polen, Letten, Finnen und Persern gehörten die Deutschen
zu den am heftigsten verfolgten nationalen Minderheiten.
Der deutsch-sowjetische Krieg 1941 - 1945 und der Ver­
treibungserlass vom 28. August 1941 hatten für die Deut­
schen in der Sowjetunion verheerende Folgen. Nach der
beinahe vollständigen Zwangsumsiedlung der deutschen
Bevölkerung aus dem europäischen Teil der UdSSR hinter
den Ural erfolgte ab Ende 1941 die Mobilisierung für die
NKWD-Arbeitskolonnen (NKWD = Volkskommissariat für
innere Angelegenheiten). Keine andere Ethnie in der Sowjet­
union musste eine derart tiefgreifende physische Ausbeu­
tung erdulden: Von den 1,1 Mio. Russlanddeutschen, die
sich während des Krieges im sowjetischen Machtbereich
befanden, mussten etwa 350.000 Jugendliche, Männer
und Frauen Zwangsarbeit mit Zehntausenden von Todes­
opfern leisten. Bis 1946 lebten ca. 970.000 Deutsche, da­
runter 280.000 „Repatrianten“, in den Sondersiedlungen
in Sibirien, Kasachstan, Mittelasien und im hohen Norden.
Durch die Auflösung aller kulturellen Institutionen in den
Herkunftsgebieten, den Sondersiedlungen mit Verstreuung
über das ganze Land, Studiums- und Berufsverbot wurde
die Grundlage für eine eigenständige Entwicklung der Deut­
schen unwiederbringlich zerstört. Ein Regierungserlass
von 1948 legte ihre Verbannung auf „ewige Zeiten” fest.
Weitere Erlasse von 1955, 1964 und 1972 brachten den
Deutschen zwar gewisse Erleichterungen, aber nicht die
faktische Gleichberechtigung. In der Öffentlichkeit wurde
die Volksgruppe nach wie vor totgeschwiegen. 1959 leb­
ten 1,6 Mio. bekennende Deutsche in der Sowjetunion –
die meisten immer noch in ihren Verbannungsorten. Drei
deutschsprachigen Zeitungen, deutsche Rundfunksendun­
gen in kompakten Ansiedlungsorten, ein deutsches Schau­
spieltheater oder ein deutschsprachiger Literaturalmanach
waren angesichts der erdrückenden Parteizensur und poli­
tisch gesteuerten Russifizierung lediglich halbherzige Zuge­
ständnisse.
Die Liberalisierung in der Gorbatschow-Zeit nach 1985
schuf zwar Voraussetzungen für die Aufarbeitung der Ge­
schichte der Russlanddeutschen und deren weitere Reha­
bilitierung, aber der Prozess wurde nie abgeschlossen. Die
Russlanddeutschen sind nach wie vor die einzige ehemals
repressierte Volksgruppe der Sowjetunion, die politisch
nicht endgültig rehabilitiert wurde. Die kulturelle Wieder­
belebung in Form von Volkskunst prägte das nationale
Selbstbewusstsein der Deutschen und bestärkte die Forde­
rungen nach Wiederherstellung der deutschen Autonomie
an der Wolga. 1989 lebten in der UdSSR 2.040.000 Deut­
sche: 960.000 in Kasachstan, 840.000 in Russland (davon
nur 35.000 an der Wolga), der Rest vor allem in Kirgisien,
Usbekistan und der Ukraine.
37
4
Mitteilungen von Verbänden und Vereinen
Seit über sechs Jahrzehnten kehren die Nachkommen der
ersten deutschen Auswanderer in die frühere Heimat ihrer
Vorfahren zurück. Etwa 2,8 russlanddeutsche Heimkehrer,
Aussiedler und Spätaussiedler aus der ehemaligen Sowjet­
union leben gegenwärtig in Deutschland. Heute ist das
Grenzdurchgangslager (GDL) Friedland die einzige Erstauf­
nahmeeinrichtung Deutschlands für Spätaussiedler. Seit
Ende 2006 trägt das GDL Friedland den Namenszusatz
„Niedersächsisches Zentrum für Integration“. Es nimmt
auch Asylbewerber und Flüchtlinge aus Syrien und anderen
Ländern auf. Für eine Vielzahl von Menschen wurde es zum
Symbol der Heimkehr, der Freiheit und des Neubeginns.
Unter dem Dreiklang „Abschied, Ankunft, Neubeginn“ er­
richtet das Land Niedersachsen unter Federführung des
Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport im
GDL Friedland das Museum Friedland, das 2015 eröffnet
wird. Darin werden Fragen wie Flucht, Vertreibung, Heimat,
Eingliederung von Spätaussiedlern, Migration und Integ­
ration in den Fokus gerückt und die Geschichte des GDLs
Friedland thematisiert.
Durch die Aufzeichnung der historischen Entwicklungen
sowie der Geschichte und Gegenwart der Russlanddeut­
schen im Rahmen der Gedenkveranstaltung am 6. Septem­
ber 2014, 14 Uhr soll auch für ein besseres Verständnis
für die Deutschen aus der ehemaligen Sowjetunion gewor­
ben werden. Die Ansprachen und kulturellen Darbietungen
senden positive Botschaften und Signale an die breite
Öffentlichkeit. Unter anderen wird der Ministerpräsident
von Niedersachsen kommen.
Traditionell besteht die Gedenk- und Kulturveranstaltung
aus einer Feierstunde, der anschließenden Kranznieder­
legung an den Gedenkorten in Friedland sowie einem Kul­
turprogramm, das von russlanddeutschen Kulturgruppen
gestaltet wird.
(VIRA e.V.)
Vereinigung zur Integration der
russlanddeutschen Aussiedler e.V. (VIRA e.V.)
Landeskulturfest der Deutschen aus Russland
in Neuss
In einer stimmungsvollen Atmosphäre und zahlreich er­
schienenen Gästen boten Chöre, Solisten und Tänzer aus
verschiedenen Orten Nordrhein-Westfalens eine niveau­
volle Unterhaltung beim landesweiten Kulturfest am 7. Juni
2014 im Rheinischen Landestheater Neuss. Zum reichhal­
tigen Programm gehörten außerdem Ausstellungen, ein
Aktionsprogramm für die jungen Besucher und kulinarische
Erlebnisse. Die Organisatoren und Gastgeber feierten in
diesem Rahmen ihre Jubiläen: Die Kreisgruppe Neuss der
Landsmannschaft der Deutschen aus Russland e.V. ihr
20-jähriges Bestehen und der Verein „Freundeskreis e.V.“
seinen 15. Gründungstag. Gefördert wurde das Projekt
durch das Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur
und Sport NRW.
Die Gäste wurden von Paul Listau, Vorsitzender der Kreis­
gruppe Neuss, und Ella Kühl vom „Freundeskreis e.V.“ be­
grüßt. Seit Jahren ziehen beide Vereine vor Ort an einem
Strang, fast alle größeren Veranstaltungen der letzten Jahre
wurden gemeinsam durchgeführt – auch bei Stadtfesten
sind sie nicht mehr wegzudenken. Zahlreiche Enthusiasten
sind bei der Landsmannschaft und beim „Freundeskreis“
mit viel Herz dabei. Diese Zusammenarbeit hat den Deut­
schen aus Russland in Neuss und Umgebung in den ver­
gangenen Jahren einen guten Ruf eingebracht. Auch in
den Grußworten, gesprochen von Heinrich Zertik, MdB,
Dr. Jörg Geerlings, Stadtverordneter und Vorsitzender der
CDU-Neuss, und dem Bundesvorsitzenden Waldemar
Eisenbraun wurde das „große ehrenamtliche Engagement
und der unermüdliche Einsatz“ der Deutschen aus Russ­
land in Neuss „zugunsten des Gemeinwohls vor Ort“ ge­
würdigt. Angesichts des Jubiläums überreichte Waldemar
Eisenbraun eine Ehrenurkunde an den Vorsitzenden Paul
Listau – für beide Gastgeber ein Zeichen der Anerkennung
ihrer langjährigen ehrenamtlichen Tätigkeit.
Die Aktivitäten der Russlanddeutschen in Neuss wurden
dem Publikum als Film – zusammengeschnitten aus Video­
aufnahmen und Fotos aus verschiedenen Jahren und Kul­
turveranstaltungen – präsentiert. Zeitzeugen konnten das
Geschehen auf der Leinwand mit ihren Erinnerungen er­
gänzen. Alexander Kühl, Landesvorsitzender der Lands­
mannschaft in Nordrhein-Westfalen und Vorsitzender des
„Freundeskreises“, hatte den Film vorbereitet und stellte
ihn vor. Das anschließende bunte Kulturprogramm wurde
38
Rundschreiben Nr. 3
September 2014
von Viktor Scherf, Leiter der Tanzschule „Let’s dance“ aus
Altenkirchen/Rheinland-Pfalz, moderiert. Wiederholt zeigte
seine Schule mit fünf ausgefallenen Tanzkreationen, die
durch alle Stilrichtungen (von klassisch über modern bis
folkloristisch) gingen, eine hohe tänzerische Klasse. Nicht
von ungefähr waren die Schüler von Viktor Scherz bereits
mehrfach Weltmeister bei zahlreichen internationalen Tanz­
turnieren.
Mit deutschen und russischen Volksweisen und zeitgenös­
sischen Liedern präsentierten sich die Chöre „Russische
Seele“ aus Bonn (Leitung: Irina und Alexander Müller),
„Heimatklänge“ aus Köln (Leitung: Margarita Prinz und
David Eurich), „Souvenir“ aus Bonn-Meckenheim (Leitung:
Lilli Holzer und Wladimir Freer) sowie die „Neusser Stim­
men“ (Leitung: Elsa Michel und Tatjana Lasarev). Anton
Becker (Akkordeon) und Jurij Haffner (Harmonika/Gesang),
beide aus Moers, heizten mit ihren Solo-Auftritten die
Stimmung noch mehr an. Die junge Sängerin Nina Geiger
aus Neuss unterhielt das Publikum mit Gesang und inter­
nationalen Titeln. Ebenso viel Beifall erntete das Duo Ella
Deppe und Tina Wedel, die einen Liederstrauß in mehre­
ren Sprachen präsentierten – auf Deutsch, Plattdeutsch,
Russisch, Hebräisch und Englisch-Jiddisch. Auch das Duo
„VIVA Duo“ mit Viktoria König und Valerij Georg wurden
von den Zuschauern begeistert aufgenommen.
Zum Programm des Tages gehörte die landsmannschaft­
liche Ausstellung „Deutsche aus Russland. Geschichte und
Gegenwart“ mit dem Projektleiter Josef Schleicher, die
Ausstellung zur Geschichte und Integration der Russland­
deutschen in NRW, die Ausstellung der Malschule „Palette“
und eine Foto-Ausstellung. Auch das landesweite Projekt
„Wir in NRW“, gefördert aus Mitteln des Bundesministeri­
ums des Innern (läuft seit 2012 bis 2015), mit dem Projekt­
leiter Alexander Böttcher stellte sich vor. Das Projektvor­
haben zur Stärkung des ehrenamtlichen Engagements der
Zuwanderer aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion
fördert unter anderem ihre Partizipation an der lokalen
Integrationsarbeit in Nordrhein-Westfalen. Im Rahmen des
Tagesprogramms wurde durch das Projekt „Wir in NRW“
ein Netzwerktreffen für Vertreter der Ortsgruppen und
des Landesvorstandes der Landsmannschaft NRW sowie
anderer Vereine organisiert, an dem sich auch der Bundes­
vorsitzende Waldemar Eisenbraun beteiligte. Bei dem Tref­
fen ging es um wichtige Themen der Arbeit in der Landes­
gruppe und vor Ort wie Verbesserung der Netzwerk- und
Öffentlichkeitsarbeit, Projektarbeit und Kontakte mit ande­
ren Integrationsakteuren in NRW.
Für die kleinen Gäste des Kulturfestes gab es ein Aktions­
programm mit Schmink- und Malecke, Kreidemalerei und
allerhand Spielen und Mit-Mach-Aktionen. Auch für das leib­
liche Wohl wurde mit herkömmlichen Spezialitäten gesorgt.
Ein fröhlicher Tanzabend rundete das Kulturfest ab.
(v.l.) Der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft, Waldemar
Eisenbraun, ehrt die Ortsgruppe Neuss mit ihrem Vorsitzenden Paul Listau mit einer Ehrenurkunde. Rechts der russland­
deutsche Bundestagsabgeordnete Heinrich Zertik.
(v.l.) Bundesvorsitzender Waldemar Eisenbraun mit Alexander
Böttcher, Dietmar Schulmeister und Heinrich Zertik MdB.
Tanzschule vom Viktor Schärf aus Altenkirchen mit einem
Folkloretanz.
Josef Schleicher präsentiert die landsmannschaftliche
Ausstellung „Deutsche aus Russland.“
(VadW vom Juni 2014 von Nina Paulsen)
39
4
Mitteilungen von Verbänden und Vereinen
Dankris Franchise GmbH
Mit Ideen und Tatkraft Richtung Zukunft
Direkt gegenüber vom imposanten Gebäude der Staats­
kanzlei in Düsseldorf befindet sich die Hauptgeschäfts­
stelle der CareConsulting GmbH & Co.KG. Eine Lage, die
durchaus zu dem ambitionierten Unternehmen passt.
Denn die beiden Gesellschafterinnen, Frau Detje und Frau
Mokstadt, haben seit der Gründung des Unternehmens
im Jahre 2008 viel erreicht und planen für die Zukunft noch
viel mehr.
Die CareConsulting GmbH & Co.KG. hat ihren Firmensitz
im Porto-Bello-Haus in Düsseldorf, hat aber in ganz NRW
insgesamt 9 Pflegeunternehmen unter sich vereint. Das
Führungsteam sowie den Geschäftspartnerinnen in den
einzelnen Filialen bieten derzeit über 70 Mitarbeitenden
sichere Arbeitsplätze in einem weitgespannten Netzwerk.
Neben der Netzwerkstruktur sehen Frau Detje und Frau
Mokstadt in der interkulturellen Ausrichtung des Unter­
nehmens, die Besonderheit: „Für unsere Kunden ist es
wichtig in mehreren Sprachen betreut werden zu können.
Deshalb stellen wir gerne mehrsprachiges Personal ein.“
Doch bis zur Gründung des eigenen Unternehmens war es
für die beiden Geschäftspartnerinnen ein ehrgeiziger Weg.
Lilia Detje kam 1996 aus Kasachstan als Aussiedlerin mit
ihrer Familie nach Deutschland. Ihren ursprünglichen Beruf
als Lehrerin wollte sie hier nicht weiter ausüben und orien­
tierte sich um. So absolvierte sie nach der Aussiedlung nach
Deutschland zunächst eine Ausbildung zur Kauffrau in der
Wohnungswirtschaft und arbeitete die Pläne der Selbstän­
digkeit im Pflegebereich mit der künftigen Geschäftspart­
nerin Swetlana Mokstadt aus.
Swetlana Mokstadt kam 1999 aus Kasachstan als Aussied­
lerin mit ihrer Familie nach Deutschland. Die gelernte Kran­
kenschwester und Pflegefachkraft brachte die fachlichen
Pflegekenntnisse und Fähigkeiten mit, die das Unterneh­
men auszeichnen.
Seitdem ist das Unternehmen weiter gewachsen und die
Geschäftspartnerinnen setzen immer wieder neue Ziele
und Projekte um. So entsteht ein Objekt mit 8 individuellen
Wohneinheiten inkl. Gemeinschaftsraum mit der gemüt­
lichen Kaminecke für beatmungspflichtige Personen in
Wuppertal-Rohnsdorf. Der Neubau wird im Oktober 2014
schlüsselfertig übergeben.
Auch auf die Weiterbildung der eigenen Mitarbeiter wird
viel Wert gelegt. So absolvieren zurzeit 12 Mitarbeiterinnen
den Ausbildereignungskursus und acht weitere bilden sich
in Kürze zum Praxisanleiter für die Pflegeausbildung weiter.
Mit VIRAs Unterstützung ist für dieses Jahr auch noch eine
Weiterbildung zur „kultursensiblen Pflegeberatung“ ge­
plant. Zusätzlich zu den Weiterbildungen bietet die Care­
40
Consulting GmbH & Co.KG auch Ausbildungsplätze an.
Schon im letzten Monat wurden drei Auszubildende zur
Bürokauffrau eingestellt.
Für das Unternehmen ist die Investition in Weiterbildung
nur ein Gewinn: „Wir schaffen so unser eigenes gut ausge­
bildetes Personal. Das ist nicht nur gut für unser Unterneh­
men, sondern auch für unsere Mitarbeiter und Patienten /
Kunden – die Mitarbeiter sind zufriedener und bleiben uns
länger erhalten und die Patienten durch das gut geschul­
te Personal besser versorgt. Alle Seiten profitieren davon!“
Ca. 80 Prozent der Mitarbeiterinnen haben einen Migrati­
onshintergrund und sprechen verschiedene Sprachen –
deutsch, russisch, französisch und polnisch. Gerade für die
ambulante Versorgung der Kunden ist die Mehrsprachig­
keit ein immenser Vorteil – Menschen verschiedener Kul­
turen können so angesprochen werden und Vertrauen und
Wohlfühlen schneller gewonnen werden.
Den Schritt in die Selbstständigkeit bereut Lilja Detje in
keinen Fall: „Das selbstständige Planen und die sichtbaren
Erfolge sind die positivsten Seiten der Selbstständigkeit.
Man muss eben nicht nur träumen, sondern auch handeln“,
sagt Lilia Detje zum Geheimnis ihres unternehmerischen
Erfolges.
„Mein Beruf, meine Zukunft“
Bereits im Mai fand in Kooperation mit der Zentralstelle
für die Weiterbildung im Handwerk die Veranstaltung
„Mein Beruf, meine Zukunft. Mit Ausbildung zum Erfolg!“
im Bürgerhaus Erfttal statt.
Diese Informationskampagne ist ein gemeinsames Projekt
der Zentralstelle für die Weiterbildung im Handwerk e.V.
(ZWH), des Elternnetzwerks NRW, „Integration miteinan­
der e.V.“ und des Projekts „Lehrkräfte mit Zuwanderungs­
geschichte NRW“. Es wird gefördert durch das Ministerium
für Arbeit, Integration und Soziales des Landes NordrheinWestfalen und den Europäischen Sozialfonds.
Eingeladen waren interessierten Jugendlichen, Ausbil­
dungssuchende und deren Eltern, um sich über Möglich­
keiten der Berufsausbildung zu informieren. Nach einem
Grußwort und einer kurzen Selbstvorstellung der VIRA e.V.
durch den Vereinsvorsitzenden Alexander Kühl, berichtete
Herr Weissmann von der Handwerkskammer über die Mög­
lichkeiten, die aktuelle Lage und Chancen einer Berufsaus­
bildung im Handwerk. Dabei betonte er, dass die Aussich­
ten und Chancen einen guten Ausbildungsplatz zu erhalten
auf Grund des Fachkräftemangels sehr gut sind und im
Handwerk vielfältige Möglichkeiten bestehen sich fortzu­
bilden und einige Stufen höher auf der Karriereleiter zu
kommen. Auch ein Auslandsaustausch während der Aus­
bildungszeit ist möglich!
Rundschreiben Nr. 3
Die „lebendigen Beispiele“, die ihren persönlichen Lebens­
weg auf der Veranstaltung vorgestellt haben – Andrej Böhm
und Irina Pelz – pflichteten Herrn Weissmanns Ausführun­
gen auch in der Hinsicht bei, dass jedem einzelnen sein
eigener Beruf Spaß machen sollte und nicht jeder für alles
geeignet ist. Die Phase, in der man herausfinden sollte,
welcher Beruf zu einem passt und wo die eigenen Stärken
liegen, ist besonders wichtig. Sobald jeder künftige Aus­
zubildende dies für sich herausgefunden hat, wird er auch
in der Lage sein Betriebe von sich selbst zu überzeugen!
