Netzkultur und Found Footage Filme - Online
Transcription
Netzkultur und Found Footage Filme - Online
Copy & Paste: Netzkultur und Found Footage Filme Sabine Pils DIPLOMARBEIT eingereicht am Fachhochschul-Masterstudiengang Digitale Medien in Hagenberg im Dezember 2010 © Copyright 2010 Sabine Pils Alle Rechte vorbehalten ii Erklärung Hiermit erkläre ich an Eides statt, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt und die aus anderen Quellen entnommenen Stellen als solche gekennzeichnet habe. Hagenberg, am 2. Dezember 2010 Sabine Pils iii Inhaltsverzeichnis Erklärung iii Kurzfassung vii Abstract viii 1 Einleitung 1.1 Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Inhaltliche Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Über die verwendeten Filmbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . 1 1 1 2 2 Der Found Footage Film 2.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Begriffsabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Found Footage Film . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Kompilationsfilm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3 Collagefilm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4 Appropriationsfilm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.5 Zur Verwendung des Begriffs Found Footage Film . . . 2.2.6 Remix/Mash-Up . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Montage/Collage und Aneignung in der Kunst . . . . . . . . . 2.3.1 Appropriation Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Montage/Collage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3 Kubismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.4 Dada . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.5 Surrealismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.6 Pop Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.7 Aneignung in der Fotografie . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Die Entstehung des Found Footage Films . . . . . . . . . . . 2.5 Das Potential des Found Footage Films . . . . . . . . . . . . . 2.5.1 Kritische Auseinandersetzung mit dem Ausgangswerk 2.5.2 Kritische Auseinandersetzung mit Bildern der Massenmedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.3 Kritische Auseinandersetzung mit dem Medium . . . . 3 3 3 4 5 5 5 6 6 7 7 7 8 9 10 10 12 12 17 17 iv 18 19 Inhaltsverzeichnis 2.5.4 2.5.5 v Hommage/Ikonifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . Aneignung/Reinterpretierung . . . . . . . . . . . . . . 19 20 3 Netzkultur und Found Footage Filme 22 3.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 3.2 Netzkultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 3.3 Relevante Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 3.3.1 Web 2.0 & Social Web . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 3.3.2 Das P2P-File-Sharing-System Napster . . . . . . . . . 23 3.3.3 YouTube . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 3.3.4 YouTube vs. Archives . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 3.3.5 Urheberrecht und Found Footage Filme . . . . . . . . 28 3.4 Was ist der Found Footage Film durch die Netzkultur heute? 33 3.4.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 3.4.2 Remixkultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 3.4.3 Über die Filmschaffenden . . . . . . . . . . . . . . . . 34 3.4.4 Über die Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 3.4.5 Über die Arbeitsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 3.4.6 Über die Ästhetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 3.4.7 Über die Thematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 3.5 Negative Auswirkungen auf den Found Footage Film . . . . . 42 3.5.1 Über den Umgang mit dem Material . . . . . . . . . . 42 3.5.2 Über den Übergang des Found Footage Films zum Mainstream . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 3.5.3 Über die inhaltliche Qualität . . . . . . . . . . . . . . 44 3.5.4 Über das Urheberrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 4 Analyse einiger Found Footage Filme 4.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Peter Tscherkassky . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Shot-Countershot (1987) . . . . . . . . 4.2.2 Happy End (1996) . . . . . . . . . . . 4.2.3 L’arrivèe (1998) . . . . . . . . . . . . . 4.3 Oliver Laric . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.1 50 50 (2007) . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.2 Touch My Body (Greenscreen Version) 4.4 Gegenüberstellung Tscherkassky – Laric . . . 4.5 Cristian Marclay . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.1 Video Quartet (2002) . . . . . . . . . 4.6 Ophir Kutiel aka Kutiman . . . . . . . . . . . 4.6.1 ThruYOU (2009) . . . . . . . . . . . . 4.7 Gegenüberstellung Marclay – Kutiman . . . . 4.8 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2008) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 46 46 47 48 48 48 49 50 50 53 53 53 54 55 56 Inhaltsverzeichnis vi 5 Projekt zur Diplomarbeit 5.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . 5.2 Cut & Paste . . . . . . . . . . . . . 5.3 Über das Konzept . . . . . . . . . 5.4 Über die Recherche . . . . . . . . . 5.5 Found Footage . . . . . . . . . . . 5.5.1 YouTube . . . . . . . . . . 5.5.2 The Internet Archive . . . . 5.5.3 Vimeo . . . . . . . . . . . . 5.5.4 Über den verwendeten Ton 5.6 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 58 58 60 61 61 62 62 63 64 64 6 Schlussbemerkung 65 6.1 Über Netzkultur und Found Footage Filme . . . . . . . . . . 65 6.2 Schlussworte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 A Inhalt der DVD A.1 PDF-Dateien . A.2 Copy & Paste . A.3 Online-Quellen A.4 Bilder . . . . . A.5 Filmbeispiele . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 67 67 67 68 68 69 Kurzfassung Der Found Footage Film erlebt seit einigen Jahren durch das Medium Internet eine Renaissance. Das Erstellen, Veröffentlichen und Verbreiten von Found Footage Filmen mit Hilfe des Computers und des Internets ist nur der letzte Schritt in einer langen geschichtlichen Entwicklung. Durch die technischen Möglichkeiten, die das Internet bietet, sowie durch die Kultur, die durch das Medium Internet entstanden ist, ist es einfacher und nahezu normal geworden, auf fremdes Bildmaterial zuzugreifen, um daraus neue Werke zu erstellen. Welche Auswirkungen dies auf den Found Footage Film hat, ist Gegenstand dieser Arbeit. Nachdem Grundlagen zum Found Footage Film erklärt wurden, werden wichtige Entwicklungen zum Thema Netzkultur erörtert, und ihr Einfluss auf den Found Footage Film dargelegt. Kern dieser Arbeit bildet jedoch die Darstellung der Entwicklung vom traditionell geprägten Found Footage Film, zum Found Footage Film, der durch die Netzkultur geprägt ist. Es werden Gemeinsamkeiten, Unterschiede und aktuelle Entwicklungen analysiert und anhand anschaulicher Beispiele dargelegt. vii Abstract Found Footage Films have been experiencing a revival through the aid of the internet. The production, publication and distribution of found footage films with the aid of computers and the internet is just the latest step of a long history. Because of the technical possibilities provided, as well as the way people interact with each other on the internet, it has become easier and almost normal to have excess to outside material in order to create something new. The results of these developments are subject of this thesis. After the basics of found footage films have been explained, important developments of the net culture and their influence on found footage films are discussed in detail. The main focus of this thesis represents the development of the traditional found footage films to found footage film influenced by net culture as we know them today. Similarities, differences and current developments are analysed through illustrative examples. viii Kapitel 1 Einleitung 1.1 Motivation Aufgrund der außerordentlichen Kreativität, der künstlerischen Vielfalt und der Originalität, die mir bei Found Footage Filmen begegnet ist – gleich ob es sich dabei um Werke handelt, die den Ursprung des Found Footage Films darstellen und den Found Footage Film maßgeblich geformt haben, oder ob es sich dabei um aktuelle Formen und Entwicklungen des Found Footage Films handelt – fiel mir die Wahl für das Thema meiner Arbeit über die aktuellen Entwicklungen und Tendenzen im Bereich des Found Footage Films nicht schwer. Die gegenwärtigen Diskussionen zum Copy- bzw. Urheberrecht, und die Entstehung alternativer Lizenzmodelle zeigen deutlich, dass der Found Footage Film und die Praxis der Aneignung ein aktuelles Thema sind. In diesem Bereich findet gerade ein Entwicklungsprozess statt, der auch in Zukunft noch sehr spannend sein wird. Weiters hat sich im Zuge der Recherche zur Thematik ein persönliches Interesse daran entwickelt, mein Wissen rund um den Found Footage Film weiter zu geben und für andere Interessierte zur Verfügung zu stellen. Zu diesem Zweck habe ich eine Website1 eingerichtet, die im Laufe der Arbeit durch einen Blog ersetzt wurde. Auf diesem Blog findet sich Literatur, verschiedenartige Filmbeispiele, eine Auflistung von relevanten Künstlern und weiterführende Links zum Thema. Ich hoffe, dass diese Arbeit dem Leser einen interessanten Einblick über den Found Footage Film und dessen Entwicklung durch die Netzkultur bietet. Für mich bedeutet der Abschluss dieser Arbeit nicht das Ende meiner Forschung zu diesem Thema. 