Teil1 - Berufliche Orientierung
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Teil1 - Berufliche Orientierung
Rehabilitation Arbeits- und berufsbezogene Orientierung in der medizinischen Rehabilitation > Praxishandbuch (3. erweiterte Auflage) Teil 1 von 3 Praxishandbuch: Arbeits- und berufsbezogene Orientierung in der medizinischen Rehabilitation Stefan Löffler, Christian Gerlich, Matthias Lukasczik, Heiner Vogel, Hans-Dieter Wolf, Silke Neuderth Universität Würzburg Arbeitsbereich Rehabilitationswissenschaften 3. aktualisierte und erweiterte Auflage Vorwort Die arbeits- und berufsbezogene Orientierung in der medizinischen Rehabilitation - häufig auch mit dem Kürzel „MBOR“ (Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation) bezeichnet - stellt eine wichtige Entwicklungslinie in Rehabilitationsforschung und Versorgungspraxis dar. Hintergrund ist der gesetzliche Auftrag der Rentenversicherung, den Verbleib gesundheitlich beeinträchtigter Versicherter im Erwerbsleben sicherzustellen oder sie beruflich wieder einzugliedern. Auch weisen das SGB IX und die die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) der WHO über eine rein an Krankheiten orientierten Therapie hinaus: Beeinträchtigungen der funktionalen Gesundheit, insbesondere der beruflichen Aktivitäten und Teilhabe sind ein zentraler Gegenstand des Behandlungsauftrags. Die Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation unterstützt diesen Teil des Behandlungsauftrags durch eine Schärfung des Blicks auf die berufliche Reintegration in allen Behandlungsphasen sowie geeignete diagnostische und therapeutische Konzepte. Die Rehabilitationseinrichtungen stehen vor der Aufgabe, arbeits- und berufsbezogene Behandlungselemente zu implementieren bzw. auszubauen1. In den vergangenen Jahren wurden bereits vielfältige arbeits- und berufsbezogene Behandlungselemente entwickelt, erprobt und eingesetzt. Im Rahmen eines von der Deutschen Rentenversicherung Bund geförderten Forschungsprojekts zur „Dissemination von Forschungsergebnissen zur beruflichen Orientierung in der medizinischen Rehabilitation in die Praxis“ wurden diese erwerbsorientierten Reha-Leistungen gesichtet und einem Expertenkonsensprozess unterzogen2. Teilnehmer des Konsensprozesses waren namhafte Experten aus RehaEinrichtungen, der Leistungsträger und aus dem universitären Bereich. Entwickelt wurden einheitliche Definitionen und Beschreibungen für berufsbezogene „Kernmaßnahmen“. Die Beschreibungen enthalten die Ziele der MBOR-Leistungen, wesentliche Inhalte und Durchführungsmodalitäten, angewandte Methoden und Assessments, Dauer und Frequenz, die Zielgruppe, beteiligte Berufsgruppen sowie Hinweise zur notwendigen Ausstattung. Die konsensierten Begriffsdefinitionen und Beschreibungen für berufsbezogene „Kernmaßnahmen“ sind in dem vorliegenden Praxishandbuch zusammengefasst. Ziel des Praxishandbuchs ist es, die arbeits- und berufsbezogene Orientierung in Rehabilitationseinrichtungen zu fördern und Einrichtungen, die entsprechende Angebote einführen, Hilfestellung zu geben. Das Praxishandbuch richtet sich vor allem an Entscheidungsträger und Fachpersonal in Rehabilitationseinrichtungen, die an der Implementation und Durchführung der MBOR beteiligt sind. Das Praxishandbuch zu arbeits- und berufsbezogenen Angeboten in der medizinischen Rehabilitation wurde im Jahr 2010 erstmals veröffentlicht. Bei der aktuellen Fassung des Handbuchs handelt es sich um die dritte, überarbeitete und erweiterte Auflage. Die Texte können auch auf der Homepage zur 1 Deutsche Rentenversicherung Bund (2011): Anforderungsprofil zur Durchführung der Medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation (MBOR) im Auftrag der Deutschen Rentenversicherung. 2 Lukasczik, M., Löffler, S., Gerlich, C., Wolf, H.-D. & Neuderth, S. (2011). Entwicklung einer Homepage und eines Praxishandbuchs zur arbeits- und berufsbezogenen Orientierung in der medizinischen Rehabilitation als nutzerorientierte Medien für die rehabilitative Versorgungspraxis. Die Rehabilitation, 50, 152-159. 3 arbeits- und berufsbezogenen Orientierung in der medizinischen Rehabilitation unter der Internetadresse www.medizinisch-berufliche-orientierung.de abgerufen werden. Nach einer kurzen Darstellung des Hintergrunds (Kapitel 1) und der exemplarischen Beschreibung eines arbeits- und berufsbezogenen Behandlungsprozesses (Kapitel 2) werden Möglichkeiten zur Erfassung und Beschreibung arbeits- und berufsbezogener Problemlagen dargestellt (Kapitel 3). Hier wurde die Gliederung des Kapitels überarbeitet; sie orientiert sich nun an der ICF. Kapitel 4 wurde geringfügig überarbeitet und widmet sich der Förderung der Motivation von Rehabilitanden, sich mit arbeits- und berufsbezogenen Problemen auseinander zu setzen. In Kapitel 5 werden arbeits- und berufsbezogene Interventionen beschrieben. Anhand von Praxisbeispielen wird aufgezeigt, wie MBOR-Leistungen in Rehabilitationseinrichtungen verschiedener Indikationsbereiche angewendet werden (Kapitel 6). In die aktuelle Auflage des Handbuchs wurden zwölf neue Praxisbeispiele aufgenommen. Alle bereits vorhandenen Praxisbeispiele wurden geprüft und ggf. aktualisiert. In Kapitel 7 berichten je ein Mitarbeiter einer somatischen und einer psychosomatischen Rehabilitationseinrichtung über ihre Praxiserfahrungen mit arbeits- und berufsbezogenen Maßnahmen. Zudem ist in der vorliegenden Auflage des Handbuchs auch die Sichtweise der Rehabilitanden eingearbeitet. Im Rahmen einer Fokusgruppe schildern Rehabilitanden ihre Erfahrungen mit arbeits- und berufsbezogener Orientierung im Rahmen der stationären medizinischen Rehabilitation. Im Folgenden wird der einfacheren Lesbarkeit halber bei Berufsbezeichnungen stellvertretend immer die männliche grammatikalische Form verwendet. Der Einfachheit halber wird bei Patientinnen und Patienten bzw. Rehabilitandinnen und Rehabilitanden im Folgenden einheitlich von „Rehabilitanden“ gesprochen. Gemeint sind immer beide Geschlechter. 4 An der Erstellung dieses Praxishandbuchs bzw. der Leistungsbeschreibungen waren viele Experten aus Reha-Einrichtungen, von Seiten der Leistungsträger und aus der Wissenschaft beteiligt, bei denen sich die Autoren an dieser Stelle herzlich für die kompetente und kooperative Mitarbeit bedanken. Eleonore Anton, St. Franziska-Stift, Bad Kreuznach Dr. Alfred Baumgarten, Neurologische Klinik, Bad Neustadt Prof. Dr. Jürgen Bengel, Universität Freiburg, Freiburg Dr. Matthias Bethge, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover Prof. Dr. Manfred Beutel, Universität Mainz, Mainz Prof. Dr. Wolfgang F. Beyer, Orthopädiezentrum Bad Füssing, Bad Füssing Jana Buchmann, Universität Würzburg, Würzburg Kerstin Brandt, RehaKlinikum BadSäckingen GmbH, BadSäckingen Angelika Bönisch, Rehazentrum Bad Eilsen, Bad Eilsen Dr. Wolfgang Bürger, Karlsruhe Sabine Buschmann, Rehazentrum Bad Eilsen, Bad Eilsen Dr. Dolores Claros-Salinas, Kliniken Schmieder Konstanz, Konstanz Dr. Ulrich Cuntz, Klinik Roseneck, Prien am Chiemsee Markus Dietz, Schlossklinik Bad Buchau, Bad Buchau Klaus Döring, Klinik Reinhardstal, Bad Wildungen Monika Dorn, Rehazentrum Bad Eilsen, Bad Eilsen Patrizia Driesel, Universität Würzburg, Würzburg Dr. Inge Ehlebracht-König, Rehazentrum Bad Eilsen, Bad Eilsen Prof. Dr. Dr. Hermann Faller, Universität Würzburg, Würzburg PD Dr. Peter Flachenecker, Neurologisches Rehazentrum Quellenhof, Bad Wildbad Hans Gerwinn, Deutsche Rentenversicherung Westfalen, Münster Norbert Goedecker-Geenen, Klinik Königsfeld, Ennepetal Prof. Dr. Bernhard Greitemann, Klinik Münsterland, Bad Rothenfelde Dr. Thomas Hansmeier, Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin Dr. Georg Harai, Bundesagentur für Arbeit, Nürnberg Dr. Christiane, Härdel, Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin Markus Härle, Schwarzwaldklinik Neurologie, Bad Krozingen Dr. Andor Harrach, Klinik am Homberg, Bad Wildungen Andrea Hauck, BG Bau - Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, Hamburg Ruth Haesemeyer, Kliniken Bad Neuenahr, Bad Neuenahr-Ahrweiler Ola Hebrant, Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin 5 Prof. Dr. Dr. Andreas Hillert, Klinik Roseneck, Prien am Chiemsee Sabine Höhne, Reha-Klinik Lehmrade, Lehmrade Dr. Anton Holderied, Deutsche Rentenversicherung Nordbayern, Würzburg Jochen Josenhans, Rheumaklinik Bad Bramstedt, Bad Bramstedt Dr. Udo Kaiser Hochgebirgsklinik Davos-Wolfgang, Davos-Wolfgang (Schweiz) Imke Kastenhofer, Rehazentrum Bad Schmiedeberg Klinik Dübener Heide, Bad Schmiedeberg Dr. Thomas Kausch, Kliniken Bad Neuenahr, Bad Neuenahr-Ahrweiler Dr. Michael Keck, Drei-Burgen-Klinik, Bad Münster am Stein-Ebernburg Dr. Johannes Kiesel, Klinik Bavaria, Freyung / Kreischa Dr. Gertraud Kinne, Pädagogische Hochschule Karlsruhe, Karlsruhe Martin Kleinhans, Reha-Zentrum Schömberg, Klinik Schwarzwald, Schömberg Beate Kleist, Orthopädiezentrum Bad Füssing, Bad Füssing Dr. Rudolf Knickenberg, Psychosomatische Klinik Bad Neustadt, Bad Neustadt Dr. Herbert Knisatschek, Emmendingen Dr. Dr. Jürgen Knörzer, Klinik Bavaria, Bad Kissingen Dr. Stefan Koch, Klinik Roseneck, Prien am Chiemsee Dr. Dieter Küch, Klinik Werra, Reha-Zentrum Bad Sooden-Allendorf Dr. Hans-Albrecht Kulenkampff, Schwarzwaldklinik Neurologie, Bad Krozingen Dirk Jacobs, ARC Jacobs GmbH & Co. KG, Braunschweig Viktor Johannes, RehaKlinikum Bad Säckingen GmbH, Bad Säckingen Dr. Frank Kaspers, Therapiezentrum Koblenz, Koblenz Dr. Bernhard Kügelgen, Therapiezentrum Koblenz, Koblenz Hartwig Kulke, Fachklinik Herzogenaurach, Herzogenaurach Stefan Lueger, Deegenbergklinik, Bad Kissingen Oliver Maehl, REHA SÜD GmbH, Freiburg Dr. Katja Meixner, RehaKlinikum Bad Säckingen GmbH, Bad Säckingen Dr. Manfred Milse, Reha-Zentrum Bad Schmiedeberg, Klinik Dübener Heide, Bad Schmiedeberg Dr. Beate Muschalla, Rehabilitationszentrum Seehof der DRV Bund, Teltow Corinna Nels, salus klinik Friedrichsdorf, Friedrichsdorf Prof. Dr. Dr. Mathilde Niehaus, Universität Köln, Köln Andreas Pfeiffer, Krefeld Angelika Presl, Klinik Bavaria, Kreischa Margarete Presl, Klinik Bavaria, Bad Kissingen Prof. Dr. Michael Radoschewski, Charité Universitätsmedizin Berlin, Berlin Elisabeth Röckelein, Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin Georg Rupp, Schlossklinik Bad Buchau, Bad Buchau 6 Andrea Schaller, Kliniken Bad Neuenahr, Bad Neuenahr-Ahrweiler Dr. Lothar Schattenburg, Psychosomatische Klinik Bad Neustadt, Bad Neustadt Achim Schmidt, Klinik Reinhardstal, Bad Wildungen Dr. Thomas Schott, Universität Bielefeld, Bielefeld Dr. Jan Schulenburg, REHA SÜD GmbH, Freiburg Prof. Dr. Wolfgang Slesina, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle Dr. Monika Steimann, Reha-Klinik Lehmrade, Lehmrade Dr. Marco Streibelt, Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin Dr. Karsten Thren, Klinik Niedersachsen, Bad Nenndorf Prof. Dr. Rüdiger Trimpop, Friedrich-Schiller Universität Jena, Jena Dr. Lutz Trowitzsch, Paracelsus Klinik an der Gande, Bad Gandersheim Dr. Heiner Vogel, Universität Würzburg, Würzburg Dr. Johannes von Bodman, Klinikum Bad Bramstedt, Klinik für Orthopädische Rehabilitation, Bad Bramstedt Annerose Vorndran, Psychosomatische Klinik Bad Neustadt, Bad Neustadt Michael Wiegert, Drei-Burgen-Klinik, Bad Münster am Stein-Ebernburg Rainer Wohlfarth, Pädagogische Hochschule Freiburg, Freiburg Dr. Rüdiger Zwerenz, Universität Mainz, Mainz Praxisbeispiele wurden freundlicherweise von folgenden Kliniken/Einrichtungen zur Verfügung gestellt: Klinik für Orthopädische Rehabilitation, Klinikum Bad Bramstedt GmbH, Bad Bramstedt Rehabilitationsklinik Schloss Bad Buchau, Bad Buchau Rehazentrum Bad Eilsen, Bad Eilsen Paracelsus Klinik an der Gande mit dem Institut für Arbeits- und Sozialmedizin, Bad Gandersheim Rehazentren Klinik Bavaria Bad Kissingen, Freyung, Kreischa Psychosomatische Fachklinik St. Franziskastift, Bad Kreuznach Schwarzwaldklinik, Bad Krozingen Zentrum Beruf + Gesundheit, Bad Krozingen Drei-Burgen-Klinik, Bad Münster am Stein-Ebernburg Klinik Niedersachsen, Erwin Röver GmbH und Co. KG, Bad Nenndorf Psychosomatische Klinik Bad Neustadt, Bad Neustadt/Saale Klinik Münsterland, Bad Rothenfelde Reha-Klinikum Bad Säckingen, Bad Säckingen Rehabilitationsklinik Lipperland, Bad Salzuflen 7 Reha-Zentrum Bad Sooden-Allendorf, Klinik Werra, Bad Sooden-Allendorf Klinik am Homberg, Bad Wildungen Kliniken Hartenstein, Fachklinik Reinhardstal, Bad Wildungen-Reinhardshausen Klinik Schloss Falkenhof, Bensheim Ambulantes Reha Centrum Braunschweig GmbH, Braunschweig REHA SÜD GmbH Zentrum für Ambulante Rehabilitation, Physiotherapie und Ergotherapie, Freiburg salus klinik Friedrichsdorf, Friedrichsdorf BG BAU - Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, Arbeitsmedizinischer Dienst, Hamburg m&i Fachklinik Herzogenaurach, Herzogenaurach Therapiezentrum Koblenz, Koblenz Kliniken Schmieder Konstanz, Konstanz Fachklinik für Onkologische Rehabilitation Lehmrade GmbH, Damp, Lehmrade Universitätsklinikum Münster, Münster Klinik Roseneck, Prien Kliniken Schmieder, Konstanz Reha-Zentrum Schömberg, Klinik Schwarzwald, Schömberg Rehabilitationszentrum Seehof der DRV Bund, Teltow Asklepios Fachklinikum Wiesen GmbH, Wildenfels Die Autoren bedanken sich des Weiteren bei Alexander Arlt, Blanka Baczmanski, Simone Burschka, Susanne Himmer, Julia Kress, Roland Küffner und Katja Reichert für die engagierte Unterstützung bei der Erstellung dieses Handbuchs. Das dem Praxishandbuch zugrunde liegende Forschungsvorhaben wurde mit Mitteln der Deutschen Rentenversicherung Bund gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autoren. 8 Inhalt 1. Arbeits- und berufsbezogene Orientierung in der medizinischen Rehabilitation...... 11 2. Der Behandlungsprozess ........................................................................................ 19 3. Erfassung und Beschreibung arbeits- und berufsbezogener Problemlagen (unter Mitarbeit von Dr. Matthias Bethge, Medizinische Hochschule Hannover) ........ 23 3.1 Screening-Verfahren zur Identifikation von Rehabilitanden mit arbeits- und berufsbezogenen Problemlagen ............................................................................. 25 3.2 FCE-Systeme zur objektiven Erfassung der arbeitsbezogenen funktionellen Leistungsfähigkeit .................................................................................................. 27 3.3 Dokumentationssysteme zum Abgleich von Fähigkeiten und Anforderungen.......... 29 3.4 Fragebogeninstrumente im Kontext arbeits- und berufsbezogener Maßnahmen .... 30 4. Förderung der Motivation von Rehabilitanden zur Auseinandersetzung mit arbeitsund berufsbezogenen Problemlagen (unter Mitarbeit von Jana Buchmann, Universität Würzburg).................................... 55 5. Arbeits- und berufsbezogene Interventionen in der medizinischen Rehabilitation .. 59 5.1 Belastungserprobung ............................................................................................. 60 5.2 Arbeitstherapie/Arbeitsplatztraining...................................................................... 66 5.3 Arbeits- und berufsbezogene Einzelberatung.......................................................... 69 5.4 Gruppen mit arbeits- und berufsbezogenen Themen .............................................. 73 5.5 Zusammenarbeit mit externen Institutionen .......................................................... 76 6. Praxisbeispiele ....................................................................................................... 81 6.1 Praxisbeispiele zur Kernmaßnahme „Belastungserprobung“................................... 83 6.2 Praxisbeispiele zur Kernmaßnahme „Arbeitstherapie/Arbeitsplatztraining” ..........119 6.3 Exemplarische Falldarstellungen zur Kernmaßnahme „Arbeits- und berufsbezogene Einzelberatung“ ....................................................................................................157 6.4 Praxisbeispiele zur Kernmaßnahme „Gruppen mit arbeits- und berufsbezogenen Themen“...............................................................................................................167 6.5 Praxisbeispiele zur Kernmaßnahme “Zusammenarbeit mit externen Institutionen” ……… .....................................................................................................................259 9 6.6 Praxisbeispiele, die keiner Kernmaßnahme eindeutig zugeordnet werden können („Mischmodelle“)..................................................................................................283 7. Umsetzung arbeits- und berufsbezogener Maßnahmen im Klinikalltag ..................359 7.1 Eindrücke aus der Praxis der psychosomatischen Rehabilitation (Dr. Dieter Küch, Klinik Werra, Reha-Zentrum Bad Sooden-Allendorf) .......................359 7.2 Eindrücke aus der Praxis der somatischen Rehabilitation (Dr. Inge Ehlebracht-König, Rehazentrum Bad Eilsen) ..............................................365 7.3 Die arbeits- und berufsbezogene Orientierung aus Rehabilitandensicht (unter Mitarbeit von Patrizia Driesel, Universität Würzburg) ....................................371 10 1. Arbeits- und berufsbezogene Orientierung in der medizinischen Rehabilitation Arbeits- und berufsbezogene Orientierung. Eine enge Verzahnung von medizinischen und beruflichen Rehabilitationsmaßnahmen ist vor dem Hintergrund der sich wandelnden Arbeits- und Berufswelt eine notwendige Weiterentwicklung des rehabilitativen Versorgungssystems in der Bundesrepublik Deutschland. Die Reha-Kommission des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR) empfahl bereits 1991, Angebote zur beruflichen Eingliederung innerhalb der medizinischen Rehabilitation auszubauen (VDR, 1992), ebenso wie die Reha-Kommission-Berufsförderung des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger, die eine nahtlose Verknüpfung medizinischer und beruflicher Rehabilitation als besonders effektiv erachtet (VDR, 1997). In zunehmendem Maß ist die arbeits- und berufsbezogene Orientierung in der medizinischen Rehabilitation als Trend sowohl in der rehabilitationswissenschaftlichen Forschung als auch in der Versorgungspraxis vorzufinden (Hillert et al., 2009; Lukasczik et al., 2011b; Röckelein et al., 2011). Arbeits- und berufsbezogene Orientierung in der medizinischen Rehabilitation bedeutet, Elemente der Arbeitswelt in die Strukturen und Prozesse der medizinischen Rehabilitation zu integrieren, um arbeits- und berufsbezogene Problemlagen frühzeitig zu identifizieren und zeitnah geeignete Gegenmaßnahmen ergreifen zu können. Neben Arbeitstherapie und Belastungserprobung als im Sozialgesetzbuch IX benannte Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation wurden in den letzen Jahren weitere berufsbezogene Bausteine für die Diagnostik und Therapie in der medizinischen Rehabilitation entwickelt, um beruflichen Problemlagen entgegenzuwirken. Die arbeits- und berufsbezogene Orientierung in der medizinischen Rehabilitation wird auch mit dem Kürzel „MBOR“ (Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation) bezeichnet. Die Deutsche Rentenversicherung Bund hat ein Anforderungsprofil zur Durchführung der medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation herausgegeben (DRV, 2011). Im Anforderungsprofil werden qualitative Standards für die medizinisch-beruflich orientierte Diagnostik und Therapie definiert. Arbeits- und berufsbezogene Problemlagen. Arbeits- und berufsbezogene Problemlagen sind vor dem Hintergrund der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) als Kontextfaktoren anzusehen (WHO, 2001), die es in der medizinischen Rehabilitation zu berücksichtigen gilt, weil sie die Integration in das Erwerbsleben – über Körperstrukturen und Körperfunktionen hinaus – wesentlich mitbestimmen. Neben ergonomischen Aspekten, die sich aus den bio-mechanischen Belastungen und sensumotorischen Anforderungen der Arbeitsumgebung auf die tätige Person ergeben, rücken in der letzten Zeit psychosoziale Belastungen aufgrund der Qualität der zwischenmenschlichen Beziehungen in einer sich wandelnden Berufs- und Arbeitswelt ebenso in den Fokus der Aufmerksamkeit wie auch erwerbslebensbezogene Einstellungen der Rehabilitanden. Veränderungen in der Arbeits- und Berufswelt. In den letzten zwei Jahrzehnten haben hat sich die Arbeits- und Berufswelt tiefgreifend verändert. Die Folgen dieses Wandels für die Erwerbstätigen zeigen sich deutlich in repräsentativen Umfragen wie z. B. der BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2006 (BIBB, o. J). Demzufolge war fast die Hälfte der Befragten von Umstrukturierungen und Umor11 ganisation in ihrem Arbeitsumfeld innerhalb der letzten zwei Jahre betroffen und wurde mit der Einführung neuer Computerprogramme oder neuer Maschinen und Anlagen, neuer Fertigungs/Verfahrenstechnologien und neuer oder deutlich veränderter Produkte oder Dienstleistungen konfrontiert. Derartige Veränderungen erfordern von den Mitarbeitern Innovations-, Lern- und Anpassungsfähigkeit und Flexibilität. Flexibilität ist insbesondere im Hinblick auf die Arbeitszeit gefordert. Bildete in den tarifrechtlichen Auseinandersetzungen der 90er Jahre noch die Verkürzung der Wochenarbeitszeit einen umstrittenen Faktor (Luczak, 1993), so hat sich die Situation in den letzen Jahren grundlegend geändert. Überstunden, Arbeitszeitkonten sowie Leih- und Zeitarbeit sind nur einige Schlagworte, die den Wandel zur Mehrarbeit bei flexibleren Arbeitszeiten und Arbeitsrechtsverhältnissen kennzeichnen. Zudem ist moderne Erwerbsarbeit nicht auf die Kernarbeitswoche von Montag bis Freitag beschränkt. 70% der befragten Erwerbstätigen geben an, (gelegentlich) auch am Samstag zu arbeiten, 43% auch an Sonn- und Feiertagen; in Schichtarbeit ist ein Viertel der befragten Erwerbstätigen eingebunden. Neben den Arbeitszeitmodellen unterliegen auch die Arbeitsrechtsverhältnisse dem Zwang zur flexiblen Ausgestaltung in Form von Befristung von Arbeitsverträgen, geringfügiger Beschäftigung oder Zeit- und Leiharbeit. Der Einsatz von Zeit- und Leiharbeitern hat stark zugenommen; 39% der im Jahr 2006 repräsentativ befragten Erwerbstätigen berichten, dass in ihrem Arbeitsumfeld vermehrt freie Mitarbeiter, Aushilfen, Praktikanten oder Leiharbeiter eingesetzt werden. Für die betroffenen Arbeitnehmer bedeutet Leiharbeit neben der zeitlichen Flexibilität häufig auch räumliche (z. B. längere Arbeitswege) und soziale Flexibilität (z. B. wochenweise Trennung von der Familie, wechselndes kollegiales Umfeld). Einen weiteren Aspekt des Wandels der Arbeitswelt stellt der Einzug der elektronischen Datenverarbeitung auf breiter Front in die Arbeitswelt dar; EDV ist zur Basistechnologie in fast allen Wirtschaftsbereichen geworden. Computerunterstützte Techniken und Arbeitsmittel (z. B. CAD1, CNC2) werden in beinahe allen Produktionsbereichen eingesetzt. Im modernen Handel bilden Datenbankverwaltung und Tabellenkalkulation zusammen mit Intra- und Internetapplikationen heute das organisatorische Rückgrat des gesamten Wirtschaftssektors. Auch im Dienstleistungssektor sind Angebote, wie z. B. Online Banking oder das virtuelle Rathaus, mit dem „Behördengänge“ via Internet vom heimischen PC aus erledigt werden können, ohne entsprechende Technologien nicht denkbar. Nach Ergebnissen der repräsentativen Mitarbeiterbefragung von 2006 (s. o.) arbeiten 77% der Erwerbstätigen mit Computern. Bezieht man die Innovationszyklen der Informations- und Kommunikationsbranche in die Betrachtung mit ein (man denke z. B. nur an die Entwicklung des weltweit am häufigsten genutzten Computerbetriebssystems der Firma Microsoft - DOS, Windows 95, 98, 2000, NT, Vista, Windows 7, …), so wird unmittelbar deutlich, welche steigenden Qualifikations- und Qualifizierungsanforderungen sich schon alleine aufgrund der Entwicklung in den Basistechnologien ergeben. Von den Beschäf1 CAD ist eine Abkürzung für „computer aided design“. Darunter versteht man die computerunterstützte Erstellung technischer Zeichnungen. 2 CNC ist eine Abkürzung für „computerized numerical control“. Darunter versteht man die computerunterstützte numerische Maschinensteuerung. 12 tigten in quasi allen Bereichen der Arbeitswelt ist daher die Bereitschaft gefordert, mit moderner Technologie zu arbeiten und sich kontinuierlich neues Wissen und erweiterte Fertigkeiten (Skills) anzueignen. Auch ist insgesamt eine zunehmende psychosoziale Belastung durch die Arbeit zu beobachten, bei der unterschiedliche Ursachen zusammenwirken (z. B. BUK, 2005; Bartholdt & Schütz, 2010; Sulsky & Smith, 2005). Insbesondere Innovations- und Flexibilisierungsanforderungen, „Arbeitsverdichtung“ in Form von starkem Leistungs- und Zeitdruck, der Notwendigkeit, mehrere Aufgaben gleichzeitig erledigen zu müssen oder auf unvorhergesehene Probleme zu reagieren, sowie das Erleben von Konkurrenz und Kostendruck auch innerhalb der eigenen Belegschaft (bis hin zu Konzessionen der Mitarbeiter an einzelnen Standorten gegenüber der Konzernleitung z. B. in Form von Mehrarbeit ohne Zulagen, Arbeitszeitverlängerung bei gleichem Lohn oder Reduzierung von Lohnnebenleistungen) werden als Ursachen für die psychosoziale Belastung im Arbeitsleben angesehen. Aus der Interferenz bzw. Unvereinbarkeit oben genannter und weiterer berufs- bzw. arbeitsbezogener Anforderungen mit anderen Lebensbereichen und sozialen Rollen, etwa im familiären Bereich, können wiederum Konflikte resultieren (Work-family conflict; z. B. Byron, 2005). Nicht zuletzt zu nennen ist die Angst vor Arbeitsplatzverlust (vgl. z. B. Berth et al., 2008), so dass es nicht verwundert, dass die Arbeitsplatzsicherheit an der ersten Stelle des Anspruchs an eine gute Arbeit steht (z. B. DGB-Index 2007). All diese Veränderungen haben auch Auswirkung auf die Gesundheit der im Erwerbsleben stehenden Personen (z. B. Expertenkommission Betriebliche Gesundheitspolitik, 2002). Sie können als mögliche Ursachen für arbeits- und berufsbezogene Problemlagen in der medizinischen Rehabilitation nicht unberücksichtigt bleiben. Bedarf. In der medizinischen Rehabilitation ist von einem Anteil der Rehabilitanden mit arbeits- und berufsbezogenen Problemlagen von etwa einem Drittel auszugehen (Bürger & Deck, 2008; Löffler et al., 2008; Müller-Fahrnow & Radoschewski, 2006). Arbeits- und berufsbezogene Problemlagen können mit eigens entwickelten Screening-Instrumenten in der medizinischen Rehabilitation einfach identifiziert werden. Dafür stehen als Verfahren das Screening-Instrument zur Feststellung des Bedarfs an medizinisch-beruflich orientierten Maßnahmen (SIMBO-C; Streibelt et al., 2009), das Screening-Instrument Beruf und Arbeit (SIBAR; Bürger & Deck, 2009) und das Würzburger Screening (Löffler et al., 2009) zur Verfügung (vgl. hierzu Kapitel 3). Für Rehabilitanden mit arbeits- und berufsbezogenen Problemlagen werden in der medizinischen Rehabilitation spezifische Interventionen angeboten (vgl. Kapitel 5). Verwendete Literatur Bartholdt, L. & Schütz, A. (2010). Stress im Arbeitskontext. Ursachen, Bewältigung und Prävention. Weinheim: Beltz. Berth, H., Förster, P., Balck, F., Brähler, E. & Stöbel-Richter, Y. (2008). Arbeitslosigkeitserfahrungen, Arbeitsplatzunsicherheit und der Bedarf an psychosozialer Versorgung. Das Gesundheitswesen, 70, 289-294. 13 [BIBB] Bundesinstitut für Berufsbildung (o. J.). BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2006 – Ergebnisse online. www.bibb.de/de/26901.htm (aufgerufen im März 2010) [BUK] Bundesverband der Unfallkassen (2005). Psychische Belastungen am Arbeits- und Ausbildungsplatz – ein Handbuch. München: Bundesverband der Unfallkassen. Bürger, W. & Deck, R. (2008). Bedarf an berufsbezogenen Behandlungsangeboten in der orthopädischen, kardiologischen, psychosomatischen und onkologischen Rehabilitation – Ergebnisse von Erhebungen mit dem Screening-Fragebogen SIBAR. DRV-Schriften, 77, 216-217. Bürger W. & Deck, R. (2009). SIBAR – ein kurzes Screening-Instrument zur Messung des Bedarfs an berufsbezogenen Behandlungsangeboten in der medizinischen Rehabilitation. Die Rehabilitation, 48, 211-221. Byron, K. (2005). A meta-analytic review of work-family conflict and its antecedents. Journal of Vocational Behavior, 67, 169-198. [DGB] Deutscher Gewerkschaftsbund (2007). 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Entwicklung und Validierung eines generischen Screening-Instruments zur Identifikation von beruflichen Problemlagen und des Bedarfs an berufsorientierten und beruflichen Rehabilitationsleistungen. Unveröffentlichter Projektabschlussbericht. Universität Würzburg. Löffler, S. Wolf, H.-D., Neuderth, S. & Vogel, H. (2009). Screening-Verfahren in der medizinischen Rehabilitation. In A. Hillert, W. Müller-Fahrnow & F. M. Radoschewski (Hrsg.), Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation (S. 133-140). Köln: Deutscher Ärzteverlag. Luczak, H. (1993). Arbeitswissenschaften. Berlin: Springer. Lukasczik, M., Wolf, H.D., Gerlich, C., Löffler, S., Vogel, H., Faller, H. & Neuderth, S. (2011). Current state of vocationally oriented medical rehabilitation - a German perspective. Disability & Rehabilitation, 33, 2646-2655. 