VIRA e.V. bedankt sich ganz herzlich bei allen Anwesenden,
allen Involvierten und den Kooperationspartnern für eine
rundum gelungene Veranstaltung!
NRW – Tag in Bielefeld
Im Juni fand erneut der NRW Tag statt. Auch VIRA e.V.
war mit einem eigenen Stand präsent und hat erneut viele
Menschen für das Thema „Russlanddeutsche“ und inter­
kulturelle Öffnung sensibilisieren können.
Den Standbesuchern wurden neben köstlichem schwar­
zem Tee russischer Art, der im Samovar zubereitet wurde,
auch Kekse und Knabbereien gereicht. Auch das eigene
Wissen über russlanddeutsche Geschichte konnte mit Hilfe
der Wanderausstellung erweitert und getestet werden. Die
eigens dafür vorbereiteten Quizzettel wurden rege ausge­
füllt und beim Team abgegeben. Die Preisgeschenke sind
bereits auf dem Weg zu den glücklichen Gewinnern!
Diejenigen, die beim Gewinnspiel leer ausgegangen sind,
hatten hoffentlich neben dem Tee und dem Gebäck eine
schöne Zeit an unserem Stand und konnten sich gut im
Gespräch mit dem VIRA – Team austauschen! Wir bedan­
ken uns herzlich bei allen Anwesenden!
Hätten Sie es gewusst? Testen Sie ihr Wissen!
1)Welche Zarin deutscher Herkunft lockte mit ihrem
Anwerbungsmanifest 1763 tausende Deutsche Siedler
nach Russland?
Elisabeth I.
Katharina die Große
Katharina I.
2)Welche bekannte deutsche Schlagersängerin ist auch
zugleich Deutschlands bekannteste Russlanddeutsche?
Andrea Berg
Helene Fischer
Marianne Rosenberg
mehr Infos finden Sie auf unserer Homepage:
www.vira-ev.com
September 2014
Ausstellung im Mix-Markt.
Ausstellung Mix-Markt
Am 28. Juni feierte das Geschäft „MIX-Markt“ (russische
Spezialitäten) sein einjähriges Bestehen. Dies nahmen der
Geschäftsführer des Ladens und VIRA e.V. zum Anlass,
einen Tag der offene Tür zu gestalten, der für Kunden,
Besucher und Passanten neue Perspektiven öffnet. Dazu
wurde die VIRA-Wanderausstellung „Doppelte Heimat“ vor
dem Geschäft aufgebaut. Parallel dazu organisierte der
Chor „Neusser Stimmen“ der Ortsgruppe Neuss der Lands­
mannschaft der Deutschen aus Russland ein zweistündi­
ges Bühnenprogramm, welches an diesem Tag für heitere
Stimmung und Unterhaltung sorgte. So wurden nicht nur
viele Passanten und die Kunden aufmerksam, sondern es
konnten auch zahlreiche Flyer an Interessierte verteilt
werden. Viele Kunden des Geschäftes, darunter nicht nur
russischsprachige, wurden an diesem Tag angesprochen
und für das Thema „Russlanddeutsche“ sensibilisiert.
Die VIRA e.V. dankt dem Leiter des Geschäfts für die gute
Zusammenarbeit.
Fachtagung „Perspektivwechsel“ am
28. Oktober in Dortmund
Das XENOS-Projekt „Perspektivwechsel“ hat sich zum
Ziel gesetzt, interkulturelle Potenziale für Wirtschaft und
Verwaltung sichtbar zu machen und zu fördern. Mit der
Abschlusstagung am Dienstag, 28. Oktober, in Dortmund
möchten wir die Früchte unserer Arbeit vorstellen und
einen Ausblick auf zukünftige Transfermöglichkeiten geben.
Die Fachtagung soll Unternehmen und Verwaltungen sowie
weiteren arbeitsmarktpolitischen Akteuren eine Plattform
für einen (Fach-) Austausch bieten. Im Fokus der Tagung
steht die Frage, wie die Potenziale junger Migrantinnen und
Migranten für die Arbeitswelt von morgen flächendeckend
erkannt, gefördert und genutzt werden können?
Bereichert wird die Veranstaltung durch Expertinnen und
Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Unter
anderem werden die Bundesbeauftragte für Migration,
Flüchtlinge und Integration, Aydan Özoğuz, sowie der Migra­
tionsforscher Professor Klaus J. Bade interessante Bei­
träge liefern.
41
4
Mitteilungen von Verbänden und Vereinen
Weitere Informationen zu dem Xenos-Programm:
Vereinigung zur Integration der russlanddeutschen
Aussiedler e.V. (VIRA)
Geschäftsführung:
Bismarckstraße 90, 40210 Düsseldorf
[email protected], www.vira-ev.de
Alexander Kühl, Diplom Pädagoge (ru)
Anna Dschaak, Sozialpädagogische Mitarbeiterin
Telefon 02 11 / 1 71 11 14
Ella Kühl, Diplom Pädagogin (ru)
Lortzingstraße 14, 41470 Neuss
Telefon 0 21 37 / 93 35 33
Museum für russlanddeutsche Kulturgeschichte
Am 30. Juli 2014 ist Jakob Wedel verstorben
In der Zeit, als die Eltern nicht da waren, lernte Jakob die
Barmherzigkeit des kirgisischen Volkes kennen. Wenn er
und seine Geschwister vom Hunger geplagt betteln gingen,
teilten die Kirgisen oft die letzte Zuckerrübe mit ihnen. In
dieser Zeit lernte er auch mit einer Ziehsäge und anderen
Instrumenten zu arbeiten. 1954, ein Jahr nach Stalins Tod,
ging er in die Hauptstadt Frunse (Kirgisische SSR) und
arbeitete 10 Jahre in einer Möbelfabrik. Anfangs als einfa­
cher Tischler arbeitete er sich später bis zum Kunsttischler
hoch. Schon 1963 konnte er das externe Studium in der
Kunstfachhochschule in Frunse Fachrichtung Bildhauerei
bei Prof.W. Pusyrewskij beginnen und 1966 erfolgreich ab­
solvieren. Weiteres Studium für Skulptur und angewandte
Kunst mit Praktika in Moskau und Leningrad folgten von
1965 bis 1970. Sein weiterer Werdegang ist nun nur mit
Kunst verbunden. Erst als Künstler in der Kunstabteilung
des Kultusministeriums der Kirgisischen SSR, dann Lehrer
an der Kunstschule und gleichzeitige Tätigkeit im Künstler­
verband mit Prof. G. Ajtijev (Kirgisien) und Prof. G. Arapow
(Moskau). Von 1973 bis 1988, bis zu seiner Ausreise nach
Deutschland, war Jakob Wedel als leitender Künstler des
Zentrallabors für Volkskunst Kirgisiens, angewandte
Kunst und Skulptur (старший художник Центрального
конструкторско-технологического бюро Министерства
местной промышленности КиргизскойССР) tätig. Sein
ganzes Kunsttalent konnte er hier nicht voll umsetzen.
Seine Freiheit war eingeschränkt, die Kunstrichtungen mit
Vorschriften begrenzt.
„Holz muss man fühlen, nicht nur sehen“.
Als er nach Deutschland kam, wurde er sofort als Stipendiat
im Künstlerhaus Schwalenberg für drei Jahre eingestellt.
Hier, in der Künstlerstadt des Kreises Lippe, erreichte er als
freischaffender Künstler den Höhepunkt seiner schöpfe­
rischen Kunstarbeit und schuf hunderte Werke aus Holz
und Gips. Große Anerkennung fand er in Schwalenberg und
Detmold durch seine Werke im Museum für russlanddeut­
sche Kulturgeschichte auch in ganz Deutschland und welt­
weit. 2006 würdigte Wedel das Land Baden-Württemberg
mit dem Kulturpreis „Deutscher Künstler aus Russland“.
Jakob Wedel
Jakob Wedel wurde am 24. Juli 1931 in Nikolajpol, Kirgisien
als drittes Kind von Jakob und Marta Wedel geboren. Er
hatte keine einfache Kindheit. Mit 11 Jahren verlor er seinen
Vater, der als Zwangsarbeiter mobilisiert wurde und nie zu­
rückkehrte. Auch seine Mutter musste in einem Steinbruch
Zwangsarbeit verrichten, so dass die fünf Geschwister auf
sich allein gestellt waren. Sie konnte aber nach fünf Jahren
zurückkehren zu Ihren Kindern. In der Großfamilie Wedel
waren viele begabte Musiker und Künstler. 1937 – 1942
wurden einige Familienmitglieder während der stalinisti­
schen Säuberungen und des Krieges ermordet. Aus Sehn­
sucht nach Musik, baute sich der 13jährige Jakob Wedel
eine Geige.
42
In der Kunstszene war Jakob Wedel seit seiner Ausstellung
1968 in Buchara, Usbekistan kein Unbekannter mehr, da­
nach folgten Ausstellungen in 19 Ländern, wie z.B. in Russ­
land, Kanada, Japan, Deutschland, Paraguay (mit der Wan­
derausstellung des Museums für russlanddeutsche Kultur­
geschichte 2009). Er bekam zahlreiche Auszeichnungen
und Stipendien.
Rund 400 seiner Werke sind in der alten Heimat Kirgisien
entstanden. Weitere 400 Kunststücke wurden in Deutsch­
land vom Künstler geschaffen. Mehr als 200 seiner Werke
brachte Jakob Wedel nach Deutschland mit. Viele seiner
Werke sind Inventar folgender Museen: Moskau, St. Peters­
burg, Frunse und Berlin, die größte Sammlung seiner Werke
ist im Museum für russlanddeutsche Kulturgeschichte in
Detmold untergebracht.
Rundschreiben Nr. 3
Gips, Knete und Holz gehörten zu den bevorzugten Materia­
lien. Einige Werke sind in Bronze abgegossen. Seine Haupt­
themen waren Geschichte der Russlanddeutschen, Volks­
kunde und Natur Kirgisiens, Menschen, Tiere, abstrakte
Themen. Die Intarsie „Manastschy Sajakbaj Karalajev (1894 –
1971)“ und die Kujrutschuk-Reihe von 21 kleinen aus Holz
geschnittenen Plastiken (hergestellt 1973 und 1983 – 1988),
sowie andere 18 aus Holz geschnittene Plastiken, hat Jakob
Wedel den Kirgisen gewidmet.
In Deutschland: „Beeindruckend sind seine Werke; genial
traumhaft in der handwerklichen Ausführung. Mit spar­
samen Mitteln und profanen Werkstoffen: Gips, Holz, aber
mit ungebrochener schöpferischer Kraft und unendlich
feinfühligen Künstlerhänden, schafft er Skulpturen, Reliefs
abstrakt oder realistisch; Werke die leicht in die Tradition
Dürers, Riemenschneiders oder Käthe Kollwitz’s eingereiht
werden könnten. Eine eigene Philosophie und Lebensan­
schauung, erlittenes Unrecht, Verachtung seines Könnens,
nur wegen seiner Herkunft, prägen diesen Bildhauer Jakob
Wedel… Ein hervorragender bildender Künstler, der es zwar
niemals selbst über sich sagen würde, aber jeder Betrach­
ter seiner Werke spürt es sofort: Seine Kunst kommt wahr­
haftig vom Können!“ – so das Zitat eines Kunstjournalisten
1994. Seine Werke schmücken nicht nur die Straßen und
Plätze der Hauptstadt Kirgisiens Bischkek, sondern auch
Horn-Bad-Meinberg, Schwalenberg, Berlin. Im Rathaus von
Schwalenberg stehen drei seiner Skulpturen. Das Denkmal
„Den Russlanddeutschen, die in der Sowjetunion unter
Stalins Regime gelitten haben“ im Parkfriedhof Marzahn,
Berlin ist mit Jakob Wedels Plastik „Die letzte Kraft“ ein
Ort des Gedenkens an die Leiden der Russlanddeutschen
geworden. „Der Barmherzige Samariter“ ist am Gemeinde­
haus Schwalenberg, 1996 angebracht. „Die Bademagd“
steht im Kurparkeingang Rose Klinik in Bad-Meinberg, 1998,
„Die Gänseliesel“ in Schwalenberg u.a. mehr. Einige seiner
Werke hat er der Bürgerstiftung Schwalenberg überlassen.
Den größten Schatz des Künstlers hat das Museum für
russlanddeutsche Kulturgeschichte als Schenkung von ihm
bekommen. Es sind über 100 Skulpturen, Büsten, Intarsien,
Bilder, Reliefs. So ausdrucksvoll die Geschichte der Russ­
landdeutschen darzustellen ist nur ihm gelungen. Es sind
seine Werke wie „Die Troika oder die Rote Bande“ (1996),
„Der Leidensweg, die Verbannung der deutschen Frauen
1942“ (1989 – 1991), „Die letzte Kraft“ (1990) „O, Gott, er­
barme dich“ (1998), Porträtbild „Fritz Müller. Der seelisch
und physisch gebrochene“ (1968). In diesen Werken ist
der ganze Schmerz der Geschichte der Russlanddeutschen
in der Sowjetzeit zum Ausdruck gekommen. Die Besucher
werden mit voller Wucht mit dem Schicksal der Deutschen
in der Zeit 1917 – 1956 konfrontiert, wenn sie vor diesen
Werken im Museum stehen.
(Museum für russlanddeutsche Kulturgeschichte
von Frau Dr. Katharina Neufeld vom 7.8.2014)
September 2014
Weitere Informationen:
www.russlanddeutsche.de
www.jakob-wedel.de
Weitere Informationen:
Museum für russlanddeutsche Kulturgeschichte
Dr. Katharina Neufeld, Museumsleitung
Heinrich Wiens M.A., Öffentlichkeitsarbeit
Georgstraße 24, 32756 Detmold
Telefon: 0 52 31 / 92 16 17 bzw. 01 60 / 5 39 32 33
[email protected]
www.russlanddeutsche.de
Monolith e.V., Paderborn
Internationale Begegnungen
Jugendgruppe aus Tomsk.
Vom 20. bis 27. Juli 2014 war Monolith e.V. ,Das Netzwerk
für Aussiedler, zusammen mit ISKRA (Internationaler
Studierendenkreis russischsprachiger Akademiker an der
Universität Paderborn) Gastgeber einer Jugendgruppe aus
der russischen Universitätsstadt Tomsk. Bei dem deutschrussischen Fachkräfteaustausch handelt es sich um eine
deutsch-russische Multiplikatorenschulung der djo – Deut­
sche Jugend in Europa e.V. Gemeinsam mit deutschen
Kolleginnen und Kollegen nahmen sie unter der Leitung von
Horst Falkenberg an einem spannenden Bildungs- und
Freizeitprogramm mit dem Schwerpunkt Erlebnispädagogik
und Ökologie in der Jugendarbeit teil. Der Fachkräfteaus­
tausch findet in Übereinstimmung mit dem Abkommen
43
4
Mitteilungen von Verbänden und Vereinen
über jugendpolitische Zusammenarbeit zwischen der Bun­
desrepublik Deutschland und der Russischen Föderation
statt und soll einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die Ver­
ständigung beider Völker über die gemeinsame Arbeit mit
den Jugendlichen voran zu treiben.
In ihrer Heimat Tomsk engagieren sich die jungen Leute in
verschiedenen Organisationen ehrenamtlich mit dem Ziel,
das Interesse an der deutschen Sprache und Kultur bei
Jugendlichen in Russland zu wecken und zu fördern. Für
das nächste Jahr ist ein Gegenbesuch in Tomsk geplant.
Auf der Bühne gab es den ganzen Tag abwechslungsreiche
Auftritte. Die Tanzgruppen „Fuego ballando“ (Paderborn),
„Sternschnuppe“ und „SimSim“ (Delbrück), Orientalische
Tanzgruppe (Salzkotten), eine Kindergruppe von der Sams­
tagschule „Blümchen Siebenblatt“ (Bad Lippspringe) und
die Sportgruppe des Vereins „Sibirische Winde“ zeigten
ihr Können. Junge Gitarristen von „Wowa's Gitarrenschule“
sorgten musikalisch für gute Laune. Höhepunkte des Pro­
gramms waren unbestritten die Tanzauftritte von Delia
Brehl und Viktoria Kippes (Teilnehmerinnen der Europa­
meisterschaft), Nicole Frolov (Teilnehmerin von Voice Kids
2013) und Lucas Hein mit seinem Gitarrenspiel (Gewinner
des Landeswettbewerbs „Jugend musiziert“).
Sommerfest des Vereins
(Monolith von Dr. Helene Frank vom 29.7.2014)
Obwohl vom Lokalradio ein verregneter und trüber Sonn­
tag gemeldet worden war, beschlossen die Initiatoren, das
lange geplante Sommerfest im Grünen am Rande der Stadt
Paderborn durchzuführen. Schon früh am Morgen kamen
viele Helfer zum Aufbauen der Stände, Tische und Zelte.
Schnell bekam die ganze Anlage eine gemütliche Markt­
at­mosphäre. In den Pavillons gab es Tee, Kaffee und von
Ehrenamtlichen gespendete Kuchen, Schaschlik und
Würstchen, Piroggen – ja, sogar Sushi wurde angeboten!
Weitere Informationen:
M
onolith e.V. – Netzwerk Aussiedler
Carina Bauer, Jugendleiterin
Büro: Ledeburstraße 30, 33102 Paderborn
Telefon 0 52 51 / 8 78 57 17
[email protected]
www.netzwerk-monolith.de
Die Ehrenamtlichen aus dem gesamten Kreis Paderborn
boten eine bunte Auswahl an Aktionen für die Gäste. Kin­
derschminken gehörte ebenso dazu wie Basteln, Bewe­
gungsspiele und Mitmach-Aktionen. Das Dekorations­
team ermöglichte ein Foto-Shooting in einem romantisch
geschmückten Pavillon. Die Samstagsschule Paderborn
schloss mit einem besonderen Festprogramm ihr russi­
sches Schuljahr ab. Und die Jugendabteilung führte mit
Kindern auf der Wiese spannende Geschicklichkeitsspiele
durch.
Kinder in Aktion.
44
Rundschreiben Nr. 3
Landrat Wolfgang Spreen,
Julia Weber vom Hafen
der Hoffnung und Roland
Verheyen, der Vereins­
gründer.
Singgruppe „Lavanda“.
Hafen der Hoffnung e.V.
Vereinsjubiläum
Das seit langem vorbereitete Fest zum Jubiläum des
Vereins ist gut gelungen! Viele Politiker und Vertreter der
Städte und Gemeinden des Kreises Kleve, der kirchlichen
und sozialen Institutionen folgten der Einladung des Ver­
eins. Julia Weber, die Vorsitzende des Vereins eröffnete die
Veranstaltung. Es folgte eine Schweigeminute für die ver­
storbenen Mitglieder. Dmitri Niederquell sang ein Lied in
russischer Sprache «Знаешь, как хочется жить», in Deutsch
„Wie gerne man leben möchte“.
Der Landrat, Wolfgang Spreen, der die Schirmherrschaft
über unsere Veranstaltung übernommen hat, sprach in
seiner Begrüßungsrede über den wichtigen Beitrag des
Vereins zur Integration der Russlanddeutschen im Kreis
Kleve und überreichte Frau Weber eine Kreiskarte, wo jede
der 16 Städten und Gemeinden im Kreis Kleve mit einem
ihrer Markenzeichen aufgezeichnet war.