1.2 Inhaltliche Struktur Ziel dieser Arbeit ist es, den Zusammenhang zwischen den technologischen und gesellschaftlichen Entwicklungen im Bereich der Netzkultur, und deren 1 http://found-footage.com 1 1. Einleitung 2 Einfluss auf den Found Footage Film darzulegen. Das zweite Kapitel dient der Einführung in das Kernthema und beinhaltet eine Begriffsdefinition zum Found Footage Film und verwandten Begriffen. Die Entstehung des Found Footage Films, begründet durch eine lange Tradition der Aneignung in Form von Montage/Collage in der Kunst, und sein Potential durch die Rekontextualisierung von Bild- und Filmmaterial werden hier behandelt. Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit der Netzkultur, und der damit einhergehenden Remixkultur. Hier werden relevante Entwicklungen, wie Web 2.0, Napster und YouTube behandelt, und aufgezeigt, wie sie die Gesellschaft und den Umgang mit Medien verändert haben. In diesem Zusammenhang wird auch das Urheberrecht erwähnt. Es wird gezeigt, wie sich Urheberrecht und Found Footage Filme gegenseitig beeinflussen. Zuletzt findet an dieser Stelle eine umfassende Darstellung der Entwicklung des Found Footage Films durch den Einfluss der Netzkultur statt. Der Fokus des vierten Kapitels liegt auf der Analyse und Gegenüberstellung von traditionellen und neuartigen Found Footage Filmen. Ziel dieser Gegenüberstellung ist die Darlegung der Gemeinsamkeiten, aber auch der Unterschiede, Bezug nehmend auf das vorangegangene Kapitel. Anschließend wird im fünften Kapitel das Projekt Copy & Paste vorgestellt, welches im Rahmen dieser Arbeit entstanden ist. Die Ergebnisse dieser Arbeit werden im sechsten Kapitel zusammengefasst und kritisch bewertet. 1.3 Über die verwendeten Filmbeispiele Bei der Auswahl der Filmbeispiele, auf die im Laufe dieser Arbeit verwiesen wird, wurde darauf geachtet, ein thematisch und zeitlich breites Spektrum an Found Footage Filmen abzudecken. Die gewählten Beispiele beinhalten sowohl wichtige Werke aus der Geschichte des Found Footage Films, die denselben maßgeblich geprägt haben, als auch Werke aus der jüngsten Vergangenheit, die seine aktuelle Entwicklung darstellen. Am wichtigsten für die Auswahl der Filme war es jedoch, seine Vielseitigkeit darzustellen und beim Leser das Interesse für den Found Footage Film zu wecken. Kapitel 2 Der Found Footage Film 2.1 Einführung Der Begriff Found Footage Film1 bezeichnet Filme, die entweder teilweise oder vollständig aus (meist fremden) Film- oder Bildmaterial bestehen, welches nicht eigens für diesen Film produziert wurde. Dabei kann es sein, dass einzelne Teile ein neues Werk bilden, oder ein Film gänzlich unverändert übernommen wird. Ursprüngliche Bildinhalte können dabei beibehalten und weitergeführt werden, oder aber verändert und sogar vollkommen ignoriert werden. Als Ausgangsmaterial für Found Footage Filme kann jegliche Art von Film- oder Bildmaterial dienen. So können z. B. Dokumentationen, Spielfilme, Nachrichten, Pornos, Archivmaterial, Heimvideos, Film-Schnitt-Abfälle, Ephemeral Filme,2 Werbungen und so weiter als Ausgangsmaterial für einen Found Footage Film dienen. Der Found Footage Film erlebt seit einigen Jahren durch das Medium Internet eine Renaissance. Durch die technischen Möglichkeiten, die das Internet bietet, sowie durch die Kultur, die sich rund um das Internet gebildet hat, ist es einfacher und nahezu normal geworden, auf fremdes Bildmaterial zuzugreifen, um neue Werke zu erstellen. Welche Auswirkungen dies auf den Found Footage Film hat, ist Gegenstand dieser Arbeit. 2.2 Begriffsabgrenzung Relativ zu Beginn der Recherchearbeiten für die vorliegende Schrift, stellte sich heraus, dass viele Begriffe synonym für den Found Footage Film verwendet werden, bzw. die Abgrenzung zwischen den Begriffen nicht klar definiert 1 Found Footage bedeutet „gefundenes (Film)Material“. Der Begriff „Ephemeral Films“ wurde von Rick Prelinger geprägt und bezeichnet Filme, die für einen bestimmten Zweck hergestellt wurden. Gemeint sind damit z. B. Lehr-, Schulungs- und Promotionsfilme. Siehe: http://www.archive.org/details/ephemera. 2 3 2. Der Found Footage Film 4 ist. Deshalb sollen an dieser Stelle relevante Begriffe erklärt werden, damit eine Abgrenzung untereinander so gut wie möglich stattfinden kann. 2.2.1 Found Footage Film Obwohl der Begriff Found Footage Film oft für jegliche Art von Filmen verwendet wird, die teilweise oder vollständig aus fremden Film- oder Bildmaterial bestehen, meint dieser Begriff eigentlich eine spezielle Art von Filmen mit rekontextualisiertem Material, die meist dem Experimentalfilm zugeordnet werden. William C. Wees verwendet die Bezeichnung Found Footage Film als Überbegriff für alle Filme, die rekontextualisiertes Material verwenden. Er unterscheidet dabei zwischen Kompilationsfilm,3 Collagefilm4 und Appropriationsfilm5 [108, S. 34]. Matthias Steinle hingegen betont den grundlegenden Unterschied zwischen Found Footage Film und Kompilationsfilm. Er bezieht sich dabei auf Jay Leyda und Yann Beauvais, wenn er schreibt, dass der Found Footage Film – als Subgenre des Experimentalfilms – seinen Fokus eher auf den medialen, gesellschaftlichen Status des gefundenen Materials legt. Hingegen legt der Kompilationsfilm – als Subgenre des Dokumentarfilme – seinen Fokus eher auf den historischen Status des Ausgangsmaterials. [92, S. 296. f]. Das rekontextualisierte Material soll beim Found Footage Film, im Gegensatz zum Kompilationsfilm, vom Zuseher auch als solches erkannt werden, da dieses maßgeblich zur Aussage des Films beiträgt [108, S. 32]. Mit Found Footage kann außerdem „gefundenes Material“ im wahrsten Sinne des Wortes gemeint sein: „Perfect Left Alones“, wie Perfect Film (1985) [68] von Ken Jacobs, zeigen das Filmmaterial genau so, wie es gefunden bzw. vorgefunden wurde. Dabei kann es sich zum Beispiel um Heimvideos, Lehrfilme, oder – wie im Fall von Perfect Film – um Filmabfälle handeln. In Perfect Film zeigt Jacobs uneditierte Interviews, Vor-Ort-Aufnahmen und anderes Material, welches ursprünglich für eine Nachrichtensendung gesammelt wurde, so wie er es vorgefunden hat [41, S. 9]. Ken Jacobs schreibt in seinen Bemerkungen zu Perfect Film [41, S. 19]: A lot of Film is perfect left alone, perfectly revealing in it’s unor semiconscious form. I wish more stuff was available in its raw state, as primary source material for anyone to consider, and to leave for others in just that way, the evidence uncontaminated by compulsive proprietary misapplied artistry, „editing,“ the purposeful „pointing things out“ that cuts a road straight and narrow through the cine-jungle, we barrel through thinking we’re going somewhere and miss it all. 3 Definition siehe Abschnitt 2.2.2. Definition siehe Abschnitt 2.2.3. 5 Definition siehe Abschnitt 2.2.4. 4 2. Der Found Footage Film 2.2.2 5 Kompilationsfilm Dem Found Footage Film gegenüber steht der Kompilationsfilm. Dabei handelt es sich ebenfalls um Filme, die aus bereits abgedrehtem Filmmaterial bestehen. Der Kompilationsfilm ist jedoch eher dem Bereich des Dokumentarfilms zuzuordnen, und thematisiert oft historische oder pädagogische Themen. Ausgangsmaterial für den Kompilationsfilm sind meist Archivaufnahmen oder Stockfilme. Diese müssen nicht unbedingt in Bezug zueinander stehen. Im Gegensatz zum Found Footage Film nimmt der Kompilationsfilm dabei aber auf die historischen Zusammenhänge der ursprünglichen Bildinhalte mehr Rücksicht. Er vermittelt einen gewissen Realitätsanspruch, und wenn es sich dabei nur um die Realität des Filmemachers handelt. Dadurch wird bewirkt, dass die Herkunft des Materials beim Kompilationsfilm vom Zuseher nicht hinterfragt, bzw. als selbstverständlich hingenommen wird.[60, S. 93], [92, S. 296 f], [108, S. 34], und [43, S. 500]. Beim Kompilationsfilm gibt es oft keine lineare Handlungsstruktur. Die einzelnen Bildinhalte werden erst durch ein Konzept, eine Aussage oder eine Geschichte miteinander in Verbindung gebracht. Der Einsatz einer Voice over Stimme kann das Konzept des Filmes untermauern. Wees weist in diesem Zusammenhang besonders The Atomic Cafe (1982) [13] von Jayne Loader, Kevin Rafferty und Pierce Rafferty hin. Da bei The Atomic Cafe der Originalton der verwendeten Archivaufnahmen durch den Film führt, und nicht eine Sprecherstimme, wie es bei den Kompilationsfilmen sonst der Fall ist, nimmt dieser Film einen besonderen Stellenwert ein [108, s. 35 ff]. 2.2.3 Collagefilm Der Collagefilm stellt eine besondere Form des Found Footage Films dar. Der Collagefilm strebt keine wie auch immer geartete Darstellung der Realität an. Im Gegenteil, er lässt visuelle Gags, und Assoziationen zu und steht dem Ursprungsmaterial kritisch gegenüber. Der Zuseher ist sich dabei der fremden Herkunft des Materials bewusst, und hinterfragt dieses auch kritisch. Collagefilme sind oft experimentell oder werden als „avantgardistisch“ bezeichnet. Der Collagefilm hat das größte Potential, die Bilder und das Medium durch welches sie entstehen, zu kritisieren [108, S. 33 ff]. 