14 Müller-Fahrnow, W. & Radoschewski, F.M. (2006). Theoretische Grundlagen der MBO in der medizinischen Rehabilitation. In W. Müller-Fahrnow, T. Hansmeier & M. Karoff (Hrsg.). 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Grande, G., Leppin, A., Romppel, M., Altenhöner, T. & Mannebach, H. (2002). Frauen und Männer nach Herzinfarkt: Gibt es in Deutschland geschlechtsspezifische Unterschiede in der Inanspruchnahme rehabilitativer Leistungen? Die Rehabilitation, 41, 320-328. Härtel, U. (1999). Geschlechtsspezifische Prädiktoren der Inanspruchnahme kardiologischer Rehabilitation aus epidemiologischer Sicht. Die Rehabilitation, 38 (Suppl. 2), 142-147. Korsukéwitz, C., Klosterhuis, H., Winnefeld, M. & Beckmann, U. (2001). Frauen sind anders - auch in der Rehabilitation? Geschlechtsspezifische Aspekte der medizinischen Rehabilitation. Deutsche Angestellten Versicherung, 48, 1-9. Peterson, M. (2004). What men and women value at work: implications for workplace health. Gender Medicine, 1, 106-124. 16 Rehfeld, U., Bütefisch, T. & Hoffmann, H. (2008). Gesundheitsbedingte Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung für Frauen und Männer – Indikatoren für die Morbidität. In B. Badura, H. Schroeder & C. Vetter (Hrsg.), Fehlzeiten-Report 2007. Arbeit, Geschlecht und Gesundheit (S. 145-157). Berlin: Springer. Röckelein, E. (2001). Geschlechtsspezifische Inanspruchnahme von Rehabilitationsleistungen der Rentenversicherung und Bedeutung geschlechtsspezifischer Rehabilitationsforschung. In U. Worringen & C. Zwingmann (Hrsg.), Rehabilitation weiblich – männlich. Geschlechtsspezifische Rehabilitationsforschung (S. 39-54). Weinheim: Juventa. Siegrist, K., Rödel, A., Hessel, A. & Brähler, E. (2006). Psychosoziale Arbeitbelastungen, Arbeitsunfähigkeit und gesundheitsbezogenes Wohlbefinden: Eine empirische Studie aus der Perspektive der Geschlechterforschung. Das Gesundheitswesen, 68, 526-534. Worringen, U. & Benecke, A. (2002). Geschlechtsspezifische Inanspruchnahme in der Rehabilitation. In K. Hurrelmann & P. Kolip (Hrsg.), Geschlecht, Gesundheit und Krankheit (S. 505-519). Bern: Huber. Worringen, U., Benecke, A., Gerlich, C. & Frank, S. (2001). Erfassung von Haus- und Familienarbeit in der Rehabilitationsforschung. In U. Worringen & C. Zwingmann (Hrsg.), Rehabilitation weiblich - männlich. Geschlechtsspezifische Rehabilitationsforschung (S. 221-234). Weinheim: Juventa. 17 18 2. Der Behandlungsprozess Die arbeits- und berufsbezogene Orientierung ist konzeptioneller Bestandteil der medizinischen Rehabilitation und betrifft den gesamten Rehabilitationsprozess von der Zuweisung durch die Sozialmedizinischen Dienste der Rentenversicherung, dem Erkennen und der differenzierten Diagnostik beruflicher Problemlagen zu Beginn der Rehabilitation über die Therapieplanung und -durchführung bis hin zur sozialmedizinischen Stellungnahme und zu Nachsorgemaßnahmen (DRV, 2007; Hansmeier & Schliehe, 2009). Eine medizinische Rehabilitationsbehandlung mit arbeits- und berufsbezogener Schwerpunktsetzung unterscheidet sich damit vom Ablauf her nicht von einer „normalen“ medizinischen Rehabilitation – charakteristisch für die arbeits- und berufsbezogene Orientierung in der medizinischen Rehabilitation ist allerdings, dass in allen Phasen der Behandlung der Arbeits- und Berufskontext des Rehabilitanden gezielt einbezogen wird. Bereits im Vorfeld der medizinischen Rehabilitation kann durch den Sozialmedizinischen Dienst der Rentenversicherung eine berufsbezogene Problemlage erkannt und die gezielte Zuweisung in eine Einrichtung veranlasst werden, die ein entsprechendes Behandlungsangebot bereit hält. Das Erkennen beruflicher Problemlagen (z. B. berufliche Belastungen, Arbeitsplatzprobleme) kann aufgrund der Aktenlage ebenso wie durch den Einsatz von Screening-Fragebögen (z. B. Würzburger Screening; vgl. Kapitel 3.1) erfolgen. Unabhängig von einer gezielten Zuweisung durch den Sozialmedizinischen Dienst der Rentenversicherung ist auch in der Klinik selbst das frühzeitige Erkennen eines besonderen arbeits- und berufsbezogenen Rehabilitationsbedarfs wichtig. Hierzu dienen zum einen die klinische Untersuchung und die arbeits- und berufsbezogene Anamnese, zum anderen der Einsatz von Screening-Fragebögen für berufsbezogene Problemlagen (vgl. Kapitel 3.1). Im Anschluss an die Feststellung einer möglichen beruflichen Problemlage muss eine differenzierte Diagnostik erfolgen, um aus der Problemlage einen individuellen Behandlungsplan ableiten zu können (vgl. hierzu Kapitel 3.2 bis 3.4). Die arbeits- und berufsbezogene Diagnostik erfordert einen Abgleich des Anforderungs- und Fähigkeitsprofils des Rehabilitanden. Gegebenenfalls ist eine Belastungserprobung mit diagnostischem Schwerpunkt notwendig, um die persönliche psychische und physische Belastungsfähigkeit des Rehabilitanden einzuschätzen. Um die Anforderungen des individuellen Arbeitsplatzes objektivieren zu können, sind Arbeitsplatzbeschreibungen hilfreich (z. B. über „Berufenet“ der Arbeitsagentur, über den Arbeitgeber, über die Berufsgenossenschaft). Durch Kontakte, etwa zum Betriebs- und Hausarzt des Rehabilitanden, können – unter Berücksichtigung der Regelungen zum Sozialdatenschutz – notwendige Informationen über den Arbeitsplatz und Vorbefunde ergänzt werden. Weiterer wichtiger Bestandteil der Diagnostik ist der Abgleich der subjektiven Angaben des Rehabilitanden mit objektivierbaren Befunden (z. B. im Rahmen einer EFL-Diagnostik vgl. Kapitel 3.2). Auch die arbeits- und berufsbezogenen Behandlungserwartungen des Rehabilitanden und seine Motivation, sich mit arbeits- und berufsbezogenen Fragestellungen auseinander zu setzen, müssen zu Beginn der Rehabilitation erfasst werden. 19 Die Vereinbarung von Therapiezielen erfolgt gemeinsam mit dem Rehabilitanden und dem interdisziplinären Reha-Team. Im Reha-Team werden relativ zu Beginn der Maßnahme Fähigkeits- bzw. Defizitanalyse und Therapieplanung durchgeführt; während der Behandlung werden die Ziele bzw. die Zielerreichung regelmäßig überprüft und die Ziele bei Bedarf modifiziert. Die Förderung der Motivation des Rehabilitanden, sich mit seiner individuellen Berufs- und Arbeitssituation auseinanderzusetzen, sollte während der gesamten Rehabilitation als Thema präsent sein (vgl. hierzu Kapitel 4). Die Durchführung arbeits- und berufsbezogener Maßnahmen (vgl. hierzu Kapitel 5) erfolgt unter Beteiligung unterschiedlicher Fachdisziplinen (z. B. Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Psychologen, Sozialpädagogen). Bei Maßnahmen, die extern durchgeführt werden (z. B. externe Belastungserprobung), erfolgen im Bedarfsfall Betriebsbesuche durch den Sozial- oder Arbeitstherapeuten mit Feedback für den Rehabilitanden und den Anleiter. Bei arbeits- und berufsbezogenen Maßnahmen ist eine gute Vernetzung zwischen Leistungsträgern (z. B. Rentenversicherung, Arbeitsagentur), Rehabilitand und Klinik über den gesamten Behandlungsprozess hinweg notwendig. Der frühzeitige Einbezug des Reha-Fachberaters der DRV – auch schon in die Planung arbeits- und berufsbezogener Maßnahmen – ist wichtig, vor allem wenn der Behandlungsansatz eine Verlängerung der Rehabilitationsmaßnahme erforderlich macht. Am Ende einer arbeits- und berufsbezogenen Rehabilitation wird im Team eine abschließende sozialmedizinische Leistungsbeurteilung vorgenommen (auch mit Hilfe standardisierter Selbst- und Fremdbeurteilungsverfahren). Im Gespräch mit dem Rehabilitanden müssen die objektiven Ergebnisse wie auch die Ressourcen und Defizite des Rehabilitanden im Abgleich von Selbst- und Fremdbeobachtung besprochen werden. Insbesondere muss mit dem Rehabilitanden geklärt werden, ob er direkt im Anschluss an den Reha-Aufenthalt wieder im bisherigen Umfang an seinem Arbeitsplatz tätig sein kann bzw. eine berufliche Wiedereingliederung (vorrangig am bisherigen Arbeitsplatz) unterstützt werden kann (BAR, 2008). Aus dem Abgleich des Anforderungsprofils des Arbeitsplatzes mit der Leistungsfähigkeit des Rehabilitanden ergeben sich Inhalte und Ansatzpunkte für weiterführende Beratungen und weitere therapeutische Maßnahmen – auch für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA). Es ist zu prüfen, ob LTA notwendig sind. Der Ablauf einer möglichen Stufenweisen Eingliederung muss bereits am Ende der medizinischen Rehabilitation mit dem Arbeitgeber des Rehabilitanden geklärt, abgestimmt und im Entlassungsbericht festgehalten werden. Dies beinhaltet auch die Anfertigung eines Plans zur Stufenweisen Wiedereingliederung. Mit Blick auf die Anbahnung der nachgehenden Maßnahmen sollte möglichst frühzeitig, mit Einverständnis des Rehabilitanden, die Rehabilitationseinrichtung Kontakt zum Betriebsarzt, zum Arbeitgeber und/oder zum Rehabilitations-Fachberater des Kostenträgers aufnehmen, um die Nachsorge und schwerbehinderten berufliche Menschen (Wieder-)Eingliederung kann auch die des Rehabilitanden Beteiligung der zu planen. Integrationsämter Bei bzw. Ist die gesetzliche Unfallversicherung Träger der Maßnahmen, so ist der Reha-Fachberater/Berufshelfer der Unfallversicherung einzubinden. 20 Integrationsfachdienste hilfreich sein (vgl. BAR, 2008). Abbildung 2.1 illustriert den beschriebenen Behandlungsprozess. Abb. 2.1: Behandlungsprozess in der medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation 21 Verwendete Literatur [BAR] Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (2008). Praxisleitfaden: Strategien zur Sicherung der Nachhaltigkeit von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Frankfurt am Main. [DRV] Deutsche Rentenversicherung Bund (2007). Eckpunkte arbeitsbezogener Strategien bei Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. www.deutsche-rentenversicherung-bund.de/cae/servlet/contentblob/36700/publicationFile /17813/download_eckpunkte_strategien.pdf (aufgerufen im März 2012) Hansmeier, T. & Schliehe, F. (2009). Rechtliche und institutionelle Rahmenbedingungen der medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation. In A. Hillert, W. Müller-Fahrnow & F.M. Radoschewski (Hrsg.), Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation (S. 34-39). Köln: Deutscher Ärzteverlag. 22 3. Erfassung und Beschreibung arbeits- und berufsbezogener Problemlagen (unter Mitarbeit von Dr. Matthias Bethge, Medizinische Hochschule Hannover) 3.1 Screening-Verfahren zur Identifikation von Rehabilitanden mit arbeits- und berufsbezogenen Problemlagen Würzburger Screening SIBAR SIMBO 3.2 FCE-Systeme zur objektiven Erfassung der arbeitsbezogenen funktionellen Leistungsfähigkeit Evaluation der funktionellen Leistungsfähigkeit (nach Isernhagen) (EFL) ERGOS® SAPPHIRE Arbeitskapazitäten System 3.3 Dokumentationssysteme zum Abgleich von Fähigkeiten und Anforderungen Integration von Menschen mit Behinderungen in die Arbeitswelt (IMBA) Merkmalsprofile zur Eingliederung Leistungsgewandelter und Behinderter in Arbeit (MELBA) 3.4 Fragebogeninstrumente im Kontext arbeits- und berufsbezogener Maßnahmen 3.4.1 Erfassung von Einschränkungen der Aktivitäten und Teilhabe Disabilities of the Arm, Shoulder and Hand Questionnaire, deutsche Version (DASH) Indikatoren des Reha-Status (IRES-3, IRES-24) Spinal Function Sort (Performance Assessment and Capacity Testing „PACT-Test“) Work Ability Index - WAI (deutsch: Arbeitsbewältigungsindex - ABI) 3.4.2 Erfassung von Kontextfaktoren Arbeitsbezogenes Verhaltens- und Erlebensmuster (AVEM) Diagnostikinstrument für Arbeitsmotivation (DIAMO) Fear Avoidance Beliefs Questionnaire, deutsche Version (FABQ-D) Fragebogen zur Erfassung der berufsbezogenen Therapiemotivation (FBTM) Fragebogen zur Messung beruflicher Gratifikationskrisen (ERI) Fragebogen zu rehabilitationsbezogenen Erwartungen und Motivationen (FREM) Job-Angst-Skala (JAS) Patientenfragebogen zur Erfassung der Reha-Motivation (PAREMO, PAREMO-20) Skala „Berufliche Selbstwirksamkeitserwartung“ Skala zur Erfassung genereller beruflicher Selbstwirksamkeitserwartungen (BSEF-Skala) Work-family-conflict-Skala (WFC-Skala) 23 Im Folgenden werden Testverfahren vorgestellt, die im Kontext arbeits- und berufsbezogener Fragestellungen in der Rehabilitation Einsatz finden können. Die beschriebenen Verfahren wurden ausgewählt in Zusammenarbeit mit Experten aus Reha-Kliniken, von Leistungsträgern und aus der Forschung sowie unter Bezugnahme auf den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Literatur. Die genannten Assessments stellen Beispiele für Instrumente in den jeweiligen Themenbereichen dar. Die Auflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die ausgewählten Verfahren stellen zudem keine Empfehlung dar. Sie sind sowohl einzeln als auch in Kombination anwendbar. Abbildung 3.1 zeigt eine schematische Unterteilung der Instrumente zur Erfassung und Beschreibung arbeits- und berufsbezogener Problemlagen. Abb. 3.1: Unterteilung der Instrumente zur Erfassung und Beschreibung arbeits- und berufsbezogener Problemlagen Bei den Instrumenten zur Erfassung und Beschreibung beruflicher Problemlagen handelt es sich zum einen um Screening-Verfahren zur Identifikation von Patienten mit arbeits- und berufsbezogenen Problemlagen (Kapitel 3.1), die der eigentlichen, umfassenderen Diagnostik vorgeschaltet sind, zum anderen um diagnostische Instrumente, die eine differenziertere Beschreibung der individuellen Problemlage ermöglichen. Die weiteren Abschnitte beziehen sich auf FCE-Systeme zur objektiven Erfassung der individuellen arbeitsbezogenen funktionellen Leistungsfähigkeit (functional capacity evaluation; Kapitel 3.2), Dokumentationssysteme zum Abgleich von Fähigkeiten und Anforderungen (Kapitel 3.3) sowie Fragebogenverfahren (i. d. R. Selbstbeurteilungsinstrumente) zur Erfassung wesentlicher Aspekte der Aktivitäten und Teilhabe sowie der (personen- und umweltbezogenen) Kontextfaktoren eines Rehabilitanden unter Bezugnahme auf das Modell der funktionalen Gesundheit der ICF (WHO, 2001) (Kapitel 3.4 f.). Für die nachfolgende Darstellung wurden Instrumente ausgewählt, deren psychometrische Eigenschaften mindestens befriedigend sind. Bezüglich der genauen psychometrischen Kennwerte der Verfahren wird auf die jeweilige Originalliteratur verwiesen, die am Ende dieses Kapitels aufgeführt ist. 24 3.1 Screening-Verfahren zur Identifikation von Rehabilitanden mit arbeits- und berufsbezogenen Problemlagen In der medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation werden Screening-Verfahren unter anderem dazu eingesetzt, um festzustellen, ob ein Rehabilitand arbeits- und berufsbezogene Rehabilitationsmaßnahmen benötigt. Werden durch das Screening Risiken für arbeits- und berufsbezogene Problemlagen entdeckt, sollen diese durch eine anschließende ausführlichere Diagnostik spezifiziert werden (vgl. Kapitel 3.2 bis 3.4). Die Screening-Verfahren zur Ermittlung arbeits- und berufsbezogener Probleme können zum einen vor der Rehabilitation bei der sozialmedizinischen Begutachtung durch die Leistungsträger eingesetzt werden, um eine bedarfsgerechte Zuweisung des Antragstellers zu ermöglichen. Zum anderen können sie kurz vor bzw. zu Beginn der Rehabilitation durch den Leistungserbringer verwendet werden, um die arbeits- und berufsbezogene Behandlung bedarfsgerecht zu steuern. Für die Identifikation von arbeits- und berufsbezogenen Problemlagen in der medizinischen Rehabilitation sind verschiedene Screening-Instrumente entwickelt und validiert worden, welche hier kurz vorgestellt werden. Bei den Instrumenten handelt es sich um kurze Fragebögen, die von Patienten einfach und in weniger als fünf Minuten zu bearbeiten sind. Die drei hier genannten Verfahren sind unabhängig von der Art der Erkrankung einsetzbar (generisch). Beim Würzburger Screening (Löffler et al., 2009) handelt es sich um einen Fragebogen für den Einsatz in Rehabilitationseinrichtungen mit neun Fragen zu den Themenbereichen „Subjektive Erwerbsprognose“, „Berufliche Belastung“ und „Interesse an berufsbezogenen Therapieangeboten“. Ferner existiert eine Kurzfassung zur Verwendung im Rahmen der sozialmedizinischen Begutachtung. Das Würzburger Screening wurde bisher bei der Reha-Antragstellung wie auch bei kardiologisch, orthopädisch, pneumologisch und psychosomatisch erkrankten Patienten getestet. Es hat sich für alle genannten Bereiche als tauglich erwiesen. Beispielfragen aus dem "Würzburger Screening" • Glauben Sie, dass Sie nach der Reha-Maßnahme wieder an Ihrem bisherigen Arbeitsplatz tätig sein können? • Tragen Belastungen am Arbeitsplatz zu Ihren gesundheitlichen Beschwerden bei? • Haben Sie Interesse, berufliche Probleme im Rahmen der Reha-Maßnahme zu bearbeiten? SIBAR, das Screening-Instrument für Beruf und Arbeit in der Rehabilitation (Bürger & Deck, 2009), ist ein kurzer Fragebogen, der mit elf Items auf eine DIN-A4-Seite passt. Eine längere Version umfasst neben den wichtigsten demographischen Daten zusätzlich eine differenziertere Erfassung der beruflichen Belastungen und des subjektiven Bedarfs an unterschiedlichen berufsbezogenen Behand25 lungsangeboten. SIBAR umfasst drei unabhängige Bestandteile des berufsbezogenen Behandlungsbedarfs: „Sozialmedizinische Risikofaktoren“ (Frühberentungsrisiko), „Berufliche Problemlagen“ und „Subjektiver Bedarf an berufsbezogenen Reha-Angeboten“. Das Verfahren wurde sowohl bei der Antragstellung als auch in orthopädischen, kardiologischen, onkologischen und psychosomatischen Reha-Einrichtungen erprobt und hat sich als geeignet erwiesen, Rehabilitanden mit berufsbezogenen Problemlagen zu erkennen. Der SIMBO-C, ein Screening-Instrument zur Feststellung des Bedarfs an Medizinisch-Beruflich Orientierten Maßnahmen bei Patienten mit Chronischen Erkrankungen (Streibelt, 2009), berücksichtigt sieben Indikatoren beeinträchtigter beruflicher Teilhabe, unter anderem verschiedene sozialmedizinische Parameter, die subjektive berufliche Prognose, die berufsbezogene Therapiemotivation und das Alter. Der SIMBO-C fand bisher in der Orthopädie, Psychosomatik und Inneren Medizin Anwendung. Darüber hinaus wurde er im Antragsverfahren für medizinische Rehabilitationsmaßnahmen eingesetzt. Auf der Homepage „Arbeits- und berufsbezogene Orientierung in der medizinischen Rehabilitation“ des Arbeitsbereichs Rehabilitationswissenschaften der Universität Würzburg können die genannten Screeningverfahren kostenlos heruntergeladen werden bzw. sind Kontaktdaten zum Autor verfügbar: www.medizinisch-berufliche-orientierung.de/erfassung-und-beschreibung-arbeits-und-berufsbezogener-problemlagen/diagnostik-screening 26 3.2 FCE-Systeme zur objektiven Erfassung der arbeitsbezogenen funktionellen Leistungsfähigkeit Zur objektiven Erfassung der individuellen arbeitsbezogenen funktionellen Leistungsfähigkeit wurden vor allem im englischsprachigen Raum Testverfahren entwickelt, die unter der Bezeichnung FCESysteme (functional capacity evaluation) Einzug in die medizinische Rehabilitation gefunden haben (vgl. Erbstößer et al., 2003; Erbstößer, 2004; Genovese & Galper, 2009). FCE-Systeme messen die individuelle Fähigkeit (capacity) eines Rehabilitanden, Anforderungen einer bestimmten Arbeitstätigkeit zu erfüllen und beinhalten neben standardisierten körperlich orientierten Testaufgaben auch anamnestische Erhebungen, Interviewelemente und Beobachtungen. Die möglichst realitätsgerechte Beurteilung der Arbeitsfähigkeiten von Rehabilitanden bezieht sich schwerpunktmäßig auf häufig vorkommende physische Aspekte der Arbeit (z. B. Heben, Tragen) und erfolgt über standardisierte Leistungstests. Laut Schreiber und Kollegen (2000) sollten FCE-Systeme nicht als alleinige Bewertung der funktionellen Leistungsfähigkeit eines Patienten angesehen werden, sondern sollten durch klinische Untersuchungen, weitere Funktionsmessungen und patientenzentrierte Variablen ergänzt werden. Evaluation der funktionellen Leistungsfähigkeit (nach Isernhagen) (EFL) (Isernhagen et al., 1999; Kaiser et al., 2000a) Die Evaluation der funktionellen Leistungsfähigkeit ermöglicht eine objektivierte Beurteilung der funktionellen Leistungsfähigkeit. Bei den physischen Tests wird der Rehabilitand zum einen bis zu seiner Leistungsgrenze belastet („psychophysische Tests“), zum anderen wird die maximale Leistungsfähigkeit innerhalb einer ergonomischen Testausführung ermittelt („kinesiophysische Tests“). Das EFL-Bewertungssystem beruht auf der kinesiophysischen Methodik. Die gesamte Testbatterie umfasst 29 standardisierte funktionelle Leistungstests (z. B. Heben, Tragen, Arbeiten über Kopfhöhe, Leiter steigen, Handkoordination). Die reine Testdurchführung dauert fünf bis sechs Stunden und wird auf zwei Tage aufgeteilt. Die individuelle Belastbarkeit des Rehabilitanden in den einzelnen Tests wird in eine EFL-Tabelle eingetragen. Es wird die geschätzte Belastbarkeit während eines achtstündigen-Arbeitstags ermittelt und in ein Leistungsprofil überführt. Das Leistungsprofil wird dem arbeits- und berufsbezogenen Anforderungsprofil (der jeweiligen Arbeitsstelle des Rehabilitanden) gegenübergestellt („Job Match“), wobei Defizite und Fertigkeiten des Rehabilitanden deutlich werden, die in der Therapie gezielt trainiert werden können. In das Anforderungsprofil können Angaben des Rehabilitanden und seines Arbeitgebers eingehen. Der Beobachtung des Rehabilitanden in der Testsituation (z. B. zum Umgang mit Beschwerden) kommt eine wichtige Rolle zu. Um den Aufwand einer kompletten EFL-Testung zu reduzieren, wurden EFL-Kurzformen entwickelt. Innerhalb dieser gekürzten Variante werden wie bei der ausführlichen EFL-Version mehrere Anforderungen des Arbeitsplatzes bestimmt und anschließend in arbeitsplatzbezogene Testsituationen um27 gesetzt. Die Tests sind allerdings hinsichtlich des Zeitaufwands im Verhältnis zum EFL-Gesamtverfahren erheblich gekürzt und geben Auskunft über die momentane funktionelle Leistungsfähigkeit bezogen auf indikationsbezogene bzw. individuelle Fragestellungen (s. Kapitel 6: Praxisbeispiele der Klinik Bavaria oder „Arbeitsplatzspezifische Rehabilitation“ ARC-Gruppe). Die Einführung der Methode und die Beteiligung an EFL-Kursen, in denen die Ausbildung von EFLAnwendern erfolgt, setzt den Erwerb einer Lizenz der EFL Akademie voraus (www.efl-akademie.de). Als Ergänzung zum EFL und anderen Verfahren zur Erfassung der funktionellen Leistungsfähigkeit ist der als „PACT-Test“ bekannte Spinal Function Sort anzusehen (Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation, 1996). Dieser Test erhebt die subjektive Einschätzung der funktionellen Leistungsfähigkeit der Probanden und ist in Kapitel 3.4.1 genauer beschrieben. ERGOS® (Kaiser et al., 2000b) Bei Ergos® handelt es sich um einen psychophysischen Test. Zielparameter ist die maximale Leistungsfähigkeit (ohne ausdrückliche Berücksichtigung ergonomischer Aspekte). Ergos® umfasst 42 Einzeltests zu den Aspekten Kraft, Körperbeweglichkeit, Arbeitsausdauer, Arbeitsschnelligkeit und Arbeitsgenauigkeit. Es erfolgt ein Vergleich der individuellen Leistung mit einer Liste von Anforderungsprofilen verschiedener beruflicher Tätigkeiten, die im System hinterlegt sind. Eine detaillierte Beschreibung des Verfahrens geben Kaiser und Mitarbeiter (2000b). Weitere Informationen finden sich unter folgenden Internetadressen: www.simwork.com/products/ergos/ergos.htm www.ergosarbeitssimulator.de SAPPHIRE Arbeitskapazitäten System (Simwork Systems / Work Recovery Europe BV) Beim SAPPHIRE Arbeitskapazitäten System handelt es sich um einen Arbeitssimulator, der die Testung des körperlichen Arbeitsvermögens eines Rehabilitanden (der „Performance“) zum Ziel hat. Die objektive Untersuchung der körperlichen Leistungsfähigkeit eines Probanden kann sich sowohl auf allgemeine Anforderungen von Arbeitsplätzen als auch auf spezifische Anforderungen bestimmter Arbeitsplätze beziehen. In der Testung muss der Rehabilitand Leistung in Form von körperlichen Arbeitsaktivitäten erbringen. Die Durchführung besteht aus standardisierten Tests, die definierte Arbeitsaktivitäten umfassen. Die Standardisierung der Testaufgaben wird durch eine entsprechende Ausstattung (verstellbare Unterteile, Gewichts- und Höheneinstellungen) unterstützt. Die Messung erfolgt auf Funktionalitätsebene, d. h. es geht bei den Tests darum, eine Funktion zu erfüllen (z. B. Arbeiten in gebückter, hockender, kniender Haltung). Die Leistung des Probanden wird mit Kriterien (Standard-Arbeitsanforderungen bzw. die im entsprechenden Beruf benötigten Fähigkeiten) verglichen. Auch das Arbeitstempo wird in der Testung berücksichtigt (Messung der Effektivität/Produktivität). Die Schwerpunkte einzelner 28 Untertests liegen in den Bereichen Kraft, Ausdauer und körperliche Flexibilität. Diese Aspekte werden auch in Kombination miteinander getestet. Der SAPPHIRE sollte als Teil eines umfassenden Assessment-Prozesses eingesetzt werden, in dem auch andere für die Arbeit wichtige Aspekte erfasst werden. Weiterführende Informationen zum Verfahren finden sich unter: www.simwork.com/products/sapphire/sapphire.htm 3.3 Dokumentationssysteme zum Abgleich von Fähigkeiten und Anforderungen Integration von Menschen mit Behinderungen in die Arbeitswelt (IMBA) (IMBA-Projektteam, 2000) Bei IMBA handelt es sich um ein Profilvergleichsverfahren, welches die Erstellung eines Fähigkeitsprofils und den Abgleich mit den Anforderungen am Arbeitsplatz erlaubt. Es kann als ergänzendes Sytem zu EFL oder Ergos® eingesetzt werden. IMBA umfasst folgende Merkmalskomplexe: Körperhaltung, Körperfortbewegung, Körperteilbewegung, Informationsaufnahme und -abgabe, komplexe physische Merkmale, Umgebungseinflüsse, Arbeitssicherheit, Arbeitsorganisation und psychologische Merkmale. In Bezug auf die diagnostischen Methoden werden keinerlei Vorgaben gemacht. Bei der Erstellung von Anforderungsprofilen können beispielsweise schriftliches Material über den Arbeitsplatz (Arbeitsplatzbeschreibungen, Statistiken), Beobachtung am Arbeitsplatz, Befragungen (Arbeitnehmer, Vorgesetzter, Kollege) oder Messungen am Arbeitsplatz (Schall, Lichtintensität, Gewichte) herangezogen werden. Auch bei der Erstellung von Fähigkeitsprofilen (ärztliche Befragungen und Untersuchungen, Selbstauskünfte des Arbeitnehmers, eine Fremdanamnese und Ergebnisse technischer Untersuchungen z. B. mit ERGOS) und bei der psychologischen Begutachtung (Exploration bzw. Anamnese, eine Fremdanamnese, Verhaltensbeobachtungen sowie die Bearbeitung standardisierter Aufgaben oder psychometrischer Testverfahren) können Aufschluss über die körperliche bzw. psychische Verfassung des Arbeitnehmers geben. Die so erhobenen Daten werden anhand der IMBA-Materialien (Definitionen, Beurteilungshinweise und -schlüssel) ausgewertet. Merkmalsprofile zur Eingliederung Leistungsgewandelter und Behinderter in Arbeit (MELBA) (Föhres et al., 2003) Bei MELBA handelt es sich um ein vorrangig psychologisches Erhebungsverfahren. Es basiert ebenfalls auf dem Vergleich von Fähigkeiten und Anforderungen (Profilvergleich), legt aber den Schwerpunkt auf psychologische Schlüsselqualifikationen. Hierbei handelt es sich wie beim IMBA um ein Fragebogenverfahren. Das Verfahren MELBA ist als eigenständiges Verfahren konzipiert, beinhaltet aber neben einzelnen Merkmalen aus anderen IMBA-Merkmalsgruppen die psychischen Merkmale 29 der Gruppe Schlüsselqualifikationen des IMBA-Verfahrens. In der Softwareversion von IMBA kann optional auch ein MELBA-Profil erstellt werden und MELBA-Profile können in IMBA-Profile integriert werden. Das Verfahren MELBA gliedert sich in drei Teile: 1. Das Fähigkeitsprofil 2. Das Anforderungsprofil 3. Den Profilvergleich Grundlage sind 29 definierte Merkmale, die fünf Merkmalbereichen zugeordnet sind. Soziale Merkmale (z. B. Teamarbeit, Kontaktfähigkeit) Kognitive Merkmale (z. B. Problemlösen, Konzentration) Merkmale zur Art der Arbeitsausführung (z. B. Ausdauer, Sorgfalt) Psychomotorische Merkmale (z. B. Antrieb, Reaktionsgeschwindigkeit) Kulturtechniken/Kommunikation (z. B. lesen können) Um die Merkmale standardisiert und systematisch einschätzen zu können, gibt es Definitionen zu jedem der o. g. Merkmale. Für jedes einzelne Merkmal wird die Höhe von Profilwerten von 1 bis 5 eingeschätzt. 3.4 Fragebogeninstrumente im Kontext arbeits- und berufsbezogener Maßnahmen Im Kontext arbeits- und berufsbezogener Orientierung in der medizinischen Rehabilitation werden verschiedene diagnostische Fragebogenverfahren zur Selbstbeurteilung durch den Rehabilitanden eingesetzt. Die Systematik der folgenden Darstellung verschiedener Assessments, orientiert sich am Modell der funktionalen Gesundheit der ICF und ist unterteilt in Instrumente zur Erfassung von Einschränkungen der Aktivitäten und Teilhabe (Kapitel 3.4.1), zur Erfassung von sozialen, umwelt- und personenbezogenen Kontextfaktoren (Kapitel 3.4.2). Innerhalb der beiden Themenbereiche sind die Testverfahren alphabetisch geordnet. 