Zu Beginn des Programms wurde von den Mitgliedern der
Singgruppe „Lavanda“ in einem Sketch eine Szene ihrer
ersten Treffen auf der Küpperstraße dargestellt. Bei Tee­
trinken wurden Probleme gelöst, Lieder gesungen und über
die Gründung eines Vereins nachgedacht. Roland Verheyen,
der Vereinsgründer erzählte über seine Idee und wie sie
verwirklicht wurde. Anschließend führten Julia Bachtin und
Denis Leonow die mehr als 100 Gäste durch das Programm.
Sie erzählten über die Vereinsgeschichte, und die Singgrup­
pe trug Lieder unter musikalischer Begleitung von Johann
Niederquelle vor.
Anschließend wurden zum Kaffee und Tee Gebäcke aus den
Herkunftsländern der Mitglieder gereicht. Unter kasachi­
scher, russischer, tschetschenischer und deutscher Musik
wurden Baursaki von Maria Nuss (Kasachstan) Bliny und
Zaubernüsse von Nadja Rubcova und Svetlana Müller
(Russland) den Gästen angeboten. Krebli, ein deutsches
Gebäck, das unsere Vorfahren nach Russland und wir, die
Nachkommen, wieder zurück nach Deutschland gebracht
haben, haben Helene Thun und Lilia Klimenkow gebacken.
(v.l.) Svetlana Brak,
Maria Nuss, Julia
Weber, Nadja Rubcova
u. Hava Magomadova.
September 2014
Frau Tödter freute sich
Natalie zu treffen, die sie als
10-jährige in Deutsch und in
Singen mit anderen Mädchen
unterrichtete.
Svetlana Brak präsentierte die Krebli unter musikalischer
Begleitung von Reinhold Neumann. Ein tschetschenisches
Gebäck (Tschepalgasch) brachte Hava Magomadova mit,
ein tatarisches (Etschpotschmak) Ilzira Woronzow. Die
Frauen haben ihre Gebäcke in einer Nationalkleidung vor­
gestellt. Aufmerksamkeit verdienten auch die leckeren Tor­
ten „Anna von Kleve“, die Brigitte Angenendt mitbrachte.
Ein Dank ging an die Versöhnungskirche in Kleve, denn der
Verein Hafen der Hoffnung hat nebenan im Jugendheim
„EFFA“ seit 1998 sein Zuhause gefunden! In ihrer Begrüßungs­
rede sagte die Pfarrerin Elisabeth Schell: „Heute bringen
Sie, liebe Frauen, uns das Brot – und mehr als das: Gebäck
der köstlichsten Sorten. Sie sagen damit: Kommt und seht,
was uns geprägt hat! Kommt und hört, was uns ausmacht!
Kommt und schmeckt, was uns nährt! Danke, vielen Dank!“
Ein Dankeschön ging an die Sparkasse Kleve, die den Ver­
ein ebenfalls unterstützte.
Nachdem die Gäste die Gebäcke gekostet hatten, besich­
tigten sie die Ausstellung des Vereins, die vom Geschäfts­
führer des Vereins, Johannes Reimchen, vorbereitet wurde.
Das von Viktor Mast vorbereitete Fotoalbum „20 Jahre –
Hafen der Hoffnung“ und vieles mehr wurde ebenfalls mit
großem Interesse angeschaut. Das Kinder- und Jugend­
programm wurde von Tatjana Martens, der stellvertreten­
den Vorsitzenden, eröffnet. Ein Dank geht an Johannes
Terhoeven, der die gegrillten Würstchen gespendet hat. Der
gesellige Abend, der von Klara Alechina umfasste Musik,
Wein und leckere Pizza.
Der Vorstand: „Machen Sie mit bei unseren Veranstaltun­
gen, laden Sie uns zu ihren Veranstaltungen ein! Denn ein
Zueinander, ein Verständnis füreinander – ist nur im Mitein­
ander möglich!“
Julia Weber begrüßte
besondere Gäste –
Fritz Freitag und Walburga
Brüker, die den Verein tatkräftig unterstützen.
45
4
Mitteilungen von Verbänden und Vereinen
Singgruppe „Lavanda.
(v.l.) Werner Blietz (Vorsitzender des Ortsverbandes Goch
der BdV), Julia Weber (Vorsitzende Hafen der Hoffnung e.V.),
Günther Franzke (Ortsverband Goch BdV).
Singgruppe „Lavanda“ singt in der
Ostdeutschen Heimatstube in Goch
Verein „Dialog+“ e.V.
Kultursommerfest im Gerhart-Hauptmann-Haus
Gleich zwei Jubiläen feierte am 5. Juli der Ortsverband Goch
des Bundes der Vertriebenen – 65 Jahre und 50 Jahre Ost­
deutsche Heimatstube. Außer Thomas Janssen mit seinen
musikalischen Beiträgen am Klavier hat die Singgruppe
„Lavanda“ vom Hafen der Hoffnung drei Lieder gesungen.
Den Rückblick auf 65 Jahre BdV – Ortsverband Goch und
50 Jahre Ostdeutsche Heimatstube, übernahmen Vor­
sitzender Werner Blietz, den Wortbeitrag „Große Deutsche
aus dem Osten“ hielt Günther Franzke und das Gedicht
„Bei uns zuhause“ von Gertrud von den Brincken wurde von
Gerlinde Köster vorgetragen, was der Feier einen histori­
schen Rahmen gab. Die historischen Daten und Namen
wurden mit persönlichen und ergreifenden Erlebnissen
untermauert.
Anschließend sang man der Singgruppe das Lied „Morgen
will mein Schatz verreisen“ und andere Stücke. Es folgten
interessante Erzählungen und ein gemeinsames Kaffee­
trinken mit leckerem Kuchen.
(Julia Weber)
Weitere Informationen:
Hafen der Hoffnung e.V.
Julia Weber, Gudrun Söns, Geschäftsführerin
Feldmannstege 2, 47533 Kleve
Telefon / Telefax: 0 28 21 / 58 20 02
www.hafen-der-hoffnung.de
[email protected]
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Im Juli 2014 veranstaltete der Verein „Dialog+“ e.V. in Zu­
sammenarbeit mit der Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus
ein Kultursommerfest. Unter dem Motto „Mitgebrachtes
Kulturgut bewahren, neue Wege nicht scheuen“ präsentier­
ten die Mitwirkenden sowohl Lieder der Deutschen aus
Russland als auch europäische Lieder.
Die zahlreiche Gäste, die aus verschiedenen Städten
Nordrhein-Westfalens kamen, haben das wunderschöne
und professionell gestaltete Programm genossen:
1.Chor „Echo der Heimat“, musikalische Leitung
Albert Sarkisov
2. Sologesang: Isabela Verbitskaja
3. Walzer, Walzer… Waldemar Dantschenko (Akkordeon)
4.„Kinder“-Überraschung: Jana Kopylova, Gesang
und Anastassia Hlystun, Klavier
5. Literarische Umrahmung: Lydia Bitsch
Die Veranstaltung wurde von der Ausstellung „Deutsch­
stämmige Architekten in Sankt Petersburg“ umrahmt.
In der Pause konnten sich Interessierte über das Leben
des Architekten Franz Albert Schechtel informieren. Am
7. August 2014 jährte sich der 155. Geburtstag des be­
rühmten Moskauer Architekten (Franz Albert Schechtel /
Fjodor Ossipowitsch Schechtel (1859, Sankt Petersburg
- 1926, Moskau).
Franz Albert Schechtel war ein bekannter russischer Archi­
tekt deutscher Abstammung, einer der Begründer des
Jugendstils. Moskau schmücken über 40 Gebäude, die
nach seinen Entwürfen gebaut wurden, darunter das Ge­
bäude des Jaroslawler Bahnhofs, die Häuser des Fabrikan­
ten Rjabuschinski und des Kunstmäzen Sawwa Morosow,
bei dem die Moderne, die Gotik und der maurische Baustil
verbunden wurden, das Gebäude des Künstlertheaters usw.
Rundschreiben Nr. 3
„Echo der Heimat“ beim Auftritt im GHH.
Der Vorstand des Vereins bedankt sich bei allen Beteiligten
für die Mitwirkung und lädt alle ganz herzlich zu den weite­
ren Veranstaltungen:
19.10.2014
Fahrt zum Herbstfest ins Heimatmuseum Lütgendort­
mund, (Haus Dellwig).
29.11.2014
Kinderfest mit Onkel Frost und Snegurotschka im GerhartHauptmann-Haus, Bismarckstraße 90, 40210 Düsseldorf,
Konferenzraum. Anmeldung (siehe unten) bis zum
20.11.2014 erforderlich.
Weitere Informationen:
Verein „Dialog+“ e.V.
Lydia Bitsch, Vorsitzende
Telefon 02 11 / 7 49 61 32 (Lydia Bitsch) oder
Telefon 02 11 / 1 70 96 83 (Lydia Münch)
[email protected]
Villa von Morozov, Spiridinovka Straße, Moskau.
September 2014
Junges Talent:
Anastasia Hlystun.
Deutsch-Russische Gesellschaft Paderborn e.V.
Rose Steinmark schreibt über die
verdienstvolle Arbeit von Edmund Mater
„Deutsche Autoren Russlands“ – Enzyklopädie, ein Werk,
an dem der Verfasser Edmund Mater schon viele Jahre
arbeitet und das anscheinend niemals fertig wird, eine un­
endlich schwere, aber dennoch dankbare Arbeit.
Begonnen hat alles viel früher, damals als der junge Ver­
fasser der Enzyklopädie zum ersten Mal feststellen musste,
wie wenig er doch über die Geschichte seiner Volksgruppe
weiß. Die Stagnationsperiode der ehemaligen Sowjetunion
trug herzlich wenig zur Enthüllung dieser Geschichte bei.
Man konnte zwar Einiges über Schriftsteller, Schauspieler
und Helden der „sozialistischen Arbeit“ finden, aber das
genügte dem jungen Forscher nicht. Körnerweise begann
er Namen und Biografien aufzulesen und sie in seinem
Archiv aufzubewahren. Aber wie groß dieses Archiv in
Wirklichkeit wird, konnte er selbst nicht einschätzen. Eines
Tages waren es 3100 Persönlichkeiten deutscher Herkunft:
Doktoren, Professoren, Schriftsteller, Dichter, Ärzte, Physi­
ker, Chemiker, Geodäten – die ihr Leben Russland opferten
und unvergessliche Spuren in der Weltgeschichte hinter­
ließen. Es waren gebildete, intelligente und selbstbewusste
Menschen, die zielstrebig in den wirtschaftlichen, wissen­
schaftlichen und allgemeinen Fortschritt Russlands ihr Wis­
sen und Können investierten. So entschloss sich Edmund
Mater zu einem vierbändigen Naschlagewerk „Autorenlexi­
kon der Russlanddeutschen“, denn entscheidend für dieses
Werk war, dass jeder dieser Autoren die bedeutendsten
Augenblicke seines Lebens und seiner Forschungen schrift­
lich festgehalten hat, dass ihre wissenschaftlichen, philo­
sophischen und literarischen Forschungsarbeiten auch
veröffentlicht, gelesen und mehrere davon sogar mehrmals
verlegt wurden…
47
4
Mitteilungen von Verbänden und Vereinen
Aber dieses Nachschlagwerk war erst der Anfang: Nach
nicht allzu langer Zeit häuften sich schon über fünf tausend
Namen an! Unfassbar! Das Lexikon wurde erweitert, ver­
vollständigt und in „Enzyklopädie“ umgetauft. Die elektro­
nische Internetversion besteht heute aus acht Bänden mit
Namen, Biografien und Bibliografien! Aber Edmund Mater
weiß, dass dies bei Weitem noch nicht alles ist – auf seinem
Tisch landen täglich mehrere Briefe, in denen über die oder
jene Person, die unbedingt in der Enzyklopädie erwähnt
werden muss, ausführlich berichtet wird.
Doktor Wendelin Mangold – Pädagoge, Autor und Über­
setzer, schreibt im Vorwort zur Enzyklopädie: „Zum ersten
Mal sind darunter auch ganz junge Namen, wie z.B. Anna
Schmidt, die 1968 in Sibirien geboren ist… Edmund Mater
verwendet eine besonders produktive Arbeitsmethode,
setzt keine künstlichen Schranken. Wie immens dabei die
Spannungsweite sein kann (bis tausend Jahre) veranschau­
lichen zwei Namen: Bruno von Querfurt (974) und Andre
Geim (1958)“. Brun (Bruno von Querfurt) war einer der
ersten deutschen Schriftsteller, der sich im Dezember 1007
nach Kiew begab um dort das Christentum zu predigen.
Und er war es, der als erster die Kiewer Rus beschrieben
hat. Andre Geim (Andreas Heim) – Physikprofessor und
Direktor für Mesophysik und Nanotechnologie an der Bri­
tischen University of Manchester, wurde 2010 zum Nobel­
preisträger für Physik nominiert… Insgesamt umfasst
dieses Werk die Geschichte eines Jahrtausends.
2013 feierte man 250 Jahre russlanddeutscher Geschichte,
der offiziellen Geschichte, mit der heutzutage alle vertraut
sind. Aber der Inhalt der Enzyklopädie von Mater bezieht
sich nicht allein auf diesen kurzen Abschnitt, denn die
gesamte Geschichte der Deutschen in Russland nahm
deutlich früher ihren Anfang. Es waren deutsche Geistliche,
Kaufleute, Lehrer, Ärzte, Wissenschaftler u.a., die über Jahr­
hunderte hinweg den Weg nach Russland fanden und nicht
nur im westlichen, sondern auch im östlichen Teil Russ­
lands (Sachalin, Alaska) in vielen Bereichen des wirtschaft­
lichen, wissenschaftlichen und öffentlichen Lebens erfolg­
reich tätig waren.
Viele Momente dieser Geschichte sind in der Enzyklopädie
von Edmund Mater festgehalten. In Namen, Titeln und
Biografien. Jeder, der sich für diese Geschichte interessiert,
kann sie heute unter www.edarmer.de Enzyklopädie ab­
rufen und sich über die Menschen, die diese Geschichte
machten, informieren.
Robert Burau verlegt Literatur
der Russland-Deutschen
Es ist bekannt, wie schwierig es für die russlanddeutschen
Autoren ist, auf den deutschen Büchermarkt an Verlage zu
kommen. Deshalb hat sich einer aufgemacht, einen Verlag
zu gründen, der überwiegend Werke deutscher Autoren
aus Russland herausbringt, den „BMV Verlag Robert Burau“.
Robert Burau wurde 1944 in Annaberg, Oberschweiz, ge­
boren, wohin es seine Eltern aus der Ukraine verschlagen
hatte. Nach Kriegsende wurde die Familie mit vielen ande­
ren Russland-deutschen von den Sowjets in den Nord-Ural
gebracht, wo Robert heranwuchs und zur Schule ging. Er
war 14, als seine Eltern, nach der Abschaffung der Komman­
dantur, 1958 beschlossen, aus der Kälte in die warme Ge­
gend nach Südkasachstan in die Nähe von Alma-Aty umzu­
ziehen, wo er den Schulabschluss machte und anschließend
in Alma-Aty studierte.
Seit seiner Kindheit hat Robert Burau viel und gerne gelesen,
von Abenteuerbüchern bis zur Klassik. In seiner Jugend
gab es in Verbannungsorten der ehemaligen Sowjetunion
wie Sibirien und Kasachstan so viel wie keine Bücher in
deutscher Sprache. Erst in den 60iger Jahren konnte man
in der damals einzigen deutschsprachigen Zeitung „Neues
Leben“ Werke russ-landdeutscher Schriftsteller und Dichter
lesen. Während seines Studiums lernte er einige bekannte
russlanddeutsche Autoren wie Johan Warkentin, Dominik
Hollmann, Ewald Katzenstein und andere kennen, die ihn
stark beeindruckten und nachhaltig beeinflussten.
In Deutschland, wo Robert Burau seit 1998 lebt, erfüllte er
seinen Traum und gründete einen Verlag, um etwas zur
russlanddeutschen Kultur beizutragen. Davor sammelte er
Informationen über den Büchermarkt, Autoren, Drucke­
reien. Man konnte ihn oft auf Seminaren der Landsmann­
schaft sehen, wo er notwendige Kontakte zu Autoren und
Künstlern knüpfte.
Fünf russlanddeutsche Autoren, deren Werke im „BMV Ver­
lag Robert Burau“ veröffentlicht wurden, sind mit dem russ­
landdeutschen Kulturpreis des Landes Baden-Württemberg
ausgezeichnet worden. Bis dato sind mehr als 90 Titel von
rund 35 Autoren erschienen, weitere sind in Arbeit.
(Rose Steinmark, Münster)
Rose Steinmark
48
Lomtev, Denis
Geistliche Musikkultur der
Deutschen in Russland,
Historie
Rundschreiben Nr. 3
Robert Burau
Burau Verlag
BMV Verlag Robert Burau
www.bmv-burau.de
Bestellungen:
Telefon 0 52 02 / 27 70
Telefax 0 52 02 / 27 71
[email protected]
und im Buchhandel
Weitere Informationen:
Deutsch-Russische Gesellschaft Paderborn e.V.
(Präsident: Stefan Schwan)
Grube 4, 33098 Paderborn
Telefon 0 52 51 / 5 08 99 25
[email protected]
JSDR – Jugend- und Studentenring der
Deutschen aus Russland
Jugend aktiv in Europa
Werbeschilder mit Politikern und Parteien hingen an den
Straßen und man hörte Diskussionen. Das war die Zeit der
Europawahlen. Es war nicht die interessanteste Zeitspanne,
aber doch hat man sich die Fragen gestellt: Was sind über­
haupt diese Europawahlen? Wie wird das Interesse der
Bürger dazu geweckt?
September 2014
Teilnehmende am Workshop „Jugend aktiv in Europa“
in Senden.
Einer der wichtigsten Tagespunkte war eine Diskussion mit
lokalen Politikern aus den Fraktionen SPD (Gerd Buchholz),
CDU (Alfons Hues) und Dr. Christian Vogt. Diese fand in
einer freundschaftlichen Atmosphäre statt, in der die Gäste
ihre Erfahrungen teilen, auf Fragen der Teilnehmenden ant­
worten und auch an einem politischen Quizspiel teilnehmen
konnten.
Als Ergebnis des Workshops wurde Flyer entworfen. Die
Teilnehmenden hatten zum Schluss auch die Möglichkeit,
sich über ihre erworbenen Kenntnisse auszutauschen. Für
die Zukunft hoffen alle auf eine Teilnahme an neuen span­
nenden Projekten.
Der Vorstand des FSKV Prestige e.V. bedankt sich herzlich
bei der für die Organisation zuständigen Gruppe und bei
allen Teilnehmenden für die angenehme Zusammenarbeit.
Besonderer Dank gilt der Bundeszentrale für politische
Bildung, sowie dem Bürgermeister, dem Kulturamt und
den Ortsvorständen der Fraktionen von SPD und CDU der
Gemeinde Senden, dem Vorstand des JSDR-NRW e.V.,
Kreisgruppe Münster der LMDR e.V. und dem Leiter des
Projektes „Wir in NRW“.
(Viktoria Wolzenin)
Weitere Informationen:
www.facebook.com/fskv.prestige
Diese nicht so leichte Aufgabe hat der Familien-, Sportund Kulturverein Prestige e.V. am 18. Mai 2014 übernom­
men. Im Rahmen des Projektes „Meine Stimme – deine
Wahl“ der Bundeszentrale für politische Bildung wurde zu
diesem Zweck ein Workshop „Jugend aktiv in Europa“ mit
Unterstützung des JSDR-NRW e.V. erfolgreich durchge­
führt. Das Projekt war vor allem an Jugendliche gerichtet,
die ehrenamtlich aktiv und politisch interessiert sind.