2.2.4 Appropriationsfilm Der Appropriationsfilm ist ähnlich der Collage. Im Unterschied dazu steht der Appropriationsfilm dem Ausgangsmaterial jedoch nicht kritisch gegenüber. Das verwendete Material wird hier eher dazu eingesetzt, durch Assoziationen eine Sache zu illustrieren. Das Ergebnis kann dabei dennoch eine kritische Aussage tätigen. Der Zuseher ist sich der Herkunft des fremden Materiales zwar bewusst, er hinterfragt das Material bzw. dessen Herkunft aber nicht [108, S. 34]. 2. Der Found Footage Film 2.2.5 6 Zur Verwendung des Begriffs Found Footage Film Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich im Allgemeinen mit allen Filmen, die rekontextualisiertes Material verwenden, legt ihren Fokus jedoch auf Found Footage Filme, die Material auf experimentelle Art und Weise verwenden, im Sinne der vorangegangenen Definition in Abschnitt 2.2.1. Gegenwärtig werden – besonders im Umfeld der Netzkultur – die ursprünglichen Begrifflichkeiten, wie Collage- oder Appropriationsfilm, immer seltener verwendet. Man spricht nun etwa von Mash-Up oder Remix. 2.2.6 Remix/Mash-Up Der Begriff Remix stammt ursprünglich aus der Welt der Musik und bedeutet die Neuabmischung eines bereits fertig gestellten Musikstücks. Dazu werden einzelne Spuren des Originals verändert oder ganz ausgetauscht. Ein Remix ist also eine neue Version eines Musikstücks. Seitdem der Markt von digitalen Medien beherrscht wird, wurde die Praxis des Remixen immer beliebter. Der Begriff Remix hat sich nun auch auf andere Medien übertragen. Auf Bewegtbilder bezogen ist ein Remix eine neue Version eines Films, Clips oder Ähnlichem [47, S. 7 f] [24, S. 133]. Mash-Up (auch Mashup) bedeutet soviel wie „Verknüpfung“ und stammt ebenfalls ursprünglich aus der Welt der Musik. Gemeint ist damit die Erstellung neuer Inhalte durch die (Re-)Kombination von bestehenden Inhalten. Ein Video-Mash-Up6 bezeichnet also die (Re-)Kombination von verschiedenen Ausgangsmaterialien zu einem neuen Werk. Üblicherweise stehen die dafür verwendeten Werke in keinem direkten Zusammenhang zueinander. Ant Timpson unterteilt Video Mash-Ups in die Kategorien Reanimation, Fusion und Synchronity [101]: Als Reanimation wird eine Wiederbelebung oder Anreicherung eines Ausgangsmaterials, durch das Hinzufügen von dramaturgischen Elementen bezeichnet. Dazu zählt etwa das Hinzufügen von Musik, Text oder Voice-Over. Ursprüngliche Inhalte erscheinen dadurch in einem anderen, oft völlig gegensätzlichen Kontext. Robert Ryangs Shining (2006) [86] macht aus dem Horrorfilm The Shining (1980) [85] von Stanley Kubrick durch den Einsatz von optimistischer Musik und Voic-Over, einen Trailer für eine warmherzige Vater-Sohn Komödie. Unter Fusion versteht man die Zusammenfügung von zwei (oder mehr) verschiedenen, meist gegensätzlichen Quellen, zu einem neuen Werk. Dafür wird das Audio- und Videomaterial von beiden Quellen benutzt. Apocalypse Pooh (1987) [11] (siehe Abschnitt 2.4) vereint Audio- und Videomaterial von beiden Ausgangswerken: Walt Disney’s Winnie the Pooh-Featurefilme und Apocalypse Now (1978) [10]. 6 Da sich der Begriff „Mash-Up“ durchgesetzt hat, wird dieser Begriff im Folgenden stellvertretend für „Video Mash-Up“ verwendet werden. 2. Der Found Footage Film 7 Von Synchronicity hingegen spricht man, wenn eine Audioquelle von einem Ausgangswerk, und eine Videoquelle von einem anderen Ausgangswerk so zusammen passen, dass dabei synchrone Stellen entstehen und eine neue Einheit zwischen Bild und Ton gebildet wird. 2.3 Montage/Collage und Aneignung in der Kunst Das Konzept der Montage/Collage in der Kunst existiert schon seit Anfang des 20. Jahrhunderts. Readymade (siehe Abschnitt 2.3.4), Montage und Collage sind Schlüsseltechniken der historischen Avantgarde. Dazu zählen Kunstrichtungen wie Expressionismus, Kubismus, Futurismus, Konstruktivismus, Dadaismus und Surrealismus, welche im Folgenden näher beschrieben werden. Durch die Jahre wurde das Konzept der Aneignung, aus den Bereichen Literatur, bildende Kunst, Musik und Fotografie, auch auf den Film „angewandt“ [29, S. 15 ff]. Ohne diese Techniken wäre die zeitgenössische Appropriation Art – und damit auch der Found Footage Film – unvorstellbar. 2.3.1 Appropriation Art Unter Appropriation Art versteht man die bewusste, strategische Aneignung von Werken andere Künstler. Das „Kopieren“ wird dabei als künstlerischer Akt verstanden. Dabei kann es sich um exakte Kopien des Originalwerkes handeln, oder um Manipulationen hinsichtlich Größe, Farbe, Material und Medium. Die Aneignung des Ausgangswerkes kann auf kritische Art und Weise erfolgen, oder als Hommage verstanden werden.7 2.3.2 Montage/Collage Der Begriff Montage stammt ursprünglich aus der Arbeitswelt und bezeichnet einen Vorgang, bei dem einzelne Bestandteile eines Ganzen zu einem gebrauchsfertigen Gegenstand zusammengefügt werden. Der Begriff der Montage wurde von den fortschrittsbegeisterten Avantgardisten in die Welt der Kunst übernommen, um ein neues Verständnis für die Kunst zu schaffen. Erstmalig waren es die Dadaisten John Heartfield und George Grosz, die ihre Werke als Fotomontagen bezeichneten [59, S. 16 f]. Die Collage entwickelte sich in Frankreich während des Kubismus und hat dort die gleiche Bedeutung wie die Montage. Collage leitet sich aus dem französischen Wort coller ab und bedeutet so viel wie kleben [59, S. 17]. Beide Begriffe bezeichnen die Kombination von unterschiedlichen Materialien zu einem neuen Ganzen. 7 Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Appropriation_Art. 2. Der Found Footage Film (a) 8 (b) Abbildung 2.1: Picassos Bottle of Vieux Marc, Glass, Guitar and Newspaper (1913) (a). Violin and Pipe: „Le Quotidien“ (1913) (b) von Georges Braque. Abbildung (a) aus http://www.tate.org.uk/collection/T/ T00/T00414_9.jpg und (b) aus http://www.artchive.com/artchive/b/braque/ violpipe.jpg. 2.3.3 Kubismus Die Kubisten kritisierten die realistische Malerei als „optische Täuschung“ und damit als „Vorspiegelung falscher Tatsachen, Betrug“. Sie wollten nicht nur den äußeren Schein eines Gegenstandes darstellen, sondern die „Idee“ des Gegenstandes an sich wiedergeben [80, S. 72]. Der Kubismus entwickelte sich in 2 Phasen: Die erste Phase, der Analytische Kubismus, entwickelte sich durch die Zusammenarbeit von Picasso und Braque. Ziel des Analytischen Kubismus war die Analyse der Gegenstände auf bestimmte Grundformen. Dabei wurden die Gegenstände in kubistischen Formelementen und gleichzeitig in Ansichten von verschiedenen Seiten wiedergegeben. Man verzichtete auf bunte Farben, oder traditionelle Bildgestaltungsmittel, wie Perspektive und Erkennbarkeit der abgebildeten Gegenstände [59, S. 139]. Die zweite Phase, der Synthetische Kubismus, entstand, als man sich nach der Unterteilung und Zerlegung der Gegenstände in ihre Grundformen, nun wieder um den Aufbau der Gegenstände bemühte. Während dieser Zeit entwickelte sich die Collage. Die Künstler verwendeten Materialien wie Holzimitat, Papier, Zeitungsausschnitte, Tapeten, usw. Siehe Abbildung 2.1.Dadurch entstand „eine Spannung zwischen dem ästhetischen Bildzusammenhang und den Fremdmaterialien“[59, S. 142]. Die verwendeten Fremdmaterialien treten stärker hervor als das restliche Bild, verweisen aber auch auf Dinge außerhalb des Bildes. So deuten Zeitungsausschnitte etwa auf das Zeitungswesen hin. Diese Verweise regen den Betrachter zu mehr Aktivität bei der Interpretation des Bildes an [59, S. 139 ff]. Siehe Abbildung 2.1. Auch beim Found Footage Film lässt sich eine Spannung zwischen den verwendeten Filmmaterialien erkennen. Dies kann unter anderem durch die 2. Der Found Footage Film 9 Form der Collage oder der unterschiedlichen Farbgebung und Qualität des Materilas der Fall sein. Auch hier liefert die Erkennbarkeit der unterschiedlichen Quellen einen Verweis auf das Ausgangsmaterial und steuert somit zur Interpretation der Filmaussage bei [69, S. 28]. 2.3.4 Dada Dada entstand gegen Ende des ersten Weltkrieges „gegen die Schweinerei dieses blödsinnigen Krieges“ 8 . Dada wendete sich gegen die Zivilisation, die den Krieg hervorgebracht hatte, und somit auch gegen ihre Kunst. Dadas Reaktion auf den Fortschrittswahn und den Massenmord des ersten Weltkrieges, der Angst und Verzweiflung, die mit ihm einhergehen, ist der Triumph des Absurden. Ein „Ausbruch von Wut und Lebensfreude“.9 Wie zuvor schon die Kubisten, forderten die Dadaisten den Einsatz von neuen Materialien in der Kunst [80, S. 119 ff]. Der Kölner Max Ernst setzte in seinen Collagen Dinge aus verschiedenen Materialien zusammen. Er stellte die Dinge in einen neuen, ungewohnten Zusammenhang, sodass sie eine neue Bedeutung erhielten und schuf somit ein völlig neues Bezugssystem [80, S. 123 f]. Siehe Abbildung 2.2 (a). Ein anderes Beispiel für Dada bilden die Collagen des Künstlers Kurt Schwitters. Sie zeigen die „Poesie des Trivialen“. Seine Collagen aus Papier, Holz, Stoff, Fahrscheinen, Zeitungsblättern, Schnüren und Ähnlichem, zeigen eine Welt „voll Magie“. Er betrachtete die Dinge auf unbefangene, fantasievolle Weise, und gibt ihnen dadurch eine neue Bedeutung [80, S. 124]. Siehe Abbildung 2.2 (b). Der Künstler Marcel Duchamp begann bereits 1913, noch vor der Manifestierung von Dada, an seinen (erst später so benannten) Readymades zu arbeiten. Seine Werke aus vorfabrizierten Industrieprodukten waren ein Zeichen für die Absage der Kunst an Ästhetik, Stil und Geschmack. Und so stellt Duchamp die Frage – was ist Kunst? „Kunst ist was auf einem Sockel statt auf einem Warenhausboard steht. Letztlich wird die Kunst vom Betrachter gemacht.