3.4.1 Erfassung von Einschränkungen der Aktivitäten und Teilhabe Disabilities of the Arm, Shoulder and Hand Questionnaire, deutsche Version (DASH) (Germann et al., 1999, 2003) Beim DASH handelt es sich um ein Selbstbeurteilungsinstrument zur Erfassung von Symptomen und funktionellen Einschränkungen bei muskuloskelettalen Erkrankungen im Bereich der oberen Extremitäten. Die Originalversion des DASH wurde auf der Grundlage der ICIDH (Vorläufer der ICF) konzipiert und umfasst Items aus den Bereichen „Körperfunktionen und -strukturen“ sowie „Aktivitäten und Partizipation“. 30 Der DASH besteht aus 30 Items, die sich auf die Bereiche „Körperfunktion und -strukturen“, „berufliche und allgemeine Aktivitäten“ und „soziales Leben“ beziehen. Es existiert auch eine Kurzform („QuickDASH“), die elf Items umfasst. Die Items des DASH werden im Hinblick auf die Schwierigkeiten bei der Ausübung der jeweiligen Aktivitäten beantwortet. Es erfolgt die Berechnung eines Gesamtwerts, der den Grad der Einschränkung wiedergibt. Über diesen Kernfragebogen hinaus können zwei optionale Module (Sport und Musik bzw. Arbeit und Beruf) mit jeweils vier Items eingesetzt werden. Einige Beispielitems aus dem Kernfragebogen sowie aus dem optionalen Arbeits- und Berufs-Modul sind in Tabelle 3.2 aufgeführt. Tab. 3.2: Beispielitems aus dem DASH. Bereich Beispielitem Kernfragebogen Körperliche Funktionsfähigkeit Eine Einkaufstasche oder einen Aktenkoffer tragen Symptome Schmerzen in Schulter, Arm oder Hand während der Ausführung einer bestimmten Tätigkeit Soziale Partizipation In welchem Ausmaß haben Ihre Schulter-, Arm- oder Handprobleme Ihre normalen sozialen Aktivitäten mit Familie, Freunden, Nachbarn oder anderen Gruppen während der vergangenen Woche beeinträchtigt? Beispielitems Arbeits- und Berufs-Modul Instruktion: Bitte kreuzen Sie die Zahl an, die Ihre körperlichen Fähigkeiten in der vergangenen Woche am besten beschreibt. (Skala zwischen „Keine Schwierigkeiten“ = 1 und „Nicht möglich“ = 5) Hatten Sie irgendwelche Schwierigkeiten: … aufgrund der Schmerzen in Schulter, Arm oder Hand Ihre übliche Arbeit zu erledigen? … so gut zu arbeiten wie Sie es möchten? Das Instrument (auch in der deutschsprachigen Version) sowie weiterführende Informationen (auf Englisch) können unter folgender Internetadresse heruntergeladen werden: www.dash.iwh.on.ca Indikatoren des Reha-Status (IRES-3, IRES-24) (Bührlen et al., 2005; Wirtz et al., 2005) Der IRES-Fragebogen ist ein spezifisch für den Rehabilitationskontext entwickeltes, generisches Selbstbeurteilungsverfahren; er erfasst mittels 144 Items (IRES-3) bzw. 24 Items (Kurzversion IRES24) verschiedene Facetten des subjektiven Gesundheitsstatus und der Funktionsfähigkeit bei Patienten mit chronischen Erkrankungen. Die Kurzversion IRES-24 wurde auf Basis der probabilistischen Testtheorie entwickelt und ist Rasch-skaliert. Die Items des IRES verteilen sich auf die folgenden Dimensionen (Tabelle 3.3): 31 Tab. 3.3: Dimensionen der IRES-Fragebögen Dimension IRES-3 IRES-24 Somatische Gesundheit Schmerzen Funktionsfähigkeit im Alltag Funktionsfähigkeit im Beruf Psychisches Befinden Soziale Integration Gesundheitsverhalten Krankheitsbewältigung Für den Kontext der arbeits- und berufsbezogenen Orientierung in der medizinischen Rehabilitation ist (je nach Bedarf) die Verwendung verschiedener Subskalen von IRES-3 oder IRES-24 denkbar, etwa die Skala „Funktionsfähigkeit im Beruf“ (nur IRES-3). Ausführliche Informationen zu den Anwendungsbereichen und psychometrischen Eigenschaften des IRES geben Leonhart und Gerdes (2005) sowie Frey und Mitarbeiter (2007). Möglichkeiten zum Download der Instrumente finden sich unter: www.uniklinik-freiburg.de/aqms/live/DLInstrumente.html www.uniklinik-freiburg.de/aqms/live/IRES-online.html Spinal Function Sort (auch bekannt als Performance Assessment and Capacity Testing „PACT-Test“) Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation, 1996) Da die Bereitschaft von Rehabilitanden, sich zu belasten bzw. eine Arbeitstätigkeit aufzunehmen, auch in wesentlichem Maß von der subjektiven Leistungsfähigkeit abhängt, werden die physischen Leistungstests der EFL durch eine standardisierte Selbsteinschätzung der eigenen Leistungsfähigkeit ergänzt. Anhand von Bildern mit typischen Arbeitssituationen soll der Rehabilitand seine Leistungsfähigkeit einschätzen. Es wird empfohlen, einen Vergleich der subjektiven Leistungsfähigkeit vor und nach den EFL-Tests mit den tatsächlichen Testergebnissen vorzunehmen, um Unter- und Überschätzungen zu erkennen. Die Testergebnisse werden in einem standardisierten Testbericht festgehalten, der auch Angaben zur Verhaltensbeobachtung umfasst. 32 Work Ability Index - WAI (deutsch: Arbeitsbewältigungsindex - ABI) (Hasselhorn und Freude, 2007; BAuA, 2011) Der Work Ability Index (WAI) wurde Anfang der achtziger Jahre in Finnland entwickelt und dient zur Einschätzung der Arbeitsfähigkeit sowohl bei Einzelpersonen als auch bei Beschäftigtengruppen. Die aktuelle deutschsprachige Fassung beruht auf der überarbeiteten englischsprachigen Originalversion von Tuomi et al. (2008). Beim ABI handelt es sich um einen Selbstauskunftsbogen mit zehn Items, die sieben Dimensionen zugeordnet sind. Tabelle 3.4 zeigt Beispielitems aus den sieben Dimensionen des WAI. Tab. 3.4: Dimensionen des WAI/ABI-Fragebogens Dimension Beispielitem derzeitige Arbeitsfähigkeit im Vergleich zu der besten je erreichten Arbeitsfähigkeit Wenn Sie Ihre beste, je erreichte Arbeitsfähigkeit mit 10 Punkten bewerten: Wie viele Punkte würden Sie dann für Ihre derzeitige Arbeitsfähigkeit geben? Arbeitsfähigkeit in Relation zu den Arbeitsanforderungen Wie schätzen Sie Ihre derzeitige Arbeitsfähigkeit in Bezug auf die körperlichen Arbeitsanforderungen ein? Wie schätzen Sie Ihre derzeitige Arbeitsfähigkeit in Bezug auf die psychischen Arbeitsanforderungen ein? Anzahl der aktuellen, vom Arzt diagnostizierten Krankheiten Kreuzen Sie in der folgenden Liste Ihre Krankheiten oder Verletzungen an. Geben Sie bitte auch an, ob ein Arzt diese Krankheiten diagnostiziert oder behandelt hat. geschätzte Beeinträchtigung der Arbeit durch Krankheiten Behindert Sie derzeit eine Erkrankung oder Verletzung bei der Arbeit? Falls nötig, kreuzen Sie bitte mehr als eine Antwortmöglichkeit an. Krankenstand in den vergangenen 12 Monaten Wie viele ganze Tage sind Sie auf Grund eines gesundheitlichen Problems (Krankheit, Unfall) in den letzten 12 Monaten der Arbeit ferngeblieben? Einschätzung der eigenen Arbeitsfähigkeit in zwei Jahren Glauben Sie, dass Sie, ausgehend von Ihrem jetzigen Gesundheitszustand, Ihre derzeitige Arbeit auch in den nächsten zwei Jahren ausüben können? psychische Leistungsreserven Haben Sie in der letzten Zeit Ihre täglichen Aufgaben mit Freude erledigt? Aus den Antworten auf die Fragen ergibt sich für jede Dimension ein Punktwert, die zu einem Gesamtwert summiert werden. Die höchste erreichbare Punktzahl des ABI liegt bei 49 und bedeutet „maximale Arbeitsfähigkeit“, die geringste beträgt sieben Punkte und steht für „minimale Arbeitsfähigkeit“. Unter "Arbeitsfähigkeit" wird hierbei verstanden, inwieweit Beschäftigte in der Lage sind, 33 ihrer Tätigkeit angesichts von Arbeitsanforderungen, Gesundheit und mentalen Ressourcen nachzugehen. Die Arbeitsfähigkeit wird dabei durch die individuellen Ressourcen der Arbeitnehmer (körperliche, mentale, soziale Fähigkeiten, Gesundheit, Kompetenz, Werte) sowie die Arbeit (Arbeitsinhalt, Arbeitsorganisation, soziales Arbeitsumfeld, Führung) bestimmt. Der Punktwert steht für das Ausmaß der Übereinstimmung dieser beiden Komponenten. Die Kurzversion des ABI unterscheidet sich von der Langversion ausschließlich in der Anzahl der vorgegebenen aktuellen Krankheitsbilder (Kurzversion 13, Langversion 51 Krankheiten). Weiterführende Informationen zum Verfahren finden sich unter: www.arbeitsfaehigkeit.uni-wuppertal.de/index.php?Literatur-deutsch 3.4.2 Erfassung von Kontextfaktoren Arbeitsbezogenes Verhaltens- und Erlebensmuster (AVEM) (Schaarschmidt und Fischer, 2006) Der AVEM ist ein Selbsteinschätzungsfragebogen, der für den Einsatz im Rahmen arbeits- und gesundheitspsychologischer Fragestellungen gedacht ist. Das Verfahren erlaubt Aussagen über gesundheitsförderliche Verhaltens- und Erlebensmuster bei der Bewältigung von Arbeits- und Berufsanforderungen. Es werden dabei vier solcher Muster unterschieden: Muster G (Engagement, Widerstandskraft und Wohlbefinden), Muster S (Schonung), Risikomuster A (Selbstüberforderung) und Risikomuster B (Überforderung und Resignation). Während Muster G gesundheitsförderliches Verhalten und Erleben anzeigt, weisen die Muster A und B auf unterschiedliche Gesundheitsgefährdungen hin. Muster S wiederum ist weniger unter Gesundheits-, sondern mehr unter Motivationsaspekten von Interesse. Die 66 Items des Fragebogens verteilen sich auf elf Dimensionen (siehe Tabelle 3.5), die zu den drei Bereichen „Arbeitsengagement“, „Widerstandskraft“ und „Wohlbefinden/psychologischer Schutzfaktor“ zusammengefasst werden können. Die Auswertung erfolgt in zwei Schritten: Zunächst werden die Skalenwerte ermittelt. Anhand des individuellen Profils des Probanden, das sich mit Hilfe einer computergestützten Auswertung daraus ableitet, wird dann die Wahrscheinlichkeiten für die Zugehörigkeit zu den vier Mustern G, S, A und B berechnet. Die Kurzversion des AVEM umfasst 44 Items. 34 Tab. 3.5: Beispielitems für die Dimensionen des AVEM Dimension Beispielitem 1. Subjektive Bedeutsamkeit der Arbeit Die Arbeit ist für mich der wichtigste Lebensinhalt. 2. Beruflicher Ehrgeiz Ich möchte beruflich weiter kommen, als es die meisten meiner Bekannten geschafft haben. 3. Verausgabungsbereitschaft Wenn es sein muss, arbeite ich bis zur Erschöpfung. 4. Perfektionsstreben Was immer ich tue, es muss perfekt sein. 5. Distanzierungsfähigkeit Nach der Arbeit kann ich ohne Probleme abschalten. 6. Resignationstendenz bei Misserfolg Wenn ich keinen Erfolg habe, resigniere ich schnell. 7. Offensive Problembewältigung Nach Misserfolgen sage ich mir: Jetzt erst recht! 8. Innere Ruhe und Ausgeglichenheit Mich bringt so leicht nichts aus der Ruhe. 9. Erfolgserleben im Beruf Mein bisheriges Berufsleben war recht erfolgreich. 10. Lebenszufriedenheit Im Großen und Ganzen bin ich glücklich und zufrieden. 11. Erleben sozialer Unterstützung Mein Partner/meine Partnerin zeigt Verständnis für meine Arbeit. Diagnostikinstrument für Arbeitsmotivation (DIAMO) (Ranft et al., 2009) Das DIAMO dient der multidimensionalen Erfassung berufsbezogener Motivationsstrukturen. Es handelt sich um ein generisches Selbstbeurteilungsverfahren, das arbeitsbezogene Motive, Einstellungen und trait-gebundene Verhaltensmuster misst. Das Instrument gibt einen differenzierten Einblick in die berufliche Motivationsstruktur von Rehabilitanden, so dass Stärken und Schwächen identifiziert werden können. Dies verschafft diagnostische Ansatzpunkte für notwendige motivationale Interventionen oder Beratungen zur Motivationsförderung. Das DIAMO beinhaltet drei zentrale Konzepte, „Motivationales Selbstbild“, „Motivationale Handlungsentwürfe“ und „Motivationale Passung“, denen insgesamt zehn Skalen (mit insgesamt 59 Items) zugeordnet sind (siehe Tabelle 3.6). 35 Tab. 3.6: Beispielitems für die Dimensionen des DIAMO Dimension Beispielitem Motivationales Selbstbild Wenn ich nicht arbeite, fällt mir schnell die Decke auf den Kopf. Motivationale Handlungsentwürfe Ich setze mir herausfordernde Ziele für die berufliche Zukunft. Motivationale Passung Wie sehr motiviert Sie ihre bisherige (frühere) Arbeit? Fear Avoidance Beliefs Questionnaire, deutsche Version (FABQ-D) (Pfingsten et al., 1997; Pfingsten, 2004) Der Fear Avoidance Beliefs Questionnaire (FABQ-D) ist ein 16 Items umfassendes Selbstbeurteilungsverfahren, mit dem schmerzbezogene Vorstellungen und Befürchtungen von Patienten mit chronischen (Rücken-)Schmerzen erfasst werden. Es handelt sich um die deutsche Version eines von Waddell und Mitarbeitern (1993) entwickelten Instruments, das auf dem „Fear-Avoidance“-Modell basiert. Diesem zufolge bewirken Ängste und Befürchtungen, dass Bewegung und körperliche Aktivität mit Schmerzen assoziiert sind oder diese verschlimmern können, eine Vermeidung von Bewegung und Belastung. Über negative Verstärkungsprozesse etabliert sich so ein generelles Vermeidungsverhalten potenziell schmerzhafter Aktivitäten. Das Verfahren hat sich als prognostisch relevant für Variablen wie Arbeitsunfähigkeit und Beeinträchtigungserleben erwiesen. Die Items des FABQ-D sind drei Subskalen zugeordnet: Annahmen zur Rolle von Beruf und Arbeitstätigkeit als Ursache von Rückenschmerzen (Faktor 1) Annahmen zur vermuteten Wiederaufnahme der Berufstätigkeit (Faktor 2) Annahmen zum Zusammenhang von körperlicher Aktivität und Rückenschmerzen (Faktor 3) Die Items werden anhand einer 7-stufigen Likertskala von 0 = „stimmt gar nicht“ bis 6 = „stimmt ganz genau“ beantwortet. Einige Beispielitems sind in Tabelle 3.7 aufgeführt. 36 Tab. 3.7: Beispielitems für die Subskalen des FABQ-D Subskala 1. Annahmen zur Rolle von Beruf und Arbeitstätigkeit als Ursache von Rückenschmerzen 2. Annahmen zur vermuteten Wiederaufnahme der Berufstätigkeit 3. Annahmen zum Zusammenhang von körperlicher Aktivität und Rückenschmerzen Beispielitem Durch meine Arbeit wurden meine Schmerzen verstärkt Meine Arbeit könnte meinen Rücken schädigen Mit meinen augenblicklichen Schmerzen sollte ich meine gegenwärtige Arbeit eigentlich nicht ausüben Ich glaube nicht, dass ich meine jetzige Arbeitstätigkeit überhaupt wieder aufnehmen kann Körperliche Aktivitäten verstärken meine Schmerzen Körperliche Aktivitäten können meinem Rücken schaden Fragebogen zur Erfassung der berufsbezogenen Therapiemotivation (FBTM) (Zwerenz und Beutel, 2006; Zwerenz et al., 2005) Mit der Entwicklung des FBTM sollte die bestehende Lücke bezüglich der spezifischen Erfassung der berufsbezogenen Therapiemotivation geschlossen werden. Deren Erfassung ist für eine gezieltere Zuweisung zu berufsbezogenen Behandlungsangeboten von Relevanz. Sie ist zudem wichtig, da berufliche Belastungen und Konfliktsituationen eine entscheidende Rolle bei der Entstehung und Bewältigung von chronischen Erkrankungen spielen und den Patienten oft die Bereitschaft fehlt, berufsbezogene Themen während ihres Rehabilitationsaufenthaltes zu bearbeiten. Zur Fragebogenentwicklung wurden vorhandene Fragebögen zur allgemeinen Psychotherapie- und Reha-Motivation herangezogen, ergänzt durch die berufliche Perspektive. Die endgültige Version des FBTM besteht aus 24 Items, welche sich auf die Skalen „Veränderungsabsicht (sieben Items)“, „Rentenbegehren“ (sieben Items), „Negative Behandlungserwartungen“ (fünf Items) und „Aktive Bewältigungsorientierung“ (fünf Items) verteilen (siehe Tabelle 3.8). Der Proband soll dabei auf einer fünfstufigen Skala („gar nicht“ bis „sehr“) angeben, inwieweit er der betreffenden Aussage zustimmt. 37 Tab. 3.8: Beispielitems für die Subskalen des FBTM Subskala 1. Veränderungsabsicht Beispielitem In der Klinik hoffe ich, Möglichkeiten zur Bewältigung meiner Arbeitsprobleme zu finden. 2. Rentenbegehren Wenn ich jetzt wählen könnte, würde ich lieber krankgeschrieben oder früh berentet werden, als (wieder) zu arbeiten. 3. Negative Behandlungserwartungen Es hat wenig Sinn, über die Arbeit zu reden. 4. Aktive Bewältigungsorientierung Ich habe mich vor Beginn meines Aufenthaltes über die Klinik informiert. Der FBTM wurde für die psychosomatische Rehabilitation entwickelt und in weiteren Studien für die Indikationen Orthopädie und Kardiologie eingesetzt. Die Skala „Veränderungsabsicht“ des FBTM trägt zu einer sehr guten Verbesserung der Vorhersage des Erwerbsstatus ein Jahr nach Entlassung aus der Klinik bei (prädiktive Validität). Fragebogen zur Messung beruflicher Gratifikationskrisen (Effort/Reward Imbalance Questionnaire, ERI) (Rödel et al., 2004; Siegrist et al., 2009) Beim ERI handelt es sich um ein Selbstbeurteilungsverfahren zur Erfassung von arbeits- und berufsbezogenen Stresserfahrungen i. S. beruflicher Gratifikationskrisen. Dem Fragebogen liegt das Modell beruflicher Gratifikationskrisen von Siegrist (1996, 2002) zugrunde. Dieses geht davon aus, dass ein Missverhältnis von hohen geleisteten arbeits- bzw. berufsbezogenen Verausgabungen einerseits und niedriger Gratifikation (Belohnungen in Form von Bezahlung, Wertschätzung, beruflichem Aufstieg, Arbeitsplatzsicherheit) andererseits zu Stresserleben und gesundheitlichen Beeinträchtigungen führt. Die Gratifikationskrise fällt umso stärker aus, je höher die geleistete Verausgabung im Verhältnis zu den erfahrenen Gratifikationen ist. Außerdem wird im Modell angenommen, dass ein höheres Belastungs- bzw. Krankheitsrisiko dann besteht, wenn eine hohe berufliche Verausgabungsneigung vorliegt. Tabelle 3.9 zeigt Beispielitems für die fünf Dimensionen des Instruments. 38 Tab. 3.9: Beispielitems für die Subskalen des ERI Dimension Beispielitem häufig großer Zeitdruck Verausgabung bei der Arbeitstätigkeit viel Verantwortung Gratifikationen: Bezahlung und beruflicher Aufstieg schlechte Aufstiegschancen der Leistung angemessenes Gehalt Anerkennung von Vorgesetzten Gratifikationen: Wertschätzung Angemessene Unterstützung in schwierigen Situationen Verschlechterung der Arbeitsplatzsituation zu erwarten Gratifikationen: Arbeitsplatzsicherheit Arbeitsplatz gefährdet Nahestehende sagen, ich opfere mich zu sehr auf berufliche Verausgabungsneigung Arbeit geht mir nachts im Kopf herum Der Fragebogen besteht aus 22 Items. Diese werden anhand eines fünfstufigen Antwortformats bearbeitet, mit dem das Ausmaß der wahrgenommenen Verausgabung bzw. Belohnung eingeschätzt wird. Die Subskala zur Verausgabungsneigung wird anhand einer vierstufigen Likert-Skala beantwortet (von 1 = „stimme nicht zu“ bis 4 „stimme voll zu“). Vom ERI existiert auch eine Kurzform mit 16 Items, die anhand einer vierstufigen Antwortskala bearbeitet werden. Fragebogen zu rehabilitationsbezogenen Erwartungen und Motivationen (FREM-17, FREM-8) (Deck, 2006; Deck et al., 1998) Der FREM stellt eines der ersten Verfahren zur Erfassung der Reha-Motivation dar. Der Fragebogen ist als Selbstbeurteilungsinstrument konzipiert und besteht aus 17 Items, die zu vier Dimensionen aufsummiert werden (Erholung, Gesundheit, Krankheitsbewältigung, Rente). Die Reha-Motivation wird in diesem Instrument über die Erwartungen des Rehabilitanden an die Rehabilitationsbehandlung erfasst. Die Validierung des Instruments erfolgte an einer Stichprobe von Rehabilitanden mit chronischen Rückenschmerzen. Die Kurzform des Fragebogens (FREM-8) umfasst acht Items auf einer vierstufigen Antwortskala und wurde an einer indikationsübergreifenden Rehabilitandenstichprobe entwickelt. Tabelle 3.10 zeigt Beispielitems für die vier Dimensionen des Verfahrens. 39 Tab. 3.10: Beispielitems für die Dimensionen des FREM-17 Dimension Beispielitem 1. Erholung Ich erwarte, dass ich Abstand vom Alltag gewinne. 2. Gesundheit Ich erwarte, dass ich lerne gesünder zu leben. 3. Krankheitsbewältigung Ich erwarte, dass mein Selbstbewusstsein gestärkt wird und dass man mir Mut macht. 4. Rente Ich erwarte, dass man mich über berufliche Umschulungsmöglichkeiten informiert und berät. Job-Angst-Skala (JAS) (Linden et al., 2008; Muschalla & Linden, 2011) Die „Job-Angst-Skala“ (JAS), ein Fragebogen zur Erfassung arbeitsplatzbezogener Ängste, soll die Differenzierung verschiedener Formen der arbeitsplatzbezogenen Ängste ermöglichen. Das Instrument beinhaltet fünf Hauptdimensionen (Stimulusbezogene Ängste und Vermeidungsverhalten, Soziale Ängste und Beeinträchtigungskognitionen, Gesundheits- und körperbezogene Ängste, Insuffizienzerleben, Arbeitsplatzbezogene generalisierte Sorgen). Insgesamt umfasst der Fragebogen 70 Items auf 14 Subskalen (Beispielitems siehe Tabelle 3.11). Die Beantwortung erfolgt in Form einer Likert-Skala mit den Polen „0 = trifft gar nicht zu“ bis hin zu „4 = trifft voll zu“. Die Patienten erhalten das Instrument unter dem Titel „Fragebogen zu Arbeitsplatzproblemen“. Der Fragebogen wurde an orthopädischen und psychosomatischen Rehabilitanden erprobt und weist gute psychometrische Eigenschaften auf. Aus den Items der Hauptdimension „Stimulusbezogene Ängste und Vermeidungsverhalten“ wurde mittlerweile als Screening-Instrument zur Identifizierung von Arbeitsplatzphobien die „Arbeitsplatzphobieskala“ (13 Items) entwickelt. Die Items beschreiben charakteristische Symptome eines Arbeitsplatzphobie-Syndroms. Die Kurzskala wurde in einer Rehabilitationsklinik an Patienten mit psychosomatischen Krankheitsbildern getestet. Tab. 3.11: Beispielitems der Arbeitsplatzphobieskala Beispielitems Ich erlebe starke Befindlichkeitsstörungen oder Unbehagen, wenn ich an meinem Arbeitsplatz bin. Wenn ich an meinen Arbeitsplatz denke, merke ich, wie sich alles in mir anspannt. Auf dem Weg hin zu meiner Arbeitsstelle würde ich am liebsten umdrehen. 40 Patientenfragebogen zur Erfassung der Reha-Motivation (PAREMO, PAREMO-20) (Hafen et al. 2001; Kriz et al., 2006) Der Fragebogen zur Patienten-Rehabilitationsmotivation basiert auf einem theorieübergreifenden Konzept. Motivation wird dabei als ein mehrdimensionales Konstrukt erfasst. Durch den Fragebogen wird erhoben, ob und wodurch ein Patient motiviert ist, an einer Rehabilitationsmaßnahme aktiv teilzunehmen. Ferner kann der Anteil des Behandlungserfolges, der auf die aktive Beteiligung des Patienten an den rehabilitativen Maßnahmen zurückgeführt werden kann, vorhergesagt werden. Der PAREMO-20 besteht aus 20 Items, die den sechs Skalen „Seelischer Leidensdruck“, „Körperbedingte Einschränkungen“, „Soziale Unterstützung und Krankheitsgewinn“, „Änderungsbereitschaft“, „Informationsstand zu Reha-Maßnahmen“ und „Skepsis“ zugeordnet werden (siehe Tabelle 3.12). Anhand einer vierstufigen Antwortskala kann der Proband angeben, wie sehr eine Aussage mit seinen Meinungen und Erfahrungen übereinstimmt („stimmt nicht“ bis „stimmt“). Der Fragebogen wurde an mehreren Stichproben aus Patienten der kardiologischen, orthopädischen und psychosomatischen Rehabilitation konstruiert und validiert. Es liegen Normen für die Indikationsgebiete Orthopädie, Kardiologie, Onkologie, Psychosomatik und Pneumologie vor. Tab. 3.12: Beispielitems für die Dimensionen des PAREMO-20 Skala Beispielitem 1. Seelischer Leidensdruck Ich leide stark unter seelischen Beschwerden. 2. Körperbedingte Einschränkungen Meine körperlichen Beschwerden behindern mich im Alltag. 3. Soziale Unterstützung und Krankheitsgewinn Wenn es mir schlecht geht, kümmert sich eher jemand um mich als sonst. 4. Änderungsbereitschaft Ich werde meinen Lebensstil ändern müssen, um wieder gesund zu werden. 5. Informationsstand zu RehaMaßnahmen Ich weiß wenig darüber, wie eine Rehabilitationsbehandlung abläuft. 6. Skepsis Ich bin mir unsicher, ob mir hier geholfen werden kann. Skala „Berufliche Selbstwirksamkeitserwartung“ (Schyns & v. Collani, 2002) Die Skala basiert auf der Theorie zur Selbstwirksamkeitserwartung nach Bandura. In diesem Kontext wird unter Selbstwirksamkeitserwartung die Überzeugung einer Person verstanden, ein bestimmtes Verhalten ausführen zu können. Das eindimensionale Instrument wurde entwickelt aus anderen Skalen zur Selbstwirksamkeitserwartung und ähnlichen Konstrukten, die für den beruflichen Kontext angepasst wurden. Es umfasst 19 Items, bei denen die Probanden anhand einer sechsstufigen Ra41 tingskala angeben sollen, inwieweit sie einer Aussage zustimmen („stimmt völlig“ bis „stimmt überhaupt nicht“). Beispiele für die Items der Skala sind in Tabelle 3.13 aufgelistet. Tab. 3.13: Beispielitems der Skala „Berufliche Selbstwirksamkeitserwartung Beispielitems Wenn ich mir selbst berufliche Ziele setze, erreiche ich diese nur selten. Ich fühle mich den meisten beruflichen Anforderungen gewachsen. Skala zur Erfassung genereller beruflicher Selbstwirksamkeitserwartungen (BSEF-Skala) (Abele et al., 2000) Die BSEF-Skala (früher auch BSW-Skala) von Abele et al. besteht aus sechs Items und wurde im Rahmen der Erlanger Längsschnittstudie BELA-E zur beruflichen Laufbahnentwicklung junger Akademiker und Akademikerinnen konstruiert. Dabei sollen die Probanden vorgegebene Aussagen auf fünfstufigen Ratingskalen („stimmt nicht” bis “stimmt genau”) beurteilen. In Tabelle 3.14 sind Beispiele für die Items der eindimensionalen BSEF-Skala aufgeführt. Tab. 3.14: Items der BSEF-Skala Beispielitems Ich weiß nicht, ob ich die für meinen Beruf erforderlichen Fähigkeiten wirklich habe. Es bereitet mir keine Schwierigkeiten, meine beruflichen Absichten und Ziele zu verwirklichen. Work-family conflict-Skala (WFC-Skala) (Carlson et al., 2000; deutsche Version von Wolff & Höge, 2011) Bei der deutschen Version der WFC-Skala handelt es sich um eine Adaptation des sechsfaktoriellen englischsprachigen Fragebogens zur Messung von Konflikten zwischen Beruf und Familie von Carlson et al. (2000). Der Fragebogen besteht aus 18 Items, von denen jeweils drei eine Subskala bilden. Basierend auf dem Ansatz von Greenhaus und Beutell (1985) werden zwei Konfliktrichtungen (Beruf→Familie und Familie→Beruf) sowie drei Konfliktformen (zeitbasiert, beanspruchungsbasiert und verhaltensbasiert) angenommen, aus deren Kombination sich die sechs Subskalen ergeben. Tabelle 3.15 zeigt Beispielitems für zwei Subskalen. 42 Tab. 3.15: Beispielitems für die Subskalen der WFC-Skala Subskala B→F-Zeit F→B-Stress Beispielitem Meine Arbeit hält mich mehr als mir lieb ist von Unternehmungen mit meiner Familie/ meinem Partner ab. Die Belastungen im familiären/ partnerschaftlichen Bereich beeinträchtigen oft meine Arbeitsleistung. Die Probanden sollen anhand einer siebenstufigen Antwortskala angeben, inwieweit die vorgegebenen Aussagen für sie zutreffen („trifft nicht zu“ bis „trifft zu“). 43 Literatur World Health Organisation (WHO) (2001): International Classification of Functioning, Disability and Health: ICF. Geneva: WHO. Screening-Verfahren zur Identifikation von Rehabilitanden mit arbeits- und berufsbezogenen Problemlagen - Verwendete Literatur Bürger, W. & Deck, R. (2009). SIBAR – ein kurzes Screening-Instrument zur Messung des Bedarfs an berufsbezogenen Behandlungsangeboten in der medizinischen Rehabilitation. Die Rehabilitation, 48, 211-221. Löffler, S., Wolf, H.D., Neuderth, S. & Vogel, H. (2009). Screening-Verfahren in der medizinischen Rehabilitation. In A. Hillert, W. Müller-Fahrnow & F.M. Radoschewski (Hrsg.), Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation (S. 133-140). Köln: Deutscher Ärzte Verlag. Streibelt, M. (2009). Validität und Reliabilität eines Screening-Instruments zur Erkennung besonderer beruflicher Problemlagen bei chronischen Krankheiten (SIMBO-C). Rehabilitation 48, 135-144. Screening-Verfahren zur Identifikation von Rehabilitanden mit arbeits- und berufs-bezogenen Problemlagen - Weiterführende Literatur Biefang, S., Potthoff, P., Bellach, B., Ziese, T. & Buschmann-Steinhage, R. (1996). Prädiktoren des Rehabilitations- und Berentungsgeschehens - Ergebnisse einer Längsschnittstudie. Deutsche Rentenversicherung, 1-2, 84-108. Blank, L., Peters, J., Pickvance, S., Wilford, J. & MacDonald, E. (2008). Systematic review of the factors which predict return to work for people suffering episodes of poor mental health. Journal of Occupational Rehabilitation, 18, 27-34. Budde, H.-G. & Keck, M. (2001). Prädiktoren der beruflichen Wiedereingliederung nach stationärer kardiologischer Rehabilitation im Rahmen der Arbeiterrentenversicherung. Die Rehabilitation, 40, 208-216. Bürger, W., Dietsche, S., Morfeld, M. & Koch, U. (2001). 