Es sollte außerdem das Interesse bei politisch passiven
Jugendlichen wecken, indem wir an das Thema EU, EU-Län­
der und die EU-Wahlen spielerisch herangingen.
49
4
Mitteilungen von Verbänden und Vereinen
Ein erfolgreiches Schulungswochenende
im Münsterland
An einem Wochenende im Juli fand in Münsterland eine
Schulung des JSDR NRW statt. Die Schulung befasste sich
mit Methoden der Jugendarbeit in Migrantenselbstorgani­
sationen. In den MSO entwickelt sich die Jugendarbeit in
den letzten Jahren sehr schnell, aber leider fehlen die rich­
tigen Arbeitsweisen. Dank solcher Seminare kann an Feh­
lern gearbeitet werden und neue Arbeitsweisen erprobt
werden.
Als Vorbereitung auf das Sommercamp des JSDR im August
dieses Jahres waren aus dem Kreis der rund 25 Teilnehmer,
vor allem die Betreuer der Kinder- und Jugendgruppen inte­
ressiert an den Inhalten, die von Ekaterina Dubatovka und
Julia Iwakin vermittelt wurden. Zudem konnten sich die Ver­
anstalter über jüngere Interessenten im Alter von 13 bis 17
Jahren freuen, das zeigt, dass für Nachwuchs in der Jugend­
arbeit gesorgt ist.
Am diesem Wochenende waren sogar Familien mit Kindern
dabei, da während des Seminars auch für Kinderbetreuung
gesorgt wurde und die Eltern somit ungestört und ohne
Sorge der Schulung folgen konnten. Die Pausen hat man
für gemeinsame Sportaktivitäten, wie Volleyball genutzt.
In der Abschlussrunde am Sonntag gab es durchweg posi­
tives Feedback und den Wunsch nach mehr solcher infor­
mativen Veranstaltungen.
Alles in allem, war es eine sehr informative, familienfreund­
liche Schulung, in der viele Faktoren zusammenkamen und
es den Veranstaltern gelang, diese gut zu verbinden. An den
neu erarbeiteten Projekten zeigt sich auch die Nachhaltig­
keit solcher Schulungen.
Bei Interesse können alle Veranstaltungen des
JSDR NRW e.V. im Internet auf jsdr-nrw.de einge­
sehen werden.
(Julia Iwakin, Oerlinghausen)
In den Jugendgruppen des JSDR finden viele Veranstal­
tungen von und mit Jugendlichen statt. Das heißt, es gibt
schon Erfahrung. In dieser Schulung galt es, Kenntnisse
zu erweitern und neue Multiplikatoren zu gewinnen. Durch
dynamische Gruppenaktivitäten wurden Grundlagen der
Gruppendynamik am eigenen Leib erprobt. Außerdem wur­
den die verschiedenen Strukturen der Jugendarbeit vor­
gestellt und erarbeitet. Am Ende wurde sogar ein Konzept
für die Sommeraktivität erstellt, die im August bei Münster
stattfinden wird.
Arbeit in den Gruppen beim Seminar in Nottuln.
Kreative Methoden der Jugendarbeit.
50
Jahrmarkt, Festtage und Klettern
an einem Wochenende
Ein ereignisvolles Wochenende fand beim JSDR Landesver­
band NRW vor dem Pfingstfest statt. An drei verschiedenen
Veranstaltungen in drei verschiedenen Ecken Deutschlands
haben die Mitglieder des Verbandes teilgenommen.
Am 7. und 8. Juni haben Julia Iwakin und Waldemar Weiz
die Organisation JSDR bei dem Jahrmarkt der Landsleute
in Bad Salzuflen bei Bielefeld vorgestellt. An zwei Tagen
haben die Vertreter des JSDR zahlreiche Gespräche mit
vielen Besuchern des Jahrmarktes durchgeführt. Am Info­
stand des JSDR und seines Partners UVDR (Unternehmer­
verband der Deutschen aus Russland) wurden Projekte und
Veranstaltungen der beiden Organisationen vorgestellt.
Unter den Besuchern des Infostandes war auch die stell­
vertretende Vorsitzende des Internationalen Verbandes der
Deutschen Kultur aus Russland Olga Martens. Trotz des
heißen Wetters war der Jahrmarkt gut besucht. Neben den
Präsentationen von verschiedenen Unternehmen und Orga­
nisationen war auch ein interessantes Kulturprogramm
vorbereitet.
Rundschreiben Nr. 3
September 2014
Die Vorsitzende des Internationalen Verbandes der
Deutschen Kultur aus Russland Olga Martens (m.) neben
Waldemar Weiz und Julia Iwakin besuchte den Infostand.
Viel Spaß hatten die Jugendlichen vom JSDR im Kletterwald
bei Aachen.
Julia Iwakin am Infostand des JSDR in Bad Salzuflen.
Jugendliche aus Aachen, Düsseldorf und Köln konnten ihre
Kräfte messen.
Siegfried Dinges, Vorsitzender des JSDR NRW zusammen
mit anderen Vertretern des JSDR aus Nordrhein-Westfalen
und Baden-Württemberg am Infostand in Berlin.
Vom 6. bis 8. Juni hat der Vorsitzende des JSDR NRW
Siegfried Dinges zusammen mit anderen Vertretern des
JSDR aus Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg
die Organisation bei den Deutsch-Russischen Festtagen in
Berlin vertreten. Auch ein Infostand über Projekte des JSDR
wurde organisiert, an den es zahlreiche Gespräche mit
Besuchern gab. Gemeinsame Präsentationen mit den Part­
nern vom Internationalen Verband der deutschen Kultur
standen auch auf der Liste. Die drei Tage waren anstren­
gend, aber sind gut auch schnell vergangen.
Am 08. Juni, in einer anderen Ecke Deutschlands, nahe der
belgischen Grenze, haben sich mehr als 60 Jugendliche
und junge Erwachsene in Aachen getroffen, um gemeinsam
einen Ausflug in den Kletterwald zu unternehmen. Junge
Leute aus Aachen, Düsseldorf, Köln und anderen nahelie­
genden Kreisen hatten dort die Möglichkeit, ihre Kräfte in
der der Höhe auszuprobieren. Zur Verfügung standen zwölf
Parcours mit verschiedenen Gerüsten auf einer Höhe von
einem bis zu 22 Metern. Ganz mutige Akrobaten versuch­
ten sogar, ein wackliges Brücklein in zehn Metern Höhe
mit dem Fahrrad zu überwinden. Nach dem Klettern haben
sich die Vertreter der Gruppen beim gemeinsamen Grillen
über ihre Aktivitäten unterhalten und über weitere Pläne
diskutiert.
Der Sommer ist gewöhnlich eine Zeit der Ruhe. Aber die
Mitglieder des JSDR erwarten auch weiterhin in diesem
Sommer spannungsvolle Tage: Workshops, Sommercamp,
erlebnispädagogische Aktivitäten, auch internationale
Jugendbegegnungen. Das heißt – immer weiter mit dem
Motto des JSDR „Wir sind da!“
(JSDR NRW)
51
4
Mitteilungen von Verbänden und Vereinen
JSDR Sommercamp 2014 in Nottuln.
„In 8 Tagen um die Welt“ – zu Gast bei
Freunden in Nottuln
61 Kinder, 16 Betreuer, 8 Tage und 6 Länder… So sieht die
Statistik des JSDR – Sommercamps 2014 in Nottuln aus.
Und das alles mit viel Spaß, Tanz, Musik und Bewegung.
Der Jugend- und Studentenring der Deutschen aus Russ­
land, Landesverband NRW e.V., veranstaltet seit zwei Jahren
in der Ferienzeit ein Freizeitcamp für Kinder und Jugend­
liche. Das Sommercamp hat jedes Jahr einen anderen Ko­
operationsverein vor Ort und wandert durch NRW. Dieses
Jahr hat es uns ins Münsterland verschlagen. Hier haben
wir als Gastgeber und Partner den Sendener Familien-,
Sport- und Kulturverein „Prestige“ unter der Leitung von
Andreas und Julia Wolzenin, die die Idee des Sommercamps
ins Leben gerufen hatten und seit drei Jahren das Camp
leiten.
Dieses Jahr sind wir ganz besonderes stolz, denn das Som­
mercamp ist bundesweit ausgeschrieben. Wir haben sogar
Teilnehmer und Betreuer aus Russland und Kasachstan.
Und das ist etwas Besonderes, wenn man sieht, wie viel
Unruhe in der Welt in der letzten Zeit herrscht. Aber Freund­
schaft und gute Partnerschaft überwinden alles.
Das Programm des Camps ist ganz bunt, musikalisch und
kreativ. Die Kinder und Jugendlichen unternehmen eine
„Weltreise“ durch 6 Länder: Brasilien, Spanien, Afrika, Indien,
Russland und kommen zurück nach Deutschland. Die Ent­
decker können während dieser Reise die Traditionen, die
Musik und Tänze der Länder aus einer neuen Perspektive
sehen und sich für die neuen Kulturen begeistern. In krea­
tiven Gruppen, wie in der Tanz-AG, Basteln, Singen, der
Reporter-AG und dem Filmstudio entfalten sich die Talente
und die Ideen der Kinder.
Ein besonderes Highlight des Camps war die Gruppe aus
Kasachstan, die mit erstaunlicher Begeisterung, Freude
und Hilfsbereitschaft die Geschehnisse und Aktionen im
Camp bereicherte und unterstützte.
Ein großer Dank geht an die Jugendherberge Nottuln, die
die wunderbaren räumlichen Möglichkeiten für ein solches
Unternehmen, wie das Freizeitcamp für die Kinder bot.
Sicherheit, gutes Essen und freundliche Begleitung des
Personals werden hier groß geschrieben.
Weitere Informationen:
www.jsdr-nrw.de
www.facebook.com/fskv.prestige
Alexander Böttcher
LmDR e.V. KG Heinsberg
www.lmdr.de/heinsberg
JSDR NRW
www.jsdr-nrw.de
Telefon 01 78 / 8 68 45 09
52
Rundschreiben Nr. 3
Gruppenfoto in Xanten: djo-Deutsche Jugend in Europa –
hier gehört man dazu.
djo-Deutsche Jugend in Europa
Landesverband NRW e.V.
„Das große Spektakulum“ – 180 Teilnehmer beim
5. Kulturprojekt der djoNRW
Vom 29. Mai bis zum 1. Juni fand in Xanten das 5. Kultur­
projekt des Landesverbandes NRW der djo-Deutsche
Jugend in Europa statt. Unter dem Motto „Das große Spek­
takulum – Wir erleben das Mittelalter“ trafen sich rund
180 djo’ler in der Jugendherberge Xanten. Alles was zu
einem gelungenen Wochenende gehört, wurde geboten:
nette Menschen und ein spannendes Programm.
Die großen und kleinen Gäste erwartete beim 4-tägigen
djoNRW Kulturprojekt viel Abwechslung. Manche Teilneh­
mer hatten sich – passend zu dem Motto der Veranstal­
tung – in mittelalterliche Gewänder gekleidet.
In der Jugendherberge Xanten begrüßte der Landesvor­
sitzende, Christian Gradt, die zahlreich angereisten djo’ler.
Mit großem Interesse folgten die Teilnehmer der Vorstel­
lung des Programms der folgenden Tage. „Besucht Veran­
staltungen, knüpft Kontakte, macht etwas gemeinsam.
Bewegt etwas. Probiert euch aus“, lautete der Appell des
Landesvorsitzenden. Ein Aufruf, der nicht nur für das Kul­
turprojekt in Xanten gilt, denn die djoNRW und ihre zahl­
reichen Gruppen bieten seit über 60 Jahren abwechslungs­
reiche Veranstaltungen, die dem jeweiligen Zeitgeist ent­
sprechen.
Alle zwei Jahre treffen sich ältere und jüngere djo’ler an
wechselnden Orten in NRW, um beim Kulturprojekt gemein­
sam Spaß zu haben und um etwas zu erleben. Herbert
Schnalle, hauptverantwortlicher Organisator des 5. Kultur­
projekts der, brachte es in seiner Einführungsrede auf den
Punkt: „Das Kulturprojekt ist eine Begegnung von Kindern,
Jugendlichen, Erwachsenen und Senioren“. Und so boten
auch die generationsübergreifenden Workshops, die an
den ersten beiden Tagen des Kulturprojekts stattfanden,
für alle etwas. Wer sich handwerklich betätigen wollte, war
bei den Workshops Spinnen und Filzen genau richtig. Oder
September 2014
Gruppenfoto am Bootshafen: Am Xantener Hafen wurde es
bunt! Mit Musik, Tanz und Gesang zeigten die djo-Gruppen
ihr Können.
darf es musikalisch sein? Dann lockten die Workshops zu
Tanz, Singen und Musik. Und die ganz Mutigen konnten sich
im Feuerspucken versuchen – da durfte es auch schon mal
heißer werden.
Der erste Abend diente dem Kennenlernen oder bei den
langjährigen Mitgliedern der djo dem Wiedersehen „alter“
Freunde. Es wurde ein stimmungsvoller Begegnungsabend
mit Mitmachaktionen der Gruppen zum Thema des Kultur­
projektes.
Freitags erwartete die Teilnehmer des Kulturprojektes ein
zusätzliches Angebot außerhalb der Jugendherberge: ein
externer Workshop im Xantener Siegfriedmuseum. Hier
gab es ein Museum zum Anfassen und Mitmachen. ‚Wie
schwer ist ein Helm und wie trägt er sich‘? Diese Frage
durfte durch Ausprobieren selbst beantwortet werden. Ein
anschließendes „Kreativangebot“ gab gute Einblicke in
den Alltag im Mittelalter.
Nicht nur rund um die Jugendherberge oder wo auch
immer djo’ler sich versammelten, stand das Mittelalter im
Vordergrund. Ganz Xanten war an diesem Wochenende zu
einer mittelalterlichen Stadt geworden. Zeitgleich mit dem
Kulturprojekt fand entlang der Xantener Stadtmauern das
12. Siegfriedspektakel mit einem mittelalterlichen Markt,
Musikanten, Handwerker- und Krämerständen, Rittertur­
nieren und vielen anderen Attraktionen statt.
Workshop: Beim Feuerspucken wurde es heiß.
53
4
Mitteilungen von Verbänden und Vereinen
(v.l.) Merfin Demir und
Kamuran Sezer: Einer der
ersten Gratulanten, der
Institutsleiter von futureorg, Kamuran Sezer.
Foto: Dr. Christian Kahl
Auftritte am Bootshafen: Tanz und gute Laune.
djo zeigt, wie bunt sie ist
Für viele Teilnehmer war der Samstag der Höhepunkt
des 5. Kulturprojektes. Im Xantener Bootshafen zeigten
einige djo-Gruppen ihr Können. Darunter waren auch die
Klingende Windrose, das Kinder-Musik-Theater „Der Spaß!“,
der Folklorekreis Eurode, die Danzdeel Salzkotten, die
Kinderspielschar djo Rheinland und der djo Familien-Volks­
tanzkreis Düsseldorf-Rath. Hier zeigte sich, wie bunt die
djoNRW ist.
Vielen Zuschauern war die djo-Deutsche Jugend in Europa
bis dahin noch unbekannt gewesen. Doch die traditionellen
Tänze und Trachten aus Ostpreußen, Schlesien, Siebenbür­
gen, Pommern und dem Rheinland, wie sie etwa die Klingen­
de Windrose zeigte, ließen das Publikum staunen. Daneben
sorgten moderne Tänze und Lieder von „Der Spaß!“ für
reichlich Abwechslung. Bei allen Auftritten bewies der
Applaus, dass hier Interesse geweckt wurde und der Mix
aus Folklore und Moderne stimmte. Damit hinterließ die
djo NRW in Xanten eindrucksvoll ihre Visitenkarte.
Merfin Demir erhält Auszeichnung
„Erfolgsgeschichte“
Am 25. Juni 2014 erhielt Merfin Demir, Vorsitzender von
TernoDrom, einer Gruppe des Landesverbandes NRW der
djo-Deutsche Jugend in Europa, den Preis für die „Erfolgs­
geschichte des Monats Juni 2014“. Die Auszeichnung er­
folgte durch „Synko Synergie Köln e.V.“ und fand im Rah­
men des Projektes „TransVer-Offensive“ in Dortmund statt.
Mit dem Preis „Erfolgsgeschichte“ werden Persönlichkeiten
mit Migrationshintergrund ausgezeichnet, die einen vor­
bildlichen persönlichen sowie beruflichen Erfolg geleistet
haben und mit ihrer Arbeit, ihrem Engagement und Wirken
auf unterschiedliche Weise zum Wohl dieses Landes beitra­
gen. Das Projekt „TransVer-Offensive“ wird von der Euro­
päischen Union und vom Bundesministerium für Arbeit und
Soziales im Rahmen des XENOS II-Programms gefördert.
Merfin Demir wurde 1980 als Sohn muslimischer Roma in
Skopje/Mazedonien geboren und kam 1988 nach Deutsch­
land. Seit vielen Jahren engagiert er sich im sozialen Bereich.
54
Ein Schwerpunkt ist dabei die Integration junger Roma im
Großraum Düsseldorf. Als Geschäftsführer der Interkul­
turellen Jugendorganisation von Roma und Nichtroma in
Nordrhein-Westfalen, TernoDrom e.V., einer Gruppe des
Landesverbands NRW der djo-Deutsche Jugend in Europa
hat er hier viele Möglichkeiten. So entstand in Kooperation
mit der Städtischen Jugendfreizeiteinrichtung V24 der
Landeshauptstadt Düsseldorf 2011 das Gewaltpräventions­
projekt „beyoung&roma“. Das Projekt wird vom Bundes­
amt für Migration und Flüchtlinge sowie der Aktion Mensch
gefördert. „beyoung&roma“ unterstützt junge Roma aus
Düsseldorf und Umgebung bei ihrer individuellen gesell­
schaftlichen Integration. Angebote zur Gewaltprävention
sind dabei ebenso Teil des Projektes, wie Bildungsveran­
staltungen und Kulturangebote. Ein großes Anliegen ist es
Merfin Demir, dass hier eine community entsteht, die selbst
nach Lösungsvorschlägen sucht. „Wir müssen aus dem
Schatten treten und selbst aktiv werden. Wir müssen uns
stets fragen: Mit welchen Konzeptionen kann die commu­
nity zur erfolgreichen Integration von Roma beitragen?“
Seit Januar 2012 verleiht „Synko Synergie Köln e.V.“ im Rah­
men des Projektes „TransVer-Offensive“ in unregelmäßigen
Abständen die Auszeichnung für die „Erfolgsgeschichte“.
Die bisherigen Preisträger gehen den unterschiedlichsten
Berufen und Tätigkeiten nach und haben alle ihre ganz eige­
ne Biografie. So gehören etwa der SPD-Europaabgeordnete
Ismail Ertug, die CDU-Bundestagsabgeordnete Cemile
Giousouf, der Unternehmer Mustafa Eyice, die Islam- und
Religionswissenschaftlerin Frau Dr. Soumaya Louhichi-­
Güzel, der Künstler Mehmet Güler oder die Polizeikommis­
sarin Emine Tayfur zu den bisherigen Preisträgern.
Merfin Demir selbst war von der Auszeichnung „Erfolgsge­
schichte des Monats Juni 2014“ sehr überrascht und
empfand es als eine große Ehre. „Es ist ein Ansporn für
mich, aber auch für das ganze Team von TernoDrom. Ich
nehme die Auszeichnung nicht nur für mich persönlich,
sondern für alle Mitarbeiter, Unterstützer und Freunde von
TernoDrom dankbar an. Wir werden dort weitermachen,
wo wir jetzt stehen“, versprach der Preisträger.