“ Duchamp hat den Kunstbegriff radikal verändert, und alles in Frage gestellt [84, S. 457]). Siehe Abbildung 2.2 (c). Die Dadaisten verwendeten erstmals Alltagsobjekte und erklären sie zu Kunstwerken. Auch der Found Footage Film bedient sich oft an Werken abseits der Kunst, oder Medien. So ist das Ausgangsmaterial von Peter Tscherkasskys Happy End (siehe Abschnitt 4.2.2) ein Heimvideo, das er in einem Altwarenladen gekauft hat. Das filmische Äquivalent des Readymades stellen die Perfect Left Alones dar [69, S. 28]. 8 9 Max Ernst zitiert nach [80, S. 119]. Max Ernst zitiert nach [80, S. 119]. 2. Der Found Footage Film (a) 10 (b) (c) Abbildung 2.2: Max Ernsts Frucht einer langen Erfahrung (1919) (a). Kurt Schwitters Merzbild 32A. Das Kirschbild (1921) (b) und Marcel Duchamps erstes Readymade Fahrrad-Rad (1913) (Replik 1964) (c). Abbildung (a) aus [28, S. 69], (b) aus [80, S. 127] und (c) aus [84, S. 457]. 2.3.5 Surrealismus Die Surrealisten bezogen sich auf die Lehre der Psychoanalyse von Sigmund Freud. Ihr Erstreben war es, das Unbewusste, Halluzinatorische, Traumhafte darzustellen [80, S. 138]. Ein bedeutender Surrealist war der Amerikaner Joseph Cornell. Cornell ist vor allem bekannt für seine Constructions – Assemblagen in kleinen Boxen. Fotografien, Papierschnipsel, Spiegel, Kugeln und ähnliche Objekte aus dem Alltag wurden darin poetisch arrangiert [84, S. 465]. Siehe Abbildung 2.3 (a). Darüber hinaus gilt sein Film Rose Horbart (siehe Abschnitt 2.4) als der erste Found Footage Film in der Geschichte. Siehe Abbildung 2.3 (b). 2.3.6 Pop Art Pop Art entstand Mitte der 1950er Jahre in England und der USA als Reaktion auf die abstrakte Kunst. Pop Art lässt einerseits Faszination aber auch Ironie gegenüber der Wohlstandsgesellschaft erkennen. Sie wendet sich dem Alltäglichen, dem Trivialen zu und schafft es, so die Grenzen zwischen Kunst und Alltag zu öffnen, und eine Kunst ohne Bildungsbarrieren zu erstellen. Die Methoden der Pop Art waren z. B. „Blow Ups“(Vergrößerungen), Collagen, die serielle Erstellung von Bildern durch Siebdruck und der Verzicht auf Ausdruck sowie auf eine künstlerische Handschrift. Die Motive dafür werden oft aus Massenmedien oder Werbungen entnommen. [80, S. 303 ff]. Richard Hamilton erstellte 1956 für die Ausstellung This is Tomorrow die Collage Just what is it that makes today’s homes so different, so appealing?. Diese Collage enthält für die Pop Art wichtige Merkmale, wie die ironische Haltung gegenüber der amerikanischen Überflussgesellschaft und die intel- 2. Der Found Footage Film (a) 11 (b) Abbildung 2.3: The Hotel Eden (1945) (a) und Rose Horbart (1936) (b) von Joseph Cornell. Abbildung (a) aus http://www.art-interview.com/Issue_ 014/Issue_images/Cornell_01.jpg und (b) aus [76]. Abbildung 2.4: Richard Hamiltons Just what is it that makes today’s homes so different, so appealing? (1956). Abbildung aus [80, S. 303]. ligente Bildgestaltung, die voller Anspielungen und Doppeldeutigkeiten ist. Just what is it that makes today’s homes so different, so appealing? gilt als Ikone der Pop Art [80, S. 303]. Siehe Abbildung 2.4. So wie die Künstler der Pop Art verwendeten später auch Found Footage Filmemacher die Bilder der Massenmedien, um Kritik an der Gesellschaft und den Medien zu üben. Durch die Aneignung der Bilder der Medienwelt, schafft die Pop Art, wie auch der Found Footage Film, eine Brücke zwischen Kunst und Alltag. 2. Der Found Footage Film 2.3.7 12 Aneignung in der Fotografie Auch in der Fotografie wird das Konzept der Aneignung aufgegriffen.10 Die amerikanische Künstlerin Martha Rosler, geboren 1943 in Brooklyn, New York, arbeitet in den Bereichen Videokunst, Fotomontage, Performancekunst und Installationskunst. Am bekanntesten sind vermutlich ihre Foto-Collagen aus der Reihe Bringing the War Home: House Beautiful (1967 - 1972) und Bringing the War Home: House Beautiful, New Series (2004). In beiden Reihen verwendete sie Bilder von verwundeten Soldaten, toten Kindern, Feuer und anderen Kriegsbildern, die sie aus Magazinen wie Life11 entnahm, und montierte sie neben Bilder von Inneneinrichtungen aus Zeitschriften wie House Beautiful. Mit Bringing the War Home: House Beautiful kritisiert Rosler die Repräsentation des Vietnam Krieges in den Medien, und wie dadurch der Krieg Zuhause erlebt wird. Dieses Konzept wiederholte sie 2004 für die zweite Bildreihe mit Bildern aus dem Irak Krieg.12 Siehe Abbildung 2.5 (a). Eine radikalere Form der Aneignung in der Fotografie, stellen die Werke von Sherrie Levine dar. Für ihre Solo Ausstellung After Walker Evans (1981) fertigte sie Refotografien der Werke von Walker Evans Ausstellungskatalog First and Last an. Als Vorlagen für ihre Arbeiten verwendet Levine nur „Reproduktionen der Originale“ in Form von Poster, Ausstellungskatalogen usw. Sie verwendet also selbst Kopien der Orginalwerke für ihre Kopien. Die Arbeiten aus After Walker Evans wurden ohne weitere Veränderungen ausgestellt, wodurch Levine jegliche kreative Handlung von sich weist. Durch diese radikale Form der Aneignung, warf Levine Fragen über Identität, Urheberrecht und Kreativität auf [104, S. 30 ff]. Siehe Abbildung 2.5 (b). 2001 scannte Michael Mandiberg dieselben Fotografien, und stellte sie hochauflösend zum Download bereit auf www.AfterWalkerEvans.com und www.AfterSherrieLevine.com. Mandiberg wollte damit die Problematik von Identität, Kreativität und Urheberschaft in den digitalen Raum übertragen.13 2.4 Die Entstehung des Found Footage Films Das Prinzip des Found Footage Films gibt es beinahe so lange, wie es Kinofilme gibt. Seit den 1930er Jahren wurde dieses Verfahren von Avant-Garde Künstlern aufgegriffen und seitdem von Film- und Videomachern im Experimentalfilmbereich verwendet. Heute ist die Methode der Aneignung eines 10 Das Konzept der Anignung wird auch in anderen Bereichen der Kunst, wie in der Musik oder in der Literatur, aufgegriffen. Aufgrund der besonderen Nähe der Fotografie zum Film, wird hier jedoch nur die Methode der Aneignung in der Fotografie dargestellt. 11 Life ist ein Magazin mit Schwerpunkt auf Fotojournalismus. Seit 2007 is Life ein Online-Magazin. Offizielle Website von Life: http://www.life.com/. 12 Vgl. http://foundation.generali.at/index.php?id=63. 13 Vgl. http://www.aftersherrielevine.com/. 2. Der Found Footage Film (a) 13 (b) Abbildung 2.5: Aneignung in der Fotografie: Photo Op aus der Serie Bringing the War Home: House Beautiful, New Series(2004) der Künstlerin Martha Rosler (a) und Sherrie Levines Untitled Aus der Reihe After Walker Evans (b). Abbildung (a) aus http://images.artnet.de/images_DE/Magazine/ reviews/draxler/draxler07-24-07-8.jpg und (b) aus [46, S. 151]. der bedeutendsten Verfahren für Independent Filme [16, S. 13 f]. Der vermutlich erste Film aus rekontextualisiertem Material wurde 1898 von Francis Dublier erstellt, der zu dieser Zeit für die Brüder Lumière gearbeitet hat. Seine Aufgabe war es, die Filme seiner Arbeitgeber zu präsentieren. Als er gerade im Süden Russlands in jüdischen Vierteln arbeitete, nutze er das Interesse der Menschen am skandalösen Dreyfus-Fall.14 Er schnitt Szenen aus verschiedenen Filmen der Brüder Lumière zu einem neuen Film. Dieser enthielt kein einziges Bild von Alfred Dreyfus. Durch die Erzählung von Dublier während der Präsentation des Films, glaubten die Zuseher jedoch, sie würden eine erst kürzlich entstandene Dokumentation von Alfred Dreyfus sehen [16, S. 14]. Dieser Film lässt sich in das Genre des Kompilationsfilmes einordnen, bei dem dem Zuseher eine gewisse Realität vermittelt wird, aber die Herkunft des Materials nicht hinterfragt wird. Als erster Found Footage Film im Sinne der vorangegangenen Definition, gilt jedoch der Film Rose Horbart (1936) [76] des Surrealisten Joseph Cornell. Für Rose Horbart verwendete Cornell Szenen aus dem Stummfilm East of Borneo [26] aus dem Jahr 1931. Er entfernte fast alle Szenen, in denen Rose Horbart nicht zu sehen war, und montierte diese auf solche Weise, dass von der ursprünglichen Logik nichts zu erkennen war. Die Sequenzen jedoch noch eine gewisse Verbindung erkennen lassen. Anstatt wie das Original mit 14 Der jüdische Hauptmann des französischen Generalstabs, Alfred Dreyfus, wurde Ende des 20. Jahrhunderts aufgrund eines Verdachtes des Landesverrats beschuldigt und verurteilt. 2. Der Found Footage Film (a) 14 (b) Abbildung 2.6: Joseph Cornells Rose Horbart (1936) gilt als erster Found Footage Film der Geschichte. Abbildungen aus [76]. 24 Frames pro Sekunde, wurde Rose Hobart mit nur 16 Frames pro Sekunde abgespielt und durch einen tief blauen Filter projiziert. Durch die Hinterlegung mit kitschiger Sambamusik (Forte Allegre und Belem Bayonne von Nestor Amarals Holiday in Brazil ) bei der Uraufführung, der blauen Färbung, der verlangsamten Wiedergabe und Cornells Form der Montage, wirkt Rose Hobart wie ein surrealer Traum [16, S. 16] und [33]. (Siehe Abbildung 2.6). 