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Es lassen sich die intrinsische und die extrinsische Motivation unterschieden. Während die intrinsische Motivation aus Interesse und Freude an einer Tätigkeit selbst heraus entsteht, bezieht sich die extrinsische Motivation auf einen Zweck oder einen bestimmten Anreiz eines Handlungsergebnisses (z. B. Bezahlung). Als intrinsisch motiviert kann eine Aktivität ferner dann angesehen, wenn sich die Person dabei als selbstbestimmt erlebt und sich mit der Aufgabe identifiziert (Rheinberg, 2006). Die Motivation, sich während der medizinischen Rehabilitation mit dem Thema Erwerbsleben auseinanderzusetzen, kann jedoch nicht immer vorausgesetzt werden, sondern sollte bei Bedarf durch Maßnahmen der extrinsischen (z. B. Gewohnheitsbildung, Anreize, Lob) und intrinsischen Motivationsförderung (z. B. Erleben von Stolz/Selbstwirksamkeit) gezielt geschaffen werden. Wichtig ist es, den Rehabilitanden dort abzuholen, wo er steht, sich also bei Interventionen daran zu orientieren, inwieweit der Rehabilitand schon zu einer Auseinandersetzung mit der beruflichen Problematik bzw. entsprechenden Veränderungen bereit ist. Hierbei kann eine Orientierung an motivations- bzw. gesundheitspsychologischen Modellen sinnvoll sein oder am transtheoretischen Stufenmodell von Prochaska und DiClemente (vgl. Keller, 1999; Prochaska & Velicer, 1997). Ziel der Motivationsarbeit ist es, die Bereitschaft des Rehabilitanden zu fördern, arbeits- und berufsbezogene Fragestellungen während der Rehabilitationsmaßnahme aufzugreifen und sich mit den individuellen Bedingungen der eingeschränkten Gesundheit im Hinblick auf das Arbeits- bzw. Erwerbsleben auseinander zu setzen. Insbesondere soll auch das Interesse gefördert werden, an arbeits- und berufsbezogenen Problemen/Perspektiven unter den gegebenen Bedingungen der Auswirkungen von chronischer Erkrankung und Behinderung zu arbeiten. Rehabilitanden können so auf geplante arbeits- und berufsbezogene Maßnahmen (z. B. auf eine Belastungserprobung) vorbereitet werden, mit dem Ziel, die Compliance auf Seiten der Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu erhöhen und damit Maßnahmenabbrüchen entgegenzuwirken. Da der Erfolg einer späteren beruflichen Eingliederung die Umsetzung von Anregungen aus der Rehabilitation durch den Rehabilitanden voraussetzt, ist auf die Motivationsförderung besonderer Wert zu legen. Die wichtigste Methode zur Motivationsförderung ist das persönliche Gespräch. Darüber hinaus können aber auch schriftliche Materialien (z. B. Informationen im Einladungsschreiben, Fragebogen zu Therapiezielen, Fragebogen zur berufsbezogenen Behandlungsmotivation, Informationsbroschüren), Vorträge, Psychoedukation und Gruppengespräche zum Einsatz kommen. Die Förderung der Motivation zur Auseinandersetzung mit der individuellen Berufs- und Arbeitssituation kann auch bereits im Vorfeld der Rehabilitation beginnen. Wenngleich der Schwerpunkt der 55 Motivationsförderung zu Beginn der Rehabilitationsbehandlung liegt, sollte das Thema während der gesamten Rehabilitation präsent sein. Möglichkeiten, die arbeits- und berufsbezogene Behandlungsmotivation zu fördern, sind beispielsweise die folgenden: Einladungsschreiben vor Beginn der Rehabilitation. Das Einladungsschreiben für den Rehabilitanden vor Beginn der Rehabilitationsbehandlung ist so gestaltet, dass keine falschen Erwartungen an die Behandlung generiert oder unterstützt werden. Informationen zum arbeits- und berufsbezogenen Angebot der Klinik. Informationsbroschüren zum arbeits- und berufsbezogenen Angebot der Klinik bieten dem Rehabilitanden die Möglichkeit, sich einen Überblick über die angebotenen Interventionen und die Ziele der Maßnahmen zu verschaffen. Eine entsprechende schriftliche Information dient auch dazu, „Kurerwartungen“ vorzubeugen. Thematisierung berufsbezogener Inhalte im Aufnahmegespräch und/oder im Rahmen eines Vortrags. Dem gleichen Zweck dient die Erläuterung der Ziele der medizinischen Rehabilitation im Aufnahmegespräch oder im Rahmen eines Vortrags zu Beginn der Rehabilitation. Konkrete arbeits- und berufsbezogene Zielformulierungen. Der Rehabilitand soll frühzeitig dazu angeregt werden, sich mit seiner Erwerbsperspektive auseinander zu setzen, Rehabilitationsziele für die individuellen arbeits- und berufsbezogenen Problemlagen zu definieren und dafür konkrete Zielformulierungen zu erarbeiten („Was möchte ich in der Reha bezogen auf mein Erwerbsleben erreichen?“). Eine solche Zielklärung kann mit Hilfe von bereits vorab versendeten Fragebögen erfolgen und/oder im Gespräch mit dem Arzt oder Therapeuten. Auch im Rahmen von Vorstellungsrunden (z. B. auf Station) können arbeits- und berufsbezogene Ziele thematisiert werden. Des Weiteren ist im Rahmen der Gespräche des Sozialdienstes oder der Psychologie eine Motivationsförderung möglich, wenn mit dem Rehabilitanden beispielsweise besprochen wird, welche beruflichen Ziele angestrebt werden und welche Hilfen er dabei erhalten kann. Thematisierung von Motivation im Rahmen von psychotherapeutischen Gruppen. Auch im gruppentherapeutischen Setting wird, vor allem in der Psychosomatik und bei Abhängigkeitserkrankungen, die Motivation (auch arbeits- und berufsbezogen) thematisiert. Partizipative Entscheidungsfindung. Im Sinne der partizipativen Entscheidungsfindung (Shared Decision Making) sollten alle Entscheidungen zu arbeits- und berufsbezogenen Maßnahmen gemeinsam getroffen werden. Es soll eine kooperative Einigung auf einen Behandlungsauftrag ermöglicht werden. Hierbei werden im Gespräch die Vorstellungen und Erwartungen des Rehabilitanden mit dem Rehabilitationsauftrag der Einrichtungen in Einklang gebracht (vgl. Lukasczik, Gerlich & Neuderth, 2011). Thematisierung berufsbezogener Inhalte im Rahmen von nicht speziell berufsbezogenen Trainings/Schulungen und in allen therapeutischen Disziplinen. Eine Motivationsförderung kann auch über Angebote erfolgen, die nicht als spezifische arbeits- und berufsbezogene Maßnahmen durchgeführt werden. So erlauben beispielsweise Trainings zur Stressbewältigung, Kommunikation und 56 sozialen Kompetenz eine inhaltliche Ausgestaltung mit Berufsbezug; zum anderen ist ein Transfer der erworbenen Fertigkeiten auf den beruflichen Kontext zu erwarten. Wenn in allen therapeutischen Disziplinen Fertigkeiten und Veränderungen des Rehabilitanden immer auch mit Blick auf den beruflichen Kontext betrachtet werden, wird die Auseinandersetzung mit berufsbezogenen Fragestellungen gefördert. Eine verstärkte Sensibilisierung im Reha-Team für arbeits- und berufsbezogene Aspekte kann erreicht werden, indem Rehabilitanden mit unklarer Motivationslage bezüglich ihrer beruflichen Perspektive in Teamsitzungen vorgestellt werden. Verwendete Literatur Keller, S. (Hrsg.). (1999). Motivation zur Verhaltensänderung. Das Transtheoretische Modell in Forschung und Praxis. Freiburg: Lambertus. Lukasczik, M., Gerlich, C. & Neuderth, S. (2011). Einfluss Partizipativer Entscheidungsfindung auf Zufriedenheit und Motivation im Kontext der arbeits- und berufsbezogenen Orientierung in der medizinischen Rehabilitation. DRV-Schriften, 93, 155-157. Prochaska, J.O. & Velicer, W.F. (1997). The transtheoretical model of health behavior change. 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Kommunikations-, Konflikt-, Teamfähigkeitstraining), die die berufsbezogene Belastbarkeit, Ausdauer und Motivation steigern (z. B. Belastungserprobung) oder die der beruflichen Beratung, Interessensfindung und Vermittlung von Kontakten dienen (z. B. Hospitationen in Betrieben). Die von den Kliniken genannten Maßnahmen wurden inhaltsanalytisch kategorisiert und die Einrichtungen wurden in einer erneuten Befragung gebeten, die Inhalte ihrer Interventionen näher zu erläutern. Als Ergebnis zeigte sich ein breites Spektrum an Konzepten und Begrifflichkeiten, die sehr uneinheitlich verwendet werden. Unter der Perspektive transparenter Versorgungsstrukturen war es daher notwendig, einheitliche Beschreibungen und Definitionen für beruflich orientierte Interventionsmaßnahmen in der medizinischen Rehabilitation zu entwickeln. Aus dem anschließenden Entwicklungsprozess sind folgende Kerngruppen beruflich orientierter Interventionen hervorgegangen: Belastungserprobung Arbeitstherapie Arbeits- und berufsbezogene Einzelberatung Gruppen mit arbeits- und berufsbezogenen Themen Zusammenarbeit mit externen Institutionen Die nachfolgend aufgeführten Beschreibungen arbeits- und berufsorientierter Maßnahmen wurden im Rahmen des Projekts „Dissemination von Forschungsergebnissen zur beruflichen Orientierung“ mit Experten aus unterschiedlichen Fachdisziplinen weiterentwickelt und abgestimmt. Eine Liste der an diesem Konsensprozess beteiligten Experten findet sich im Anschluss an das Vorwort auf den Seiten 4 und 5 dieses Buches. Verwendete Literatur Neuderth, S., Gerlich, C. & Vogel, H. (2009). Berufsbezogene Therapieangebote in deutschen Rehabilitationskliniken: aktueller Stand. In A. Hillert, W. Müller-Fahrnow & F.M. Radoschewski (Hrsg.), Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation (S. 185-198). Köln: Deutscher Ärzteverlag. 59 5.1 Belastungserprobung Hintergrund Bei Belastungserprobungen (BE) kann zwischen einer internen (eher tätigkeitsspezifischen) und einer externen (eher berufsspezifischen) Form der Durchführung unterschieden werden. Während die interne BE in das Setting einer Rehabilitationsklinik eingebunden ist, erfolgt die externe BE vielfach in Kooperation mit Betrieben oder mit einem Berufsförderungswerk, wird aber von der Klinik aus initiiert und supervidiert. Die interne BE gehört in allen Indikationen zum Standardangebot einer RehaKlinik, wobei in der Psychosomatik zumeist externe BE durchgeführt werden. Die Durchführung einer externen BE sollte in Kooperation mit Betrieben vor Ort oder Berufsförderungswerken ermöglicht werden. In der Terminologie der ICF entspricht die interne BE eher einer Einschätzung der „Capacity“, d. h. der Leistungsfähigkeit unter Standard- oder Optimalbedingungen, während die externe BE stärker auf die Erfassung der „Performance“ (Leistung unter den realen Bedingungen der Berufsausübung) ausgerichtet ist. Ziele Bei einer BE handelt es sich im Allgemeinen um eine eher diagnostisch orientierte Maßnahme, die in erster Linie dazu dient, die persönliche psychische und physische Belastungsfähigkeit des Rehabilitanden einzuschätzen. Dabei wird möglichst tätigkeits- bzw. berufsspezifisch entsprechend dem Anforderungsprofil erfasst, inwieweit das Leistungsprofil des Rehabilitanden den Anforderungen seiner Tätigkeit entspricht. Dies geschieht unter möglichst realitätsnahen Arbeitsbedingungen. Durch die BE wird eine Grundlage für die sozialmedizinische Leistungsbeurteilung geschaffen. Eine diagnostisch orientierte BE kann in der Klinik unter der Zielsetzung durchgeführt werden, die Möglichkeit einer Wiedereingliederung des Rehabilitanden zu prüfen, oder einen Ausgangspunkt für die Einleitung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben darstellen. Mit einer BE können (insbesondere in der Psychosomatik und bei Abhängigkeitserkrankungen) aber auch therapeutische Ziele verfolgt werden. Das Erfahren und Aufzeigen vorhandener Fähigkeiten und Defizite unter realitätsnahen Bedingungen fördert die realitätsgerechte Selbsteinschätzung des Rehabilitanden. Darüber hinaus kann das Setting der BE zur Erprobung der in der Therapie erarbeiteten adäquaten Verhaltensmuster genutzt werden (z. B. Verbesserung des Umgangs mit Leistungsanforderungen und interaktionellen Konflikten). Die externe (berufsbezogene) BE wird auch bei Fragen der Eignung für ein bestimmtes Berufsfeld sowie der beruflichen Neu- und Umorientierung eingesetzt. 60 Wesentliche Inhalte Die Überprüfung bzw. Förderung tätigkeitsorientierter und sozialer Kernkompetenzen erfolgt klinikintern in verschiedenen Arbeitsbereichen bzw. außerhalb der Klinik unter realen Arbeitsbedingungen in einem Betrieb oder einem Berufsförderungswerk. Die interne BE beinhaltet – über die Überprüfung kognitiver Grundfunktionen hinaus – tätigkeitsspezifisch beispielsweise Erprobungen an EDV-Arbeitsplätzen, in Werkstätten, im Lager, in der Hauswirtschaft, an kaufmännischen und gewerblichen Arbeitsplätzen oder auch im Außenbereich der Klinik. Standardisierte Bewertungsmodule in Anlehnung an das diagnostische Instrumentarium MELBA (Psychologische Merkmalprofile zur Eingliederung Behinderter in Arbeit)/IDA (Instrumentarium zur Diagnostik von Arbeitsfähigkeiten) oder FCE-Systeme (Functional Capacity Evaluation) sollten dabei zur Anwendung kommen (vgl. Kapitel 3.2). Die Diagnostik kann durch psychometrische Testverfahren (z. B. zu Arbeitsmotivation) ergänzt werden. Im Rahmen der externen BE kann untersucht werden, ob der Rehabilitand den Anforderungen seines bisherigen Tätigkeitsfeldes noch gewachsen ist. Alternativ kann es darum gehen, ein neues Tätigkeitsfeld kennen zu lernen, wenn die alte Tätigkeit nicht mehr ausgeübt werden kann. Überprüft werden insbesondere die Dauerbelastbarkeit, das Verhalten bei Mehrfachanforderungen, Arbeitsverhalten und -leistung, Sozialverhalten sowie die psychische und körperliche Belastbarkeit des Rehabilitanden. Insbesondere in der Psychosomatik und bei Abhängigkeitserkrankungen geht es hierbei therapeutisch auch um die Förderung sozialer Kompetenzen im beruflichen Kontext, das Bearbeiten berufsrelevanter problematischer Verhaltensmuster, das Üben einer Alltagsdurchführung, die Verbesserung der Stresskompetenz, das Knüpfen beruflich förderlicher Kontakte sowie die Steigerung der Motivation zum Erhalt des Arbeitsplatzes bzw. zu einer Bewerbung. Im Rahmen der BE erhält der Rehabilitand, soweit nötig, konkrete Hilfestellungen zum Umgang mit seiner Erkrankung am Arbeitsplatz. Durchführung Sowohl die interne als auch die externe BE werden von der Klinik organisiert, gesteuert und supervidiert. Die externe BE kann an eine interne BE anschließen oder auch unabhängig davon durchgeführt werden. Eine BE mit diagnostischem Schwerpunkt sollte relativ zu Beginn der Rehabilitation durchgeführt werden um weitere therapeutische Maßnahmen einleiten zu können. Eine BE kann in Frage kommen, wenn im Rahmen der Anamnese oder eines Screenings eine arbeitsund berufsbezogene Problemlage deutlich wird. Die BE wird im Allgemeinen als Einzelmaßnahme durchgeführt. Es können jedoch auch Kleingruppenarbeiten (z. B. projektorientierte Gruppe), insbesondere zur Erfassung sozialer Kompetenzen, sinnvoll sein. Bei einer BE mit therapeutischem Schwerpunkt (insbesondere in der Psychosomatik und bei Abhängigkeitserkrankungen) sind regelmäßig Einzeltermine bei einem Bezugstherapeuten (z. B. Psychologe, Sozialarbeiter, Sozialpädagoge) unabdingbar, um die Erkenntnisse aus dem Praktikum zu thematisie61 ren bzw. um Probleme anzusprechen. Ergänzend können begleitende Therapiegruppen („Aufarbeitungsgruppen“) angeboten werden. Die Vorbereitung auf die Maßnahme erfolgt je nach Konzeption und Aufgabenverteilung in der Rehabilitationsklinik im Rahmen der Psychologie, des Sozialdienstes oder der Ergotherapie/Arbeitstherapie. Nach Erhebung der Arbeits-/Berufsanamnese (Anforderungsprofil) und ergänzender Testverfahren sowie einer medizinischen Untersuchung (Erfassung limitierender Faktoren) wird im Gespräch mit dem Rehabilitanden festgelegt, in welchem Erprobungsfeld die BE stattfinden soll. Es erfolgt eine Beobachtung des Rehabilitanden im Erprobungsfeld. Dies geschieht bei der internen BE an klinikinternen Arbeitsplätzen. Die externe BE umfasst dagegen die Mitarbeit in einem Betrieb (alternativ in einem Berufsförderungswerk) unter üblichen Arbeitsbedingungen. Die Mitarbeit geschieht in Form eines Praktikums oder einer Hospitation. Hierbei erfolgt im Allgemeinen eine systematische Steigerung des Stundenumfangs bis hin zu einem 8-Stunden-Arbeitstag. Oft wird in der Klinik Wert darauf gelegt, dass sich der Rehabilitand selbstständig schriftlich bei einem Betrieb bewirbt, was aus zeitlichen Gründen nicht immer möglich ist. In diesem Fall vermittelt die Klinik den Kontakt zum Betrieb, und der Rehabilitand ist für das Vorstellungsgespräch verantwortlich. In multidisziplinären Teamkonferenzen werden zu Beginn der Maßnahme Fähigkeits-/Defizitanalyse und Therapieplanung durchgeführt; während der Behandlung werden die Ziele bzw. die Zielerreichung regelmäßig überprüft und die Ziele bei Bedarf modifiziert. Bei der externen BE erfolgt bei Bedarf ein Betriebsbesuch durch den Sozial- oder Arbeitstherapeuten mit Feedback für den Rehabilitanden und den Anleiter. Es wird empfohlen, die Praktikumsanleiter in den Betrieben in Form von Auswertungsgesprächen in das Behandlungsteam einzubinden. Am Ende einer BE wird im Team eine abschließende sozialmedizinische Leistungsbeurteilung vorgenommen (auch mit Hilfe standardisierter Selbst- und Fremdbeurteilungsverfahren). Im Gespräch mit dem Rehabilitanden müssen die objektiven Ergebnisse, die Ressourcen und Defizite des Rehabilitanden im Abgleich von Selbst- und Fremdbeobachtung besprochen werden. Hieraus ergeben sich die Inhalte für weiterführende Beratungen und weitere therapeutische Maßnahmen. Bei einer BE ist eine gute Vernetzung zwischen Leistungsträgern (Rentenversicherung, Arbeitsagentur), Rehabilitand und Klinik notwendig, um Maßnahmen, die sich aus der BE ergeben (z. B. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben), passgenau und zeitnah durchführen zu können. Je nach Zielsetzung der BE (z. B. Vorbereitung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben [LTA]), ist eine abschließende Reha-Fachberatung notwendig. 62 Dauer Die Dauer einer BE kann sehr unterschiedlich sein und hängt sowohl von der Indikation als auch von der individuellen Situation des Rehabilitanden und der Zielsetzung der Maßnahme ab. Der tägliche Arbeitsumfang schwankt zwischen mindestens 3 Stunden bis hin zu maximal 8 Stunden. Bei somatischen Indikationen ist eine externe BE zumeist auf maximal 4 Tage begrenzt. In der Psychosomatik und bei Abhängigkeitserkrankungen sollten externe Belastungserprobungen über 2 bis 4 Wochen angestrebt werden. Zielgruppe Die Maßnahme richtet sich an Rehabilitanden in berufsfähigem Alter, bei denen eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit und der Belastbarkeit in ihrer derzeit ausgeübten Tätigkeit vorliegt, beruhend z. B. auf kognitiven Störungen, körperlichen Einschränkungen oder ungünstigem Arbeitsverhalten; bei Unklarheiten bei der sozialmedizinischen Beurteilung; bei länger andauernder Arbeitsunfähigkeit oder Langzeitarbeitslosigkeit. Die Maßnahme ist nicht sinnvoll bei im Vordergrund stehender akutmedizinischer Problematik mit mangelnder körperlicher Belastbarkeit, bei unzureichenden intellektuellen, visuellen und motorischen Kompetenzen, bei einer Belastbarkeit von weniger als 3 Stunden sowie bei dauerhaft berenteten Rehabilitanden. Die Maßnahme ist nicht geeignet für Rehabilitanden mit manifestem Rentenbegehren. Bei mangelnder Motivation des Rehabilitanden muss der BE eine Maßnahme vorangestellt werden, die geeignet ist, die Motivation des Rehabilitanden zu fördern (vgl. Kapitel 4). Beteiligte Berufsgruppen Mögliche an der Maßnahme beteiligte Berufsgruppen: Arzt (z. B. Arbeitsmediziner, prüft die Voraussetzungen), Klinischer Psychologe, Psychotherapeut, Neuropsychologe, Psychologisch-Technischer Assistent, Sozialarbeiter, Sozialpädagoge, Sozialtherapeut, Ergotherapeut, Arbeitstherapeut, Arbeitspädagoge, Arbeitserzieher, Physiotherapeut, Sporttherapeut, Sprachtherapeut Notwendige Voraussetzungen Es sollte eine möglichst detaillierte Beschreibung des Arbeitsplatzes bzw. der Tätigkeit des betroffenen Rehabilitanden (z. B. Selbstauskunftsbogen zur beruflichen Belastung oder ausführliche Anforderungs- und Gefährdungsanalyse vom Arbeitgeber) vorliegen. Bei der internen BE sind geeignete tätigkeitsspezifische Erprobungsfelder (z. B. kaufmännisch, EDV, handwerklich, hauswirtschaftlich, Pflege) erforderlich. Es können spezielle Inventare zur Messung der körperlichen Belastbarkeit (z. B. FCE-Systeme), ergonomische und behindertengerecht ausgestatte Modellarbeitsplätze notwendig sein. Für die externe BE müssen Kooperationen mit Betrieben oder einem Berufsförderungswerk bestehen. 63 Literatur Bethge, M., Herbold, D., Trowitzsch, L. & Jacobi, C. (2010). Berufliche Wiedereingliederung nach einer medizinisch-beruflich orientierten orthopädischen Rehabilitation: Eine clusterrandomisierte Studie. Die Rehabilitation, 49, 2-12. Beutel, M. E., Dommer, T., Kayser, E., Bleichner, F., Vorndran, A. & Schlüter, K. (1999). Arbeit und berufliche Integration psychosomatisch Kranker. Nutzen und Indikation der beruflichen Belastungserprobung. Psychotherapie, Psychosomatik, Medizinische Psychologie, 48, 368-374. Beutel, M. E., Kayser, E., Vorndran, A., Farley, A. & Bleichner, F. (1998). Die integrierte berufliche Belastungserprobung in der medizinischen Rehabilitation - Erfahrungen und Perspektiven am Beispiel der psychosomatischen Rehabilitation. Die Rehabilitation, 37, 85-92. Beutel, M. E., Kayser, E., Vorndran, A., Schlüter, K. & Bleichner, F. (1998). Berufliche Integration psychosomatisch Kranker - Ergebnisse einer Verlaufsuntersuchung mit Teilnehmern der beruflichen Belastungserprobung. Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation, 42, 22-27. Beutel, M., Zwerenz, R., Bleichner, F., Vorndran, A. & Knickenberg, R.J. (2005). Vocational training integrated into inpatient psychosomatic rehabilitation – short and long-term results from a controlled study. Disability and Rehabilitation, 27, 891-900. Hillert, A., Cuntz, U., Heldwein, C., Froben, B. & Fichter, M. (1998). Die berufliche Belastungserprobung im Rahmen klinisch-stationärer Verhaltenstherapie: Praktische Durchführung, soziodemographische und psychologische Charakteristika der Patienten als Verlaufsprädiktoren. Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation, 42, 28-34. Hillert, A., Staedtke, D. & Cuntz, U. (2002). Berufliche Belastungserprobung als integrierter Bestandteil der verhaltenstherapeutisch-psychosomatischen Rehabilitation: Theoretische Konzepte, real existierende Patienten und multiple Schnittstellen. Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation, 58, 94-100. Kayser, E. & Bloem, R. (2000). Berufliche Belastungserprobung als integrierter Bestandteil der psychosomatischen Rehabilitation. In Arbeitskreis Klinische Psychologie in der Rehabilitation Fachgruppe der Sektion Klinische Psychologie im Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V. (Hrsg.), Kompetenz und Qualität klinischer Psychologie in der Rehabilitation, (S. 145-165). Bonn: Deutscher Psychologen Verlag. Kayser, E., Zwerenz, R., Gustson, D., Vorndran, A. & Beutel, M.E. (2002). Schnittstellenproblematik am Beispiel der integrierten Beruflichen Belastungserprobung (BE). Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation, 58, 101-106. Kieser, J., Schmidt, J., Krambeck, R., Nübling, R. & Wittmann, W. (2000). Psychosomatische Rehabilitation mit integrierter Berufstherapie (berufliche Belastungserprobung): Ergebnisse einer Evaluationsstudie. Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation, 52, 48-56. 64 Knisatschek, H. & Wohlfahrt, R. (2002). Medizinisch berufliche Belastungserprobung - MBBE (Bad Krozingen). In Neuderth, S. & Vogel, H. (Hrsg.), Berufsbezogene Maßnahmen in der medizinischen Rehabilitation - bisherige Entwicklungen und aktuelle Perspektiven (S. 130-133). Frankfurt: Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation. Staedtke, D. (2009). Evaluation der beruflichen Belastungserprobung in der stationären Psychotherapie. Europäische Hochschulschriften. Reihe 6: Psychologie, Vol. 753. Bern/Berlin: Peter Lang Verlag. 65 5.2 Arbeitstherapie/Arbeitsplatztraining Ziele Bei der Arbeitstherapie1 bzw. dem Arbeitsplatztraining handelt es sich um therapeutische Maßnahmen, die klinikintern durchgeführt werden. Sie gehören zum Standardangebot einer Reha-Klinik. Ziel ist es, konkrete Hilfestellung für die Rückkehr an den Arbeitsplatz zu leisten. Dies geschieht, auf die beruflichen Anforderungen (Kontextfaktoren) der Rehabilitanden bezogen, über die Förderung motorischer und mentaler Fertigkeiten und Funktionen sowie die Steigerung der psychischen und physischen Belastbarkeit. Wesentliche Inhalte Mögliche Inhalte sind das Training tätigkeits- und berufsspezifischer Fähigkeiten und Fertigkeiten. Dies beinhaltet: Motivationsförderung, Förderung körperlicher Fähigkeiten durch das Training arbeitsüblicher Bewegungsabläufe (z. B. im Hinblick auf körperliche Belastbarkeit, Feinmotorik, Geschicklichkeit), Förderung mentaler Fähigkeiten (z. B. Auffassung, Aufmerksamkeit, Konzentration, Umstellungsfähigkeit, Lernen, Vorstellungsvermögen, Problemlösen, Arbeitsplanung), Verbesserung sozialer und sozialkommunikativer Fähigkeiten (z. B. Durchsetzungs- und Anpassungsvermögen, Kontaktfähigkeit, Kritikfähigkeit, Teamfähigkeit, Führungsfähigkeit), Förderung der Art der Arbeitsausführung (z. B. Genauigkeit, Arbeitsergonomie), Förderung arbeits- und berufsbezogener Schlüsselqualifikationen (z. B. Eigeninitiative, Ausdauer, kritische Kontrolle, Misserfolgstoleranz, Ordnungsbereitschaft, Pünktlichkeit, Selbständigkeit, Sorgfalt, Verantwortung) und Verbesserung persönlichkeitsbezogener Fähigkeiten (z. B. Selbsteinschätzung, Selbstwahrnehmung, Selbstvertrauen). Stehen arbeits- und berufsbezogene Bewegungsabläufe im Vordergrund, so spricht man auch von „Arbeitsplatztraining“. Im Arbeitsplatztraining werden grundmotorische arbeits- und berufsbezogene Bewegungsabläufe trainiert, die für eine erfolgreiche Ausübung der Erwerbstätigkeit relevant sind. Ziel ist hierbei vor allem die Steigerung der Leistungsfähigkeit hinsichtlich der physischen Anforderungen am Arbeitsplatz. Durchführung Die Arbeitstherapie wird klinikintern und in der Regel als Einzeltherapiemaßnahme oder in Kleingruppen durchgeführt und bezieht die Ergebnisse einer im Vorfeld durchgeführten Belastungserprobung mit ein. Nach der Abstimmung des Therapiebereichs im Behandlungsteam sowie mit dem Rehabilitanden, erfolgt der Einsatz des Rehabilitanden in der entsprechenden Arbeitsumgebung. Dabei können der Schwierigkeitsgrad, die Intensität und die Belastung gesteigert werden. In multidisziplinären Teamkonferenzen werden zu Beginn Fähigkeits-/Defizitanalyse und Therapieplanung durchgeführt; während der Behandlung werden die Ziele bzw. die Zielerreichung regelmäßig über1 Nicht angesprochen ist hier der Einsatz von Arbeit als Mittel der Therapie ohne Bezug zu einer aktuellen oder angestrebten Arbeits- oder Berufstätigkeit. 66 prüft und die Ziele bei Bedarf modifiziert. Am Ende erfolgt im Team eine abschließende sozialmedizinische Leistungsbeurteilung. Im Gespräch mit dem Rehabilitanden müssen die objektiven Ergebnisse, Fähigkeiten des Rehabilitanden und klinischen Beobachtungen besprochen werden und daraus unter Einbindung der subjektiven Einschätzungen des Rehabilitanden die weiterführenden Beratungen konfiguriert werden. Während der gesamten Maßnahme erfolgen kontinuierliche Rückmeldungen an den Rehabilitanden über sein Leistungsvermögen, um die Anforderungen der Maßnahme dem Leistungsvermögen anzupassen und seine Fähigkeiten zu fördern. Insbesondere am Ende der Maßnahme erfolgt ein Bilanzgespräch mit dem Rehabilitanden. Gegebenenfalls werden begleitende psychologische/psychotherapeutische Gespräche angeboten. Instrumente Störungsspezifische Assessments zur Verlaufsbeschreibung und Outcome-Messung. Erfassung von personen- und umweltbezogenen Kontextfaktoren (z. B. berufliche Vorgeschichte Bedingungen am Arbeitsplatz) und mentaler Fähigkeiten. Dauer und Frequenz Frequenz und Dauer der Maßnahme variieren je nach Zielsetzung und individueller Problemlage des Rehabilitanden. Es werden ein bis fünf Termine pro Woche mit einer Dauer von mindestens 60 Minuten angeboten. Zielgruppe Die Maßnahme richtet sich an Rehabilitanden mit berufs- und tätigkeitsbezogenen Leistungs- und Funktionseinschränkungen bei gleichzeitig positiver Erwerbsprognose. Beteiligte Therapeuten/Berufsgruppen Mögliche an der Maßnahme beteiligte Berufsgruppen: Arzt, Ergotherapeut, Arbeitstherapeut, Arbeitspädagoge, Klinischer Psychologe, Neuropsychologe, Sozialarbeiter, Sozialtherapeut, Physiotherapeut. Notwendige Ausstattung Für die Durchführung der Maßnahme werden ergonomische und behindertengerecht ausgestattete Modellarbeitsplätze benötigt, die sich an den Anforderungen des Arbeitsmarktes orientieren. Es sind Räume sowohl für Gruppen- als auch für Einzelarbeit vorzuhalten. Für das Training tätigkeitsspezifischer Bewegungsmuster sind Räumlichkeiten mit entsprechenden Arbeitsmaterialien notwendig. 67 Literatur Aernout, J.R. (2007). Arbeitstherapie in der Ergotherapie. Eine praxisorientierte Einführung. Weinheim: Juventa. Hamel, M., Maier, A., Weh, L., Klein, A., Lucan, S. & Marnitz, U. (2009). Work hardening bei chronischen Rückenschmerzen. Ein integraler Bestandteil multimodaler Therapieprogramme. Orthopäde, 38, 928–936. Köhler, K. & Steier-Mecklenburg, F. (Hrsg.) (2007). Arbeitstherapie und Arbeitsrehabilitation. Stuttgart: Thieme. Köser, P. (2008). Hilfen zur Befunderhebung - Arbeitsdiagnostik. Idstein: Schulz-Kirchner. Oliveri, M. (2005). Work Conditioning und Work Hardening. In J. Hildebrandt, G. Müller & M. Pfingsten (Hrsg), Lendenwirbelsäule. Ursachen, Diagnostik und Therapie von Rückenschmerzen (S. 496-524). München: Urban & Fischer. Reker, T. (2004). Arbeitstherapie in der Behandlung und Rehabilitation psychiatrischer Patienten. Krankenhauspsychiatrie, 15, 4-10. Seeger, D. & Lüder, S. (2003). Work-Hardening. In J. Hildebrandt & M. Pfingsten (Hrsg), Göttinger Rücken-Intensiv-Programm (GRIP) (S. 131-168). Berlin: Congress Compact. Winter, S. (2002). Evaluation des Work Hardening bei chronischen unspezifischen Rückenschmerzen. Eine empirische Vergleichsstudie. Dissertation am Lehrstuhl für Bewegungs- und Trainingslehre in der Fakultät für Sportwissenschaft der TU München. 