(djo-Deutsche Jugend in Europa von Dr. Christian Kahl)
Rundschreiben Nr. 3
September 2014
djo – Deutsche Jugend in Europa Landesverband
NRW e.V.
Dr. Christian Kahl
Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
www.djonrw.de
www.facebook.com/djo.lv.nrw
www.facebook.com/djo.Himmighausen
Landesverband NRW e.V.
Fritz-Gressard-Platz 4 - 9, 40721 Hilden
Telefon 0 21 03 / 6 94 84
Telefax 0 21 03 / 2 29 65
[email protected], www.djonrw.de
Konstituierende Sitzung des neuen Landesvorstands der
Sudetendeutschen Landsmannschaft NRW im NRW-Landtag
(v.l.): Rüdiger Goldmann, Günter Reichert, Karin Fuhrmann,
Werner Jostmeier MdL, Brigitta Gottmann, Irmgard
Abelsmann, Franz Zinecker, Dietmar Hein und Peter Hucker.
Sudetendeutsche Landsmannschaft
Landesverband Nordrhein-Westfalen e.V.
Landesvorstand tagt im Landtag
Zu seiner konstituierenden Sitzung ist der neu gewählte
Landesvorstand der Landesgruppe Nordrhein-Westfalen
der Sudetendeutschen Landsmannschaft Mitte Juni in
Düsseldorf zusammengetroffen.
Dabei wurden die Zuständigkeiten der einzelnen Vorstands­
mitglieder zum Teil neu geregelt. Der Landesobmann,
Günter Reichert (KG Bonn), trägt die Verantwortung für
die Heimatpolitik und die Pressearbeit. Von den Stellver­
tretenden Landesobmännern sind Rüdiger Goldmann (KG
Düsseldorf) für die Verbindungen zum NRW-Landesverband
des Bundes der Vertriebenen sowie zur Stiftung GerhartHauptmann-Haus und Franz Zinecker (KG Bochum) für die
Kulturarbeit sowie den Kontakt zur Arbeitsgemeinschaft
„Sudetendeutsche Mittlere Generation“ zuständig. Als
weitere Stellvertretende Landesobfrau steht Karin Fuhr­
mann (KG Düsseldorf) bereit. Als Schriftführerin fungiert
weiterhin Irmgard Abelsmann (Wesel). Roland Janik (KG
Bonn) hat neu die Vermögensverwaltung übernommen und
betreut weiterhin den Internet-Auftritt der SL NRW. Von
den Beisitzern kümmern sich Rüdiger Eichhorn (Minden)
als Regionalbeauftragter um Ostwestfalen und Gottfried
König (KG Krefeld) als Organisationsreferent um die Kon­
takte zu den Kreisgruppen und den Einzelmitgliedern.
Brigitta Gottmann (KG Lüdenscheid) hat weiterhin das
Amt der Landesfrauenreferentin inne. Für die Geschäfts­
führung steht auch in Zukunft Erika Hoppe (KG Krefeld)
zur Verfügung. Als Ständige Gäste werden Oskar Böse
(Düsseldorf), Dietmar Hein (KG Mülheim an der Ruhr),
Peter Hucker (KG Bielefeld) und Walter Zinecker (KG
Bochum) zu den Sitzungen des Landesvorstands einge­
laden. Als weitere Regionalbeauftragte wurden berufen:
Franz Zinecker für das Münsterland, Gottfried König für
den Niederrhein, Karin Fuhrmann für Düsseldorf und das
Bergische Land, Günter Reichert für das Rheinland, Dietmar
Hein für das Ruhrgebiet und Brigitta Gottmann für das
Sauerland.
Die Sitzung des Landesvorstands fand auf Einladung des
Beauftragten der CDU-Fraktion für Heimatvertriebene,
Spätaussiedler und Flüchtlinge, Werner Jostmeier MdL, im
nordrhein-westfälischen Landtag statt. Jostmeier, dessen
Frau sudetendeutsche Vorfahren aus Teplitz hat, schilderte
insbesondere seine Bemühungen um die Wiedereinrichtung
eines Lehrstuhls für Kultur und Geschichte der Deutschen
im östlichen Europa an der Heinrich-Heine-Universität in
Düsseldorf, um die Vereinfachung der Richtlinien des Lan­
des Nordrhein-Westfalen zur Förderung von Maßnahmen
gemäß § 96 BVFG sowie um die Einführung eines bundes­
weiten Gedenktags an die Opfer von Vertreibungen.
(Dr. Günter Reichert)
Sudetendeutsche Landsmannschaft Landesverband
Nordrhein-Westfalen e.V.
Landesgeschäftsstelle
Preußenring 17
47798 Krefeld
Telefon 0 21 51 / 77 35 81
[email protected]
Landesvorsitzender ist:
Dr. Günter Reichert
Krummölser Straße 6
53604 Bad Honnef
Telefon 0 22 24 / 8 08 64
[email protected]
55
5
Nachrichten aus der evangelischen und katholischen Aussiedlerarbeit
5
Nachrichten aus der evangelischen
und katholischen Aussiedlerarbeit
Seelsorgstelle für katholische Deutsche
aus Russland und den anderen GUS-Staaten
Die Seelsorgstelle in Bonn hat neue Räume bezogen
Wir sind umgezogen! Diesen Satz musste ich in den letzten
Wochen und Monaten häufig verwenden. Geduld war
angesagt, denn es dauerte, bis alles wieder einwandfrei
funktionierte, die Technik, die Abläufe. Nun darf wieder
Normalität einkehren. Wo es möglich war, haben wir die
neue Adresse und die Verbindungsdaten per E-Mail zuge­
schickt. Doch haben wir sicher nicht alle erreichen können,
deshalb ist die Adresse noch mal hier unten angefügt.
Unsere neue Anschrift.
Umzüge sind zeitaufwändig und kosten viel Geld. Obwohl
das Haus der Deutschen Bischofskonferenz uns in dieser
Zeit großzügig unterstützt hat, blieben doch einige Un­
kosten, die die Seelsorgstelle selbst zu stemmen hatte,
übrig. Zu Buche schlagen vor allem die zu entrichtenden
Mietkosten.
Das hat natürlich Konsequenzen für unser Programm im
zweiten Halbjahr. So mussten wir die Sternwallfahrt nach
Kevelaer kurzfristig absagen, weil es zeitlich und finanziell
nicht mehr zu meistern war. Diese Wallfahrt soll aber
nächstes Jahr, am Samstag, 26.9.2015, nachgeholt werden.
Ich bitte hierfür um Verständnis, gerade jene Menschen,
die sich schon seit längerer Zeit darauf gefreut haben.
56
Rückblick auf ein segenreiches Leben –
Priesterjubiläum von Pater Eugen Reinhard
Pater Eugen Reinhard, von 1990 bis 2004 Visitator für die
deutschen Katholiken aus Russland, feierte am 28. Juni
auf den Philippinen sein 50-jähriges Priesterjubiläum. In
einem Brief, den wir hier veröffentlichen, erzählt er über
sein Leben, seine Berufung, den abenteuerlichen Anfang
auf den Philippinen und verrät dabei Details, die er in seiner
bescheidenen Art meist für sich behielt. Ein Brief, spannend
zu lesen, ein Leben großer Ideen und Aktionen.
Rundschreiben Nr. 3
September 2014
57
5
58
Nachrichten aus der evangelischen und katholischen Aussiedlerarbeit
Rundschreiben Nr. 3
Pater Eugen Reinhard
Wir gratulieren Pater Eugen Reinhard zu seinem Jubiläum
und wünschen ihm noch viele schöne und erfüllte Jahre auf
den Philippinen. Zugleich danken wir ihm für seinen leiden­
schaftlichen Einsatz für unsere Landsleute in den stürmi­
schen Jahren der großen Einreise nach Deutschland.
Viele Menschen verbinden mit seinem Namen Güte und
Trost in den ersten Stunden der Ankunft, Hilfsbereitschaft,
Entschlossenheit sowie Humor. Ad multos annos, lieber
Pater Eugen, von all denen, die Dich kennen und schätzen
gelernt haben!
7. Sternwallfahrt
Heimat bei Gott
Ganz im Zeichen um die Seligsprechung für den Priester
Ladislaus Bukowinski stand am Samstag, 12. Juli die
7. Sternwallfahrt der katholisch Deutschen aus Russland
und anderer GUS-Staaten, zu der die Seelsorgestelle Bonn
mit Visitator Msgr. Dr. Alexander Hoffmann auch heuer
wieder nach Altötting eingeladen hatte.
September 2014
Visitator Msgr. Dr.
Alexander Hoffmann.
Foto: LmDR
2014 von Papst Franziskus als ordentliches Mitglied in die
Kongregation für die orientalischen Kirchen berufen). In
seiner Predigt gab er seine Freude zum Ausdruck, gemein­
sam mit seinen Landsleuten Gott zu loben und zu preisen,
aber auch auf die gefährliche Situation in Russland und
der Ukraine verweisend: „Vergesst uns nicht!“, mit dem
Aufruf zum Gebet „Gott möge allen beistehen, dass der
Friede bewahrt bleibt“. In der Kirche Christi verehrten wir
verschiedene Kategorien von Heiligen: die hl. Märtyrer, die
in christlichem Glauben ihr Blut vergossen hätten oder
die christlichen „Bekenner“, die ihres Glaubens wegen auf
grausamste Art und Weise verfolgt wurden. Bischof Werth
zitierte aus dem Matthäus-Evangelium: „Wer sich vor den
Menschen zu mir bekennt, zu dem werde auch ich mich
vor meinem Vater im Himmel bekennen. Wer mich aber vor
den Menschen verleugnet, den werde auch ich vor meinem
Vater im Himmel verleugnen!“
Aus ganz Bayern – mit Gruppen aus München, Nürnberg,
Ingolstadt, Augsburg, Ulm, Regensburg und Straubing –
begrüßte der Visitator die Wallfahrtsteilnehmer, nach dem
festlichen Einzug mit Fahnenabordnungen zum Pilgergot­
tesdienst in der St. Anna-Basilika. Voran wurde das Bild
ihres vielverehrten Priesters Ladislaus Bukowinski getragen
und vor dem Volksaltar aufgestellt. Im Auftrag des Passauer
Bischofs Stefan Oster begrüßte Msgr. Klaus Hoheisel, Ver­
triebenenseelsorger der Diözese Passau, die Russland­
deutschen Pilger mit dem Ausruf Jesu vom Evangelium der
Samstag-Liturgie: „Fürchtet Euch nicht…!“ Die Worte Jesu
gäben den Heimatvertriebenen Kraft, Trost und Hoffnung
in gläubigem Vertrauen, immer „Heimat bei Gott“ zu finden,
egal, wo wir auf der Welt wohnten, Glaubensgemeinschaft
zu erfahren, gemeinsam mit Maria, der Gottesmutter, ge­
rade hier in Altötting.
Den weitesten Weg ins Herz Bayerns zurückgelegt hatte
der Hauptzelebrant und Festprediger, Bischof Joseph Werth
aus Nowosibirsk / Kasachstan (2005 - 2011 Vorsitzender
der Russischen Bischofskonferenz und seit 19. Februar
Hauptzelebrant und Festprediger auf der Sternwallfahrt
Bischof Joseph Werth aus Nowosibirsk / Kasachstan.
59
5
Nachrichten aus der evangelischen und katholischen Aussiedlerarbeit
Nachrichten aus der evangelischen Kirche
Martin Luther, Thomas Müntzer und
die Bauernkriege
Studienreise nach Mitteldeutschland im September
Zusammen mit dem Aussiedlerbeauftragten der evangeli­
schen Kirche von Westfalen, Pfarrer Edgar L. Born, begeben
wir uns auf eine Zeitreise und begegnen verschiedenen
Persönlichkeiten der deutschen Geschichte.
Sternwallfahrt der katholisch Deutschen aus Russland
nach Altötting.
Als vorbildhaften „Bekenner“ christlichen Glaubens sei
Priester Ladislaus Bukowinski hervorzuheben: „1904 in
Berdyczów geboren, siedelte seine Familie 1920 nach Polen
um. Nach Jura- und Theologiestudium in Krakau wurde er
1931 zum Priester geweiht. Trotz Kriegswirren setzte er
ab 1939 mutig sein seelsorgliches Wirken in den Ostpolni­
schen Gebieten fort und wurde 1941 vom NKWD (Volks­
kommissariat für innere Angelegenheiten der damaligen
UdSSR) inhaftiert. Nach der Entlassung aus dem Gefäng­
nis half er Flüchtlingen und Gefangenen.
Von 1945 - 1954 war er Gefangener in sowjetischen Ge­
fängnissen und Arbeitslagern. Dort besuchte er nach er­
schöpfender, mehrstündiger Arbeit Kranke im Gefängnis­
krankenhaus, ermutigte Mithäftlinge im Glauben und in
der Hoffnung, spendete Sakramente und führte Exerzitien
in verschiedenen Sprachen durch. Man habe ihm auch an­
geboten, ihn nach Polen auszuweisen, doch P. Bukowinski
habe abgelehnt. 1954 nach Karaganda verbannt, leistete er
geheime, seelsorgerische Arbeit und unternahm Missions­
reisen u.a. nach Alma-Ata, Tadschikistan und Aktiubinsk.
Nach dreijähriger Haftstrafe in Karaganda setzte er seine
seelsorgerische Arbeit fort und starb am 3. Dezember 1974.
Sein Seligsprechungsprozess begann am 19. Juni 2006
in Krakau. Auch Papst Johannes Paul II. sei ein großer Ver­
ehrer P. Bukowinskis gewesen und habe gesagt: „Ich danke
dem lieben Gott, dass ich ihn kennenlernen und mich an
seinem Zeugnis erbauen konnte!“– denn P. Bukowinski
sah darin eine große Freude, und Seligkeit, „den verlorenen
Seelen“ nachzugehen, aufzusuchen und geistig beizuste­
hen mit der Bemerkung: „Dieses Glück hätte ich mit keinen
Ehren und Reichtümern der Welt ausgetauscht!“
Seelsorgstelle für die Gläubigen aus der GUS
Msgr. Dr. Alexander Hoffmann, Visitator DaR
Am Hofgarten 12
53113 Bonn
Telefon 02 28 / 40 97 38 20
Telefax 02 28 / 24 37 67 52
[email protected]
www.kath-deutsche-aus-russland.de
60
Der eine – Martin Luther – gerät in Konflikt mit der „Obrig­
keit“ aus theologischen Gründen: Martin Luther kritisierte
mit biblischen Argumenten das Geschäft mit der Religion
und wird dafür vom Papst gebannt und vom Kaiser in
Reichsacht genommen. Er kämpft gegen übermächtig er­
scheinende Gegner mit Worten und Tinte. Die Grenze des
Widerstandes ergibt sich für ihn aus Römer 13, die er
so übersetzt: „Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die
Gewalt über ihn hat… Wer sich nun der Obrigkeit wider­
setzt, der widerstrebt der Anordnung Gottes…“.
Der andere – Thomas Müntzer – einst Vertrauter und
Freund Luthers, will sich damit nicht begnügen. Er folgt
dem gesellschaftskritischen Ansatz aus Offenbarung 13
und geht darüber hinaus in den aktiven politischen Kampf
gegen das, was er als Unrecht erkannt hat. Er wird zu einem
Führer der Bauernkriege und lässt darin sein Leben.
Mit dem dritten – Dietrich Bonhoeffer – fragen wir 70 Jahre
nach dem Attentat auf Hitler (20.7.1944), ob es nicht auch
Zeiten geben kann, wo man als Christ „dem Rade in die
Speichen greifen“ muss.
An geschichtsträchtigem Gebiet stellen sich Russland­
deutsche und Deutschlanddeutsche der Frage, in welcher
Weise Christen sich heute politisch betätigen sollen und
können.
In Erfurt diskutieren sie mit Politiktreibenden im Landtag
über ihre Einstellungen zum Spannungsfeld „Christentum
und Politik“. Auf dem Heimweg besuchen wir das Grenz­
durchgangslager Friedland und informieren uns über die
aktuelle Situation von Asyl suchenden und zuwandernden
Menschen.
Leitung:
Edgar L. Born, Evangelische Akademie Villigst
Sekretariat (Anmeldung und Informationen):
Rosemarie Fäckeler
Iserlohner Straße 25, 58239 Schwerte
Telefon 0 23 04 / 7 55 - 3 46, Telefax 0 23 04 / 7 55 - 3 18
[email protected]
www.akademie-villigst.de
Rundschreiben Nr. 3
September 2014
Kosten:
Gemeinsame An- und Abreise, Unterkunft, Vollpension,
Exkursionen 440,- € (55,- € für Menschen mit der
Bescheinigung nach §15 BVFG).
Anmeldung:
Bitte melden Sie sich frühzeitig an. Sie erhalten eine
Anmeldebestätigung, Beschreibung der Abfahrtsorte
und die Kontonummer, auf die Sie den Eigenbeitrag
überweisen können.
Der Aussiedlerbeauftragte Pfarrer Edgar L. Born ist
per E-Mail zu erreichen unter:
[email protected]
Ansprechpartner:
Evangelische Kirche von Westfalen
Pfr. Edgar L. Born
Telefon 0 23 04 / 75 53 44
[email protected]
Seit kurzem hat der Kirchturm wieder ein Dach.
Foto: Julia Michalskaja
Asche zu Kirche
Deutscher beschenkt sein Heimatdorf
Karl Loor, Bauunternehmer aus Belgorod, lässt in der ehe­
maligen deutschen Wolgakolonie Zürich die 1992 ausge­
brannte Kirche seiner Vorfahren wiederaufbauen.
Von wegen Provinz: In Zürich, einer der nördlichsten
deutschen Siedlungen im Wolgagebiet, wurde 1877 eine
majestätische lutherische Kirche errichtet. Der Back­
steinbau hatte 111 Fenster, sein Turm war 38 Meter hoch.
Das Projekt stammte vom deutschen Architekten Johann
Eduard Jacobsthal, der in Berlin damals gerade zum Lan­
desbaumeister berufen worden war und unter anderem
die Bahnhöfe Alexanderplatz und Bellevue entwarf. Für
Zürich war das Beste gerade gut genug.
Doch jetzt erhält das Wahrzeichen von Zürich eine zweite
Chance. Seit 2013 wird es orginalgetreu wiederaufgebaut –
dank Karl Loor. Der 58-jährige Russlanddeutsche leitet eine
Baufirma in Belgorod. Die Kirche ist sein persönlichstes
Bauprojekt: Er wurde in Sibirien geboren, doch seine Fami­
lie lebte bis zur Deportation in Zürich.
Der Wiederaufbau wird nach Schätzungen mehr als 50 Mil­
lionen Rubel kosten, umgerechnet über eine Million Euro.
Eingeweiht werden soll die Kirche 2016. Ein Jahr später
feiert Sorkino den 250. Jahrestag seiner Ortsgründung
durch deutsche Siedler.
(Moskauer Deutsche Zeitung vom 29.6.2014)
In der Sowjetzeit verlor der Ort dann nicht nur seinen
Namen und heißt seit 1942 Sorkino, auch die Kirche wurde
als Dorfklub zweckentfremdet. Als in den 90er Jahren ihre
Restaurierung begann, ließ ein Feuer nur Ruinen übrig.
