Junge Labels im Alleingang - Institut für Markentechnik Genf

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Junge Labels im Alleingang - Institut für Markentechnik Genf
unternehmen
Junge Labels
im Alleingang
E
in Riesenplakat an der Hamburger
Petrikirche verheißt einen Neuankömmling in der Hansestadt: Tom
Tailor Denim, die Jeansmarke des Hamburger Mode-Labels, eröffnet im April ihren ersten eigenen Store. Erst im August
vergangenen Jahres hat Tom Tailor die
junge Linie eingeführt – sie orientiert
sich an Marken wie Diesel oder Replay,
bietet aber deutlich günstigere Preise.
Auch QS, das junge Label von S.Oli­
ver, startete diesen März mit eigenen
Monostores. Die Young-Fashion-Marke
ist das am schnellsten wachsende Segment bei S.Oliver.
Submarken liegen im Trend – und
ein Ende der Zellteilung in der Modebranche ist nicht abzusehen: Esprit hat
mit de.corp gerade ein neues Label für
Urban Streetwear gelauncht, C&A will
mit der Billig-Tochter Avanti den Dis-
Trendy Die
Zielgruppe
von Esprit
und S.Oliver
ist erwachsen
geworden –
für die Jungen
gibt es edc
und QS.
countern Konkurrenz machen, und
S.Oliver denkt bereits über weitere Submarken nach, wie Marketing-Geschäftsführer Michael Stoll verrät.
Die Vorteile der Mehrmarkenstrategie
liegen auf der Hand: Unternehmen können neue Zielgruppen erschließen, ohne
ihre Kernmarke zu verwässern. Eigene
Shops des Zweit-Labels ermöglichen ih-
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nen außerdem, zusätzliches Filialwachstum zu generieren und dabei die Hauptmarke nicht zu gefährden. So kann etwa
die schwedische Marke H&M, die in den
Innenstädten schon stark vertreten ist,
mit ihrer Premiummarke COS weitere
Läden eröffnen und Marktanteile gewinnen.
Aber: Bleibt die Hauptmarke von solcher Zellteilung wirklich unberührt?
Manfred Schmidt vom Genfer Institut
für Markentechnik mahnt Unternehmen,
die Abspaltung von Submarken langfristig zu durchdenken. Mehrmarkensysteme könnten die Kernmarke in manchen
Fällen schwächen. Der Grund: Sie sind
komplex und schwer zu handhaben.
Fotos: Unternehmen
Immer mehr Modefirmen
gliedern ihre Submarken
aus. Experten warnen
vor den Nebenwirkungen
dieser Strategie.
„Je mehr Synergien, desto weniger Differenzierung“
Manfred Schmidt, der Vorsitzende des Genfer Instituts für Markentechnik, über Mehrmarkensysteme.
W&V Herr Schmidt, was halten Sie davon, dass
immer mehr Textilunternehmen eigenständige,
junge Submarken ausgründen?
Schmidt Submarken an sich sind zunächst kein
Plus und kein Minus. Ein Trend in der Markenführung kann aber eigentlich nur falsch sein,
da ein Konzept nie für alle Unternehmen richtig ist. Keiner will das Gefühl haben, eine Entwicklung verschlafen zu haben. So laufen
die Firmen Gefahr, gemeinschaftlich etwas zu
machen, was den meisten nicht viel bringt.
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W&V Was versprechen sich die Modefirmen von
der Mehrmarkenstrategie?
Schmidt Viele mögen sich denken: Ich nehme
noch die Zielgruppe weiter unten mit einer
zweiten Marke mit, damit ich mit meiner ersten Marke nicht da runter muss. So schone ich
meine Hauptmarke und kann noch Zusatzgeschäft abgreifen. Diese Milchmädchenrechnung
geht aber nicht auf. In dem Moment, wo die
Marken Verbindungen im Unternehmen haben,
substituieren sie immer die Hauptmarke.
W&V Wie können die
Auswirkungen auf die
Kernmarke aussehen?
Schmidt Wenn Submarken tragfähig werden,
haben sie automatisch
einen relativierenden Einfluss auf die Kernmarke. Sie entziehen ihr Aufmerksamkeit und können verwirrend für den Konsumenten sein.
W&V Wie können Unternehmen mehrere Marken erfolgreich handeln?