68 5.3 Arbeits- und berufsbezogene Einzelberatung Hintergrund Der Ansatz der klinischen Sozialarbeit in der medizinischen Rehabilitation ist problemorientiert auf die individuell relevanten Aspekte der Motivierung, Beratung, Begleitung, Anleitung und Unterstützung des Rehabilitanden ausgerichtet. Die Beschäftigung mit berufsbezogenen Fragestellungen stellt daher nur einen Teil der Tätigkeit der klinischen Sozialarbeit dar. Die folgenden Einzelberatungsleistungen fokussieren auf die berufsbezogenen Inhalte im Rahmen der klinischen Sozialarbeit und können über das Kapitel D der KTL 2007 verschlüsselt werden: Arbeits- und sozialrechtliche Beratung (KTL-Kapitel D02) Beratung zur Teilhabe am Arbeitsleben (KTL-Kapitel D03) Vorbereitung und Anbahnung weiterführender Maßnahmen zur Eingliederung in den Beruf und das soziale Umfeld (KTL-Kapitel D04) Sozialtherapie (insbesondere in den Bereichen Neurologie, Psychosomatik und Abhängigkeitserkrankungen) (KTL-Kapitel D08) Ziele Ziele sind die Entwicklung von Lösungsansätzen für die individuelle berufsbezogene und sozialrechtliche Problemsituation, die Motivierung, Begleitung und Anleitung bzw. Unterstützung des Rehabilitanden bei seiner Eingliederung in das berufliche Umfeld und die Vermittlung und Anbahnung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Mit dem Ziel einer Verbesserung des Übergangs zu Nachsorgeleistungen und insbesondere zu Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben kooperiert die klinische Sozialarbeit eng mit Personen und Institutionen innerhalb und außerhalb der Klinik (vgl. hierzu auch die Maßnahmenbeschreibung „Zusammenarbeit mit externen Institutionen“ in Kapitel 5.5). Wesentliche Inhalte Arbeits- und sozialrechtliche Beratung beinhaltet die Klärung der beruflichen Perspektiven und der wirtschaftlichen Absicherung, rechtlicher Hintergründe und Bedingungen für die Rentenantragstellung wegen Erwerbsminderung. Beratung zum Schwerbehinderten- und Arbeitsrecht insbesondere Informationen zum Thema: Betriebliches Eingliederungsmanagement, Kündigungsschutz, Entgeltfortzahlung, Freistellungsrecht, Neben Information und Beratung können persönliche Hilfestellungen (z. B. bei der Antragstellung zur Erlangung von Sozialleistungen) angeboten werden. Beratung zur Teilhabe am Arbeitsleben (berufliche Rehabilitation) beinhaltet die Berufsklärung einschließlich der leistungsbildbezogenen Einleitung von berufsfördernden Maßnahmen, Vorbereitung auf Rehabilitationsberatung durch den Leistungsträger, Fragen der innerbetrieblichen Umsetzung und Arbeitsplatzadaption, Klärung der wirtschaftlichen Sicherung, Einleitung einer 69 Stufenweisen Wiedereingliederung (inkl. Kontakten zum beruflichen Umfeld), Beratung zu arbeits- und berufsbezogenen Fragestellungen im Zusammenhang mit einer Schwerbehinderung, Arbeitsplatzbesuche und persönliche Hilfestellungen (z. B. bei Antragstellungen zur Erlangung von Leistungen zur beruflichen Teilhabe). Vorbereitung und Anbahnung weiterführender Maßnahmen zur Eingliederung in den Beruf und das soziale Umfeld: Dies beinhaltet auch die Einleitung spezieller Nachsorgeangebote (z. B. INA, IRENA) sowie Kontakt- und Informationsgespräche mit Vor- und/oder Nachbehandlern (z. B. Integrationsfachdienste). Der Rehabilitand wird über weitere unterstützende Anlaufstellen nach der medizinischen Rehabilitation unterrichtet. In Absprache mit den behandelnden Ärzten und dem Rehabilitations-Fachberater des Rehabilitationsträgers werden durch den Sozialdienst mögliche Leistungen (z. B. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben [LTA]), die im Anschluss an die medizinische Rehabilitation angezeigt sind, besprochen und der Rehabilitand wird gegebenenfalls bei der Antragstellung unterstützt. Sozialtherapie (insbesondere in den Bereichen Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Abhängigkeitserkrankungen) beinhaltet die Klärung der Arbeitsplatzsituation, der sozialen Lebensbedingungen und Maßnahmen zur Motivationsförderung sowie speziell bei Abhängigkeitserkrankungen die Adaption1. Soziale Gruppenarbeit: Im Rahmen von psychoedukativen Gruppen können berufsrelevante Themen aufgegriffen werden (z. B. Umgang mit Arbeitslosigkeit, Training sozialer Kompetenz, Bewerbungstraining). Auf diese Angebote wird in der Maßnahmenbeschreibung „Gruppen mit arbeits- und berufsbezogenen Themen“ Bezug genommen. In die genannten arbeits- und berufsbezogenen Interventionen können (insbesondere bei Jugendlichen) bei Bedarf Angehörige eingebunden werden. Anamnestische Informationen, Informationen zur beruflichen und sozialen Situation sowie Ergebnisse von berufsbezogenen Maßnahmen wie beispielsweise einer Arbeits- und- Belastungserprobung geben dem Sozialdienst wichtige Hinweise auf weitere Handlungsschritte. Sind die beruflichen Eingliederungsmöglichkeiten absehbar sehr schwierig umzusetzen, findet eine Erörterung der Versorgungssituation unter Einbeziehung der verschiedenen Ansprüche aus der Sozialversicherung (Krankengeld, Arbeitslosengeld, Rente) statt. Ziel ist in diesen Fällen die Erarbeitung einer realistischen Perspektive zur wirtschaftlichen Sicherung. Durchführung Die berufsbezogene Beratung durch die klinische Sozialarbeit erfolgt zumeist im Rahmen von mehreren Beratungsgesprächen im Rehabilitationsverlauf. Sie sollte schon frühzeitig im Verlauf der medizinischen Rehabilitation erfolgen, kann aber grundsätzlich in allen Phasen des Rehabilitationsprozesses 1 Hierbei handelt es sich um einen zusätzlich möglichen Abschnitt der stationären medizinischen Rehabilitation im Rahmen einer Entwöhnungsbehandlung. Arbeitslose Suchtkranke, deren Teilhabe am (Erwerbs-)Leben erheblich eingeschränkt ist, erproben sich in externen Belastungserprobungen an realen Arbeitsplätzen; darüber hinaus werden lebenspraktische Themen wie Wohnungssuche, Schuldenklärung, Aufbau von Sozialkontakten, Selbstversorgung und Ähnliches thematisiert. 70 durchgeführt werden, sobald ein entsprechender Bedarf erkennbar wird. Informationen aus der Anamnese (zur sozialen und beruflichen Situation) sowie aus berufsbezogenen Maßnahmen (z. B. Arbeits- und Belastungserprobungen) werden im Team zusammengeführt und hinsichtlich möglicher Konsequenzen für die berufliche Zukunft des Rehabilitanden bewertet. Die Beratungsleistungen können mit Vortragsveranstaltungen (z. B. zu grundlegenden sozialrechtlichen Themen) oder mit psychoedukativen Gruppenangeboten (vgl. Maßnahmenbeschreibung „Gruppen mit arbeits- und berufsbezogenen Themen“ in Kapitel 5.4) kombiniert werden. Dauer und Frequenz Grundsätzlich orientieren sich Dauer und Frequenz am Bedarf des Einzelfalls. In der Rehabilitation bei somatischen Hauptindikationen erfolgt im Allgemeinen die Beratung in einem bis drei Gesprächsterminen. In der Psychosomatik, der Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen und der Neurologie sind zwei bis fünf Gesprächstermine à 30 bis 60 Minuten üblich. Zielgruppe Die Maßnahme richtet sich an Rehabilitanden, die eine eingeschränkte Erwerbsfähigkeit aufweisen bzw. die aufgrund einer Veränderung der beruflichen, sozialen und finanziellen Lage einen Beratungsbedarf haben. Eine Indikationsspezifität besteht nicht. Beteiligte Therapeuten/Berufsgruppen Durchführung der Maßnahme: Sozialarbeiter, Sozialpädagoge, Sozialtherapeut. Weitere mögliche Beteiligte (sozialmedizinische Einschätzung, Zuweisung): Arzt, Reha-Team. Notwendige Ausstattung Informationsmaterialen. Bei Kombination mit einer psychoedukativen Gruppe oder Vortragsveranstaltung müssen entsprechende Räumlichkeiten und Präsentationsmöglichkeiten vorgehalten werden. Eine adäquate technische Ausstattung des Arbeitsplatzes (Internetzugang, Telefon, Fax) ist erforderlich. 71 Literatur Deutsche Vereinigung für Sozialarbeit im Gesundheitswesen e.V. (2007). Produkt- und Leistungsbeschreibung der Klinischen Sozialarbeit (2. Auflage). Mainz: Deutsche Vereinigung für Sozialarbeit im Gesundheitswesen. Deutsche Vereinigung für Sozialarbeit im Gesundheitswesen e.V. (2008). Soziale Arbeit in der Rehabilitation. http://dvsg.org/uploads/media/GrundsatzpapierSAReha2008_01.pdf (abgerufen im März 2012) Gödecker-Geenen, N. & Mühlum, A. (2003). Soziale Arbeit in der Rehabilitation, München: Reinhardt. 72 5.4 Gruppen mit arbeits- und berufsbezogenen Themen Ziele Arbeits- und berufsbezogene Gruppen sind Therapiegruppen und/oder edukative Gruppen, die ausgerichtet sind auf die Bewältigung von Arbeitsbelastungen, welche Auswirkungen auf den Gesundheitszustand der Teilnehmenden haben (z. B. Konflikte am Arbeitsplatz, Berufskonflikte, Arbeitslosigkeit). Sie thematisieren unter anderem die Interaktion von Gesundheit bzw. (chronischer) Erkrankung/Behinderung und Arbeitswelt/Erwerbsleben. Die Möglichkeit zur Bearbeitung individueller arbeits- und berufsbezogener Problemlagen soll gegeben sein. Ausgangspunkt der gruppentherapeutischen Arbeit ist die Reflexion der individuellen Arbeitssituation aller Teilnehmenden. Arbeits- und berufsbezogene Gruppen beinhalten Angebote, die eine realistische Einschätzung und Entwicklung der eigene Kompetenzen und Ressourcen und zielorientierte Verhaltens- und Einstellungsänderungen ermöglichen sollen. Auch sollen eine realistische Selbsteinschätzung hinsichtlich der eigenen körperlichen und geistig-seelischen Funktionsfähigkeit erreicht und die Selbstakzeptanz verbessert werden. Wesentliche Inhalte Während bei Angeboten der beruflichen Rehabilitation das Erlernen grundlegend neuer beruflicher Kompetenzen im Vordergrund steht, sind arbeits- und berufsbezogene Gruppenangebote im Rahmen der medizinischen Rehabilitation stets therapeutisch indiziert und auf das Ziel der Rehabilitation ausgerichtet. Sie beinhalten daher therapierelevante Elemente wie z. B. die Förderung von Einstellungsund Verhaltensänderungen und die Motivierung zur Auseinandersetzung mit der individuellen beruflichen Problemlage. Inhalte von arbeits- und berufsbezogenen Gruppen können sein: Stress und Belastung Stressfolgen, „Burnout“ Probleme und soziale Konflikte am Arbeitsplatz Umgang mit Arbeitslosigkeit/Arbeitsplatzgefährdung Berufliche Perspektive, Rückkehr in die Arbeit, Wiedereingliederung Arbeitsmotivation und Arbeitsverhalten Berufliche Identität Berufsgruppenspezifische Angebote (z. B. Stressbewältigung für Pflegekräfte) Berufsbedingte Traumatisierung Zusammenhang von Arbeit und Gesundheit Arbeitsplatzgestaltung/Ergonomie Sozialrecht und Sozialmedizin. 73 Gruppen können Motivations- und Bearbeitungseinheiten beinhalten. Darüber hinaus ist die Vermittlung von spezifischen Informationen zur jeweiligen Thematik ein wesentlicher Inhalt. In den Motivationseinheiten gilt es, das Interesse bzw. die Bereitschaft des Rehabilitanden zur Auseinandersetzung mit arbeits- und berufsbezogenen Problem- und Konfliktbereichen zu fördern, Widerstände gegenüber der Auseinandersetzung mit diesen abzubauen und die Bearbeitung der beruflichen Problemlage zur Grundlage der weiteren Behandlung zu machen. Dabei ist die Schaffung einer vertrauensvollen und akzeptierenden Gruppenatmosphäre eine wichtige Voraussetzung für weitere Handlungsschritte. Arbeits- und berufsbezogene Probleme und Belastungen, aber auch Ressourcen sollen durch die Teilnehmenden erarbeitet und die Wechselwirkung zwischen beruflicher Belastung, Bewältigungsstrategien und dem gesundheitlichen Beschwerdebild erkannt werden. Die Reflexion der aktuellen Lebenssituation und der Erwerbsbiografie kann herangezogen werden, um das Problemverständnis zu vertiefen und Bewältigungsmöglichkeiten zu erarbeiten. Daneben werden auch Basiswissen (z. B. zum arbeitsrechtlichen Hintergrund) und praktische Informationen zur weiterführenden individuellen psychologischen, therapeutischen und rechtlichen Unterstützung vermittelt (z. B. klärende Gespräche mit Kollegen und Vorgesetzten, Hilfestellungen durch Betriebsrat oder Gewerkschaften). Da andere berufsorientierte Maßnahmen mit der Teilnahme an einer arbeits- und berufsbezogenen Gruppe verbunden sein können, können die dabei erworbenen Erlebnisse und Erfahrungen in der Gruppe ausgetauscht und aktuelle Problemstellungen aufgegriffen und bearbeitet werden. Durchführung Arbeits- und berufsbezogene Gruppen werden unter therapeutischer bzw. edukativer Leitung in (Klein-)Gruppen bis maximal 12 Teilnehmern durchgeführt. Die Gruppen können zielgruppenund/oder themenspezifisch durchgeführt werden. Dauer und Frequenz Arbeits- und berufsbezogene Gruppenangebote variieren in Abhängigkeit von Ansatz, Struktur und thematischem Schwerpunkt zwischen zwei bis drei einstündigen und sieben bis acht doppelstündigen Gruppensitzungen. Bei einer dreiwöchigen Rehabilitationsmaßnahme kann realistischerweise von einem Umfang von vier bis fünf Sitzungen ausgegangen werden. Zielgruppe Die Maßnahme richtet sich an Rehabilitanden mit beruflichen Problemlagen wie z. B. Konflikte mit Arbeitskollegen/Vorgesetzten, Konflikte in Zusammenhang mit innerbetrieblichen Umstrukturierungen/Umsetzungen, Überforderungssituationen, Beeinträchtigungen am Arbeitsplatz/im Beruf und Gefährdung der Berufstätigkeit durch körperliche und psychische Beschwerden, Unzufriedenheit mit der beruflichen Situation oder Arbeitslosigkeit. In Abhängigkeit vom Thema bzw. der Zielgruppe können weitere Ein- und Ausschlusskriterien festgelegt werden. 74 Beteiligte Therapeuten/Berufsgruppen An der Maßnahme beteiligte Berufsgruppen: Psychologe, Psychotherapeut, Sozialarbeiter, Sozialpädagoge, Ergotherapeut, Arzt Notwendige Ausstattung Benötigt wird die übliche Ausstattung für Gruppenarbeit und Moderation. Literatur Beutel, M.E., Gerhard, C., Bittner, R., Bleichner, F., Schattenburg, L., Knickenberg, R. J., Freiling, S., Kreher & Martin, H. (2004). Verminderung von Technologieängsten in der psychosomatischen Rehabilitation - erste Ergebnisse zu einem Computertraining für ältere Arbeitnehmer. Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie, 3, 221-231. Beutel, M.E., Gerhard, C., Kayser, E., Gustson, D., Weiss, B. & Bleichner, F. (2002). Berufsbezogene Therapiegruppen für ältere Arbeitnehmer im Rahmen der tiefenpsychologisch orientierten psychosomatischen Rehabilitation. Gruppenpsychotherapie und Gruppendynamik, 38, 313-334. Hanna, R., Fiedler, R.G., Dietrich, H., Greitemann, B. & Heuft, G. (2009). Zielanalyse und Zieloperationalisierung (ZAZO): Evaluation eines Gruppentrainings zur Förderung beruflicher Motivation. Psychotherapie, Psychosomatik, Medizinische Psychologie, 59, 1-10. Heitzmann, B., Helfert, S. & Schaarschmidt, U. (2008). Fit für den Beruf. AVEM-gestütztes Patientenschulungsprogramm zur beruflichen Orientierung in der Rehabilitation. Bern: Huber. Hillert, A., Koch, S. & Hedlund, S. (2007). Stressbewältigung am Arbeitsplatz: Ein stationäres berufsbezogenes Gruppenprogramm. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Koch, S. Geissner, E. & Hillert, A. (2007). Berufliche Behandlungseffekte in der stationären Psychosomatik. Der Beitrag einer berufsbezogenen Gruppentherapie im Zwölf-Monats-Verlauf. Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie, 55, 97-109. Koch, S., Hedlund, S. & Hillert, A. (2003). Entwicklung und Evaluation einer berufsbezogenen Therapiegruppe in der psychosomatischen Rehabilitation: Das Behandlungskonzept. Lengerich: Pabst. Koch, S., Hedlund, S., Rosenthal, S. & Hillert, A. (2006). Stressbewältigung am Arbeitsplatz. Ein stationäres Gruppentherapieprogramm. Verhaltenstherapie, 16, 7-15. Küch, D., Roßband, H., Kimmer, K. & Morfeld, M. (2008) - Evaluation des Stresskompetenztrainings BUSKO – erste ausgewählte Ergebnisse. In D. Küch et al. (Hrsg.), Belastung, Stress, Burnout Therapie und Prävention. Beiträge zur 27. Jahrestagung des Arbeitskreises Klinische Psychologie in der Rehabilitation (S. 81-94). Bonn: Deutscher Psychologen Verlag. Schattenburg, L., Knickenberg, R.J., Zwerenz, R. & Beutel, M.E. (2003). Effekte tiefenpsychologisch fundierter Fokaltherapie bei beruflich stark belasteten Patienten im stationären Setting. Psychotherapie, Psychosomatik, Medizinische Psychologie, 53, 134. 75 5.5 Zusammenarbeit mit externen Institutionen Ziele Über die Zusammenarbeit mit externen Institutionen soll versucht werden, die beruflichen Hintergründe des Rehabilitanden besser zu verstehen, Anpassungen am (bisherigen oder zukünftigen) Arbeitsplatz zu initiieren und Informationen über den Rehabilitationsverlauf und das -ergebnis zeitnah an relevante Akteure weiterzugeben. Solche Institutionen oder Akteure können beispielsweise sein: Arbeitgeber, Betriebsärzte, betriebliche Sozialberatung, behandelnde Ärzte, behandelnde Psychotherapeuten, Rehabilitations-Fachberater der Leistungsträger, Einrichtungen beruflicher Rehabilitation und Integrationsfachdienste. Die angestrebte Vernetzung erfordert umfangreiche Kontakte und eine intensive Kooperation mit diesen Stellen und Personen. Auch innerhalb des Reha-Teams ist eine gute Kommunikationsstruktur mit kurzen Informationswegen notwendig, um auf dieser Grundlage rechtzeitig die geeigneten Kontakte herzustellen. Wesentliche Inhalte Um die Behandlung entsprechend ausrichten zu können, sind die erwähnten Kontaktaufnahmen mit externen Stellen bereits zu Beginn bzw. im Vorfeld der medizinischen Rehabilitation notwendig, um relevante Informationen über den Arbeitsplatz und die individuellen Belastungsfaktoren des Rehabilitanden sowie weitere relevante Kontextfaktoren und Ressourcen zu erhalten. Im Verlauf der Rehabilitation können Kontakte zu externen Betrieben und Berufsförderungswerken genutzt werden, um dem Rehabilitanden praktische Erprobungen oder berufliche Orientierungsmaßnahmen zu ermöglichen. Möglichst frühzeitig, spätestens aber zur Mitte der Rehabilitation soll die Vermittlung von Kontakten schließlich einen zeitnahen Übergang zu weiteren erforderlichen Leistungen der Teilhabe am Arbeitsleben bzw. zur beruflichen Wiedereingliederung des Rehabilitanden ermöglichen. Nachfolgend werden die wesentlichen Stellen beschrieben, mit denen im Rahmen einer medizinischen Rehabilitation typischerweise Kontakte aufgenommen werden und die zur Optimierung des RehaVerlaufs und -ergebnisses genutzt werden können: Kontakte zum Arbeitgeber, zu Personalverantwortlichen, zu Werks- und Betriebsärzten und/oder betrieblicher Sozialberatung Identifizierung mutmaßlich rehabilitationsbedürftiger Arbeitnehmer. Betriebsärzte bzw. die betriebliche Sozialberatung haben besondere Kompetenzen und Möglichkeiten, um bei Beschäftigten arbeitsplatzbezogene Belastungen und Einschränkungen frühzeitig zu erkennen und damit Hinweise auf spezifischen Förder-/Trainingsbedarf zu geben. Hierbei ist der Leistungsträger frühzeitig einzubinden. Insbesondere vor dem Hintergrund der Forderung eines betrieblichen Wiedereingliederungsmanagements können Betriebe für eine Zusammenarbeit mit medizinischen Rehabilitationseinrichtungen gewonnen werden. 76 Arbeitsplatzbeschreibung. Betriebsärzte, betriebliche Sozialberatung bzw. Arbeitsmedizinische Dienste können detaillierte Informationen über den Arbeitsplatz des Rehabilitanden zur Verfügung stellen bzw. eine Stellungnahme zur psychosozialen Problematik der Arbeitssituation abgeben. Für die Erstellung einer Arbeitsplatzbeschreibung kann neben einer Schilderung des Arbeitsplatzes durch Rehabilitand und Arbeitgeber auch eine Arbeitsplatzbesichtigung (durch Sozialdienst, Ergo-/Physiotherapeuten) in Frage kommen, um einen realitätsnahen Eindruck von der Arbeitsplatzsituation mit den spezifischen Anforderungen an den Rehabilitanden zu erhalten. Dies kann dazu dienen, ein individuell zugeschnittenes Trainingsprogramm für die Rehabilitationsbehandlung zu erstellen. Betriebsseminare/Gespräche mit Betriebsangehörigen oder Sozialdienst. Im Verlauf der Rehabilitation können Betriebsseminare bzw. Gespräche mit Betriebsangehörigen dazu genutzt werden, spezifische Risikofaktoren am Arbeitsplatz zu erkennen und alternative Verhaltensmöglichkeiten zu erarbeiten. An einem Betriebsseminar nehmen Rehabilitanden teil, die in einem Arbeitsverhältnis stehen. Zum Seminar werden sowohl Betriebsangehörige eingeladen, die unmittelbar mit dem Rehabilitanden zu tun haben wie Arbeitskollegen und unmittelbare Vorgesetzte als auch Mitglieder des Betriebs- oder Personalrats sowie betriebliche Suchtberater und übergeordnete Funktionsträger (z. B. Personalleiter). In Gesprächen mit den genannten Personen gelingt es häufig, wechselseitige Bedenken oder Ängste vor der Rückkehr an den Arbeitsplatz zu thematisieren und wesentliche Informationen über die Erkrankung des Rehabilitanden zur Verfügung zu stellen (dies ist insbesondere bei Abhängigkeitserkrankungen relevant). Darüber hinaus können Fragen der beruflichen Eingliederung ebenso abgeklärt werden wie qualitative und quantitative Leistungseinschränkungen und deren Auswirkungen auf die zukünftige Arbeitsplatzgestaltung. Planung der zur Eingliederung erforderlichen Maßnahmen. Für die Planung der zur Eingliederung erforderlichen Maßnahmen sind frühzeitige Kontakte der Klinik zum Betriebsrat, Schwerbehindertenbeauftragten, Reha-Fachberater bzw. Integrationsfachdienst hilfreich. Der Entlassungsbericht der Klinik sollte, bei entsprechendem Einverständnis der Rehabilitanden, dem Betriebsarzt zeitnah zur Verfügung gestellt werden. Mitwirkung des Rehabilitanden und Datenschutz. Bei Kontakten zum Betrieb des Rehabilitanden besitzt der Schutz von Sozialdaten höchsten Stellenwert. Es ist erforderlich, Rehabilitandinnen und Rehabilitanden über den geplanten Datenaustausch, ihre schutzwürdigen Interessen und den Datenschutz aufzuklären und ihr schriftliches Einverständnis einzuholen. Kontakte zum behandelnden Arzt bzw. zum Hausarzt oder Psychotherapeuten des Rehabilitanden Weiterbehandelnde Ärzte werden über die Ziele und Ergebnisse der Rehabilitationsbehandlung, insbesondere aber über die Nachsorgeempfehlungen im Rahmen der Berichterstattung informiert. In einem begrenzten Zeitraum nach Abschluss der Rehabilitationsbehandlung kann es sinnvoll sein, dass die Klinik durch regelmäßige Kontakte die Nachsorge des Rehabilitanden begleitet. Für die Übermittlung personenbezogener gesundheitlicher Daten des Rehabilitanden an behandelnde Ärzte ist eine Einverständniserklärung erforderlich. 77 Kontakte zu Berufsförderungswerken, Berufsbildungszentren und Betrieben Über Kontakte zu Berufsförderungswerken (BFW), Berufsbildungszentren und externen Betrieben können Rehabilitationskliniken den Rehabilitanden Erfahrungen mit praktischen Arbeitstätigkeiten (z. B. im Rahmen einer Belastungserprobung, einer Berufsfindungsmaßnahme oder eines Praktikums) ermöglichen. Die frühzeitige Vermittlung von entsprechenden Kontakten (zumeist über den Sozialdienst) soll einen möglichst optimalen Übergang zur beruflichen Wiedereingliederung ermöglichen. So können Gesprächstermine beim Berufsförderungswerk oder bei wohnortsnahen Betrieben vereinbart oder geeignete Praktikumsstellen zusammengestellt werden. Kontakte zu Berufsinformationszentren (BIZ) der Arbeitsagenturen Die Berufsinformationszentren (BIZ) der Arbeitsagenturen bieten verschiedene Informationen (z. B. zu Ausbildung und Studium, Berufsbildern und Anforderungen, Weiterbildung und Umschulung) für Personen an, die vor einer beruflichen Entscheidung stehen. An Informationsplätzen mit Internetzugang, die in der Reha-Einrichtung bestehen sollten, besteht die Möglichkeit, sich über Fragen des Berufs- und Arbeitslebens zu informieren und online nach Stellen zu suchen. Eine besondere Rolle spielt der Kontakt zum BIZ im Vorfeld einer beruflichen (Neu-) Orientierung, wenn erkennbar ist, dass ein Rehabilitand seine bisherige Tätigkeit nicht mehr ausüben kann und sich ausführlich über berufliche Alternativen und deren Passung mit eigenen Motiven, Neigungen und Interessen informieren möchte. Die Datenbank der Berufsinformationszentren bietet unter anderem die Voraussetzungen, Berufsbilder, Ausbildungsinhalte, Qualifizierungswege und Ausbildungsstätten kennen zu lernen. Über eine Beratung und gezielte Motivierung des Rehabilitanden können Kontakte zu Berufsinformationszentren der Arbeitsagentur gefördert werden. Die Beratung sollte Aufbau und Möglichkeiten des BIZ sowie eine Anleitung über das Suchsystem im BIZ unter besonderer Berücksichtigung der beruflichen Ziele und Fragestellungen der Rehabilitanden beinhalten. Kontakte zum Arzt des Rentenversicherungsträgers In frühzeitigen Gesprächen mit den Ärzten des Rentenversicherungsträgers können, ausgehend von bestehenden Einschränkungen der Leistungsfähigkeit, vor dem Hintergrund des positiven Leistungsbildes und der weiteren Ressourcen erforderliche nachgehende Maßnahmen zur Teilhabe geklärt und zeitnah eingeleitet werden. Kontakte zum Reha-Fachberater des Kostenträgers Kontakte zum Rehabilitations-Fachberater des Kostenträgers dienen dazu, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben während der medizinischen Rehabilitation vorzubereiten. Sofern kein Reha-Fachberater in der Klinik vorhanden ist, muss eine Kontaktaufnahme mit einem Reha-Fachberater am Wohnort vereinbart werden. 78 Kontakte zu gemeinsamen Servicestellen der Reha-Träger Für alle Landkreise und kreisfreie Städte sind von den Rehabilitationsträgern gemeinsame Servicestellen für Rehabilitation eingerichtet worden. Diese beraten und unterstützen in allen Fragen der Rehabilitation (z. B. bezüglich der Rückkehr an den Arbeitsplatz oder Umschulungsmaßnahmen), nehmen Reha-Anträge auf und ermitteln den zuständigen Reha-Träger. Von den Servicestellen wird bei Bedarf auch der weitere Kontakt zum zuständigen Reha-Träger hergestellt und der Reha-Antrag unverzüglich dorthin weitergeleitet, so dass das Reha-Management schnell und ohne Reibungsverluste vom zuständigen Reha-Träger übernommen werden kann. Kontakte zum Integrationsfachdienst (IFD) Bei erkennbarem Unterstützungsbedarf wird gegen Ende der Reha-Maßnahme vom Sozialdienst Kontakt zum Integrationsfachdienst (Beratung/Vermittlung) aufgenommen. Dieser berät und unterstützt arbeitende und arbeitsuchende schwerbehinderte- und schwerbehinderten gleichgestellten Menschen. Sie bieten auch für Arbeitgeber Informationen und Unterstützung zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben an. Kontakte zu den Arbeitsmedizinischen Diensten der Unfallversicherungsträger Im Falle von Reha-Maßnahmen der gesetzlichen Unfallversicherung (UV) sind die Arbeitsmedizinischen Dienste des zuständigen Unfallversicherungsträgers (z. B. spezielle Berufsgenossenschaft) Ansprechpartner, um hinsichtlich des weiteren Verlaufs der Heilbehandlung und möglicher Fördermaßnahmen zu beraten. Durchführung Zu Beginn der Rehabilitation werden durch Kontakte, z. B. zum Betriebs- und Hausarzt des Rehabilitanden, relevante Informationen über Arbeitsplatz und Vorbefunde ergänzt. Im Verlauf der Rehabilitation können in spezifischen Indikationsbereichen über Kontakte (z. B. zu Berufsförderungswerken und externen Betrieben) praktische Erprobungen ermöglicht werden. Mit Blick auf die Anbahnung der nachgehenden Maßnahmen sollte dann möglichst frühzeitig, mit Einverständnis des Rehabilitanden, die Rehabilitationseinrichtung zum Betriebsarzt, zum Arbeitgeber und/oder zum Rehabilitations-Fachberater des Kostenträgers Kontakt aufnehmen, um die Nachsorge und berufliche Eingliederung des Rehabilitanden zu planen. Ein wichtige Aufgabe ist der Abgleich der betrieblichen Arbeitsplatzanforderungen mit dem Leistungsbild des Rehabilitanden. Unter anderem ist zu prüfen, ob weitere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) notwendig sind. Der Ablauf einer Stufenweisen Eingliederung muss bereits am Ende der medizinischen Rehabilitation mit dem Arbeitgeber des Rehabilitanden geklärt, abgestimmt und im Entlassungsbericht festgehalten werden. Dies beinhaltet auch die Anfertigung eines Plans zur Stufenweisen Wiedereingliederung. 