61
6
Veröffentlichungen
6
Veröffentlichungen
Neue Potenziale
Zur Lage der Integration in Deutschland
Von Franziska Woellert und Reiner Klingholz
„Neue Potenziale – Zur Lage der Integration in Deutsch­
land“, so heißt die eben erschienene neue Studie des
Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung. Wie be­
reits die viel diskutierte Vorgängerstudie „Ungenutzte
Potenziale“ (2009) untersucht auch der neue Beitrag des
Berlin-Instituts, unterstützt vom GfK Verein (eine NonProfit-Organisation zur Förderung der Marktforschung),
die Fortschritte und Stolpersteine der Integration in
Deutschland. Die Untersuchungen des Forscherteams um
die Autoren Franziska Woellert und Reiner Klingholz stellen
fest, dass sich über die fünf Jahre nur wenige Fortschritte
ergeben haben. Doch die Folgen verpasster Integrations­
angebote in den letzten 40 Jahren sind weiterhin klar zu
erkennen. Der Aussiedlergruppe, vor allem aus den Nach­
folgestaaten der Sowjetunion, gilt in dieser Studie eine
besondere Aufmerksamkeit…
Link zum Berlin-Institut für Bevölkerung und
Entwicklung:
www.berlin-institut.org/publikationen/studien/
neue-potenziale.html
Link zur Studie (pdf):
www.berlin-institut.org/fileadmin/user_upload/
Neue_Potenziale/Neue_Potenziale_online.pdf
(www.lmdr.de)
62
Rundschreiben Nr. 3
September 2014
Vielfältiges Deutschland. Bausteine für eine
zukunftsfähige Gesellschaft
Eine zukunftsfähige Gesellschaft, die einen anderen
Umgang mit dem Thema „Migration“ kultivieren möchte
als bisher, muss ihr Selbstverständnis verändern. Im
21. Jahrhundert tragen Konzepte nicht mehr, die ein natio­
nales „Wir“ von einem fremden „Die anderen“ unter­
scheiden. Was aber trägt statt-dessen?
Weitere Informationen:
www.bertelsmann-stiftung.de/cps/rde/xchg/
SID-55D7D91F-1CE593B8/bst/hs.xsl/
publikationen_120100.htm
Bertelsmann Stiftung (Hrsg.)
Vielfältiges Deutschland
Bausteine für eine zukunftsfähige Gesellschaft
1. Auflage 2014, 550 Seiten, Broschüre
ISBN 978-3-86793-506-7
28,- €, zzgl. Versandkosten
Spätaussiedler
Buch über die Auswanderer-Geschichte –
Autor zog nach Hagen
Er ist vor 21 Jahren als Spätaussiedler aus Russland nach
Hagen-Helfe gekommen. Jetzt hat Erwin Hoffmann die
Geschichte seiner Familie und die anderer Auswanderer
in einem Buch beleuchtet. Der Titel: „Wanderer – Auf der
Suche nach dem gelobten Land.“
Es gibt die Geschichte, von der der Unterricht in den Schu­
len handelt. Es geht um Schlachten, um Eroberungen, um
Bündnisse, um Verträge und um Macht. Es gibt aber auch
die andere Seite der Geschichte. Es ist die Geschichte der­
jenigen, die immer wieder ausbaden müssen, was Kaiser
und Könige, was Zaren und Kanzler so aushandelten. Von
dieser Geschichte handelt ein Buch, das Erwin Hoffmann
aus Hagen-Helfe geschrieben hat. „Wanderer. Auf der
Suche nach dem gelobten Land“ heißt es.
Es ist ein Stück Familiengeschichte, die Erwin Hoffmann
auf 260 Seiten zusammengetragen hat. Die seiner eigenen
Familie und die von vielen anderen Familien, die ein ganz
ähnliches Schicksal erfahren und erleiden mussten. Es ist
ein Buch über das einfache Leben, über Armut und immer
wieder über den Verlust von einem Stück Heimat. Das Buch
über eine deutsche Familie, die im 19. Jahrhundert aus dem
geteilten Polen gen Osten in das ukrainische Wolhynien auf­
gebrochen ist und Generati-onen später den Weg zurück
nach Deutschland fand.
Erwin Hoffmann kam vor 21 Jahren nach Hagen. Über die
Geschichte der Auswanderer hat er ein Buch geschrieben.
Foto: Jens Stubbe/Westfalenpost Hagen
Erwin Hoffmanns Werk ist ein Geschichtsbuch voller Ge­
schichte und voller Geschichten geworden. „Es hätte wohl
noch wesentlich umfangreicher sein können“, sagt er, „aber
als ich fertig war, habe ich ein bisschen etwas gekürzt.“
Es sind Aufzeichnungen wie jene, die sich im Ledereinband
mit der römischen Ziffer sechs befinden, die die Basis für
Erwin Hoffmanns arbeiten bilden. „Es sind Aufzeichnungen
meines Vaters, die er in den 70er und 80er Jahren des ver­
gangenen Jahrhunderts aufgeschrieben hat“, sagt Erwin
Hoffmann. „Ich wusste, dass es sie gibt. Aber als ich noch
jünger war, habe ich dem nie eine große Bedeutung beige­
messen.“
Erst als Hoffmann, der einstmals in Smolensk eine Molkerei
leitete und nach seiner Auswanderung in Hagen zuletzt für
das Sozialamt gearbeitet hat, pensioniert wurde, widmete
er sich den Niederschriften seines Vaters. Heraus kommt
eine Zusammenfassung für die Familie.„Als ich dann von
meinem Bruder ein weiteres Buch meines Vaters erhalten
habe, in dem es um Details des Lebens unserer Groß- und
Urgroßeltern ging, habe ich begonnen, an dem Buch zu
arbeiten“, sagt Hoffmann.
Es erzählt von der Auswanderung nach Wolhynien, von
der Vertreibung der dort lebenden Deutschen, der vorüber­
gehenden Rückkehr, vom stalinistischen Terror mit grau­
samen Morden, der Vertreibung der Familie nach Sibirien
und der Rekrutierung des Vaters in die Arbeiterarmee und
seinem Überlebenskampf in einer Kohlenmine. „Zwischen
1942 und 47 hat meine Mutter uns fünf Kinder alleine groß­
gezogen“, sagt Erwin Hoffmann.
63
6
Veröffentlichungen
„Das war eine sehr schwere Zeit für viele deutschstämmige
Familien. Unsere Mutter hat uns oft aus der Bibel vorge­
lesen. Am Ende hat sie es geschafft.“ Ausgemergelt und
mit einem Magengeschwür kehrt der Vater fünf Jahre
später zurück. „Erst da habe ich ihn kennengelernt“, so
Erwin Hoffmann, „als er fortziehen musste, war ich ja erst
ein Jahr alt.“
Erwin Hoffmann hat Glück. Er kann eine Schule besuchen,
schafft sein Abitur und kann studieren. Bei der staatlichen
Molkerei Smolensk findet er Ende der 70er Jahre eine An­
stellung als Ingenieur, wird schließlich Direktor. Trotzdem
zieht es ihn weg aus der Hagener Partnerstadt. „Mir ist es
dabei nie ums Geld gegangen“, sagt er, „ich wollte, dass
die Familie deutsch bleibt, dass wir unsere Wurzeln nicht
verlieren.“ Nach der Privatisierung der Molkerei bringt es
sein Nachfolger zu Millionen.
Neue Heimat in Hagen gefunden
Erwin Hoffmann aber findet etwas anderes. Eine Heimat
für sich und seine Familie. Er ist auch ein Wanderer, auf der
Suche nach dem gelobten Land. Ob er es hier gefunden
hat? „Wir hatten 21 Jahre in Deutschland, die nicht immer
ungetrübt waren“, schreibt Erwin Hoffmann, der Wert da­
rauf legt, dass auch seine Enkel Russisch lernen, „aber wir
sind mit unserem Leben zufrieden.“
„Wanderer – Auf der Suche nach dem gelobten Land“
Erwin Hoffmann
Novum-Pro-Verlag
ISBN 978399038425-1
23,20 €
(Der Westen vom 29.7.2014 von
Jens Stubbe / Westfalenpost Hagen)
Artur Abich: Sibirische Meilen
Eiskalte Winterzeiten, meterhohe Schneeverwehungen,
brüllend heiße Sommer, endlose dichte Wälder, eine fast
unberührte Natur. Weite Landschaften und bescheidene,
an die Natur angepasste Menschen – Sibirien.
Dieser Erlebnisbericht erzählt vom schmerzhaften Weg in
die ferne Verbannung durch die Willkür des Machthabers
und die damit verbundene unfreiwillige Ansiedlung in kleine,
abgeschiedene Dörfer, die weit zerstreut in der Taiga liegen.
Von dem nachfolgenden Wandlungsprozess in dieser rauen,
fremden Welt, während auf der Tagesordnung nur eines fett
geschrieben stand: Die quälenden Sorgen um das Über­
leben bei extremen Bedingungen.
64
Aber trotz dieser armseligen Eintönigkeit des Daseins
entwickelte sich mit der Zeit doch die Leidenschaft für die
bezaubernde, unübertreffliche Schönheit dieser unge­
störten Natur. Auch die von alters her bewahrten Bräuche
und Sitten der Bewohner des Waldgebietes schildert diese
Erzählung. Von selbst erlebten lustigen und traurigen Jägerund Fischergeschichten und die der alte Jäger neben dem
flammenden Lagerfeuer im Freien erzählt hatte.
Es sind hautnahe, wahre Geschichten von Menschenschick­
salen nicht nur aus einer schwierigen Zeit voller Entbehrun­
gen, sondern auch manche amüsante Erlebnisse.
Artur Abich:
Sibirische Meilen
Verlag Winterwork,
Auflage 1 Taschenbuch (Mai 2014),
490 Seiten,
ISBN: 978-3-86468-704-4
Kulturvermittler über die Grenzen –
Waldemar Weber zum 70. Geburtstag
Mit seiner beachtlichen Leistung gehört Waldemar Weber
(wohnhaft in Augsburg) zu den bedeutendsten Kulturver­
mittlern der Russlanddeutschen. Es gibt keinen großen
deutschen Lyriker, der Waldemar Weber nicht seine Be­
kanntheit in Russland zu verdanken hätte: In mehreren
Anthologien hat er so gut wie die gesamte Klassik des
deutschen Gedichtes des 20. Jahrhunderts in russischer
Sprache zugänglich gemacht.
Gleichermaßen zu Hause in der deutschen und der russi­
schen Kultur, geschult an Gottfried Benn, Hans Magnus
Enzensberger, Ingeborg Bachmann und vielen anderen, die
Waldemar Weber in den 80er Jahren als Herausgeber von
Anthologien mit eigenen und kollektiven Übersetzungen
dem russischen Leser erschloss, kämpfte er gegen Abkap­
selung der russlanddeutschen Autoren an und forderte
Orientierung an der deutschsprachigen Literatur des
Westens im 20. Jahrhundert. Sprache und Literatur sind
für Weber Mittel der Aufklärung und Umgestaltung. „Mit
literarischem Anspruch und intel-lektueller Kompetenz,
die den Sarkasmus einschließt, reich an emotionaler Ener­
gie, an Stoffen und Motiven und sicher im Gebrauch rheto­
rischer Mittel, lässt Weber die meisten russlanddeutschen
Autoren weit hinter sich“, beschreibt die Literaturwissen­
schaftlerin Annelore Engel-Braunschmidt.
Rundschreiben Nr. 3
September 2014
Waldemar Weber Gedichtband
„Tränen sind Linsen“.
Weber wurde am 24. September 1944 in Sarbala/Kemerowo
in einer russlanddeutschen Familie geboren. Er studierte
Germanistik und Slawistik in Moskau, war Mitarbeiter bei
der Zentralzeitung der Russlanddeutschen „Neues Leben“
und bei der russlanddeutschen Redaktion von Radio
Moskau. Seit 1969 arbeitet er als freischaffender Kultur­
journalist, Übersetzer, Herausgeber und machte sich einen
Namen als Übersetzer westeuropäischer Lyrik und Prosa
ins Russische, die in mehr als 50 Büchern und Anthologien
in Moskau und St. Petersburg erschienen. Er verfasste
kritische Beiträge über die russlanddeutsche und bundes­
deutsche Literatur, hielt Vorträge in Deutschland und
Österreich und publiziert in russischen, österreichischen
und deutschsprachigen Presse des Auslandes. Sein
deutschsprachiger Eigenband „Tränen sind Linsen“ (1992,
Moskau) fasst 104 Gedichte und elf Essays zusammen.
Von 1990 bis 1992 war Weber Dozent am Gorki-Literatur­
institut in Moskau, wo er das Seminar für Poetik und Litera­
rische Übersetzung leitete. Von 1992 bis 1994 unterrichtete
er als Gastprofessor an der Karl-Franzens-Universität Graz
und an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck sowie
1995 / 1996 an den Universitäten von Wien und Innsbruck.
Seit 2000 führt Weber zwei eigene Verlage – „WaldemarWeber-Verlag“ und „Verlag an der Wertach“, die unter ande­
rem Werke über die russlanddeutsche Geschichte heraus­
geben (www.waldemar-weber-verlag.de). Eines der bedeu­
tenden die Veröffentlichung „Die Zone der totalen Ruhe“
von Gerhard Wolter in deutscher und russischer Sprache.
Diese Dokumentation über die organisierte Tötung der
russlanddeutschen Volksgruppe im Zweiten Weltkrieg und
danach, eine Art Archipel GULAG der Russlanddeutschen,
ist ein Beitrag gegen das Relativieren oder Verharmlosen
der Tragödie der Russlanddeutschen auf, die ein besseres
Verständnis zwischen den Aussiedlern und Einheimischen
fördert.
Waldemar Weber ist Mitglied des PEN-Clubs von Liechten­
stein und des Verbandes der russischen Schriftsteller. Für
sein vielfältiges Engagement wurde er 1993 mit dem Lite­
raturpreis des Großherzogtums Luxemburg, 2002 mit dem
PEN-Preis für deutsche Lyrik Liechtenstein und 2002 mit
dem Ersten Allrussischen und Internationalen MackowskiPreis für russische Prosa und Lyrik ausgezeichnet.
Seit 2014 ist er wiederholt Juryvorsitzender des Russland­
deutschen Kulturpreises des Landes Baden-Württemberg,
der in diesem Jahr wieder verliehen wird.
Im Namen der Landsmannschaft wünscht die VadW-­
Redaktion Waldemar Weber weiterhin viel Schaffenskraft.
(VdaW vom August - September 2014)
Der Jubilar Waldemar Weber.
65
6
Veröffentlichungen
Robert Korn: Der Lohn der Treue
Mehr als zwölf Millionen Deutsche hatten durch Flucht und
Vertreibung seit 1944 / 45 ihre Heimat verlassen müssen,
über zwei Millionen hatten dabei den Tod gefunden. Die
mehr als anderthalb Millionen Deutschen in der Sowjet­
union waren zu dieser Zeit schon längst deportiert, in
Sibirien und Kasachstan interniert oder ins Ausland ver­
schleppt worden.
Bücher aus dem Waldemar-Weber-Verlag und dem
Verlag an der Wertach:
Die Bestellungen sind an Waldemar Weber Verlag,
Nordendorfer Weg 20, 86154 Augsburg zu richten.
Telefon 08 21 / 4 19 04 31 und 08 21 / 4 19 04 33
Telefax 08 21 / 4 19 04 31
[email protected]
Per Mausklick in versunkene Welten
Als 1950 die Charta der deutschen Heimatvertriebenen
unterzeichnet wurde, befanden sich die Wolgadeutschen
und die anderen deutschen Gruppen in der UdSSR noch
in polizeilichem Gewahrsam. Ihre Familien wurden gewalt­
sam getrennt, Männer ab 15 bis 60 und die Frauen ab 16
bis 50 Jahren mussten allein wegen ihrer deutschen Volks­
zugehörigkeit in den Urwäldern Sibiriens und Kohlengruben
des hohen Nordens unter unmenschlichen Bedingungen
Zwangsarbeit verrichten. Hunderttausende fanden dabei
einen qualvollen Tod.
Das Kriegsende brachte den Verstoßenen nur eine unwe­
sentliche Erleichterung: Sie standen unter Kommandantur­
aufsicht und durften bis 1971 in ihre angestammten Sied­
lungsgebiete nicht zurückkehren. All das wurde keinem Volk
und keiner Volksgruppe in der Sowjetunion angetan. Doch
obwohl der Kreml in den 1980er Jahren das Genozid an den
Deutschen in Russland formal anerkannt hat, mehren sich
in letzter Zeit erneut Stimmen von einigen Pseudowissen­
schaftlern, die den erwiesenen Völkermord leugnen, um
ihn allmählich zu zerreden.
Das vorliegende Buch „Der Lohn für die Treue“ von Robert
Korn ist gegen diese Tendenz gerichtet. Der Verfasser stellt
den historischen Weg der Wolgadeutschen dar, die sich zu
ihrer neuen Heimat immer loyal verhielten. Moskau aber
belohnte sie dafür stets mit Raub, Enteignung, Mord und
Vertreibung. Nach 250-jähriger Geschichte in Russland
scheinen die Wolgadeutschen nun ihren Weg abgeschlos­
sen zu haben. Ihre Gemeinschaft befindet sich zur Zeit in
vollständiger Auflösung. Deshalb ist der Beitrag des Verfas­
sers zur Erforschung unserer Geschichte nicht zu unter­
schätzen: Er hat für die Nachkommen der Wolgadeutschen
und alle interessierten Leser ein vielseitiges Bild seiner
Landsleute und ihrer geraubten Heimat festgehalten.
(Prof. Dr. Eduard Frank)
Robert Korn:
Der Lohn der Treue
Königsberg; Waldemar Weber Verlag,
Augsburg 2012; 450 S.,
ISBN 978-3-939951-35-3
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Osteuropa-Datenbank
Wer ein modernes, solides Nachschlagewerk zur Kultur und
Geschichte der Deutschen im östlichen Europa sucht, ist
beim neuen Oldenburger Online-Lexikon an der richtigen
Adresse: Verlässlich, aktuell, umfassend, überall zugänglich,
wissenschaftlich abgesichert und zitierfähig sind die Infor­
mationen, die unter http://ome-lexikon.uni-oldenburg.de
im Internet zu finden sind.
Das Projekt wird in Zusammenarbeit des Germanistischen
Instituts der Carl von Ossietzky Universität mit dem Bun­
desinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen im
östlichen Europa (BKGE) in Oldenburg und mit Förderung
der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und
Medien (BKM) schrittweise aufgebaut. Ein Fünftel der mehr
als 600 geplanten Stichworte der Online-Enzyklopädie
steht bereits im Netz.
Die Stichworte des Lexikons sind vier Kategorien zugeord­
net: Man findet Orte und Städte wie „Czernowitz / Cernivci“,
„Gumbinnen / Gusev“ und „Königshütte / Chorzów“, Regio­
nen wie „Karpato-Ukraine“ und „Pomerellen / Westpreußen“,
Länder (sowohl heutige Staaten als auch historische Länder) wie „Litauen“ und „Serbien“ sowie Begriffe und Kon­
zepte wie „Charta der Deutschen Heimatvertriebenen“
und „Flüchtlingssiedlungen“ oder „Erinnerungskultur“ und
„Sprachpolitik“. In dieser Rubrik „Begriffe und Konzepte“
werden Gruppenbezeichnungen, territoriale Lemmata, wis­
senschaftliche Begriffe und ideologische Konzepte, Institu­
tionen und religiöse Gemeinschaften zusammengefasst.
Das Lexikon beschäftigt sich mit historischen Regionen
wie Schlesien, Pommern, West- und Ostpreußen, aber
auch mit den Böhmischen Ländern sowie den deutschen
Siedlungsgebieten im Baltikum, in Südosteuropa (z.B.
Siebenbürgen, Dobrudscha, Banat oder Bessarabien), in
Russland und anderen GUS-Nachfolgestaaten. Ein solches
umfassendes und aktuelles enzyklopädisches Werk über
die Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen
Europa gab es bisher weder in gedruckter noch in elektro­
nischer Form.