20 Jahre später fand mit A Movie (1958) [7] die nächste große Errungenschaft für den Found Footage Film statt. A Movie war das erste filmische Werk des damals 25 jährigen Bildhauers Bruce Conner. Für diesen Film verwendete er Kriegsaufnahmen, Aufnahmen von Auto- und Motorradrennen, Boot- und Flugzeugunglücken, Atombombenexplosionen und Frauen in sexy Posen. Ein Countdown-Vorspann, der Titel des Filmes, Conners Name sowie eine „The End“-Sequenz unterbrechen den Film zu Beginn mehrmals und weisen dadurch selbstreflektiv auf das Medium Film hin. Siehe Abbildung 2.7. A Movie ist ironisch und ernst zugleich und dient auch heute noch als Inspirationsquelle für viele Filmemacher [113, S. 134 ff]. Das Österreichische Filmmuseum bezeichnet A Movie sogar als Film, der „in der Found-Footage-Tradition eine ähnliche Rolle spielt wie das Neue Testament im Christentum.“ 15 Found Footage Filme wurden seit den 1970er Jahren weiter verbreitet durch Künstler wie Chick Strand, Mathew Arnold, Craig Balwin und Keith Sanborn [62, S. 71]. Der Videorekorder führte – besonders seit seiner weiten Verbreitung 1975 – zu einer gänzlich neuen Praxis der Aneignung. Die Verwendung von Videorekordern zur Erstellung von Found Footage Filmen war zu dieser Zeit weit verbreitet, da der Produktionsaufwand und auch die Kosten, im Vergleich zum Film geringer waren [62, S. 71]. Auch die Ar15 Aus https://www.filmmuseum.at/jart/prj3/filmmuseum/main.jart?rel=de&reservemode=active&content-id=1216720898687&schienen_id=1277978369945. 2. Der Found Footage Film 15 (a) (b) (c) (d) (e) (f) Abbildung 2.7: Selbstreflexives Material in Bruce Conners A Movie (1958) (a, b, c, und d). Offizier, der durch ein Sehrohr blickt (e), gefolgt von einer Einstellung, die eine Frau in sexy Pose zeigt (f). Abbildungen aus [7]. beit mit Found Footage wurde erleichtert: mühevolles Suchen in Archiven wurde ersetzt durch den Gang zur Videothek, oder dem Aufzeichnen von Fernsehprogrammteilen. Dadurch waren die Bilder der Massenmedien zum Bearbeiten verfügbar. Erstmals war es nun jedem (mit einem Videorekorder) möglich, selbst Filme zu manipulieren. So konnte man eine Sammlung aus Filmausschnitten – eine Montage – auf eine Videokassette aufnehmen, oder Videomaterial konnte mit Hilfe der Fast-Forward, Rewind und Slow-Motion Funktion manipuliert werden [36]. Auch Douglas Gordons Idee für 24 Hour Psycho (1993) [2] entsprang einer früheren Spielerei aus Langeweile mit dem Videorekorder. In einem Interview mit David Sylvester erzählt Gordon, wie er an einen Weihnachtsabend zu Hause war und mit dem Videorekorder seines Bruders spielte. Als er Psycho sah, dachte er „Wow, Five Minute Psycho, that would be brilliant!“. Er nutzte die Fast-Forward-Funktion des Rekorders, um sich Psycho im Schnelldurchlauf anzusehen. Danach versuchte er genau das Gegenteil und er begann das Video in Zeitlupe zu sehen. Dabei bemerkte er wie fasziniert er davon war [29, S. 163]. Aus dieser Idee heraus entstand die Videoinstallation 24 Hour Psycho basierend auf Stanley Kubricks Psycho (1960) [73]. Das Video wird frei schwebend auf eine große Leinwand projiziert. Durch die Streckung des ursprünglichen Werkes auf 24 Stunden ist die Handlung des Filmes kaum wahrnehmbar. Durch das ikonische Bildmaterial von Psycho, ist sich der Betrachter stets des vorangegangenen und des nachfolgenden Bildausschnittes bewusst. Dies ruft Erinnerungen und Erwartungshaltungen im Betrachter hervor. So vereint Gordon Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in jedem einzelnen Bildausschnitt [93, S. 52]. Siehe Abbildung 2.8. Erstmals konnten Künstler mit einem Format arbeiten, welches auch in 2. Der Found Footage Film (a) 16 (b) Abbildung 2.8: Einzelbild (a) und Fotografie der Videoprojektion (b) von Douglas Gordons 24 Hour Psycho. Abbildungen (a) aus [2] und (b) aus [93]. Privathaushalten angesehen werden konnte, und über Videotheken für jedermann erhältlich war. Dadurch kam es auch zu einer Veränderung der Zielgruppe. Bisher gab es für die Veröffentlichung von Found Footage Filmen nur die Möglichkeit der Galerien, Museen und Screenings. Dadurch wurde jedoch ein denkbar kleines Publikum angesprochen. Durch die Einführung der Videokassette und des Videorekorders in Privathaushalten entwickelte sich das so genannte Tape-Trading.16 Ein Film, der durch das Tape-Trading weit verbreitet wurde, ist Apocalypse Pooh (1987) [11]. Der Künstler Todd Graham, damals noch Student, erschuf 1987 mit Apocalypse Pooh ein wichtiges Werk für den modernen Found Footage Film. Dieser Film wird als erstes Mash-Up angesehen und beeinflusste eine ganze Reihe von Mash-Ups, wie sie heute auf Plattformen wie YouTube existieren.17 Für Apocalyspe Pooh mischt er das Audio- und Videomaterial von Walt Disneys Winnie the Pooh-Featurefilmen mit Apocalypse Now (1979) zu einem neuen Werk. Siehe Abbildung 2.9. In einem Interview antwortet Graham auf die Frage, ob er mit der Verbindung dieses konträren Materials amüsieren oder provozieren wollte [101]: Both probably, but really I just thought this shit was funny. 16 Tape-Trading entwickelte sich als Untergrundbewegung in den 80er Jahren. Auf diese Weise wurden Filme durch Vervielfältigung und Weitergabe in Umlauf gebracht. Getauscht wurden dabei Filme, deren rechtliche Situation nicht genügend geklärt ist. Fernsehfilme, die nicht auf Videokassette veröffentlicht wurden, Filme die keinen Markt fanden, Zusammenstellungen von einzelnen TV-Mitschnitten oder Filme, die selbst produziert wurden. 17 Gordon wird wegen Apocalypse Pooh sogar als Vater des Mash-Ups bezeichnet [101]. 2. Der Found Footage Film (a) 17 (b) Abbildung 2.9: Todd Grahams Apocalypse Pooh (1987): Einstiegssequenz aus Apocalypse Now hinterlegt mit der Intrumentalversion der Winnie the Pooh-Titelmusik (a). Winnie Pooh wird zu Satisfaction aus Apocalypse Now von einem Drachenflieger gezogen (b). Abbildungen aus [11]. 2.5 Das Potential des Found Footage Films Durch das Aneignen von fremdem Material, und sei es nur durch die unveränderte Übernahme des Films, ändert sich dessen ursprüngliche Bedeutung. Der Film, oder die zusammengestellten Einzelsequenzen, werden durch die Aneignung, wie ein Zitat, in Anführungszeichen gesetzt, wodurch sie aus ihrem ursprünglichen Kontext gehoben werden. Der Zuseher ist sich des Zitates bewusst, und das Material wird dadurch auf andere Weise betrachtet. So kann sich der Found Footage Film kritisch mit dem gezeigten Film, oder dem Thema des Filmes auseinandersetzen. Er kann das Medium bzw. die Medien hinterfragen, und alternative bzw. neue Meinungen darlegen. Found Footage Filme sind aber keineswegs immer nur kritisch. Sie können auch Bewunderung und Anerkennung für das gezeigte Material ausdrücken. Welche Wirkung ein Found Footage Film auch immer hat, sie unterscheidet sich stets von der Wirkung des Ausgangsmaterials. 2.5.1 Kritische Auseinandersetzung mit dem Ausgangswerk Der Betrachter sucht für die Nebeneinanderstellung von sehr unterschiedlichen Materialien eine Rechtfertigung. So kann die Nebeneinanderstellung z. B. Assoziationen thematischer oder rhythmischer Art hervorrufen. Jedoch ist diese Nebeneinanderstellung nicht fehlerfrei. Man ist sich der Montage der unterschiedlichen Materialien bewusst. Durch dieses Bewusstsein ist der Betrachter ermutigt, über das Material differenzierter und kritischer nach zu denken [108, S. 52 ff]. Die Erkennbarkeit der Quellen schafft ein „Verweissystem“, welches die verschiedenen Perspektiven zu einer neuen Bedeutung verknüpft [91, S. 1]. Auch bei völlig unverändertem Material, verändert sich dessen ursprüng- 2. Der Found Footage Film 18 liche Bedeutung. Das Found Footage Festival18 zeigt eine Fülle an unbearbeiteten Heimvideos, Schulungsvideos, usw., welche z. B. in Gebrauchtwarenläden erworben, oder in Müllcontainern gefunden wurden. Die Gründer dieses Festivals, Joe Picket und Nick Prueher, sagen [36]: [...] part of the charm of our show is these are videos not intended for a mass audience. When a mass audience is watching it, you realize how ridiculous a training video actually is. Found Footage Filme können der Gesellschaft einen Spiegel vorhalten und uns einen kritischen, wenn auch nicht immer ganz ernst gemeinten Blick auf uns selbst ermöglichen [36]. 2.5.2 Kritische Auseinandersetzung mit Bildern der Massenmedien Found Footage Filme bedienen sich oft der Bilder der Massenmedien und setzen sich auf verschiedene Arten kritisch mit der Mediensituation auseinander. Eine mögliche Form der Kritik an den Medien kann durch die Bearbeitung und dem Anwenden von Effekten, wie dem Komprimieren des Materials, entstehen. Durch diese Vorgänge entsteht oft ein anderer, „minderwertiger“ Eindruck. Dieser Eindruck steht im klaren Gegensatz zum originalen Filmmaterial, das meist unter hohen Produktionskosten entstanden ist. Dieser bewusste Unterschied ermöglicht es einerseits, sich die Bilder anzueignen, andererseits, übt er auch eine Kritik am originalen Footage aus [109, S. 3]. Auch die gängigen Erzählstrukturen, oder (Bearbeitungs-)Konventionen der Massenmedien können durch den Found Footage Film thematisiert werden. Da sich der Found Footage Film der Bilder der Massenmedien bedient, kann er Klischees, zugrunde liegende Motivationen und die Methoden der Massenmedien, aufdecken [108, S. 32] und [106]. Ein Film, der genau das tut, ist Telephones von Christian Marclay (1995) [95]. Für Telephones hat Marclay Filmausschnitte, in denen die Schauspieler zum Telefon eilen, den Hörer abheben, und am Telefon reden, verwendet. Szenen, in denen telefoniert wird, sind in Filmen allgegenwärtig. Es sind einfache, simple Shots, die auf einem Jump-cut basieren. Da der Zuseher an diese Art von Schnitt gewohnt ist, scheint es normal, von einem Schauspieler zu einem anderen zu springen [61]. Durch die Vielzahl an Jump-Cuts zwischen unterschiedlichen Schauspielern, Tageszeiten, Situationen und auch unterschiedlichen Jahrzehnten, entsteht ein visueller Gag. Durch die Nebeneinanderstellung der einzelnen Shots, wird die Ähnlichkeit in der Erzählstruktur, der Wahl der Bildausschnitte usw., aufgedeckt. Siehe Abbildung 2.10. 