79 Dauer und Frequenz Die Kontaktpflege zu externen Personen und Institutionen erfolgt optimalerweise kontinuierlich während des gesamten Rehabilitationsprozesses. Zielgruppen Die Maßnahmen sind nicht sinnvoll bei Rehabilitanden mit dauerhafter Berentung. • Kontaktierung externer Institutionen mit dem Ziel des Erhalts des alten Arbeitsplatzes: Zielgruppe sind erwerbstätige Rehabilitanden mit besonderen Belastungen am Arbeitsplatz und/oder Rehabilitanden, bei denen Veränderungen am Arbeitsplatz notwendig sind. • Kontaktierung externer Institutionen mit dem Ziel der Um- bzw. Neuorientierung am Arbeitsmarkt: Zielgruppe sind arbeitslose oder nicht erwerbstätige Rehabilitanden bzw. Rehabilitanden, bei denen die Notwendigkeit einer beruflichen Umorientierung besteht. Prinzipiell setzt die Kontaktaufnahme zu externen Personen und Institutionen das Einverständnis des Rehabilitanden (und damit eine ausreichende Motivation und Kooperation) voraus. Beteiligte Therapeuten/Berufsgruppen in der Klinik Mögliche an der Maßnahme beteiligte Berufsgruppen: Arzt, Sozialarbeiter, Psychologe, Ergotherapeut, Arbeitstherapeut. Notwendige Ausstattung Ein Netzwerk zu Institutionen und Betrieben sollte bestehen. Informationsmaterialen (z. B. zu Berufsinformationszentren) und Internetanschluss sollten vorhanden sein. Literatur Bürger, W. (2004). Stufenweise Wiedereingliederung nach orthopädischer Rehabilitation – Teilnehmer, Durchführung, Wirksamkeit und Optimierungsbedarf. Die Rehabilitation, 43, 152-161. Karoff, M., Röseler, S., Lorenz, C. & Kittel, J. (2000). Intensivierte Nachsorge (INA) – ein Verfahren zur Verbesserung der beruflichen Reintegration nach Herzinfarkt und/oder Bypassoperation. Zeitschrift für Kardiologie, 89, 423-433. Leitner, A., Jacobi, E. & Enderle, G. (2009). Betriebsärztliche Einleitung der Rehabilitationsmaßnahme und Begleitung der Rückkehr an den Arbeitsplatz. DRV-Schriften, 83, 236-237. http://forschung.deutsche-rentenversicherung.de/ForschPortalWeb/ressource?key=16_Leitner.pdf http://www.deutsche-rentenversicherung-bw.de/DRVBW/de/Navigation/Rehabilitation/RehaProjekte/Betriebsaerztliche_Reha_node.html 80 6. Praxisbeispiele Im folgenden Kapitel werden zu den beschriebenen Interventionen Praxisbeispiele aus Rehabilitationskliniken vorgestellt, welche die Umsetzung arbeits- und berufsbezogener Orientierung illustrieren. Die Beispiele wurden von den Mitarbeitern in Rehabilitationskliniken erstellt, die entsprechende Maßnahmen anbieten. Hierbei handelt es sich um keine vollständige Strukturerhebung, sondern um eine Auswahl an Beispielen, durch die sich wichtige Aspekte arbeits- und berufsbezogener Maßnahmen anschaulich darstellen lassen. Die Beispiele machen deutlich, dass arbeits- und berufsbezogene Maßnahmen in der Umsetzung häufig Mischmodelle aus unterschiedlichen Maßnahmentypen darstellen. Diese können daher nur teilweise den in Kapitel 5 beschriebenen „Kernmaßnahmen“ zugeordnet werden. Der Bereich arbeits- und berufsbezogener Orientierung befindet sich in den meisten Kliniken in einer stetigen Weiterentwicklung. Die im Folgenden aufgeführten Maßnahmenbeispiele geben den Stand vom Winter 2011/12 wieder1. Praxisbeispiele wurden freundlicherweise von folgenden Kliniken/Einrichtungen zur Verfügung gestellt: Klinik für Orthopädische Rehabilitation, Klinikum Bad Bramstedt GmbH, Bad Bramstedt Rehabilitationsklinik Schloss Bad Buchau, Bad Buchau Rehazentrum Bad Eilsen, Bad Eilsen Paracelsus Klinik an der Gande mit dem Institut für Arbeits- und Sozialmedizin, Bad Gandersheim Rehazentren Klinik Bavaria Bad Kissingen, Freyung, Kreischa Psychosomatische Fachklinik St. Franziskastift, Bad Kreuznach Schwarzwaldklinik, Bad Krozingen Zentrum Beruf + Gesundheit, Bad Krozingen Drei-Burgen-Klinik, Bad Münster am Stein-Ebernburg Klinik Niedersachsen, Erwin Röver GmbH und Co. KG, Bad Nenndorf Psychosomatische Klinik Bad Neustadt, Bad Neustadt/Saale Klinik Münsterland, Bad Rothenfelde Reha-Klinikum Bad Säckingen, Bad Säckingen Rehabilitationsklinik Lipperland, Bad Salzuflen Reha-Zentrum Bad Sooden-Allendorf, Klinik Werra, Bad Sooden-Allendorf Klinik am Homberg, Bad Wildungen Kliniken Hartenstein, Fachklinik Reinhardstal, Bad Wildungen-Reinhardshausen Klinik Schloss Falkenhof, Bensheim 1 Die Verantwortung für die Korrektheit der Angaben tragen die jeweiligen Kliniken. 81 Ambulantes Reha Centrum Braunschweig GmbH, Braunschweig REHA SÜD GmbH Zentrum für Ambulante Rehabilitation, Physiotherapie und Ergotherapie, Freiburg salus klinik Friedrichsdorf, Friedrichsdorf BG BAU - Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, Arbeitsmedizinischer Dienst, Hamburg m&i Fachklinik Herzogenaurach, Herzogenaurach Therapiezentrum Koblenz, Koblenz Kliniken Schmieder Konstanz, Konstanz Fachklinik für Onkologische Rehabilitation Lehmrade GmbH, Damp, Lehmrade Universitätsklinikum Münster, Münster Klinik Roseneck, Prien Reha-Zentrum Schömberg, Klinik Schwarzwald, Schömberg Rehabilitationszentrum Seehof der DRV Bund, Teltow Asklepios Fachklinikum Wiesen GmbH, Wildenfels Die Autoren danken den Klinikvertretern herzlich für die Bereitstellung der Maßnahmenbeispiele. 82 6.1 Praxisbeispiele zur Kernmaßnahme „Belastungserprobung“ Interne Belastungserprobung („Buchauer Modell“) Rehabilitationsklinik Schloss Bad Buchau, Bad Buchau ……………………………………………………………………. 84 Externe Belastungserprobung St. Franziska-Stift, Psychosomatische Fachklinik, Bad Kreuznach ……………………………………………….…….90 Interne Belastungserprobung Schwarzwaldklinik – Neurologie Park-Klinikum, Bad Krozingen ………………………………………..…………….. 97 Interne Belastungserprobung Klinik am Homberg, Bad Wildungen ……………………………………………………………………………..………………. 100 Belastungserprobung Klinik Schloss Falkenhof, Bensheim ………………………………………………………………………………..…………….. 102 Spezifische Erprobung Fachklinik Herzogenaurach, Herzogenaurach …………………………………………..…………………………………… 105 Therapeutische Belastungserprobung Klinik Roseneck, Prien am Chiemsee ………………………………………………………..…………………………………… 112 Interne Belastungserprobung (diagnostischer Schwerpunkt) Asklepios Fachklinikum Wiesen, Wildenfels …………………………………………………..……………………………… 115 83 Interne Belastungserprobung („Buchauer MBOR Modell“) Rehabilitationsklinik Schloss Bad Buchau, Bad Buchau Psychosomatik, Neurologie Ziele. Die interne arbeits- und berufsbezogene Belastungserprobung ist eine primär diagnostische Maßnahme. Sie beinhaltet jedoch auch konkrete Vorschläge und Empfehlungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben. Sie ist regelhaft integriert in das Standarduntersuchungs- und Behandlungsprogramm der Klinik. Zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben werden standardisierte arbeits- und berufsbezogene Aktivitäten durchgeführt. Aufgrund dieser objektiven Ergebnisse und der Verhaltensbeobachtungen wird das qualitative und quantitative, zeitlich abgestuftes Leistungs- und Fähigkeitsprofil ermittelt. Durch das Erfassen der person- und umweltbezogenen Kontextfaktoren (im Sinne der ICF) werden mögliche Barrieren für eine Berufsausübung erkannt, offengelegt und Förderfaktoren zur Teilhabe am Arbeitsleben erarbeitet, vermittelt, angeregt und/oder umgesetzt. Das ermittelte Fähigkeitsprofil und die gewonnenen Erkenntnisse bilden auch die Grundlage für weitere rehabilitative Maßnahmen. Inhalte und Ablauf. Für die interne Belastungserprobung verfügt die Klinik über folgende Bereiche: 1. Büro und EDV 2. Hauswirtschaft und Küche 3. Holz-, Kunststoff- und Metallbereich (CNC-gesteuerte Fräse, mit deren Hilfe das Programmieren CNC-gesteuerter Maschinen und die praktische Durchführung von CNC-gesteuerter Werkstückbearbeitung erprobt werden kann. Mit Hilfe eines professionellen 3-D-CAD-Programms können Konstruktionen im Holz-, Kunststoff- und Metallbereich erstellt werden.) 4. Lagerverwaltung (übernimmt die Versorgung der anderen Bereiche mit den notwendigen Arbeitsmaterialien). Die folgenden Bilder zeigen Arbeitsplätze, in der Rehabilitationsklinik Schloss Bad Buchau für die interne Belastungserprobung genutzt werden. 84 Büroarbeitsplätze CNC - Fräsmaschine Küche Lagerverwaltung Die Arbeitsschwere der durchzuführenden Arbeiten liegt im leichten bis mittleren Bereich. Die Tätigkeiten werden im Sitzen und Stehen durchgeführt und beinhalten auch Überkopfarbeiten. Das Lager verfügt über Boxen mit definiertem Gewicht, durch deren Transport Belastungen durch Tragen und Heben getestet werden können. Mess-, Prüf- und Kontrollarbeiten müssen nach festgelegten Zeitvorgaben und nach optischer und akustischer Taktvorgabe durchgeführt werden und simulieren damit Akkordarbeit. Die Ergebnisse werden EDV-gestützt aufgezeichnet und ausgewertet. Im Bürobereich wird der kognitive Leistungsverlauf mithilfe der neuropsychologisch-kognitiven Software Cogpack® ermittelt. Die Arbeitsleistung der Rehabilitanden in den jeweiligen Arbeitsbereichen wird anhand eines standardisierten Beurteilungsverfahrens (auf Basis von ERTOMIS – Hilfen zur Berufsfindung) von den Arbeitstherapeuten beurteilt und in einem Protokoll festgehalten (Abb. 6.1). 85 Abb. 6.1: Beispiel einer Kurzfassung zur Leistungsbeurteilung 86 Die interne Belastungserprobung wird von ausgebildeten Arbeitstherapeuten in den Werkstätten der Klinik in mehreren Schritten durchgeführt: Erhebung einer arbeits- und berufsbezogenen Anamnese: Erfragt werden unter anderem detaillierte Informationen über Ausbildung, den ausgeübten Beruf, den letzten Arbeitsplatz und vor allem die eigene Einschätzung von besonderen Belastungen während Ausbildung und Arbeit. Prüfen von Kenntnissen und Fertigkeiten: Hier werden anhand von Arbeitsblättern berufsübergreifende theoretische Kenntnisse getestet, wie z. B. Lesen technischer Zeichnungen, Ausmessen von Winkeln oder die Grundrechenarten. Anschließend werden konkrete Fertigkeiten. überprüft, wie z. B. ein Gewinde prüfen oder ein Werkstück ausmessen. Praktische Erprobung: Die Praktische Erprobung ist in der Regel berufsunspezifisch, wobei allerdings das Bemühen besteht, der beruflichen Tätigkeit des Betroffenen möglichst nahe zu kommen. Beispiel für ein Arbeitsblatt zum technischen Verständnis (Papierform) Die Einzelarbeitsplätze der unterschiedlichen Arbeitsbereiche können zukünftig auch in Form einer „Übungsfirma“ kombiniert werden, in der jeweils eine Gruppe von sieben Rehabilitanden ein „Produkt“ herstellt. Dabei werden verschiedene Arbeitsschritte von der Planung und Auftragsannahme über die Materialbestellung bis hin zur Herstellung durchlaufen. Durch diese „produktorientierte Teamarbeit“ ist eine bessere Beobachtungsmöglichkeit hinsichtlich der sozialen Kompetenzen der Rehabilitanden zu erwarten. 87 Die Kenntnisprüfung erstreckt sich über mehrere (in der Regel drei) Tage mit jeweils einstündigen Terminen. Die sich anschließende praktische Erprobung dauert einen halben bis zwei ganze Tage. Zielgruppe. Die Maßnahme richtet sich an Rehabilitanden mit besonderen beruflichen Problemlagen. Dies trifft vor allem für Rehabilitanden mit chronifizierten Verläufen zu, bei denen seit mehr als 6 Monaten berufliche Probleme bestehen, die die Erwerbsfähigkeit gefährden. Grundsätzliche Indikationskriterien für die interne Belastungserprobung sind: lang dauernde Arbeitsunfähigkeit oder Arbeitslosigkeit, laufender Rentenantrag bzw. Rentenbegehren oder eine ablaufende Zeitrente. Die Maßnahme wird nicht durchgeführt bei Rehabilitanden ab einem Alter von 61 Jahren sowie bei Vorliegen einer akutmedizinischen Problematik. Beteiligte Berufsgruppen und Ausstattung. Arzt, Sozialarbeiter/Sozialpädagoge, Arbeitstherapeut. Benötigte Ausstattung: Modellarbeitsplätze. Der Ablauf der Maßnahme ist in Abbildung 6.2 zusammenfassend dargestellt. Abb. 6.2: Maßnahme „interne Belastungserprobung“ in der Rehabilitationsklinik Schloss Bad Buchau 88 Ansprechpartner PD Dr. med. habil. G. Müller (Chefarzt der Psychosomatik) Schlossklinik Bad Buchau Schlossplatz 2 88422 Bad Buchau [email protected] Markus Dietz (Ergotherapeut) Arbeitstherapie Schlossplatz 2 88422 Bad Buchau [email protected] 89 Externe Belastungserprobung St. Franziska-Stift, Psychosomatische Fachklinik, Bad Kreuznach Psychosomatik Im St. Franziska-Stift wird die externe Belastungserprobung seit Beginn der Klinik 1992 systematisch durchgeführt. Seitdem erfolgen eine stetige Zunahme der Belastungserprobungen sowie die weitere Ausdifferenzierung der Standards in der Zuweisung, Durchführung und Auswertung. Dadurch verfügt das St. Franziska-Stift über einen umfangreichen Erfahrungshintergrund, gestützt durch eine elektronische Datenbank, die von einem konstanten Mitarbeiterkreis von Dipl.-Sozialarbeitern aufgebaut, gepflegt und ausgebaut wird. Die positiven Ergebnisse der Belastungserprobungen konnten durch eine Studie belegt und auf dem 15. Rehabilitationswissenschaftlichen Kolloquium 2006 in Bayreuth vorgestellt werden. Neben den im Folgenden beschriebenen speziell ausgearbeiteten Indikations- und Durchführungskriterien sind dabei zusätzliche Aspekte, wie z. B. die Kontaktpflege und spezielle Angebote für die mittlerweile über hundert Firmen und Abteilungen in Bad Kreuznach und Umgebung zu beachten. Besonderes Augenmerk wird auf die Schulung der dort tätigen Mitarbeiter gelegt, die in die Praxisanleitung der Rehabilitanden und in die Fremdeinschätzung der Belastungserprobungen eingebunden sind. Weiterbildungsangebote seitens der Klinik in Form von Anleitung (train the trainer), speziellen Tagungen für die Mitarbeiter der in die Belastungserprobung involvierten Firmen sowie die Möglichkeit von Erfahrungsaustausch untereinander und mit qualifiziertem Klinikpersonal gewährleisten einen hohen Standard. Ziele. Die Belastungserprobung im Rahmen der medizinischen Rehabilitation ist sowohl nach § 5 SGB VI als auch §42 SGB V und §26 SGB IX, Abs. 2 Nr. 7 klar geregelt mit dem Ziel einer besseren Einbeziehung der beruflichen Realität in die medizinische Rehabilitation und einer systematischen Erprobung somatischer und psychischer Belastbarkeit, sowie der berufsrelevanten Sozialkompetenzen und der Integrationsfähigkeit. 90 Ziel der Maßnahme ist das Erproben von berufsbezogener körperlicher und psychischer Belastbarkeit, sozialer Kompetenz im Beruf, beruflicher Neu- oder Umorientierung, beruflicher Eignung, Exposition und Tagesstruktur sowie die Überprüfung der Motivation zur Rückkehr in das Arbeitsleben. Inhalte und Ablauf. Bei der externen Belastungserprobung sind die Teilnehmenden an einem konkreten Arbeitsplatz den üblichen Arbeitsbedingungen ausgesetzt und bekommt die dort anfallenden Arbeiten übertragen (z. B. im Verkauf Ware einsortieren und auszeichnen sowie Kunden beraten). Die berufliche Realität wird konkret in die medizinische Rehabilitation einbezogen. Die Konfrontation mit dem Berufsalltag verdeutlicht berufliche Ressourcen und Einschränkungen. Die Rehabilitanden können dort ihre somatische und psychische Belastbarkeit erproben, berufsrelevantes Kommunikations- und Interaktionsverhalten analysieren und anwenden sowie neue Strategien einüben. Sie erstellen strukturierte Protokolle von jedem Arbeitstag (vgl. Abbildung 6.3) und erwerben eine realistische Selbsteinschätzung durch Gegenüberstellung von standardisierter Selbst- und Fremdbeurteilung der erlebten und gezeigten Haltungen, Leistungen und Kompetenzen (vgl. Abbildungen 6.4 und 6.5). Dabei werden sie begleitet durch Einzelgespräche mit Psychotherapeut und Dipl.-Sozialarbeiter. Die Belastungserprobung wird so zu einer Grundlage zur sozialmedizinischen Einschätzung und gibt Hinweise auf weiterführende Maßnahmen (z. B. LTA). 91 Abb. 6.3: Tagesprotokollbogen 92 Abb. 6.4: Fremdeinschätzungsbogen durch den Praxisanleiter 93 Abb. 6.5: Selbsteinschätzungsbogen durch den Rehabilitanden Die Maßnahme umfasst in der Regel in einem Zeitraum von ein bis zwei Wochen einen täglichen Einsatz im Betrieb von vier bis sechs Stunden; hinzu kommen begleitende (sozial-)therapeutische Einzelgespräche nach Bedarf (mindestens zweimal pro Woche). 94 Der Ablauf der Maßnahme ist in Abbildung 6.6 zusammenfassend dargestellt. Abb. 6.6: Maßnahme „externe Belastungserprobung“ im St. Franziska-Stift, Psychosomatische Fachklinik, Bad Kreuznach 95 Zielgruppe. Die Maßnahme richtet sich an alle (teil-)erwerbsfähigen Rehabilitanden, bei denen eine berufliche Problemlage im Vordergrund steht mit folgenden Indikationen: lange Arbeitsunfähigkeit, Arbeitslosigkeit, offener Rentenwunsch, berufliche Neuorientierung, fragliche Leistungsfähigkeit (objektiv); „Arbeit macht krank“, Beeinträchtigungen am Arbeitsplatz durch Krankheitsempfinden, Konflikte am Arbeitsplatz, berufliche Überforderung/Berührungsängste mit beruflichen Herausforderungen, fehlendes berufliches Zutrauen bzw. Unsicherheit hinsichtlich der beruflichen Selbsteinschätzung (subjektiv). Die Maßnahme wird nicht durchgeführt bei fehlender Motivation (siehe dazu Abbildung 6.7) auf Seiten der Rehabilitanden (z. B. manifester Rentenwunsch), bei bestimmten Berufsbildern, die sich in der Kürze der Zeit nicht erproben lassen sowie bei einer zu kurzen Dauer der Rehabilitationsmaßnahme. Abb. 6.7: Kriterien zur Einschätzung der Patientenmotivation Beteiligte Berufsgruppen und Ausstattung. Arzt, Psychologe, Sozialarbeiter/Sozialpädagoge, Ergotherapeut, Stationspfleger/-schwester. Kooperationsnetzwerk mit zahlreichen Arbeitgebern im Einzugsbereich der Klinik. Benötigte Ausstattung: Hilfestellung zum Erreichen des Arbeitsplatzes (Fahrrad, Fahrdienst), berufsspezifische Arbeitskleidung. Literatur Anton, E., Meures, A., Schützeichel, I., Metz, U., Jürgensen, R. & Rüddel, H. (2006). Zur Bedeutung einer Arbeits- und Belastungserprobung während der stationären psychosomatischen Rehabilitation. DRV-Schriften, 64, 54-56. Ansprechpartner Eleonore Anton (Dipl.-Sozialarbeiterin) Andrea Meures (Dipl.-Sozialarbeiterin) Prof. Dr. Heinz Rüddel (Chefarzt) Psychosomatische Fachklinik St. Franziskastift Franziska-Puricelli-Str. 3 55543 Bad Kreuznach [email protected] www.fransziska-stift.de 96 Interne Belastungserprobung Schwarzwaldklinik – Neurologie Park-Klinikum, Bad Krozingen Neurologie Ziele. Die Maßnahme zielt auf: eine verbesserte Selbsteinschätzung und Gesundheitsförderung der Rehabilitandinnen im weiteren Verlauf frühzeitige psychosoziale und berufliche Perspektiven und dadurch eine verbesserte Rehabilitationsmotivation eine verbesserte sozialmedizinische Leistungsbeurteilung eine Empfehlung zu Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben kürzere berufliche und soziale Wiedereingliederungszeiten Inhalte und Ablauf. Das Konzept umfasst die Arbeitstherapie in einem gewerblichen und kaufmännischen Bereich sowie die interne Arbeitserprobung. Sie dient der Abklärung der beruflichen Belastbarkeit vor allem in folgenden Bereichen: Dauerbelastbarkeit bis zu einem vollen Arbeitstag Verhalten bei Mehrfachanforderungen Arbeitsverhalten (z. B. Ausdauer), Arbeitsleistung (z. B. Tempo, Konzentration) Sozialverhalten psychische und körperliche Belastbarkeit Die interne Belastungserprobung beginnt nach ausreichender medizinischer bzw. psychischer Stabilisierung und ausreichender Motivation der Rehabilitanden in der Regel schon während der medizinischen Rehabilitation in der hausinternen Arbeitstherapie im handwerklichen- oder kaufmännischen Bereich mit einer Steigerung der Belastungsdauer auf täglich zwei bis drei Stunden. Auch kann eine Belastungserprobung im Küchenbereich durchgeführt werden. Begleitend werden alle notwendigen therapeutischen Maßnahmen (z. B. Physiotherapie, Ergotherapie, Psychotherapie, Schmerztherapie) durchgeführt. Sie erfolgt stufenweise; insbesondere wird die Belastbarkeit in Leistungs- und Lernsituationen beachtet. Das Basisprogramm beinhaltet Anamnese, körperliche Untersuchung, neurologische Untersuchungen und – falls notwendig – eine (neuro-)psychologische Untersuchung. Der Rehabilitand erhält eine umfassende kognitive, psychische und soziale arbeitsplatzbezogene Evaluation (über Arbeitsanamnese, Fragebogenverfahren, neuropsychologische Diagnostik mit für die Arbeitswelt relevanten Schwerpunkten, z. B. Aufmerksamkeit, Konzentration, Ausdauer oder Gedächtnis). Des Weiteren erfolgt eine fachärztliche Untersuchung. Zusätzlich werden mögliche Funktionsstörungen im Hinblick 97 auf eine berufliche Wiedereingliederung durch Mitarbeiter aus den Bereichen Physiotherapie, Ergotherapie, Arbeitstherapie und Sprachtherapie erfasst. Gemeinsam mit den Rehabilitanden werden ihre subjektiven Einschätzungen, die objektiven Ergebnisse und klinischen Beobachtungen ausführlich besprochen. Die Maßnahme wird drei bis fünfmal pro Woche in einem Umfang von zunächst einer bis drei Stunden bis zur ganztägigen Belastung durchgeführt. Der Ablauf der Maßnahme ist in Abbildung 6.8 zusammenfassend dargestellt. Abb. 6.8: Maßnahme „interne Belastungserprobung“ in der Schwarzwaldklinik (Neurologie), Park-Klinikum Bad Krozingen 98 Zielgruppe. Die Maßnahme richtet sich an berufstätige Versicherte der Rentenversicherung (DRV), Berufsgenossenschaften und Krankenkassen. Sie wird nicht durchgeführt bei Rehabilitanden ab einem Alter von ca. 65 Jahren. Beteiligte Berufsgruppen und Ausstattung. Arzt, Psychologie, Sozialarbeiter/Sozialpädagoge, Arbeitstherapeut, Neuropsychologe. Benötigte Ausstattung: vollständig ausgerüstete Arbeitsplätze im gewerblichen und kaufmännischen Bereich sowie eine Küche. Ansprechpartner Schwarzwaldklinik Neurologie Park-Klinikum Bad Krozingen Im Sinnighofen 1 79189 Bad Krozingen [email protected] www.park-klinikum.de 99 Interne Belastungserprobung Klinik am Homberg, Bad Wildungen Psychosomatik Ziele. Die Maßnahme zielt auf die Bearbeitung von kognitiven und handwerklichen Aufgabenstellungen, d. h. Arbeit mit dem Kopf und Arbeit mit den Händen. Sie dient der Rückmeldung im Hinblick auf Stressverhalten und das Erleben der Belastung und gibt Hilfestellungen bei der sozialmedizinischen Beurteilung. Inhalte und Ablauf. Wesentlicher Inhalt der Maßnahme ist die Ermittlung von Grundarbeitsfähigkeiten. Dies umfasst beispielsweise die folgenden Fragestellungen: Kann ein Teilnehmer vier Stunden lang verschiedene unbekannte Aufgaben abarbeiten? Wie belastend werden neue Aufgaben, Nebengeräusche oder die Nähe von drei weiteren Teilnehmenden erlebt? Ein konkreter Arbeitsalltag wird hierbei nicht nachgestellt. Alle Teilnehmenden bearbeiten so viele Aufgaben in der vorgegebenen Zeit wie es ihnen in ihrer jetzigen Verfassung möglich ist. Es müssen nicht alle Aufgaben abgearbeitet werden. Ist die persönliche Belastungsgrenze überschritten, kann die Therapie jederzeit abgebrochen werden. Die Maßnahme umfasst eine 60-minütige PC-Übung (Rechnen, Merkfähigkeit, Logik, optische Wahrnehmung unter anderem mit dem Übungsprogramm COGPACK®), einen 120-minütigen Handwerksteil (Herstellen eines Tonstövchens) sowie eine weitere 60-minütige PC-Übung (Übungen wie im ersten Teil). Die Maßnahme wird einmal während der Rehabilitation durchgeführt. Die vierstündige Maßnahme wird nach zwei Stunden mit einer 15-minütigen Pause unterbrochen. 100 Der Ablauf der Maßnahme ist in Abbildung 6.9 zusammenfassend dargestellt. Abb. 6.9: Maßnahme „interne Belastungserprobung“ in der Klinik am Homberg, Bad Wildungen Zielgruppe. Die Maßnahme richtet sich an Rehabilitanden, die eine sozialmedizinische Leistungsbeurteilung aufgrund eines eingeschränkten Leistungsvermögens zur besseren Objektivierung des quantitativen und qualitativen Leistungsvermögens benötigen. Sie wird nicht durchgeführt bei fehlender Motivation auf Seiten der Rehabilitanden. Beteiligte Berufsgruppen und Ausstattung. Ergotherapeut. Notwendige Ausstattung: PC- Arbeitsplatz mit Übungsprogramm (COGPACK®), Werkraum. Ansprechpartner Marko Wissner (Ergotherapeut) Klinik am Homberg Fachklinik für Psychosomatische Rehabilitation/Psychotherapie Herzog-Georg-Weg 2 34537 Bad Wildungen [email protected] www.klinik-am-homberg.de 101 Belastungserprobung Klinik Schloss Falkenhof, Bensheim Abhängigkeitserkrankungen Ziele. Ziele der Maßnahme sind die Überprüfung des Leistungsvermögens und die sozialmedizinische Einschätzung. Inhalte und Ablauf. Die Belastungserprobung kann in Form eines internen oder externen Praktikums durchgeführt werden. Für die Umsetzung der externen Praktika kommen vielfältige Arbeitsfelder in Frage, beispielsweise Handwerksbetriebe (Metall, Holz, Elektro/Elektronik, Gärtnerei, Bauwesen), Betriebe der Dienstleistung und Organisation (Behörden, Verwaltung, Banken und Versicherungen), Pflege- und Gesundheitsdienste (Altenpflegeeinrichtungen, Krankenhäuser, Behindertenbereiche), Produktions- und Kommunikationsbetriebe (Großbetriebe, Druckereien, Reisebranche, Computerdienste) oder Fach-, Einzel- und Großhandelsbetriebe (Lagerverwaltung, Bürotätigkeit, Dienstleistungen und Verkauf). Vor der Durchführung ist in der Regel ein kurzes Gespräch des Bezugsarbeitstherapeuten oder des Arbeitsanleiters mit dem Betroffenen und dem medizinischen Dienst in der Klinik anzusetzen, bei dem die Zielsetzung und der Zeitrahmen der Belastungserprobung besprochen werden. Der Stundenplan für die Belastungserprobung wird vom Arbeitsanleiter in Abstimmung mit dem Rehabilitanden erstellt. Unmittelbar nach der Durchführung der Belastungserprobung wird das Ergebnis vom Bezugsarbeitstherapeuten ermittelt und schriftlich festgehalten. Die Maßnahme dauert in der Regel zwei Wochen, wenn sie intern erfolgt, und vier bis sechs Wochen, wenn sie extern durchgeführt wird. 102 Der Ablauf der Maßnahme ist in Abbildung 6.10 zusammenfassend dargestellt. Abb. 6.10: Maßnahme „Belastungserprobung“ in der Klinik Schloss Falkenhof, Bensheim 103 Zielgruppe. Die Indikation für die Durchführung einer Belastungserprobung besteht in der Regel bei laufendem Rentenantrag, bei Langzeitarbeitslosigkeit (länger als ein Jahr), bei der Notwendigkeit einer beruflichen Neuorientierung (externes Praktikum) oder zur Verbesserung der Diagnostik bei körperlichen, kognitiven oder psychischen Einschränkungen. Außerdem kann eine Belastungserprobung auch durchgeführt werden im Sinne einer Strukturhilfe, z. B. bei Rehabilitanden mit Drogenproblemen, hinsichtlich psychischer Belastbarkeit, Ausdauer, Motivation, Frustrationstoleranztraining. Die Maßnahme wird nicht durchgeführt bei berenteten Rehabilitanden sowie bei fehlender Motivation auf Seiten der Rehabilitanden. Beteiligte Berufsgruppen und Ausstattung. Arzt, Psychologe, Sozialarbeiter/Sozialpädagoge, Ergotherapeut. Benötigte Ausstattung: Modellarbeitsplätze (z. B. Schreinerei, Gärtnerei). Ansprechpartner Daniel Ulbricht (Leitender Arbeitstherapeut) Klinik Schloss Falkenhof, Fachklinik für Abhängigkeitserkrankungen Nibelungenstraße 109 64625 Bensheim [email protected] 104 Spezifische Erprobung Fachklinik Herzogenaurach, Herzogenaurach Orthopädie, Neurologie, Kardiologie Ziele. Im Rahmen der Maßnahme (Modellstatus) wird versucht, die neuropsychologische Belastungsdiagnostik mit einer realitätsnäheren berufsbezogenen Erprobung zu verzahnen, um die Vorteile beider Ansätze zu kombinieren. Die berufsbezogene Erprobung kommt durch Vernetzung mit externen berufsfördernden Einrichtungen bzw. Kooperationspartnern zustande. Inhalte und Ablauf. Der Kooperationspartner (BFW Nürnberg) ist Auftragnehmer der Fachklinik Herzogenaurach; er wird vom ärztlich-therapeutischen Team mit konkreten Fragestellungen und Aufgaben dann eingeschaltet, wenn das Team dies zur Absicherung der Rehabilitationsprognose oder zur Förderung der Problemeinsicht des Rehabilitanden für sinnvoll hält. Die zuständigen Ärzte erstellen ein vorläufiges positives und negatives Leistungsbild, das von der Reha-Beratung zusammen mit einem beruflichen Anforderungs-/Tätigkeitsprofil (vgl. Abbildung 6.11) und der schriftlichen konkreten Fragestellung (vgl. Abbildung 6.12) dem Auftragnehmer zugeleitet wird. Dieser setzt kurzfristig eine geeignete Erprobungsmaßnahme um und gibt schriftliches Feedback (vgl. Abbildung 6.13) über das Ergebnis der Erprobung. 105 Abb. 6.11a: Dokumentation des Anforderungs-/Fähigkeitsprofils (Seite 1) 106 Abb. 6.11b: Dokumentation des Anforderungs-/Fähigkeitsprofils (Seite 2) 107 Abb. 6.12: Formular zur Anfrage beim Berufsförderungswerk 108 Abb. 6.13: Formular mit Erprobungsergebnis Kooperationsmodell mit dem Berufsförderungswerk Nürnberg Zielgruppen: Arbeitnehmer mit im BFW direkt abbildbaren Arbeitsplätzen, schwerpunktmäßig aus dem gewerblichen und kaufmännisch-verwaltenden Bereich Schnittstellen: Sozialdienst (in Rehabilitationsklinik); Case Manager (in Berufsförderungswerk) Erprobungsstrukturen: Werkstätten und Arbeitsplätze aus dem Ausbildungsangebot des BFW, zusätzlich Arbeitsplätze aus der Infrastruktur des BFW Beurteiler vor Ort: Fachbezogene Ausbilder, psychologischer Dienst, ärztlicher Dienst, Sozialdienst 109 Die Maßnahme wird im Rahmen der Rehabilitation einmal durchgeführt und umfasst bis zu fünf Tage, mindestens aber einen Tag. Der Ablauf der Maßnahme ist in Abbildung 6.14 zusammenfassend dargestellt. Abb. 6.14: Maßnahme „Spezifische Erprobung“ in der Fachklinik Herzogenaurach 110 Zielgruppe. Die Maßnahme ist für Rehabilitanden aller medizinischen Indikationsgebiete der Klinik (Orthopädie, Neurologie, Kardiologie) und aller Kostenträger möglich, wenn berufsfördernde Maßnahmen in Betracht kommen. Sie wird nicht durchgeführt bei einem Alter ab 60 Jahren, bei gestelltem Rentenantrag oder bei bereits berenteten Rehabilitanden und bei fehlender Motivation auf Seiten der Rehabilitanden. Beteiligte Berufsgruppen und Ausstattung. Arzt, Psychologe, Sozialarbeiter/Sozialpädagoge, Kooperationspartner und -strukturen. Ansprechpartner Dr. Hartwig Kulke (Dipl.