Rundschreiben Nr. 3
September 2014
Redaktion und Kontakt:
Miriam Runge (Institut für Germanistik der Carl von
Ossietzky Universität Oldenburg)
Per Mausklick in versunkene Welten.
Das „Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deut­
schen im östlichen Europa“ ist zeitlich und räumlich über­
greifend angelegt und berücksichtigt die unterschiedlichen
historischen und kulturwissenschaftlichen Disziplinen und
Aspekte. Den zeitlichen Rahmen bilden – jeweils unter
Berücksichtigung der weiter greifenden Kontexte – das
12. und 13. Jahrhundert mit dem mittelalterlichen Landes­
ausbau im östlichen Europa und das Jahr 1945 mit dem
Ende des Zweiten Weltkrieges sowie Flucht und Vertreibung
der deutschen Bevölkerung bzw. spätere Aussiedlungen.
Die fortdauernde Geschichte deutscher Minderheiten, die
meist unter neuen politischen Vorzeichen stand, wird ein­
bezogen. Um jede Engführung der Thematik auszuschlie­
ßen, ist das Lexikon einem multiperspektivischen Ansatz
verpflichtet: Stets werden die Vielschichtigkeit der Vergan­
genheit und des kulturellen Erbes der Regionen im östli­
chen Europa, das durch Zusammenwirkung verschiedener
Sprachen, Kulturen und Konfessionen entstanden ist, sowie
Wechselwirkungen, Überlagerungen und Austausch mit
der Kultur und Geschichte anderer ethnischer Gruppen im
Blick behalten.
In der Öffentlichkeit wie in der Wissenschaft ist der Bedarf
an fundierten Informationen über die Kultur und Geschichte
der Deutschen im östlichen Europa in den letzten Jahren
deutlich gestiegen. Das Oldenburger Online-Lexikon soll
eine Antwort auf diese Nachfrage sein, verlässliche Daten
bieten, traditionelle Konzepte der Geschichtsschreibung
und ihre nationale oder ideologische Bedingtheit kritisch
hinterfragen und auf die gegenwärtigen wissenschaftlichen
Forschungen und einzelnen Fach-diskurse verweisen.
Die Lexikon-Artikel werden von Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftlern aus dem In- und Ausland verfasst. Zahl­
reiche Partnereinrichtungen wie etwa das Deutsche Kultur­
forum östliches Europa in Potsdam und das Herder-Institut
Marburg sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft­
ler aus dem In- und Ausland unterstützen den Aufbau des
Online-Lexikons, das auch in Zusammenarbeit mit der
Bundeszentrale für politische Bildung präsentiert wird.
Wissenschaftliche Leitung:
P
rof. Dr. Sabine Doering (Institut für Germanistik der
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg),
Prof. Dr. Matthias Weber (Direktor des BKGE,
Oldenburg)
(Kulturpolitische Korrespondenz vom 25. Juli 2014)
Geteiltes Erbe könnte doppeltes Erbe werden
Anna Manko-Matysiak, Eef Overgaauw, Tobias
Weger (Hg.):
Das deutsche Kulturerbe in Schlesien.
Wege und Perspektiven der Forschung
(Schriften des Bundesinstituts für Kultur und Geschichte
der Deutschen im östlichen Europa 51). 2014.
303 Seiten, zahlreiche Abb.,
ISBN 978-3-486-75425-4, 39,95 €
In Polen hat sich bereits seit längerer Zeit eine Sichtweise
etabliert, die das deutsche Kulturerbe in den bis 1945 zu
Deutschland gehörenden preußischen Ostprovinzen als
Teil der eigenen Geschichte auffasst. Dieses Erbe wird als
Teil nicht nur der deutschen, sondern auch der polnischen
Geschichte verstanden. Darüber hinaus hat es im größeren
Kontext der deutsch-polnischen Beziehungen und der euro­
päischen Kulturgeschichte einen festen Platz erhalten. An
den polnischen Universitäten und Forschungsinstituten
hat dieser Prozess zu einer Aufwertung des deutschen Kul­
turerbes als Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchun­
gen geführt.
Die Beiträge des Sammelbandes, der die Ergebnisse einer
Tagung in Berlin (Frühjahr 2012) zusammenfasst, unter­
suchen diese Entwicklung am Beispiel Schlesiens; sie stel­
len Fragen und zeigen Per-spektiven der Forschung in den
Bereichen der Geschichtswissenschaften, der Philologie(n)
und der Volkskunde auf.
Weitere Informationen:
http://kulturportal-west-ost.eu/korrespondenzen/
buecher-medien-veranstaltungen-56
(Kulturpolitische Korrespondenz vom 25. Juli 2014)
http://kulturportal-west-ost.eu/korrespondenzen/
per-mausklick-in-versunkene-welten
[email protected].
67
7
Anlagen
7
Anlagen
Anlage 1
2014: Wichtige Daten russlanddeutscher Geschichte
Mit dieser Rubrik erinnert die Landsmannschaft an schick­
salsträchtige Daten aus 250 Jahren russlanddeutscher
Geschichte. Historische Ereignisse, die die Geschichte der
Volksgruppe maßgebend geprägt haben, werden in Wort
und Bild durchleuchtet und Hinweise zur weiterführenden
Literatur gegeben.
29.6.2014: 250 Jahre Gründung der ersten deutschen
Kolonie an der Wolga – Moninger / Nischnjaja Dobrinka
Die Ansiedlung der Deutschen im Wolgagebiet erfolgte auf­
grund des Manifestes der Zarin Katharina II. vom 22. Juli
1763. Zwischen 1764 und 1773 wanderten nach Russland
etwa 30.600 Deutsche größtenteils aus Hessen, kleinere
Gruppen aus Pfalz und anderen deutschsprachigen Gebie­
ten aus. Im Sommer 1764 begann die Gründung der deut­
schen Kolonien zwischen den Städten Saratow und Zarizyn
(heute Wolgograd) an der Wolga. In den nachfolgenden
Jahren entstanden hier auf der Berg- und Wiesenseite 104
Siedlungen. Die Siedler ließen sich nach dem konfessionel­
len Prinzip nieder (bei der Gründung waren 66 Kolonien
evangelisch und 38 katholisch).
68
Unter dem Namen Moninger (nach dem ersten Vorsteher)
wurde am 29. Juni 1764 auf der Bergseite der unteren Wolga
die erste deutsche Kolonie gegründet. Die ersten 94 Fami­
lien (insgesamt 353 Siedler lutherischen Glaubens), die
aus Württemberg, Darmstadt, Heidelberg und Zweibrücken
stammten, kamen mit Pferdewagen aus der damaligen
Hauptstadt Sankt-Petersburg und ließen sich direkt an der
Mündung des Flusses Dobrinka in die Wolga, 32 km nörd­
licher der heutigen Rayonstadt Kamyschin nieder. Admi­
nistrativ gehörte die Kolonie Moninger zuerst zum Gouver­
nement Astrachan und seit 1797 zu Saratow.
Jede Familie, unabhängig von der Zahl der Familienmitglie­
der, bekam dreißig Desjatinen (eine Desjatine 1,09 Hektar)
Land in dauerhaften und erblichen Besitz (es wurde an den
jüngsten Sohn vererbt), sie durften ihr Land weder verkau­
fen noch aufteilen. Die gesamte Landfläche von Moninger
betrug 12.036 Desjatinen (13.238 Hektar), davon 4.368
Desjatinen Ackerland und 5.636 Desjatinen Weideland.
1768 wurde die Kolonie in Dobrinka umbenannt. Dadurch
wollten die Erstsiedler der russischen Kaiserin Katharina II.
ihren Dank für die Einladung der Deutschen ins Russische
Reich zollen. Der Name ist auf das russische Wort „dobraja“
(„gutherzig“) gegenüber den Kolonisten zurückzuführen.
Rundschreiben Nr. 3
September 2014
Die ersten deutschen Kolonie an der Wolga –
Moninger / Nischnjaja Dobrinka.
In den ersten Jahren wurden die deutschen Kolonien oft
von Nomadenvölkern und Räuberbanden überfallen. Sie
raubten nicht nur Vieh und Gerätschaften, sondern setzten
die Häuser in Brand, verschleppten die Siedler in die Skla­
verei und töteten die Widerspenstigen. Bis 1773 waren von
den 94 Gründerfamilien infolge der zerstörerischen Über­
fälle und Raubzüge der Nomadenvölker nur noch 83 Fami­
lien geblieben. Um die deutschen Kolonien einigermaßen
vor Überfällen jeglicher Art zu schützen, verordnete die
russische Regierung die Errichtung von Gräben, Erdwällen
und Bollwerken.
1859 hatte der Ort 159 Höfe mit 2.866 Dorfbewohnern, eine
Kirche und eine Kirchenschule. Die ev.-lutherische Kirche,
die 1845 aus Stein errichtet und feierlich eingeweiht wurde,
entwickelte sich später zum Zentrum der Baptisten im
Wolgagebiet. Heute erinnert eine Kirchenruine an die Ver­
gangenheit. Die Kolonisten legten viel Wert auf die Leseund Schriftkundigkeit ihrer Kinder. Zusätzlich zur Kirchen­
schule wurde in Dobrinka 1886 auch eine Landschule er­
öffnet. Die Kolonie hatte ein überdachtes Marktgebäude,
was damals relativ selten für ein Dorf war. Die Siedlung ver­
fügte über einen Hafen an der Wolga sowie mehrere Ge­
treide- und Ölmühlen. Zur Verarbeitung der auf der Wolga
herbeigeflößten Holzstämme hatte Dobrinka früher auch
eine Sägemühle. Nach 1877 baute die Firma Borell&Söhne
hier auch eine fünfstöckige Dampfmühle. Als 1875 die Aus­
wanderung nach Übersee begann, verließen etwa 30 Fami­
lien die Kolonie. Zum Vergleich: Aus der westlichsten Kolo­
nie Frank (ungefähr auch so groß wie Dobrinka) wanderten
bis zu 250 Familien nach den USA und Kanada aus.
In den Jahren des I. Weltkrieges (1914 - 1918) bekamen die
deutschen Kolonien russische Ortsnamen. 1915 wurde die
Siedlung Dreispitz in Werchnjaja Dobrinka und Dobrinka in
Nischnjaja Dobrinka umbenannt, so heißt sie bis heute. Seit
1921 gehörte die Kolonie zum Kanton Nischne-Ilowlinskij,
der seit 1924 Kamenka und ab 1935 Dobrinka hieß mit
Nischnjaja Dobrinka als Kantonzentrum. Nach der Deporta­
tion der Wolgadeutschen wurde der Kanton Dobrinka auf­
gelöst und im Herbst 1941 an das Gebiet Stalingrad (heute
Wolgograd), Kreis Kamyschin, angeschlossen.
Zum 225-jährigen Jubiläum der Kolonie Nischnjaja Dobrinka
im Jahre 1989 kamen Tausende Russlanddeutsche aus
vielen Regionen der UdSSR zusammen. Es gab ein großes
Fest nicht nur für Gäste, auch viele Einwohner waren als
Zuschauer da. Auf einer Bühne am Ufer der Wolga präsen­
tierten russlanddeutsche Kulturgruppen ihr Können: Es
wurden deutsche Volkslieder gesungen, Volkstänze getanzt,
Gedichte und Schwänke in der Mundart vorgetragen. Das
Deutsche Schauspieltheater Alma-Ata zeigte eine Vorfüh­
rung der Hochzeit der Wolgadeutsche auf dem Land. Nach­
her bildeten alle Gäste, die zum Fest gekommen waren,
zusammen mit den Bühnenkünstlern einen Zug und zogen
mit Liedern und Musik durch das Dorf. Auch für alle Dorf­
bewohner war das Fest ein freudiges Ereignis.
Dazu ein Buchtipp:
Christine Manthey & Fred Manthey „Wolga, Weimar,
Weizenfeld. Deutsche in und aus Russland – Mosaik­
steine zu ihrer Geschichte und Gegenwart“
(Alexander Kelbler, Zell am Main / VadW)
Juni 1979: 35 Jahre versuchter deutscher Autonomie
in Kasachstan – der Spuk von Jermentau
Die Erlasse von 1964 und 1972 erleichterten unter anderem
die Bewegungsfreiheit der Deutschen in der Sowjetunion.
Mehr als die Hälfte der deutschen Bevölkerung war zu der
Zeit durch Deportationen, Sondersiedlung und freiwilliges
Umsiedeln zwecks Familienzusammenführung in Kasach­
stan konzentriert. Trotz gewisser Erleichterungen blieb
die Rechtslage der Deutschen dennoch äußerst unbefrie­
digend. Ungeachtet der eher halbherzigen Bemühungen
der Sowjetführung um die „nationalen kulturellen Belange“
der deutschen Minderheit hatten sich die Ausreisestim­
mungen in den 1970er Jahren deutlich verstärkt. Vor allem
mit der Unterzeichnung des KSZE-Abkommens 1975 in
Helsinki erreichten die Ausreisegenehmigungen mit 9.652
Personen (1976) erstmals einen Höhepunkt. Das Ausmaß
der Emigrationsbewegung und der damit eingehende
außenpolitische Schaden veranlasste die Moskauer Regie­
rung offenbar, über eine geeignete Lösung der „deutschen
Frage“ nachzudenken.
69
7
Anlagen
1913: Rekruten aus der
deutschen Kolonie
Alexandersdorf / Kaukasus
– eine Jahr vor dem Ersten
Weltkrieg.
Foto: Archiv Rita Laubhan,
Ludwigsburg
So kam man auf die Idee, eine territoriale Autonomie zu
gründen, um die „ungesunden Emigrations- und nationa­
listischen Stimmungen zu bekämpfen.“ Zentralkasachstan
galt als politischer und kultureller Kristallisationsschwer­
punkt. Entsprechend fiel auch die Begründung aus: Beinahe
die Hälfte der Deutschen sei auf dem Territorium Kasach­
stans „fest verwurzelt“, dort befände sich eine große
Anzahl der nationalen Nomenklatur-Kader, es gebe in der
Unionsrepublik mehr als 230 dörfliche Ortschaften, in
denen die Deutschen die Bevölkerungsmehrheit stellten.
Daher schlug Moskau vor, eine Deutsche Autonomie aus
fünf Rayons der angrenzenden Gebiete Karaganda, Kokt­
schetaw, Pawlodar und Zelinograd mit einer Fläche von
46.000 qkm und Jermentau (120 Kilometer nordöstlich
von Zelinograd) als Zentrum zu bilden. Dort lebten bereits
202.000 Menschen, davon ca. 30.000 Deutsche. Auf
Befehl aus Moskau wurde die kasachische Regierung in
Alma-Ata beauftragt, das Problem zu lösen.
Für den Juni 1979 war geplant, im Gebiet Zelinograd einen
„Deutschen Rayon“ mit dem Zentrum in der Kreisstadt
Jermentau zu schaffen. Eine „deutsche Regierung“ mit
dem späteren ersten Parteisekretär des Gebietes Zelino­
grad, Andrej Braun, an der Spitze wurde angekündigt. In
den größeren Betrieben führte man am 14. Juni Versamm­
lungen durch, auf denen den Werktätigen die Schaffung
eines deutschen autonomen Bezirkes erklärt wurde. Die
Maßnahme wurde vor allem damit gerechtfertigt, dass
sich die Deutschen schon seit mehreren Generationen in
diesem Gebiet befanden, gut arbeiteten und deshalb einen
eigenen autonomen Bezirk verdient hätten.
70
Daraufhin regte sich heftiger und offenbar organisierter
Widerstand unter der kasachischen Bevölkerung. Zwei Tage
später, am 16. Juni 1979, gingen über 5.000 kasachische
Studenten und Lehrer auf die Straßen von Zelinograd mit
Transparenten wie „Kasachstan den Kasachen“, „Kasach­
stan ist unteilbar“, „Alle Deutsche nach Sibirien“ etc. Auch
in den nachfolgenden Tagen kam es zu Demonstrationen
und Schlägereien, die von randalierenden kasachischen
Studenten angestiftet wurden. Die Leidtragenden der Kra­
walle waren Russen und Deutsche, die sich ja aus asiati­
scher Sicht äußerlich nicht unterscheiden. Während die
Staatsmacht sonst auf Unmutsäußerungen jeglicher Art
außerordentlich heftig reagierte, blieben diesmal die poli­
tischen und personellen Konsequenzen aus. Das zeigt ein­
mal mehr, dass sich Moskau nie ernsthaft um eine wirkliche
Gleichstellung der Deutschen bemühte.
Kurz darauf wurde den Bewohnern um Jermentau auf Be­
triebsversammlungen mitgeteilt, dass die Frage der deut­
schen Autonomie schlecht vorbereitet worden sei und auch
noch nicht reif genug sei. Es müsse deshalb alles so wie
bisher bleiben. Der Spuk von Jermentau hatte etwas mehr
als eine Woche gedauert. Aufgrund dieser Proteste wurde
der Versuch, in Kasachstan ein autonomes deutsches Ge­
biet zu schaffen, abgebrochen. Als Folge des erwachenden
kasachischen Nationalismus kam es zu einer Forcierung
des Ausreisewillens unter den Angehörigen der deutschen
Minderheit.
(Nina Paulsen [nach „Lindenblätter“
sowie Zeitzeugenberichten in deutsch- und
russischsprachigen Publikationen]).
Rundschreiben Nr. 3
1939 - 1945: Der II. Weltkrieg und seine verheerenden
Folgen für die Deutschen in der Sowjetunion
Bereits die „Urkatastrophe“ des 20. Jh. – der I. Weltkrieg –
warf einen ersten schweren Schatten auf die deutschen
Kolonisten im Russischen Reich. Aber erst der II. Weltkrieg,
der im September 1939 ausbrach und mit dem deutschsowjetischen Krieg ab Juni 1941 ihren unumkehrbaren Lauf
nahm, markierte für die deutsche Minderheit in der Sowjet­
union eine besonders folgenschwere Zeit mit Verfolgungen,
Vertreibungen und Diskriminierungen, die die Volksgruppe
an den Rand ihrer Existenz brachte. Bereits vor dem Krieg
galten die Deutschen im Klima der Klassenfeind-, Sabotage-,
Schädlings- und Spionagehysterie und -bekämpfung auf­
grund ihrer sprachlichen Verwandtschaft mit dem „kapita­
listischen“ und später auch „faschistischen” Deutschland
zunehmend als verdächtig. Mit 14,7 Prozent (!) Opfer bei
einem Bevölkerungsanteil von nur 1,4 Prozent waren sie
die am meisten verfolgte nationale Gruppe.
Der deutsch-sowjetische Krieg hatte für die Deutschen in
der Sowjetunion besonders verheerende Folgen. Im August
1941, bereits vor dem Deportationserlass vom 28.8.1941,
wurden Deutsche von der Krim und aus dem Kaukasus,
den Teilen des Schwarzmeergebietes sowie aus Leningrad
und Umgebung nach Sibirien und Mittelasien deportiert.
Ihnen folgten nach dem Erlass des Präsidiums des Obersten
Sowjets der UdSSR „Über die Übersiedlung der Deutschen,
die in den Wolgarayons wohnen“ vom 28. August die Wolga­
deutschen und die Deutschen aus den restlichen europäi­
schen Gebieten.
Nach der massenhaften Zwangsumsiedlung erfolgte ab
Ende 1941 die Mobilisierung für die NKWD-Arbeitskolonnen.
Keine andere Ethnie in der Sowjetunion hatte eine derart
tiefgreifende physische Ausbeutung erfahren müssen. Von
den 1,1 Mio. Russlanddeutschen, die sich während des
Krieges im sowjetischen Machtbereich befanden, mussten
etwa 350.000 Jugendliche, Männer und Frauen Zwangs­
arbeit leisten. Eine verlässliche Zahl der Opfer lässt sich
bislang nicht angeben; die Sterblichkeitsrate soll Hoch­
rechnungen einzelner Lager zufolge nicht weniger als 20
Prozent betragen haben.