18 Offizielle Website des Found Footage Festivals: http://foundfootagefest.com/. 2. Der Found Footage Film 19 Abbildung 2.10: Marclays Telephones (1995) legt grundlegende Erzählmuster und ihre filmische Auflösung dar, in dem verschiedene Filmausschnitte, in denen telefoniert wird, aneinander montiert werden. Abbildung aus [16, S. 10]. 2.5.3 Kritische Auseinandersetzung mit dem Medium Auch die Auseinandersetzung mit dem Medium an sich – also Film, Video oder Internet – kann eine wichtige Rolle spielen. Der Österreichische Künstler Peter Tscherkassky (siehe 4.2), betont in seinen Found Footage Arbeiten stets die Wichtigkeit des Filmmaterials an sich. So wird z. B. das Filmband, die Laufspur und die ganze Materialität des Films in seine Arbeiten integriert. Diese Auseinandersetzung mit dem Filmmaterial ist ihm wichtig, da er auf das „Verschwinden des Materials“ hinweisen möchte. Einerseits meint er damit das physische Verschwinden, durch Schrumpfen der Filmrolle, andererseits die Tatsache, dass analoge Filme immer mehr aus unserem Leben verschwinden [67]. Siehe 4.2. 2.5.4 Hommage/Ikonifizierung Obwohl der Found Footage Film ein geeignetes Mittel ist, um die Massenmedien und deren Bilder zu kritisieren, ist nicht jeder Found Footage Film automatisch als eine Kritik am Originalmaterial zu verstehen. Durch die Arbeit mit Found Footage kann auch Bewunderung und Anerkennung für das 2. Der Found Footage Film 20 ursprüngliche Material dargestellt werden [109, S. 4]. Einige Filme, wie der in Abschnitt 2.4 erwähnte Rose Horbart, oder die in Abschnitt 3.4.4 erwähnten AMVs, zeigen vielmehr die Faszination und Begeisterung des Filmemachers für das Originalmaterial. Die Neuinterpretierung und Neuevaluierung des Materials steht dabei eher im Hintergrund. 2.5.5 Aneignung/Reinterpretierung Der Appropriationsfilm19 verwendet fremdes Material in der Form, dass er ihm eine neue, erweiterte, alternative Bedeutung zukommen lässt. Auch in diesem Fall steht die Neuinterpretierung und Neuevaluierung des Ausgangswerkes im Hintergrund. Durch den Found Footage Film können alternative Bedeutungen gleichzeitig existieren. Cecilia Barriga verwendet für Meeting of Two Queens (1991) [58] Filmausschnitte der beiden Schauspielerinnen Greta Garbo und Marlene Dietrich. Sie wählte Ausschnitte aus, in denen die Schauspielerinnen ähnliche Situationen erleben, eine ähnliche Mimik und Gestik haben, oder in denen sie ähnlich auf Off-Screen-Aktionen reagieren. Durch Montage, Maskierung, Überblendung und einer Schnittsetzung, die den Anschein erweckt, als würden die beiden Schauspielerinnen aufeinander reagieren, erzählt Barriga in Meeting of Two Queens eine Liebesgeschichte zwischen Garbo und Dietrich [109, S. 8 f].20 Das Wissen des Zusehers, dass diese Aufnahmen aus fremden, unterschiedlichen Filmen stammen, in dem die beiden Frauen niemals gemeinsam zu sehen waren, macht Meeting of Two Queens zu einer fragilen Liebesgeschichte voller Sehnsucht. Siehe Abbildung 2.11. 19 Definition siehe Abschnitt 2.2.4. Beide Schauspielerinnen gehörtem dem "Nähkreis", einem privaten Zusammenschluss bisexueller und homosexueller Schauspieler/Innen in Hollywood an. 20 2. Der Found Footage Film 21 (a) (b) (c) (d) Abbildung 2.11: Einzelbilder aus Cecilia Barrigas Meeting of Two Queens (1991). Abbildungen aus [58]. Kapitel 3 Netzkultur und Found Footage Filme 3.1 Einführung Filme aus rekontextualisiertem Material am Computer zu realisieren ist nur der letzte Schritt in einer langen, geschichtlichen Entwicklung. Der Wechsel von analoger zu digitaler Produktion, sowie die Veröffentlichung und Verbreitung mit Hilfe des Internets, hat einen großen Einfluss auf die Entwicklung der Found Footage Filme, und bietet zahlreiche neue Möglichkeiten für Filmemacher. In diesem Kapitel soll aufgezeigt werden, welche Entwicklungen im Bereich der Netzkultur ausschlaggebend für den Found Footage Film sind, und wie sich dieser dadurch verändert, und weiterentwickelt hat. 3.2 Netzkultur Mit dem Einzug des Computers in die Haushalte wurde das Informationszeitalter einberufen. Während das Internet früher ein Medium der Informationen war, wo soziale Interaktion kaum möglich war, ist es heute vor allem ein Medium sozialer Kommunikation. Es wird nicht mehr von nur einem Computer, sondern von einem Zusammenschluss an Netzwerken, die das Internet zu einem Medium der (sozialen) Interaktion machen, geprägt. Marshall McLuhan hat – schon lange vor dem Auftreten des Internets – geschrieben [57, S. 8]: Das Medium oder der Vorgang unserer Zeit – die elektronische Technik – formt und strukturiert die Muster gesellschaftlicher Beziehungen und alle Aspekte unseres Privatlebens um. Das Medium Internet beeinflusst unsere Kommunikation, und ist somit auch die Basis für unsere Kultur. 22 3. Netzkultur und Found Footage Filme 23 Der Begriff Netzkultur bezeichnet die Kultur des Users im Internet. Damit ist vor allem die soziale, internetbasierte Kommunikation zwischen Menschen gemeint. 3.3 Relevante Entwicklungen Das Internet ermöglichte, erstmals in der Geschichte, einer breiten Masse den uneingeschränkten Zugang zu elektronischen Daten. Welche relevanten Entwicklungen sich daraus ergeben haben, und wie diese den Found Footage Film beeinflussen soll im Folgenden gezeigt werden. 3.3.1 Web 2.0 & Social Web Eine der wichtigsten Entwicklung für die Netzkultur ist die Entwicklung des World Wide Web in eine Richtung, die unter dem Schlagwort "Web 2.0"bekannt ist. Dieser Begriff wurde von Tim O’Reilly geprägt und beschreibt eine Entwicklung des Internets, welche es den Usern ermöglicht, interaktiv und sozial im Web zu agieren. Inhalte können kommentiert, weiterempfohlen, verknüpft, erstellt, veröffentlicht oder bearbeitet werden. User können zu Inhalten beisteuern, oder diese komplett liefern [65]. Ein Teilbereich des Web 2.0 ist das Social Web. Damit sind jene Teile des Web 2.0 gemeint, die ihren Fokus auf soziale Interaktionen, und nicht auf neue Formate und Programmarchitekturen, legen. Dabei kommt, neben dem Austausch von Informationen und Daten, vor allem deren Erstellung eine wichtige Rolle zu. Bei der Erstellung von User-generierten Inhalten1 geht es oftmals um soziale Hintergründe. User wollen in der Community aktiv werden und einen Beitrag beisteuern. Sie wollen sich mitteilen und Anerkennung oder Feedback erhalten, und vor allem sozial interagieren. So geht es Usern bei der Erstellung von Found Footage Filmen im Umfeld der Netzkultur oftmals um genau diese Art der sozialen Interaktion [27, S. 24 ff]. 3.3.2 Das P2P-File-Sharing-System Napster File-Sharing-Systeme zur Jahrtausendwende, allen voran Napster, haben den Umgang mit urheberrechtlich geschütztem Material verändert. Sie haben die Hemmschwelle gesenkt, geschütztes Material downzuloaden und zu verwenden, und somit den Weg für eine Remixkultur geebnet (siehe Abschnitt 3.4.2). 1 User-generierter Kontent sind Inhalte, welche einen gewissen Grad an Kreativität erkennen lassen, die über das Internet veröffentlich wurden, und nicht professionell produziert wurden [14, S. 4]. Es sind nicht mehr die Betreiber der Websites, die die Inhalte erstellen, sonder die User selbst. 3. Netzkultur und Found Footage Filme 24 Das wohl bekannteste (ehemalige P2P)2 File-Sharing-System Napster wurde 1998, vor mehr als 10 Jahren und noch vor dem „Entstehen“ von Web 2.0, von Shawn Fanning, Jordan Ritter und Sean Parker entwickelt, und schließlich im Mai 1999 von Shawn Fanning und dessen Onkel John Fanning als Firma gegründet. Bereits im Oktober 1999 zählte Napster mehr als eine Million User täglich. Im Dezember 1999 reichte die RIAA3 eine Klage wegen Urheberrechtsverletzungen gegen Napster ein. Durch die Klage wurde Napster Anfang 2000 zur bekanntesten Marke im Musikbereich. Im Juli des selben Jahres wurde eine einstweilige Verfügung gegen Napster ausgesprochen. Nach 2 Jahren Berufungsprozessen wurde das Unternehmen, das im Jahr 2000 noch mehr als US$ 100 Mio. an der Börse wert gewesen war, zwei Jahre später um US$ 5,3 Mio. an den Bestbieter verkauft.4 Napster steht stellvertretend für eine Vielzahl von File-Sharing-Systemen, wie Kazaa, BitTorrent und eMule. Der Fall von Napster steht aber auch für die neuartige Denk- und Handlungsweise einer ganzen Generation von „Konsumenten“, die mit dieser Art von Datenbeschaffung aufgewachsen ist. Diese Systeme haben die Hemmschwelle gesenkt, und die Selbstverständlichkeit der User geschaffen, urheberrechtlich geschütztes Material auf ihre Rechner zu kopieren. 