Nr. 14/2008
Werben & Verkaufen
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Außenseiter
Die Erfahrung musste zum Beispiel S.Oliver
machen: Das Unternehmen hatte seine
Labels QS und Casual zu dicht beieinander positioniert, es gab Zielgruppenüberschneidungen. Die Marken mussten
Schritt für Schritt neu konturiert werden:
Die QS-Produkte sind jetzt jünger und
trend­orientierter; verschiedene Farbwelten
sorgen in den Shops für Orientierung.
Erleichterung bei Marketingchef Stoll:
„Mittels qualitativer und quantitativer
Marktforschung haben wir feststellen
können, dass die Differenzierung der
Zielgruppen nun stimmig ist.“ Die neue
Werbekampagne (Agentur: Kempertrautmann) soll die klare Positionierung der
Submarken unterstreichen: Die Labels
Schmidt Ein Mehrmarkensystem ist ein strategisches Werkzeug, ich muss also wissen, mit
welcher Zielsetzung ich meine Marken einsetze. Wenn ich nur eine Kernmarke habe, zahlen alle Sortimente und Kollektionen auf sie
ein. Wenn ich aber eigenständige Sub- oder
Nebenmarken gründe, muss ich sicher sein,
dass ich genug Geschäft kriege. Ich muss mir
überlegen, wie stark sich die Marke noch auf
die Hauptmarke beziehen soll. Eine selbsttragende Marke braucht zudem eigene Ressourcen: Eine Firma muss stark genug sein, um
das zu finanzieren. Die neue Marke sollte
konsequent aufgebaut werden, ohne zu stark
auf Synergien zu setzen. Denn je mehr Be-
werden getrennt und zeitversetzt beworben. Das neue Testimonial von QS
heißt Mimi und ist die Tochter des Musikstars Marius Müller-Westernhagen.
Mehrmarkensysteme sind vor allem
für größere Modefirmen geeignet. Erst
dann lohne sich eine Abspaltung eigenständiger Marken, sagt Hansjürgen Heinick, Senior Consultant bei der Kölner
Beratung BBE Retail Experts: „Ansonsten ist es vorteilhafter, die Kernmarke zu
stärken.“ Immer die große Gefahr: die
falsche Positionerung der Ableger. Wenn
die Marken nicht stimmig sind oder zum
falschen Zeitpunkt auf den Markt gebracht
werden, kann eine Submarkenstrategie
fehlschlagen. „Vor solchen Fehlern ist
niemand gefeit, mit Hilfe dezidierter
Analysen kann man das Risiko aber minimieren“, ist Heinick überzeugt.
Trotz aller Unkenrufe lassen sich die Modefirmen nicht beirren. Sie orientieren
sich lieber an erfolgreichen Beispielen
wie edc. Das Esprit-Label erwirtschaftet
bereits ein Fünftel der Unternehmens­
erlöse (Gesamtumsatz 2007: 2,8 Mrd.
Euro). Die Marke hat einen solchen Grad
an Eigenständigkeit erreicht, dass sie
2009 in ein eigenes Headquarter zieht.
Auch die Denim-Linie von Tom Tailor trug direkt nach dem Start vier Prozent zum Umsatz des vergangenen Geschäftsjahres (261 Mio. Euro) bei. Tom
Tailor-Chef Dieter Holzer: „Wichtig ist,
dass man nichts halbherzig tut. Ein Label muss Ecken und Kanten haben, damit der Endverbraucher seine Marke erkennt.“
Ulrike Schäfer
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Champion
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reiche ich bei meinen Marken aus Kostengründen zusammenbringe, desto weniger
Differenzierungskraft haben sie am Ende.
W&V Was muss ich denn in Mehrmarkensystemen in Sachen Kommunikation beachten?
Schmidt Ist die Hauptmarke dominant und
die anderen sind wirkliche Submarken, sollen
also nur Orientierung geben, muss ich darauf
achten, dass die Hauptmarke das Spiel
macht. Wenn ich die neuen Marken dagegen
als eigenständig betrachte, dürfen sie sich
höchstens auf die Hauptmarke beziehen,
wenn es sinnvoll ist. Am besten ist es aber,
wenn ich für einzelne Marken auch einzeln
kommuniziere.
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