-Psychologe, Psychologischer Psychotherapeut) m&i Fachklinik Herzogenaurach Abteilung Neuropsychologie In der Reuth 1 91074 Herzogenaurach [email protected] www.fachklinik-herzogenaurach.de 111 Therapeutische Belastungserprobung Klinik Roseneck, Prien am Chiemsee Psychosomatik Ziele. Es handelt sich um ein therapeutisch angeleitetes externes Berufspraktikum zur diagnostischen Überprüfung der beruflichen Leistungsfähigkeit sowie der Erprobung therapeutischer Maßnahmen (z. B. Angstexposition). Inhalte und Ablauf. Teilnahme an einem externen Berufspraktikum in einem Kooperationsbetrieb. Dafür wurden über den Sozialdienst Kontakte zu zahlreichen Arbeitgebern in der Umgebung aufgebaut, so dass ein breites Spektrum unterschiedlicher Arbeitsbereiche zur Verfügung steht, das von einfachen, ungelernten Tätigkeiten über Berufe im Handwerk, im Büro oder dem Gesundheitswesen, Umweltschutz und im ökologischen Bereich bis hin zu hochqualifizierten Tätigkeiten reicht. Das Berufspraktikum wird engmaschig therapeutisch begleitet. Die von den Rehabilitanden im Laufe der Belastungserprobung gemachten Erfahrungen werden in der parallel durchgeführten Einzeltherapie reflektiert, die eingangs besprochenen Therapieziele rekapituliert, Zwischenbilanzen gezogen und neue Zwischenziele vereinbart. Die Maßnahme endet mit einer Abschlussbilanz. Die Maßnahme wird wie folgt durchgeführt: Indikationsstellung durch den Bezugstherapeuten, Diskussion im Team, Abklärung der prinzipiellen Möglichkeiten mit dem Sozialtherapeuten Klärendes Gespräch, in dem Ziele und Möglichkeiten der Belastungserprobung offen dargelegt werden Gespräch zwischen Rehabilitand und Sozialtherapeut: Wünsche des Rehabilitanden und Möglichkeiten auf dem örtlichen Arbeitsmarkt werden abgeglichen (Kompromiss) Klärung der praktischen Möglichkeiten/Rahmenbedingungen zwischen Sozialtherapeut und potentiellem Arbeitgeber (Arbeitszeiten, Integration am Arbeitsplatz, Dienstgeheimnisse) Vorgespräch des Rehabilitanden beim Arbeitgeber (wenn erforderlich in Begleitung des Sozialtherapeuten, evtl. als Training für zukünftige Bewerbungsgespräche) Beginn der Belastungserprobung Begleitende Gespräche zwischen Bezugstherapeut, Rehabilitand und Sozialtherapeut und Arbeitgeber/Vorgesetzten: Aufarbeitung von aktuell auftretenden Schwierigkeiten, Verhaltensdefiziten, falschen/unrealistischen Erwartungen und anderes; Zwischenbilanz und neue Zwi112 schenziele Abschlussbilanz: Erfolge, offene und gelöste Probleme werden festgehalten und eventuell indizierte weiterführende sozialtherapeutische Maßnahmen eingeleitet Zielgröße hinsichtlich des zeitlichen Umfangs der Maßnahme: vier Wochen mit vier Stunden/Tag. Der Ablauf der Maßnahme ist in Abbildung 6.15 zusammenfassend dargestellt. Abb. 6.15: Maßnahme „Therapeutische Belastungserprobung“ in der Klinik Roseneck, Prien 113 Zielgruppe. Die Maßnahme richtet sich an Rehabilitanden mit psychosomatischer Erkrankung mit erheblichen Problemen im Bereich Arbeit und Beruf. Sie wird nicht durchgeführt bei berenteten Rehabilitanden sowie bei Rehabilitanden mit deutlichem Rentenbegehren bzw. laufendem Rentenverfahren, bei fehlender Motivation auf Seiten der Rehabilitanden, bei Vorliegen akuter Psychosen, Schmerzen oder die Durchführung der BE ausschließender körperlicher Erkrankungen sowie bei Rehabilitanden ab ca. 60 Jahren. Beteiligte Berufsgruppen und Ausstattung. Arzt, Psychologe, Sozialarbeiter/Sozialpädagoge. Kooperationsnetzwerk mit zahlreichen Arbeitgebern im Einzugsbereich der Klinik. Literatur Hillert, A., Cuntz, U., Heldwein, C., Froben, B. & Fichter, M. (1998). Die berufliche Belastungserprobung im Rahmen klinisch-stationärer Verhaltenstherapie: Praktische Durchführung, soziodemographische und psychologische Charakteristika der Patienten als Verlaufsprädiktoren. Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation, 42, 28-34. Hillert, A., Staedtke, D. & Cuntz, U. (2002). Berufliche Belastungserprobung als integrierter Bestandteil der verhaltenstherapeutisch-psychosomatischen Rehabilitation: Theoretische Konzepte, real existierende Patienten und multiple Schnittstellen. Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation, 15, 94-100. Hillert, A., Staedtke, D., Koch, S. & Cuntz, U. (2004). Wie leistungsfähig sind psychosomatische Patienten im Beruf? Selbst- und Fremdeinschätzung von Patienten und Vorgesetzten im Vergleich – Ergebnisse einer kontrollierten Evaluation der Beruflichen Belastungserprobung (BE) in der psychosomatischen Rehabilitation. DRV-Schriften, 52, 228-230. Staedtke, D. (2009). Evaluation der beruflichen Belastungserprobung in der stationären Psychotherapie. Peter Lang Verlag, Bern Berlin Europäische Hochschulschriften. Reihe 6: Psychologie, Vol. 753. Ansprechpartner Prof. Dr. Dr. Andreas Hillert Klinik Roseneck Am Roseneck 6 83209 Prien [email protected] www.schoen-kliniken.de/ptp/kkh/ros/klinik/ 114 Interne Belastungserprobung (diagnostischer Schwerpunkt) Asklepios Fachklinikum Wiesen, Wildenfels Abhängigkeitserkrankungen Ziele. Ziel der Maßnahme ist das Testen der Grundarbeitsfähigkeit. Inhalte und Ablauf. Die Belastungserprobungen bestehen im Wesentlichen aus einem theoretischen und einem praktischen Teil. Für den theoretischen Teil stehen Aufgabenblätter aus verschiedenen Berufszweigen (z. B. kaufmännisch, bürotechnisch, finanztechnisch oder lagerwirtschaftlich) zur Verfügung. Es besteht auch die Möglichkeit, berufsspezifische Anforderungen (Elektriker, Maurer, Schlosser, Tischler) mit theoretischen Aufgabenstellungen zu prüfen. Die Auswertung erfolgt über standardisierte Antwortbögen. Der zeitliche Umfang ist variabel gestaltbar (üblich ist ca. eine Stunde). Der praktische Teil ist auf die Austestung von Grundarbeitsfähigkeiten ausgerichtet. Hier ist nur allgemein eine Unterteilung in handwerkliche bzw. bürotechnische Berufe möglich. Typische Arbeitsaufgaben können nur partiell simuliert werden. Für die praktischen Tätigkeiten stehen ein Holzarbeitsbereich und im Büro der Ergotherapie ein Computer zur Verfügung. Außer in den Wintermonaten steht auch ein größeres Außengelände für gärtnerische und landschaftsgestalterische Arbeiten zur Verfügung (Pflegearbeiten, Transportarbeiten, Wartungsarbeiten). Die Rehabilitanden werden im Rahmen der Ergotherapie auf die Belastungserprobung vorbereitet (konditionell, inhaltlich und kognitiv). Berufsanamnese, vorbereitende Tests und Ähnliches wurden im Vorfeld durchgeführt. Alle Rehabilitanden erstellen vor der Belastungserprobung eine Arbeitsplatzbeschreibung für den von ihnen zuletzt durchgeführten Arbeitsinhalt der versicherungspflichtigen Tätigkeit. Im Bedarfsfall ist im Vorfeld ein Belastungs-EKG erforderlich. Nachdem die Indikation zur Belastungserprobung gestellt wurde, erfolgt ein vorbereitendes Gespräch. Es werden Schwerpunkte der Erprobung festgelegt. Diese resultieren aus der Berufsanamnese, dem aktuellen Stand der Vorbereitung hinsichtlich der Fähigkeiten und Fertigkeiten und dem zu erwartenden Ergebnis. So ist dann auch eine Aussage zu treffen, wenn der angegebene Beruf nicht mehr geleistet werden kann. Die Rehabilitanden werden darauf hingewiesen, dass sie sich immer an einen Ergotherapeuten wenden können, um Hilfe zu erhalten, um den Belastungsgrad zu verändern oder auch um die Belastungserprobung vorzeitig zu beenden. Allgemeiner Ablauf: Der Rehabilitand wird an einem Tag über eine Zeit von acht Stunden belastet. Wenn notwendig, beginnt die Erprobung mit dem d2-Test (Dauer ca. 20 Minuten). Danach folgt der theoretische Aufgabenteil (Dauer ca. eine Stunde), an den sich der praktische Teil anschließt. Im Regelfall ist es eine komplexe Arbeitsaufgabe, in die der Rehabilitand eingewiesen wird. Zum Teil stehen dafür Arbeiten an Kleinserien zur Verfügung, die dann im Rahmen der Arbeiten für das Haus realisiert werden. Die praktische Arbeit kann im Belastungsgrad sowohl physisch wie auch mental variiert werden. Nach jeweils zwei Arbeitsstunden erfolgt eine Pause. Typische Maschinenarbeit wird 115 nicht durchgeführt. Nach dem Test wird ein kurzes Auswertungsgespräch mit dem Rehabilitanden durchgeführt. Der Ergotherapeut bespricht mit den Rehabilitanden seine Beobachtungen während der Erprobung. Die Rehabilitanden geben ihre Eindrücke und Empfindungen in diesem Gespräch wieder. Auf der Grundlage dieser Informationen formuliert der Ergotherapeut seinen Bericht und leitet daraus seine Empfehlungen ab. Zeitlicher Umfang: Üblich ist zunächst ein Tag (acht Stunden = ortsübliche tägliche Arbeitszeit). Bei Bedarf ist die Belastungserprobung auch verkürzt oder über mehrere Tage möglich. Der Ablauf der Maßnahme ist in Abbildung 6.16 zusammenfassend dargestellt. Abb. 6.16: Maßnahme „Interne Belastungserprobung“ im Asklepios Fachklinikum Wiesen, Wildenfels 116 Zielgruppe. Die Maßnahme richtet sich an Rehabilitanden mit eingeschränkter Belastbarkeit für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit oder für den allgemeinen Arbeitsmarkt sowie an Rehabilitanden, die seit längerer Zeit arbeitslos sind oder lange nicht in ihrem Ausbildungsberuf gearbeitet haben. Sie wird nicht durchgeführt bei bestehender Rente bzw. Rentenantrag. Beteiligte Berufsgruppen und Ausstattung. Arzt, Psychologe, Sozialarbeiter/Sozialpädagoge, Ergotherapeut. Benötigte Ausstattung: Modellarbeitsplätze (z. B. Handwerk, Büro, Außengelände) Ansprechpartner Hendrik Moritz (Oberarzt) Fachklinikum Wiesen GmbH Kirchberger Strasse 2 08134 Wildenfels [email protected] www.asklepios.com 117 118 6.2 Praxisbeispiele zur Kernmaßnahme „Arbeitstherapie/Arbeitsplatztraining” Arbeitstherapie („Buchauer Modell“) Rehabilitationsklinik Schloss Bad Buchau, Bad Buchau ………………………………………………………………….. 120 Arbeitsplatzspezifische Rehabilitation ARC-Gruppe, Braunschweig, Chemnitz, Dresden, Leipzig, Magdeburg, Riesa, Wolfsburg, Zwickau .. 125 Arbeitsplatzbezogene Therapie (ABT) REHA SÜD Freiburg, Zentrum für ambulante orthopädische Rehabilitation ……………………………………134 Arbeitsplatzanalyse Therapiezentrum Koblenz [teilstationäre Rehabilitation] ……………………………..………………………………. 138 Berufsspezifisches Training Therapiezentrum Koblenz [teilstationäre Rehabilitation] …………………………………..…………………………. 143 Arbeitsplatzbezogene Medizinische Trainingstherapie (AMTT) Reha-Zentrum Schömberg, Klinik Schwarzwald, Schömberg …………………………………………………………. 148 Büroarbeitsplatztraining (BAP) Reha-Zentrum Schömberg, Klinik Schwarzwald, Schömberg …………………………………………………………. 152 119 Arbeitstherapie („Buchauer MBOR Modell“) Rehabilitationsklinik Schloss Bad Buchau, Bad Buchau Psychosomatik, Neurologie Ziele. Ziel der Arbeitstherapie ist es, konkrete Hilfestellung und Unterstützung zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben zu leisten. Arbeitstherapie fördert zudem die berufliche Motivation und die realistische Selbsteinschätzung der arbeitsbezogenen und beruflichen Leistungsfähigkeit. Es handelt sich um eine therapeutisch orientierte Maßnahme, die klinikintern in Form von Einzeltherapie durchgeführt wird. Sie ist in das Standardheilverfahren integriert. Inhalte und Ablauf. Die Arbeitstherapie bietet die Möglichkeit, die motorische, kognitive und psychische Leistungsfähigkeit im Bereich der Grundarbeitsfähigkeit zu überprüfen und zu trainieren. Hierfür stehen verschiedene Arbeitsbereiche zur Verfügung: Büro/EDV, Werkstatt (Holzwerkstatt und CNC-gesteuerte Fräse), Hauswirtschaft und Küche sowie Lagerverwaltung. Ist eine Rückkehr in den alten Betrieb nicht möglich oder besteht kein Arbeitsverhältnis mehr, können als Vorbereitung für eine weitergehende berufliche Rehabilitation in der Arbeitstherapie persönliche Fähigkeiten und Stärken, z. B. handwerkliches Geschick, Interesse und Motivation überprüft und mit beruflichen Anforderungsprofilen abgeglichen werden. Handelt es sich insbesondere um Rehabilitanden mit motorisch-funktionellen Einschränkungen, können in den klinikeigenen Werkstätten berufsbezogene Tätigkeiten überprüft und trainiert werden mit dem Ziel der Funktionsverbesserung und realistischen Einschätzung verbliebener Defizite. Ist eine Rückkehr in den Betrieb nicht möglich oder besteht kein Arbeitsverhältnis mehr, wird in der Regel eine umfangreiche neuropsychologische Untersuchung durchgeführt, um die kognitiven Voraussetzungen für mögliche umfangreiche Qualifizierungsmaßnahmen zu überprüfen. Ergeben sich in der Arbeitstherapie Zweifel an der Belastbarkeit, kann die Arbeitstherapie ergänzt werden durch eine Belastungserprobung. Die arbeitstherapeutischen Termine werden individuell geplant. Am Beginn steht eine ausführliche arbeitstherapeutische Anamneseerhebung, aus der sich dann das Behandlungsprogramm ergibt. Die Arbeitstherapie ist als Einzeltherapie konzipiert und wird von Arbeitstherapeuten in den Werkstätten der Klinik durchgeführt. Zusätzlich zu den diagnostischen und therapeutischen Terminen mit dem Arbeitstherapeuten haben die Rehabilitanden die Möglichkeit, eigenständig in dem Bereich zu üben, dem sie zugeteilt sind. Für die Arbeitstherapie stehen in der Rehabilitationsklinik Schloss Bad Buchau folgende Arbeitsbereiche zur Verfügung: 120 Bürobereich/EDV 4 PC-Arbeitsplätze: Es werden Kenntnisse vermittelt in Windows XP, Office 2003, Internet (Einführung, Anwendungen), Microsoft Front Page, Macromedia Flash 5 (Anwendung, Programmierung), Grafikprogrammen (Einführung) und Open Office. Zum Überprüfen und Trainieren im Bereich der kognitiven Grundarbeitsfähigkeit wird Cogpack® eingesetzt. Werkstatt 3 Werkbankarbeitsplätze 3 Maschinenarbeitsplätze (Dekupiersäge, Bandsäge, Ständerbohrmaschine) CNC-Fräse für Metall, Kunststoff und Holz 3D-CAD-Konstruktion Hauswirtschaftsbereich 2 Arbeitsplätze an Nähmaschinen 2 Arbeitsplätze für Stoffzuschnitt 1 Arbeitsplatz für Bügelarbeiten Küchenbereich 2 Arbeitsplätze im Küchenbereich Lagerverwaltung Der Bereich Lagerverwaltung übernimmt die Versorgung der anderen Bereiche mit den notwendigen Arbeitsmaterialien. 121 Die Gesamtzahl und Häufigkeit der Therapieeinheiten orientiert sich an der individuellen Situation des Rehabilitanden. In der Regel wird die Arbeitstherapie zwischen drei und fünf Stunden pro Woche eingesetzt. Im Normalfall finden einstündige arbeitstherapeutische Behandlungen parallel zum übrigen therapeutischen Programm der Rehabilitanden statt. Der Ablauf der Maßnahme ist in Abbildung 6.17 zusammenfassend dargestellt. Abb. 6.17: Maßnahme „Arbeitstherapie, Buchauer MBOR Modell“ in der Rehabilitationsklinik Schloss Bad Buchau Zielgruppe. Die Maßnahme richtet sich zum einen an Rehabilitanden, die einen Arbeitsplatz haben und denen durch die Arbeitstherapie geholfen werden soll, wieder an ihren konkreten Arbeitsplatz zurückzukehren. Zeichnetet sich auf der Ebene der Körperfunktionen keine Funktionsverbesserung ab, so werden auf der Ebene der Umweltfaktoren mit den Rehabilitanden Kompensationsmöglichkeiten im Sinne von arbeitsbezogenen Hilfsmitteln oder Möglichkeiten der Arbeitplatzadaption erarbeitet und praktisch erprobt. 122 Beispiel: Rehabilitand mit einem PC-Arbeitsplatz und neu aufgetretener Armlähmung wird auf einhändige Bedienung des PC trainiert oder wird in die Anwendung von Spracherkennungssoftware eingeführt. Zum anderen werden Rehabilitanden einbezogen, die einen Arbeitsplatz haben, diesen aber krankheitsbedingt nicht mehr ausüben können und denen in der Arbeitstherapie geholfen wird, sich für eine andere Tätigkeit in ihrem Betrieb zu qualifizieren. Hier bietet Arbeitstherapie die Möglichkeit erste Qualifikationen für eine andere Tätigkeit zu erwerben. Beispiel: Einführung in die Lagerverwaltung, Einführung in die CAD-Programmierung, Einführung in die 3-DKonstruktion/Technisches Zeichnen. Die Maßnahme richtet sich darüber hinaus an Rehabilitanden mit Arbeitsplatz, die Schwierigkeiten bei der Ausübung ihrer Tätigkeit haben und bei denen durch arbeitsbezogene Aktivitäten eine Verbesserung der relevanten Körperfunktionen und somit der Leistungsfähigkeit für diesen Arbeitsplatz zu erwarten ist. Beispiele: Spezielles Arbeitsplatztraining zur Verbesserung der motorisch-funktionellen Körperfunktionen durch das Training arbeitsüblicher Bewegungsabläufe (z. B. im Hinblick auf körperliche Belastbarkeit, Feinmotorik, Geschicklichkeit. Ergonomie am Arbeitsplatz, Vermitteln und Trainieren der wichtigsten ergonomischen Regeln am Arbeitsplatz wie z. B. richtiges Heben und Tragen, Arbeitsplatzgestaltung und Umgebungseinflüsse. Eine weitere Zielgruppe sind Rehabilitanden ohne Arbeitsplatz. Die Maßnahme wird auch dann durchgeführt, wenn die Rückkehr an den bisherigen Arbeitsplatz nicht möglich ist. Hier stehen die personbezogenen Faktoren im Fokus der Arbeitstherapie. Persönliche Fähigkeiten, Fertigkeiten und Stärken werden mithilfe standardisierter arbeitsbezogener Aktivitäten erfasst. Das ermittelte Fähigkeitsprofil wird mit beruflichen Anforderungen verglichen und kann als Unterstützung bei einer beruflichen Neu- oder Umorientierung oder im Hinblick auf eine weitergehende berufliche Rehabilitation eingesetzt werden. Individuelle Maßnahmen wie Bewerbungstraining und Stellenrecherchen können als Hilfen und Unterstützung zur Teilhabe am Arbeitsleben erfolgen. Beteiligte Berufsgruppen und Ausstattung. Ergotherapeut/Arbeitstherapeut. Benötigte Ausstattung: Grundausstattung Assessment „Buchauer MBOR Modell“ und Modellarbeitsplätze. 123 Ansprechpartner PD Dr. med. habil. G. Müller (Chefarzt der Psychosomatik) Schlossklinik Bad Buchau Schlossplatz 2 88422 Bad Buchau [email protected] Markus Dietz (Ergotherapeut) Arbeitstherapie Schlossplatz 2 88422 Bad Buchau [email protected] 124 Arbeitsplatzspezifische Rehabilitation ARC-Gruppe, Braunschweig, Chemnitz, Dresden, Leipzig, Magdeburg, Riesa, Wolfsburg, Zwickau indikationsübergreifend Ziele. Die ARC-Gruppe beschäftigt sich seit mehr als 10 Jahren mit der Ausrichtung der Rehabilitation auf die Anforderungen des Erwerbslebens. Dabei spielt das von Susan Isernhagen (Kaiser et al. 2000) entwickelte EFL-Verfahren eine zentrale Rolle. Auf der Grundlage des EFL-Tests wurde nach und nach ein Konzept entwickelt, mit dem Anforderungsprofil und Fähigkeitsprofil der Rehabilitanden systematisch erfasst werden können. Der Profilvergleich ermöglicht eine zielgenaue arbeitsplatzbezogene Therapie. Entsprechende Therapieformen wurden entwickelt, um Versicherte bei Problemen im beruflichen Umfeld gezielt zu rehabilitieren und damit die Erwerbsfähigkeit langfristig zu sichern bzw. um eine Reintegration in das Erwerbsleben zu ermöglichen. Dieses System der Arbeitsplatzspezifischen Rehabilitation wurde im mehrjährigen Verlauf von der ARC-Gruppe mit den Ambulanten Reha Centren in Braunschweig, Wolfsburg, Magdeburg, Dresden, Zwickau und Riesa für Rehabilitanden mit muskuloskelettalen Erkrankungen konzipiert. Folgende Einzelziele werden mit dem System verfolgt: Schaffung einer nachhaltigen beruflichen (Re-)Integration bei Vorliegen von besonderen beruflichen Problemlagen (BBPL) Erweiterung von Reha-Diagnostik und Therapie um berufsbezogene Kernmaßnahmen intensivierte Ausrichtung der Module auf beruflich relevante personale Ressourcen Aufhebung der Diskrepanz zwischen gemindertem Leistungsvermögen und arbeitsplatzbezogenen Anforderungen im bisherigen Beruf Festigung und Ausbau der Vernetzung mit Arbeitsmedizinern und Betriebsräten der einzelnen Unternehmen 125 Inhalte und Ablauf. Das System umfasst: die Erfassung des Anforderungsprofils durch die Funktionelle Jobanalyse die gemeinsame Zielerarbeitung durch SMART die Bestimmung des Fähigkeitsprofils durch den EFL-Screening-Test die Leistungsbeurteilung und den Profilvergleich Arbeitsplatzbezogene Therapieformen: Arbeitsplatzbezogene Medizinische Trainingstherapie (AMTT) und EFL-Screening-Training Zusätzlich wird die individuelle Leistungsfähigkeit zum Ende einer jeden Rehabilitationsmaßnahme bestimmt und ein erneuter Profilvergleich erstellt. Dieser zweite EFL-Screening-Test am Ende der Rehabilitationsmaßnahme fließt in die ärztliche bzw. sozialmedizinische Leistungsbeurteilung mit ein und gibt somit wichtige Informationen für das positive und negative Leistungsvermögen im Rahmen des sozialmedizinischen Entlassungsberichts. Erfassung des Anforderungsprofils durch die Funktionelle Jobanalyse Mit der Funktionellen Jobanalyse werden Informationen bezüglich des Arbeitsplatzes des Rehabilitanden zusammengestellt. Detaillierte Arbeitsplatzbeschreibungen durch den zuständigen Arbeitsmediziner und / oder den Versicherten dienen der Erfassung beruflicher Anforderungen. In der speziellen Datenbank „Kritische Arbeitsanforderungen“ der ARC-Gruppe wurden in den vergangenen Jahren mehrere Hundert konkrete Arbeitsplatzbeschreibungen archiviert und ausgewertet. Aufgeführt werden unter anderem: die Intensität der Belastungen in Kilogramm die Zeit- und Taktbindung die Größe, Handlichkeit und Positionierung der am Arbeitsplatz zu benutzenden Gewichte die Arbeitshaltungen (z. B. Zwangshaltungen) erschwerende Faktoren wie Schutzkleidung, Arbeitshandschuhe, schwere Arbeitsgeräte und Witterungseinflüsse der Einsatz von Hilfsmitteln wie Sackkarre oder Tragegurte. Die Ergebnisse fließen als Grundlage (Charakteristik der arbeitsplatzspezifischen Anforderungen) in die gemeinsame Zielerarbeitung und später in den EFL-Screening-Test ein und werden auf dem Erfassungsbogen „Funktionelle Jobanalyse – SMART – EFL-Screening-Test“ dokumentiert. 126 Die Funktionelle Jobanalyse am Beispiel des Berufes „Dachdecker“: Aufgabengebiet unter anderem: Verlegen von Ziegeln, Schieferplatten, Holzschindeln, Betondachsteinen Versetzen von Dachfenstern, Erstellen von Wärmedämmschichten Fassadenisolierung, Auftrag von Dichtungsbelag, Reparatur von undichten Dächern Verlegen von Dachfolien, Verschweißen von Bitumenbahnen vor allem bei Flachdächern und Giebeldächern mit geringer Dachneigung Aufbringen von Isolieranstrich, Bitumenanstrich und Dickanstrich als Feuchtigkeitssperre im Bodenbereich und Dachaufbau Aufstellen von Arbeitsgeräten und Gerüstbauteilen, z. B. Liftanlage für Dachziegel Materialtransport über Gerüste, Leitern und Treppenhäuser. Belastende Tätigkeiten sind i. d. R.: hohe Belastung der Wirbelsäule durch Heben und Tragen von schweren Lasten beim Materialtransport und beim Anbringen des Dachbelages (zeitweise bis zu 30 kg auf Leitern und Gerüsten) überwiegend Arbeit im Knien und Hocken oder in vorgebeugter Haltung (Flachdach, Bodenbeläge) überwiegend Arbeit in seitwärts geneigter und verdrehter Haltung bei Ziegelbedeckung überwiegend hohe Belastung von Händen und Armen durch hohe Anzahl an Wiederholungen überwiegend hohe Belastung des Schultergürtel- und Nackenbereiches durch repetitives Hantieren von Lasten (Dachziegel, Schieferplatten) in körperfernen Ausführungsbedingungen überwiegend hohe statische Belastungen des Schultergürtel- und Nackenbereiches durch statische Beanspruchung bei lang anhaltenden Tätigkeiten (Schweißbahnen verschweißen) überdurchschnittliche Anforderungen an die Koordination bei lang andauernder Tätigkeit (auf Leitern) Absturzgefahr durch Arbeit auf Leitern, Gerüsten und Dächern Einwirkungen von Kälte, Nässe, Zugluft und Hitze durch Arbeit im Freien. Gemeinsame Zielerarbeitung durch SMART Im Rahmen einer gemeinsamen Zielerarbeitung mit den Rehabilitanden (Erarbeitung von Aktivitätszielen) anhand des SMART-Bogens wird der Versicherte gebeten, möglichst fünf für ihn relevante Aktivitäten des beruflichen Alltags aufzulisten, bei denen er sich eingeschränkt fühlt. Diese soll er nach Wichtigkeit und aktueller Ausführbarkeit bewerten. Hinsichtlich der Kriterien spezifisch – messbar – akzeptabel - realistisch - terminiert (SMART) stimmen Rehabilitand und Therapeut unter besonderer Berücksichtigung der beruflichen Perspektive die wichtigsten Ziele ab und halten diese schriftlich fest. Die Unterschrift des Rehabilitanden bestätigt die konkrete Zielvereinbarung. In der Regel besteht das Globalziel für Rehabilitand und Reha-Team darin, die Leistungsfähigkeit für den bisherigen Arbeitsplatz wieder herzustellen. In enger Zusammenarbeit zwischen Versichertem und Reha-Team werden individuell erreichbare und messbare Etappenziele formuliert, die in der Therapie die aktive Mitarbeit des Rehabilitanden begünstigen und seine persönliche Kompetenz im 127 Rehabilitationsprozess fördern. Die Etappenziele werden entsprechend des aktuellen Leistungsniveaus festgelegt und das Erreichen wöchentlich überprüft. Die Anforderungen werden in Abhängigkeit von den Beobachtungen des trainingsleitenden Therapeuten und den subjektiv empfundenen Beanspruchungen des Rehabilitanden (Borg-Skala) stetig erhöht. Die festgelegten Wochenziele für das Kraft- und Ausdauertraining sowie für die arbeitsplatzbezogene Therapie müssen einerseits das Erreichen des Globalzieles ermöglichen, andererseits aber auch in der jeweiligen Woche für den Versicherten erreichbar sein. Das Erreichen der Etappenziele begünstigt erfahrungsgemäß die Festigung des Kompetenzgefühls. Bestimmung des Fähigkeitsprofils durch den EFL-Screening-Test Beim EFL-Test nach Isernhagen absolviert der Proband 29 Einzeltests, verteilt auf 2 aufeinander folgende Tage. Der vollständige EFL-Test nach Isernhagen erscheint jedoch im Rahmen von Leistungen der medizinischen Rehabilitation als zu aufwändig. Daher wurde von dem damaligen leitenden Medizinaldirektor der DRV Braunschweig-Hannover, Dr. med. Wilhelm Moesch, dem Chefarzt der Therapiezentren Brunswiek / Friedrichshöhe, Dr. med. Detlev Kasprowski, sowie von Albrecht Jacobs, Gerhard Schnalke und Heiko Wehe (alle ARC-Gruppe) der EFL-Screening-Test entwickelt. Innerhalb dieses Screening-Tests werden fünf bis sieben wesentliche Anforderungen des Arbeitsplatzes bestimmt und anschließend in arbeitsplatzbezogene Testsituationen umgesetzt. Der Test ist auf eine Stunde begrenzt und gibt Auskunft über die momentane funktionelle Leistungsfähigkeit bezogen auf indikationsbezogene Fragestellungen und bildet eine sehr gute Grundlage für ein arbeitsplatzbezogenes Trainingsprogramm. Grundsätzlich setzen sich die Testelemente aus drei bis fünf Basistätigkeiten und zwei bis vier arbeitsplatzspezifischen Tätigkeiten zusammen. Der EFL-ScreeningTest wird in der ARC-Gruppe von speziell geschulten Physiotherapeuten, Ergotherapeuten und Diplom-Sportlehrern in enger Zusammenarbeit mit dem Ärzteteam durchgeführt. Testelemente des EFL–Screening-Tests am Beispiel Dachdecker: typische Basistätigkeiten eines Dachdeckers: Heben Tragen Arbeit über Kopfhöhe Beispiele für arbeitsplatzspezifische Tätigkeit eines Dachdeckers: Gehen auf schmalen Trittflächen mit Gewichten Treppe / Leiter steigen mit Gewichten Montage im Knien 128 Beispielfotos des EFL-Screening-Testes: Arbeiten über Kopfhöhe Tragen einhändig Heben Boden-Taillenhöhe Leistungsbeurteilung und Profilvergleich Das Rehabilitations-Team führt nun unter fachärztlicher Leitung einen Abgleich der ermittelten Anforderungs- und Fähigkeitsprofile durch. Dabei wird ein differenziertes Profil des Versicherten entsprechend dem individuellen positiven und negativen Leistungsvermögens erhoben und ein individueller Therapieplan unter Berücksichtigung der weiteren rehabilitativen Möglichkeiten erstellt. Rehabilitandenspezifisch werden Therapieschwerpunkte mit Hinblick auf das arbeitsplatzspezifische Anforderungsprofil bestimmt, entsprechende therapeutische Maßnahmen festgelegt sowie eine Prognose und Zielsetzung für den Rehabilitationsverlauf festgelegt. Arbeitsplatzbezogene Therapieformen Die arbeitsplatzbezogene Therapie ermöglicht das gezielte Training von Arbeitsabläufen aus der Berufswelt der Rehabilitanden. Hierzu zählen die folgenden Therapieformen: Arbeitsplatzbezogene Medizinische Trainingstherapie (AMTT): Wesentliche Zielsetzungen nach Verletzungen des Stütz- und Bewegungsapparates sind die Wiederherstellung der funktionellen Stabilität bei physiologischer Beweglichkeit und das Wiedererlangen und Stabilisieren von vielfältigen Fähigkeiten sowie die Entwicklung einer individuellen Handlungskompetenz. Die AMTT ist streng an den Anforderungen des Arbeitsplatzes orientiert. Das bedeutet, dass in der AMTT Ausgangsstellungen, Bewegungsmuster und Belastungsmuster geschult werden, die vergleichbar mit den Belastungssituationen des jeweiligen Arbeitsplatzes sind. Somit ist die Zielsetzung der AMTT die Verbesserung der speziell bei der Ausübung einer bestimmten beruflichen Tätigkeit benötigten motorischen Eigenschaften. Auf Grund dieser Zielsetzung werden auch bei gleichem Krankheitsbild, jedoch verschiedenen Anforderungen im Beruf unterschiedliche Trainingsschwerpunkte bestimmt. Die AMTT wird in der ARC-Gruppe von speziell geschulten Diplom-Sportlehrern und Physiotherapeuten durchgeführt. Der Trainingsplan wird unter Zuhilfenahme einer Trainingssoftware individuell erstellt und dokumentiert. 129 Die folgenden Beispiele stellen die konkrete Arbeitstätigkeit des Dachdeckers auf der Baustelle und die entsprechende Übung der AMTT gegenüber: Ziehen am Seilzug mit Oberkörpervorneigung über 60° mit folgenden Varianten: Oberkörper statisch und Arme dynamisch Oberkörper dynamisch durch Aufrichtung und Arme dynamisch Oberkörper dynamisch und Arme statisch Armtraining am Seilzug mit folgenden Varianten: - dynamisch - Maximalkrafttraining mit statischen Komponenten 130 EFL-Screening-Training: Das EFL-Screening-Training übernimmt die Aufgabe des elementaren funktionellen Trainingsteils. Das Training eröffnet den Rehabilitanden die Chance, Abläufe und Tätigkeiten der Arbeit unter therapeutischer Begutachtung und ohne den Leistungsdruck des Betriebes einzuüben. Defizite können gezielt und Schritt für Schritt angegangen werden. Vor der Rückkehr in den Betrieb können Beschäftigte ihre Ängste vor den Anforderungen und Belastungen des Arbeitsplatzes abbauen. Basis für die Ausgestaltung des Trainings sind die Ergebnisse der Leistungsbeurteilung des EFL-Screening-Tests (s. o.). Entsprechend der Analyse der arbeitsbezogenen Defizite werden für das Training geeignete Arbeitssituationen ausgewählt. Vorhandene Ressourcen werden durch Anpassung und Ergonomisierung von vorhandenen Bewegungsmustern erweitert. Mit standardisierten Arbeitsstationen kann ein wichtiger Teil der zu trainierenden Arbeitsanforderungen abgedeckt werden. Die Stationen sind so konstruiert, dass Tätigkeiten im Sitzen bzw. im Stehen, über Schulterhöhe, in vorgeneigter Rumpfhaltung und Zwangshaltungen sowie die Arbeitsdauer und Konzentration optimal trainiert werden können. Jeder Beschäftigte bekommt vom Therapeuten für jede Station eine eindeutig formulierte Aufgabenstellung, die er in vorgegebener Zeit zu absolvieren hat. Der Therapeut definiert die zu trainierende Funktion sowie statische und dynamische Belastungsparameter. Gebräuchliche Messeinheiten sind neben der Arbeitsdauer das Arbeitstempo sowie die Fehlerquote. Das EFL-Screening-Training wird in der ARC-Gruppe von speziell geschulten Physiotherapeuten, Ergotherapeuten und Diplom-Sportlehrern durchgeführt. Es erfolgt je nach Bedarfslage individuell oder in der Gruppe. Auch hier wird der Trainingsplan individuell erstellt und dokumentiert. 