3.3.3 YouTube Online Video-Plattformen spielen für den Found Footage Film eine wichtige Rolle. Sie ermöglichen neue Wege der Materialbeschaffung, Veröffentlichung,Verbreitung und Archivierung. YouTube stellt die größte Video-Plattform im Internet dar und wird hier stellvertretend für andere ihrer Art angeführt. YouTube wurde im Februar 2005 von Chad Hurley, Steve Chen und Jawed Karim gegründet, und ging offiziell im Juni 2005 online. Ein Jahr später, im Oktober 2006, wurde YouTube von Google übernommen. Im November 2007 war YouTube die beliebteste Unterhaltungs-Webseite in Groß Britannien, und bereits zu Beginn des Jahres 2008 war YouTube permanent in den Top 10 der meist besuchten Webseiten weltweit. Im April 2008 hatte YouTube 85 Millionen Videos, 10 Mal so viele wie ein Jahr zuvor, und die Zahl der Videos wächst immer weiter.YouTube wurde zur am schnellsten wachsenden Internetseite in der Geschichte des Internets, und gilt als weltweit führende 2 P2P ist die Kurzform für Peer to Peer und bezeichnet ein Dateiaustauschsystem ohne zentralen Server. Zwischen den einzelnen Systemen besteht immer eine direkte Verbindung. Jeder P2P-User übernimmt dabei sowohl Client- als auch Serverfunktionen. Das bedeutet, dass alles was man downloadet, automatisch zeitgleich auch für andere zur Verfügung steht. Je mehr P2P User in einem Netzwerk sind, desto schneller die Datenübertragung. 3 Recording Industry Association of America 4 Beruhend auf der Zusammenfassung über den Aufstieg und Fall von Napster von Peter Tschmuck. Dieser bezieht sich auf das Buch von Joseph Menn (2003) all the rave. The Rise and Fall of Shawn Fanning’s Napster. New York: Crown Business bezieht. Quelle: http://musikwirtschaftsforschung.wordpress.com/2009/07/23/. 3. Netzkultur und Found Footage Filme 25 Video-Community [89, S. 10 f]. Die Innovation an YouTube, wie auch an anderen Video-Plattformen zu dieser Zeit, war die technische Entwicklung, welche die einfache Verbreitung von Videos im Internet als Zielsetzung hat. Ein einfaches User Interface ermöglicht das Uploaden, Veröffentlichen und Ansehen von Videos, ohne technisches Know-how. Das Service war kompatibel mit den Standardbrowsern und benötigt nur eine gering Bandbreite zur Datenübertragung. Es war also für „ jeden“ zugänglich. Zu dem großen Erfolg von YouTube, gegenüber anderen Video-Plattformen, zählt jedoch die Implementierung von 4 Features. Dazu zählt die Funktion „related Videos“, ein E-Mail-Link zum Teilen der Videos, eine Kommentarfunktion, und einen Player, der sich in andere Webseiten einbinden lässt [20, S. 2]. Dieses integrierte Community-System beeinflusst das Handeln der User und nimmt Einfluss auf die Motivation für die Erstellung von Inhalten (siehe Abschnitt 3.4.4). YouTube wird beherrscht durch Clips und Zitate. Kurze Ausschnitte, die in unbearbeiteter Form oder aber editiert, gezeigt werden. Obwohl YouTube immer wieder in Verbindung mit Urheberrechtsproblemen gebracht wird, entspricht das Veröffentlichen von Clips oder Zitaten auf YouTube meist mehr dem, was John Hartley als „redaction“ beschreibt – die Produktion von neuem Material, durch den Prozess des Editierens von altem Material – als Urheberrechtsverletzungen oder Piraterie. Diese kurzen Clips zeigen den wichtigsten Teil eines Ganzen. Diese Zitate unterscheiden sich in großem Maße von dem zur Verfügung stellen eines ganzen Filmes [20, S. 35 ff]. Rick Prelinger schreibt dem User an dieser Stelle sogar die Funktion eines Kurators zu. User wählen Ausschnitte aus, die ihnen gefallen, oder die sie für wichtig halten. So erstellen YouTube-User ein kategorisiertes und kontexutalisierstes Abbild der Medianlandschaft und [71, S. 270]. YouTube dient also sowohl der Veröffentlichung von Videos, als auch der Materialbeschaffung für neue Werke. Mit der enormen Menge an Videos, nämlich über 100 Millionen,5 die über YouTube abrufbar sind, ist die Plattform zu einer Ressource für YouTube-User (unter denen sich auch Künstler befinden) geworden. YouTube stellt nicht nur ein Archiv für altes Filmmaterial dar, sondern kann auch als Archiv für die zeitgenössische, globale Populärkultur gesehen werden. Produziert, kategorisiert und bewertet von den YouTube-Usern selbst [20, S. 87 f]. 3.3.4 YouTube vs. Archives Archive waren, neben Flohmärkten oder Ähnlichem, für die Erstellung von Found Footage Filme immer eine wichtige Quelle zur Materialbeschaffung. Durch den Wechsel des Mediums, von seiner physikalischen Form, zu digita5 Und es werden täglich mehr. Pro Minute werden über 20 Stunden Videomaterial auf YouTube hochgeladen. Aus: http://www.youtube.com/t/fact_sheet. 3. Netzkultur und Found Footage Filme 26 len Daten, spielt die Archivierung eine umso wichtigere Rolle. Bis auf wenige Ausnahmen6 haben Archive ihre Mission verfehlt: Durch die Angst, Kontrolle über das archivierte Material zu verlieren, haben sie es verabsäumt, die Werke den Usern in digitalisierter Form zur Verfügung zu stellen [71, S. 268]. Dadurch verlagert sich die „Archivierung“ von Material jedoch immer mehr auf YouTube. Auf YouTube findet man nicht nur neue, digital produzierte Werke, sondern auch Werke der Filmgeschichte. YouTube übernimmt somit (zumindest zum Teil) die Funktion von Archiven. Der Vorteil dieser Video-Plattform gegenüber Archiven ist, dass zu beinahe jeder Suchanfrage ein Ergebnis gefunden wird. Außerdem ist ein großer Teil der Clips auf YouTube auf keine andere Art und Weise zu beziehen. Das schließt auch den Kauf oder die Möglichkeit, den Clips über eine andere Video-Plattform zu sehen aus. Die Files auf YouTube sind rund um die Uhr zugänglich, und haben – bis auf die verminderte Qualtität vor der Einführung Uploads in HD-Qualität – keine Einschränkungen. Viele der physikalisch archivierten Werke sind schwierig zu kopieren, wodurch oft hohe Kosten entstehen. Der Grund dafür ist, dass die Werke oft in veralterten Formaten archiviert sind. YouTube hingegen stellt seine Videos alle im Flash-Format zur Verfügung, und ermöglicht somit, dass die Videos für jeden ohne Aufwand zugänglich sind [71, S. 268 ff]. Jedoch lässt sich auch ein Nachteil erkennen: Filme werden oft in mehrfacher oder ähnlicher Ausführung gepostet, und oft nur mit wenigen oder unterschiedlichen Information veröffentlicht. So ist es schwer herauszufinden, ob es sich bei einem gezeigten Clip um einen Ausschnitt oder den ganzen Teil eines Films handelt, wer der Schöpfer eines Werkes ist, und wann es entstanden ist. Aufgrund der Tatsache, dass sich altes Filmmaterial stark zu den Bildern der heutigen Mediensituation unterscheidet, entstehen auf YouTube Remixe, die genau auf diesen Unterschied anspielen. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel ist in diesem Zusammenhang ist Roundhay Garden Scene (1888) [77] von Louis Aime Augustine Le Prince aus dem Jahre 1888. Es ist aus zweierlei Gründen in diesem Zusammenhang erwähnenswert: Roundhay Garden Scene ist der erste belegte Film, der auf einem Filmstreifen geschossen wurde. Er dauert nur etwa 2 Sekunden. Es gibt kein Anzeichen dafür, dass der Film jemals von Le Prince öffentlich präsentiert wurde, oder im Rahmen einer Kinoretrospektive gezeigt wurde. Dieser historische Film wird auf YouTube zum ersten mal einer breiten Öffentlichkeit gezeigt. Der zweite Grund für die Erwähnung dieses Filmes ist, was damit auf YouTube passiert. Roundhay Garden Scene wurde etwa als Trailer [79] oder Directors Cut [78] auf YouTube gestellt. Auch eine Highlights Version [38], die nur einen einzigen Frame des Ausgangsmaterials beinhaltet, existiert auf YouTube. Siehe Ab6 Zu diesen Ausnahmen zählt insbesondere The Internet Archive. Offizielle Website des Internet Archive: http://www.archive.org/. 3. Netzkultur und Found Footage Filme 27 (a) (b) (c) (d) Abbildung 3.1: Einzelbilder aus der Trailer-Version von Roundhay Garden Scene: „This autumn – the legend is born – for the first time in history – a picture – will move – roundhay garden scene – october 14th“ (a, b und c). Einzelbild aus dem Original der Roundhay Garden Scene (d). Abbildunge (a, b und c) aus [79] und (d) aus [77]. bildung 3.1. Diese Versionen von Roundhay Garden Scene spielen alle auf ironische Weise auf die Tatsache an, dass sich dieser Film so stark von der aktuellen Mediensituation unterscheidet [52, S. 320 f]. Auch die Kommentare zum Video spiegeln diesen erlebten Unterschied wider. So schreibt ein User folgenden ironischen Kommentar: I’m waiting for the Director’s Cut Special Edition 3 disc Blue-ray release featuring audio commentary by Steven Spielberg, Quentin Tarantino, James Cameron, and Roger Ebert, as well as 60 minutes of deleted scenes, a trivia track and a 3 hour making-of documentary.7 Rick Prelinger gründete 1983 die Prelinger Archives 8 in New York. Er stellt seine Sammlung an Ephermal Filmen,9 die in die Public Domain übergegangen sind, in hoher Qualität im Internet zur Verfügung und ermutigt ausdrücklich zum Remixen dieser Filme: 7 Kommentar von YouTube-User maxpowers518 zum Video von Roundhay Garden Scene auf YouTube. 8 Offizielle Website der Prelinger Archives: http://www.archive.org/details/prelinger. 9 Definition siehe Abschnitt 2.1. 