September 2014
29. August 1964: 50 Jahre teilweise Rehabilitierung
Dem Erlass des Präsidiums des Obersten Sowjets der
UdSSR vom 13.12.1955 „Über die Aufhebung der Einschrän­
kungen in der Rechtsstellung der Deutschen und der Mit­
glieder ihrer Familien, die sich in der Sondersiedlungen
befinden“ (war nicht zur Veröffentlichung in der Presse
bestimmt) folgte fast neun Jahre später ein weiterer Er­
lass des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR vom
29.8.1964 über Änderungen des Erlasses des Präsidiums
des Obersten Sowjets der UdSSR vom 28. August 1941
„Über die Umsiedlung der Deutschen, die in den WolgaRayons leben“.
Ursprünglich war auch dieser Erlass nicht zur Veröffent­
lichung bestimmt. In der Unterlage ist diese Stelle jedoch
durchgestrichen und durch „Zur Veröffentlichung im An­
zeiger“ (Mitteilungsblatt des Obersten Sowjets der UdSSR)
ersetzt, wo er dann auch erst am 5. Januar 1965 veröffent­
licht wurde. Weder das Organ der Regierung „Iswestija“
noch die Parteizeitung „Prawda“ hatten den Erlass erwähnt.
Die Russlanddeutschen erfuhren von ihrer teilweisen Re­
habilitierung aus der Zeitung „Neues Deutschland“ (OstBerlin). Auch die westdeutsche Zeitung BILD am SONNTAG
berichtete am 21. Februar 1965 im Beitrag „Sing wieder
deutsch, Towarisch!“ über das Leben der Deutschen in
Kasachstan in Zusammenhang mit dem Erlass von 1964.
Zwar nahm er den schmachvollen Fleck des Vaterlandsver­
rates von den Russlanddeutschen, indem der Erlass vom
28.8.1941 „in dem Teil aufgehoben wurde, der pauschal er­
hobene Anschuldigungen gegen die deutsche Bevölkerung,
die in den Wolga-Rayons lebte, enthält.“ Aber die Rehabili­
tierung von 1964 blieb eine rein formelle Angelegenheit.
„Das Leben hat erwiesen, dass diese pauschal erhobenen
Anschuldigungen haltlos und Ausdruck der angesichts
des Personenkults um Stalin herrschenden Willkür waren.
In Wirklichkeit hat die überwiegende Mehrheit der deut­
schen Bevölkerung in den Jahren des Großen Vaterländi­
schen Krieges gemeinsam mit dem ganzen Sowjetvolk
durch ihre Arbeit zum Sieg der Sowjetunion über das
faschistische Deutschland beigetragen, und in den Nach­
kriegsjahren beteiligt sie sich aktiv am kommunistischen
Aufbau“, soweit der Wortlaut.
Bis 1946 lebten ca. 970.000 Deutsche (nach anderen Quel­
len 949.8265), darunter 280.000 Repatrianten, in der
Sondersiedlung und Verbannung in Sibirien, Kasachstan,
Mittelasien und im hohen Norden. Durch die Auflösung
aller kulturellen Institutionen in den Herkunftsgebieten,
Zerstreuung und Sondersiedlung unter der Kommandan­
turaufsicht, Studiums- und Berufsverbot wurde die Grund­
lage für eine eigenständige Entwicklung der Deutschen in
der Sowjetunion unwiederbringlich zerstört.
71
7
Anlagen
Der Erlass besiegelte das weitere Verbleiben der Deutschen
in den Verbannungsgebieten und zeigte auf eine aufschluss­
reiche Art, mit welchem Zynismus die Russlanddeutschen
per Gesetz zum „Arbeitsvieh“ stilisiert wurden: „In Anbe­
tracht der Tatsache, dass die deutsche Bevölkerung in
ihren neuen Wohngebieten auf dem Territorium einer Reihe
von Republiken, Regionen und Gebieten des Landes fest
integriert ist und die Rayons ihres früheren Wohnsitzes
besiedelt sind, werden die Ministerräte der Unionsrepub­
liken zwecks einer weiteren Entwicklung der Rayons mit
deutscher Bevölkerung beauftragt, der auf dem Territorium
dieser Gebiete lebenden deutschen Bevölkerung auch
weiterhin Hilfe und Unterstützung beim wirtschaftlichen
und kulturellen Aufbau unter Berücksichtigung ihrer nati­
onalen Eigenart und ihrer Interessen zu gewähren.“
Das Wenige, das im Erlass von 1964 versprochen wurde,
erfüllte sich vor Ort entweder mit Verzögerungen, war
unvollständig oder wurde überhaupt nicht umgesetzt. Die
Forderung der Deutschen nach einer Wiederherstellung
ihrer autonomen Republik wurde als Nationalismus inter­
pretiert. Die Delegationen im Jahre 1965, die die Wieder­
herstellung der deutschen Autonomie im Kreml forderten,
blieben geschichtlich ergebnislos.
1989: 25 Jahre Gründung der Unionsgesellschaft der
Sowjetdeutschen „Wiedergeburt“
Die Gründung der Unionsgesellschaft der Sowjetdeutschen
„Wiedergeburt“ im März 1989 war einer der Höhepunkte
der Autonomiebewegung in der Sowjetunion der Nach­
kriegszeit. Die Grundlage dafür wurde bereits Jahrzehnte
zuvor, durch die zwei Delegationen 1965, gelegt.
Nach aufwendiger Vorbereitungsarbeit kamen im April 1988
ca. 14 Vertreter verschiedener örtlicher Initiativgruppen
der Autonomiebewegung nach Moskau und bildeten hier
eine dritte Delegation der Sowjetdeutschen, um mit den
Staats- und Parteibehörden des Landes Verhandlungen
über die Lösung der Probleme der UdSSR-Deutschen zu
führen. In kurzen Abständen folgten dann zahlreichere
vierte (56 Personen) und fünfte (103 Personen) Delegatio­
nen, zu denen Aktive der Autonomiebewegung aus ver­
schiedenen Regionen der Sowjetunion gehörten.
72
Der Zeitraum zwischen der 5. Delegation (Oktober 1988)
und der Gründungskonferenz der „Wiedergeburt“ (März
1989) war nicht nur an organisatorischer Arbeit der Auto­
nomieaktiven reich, aber auch an neuen Veröffentlichun­
gen und Diskussionen in der Zentral- und Lokalpresse um
die Probleme der Deutschen in der UdSSR. Die wichtigsten
Veröffentlichungen über die Deutschen in der UdSSR, die
einer breiten Leserschicht bekannt geworden sind, er­
schienen in den zentralen Zeitungen und Zeitschriften im
November 1988. Gegen Ende des Jahres kam auch der
Durchbruch in der russischsprachigen Presse. Es gab da­
mals kaum eine regionale bzw. lokale Zeitung, wo die
Deutschen kompakt lebten, die nicht über die Geschichte
und Problematik der Volksgruppe schrieb.
An der Wolga (Pallassowka) wurde ein NL (Neues Leben)Leserklub und in Slawgorod / Altai ein RF (Rote Fahne)Leserklub gegründet. Zum ersten Mal seit 50 Jahren ver­
sammelten sich die Deutschen, um ihre Probleme offen
zu diskutieren. Auch in anderen Regionen fanden Versamm­
lungen statt, auf denen die Probleme der Deutschen und
ihrer Zukunft diskutiert sowie Aufträge und Vorschläge
für die Gründungskonferenz der Unionsgesellschaft der
Sowjetdeutschen erarbeitet wurden.
Am 29. - 31. März 1989 fand in Moskau im Konferenz-Saal
des Polytechnischen Museums die Gründungskonferenz
der Unionsgesellschaft der Sowjetdeutschen „Wiedergeburt“
statt. Sie wurde vom Vorsitzenden des Koordinationszen­
trums, Heinrich Groth, eröffnet. Mit einer Grußansprache
wandte sich an die Delegierten Johann Kronewald, der
Ehrenvorsitzende des Koordinationszentrums. Die 146
Konferenzteilnehmer kamen aus dem Wolgagebiet, aus
Kasachstan, Moldawien, Kirgisien, der Ukraine, aus den
Gebieten Omsk, Kemerowo, Nowosibirsk, aus der Altai­
region und anderen Orten unseres Landes. Sie vertraten
alle Altersgruppen und Bevölkerungsschichten. Zum
Schluss verabschiedete die Konferenz eine Resolution und
erarbeitete Briefe an das ZK der KPdSU, den Obersten
Sowjet der UdSSR sowie die Bevölkerung des Wolgagebiets.
Bei der Pressekonferenz der Mitglieder des Koordinations­
zentrums waren Vertreter von über 30 Massenmedien aus
der Sowjetunion und dem Ausland anwesend.
Die Teilnehmer der Gründungskonferenz nutzten nach
der Rückkehr aus Moskau jede Möglichkeit, um die Lands­
leute vor Ort über den Verlauf der Konferenz und ihre Er­
gebnisse zu informieren. In den nachfolgenden Monaten
wurden in mehreren Regionen Zweigstellen der Wieder­
geburt gegründet.
Rundschreiben Nr. 3
September 2014
Viktor Hurr
„Im Arbeitslager“.
Wichtigstes Anliegen der „Wiedergeburt“ war die Wieder­
herstellung der Autonomie an der Wolga. Die Frage der
Autonomie wurde als der entscheidende Faktor angesehen,
um die Deutschen zum Verbleiben in der damaligen Sowjet­
union zu bewegen. Wie die Autonomie zu bewerkstelligen
sei, wurde zum entscheidenden Brennpunkt. Der Flügel um
den stellvertretenden Vorsitzenden Hugo Wormsbecher
wollte sich zunächst mit der Autonomie ohne eigenes Terri­
torium zufrieden geben. Anders dagegen der Flügel um
den „Wiedergeburt“-Vorsitzenden Heinrich Groth, der die
Wolgarepublik möglichst sofort und in den alten Grenzen
wiederhergestellt wissen wollte. Mit der Forderung „Auto­
nomie oder Ausreise“ sollte Druck auf die entsprechenden
politischen Stellen ausgeübt werden.
Mehr zum Thema lesen Sie im eben erschienenen
Heimatbuch 2014 im Beitrag von Josef Schleicher
„An der Wiege der „Wiedergeburt“.
Gründung der Unionsgesellschaft der Sowjetdeutschen
vor 25 Jahren: Wahrnehmungen eines Teilnehmers und
Journalisten.
(VadW vom Juli 2014 Zusammenfassung von Nina Paulsen)
Schließlich kam es innerhalb der Organisation zum Bruch.
Im Juni 1991 organisierte sich die Gruppierung um Hugo
Wormsbecher im „Verband der Deutschen der UdSSR“
neu. Heute leben die meisten „Wiedergeburt“-Aktiven in
Deutschland.
73
7
Anlagen
Betz betreut namhafte Künstler bei ihren Meisterkursen.
Anlage 2
Artur Betz – Geigenbauer mit Talent im Blut
Artur Betz ist gelernter Musiklehrer (Klavier) und Geiger­
bauer von Beruf. In Bad Honnef betreibt er das Musikhaus
Betz – eine Adresse für hochwertige Musikinstrumente.
Bereits seit 20 Jahren beinhaltet das Musikhaus sowohl
Klavierstimmungen, als auch Geigenbau und bietet seiner
Kundschaft ein weites Angebot an hochwertigen Violinen,
Gitarren und anderen Musikinstrumenten, darunter hoch­
wertige Marken wie Steinway oder Schimmel. Zusätzlich
zur Reparatur und Wartung werden Musikinstrumente
(Geigen, Violinen) nach individuellen klanglichen und Desig­
nervorstellungen angefertigt, wie z.B. barocke Violinen mit
Löwenkopf. Besonders gern restauriert und erneuert Artur
Betz alte Instrumente – Lauten und Geigen, etwa eine
Matthias Klotz-Bratsche aus dem Jahr 1780, eine ThierGeige aus dem Jahr 1804 oder ein Cello Salomon Paris
aus dem Jahr 1730.
Schon in der alten Heimat legten die Eltern Karl und Emilie
Betz viel wert darauf, ihren Kindern musikalische Ausbil­
dung angedeihen zu lassen. Alle fünf Kinder Betz, drei
Töchter und zwei Söhne, sind ausgebildete Musiker. In die
Fußstapfen ihrer Eltern ist inzwischen auch die junge Gene­
ration getreten – die Enkel von Karl und Emilie Betz.
1967 zog die Familie nach Frunse / Kirgisien, wo Artur
gleichzeitig mit der Schulausbildung auch die Musikschule
absolvierte. Und er schaute seinem Vater stets über die
Schulter in der Werkstatt der Musikschule. 1975 begann er
sein Musikstudium an der Musikhochschule in Frunse
(heute Bischkek), 1977 wanderte die Familie nach Deutsch­
land aus.
Die Liebe zum Instrumentenbau und Musik ist eine jahr­
hundertelange Tradition und liegt ihm im Blut. Artur Betz
wurde 1959 in Kasachstan / UdSSR geboren. Schon sein
Vater Karl Betz, am 19. Juli 90 geworden, arbeitete als
Instrumentenbauer und Klavierstimmer.
An der Musikhochschule Essen setzte Artur 1978 sein
Studium fort und arbeitete anschließend als Lehrer an der
Musikschule der Hauptstadt Bonn 1985. Auch hier bleib
der Vater Karl ein großes Vorbild für seine Kinder – Jahre
lang war er Musikinstrumente-Meister an der Musikhoch­
schule Köln und später der Musikschule Bonn. Ab 1989
gründete Artur Betz ein Musikstudio in Köln und betrieb
gleichzeitig ein Instrumentenbau-Geschäft (Geigenbau
Artur Betz) in Bad Honnef.
Auch die Mutter Emilie Betz ist Klavierstimmerin von Beruf.
Die Familientradition reicht bis in die ferne Vergangenheit
zurück – der Vorfahr Johann Betz, ein Geigenbauer aus
Reinberg (Schweiz), brach vor 250 Jahren nach Russland
auf und siedelte sich an der Wolga nieder. Er brachte eine
selbstgebaute Geige mit – das musische und handwerk­
liche Talent hat sich über Generationen gehalten. Die Fami­
lientradition setzt Artur Betz mit Talent im Blut und Leiden­
schaft fort.
Mit namhaften Künstlern veranstaltet Betz seit fast 18
Jahren das Musikfestival Menzenberg in Bad Honnef. Seit
1998 betreute er viele namhafte Künstler bei ihren Meister­
kursen im Kurhaus und anderen Projekten wie Konzerte
mit Musikinstrumenten und Instrumentenbetreuung. Zu
diesen Künstlern gehörten beispielsweise Zakhar Bron,
Maria Kliegel, Vassily Lobanov, Viktor Tretjakov und Ruggiero
Ricci (Salzburg). Artur Betz arbeitet zusammen und fördert
die jungen Geiger Roman Kim und Daniel Austrich.
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Rundschreiben Nr. 3
September 2014
In den vergangenen Jahren hat er sich mehrfach mit Er­
folg an Festivals und Musikinstrumenten-Ausstellungen
beteiligt: in Deutschland (Dortmund, Bonn, Menzenberg
Bad Honnef, Bad Godesberg) und in Italien, zuletzt an der
Internationalen Instrumentenausstellung im Maximilian
Museum Augsburg „Wunderwelt – Der Pommerische
Kunstschrank“ am 9.-11. Mai 2014 mit Instrumenten und
kleiner Skulpturenauswahl (Mozart- und Beethoven-­
Büsten). Am 7.-11. Juli hat Betz mit seiner Familie (Frau und
Sohn Friedrich) am Wiener Meisterkurs bei Paul BaduraSkoda (Pianist und Legende) teilgenommen und dem
Musiker eine Mozart-Büste aus der Ausstellung in Augsburg
überreicht.
(VdaW vom August - September 2014 von Nina Paulsen)
www.geigenbau-betz.de
www.artur-betz.de
Artur Betz – Geigenbauer mit Talent im Blut.
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7
Anlagen
Mit Satellitenschüssel
und Klimaanlage:
deutsches Haus in
Orlowskoje.
Foto: Tino Künzel
Anlage 3
Gepriesen sei das deutsche Haus
Ein russischer Besitzer erzählt
Von den Wohnhäusern der Wolgadeutschen sind viele nach
wie vor in Gebrauch. Annähernd quadratisch im Grundriss,
mit charakteristischem Dach und massivem Fundament,
genießen sie bei den Einheimischen einen guten Ruf. Auch
bei einem russischen Eigentümer im Dorf Orlowskoje.
„Ich heiße Wladimir Muchin. Von Beruf bin ich Bauarbeiter,
stehe kurz vor der Rente. Fast mein gesamtes Leben habe
ich in Orlowskoje verbracht, wo ich auch geboren wurde.
Mein Haus gehört zu den deutschen bei uns im Dorf, es ist
Baujahr 1896, stellen Sie sich das mal vor! Zu Sowjetzeiten
wohnte hier der Vorsitzende der Kolchose. Ich habe es in
den 80er Jahren gekauft.
Man kann die Deutschen nur loben. Sie haben für die Ewig­
keit gebaut. Echte Qualität. Bei mir zu Hause ist es warm
und trocken. Im Winter heize ich drei, vier Stunden, das
genügt.
Früher gab es hier zwei Öfen. Dann habe ich mich entschie­
den, eine Heizung zu verlegen. Aber das war alles andere
als einfach. Obwohl die Wände aus Holz sind, leisten sie
größten Widerstand, wenn man eine Öffnung braucht. Ich
habe mich erkundigt: Das ist Lärchenholz. Man hat es
seinerzeit von weither auf der Wolga kommen lassen, weil
bei uns ja überhaupt keine Lärchen wachsen, und so lange
behandelt, bis es fest wurde wie Beton. Ich kann nicht mal
einen Nagel in die Wand schlagen.
76
Orlowskoje war ein deutsches Dorf. 1941, nachdem man
die Deutschen weggeschafft hatte, wurden hier Menschen
aus den Frontgebieten im Westen der Sowjetunion ange­
siedelt. Darunter war auch mein Großvater aus der Gegend
von Lugansk in der Ostukraine. Die Menschen haben sogar
ihre Viehherden von dort an die Wolga getrieben, aber in
Saratow mussten sie die Tiere zurücklassen. Man hat ihnen
gesagt: „Wo ihr hinkommt, braucht ihr sie nicht. Dort ist
alles da.“ Und so war es auch. In Orlowskoje liefen die Kühe
und Schweine umher, auf den Grundstücken waren noch
die Hunde eingesperrt. Das alles zeugte davon, dass die
früheren Bewohner damit gerechnet hatten, bald zurück­
zukehren.
Von den deutschen Häusern sind heute in unserem Dorf
kaum noch zehn übrig. Viele wurden schon im Krieg, als
es an Brennmaterial mangelte, von den Umsiedlern klein­
gehackt und verfeuert.
Auch Deutsche leben hier so gut wie keine mehr. Wer schlau
war, der ist in den 90er Jahren nach Deutschland ausge­
wandert. Damals gab es Diskussionen, ob man die deut­
sche Wolgaautonomie wiederherstellt. Die Kommunisten
sind rumgestiefelt und haben Unterschriften dagegen
gesammelt. Ich habe auch unterschrieben, so wie alle. Und
bereue das sehr. Wir waren Idioten. Gäbe es heute die
Wolgarepublik, dann ginge es uns so was von gut …“.
(Moskauer Deutsche Zeitung vom 19.6.2014 von Tino Künzel)
Rundschreiben Nr. 3
September 2014
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