131 Der Ablauf der Maßnahme ist in Abbildung 6.18 zusammenfassend dargestellt. Abb. 6.18: Arbeitsspezifische Rehabilitation der ARC-Gruppe 132 Zielgruppe. Das System mit Profilerhebung, gemeinsamer Zielerarbeitung, Profilvergleich und arbeitsplatzbezogener Therapie ist geeignet für Rehabilitanden mit besonderen beruflichen Problemlagen bei muskuloskelettalen Erkrankungen. Es ist prinzipiell für alle Berufsgruppen und auch für andere Indikationsbereiche geeignet. Beteiligte Berufsgruppen. Fachärzte für Orthopädie, Diplom-Sportlehrer, Physiotherapeuten und Ergotherapeuten mit abgeschlossener EFL-Fortbildung und Spezialschulungen im Bereich von arbeitsplatzbezogenen Screenings und Therapieformen (ABT Module I und II). Eine zweijährige Berufserfahrung der Therapeuten in der Rehabilitation ist Voraussetzung für die Teilnahme an der EFL-Fortbildung. Ausstattung. Für die Durchführung des EFL-Screening-Testes und des EFL-Screening-Trainings wird in der Regel ein spezifischer Raum mit einer Größe von 60 m² benötigt. Als Instrumente werden unter anderem höhenverstellbare Regalsysteme für die Hebetests, ein höhenverstellbarer Tisch, Kisten für ein- und beidhändiges Tragen, Gewichte für insgesamt 50 bis 60 kg (Sandsäcke, Bleisäcke, Gewichtsscheiben) mit den Abstufungen 2,5 kg - 5 kg - 10 kg, Vorrichtungen für Überkopfarbeit, Kraftmesser für statisches Ziehen und Schieben / Drücken, Schlitten für dynamisches Ziehen und Schieben / Drücken, Handkraftmesser, eine sichere Aufstellleiter, Holzbalken (300 cm / 600 cm x 10 cm x 5 cm), Stoppuhr, Winkelmesser, Maßband, Pulsmesser, Blutdruckmesser, Sortierboxen und Schrauben vorgehalten. Ansprechpartner Gerhard Schnalke (Geschäftsführer) Ambulantes Reha Centrum Braunschweig GmbH Hamburger Str. 49 38114 Braunschweig [email protected] 133 Arbeitsplatzbezogene Therapie (ABT) REHA SÜD Freiburg, Zentrum für ambulante orthopädische Rehabilitation Orthopädie Ziele. Bei feststehendem Anforderungsprofil des individuellen Arbeitsplatzes soll das Fähigkeitsprofil durch die ABT verbessert werden. Zielsetzung ist, die körperliche Leistung und Belastbarkeit soweit zu steigern, dass die Anforderungen am Arbeitsplatz bewältigt werden können. Hierzu zählen das Erlernen ergonomischer Bewegungsabläufe zur effizienteren und energiesparenden Durchführung von körperlich anspruchsvollen Tätigkeiten, ein Training der relevanten Muskelgruppen in der angeschlossenen arbeitsplatzspezifischen medizinischen Trainingstherapie (AMTT) zur Steigerung der Kraftausdauer sowie das Aufdecken von Ressourcen und das Bewusstmachen von Fähigkeitsreserven. Inhalte und Ablauf. In simulierten Arbeitssituationen werden abhängig vom individuellen Anforderungsprofil arbeitsplatzspezifische Bewegungsabläufe trainiert. Die Teilnehmer werden konsequent zu einem ergonomischen Arbeitsstil angeleitet (z. B. Erlernen von rückengerechtem Heben und Tragen in der entsprechenden Arbeitsplatzsituation). Bedarfsweise erfolgt das Erarbeiten und Einüben von kompensatorischen Bewegungsabläufen zum Ausgleich von bestehenden, nicht korrigierbaren Funktionsstörungen. Eine Automatisierung der Bewegungsabläufe und Erreichung einer ausreichenden Kraftausdauer erfolgen in der parallel laufenden AMTT. a) Zugang Die ABT ist für Zielgruppen konzipiert, die Komplexbewegungen mit mittleren und schweren Lasten im Berufsalltag ausführen müssen. Der Zugang erfolgt über die Abklärung der beruflichen Situation. b) Steuerung und Dokumentation Festlegung der individuellen Inhalte des ABT-Trainingsplans Die ABT trainiert individuell die für den Rehabilitanden berufswichtigen Funktionsstörungen und berufsspezifische komplexe Bewegungsabläufe. Zur Ermittlung dieser Funktionsstörungen werden Assessmentverfahren (PACT [Performance Assessment and Capacity Testing], DASH [Disabilities of the Arm, Shoulder and Hand], FFb-H-OA [Funktionsfragebogen Hannover - Osteoarthrose]) eingesetzt. Über ein speziell entworfenes Formular für den ABT–Trainingsplan werden Durchführung und Verlauf dokumentiert (Abbildung 6.19). 134 Abb. 6.19: Trainingsplan der Maßnahme „Arbeitsplatzbezogene Therapie“ im Zentrum für ambulante orthopädische Rehabilitation, REHA SÜD Freiburg c) Durchführung Das Training findet in Kleingruppen (5-6 Rehabilitanden) unter Betreuung eines speziell für die ABT ausgebildeten Ergotherapeuten, Physiotherapeuten oder Sportlehrers mit Ausbildung der Mitarbeiter an der EFL-Akademie in Brauschweig statt (Evaluation funktioneller Leistungsfähigkeit nach Isernhagen). Training der Überkopfarbeit für Handwerker (z. B. Elektriker) und Lagerarbeiter Die Rehabilitanden führen ein Stationstraining entsprechend des individuellen Trainingsplans unter Kontrolle und Anleitung des Therapeuten durch. Dabei werden die Trainingsintensität und die Trai135 ningsbelastung entsprechend der Belastungsfähigkeit des Rehabilitanden gesteigert. Die Belastungssteigerung orientiert sich sowohl an dem maximal zu bewältigenden Gewicht als auch an der aktuellen Belastungsgrenze. Der Ablauf der Maßnahme ist in Abbildung 6.20 zusammenfassend dargestellt. Abb. 6.20: Maßnahme „Arbeitsplatzbezogene Therapie“ im Zentrum für ambulante orthopädische Rehabilitation REHA SÜD Freiburg 136 Zielgruppe. Die Maßnahme ist konzipiert für Rehabilitanden, die körperlichen Tätigkeiten nachgehen, bei denen Komplexbewegungen bzw. Zwangshaltungen vorhanden sind und die mittlere und schwere Lasten bewältigen müssen. Sie wird nicht durchgeführt bei postoperativen Zuständen, welche eine entsprechende Belastung noch nicht zulassen und bei nicht mehr gegebener Leistungsfähigkeit für den letzten Arbeitsplatz. Ferner bei bestehender Erwerbsminderungsrente bzw. Rentenantrag, bei bestehender passiver Altersteilzeit bzw. aktive Altersteilzeit mit bevorstehendem Übergang in den passiven Abschnitt, bei Sitzarbeitsplätzen sowie fehlender Motivation. Beteiligte Berufsgruppen und Ausstattung. Arzt, Krankengymnast/Physiotherapeut, Ergotherapeut, Sportlehrer (AMTT). Ausstattung: Zur Durchführung der ABT werden Simulationsarbeitsplätze genutzt, welche teilweise dem EFL-Konzept entnommen sind. Hierzu wird ein spezieller ABT–Raum genutzt, in welchem mit Rehabilitanden i. S. eines Work Conditioning trainiert wird. Gleichzeitig kann der Raum für EFL–Testungen verwendet werden. Im Raum verteilt befinden sich 12 Stationen. An jeder Station lassen sich verschiedenartige Arbeitssituationen simulieren und trainieren. Ansprechpartner Dr. med. Jan Schulenburg (Facharzt für Orthopädie, Facharzt für Rehabilitative und Physikalische Medizin) [email protected] Oliver Maehl (Geschäftsführer) [email protected] REHA SÜD GmbH Zentrum für Ambulante Rehabilitation, Physiotherapie und Ergotherapie Lörracher Straße 16a 79115 Freiburg www.reha-sued.de 137 Arbeitsplatzanalyse Therapiezentrum Koblenz [teilstationäre Rehabilitation] Neurologie, Orthopädie Ziele. Die Arbeitsplatzanalyse dient dazu, detaillierte Kenntnisse des körperlichen, psychischen und sozialen Anforderungsprofils sowie detaillierte Kenntnis der Kontextfaktoren (im Sinne der ICF) des Rehabilitanden zu erwerben. Dies dient der Fortschreibung des individuellen, permanent optimierten Rehaplans, der auf eine nachhaltige Wiedereingliederung ausgerichtet ist. Inhalte und Ablauf. Es wird eine detaillierte schriftliche Arbeitsplatzbeschreibung des Rehabilitanden und des Arbeitgebers erhoben bzw. eingeholt. Ein Mitarbeiter des Rehazentrums sucht persönlich den Arbeitsplatz des Rehabilitanden auf, dieser Arbeitsplatz wird hinsichtlich Ausstattung und allen zu verrichtenden Tätigkeiten genau erfasst, zudem werden der Kontakt zu den Kollegen und den Vorgesetzten sowie wichtigen Funktionsträgern und die Zusammenarbeit und Kommunikation nach Frequenz, Intensität und Qualität aufgenommen. Die Informationen werden nach Möglichkeit videodokumentiert und später im Team diskutiert. Hierbei werden insbesondere die Kontextfaktoren analysiert und nach förderlich und hinderlich eingeschätzt; es wird nach Wegen gesucht, wie die förderlichen gestärkt und gestützt und vermehrt eingebunden werden können und die hinderlichen beeinflusst oder ausgeschaltet werden können. Bei der Arbeitsplatzbesichtigung werden durch den Mitarbeiter des Therapiezentrums folgende Informationen erhoben: Atmosphäre am Arbeitsplatz Bisherige Wertschätzung des Rehabilitanden Interesse an Weiterbeschäftigung des Rehabilitanden Kooperationsbereitschaft bei Problemen Einverständnis mit Belastungserprobung / Wiedereingliederung Der Rehabilitand wird gebeten, seinen Arbeitsplatz schriftlich umfassend zu beschreiben (komplettes Tätigkeitsprofil und die damit verbundenen körperlichen und psychischen Belastungen nach Art, Häufigkeit, Ausmaß, Dauer und Anteil an der Arbeitszeit). Daneben wird ein ebenso präzises Arbeitsplatzprofil beim Arbeitgeber angefordert. Der Arbeitsplatz wird durch Therapeuten, meist 138 Ergotherapeuten, besucht; es erfolgt ein Informationsgespräch mit Vorgesetzten und Kollegen des Rehabilitanden. Alle Anforderungen des Arbeitsplatzes werden präzise und vollständig erfasst und dokumentiert (mit Videoaufzeichnung). Auf dieser Basis wird ein Rehaplan mit erreichbaren Rehazielen und dafür erforderlichem Aufwand nach Methoden und Zeit erstellt. Die geplanten Maßnahmen und Zielsetzungen werden mit dem Rehabilitanden besprochen, um hierüber Einvernehmen und Commitment herzustellen. Spätestens ab der zweiten Woche müssen die angegebenen Informationen über den Arbeitsplatz vorliegen. Sie sind integraler Bestandteil jeder medizinischen Reha, wenn das Rehaziel die Wiedereingliederung in die Erwerbstätigkeit ist, und sie sind Grundlagen für die Indikationsstellung zur arbeitsorientierten Reha. Der Arbeitsplatzbesuch ist notwendig, wenn eine problemlose Rückkehr an den Arbeitsplatz nicht möglich sein wird und die dafür erforderlichen Informationen durch die Schilderungen des Arbeitgebers und des Rehabilitanden nicht in ausreichender Weise gewonnen werden können. Der Arbeitsplatzbesuch sollte so bald wie möglich erfolgen, da er für die weitere Steuerung des RehaVerfahrens von erheblicher Bedeutung ist. Hierbei ist zu prüfen, ob bleibende, für die Aufgaben am Arbeitsplatz unverzichtbare Fähigkeiten defizitär bleiben werden oder durch gezielte Maßnahmen im Sinne der arbeitsorientierten Rehabilitation so weit verbessert werden können, dass sie ausreichend in der Qualität und in der Quantität sind und sicher, das heißt mit Leistungsüberschuss, für die erforderliche Zeit verrichtet werden können. Falls verbleibende Defizite zu erwarten sind, ist zu prüfen, ob dies durch Hilfsmittel, Umwegstrategien, Einsatz von Hilfskräften kompensiert werden kann oder ob das Anforderungsprofil geändert werden muss, gegebenenfalls bis hin zur innerbetrieblichen Umsetzung oder der Beschäftigung in einem anderen Unternehmen des gleichen Arbeitgebers. 139 Die folgenden Bilder zeigen Beispiele aus Arbeitsplatzbesichtigungen im Rahmen der Maßnahme im Therapiezentrum (Fotodokumentation, Videografie). Heben/Tagen von Geschirrkörben auf normaler Arbeitshöhe (70cm) tiefes Bücken/Hochheben von verschiedenen (teilweise sehr großen, schweren) Behältern aus Regalen Heben/Tragen von Behältern vom Boden (10kg) Beispiel 1: Arbeitsplatz Großküche Steinbruch, Unfallort (Förderband/Steinschredder) Radlager Bagger (Außenansicht), hoher Einstieg; Rangieren von großen Steingeröll knapp an Steinbruchabhang Radlager Bagger (Kabine/Innenansicht), zur Steuerung bedarf es der Koordination beider Hände und Füße Beispiel 2: Arbeitsplatz Steinbruch Der Ablauf der Maßnahme ist in Abbildung 6.21 zusammenfassend dargestellt. 140 Abb. 6.21: Maßnahme „Arbeitsplatzanalyse“ im Therapiezentrum Koblenz Zielgruppe. Zielgruppe sind alle Rehabilitanden (Neurologie, Orthopädie, Psychotraumatologie, chronische Schmerzen) mit dem Rehaziel einer beruflichen Eingliederung, bei denen die Rückkehr an den Arbeitsplatz voraussichtlich problematisch sein wird. Wenn das Angebot einer medizinischberuflich orientierten Rehabilitation nicht zielführend ist, sind Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation im weiteren Sinne zu erwägen. Positiv formuliert muss der Rehabilitand das in einem geeigneten Assessment abgebildete geforderte Leistungsprofil nach Qualität und Quantität sicher, d. h. mit Leistungsüberschuss leisten können. Die Maßnahme ist grundsätzlich indikationsübergreifend konzipiert, wird jedoch individuell maßgeschneidert in Bezug auf die vorhandenen Teilhabedefizite nach ICF. Sie ist berufsgruppenübergreifend konzipiert, wird jedoch berufsspezifisch umgesetzt. Ausgeschlossen sind Rehabilitanden, deren gesundheitliche Situation keine Auswirkungen auf den Beruf hat sowie arbeitslose Rehabilitanden. 141 Beteiligte Berufsgruppen und Ausstattung. Arzt, Krankengymnast/Physiotherapeut, Psychologe, Ergotherapeut, Sozialarbeiter, sonstige: medizinischer Trainingstherapeut, Work Hardening-Therapeut, EFL-Therapeut. Erforderliche Ausstattung: Videokamera beim Arbeitsplatzbesuch. Ansprechpartner Dr. Bernhard Kügelgen Cecilija Kügelgen Therapiezentrum Koblenz (Zentrum für Rehabilitation und Prävention) Neversstr. 7-11 56068 Koblenz [email protected] www.therapiezentrum-koblenz.de 142 Berufsspezifisches Training Therapiezentrum Koblenz [teilstationäre Rehabilitation] Neurologie, Orthopädie Ziele. Ziele des berufsspezifischen Trainings sind (a) der Abgleich des aktuellen individuellen Leistungsprofils mit dem am Arbeitsplatz geforderten Anforderungsprofil durch ein geeignetes Assessment (z. B. Teile des EFL), (b) die Formulierung einer Reha-Prognose hinsichtlich des positiven und negativen Leistungsprofils am Ende der Reha und die daraus abgeleitete Arbeitsplatzprognose, (c) die Steuerung der Reha auf das in der Reha-Prognose festgelegte Reha-Ziel hin und (d) die Erprobung des aktuellen Leistungsprofils im Hinblick auf das Anforderungsprofil. Die Prognose wird hierbei verstanden als Perspektive eines Sinn stiftenden Lebensentwurfes, den der Rehabilitand annehmen kann. Kontextfaktoren im Sinne der ICF werden explizit eingebunden. Inhalte und Ablauf. Das arbeitsorientierte Training basiert auf der medizinischen Trainingstherapie, die ihm vorangeht und die eine ausreichende allgemeine körperliche Leistungsfähigkeit (hinsichtlich Herz-Kreislauf-System und Bewegungssystem, insbesondere Ausdauer, Koordination und hinreichender Kraft) voraussetzt. Das Training selbst ist defizitorientiert, es werden also genau die Einschränkungen, die einen normalen Ablauf des Arbeitsprozesses erschweren oder verhindern, analysiert hinsichtlich Art und Ausmaß: Fehlt es an der richtigen Technik, fehlt es an Kraft, fehlt es an Ausdauer, sind bestimmte Funktionen nur durch andere Techniken oder Umwegstrategien zu erreichen oder auch nur durch Hilfsmittel? Hier ist es von großem Wert, wenn die Rehabilitanden ihr eigenes Werkzeug mitbringen, wodurch sie ihre Kompetenz darstellen und außerdem mit ihrem vertrauten Arbeitsgerät tätig sein können. Der Arbeitsplatz wird genau nachgebaut, sofern er nicht einem der Modellarbeitsplätze entspricht. Es erfolgt eine umfassende Analyse von Ressourcen und Risiken hinsichtlich der beruflichen Teilhabe unter Beteiligung aller Berufsgruppen in allen Therapien. Voraussetzung für das Training ist die ausreichende Wiederherstellung der körperlichen Funktionen, so dass die Belastbarkeit ohne Verletzungsrisiko gesteigert werden kann. Die Maßnahme umfasst im Einzelnen die folgenden Schritte bzw. Elemente: Das aktuelle Leistungsvermögen in ausgewählten (erforderlichen) Teilen der EFL wird erfasst (als diagnostische Maßnahme zur Steuerung des Verfahrens immer wieder in regelmäßigen (ca. 3-4wöchigen) Abständen), ergänzend wird der Performance Assessment Capacity Testing (PACT) zur Überprüfung der eigenen Einschätzung der aktuellen körperlichen Leistungsfähigkeit eingesetzt. 143 Des Weiteren wird die psychische Leistungsfähigkeit erfasst über ein neuropsychologisches Screening (bei positivem Befund durch eine ausführliche neuropsychologische Befunderhebung) sowie den psychologischen Befund (Stressfähigkeit, Durchsetzungsvermögen, Teamfähigkeit, Einschränkungen durch Ängste, Verstimmungen und psychiatrische Komorbiditäten). Das in der Arbeitsplatzanalyse erhaltene Anforderungsprofil wird nach den Vorgaben der EFL in körperliche Funktionen nach Art, Ausmaß und Anteil an der Arbeitszeit transferiert. Es erfolgt ein Abgleich des aktuellen Leistungsvermögens mit dem beruflichen Anforderungsprofil sowie eine Einschätzung der zu den jeweiligen Defiziten gehörenden Rehaprognose nach den folgenden Kategorien: derzeit zu leisten noch nicht zu leisten, aber in der Reha zu erreichen dauerhaft nicht zu leisten Die Ergebnisse des PACT werden genutzt, um die Selbsteinschätzung des Rehabilitanden bei Bedarf zu korrigieren (bei unangemessen hohem PACT (=Überschätzung): Mahnung zur Vorsicht und Hinweis auf das Verletzungsrisiko, Information aller Therapeuten; bei unangemessen niedrigem PACT (=Unterschätzung) Konfrontation mit Leistung und Leistungssteigerung über regelmäßige Messungen und Konfrontation mit Diagrammen, Selbstkonfrontation mit Videoaufnahmen im Work Hardening). Eine umfassende Einbindung des Rehabilitanden wird durch eine Patientenschulung sowie das gemeinsame Entwickeln des Rehaziels erreicht. Relevante Kontextfaktoren (Vorgesetzter, Angehörige, …) werden frühzeitig eingebunden und das Rehaziel wird mit dem Rehabilitanden und den anderen relevanten Protagonisten (Angehörige, Betrieb, Rehazentrum, …) schriftlich abgestimmt/konsentiert (im Sinne eines Gesprächsprotokolls, dem aber Vertragscharakter beigemessen wird). Bei Uneinigkeit hinsichtlich der Rehaziele (zwischen Angehörigen, Vorgesetzten, Betriebsärzten, Hausarzt, Rehabilitand) gilt es, die Betroffenen rechtzeitig einzubinden und einen Konsens zu finden. Zeitlich und systematisch ist Zielformulierung entsprechend der SMART-Regel strukturiert (spezifisch, messbar, akzeptabel, realistisch, terminiert). Beispiele für Rehaziele sind: Wiedereingliederung am alten Arbeitsplatz Wiedereingliederung am alten Arbeitsplatz mit Einschränkungen Innerbetriebliche Umsetzung Umsetzung beim gleichen Arbeitgeber Vorbereitung auf eine berufliche Reha Bei Arbeitslosigkeit: Herstellen einer guten körperlichen und psychischen Leistungsfähigkeit für mindestens mittelschwere körperliche Arbeit, Bewerbungstraining, Bemühen um Eingliederungshilfen 144 Hierauf aufbauend wird ein berufsspezifisches adaptives EFL-gesteuertes Work Hardening durchgeführt. Der Rehaplan wird kontinuierlich im Team aktualisiert, es erfolgt eine Abstimmung mit dem Rehabilitanden und allen betroffenen Personen und Institutionen (Rehaträger, Angehörige, Arbeitgeber, BEM-Beauftragter, Betriebsarzt und anderen Kontextfaktoren). Die Eigenkompetenz (insbesondere in Form der Entwicklung von Problemlösekompetenzen) wird als Rehaziel mit besonderer Bedeutung für die Zeit nach der Reha herausgestellt. Gemeinsam wird ein Aktivitätenplan entwickelt (i. S. eines Programms für zuhause) und die Wiedereingliederung vorbereitet. Bei Bedarf wird ein Praktikum in der Nähe zum Rehaort mit dem Ziel eines positiven Zeugnisses durch die Praktikumsstelle durchgeführt, und zwar dann, wenn Fehlleistungen oder Leistungseinschränkungen des Rehabilitanden zu Problemen am Arbeitsplatz führen können (etwa bei Rehabilitanden in Führungsfunktionen). Auf diese Weise kann nach einer Vor-Ort-Analyse durch das Reha-Team nachgebessert werden, indem der Rehaplan den nachträglichen Informationen gemäß angepasst wird. Der Rehabilitand entwickelt mehr Selbstvertrauen, auch dadurch, dass ein Scheitern ohne Nachteile erlebt werden kann. Die Nachsorge nach der Reha umfasst regelmäßige ärztliche, eventuell auch noch therapeutische Kontakte (ambulante Heilmittel), die Überwachung des Heimprogrammes durch schriftliche Protokolle per Fax oder Mail, die Kontrolle des vereinbarten möglichen Leistungsprofils und Intervention bei Überforderungen. Die Maßnahme findet täglich und ganztägig statt und umfasst in der Regel 2 bis 4 Wochen, kann aber in Ausnahmefällen, z. B. bei sehr schwerer körperlicher Arbeit, deutlich länger dauern. Das geforderte Leistungsprofil muss sicher, das heißt regelmäßig und im Überschuss, geleistet werden können. Der Ablauf der Maßnahme ist in Abbildung 6.22 zusammenfassend dargestellt. 145 Abb. 6.22: Maßnahme „Berufsspezifisches Training“ im Therapiezentrum Koblenz Zielgruppe. Zielgruppe sind alle Rehabilitanden (Neurologie, Orthopädie, Psychotraumatologie, chronische Schmerzen) mit dem Rehaziel einer wie auch immer gearteten beruflichen Eingliederung, wenn die Rückkehr an den Arbeitsplatz nicht als problemlos zu erwarten ist, wenn also das in einem geeigneten Assessment abgebildete geforderte Leistungsprofil nach Qualität und Quantität nicht sicher, d. h. mit Leistungsüberschuss, geleistet werden kann. Wenn das Angebot einer medizinischberuflich orientierten Rehabilitation nicht zielführend ist, sind Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation im weiteren Sinne zu erwägen. Die Maßnahme ist grundsätzlich indikationsübergreifend konzipiert, wird jedoch individuell maßgeschneidert in Bezug auf die vorhandenen Teilhabedefizite nach ICF. Die Maßnahme ist berufsgruppenübergreifend konzipiert, wird jedoch berufsspezifisch umgesetzt. 146 Ausgeschlossen sind Rehabilitanden, deren gesundheitliche Situation keine Auswirkungen auf den Beruf hat. Beteiligte Berufsgruppen und Ausstattung. Arzt, Krankengymnast/Physiotherapeut, Psychologe, Ergotherapeut, Sozialarbeiter, sonstige: medizinischer Trainingstherapeut, Work Hardening-Therapeut, EFL-Therapeut. Erforderliche Ausstattung: Modellarbeitsplätze, gegebenenfalls muss der Arbeitsplatz nachgebaut werden. Ansprechpartner Dr. Bernhard Kügelgen Cecilija Kügelgen Therapiezentrum Koblenz (Zentrum für Rehabilitation und Prävention) Neversstr. 7-11 56068 Koblenz [email protected] www.therapiezentrum-koblenz.de 147 Arbeitsplatzbezogene Medizinische Trainingstherapie (AMTT) Reha-Zentrum Schömberg, Klinik Schwarzwald, Schömberg Orthopädie Ziele. Training der Muskelgruppen, die bei den jeweiligen Berufen besonders beansprucht werden. Schulung von Bewegungsmustern der konkreten Arbeitssituation mit Ergonomisierung des Bewegungsablaufes sowie Verbesserung der im Beruf benötigten motorischen Eigenschaften. Inhalte und Ablauf. Bei der AMTT werden berufsspezifische Bewegungen trainiert. Die Übungsauswahl orientiert sich individuell an den Anforderungen des Arbeitsplatzes. Durch Schulung von Bewegungsmustern soll eine Fehlbelastung, Überlastung oder Unterforderung vermieden werden. Für folgende Berufsgruppen liegen Trainingsprogramme vor: Verkauf, Pflege, Büroarbeit, Erzieher. Rehabilitanden mit der Verordnung „Kinästhetik“ (Angebot für Rehabilitanden, die in Pflegeberufen arbeiten zur bewussten Bewegungswahrnehmung bei beruflich bedingten Überlastungen und Beschwerden des Bewegungsapparats) erhalten automatisch die AMTT-Einweisung sowie das folgende Training verordnet. Therapiebeginn ist, wenn möglich, in der ersten Woche. Rehabilitanden mit der Verordnung „EFL-Testung“ erhalten unmittelbar im Anschluss an den Test eine AMTT-Einweisung mit entsprechend berufsspezifischem Programm (vgl. Abbildung 6.23). 148 Abb. 6.23: Trainingseinheiten der AMTT (Berufsgruppe „Verkäufer“) Die Therapie beginnt, wenn möglich, in der ersten Woche. Die automatische Zuordnung der Programme für die Berufsgruppen „Erzieher“ und „Büroarbeit“ ist derzeit noch in Bearbeitung. Erhalten Rehabilitanden, die einen anderen Beruf als die oben angegebenen ausüben, eine EFL-Testung, kön149 nen sie an einem AMTT-Programm teilnehmen, das ihren beruflichen Anforderungen am nächsten kommt (z. B. ein Lagerarbeiter, der das AMTT-Programm „Verkäufer“ erhält). Das Training findet zwei- bis dreimal in der Woche statt. Eine Therapieeinheit beträgt 30 Minuten und beginnt mit einer fünfminütigen Aufwärmphase (Ergometer), danach erfolgt das Training mit dem Zugapparat. Maximal drei Rehabilitanden trainieren gleichzeitig, unabhängig von der Berufsgruppe. Der Ablauf der Maßnahme ist in Abbildung 6.24 zusammenfassend dargestellt. Abb. 6.24: Maßnahme „Arbeitsplatzbezogene Medizinische Trainingstherapie (AMTT)“ im Reha-Zentrum Schömberg, Klinik Schwarzwald Zielgruppe. Die Maßnahme richtet sich an Rehabilitanden mit Erkrankungen auf orthopädischem Fachgebiet, vorzugsweise mit Rückenschmerzen, die an ihrem Arbeitsplatz unter Belastungen der Wirbelsäule leiden. Die Maßnahme wird nicht durchgeführt bei Rehabilitanden mit deutlichem Rentenbegehren bzw. laufendem Rentenverfahren, bei fehlender Motivation auf Seiten der Rehabilitan150 den, bei erheblich eingeschränkter kardialer oder pulmonaler Leistungsfähigkeit oder bei Wirbelsäulen-OP innerhalb der letzten drei Monate. Beteiligte Berufsgruppen und Ausstattung. Krankengymnast/Physiotherapeut, Ergotherapeut. Benötigte Ausstattung: Ergometer, Zugapparate. Ansprechpartner Uwe Wöbking (Physiotherapeut) Reha-Zentrum Schömberg Klinik Schwarzwald Römerweg 50 75328 Schömberg [email protected] www.klinik-schwarzwald.de 151 Büroarbeitsplatztraining (BAP) Reha-Zentrum Schömberg, Klinik Schwarzwald, Schömberg Orthopädie Ziele. Ziel der Maßnahme ist eine Reduzierung von Belastungen des Bewegungsapparates durch eine gesunde Körperhaltung am Arbeitsplatz. Es werden Hilfsmittel (höhenverstellbarer Schreibtisch und verschiedene Bürostühle, ergonomische Tastaturen und PC-Mäuse) vorgestellt und erprobt und alternative Arbeitshaltungen (z. B. am Stehpult) in einem größeren Zeitrahmen aufgezeigt. Inhalte und Ablauf. Erlernen von rückengerechten Bewegungsabläufen bezogen auf den PC-Arbeitsplatz, bzw. eines Rücken entlastenden Sitz- bzw. Stehverhaltens. Erprobung von Hilfsmitteln, z. B. orthopädische Bürostühle, Handgelenksauflagen, ergonomische Tastaturen und PC-Mäuse. Erlernen von Kräftigungsübungen, Dehnungsübungen und Entspannungsübungen, die für die am PCArbeitsplatz beanspruchte Muskulatur abgestimmt sind. Diese helfen dem Teilnehmer, den Arbeitsalltag körpergerecht zu gestalten. Die Teilnahme wird vom Stationsarzt aufgrund der Zugehörigkeit zur Berufsgruppe „Büro“ verordnet, speziell für Rehabilitanden, die gesundheitliche Probleme durch die vorwiegend sitzende Tätigkeit haben (max. drei Teilnehmer). Die Maßnahme findet an vier Terminen à 60 Minuten statt. Sie beginnt in der zweiten Reha-Woche mit zwei Terminen, in der dritten und vierten Woche findet jeweils ein Termin statt (in Ausnahmefällen auch als Belastungserprobung/Schreibtraining über zwei Stunden möglich). 1. Termin: Theoretische Grundlagenvermittlung (richtiges Sitzverhalten, Einstellungen des Bürostuhles und Bürotisches; vgl. Abbildung 6.21) und selbstständiges Ausprobieren an den BeispielArbeitsplätzen, die bei jedem weiteren Termin gewechselt werden (Ringtausch). 2. Termin: Wiederholung des erworbenen Wissens am Beispiel-Arbeitsplatz (45 Minuten) und dabei weitere Erprobung von Hilfsmitteln (diverse Sitzkissen, ergonomische PC-Mäuse und Tastaturen, Scripthalter). Durchführung von Dehnungsübungen für Schulter-Nacken-Bereich und Unterarm-Hand-Muskulatur. 3. Termin: PC-Arbeit an einem der Beispiel-Arbeitsplätze über einen längeren Zeitraum (45 Minuten). Erlernen von Theraband-Übungen zur Kräftigung der an diesem Arbeitsplatz überwiegend beanspruchten Muskulatur. 4. Termin: Selbstständiges Arbeiten am Büroarbeitsplatz unter Aufsicht des Therapeuten mit Berücksichtigung des zuvor Gelernten. 152 Abb. 6.25: Informationsblatt für Rehabilitanden (Auszüge) 153 Der Ablauf der Maßnahme ist in Abbildung 6.26 zusammenfassend dargestellt. Abb. 6.26: Maßnahme „Büroarbeitsplatztraining (BAP)“ im Reha-Zentrum Schömberg, Klinik Schwarzwald Zielgruppe. Die Maßnahme richtet sich an Rehabilitanden, die vorwiegend im Sitzen an einem Büroarbeitsplatz tätig sind und vor allem wegen Rücken- und/oder Nackenbeschwerden krankgeschrieben sind. Sie dient der Verbesserung bereits vorhandener Einschränkungen und der Erleichterung der Wiedereingliederung arbeitsunfähiger Rehabilitandinnen in das Berufsleben. Die Maßnahme wird nicht durchgeführt bei Rehabilitanden mit deutlichem Rentenbegehren bzw. laufendem Rentenverfahren sowie bei fehlender Motivation auf Seiten der Rehabilitanden. 154 Beteiligte Berufsgruppen und Ausstattung. Krankengymnast/Physiotherapeut, Ergotherapeut. Benötigte Ausstattung: Verschiedene Beispielarbeitsplätze mit höhenverstellbarem Schreibtisch und ergonomischem Bürostuhl und Tastatur, verschiedene Hilfsmittel wie PC-Mäuse, Unterarmvorlagen, Sitzkissen. Ansprechpartner Uwe Wöbking (Physiotherapeut) Reha-Zentrum Schömberg Klinik Schwarzwald Römerweg 50 75328 Schömberg [email protected] www.klinik-schwarzwald.de 155 156