3. Netzkultur und Found Footage Filme 28 You are warmly encouraged to download, use and reproduce these films in whole or in part, in any medium or market throughout the world. You are also warmly encouraged to share, exchange, redistribute, transfer and copy these films, and especially encouraged to do so for free. Any derivative works that you produce using these films are yours to perform, publish, reproduce, sell, or distribute in any way you wish without any limitations.10 Rick Prelinger trägt dazu bei, dass alte Filme nicht in Archiven verstauben, sondern dass ihnen neues Leben eingehaucht wird. 3.3.5 Urheberrecht und Found Footage Filme Die Verwendung von rekontextualisiertem Material stellt rechtlich gesehen oft eine Grauzone dar. Diese Problematik betrifft (beinahe) alle, die mit Found Footage arbeiten. Da der digitale Zugang zu Daten maßgeblichen Einfluss auf die aktuelle Urheberrechtssituation, und somit auf die aktuelle Situation der Found Footage Filme hat, sollen hier relevante Entwicklungen aufgezeigt werden. Über das „Digitale Dilemma“ Das Urheberrecht entstand im 18. Jahrhundert, in Zusammenhang mit dem Buchdruck, zum Schutz vor unautorisiertem Nachdruck. Im Laufe der Geschichte wurde das Urheberechtsgesetz im Zuge technischer Errungenschaften stets so angepasst, dass eine Balance zwischen den Interessen der Öffentlichkeit, und denen des Urheberrechtsinhabers bestand. [75, Min 17:59 19:13] Bei analogen Medien stellt der Qualitätsverlust einer Kopie, und den dadurch entstehenden Kosten und dem Aufwand, eine natürliche Barriere für das Kopieren an sich dar. Seitdem Daten aber in digitaler Form vorliegen, gehen die Kosten und der Aufwand gegen Null, und diese natürliche Barriere verschwindet. Darüber hinaus kann von jedem digitalen Werk eine exakte digitale Kopie angefertigt werden. Die technologischen Fortschritte der letzten Jahre haben eine radikale Veränderung in der Reproduktion, Verbreitung, Steuerung und Herausgabe von Informationen bewirkt. Außerdem gehören digitale Daten und Medien zum täglichen Leben, und beeinflussen somit das Urheberrecht in einem Ausmaß wie nie zuvor [81, S. 6 ff]. Dadurch kam es in den letzten beiden Jahrzehnten immer wieder zu Ausweitungen des Urheberrechts, um den Zugang zu digitalen Daten einzuschränken. Kritisiert wird dabei vor allem, dass im Vordergrund dieser Ausweitungen nicht die Interessen des Urhebers, oder der Allgemeinheit, sondern vor allem die Interessen der Verwertungsgesellschaften standen [12, S. 4]. 10 Aus http://www.archive.org/details/prelinger. 3. Netzkultur und Found Footage Filme 29 Es zeigt sich jedoch, dass das aktuelle Urheberrechtsgesetzt immer mehr seine Wirkung verliert. Die Wertvorstellungen der Digital Natives11 wurden durch die freiheitlichen Ideen des Internets geprägt. Das System des aktuellen Urheberrechts ist für diese Generation nicht schlüssig, wodurch es zu immer mehr Urheberrechtsverletzungen im Internet kommt. Juristische Sanktionen sind in diesem Bereich nur schwer durchzusetzen, und verlieren dadurch ihren abschreckenden Charakter. Durch die große Menge an Urheberrechtsverletzungen, und deren Akzeptanz in einem Großteil der Gesellschaft, zeigt sich, dass das Urheberrecht in seiner aktuellen Form versagt [45, S. 47 f]. Copyright vs. Copyleft Durch die Ausweitung der Urheberrechte steigt die Anzahl der Möglichkeiten – bewusst oder unbewusst – gegen das Urheberrecht zu verstoßen, wie auch das Risiko, fälschlicherweise eines solchen Verstoßes beschuldigt zu werden [66, S. 312]. Schadenersatzforderungen, Unterlassungsklagen und Abmahnungen können im schlimmsten Fall die Folge sein. Im Fall von Found Footage Filmen, und der Approproation Art im Allgemeinen, ist es oft unmöglich, den Urheber von allen verwendeten Quellen ausfindig zu machen. Dies kann aus finanziellen, wie zeitlichen Gründen der Fall sein, oder der Urheber ist schlicht unauffindbar. Virgil Widrich hat in seinem Film Fast Film (2003) [32] Material aus rund 300 verschiedenen Filmen verwendet. Er äußert sich in einem Interview auf die Frage nach den Lizenzkosten für seinen Film wie folgt [23]: Es würde mich nicht stören, dafür zu bezahlen. Die Rechte an tausenden Filmschnipseln zu klären, ist jedoch technisch unmöglich. Das Problem ist ja nicht, jemandem 100 Euro für einen kurzen Ausschnitt zu bezahlen. Das Problem ist, dass es 1.000 Euro kosten kann, den Rechteinhaber zu finden Eine kritische Äußerung zu den Missständen in der aktuellen Urheberrechtssituation stellt das 33 Sekunden lange Musikstück Product Placements (2008) [72] des Künstlers, und Komponisten Johannes Kreidler dar. In diesem Musikstück hat Kreidler 70.200 Samples aus anderen Musikstücken verwendet. Für jedes einzelne dieser Samples hat er, im Rahmen einer Kunstaktion im September 2008, 70.200 Formulare, zur Beantragung der Lizenzen für die verwendeten Samples, bei der GEMA12 Generaldirektion Berlin eingereicht. Damit wollte er auf den Missstand im Urheberrecht aufmerksam machen, in einem Zeitalter, wo es technisch möglich ist 44.100 Samples pro Sekunde zu verwenden. 11 Als Digital Natives wird die Generation bezeichnet, die mit Computer und Internet aufgewachsen ist. 12 Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte 3. Netzkultur und Found Footage Filme 30 Abbildung 3.2: Die Grundgedankend der Copyleft-Bewegung. Einzelbild aus RiP: A remix manifesto von Brett Gaylor. Abbildung aus [75, Min. 07:00]. Eine Bewegung, die die aktuelle Situation des und den freien Austausch von Ideen fördert, um und Kultur zu sichern, ist die Copyleft-Bewegung. Copyleft-Bewegung sind (siehe Abbildung 3.2) [75, 1. 2. 3. 4. Urheberrechts kritisiert, die Zukunft von Kunst Die Grundgedanken der Min. 06:57 - 07:16]: Kultur baut immer auf Vergangenem auf. Die Vergangenheit versucht immer die Zukunft zu beeinflussen. Unsere Zukunft wird immer mehr eingeschränkt. Für eine freie Gesellschaft, muss die Kontrolle der Vergangenheit über die Zukunft limitiert werden. Durch die Copyleft-Bewegung entstand die Creative Commons Organisation.13 Diese entwickelt alternative Lizenzmodelle, die es ermöglichen, seine Arbeiten anderen zur kreativen Weiterbearbeitung zur Verfügung zu stellen. Dazu verwenden sie das Urheberrecht in einer solchen Form, dass die unbeschränkte Verbreitung eines Werkes sichergestellt ist. Sie bieten aber auch ausreichend Schutz z. B. vor kommerzieller Ausbeutung. Damit Creative Commons Lizenzmodelle funktionieren, sind folgende Dinge sichergestellt: Sie ermöglichen eine einfache und wirksame Verwendung für jeden. Der Urheber kann sich aus verschiedenen Konditionen eine passende Lizenz generieren lassen.14 Weiters wird besonders darauf geachtet, dass die Lizenzmodelle absolut rechtssicher sind, und dass die Lizenzen von Computern als solche erkannt und „verstanden“ werden. So ist es möglich, gezielt nach Werken zu suchen, die unter bestimmten Lizenzformen veröffentlicht worden sind. Ein Kritikpunkt an diesen Lizenzformen ergibt sich durch die Tatsache, dass man Werke wieder unter derselben Lizenz veröffentlichen muss, wie das Ursprungswerk. Daraus entsteht ein Problem, wenn Werke mit verschiedenen 13 Offizielle Website von Creative Commons: http://creativecommons.org/. In einem Formular werden die Kriterien abgefragt, die die Lizenz erfüllen soll. Aus diesen Daten wird dann eine entsprechende Lizenz generiert. Die Erstellung einer solchen Lizenz ist unter http://creativecommons.org/choose/ möglich. 14 3. Netzkultur und Found Footage Filme 31 Lizenzformen kombiniert, wie es z. B. beim Found Footage Film der Fall sein kann. Österreichisches Urheberrechtsgesetz 15 Bisher gibt es in der österreichischen Rechtsordnung keine Sonderregelung zugunsten der Appropriation Art, zu der auch der Found Footage Film zählt. Bei der rechtlichen Abwägung treffen zwei Grundrechte aufeinander: einerseits das Urheber(persönlichkeits)recht und andererseits das Recht an der Freiheit der künstlerischen Nachschöpfung und Weiterentwicklung. Das Urheber(persönlichkeits)recht stützt sich auf das Grund- und Menschenrecht auf Schutz des Eigentums der Persönlichkeit. Die Freiheit der künstlerischen Nachschöpfung und Weiterentwicklung beruft sich auf das Grundrecht der Kunst- und Kommunikationsfreiheit. Die Appropriation Art befindet sich in einer ähnlichen Situation wie die Parodie. Im Unterschied dazu ist die Parodie jedoch rechtlich eindeutig durch die Kunst- und Meinungsfreiheit gedeckt. Beide – Appropriation Art und Parodie – geben dem verwendeten Werk eine neue Bedeutung und stehen in keiner (wirtschaftlichen) Konkurrenz zum Ausgangswerk. Durch diese Übereinstimmung müsste die Appropriations Art, genau wie die Parodie, über die Kunst- und Meinungsfreiheit gedeckt sein. Zumal die Appropriation eines Werkes oft eine Parodie darstellt. In der Regel können Werke der Appropriations Art als freie Nachnutzungen gemäß § 5 Absatz 2 des österreichischen Urheberrechtsgesetzes16 eingestuft werden, oder es ist zumindest eine Rechtfertigung über die Kunstund Meinungsfreiheit möglich [25]. Das österreichische Urheberrecht verjährt 70 Jahre nach dem Tode des Urheberes, oder dem des letztlebenden Miturhebers.17 15 Zum Schutz des geistigen Eigentums stehen sich zwei Rechtsordnungen gegenüber: das kontinentaleuropäische Urheberrecht, und das angloamerikanische Copyright. Während beim Urheberrecht das Werk mit seiner Individualität und Kreativität im Vordergrund steht, bezieht sich das Copyright auf die Verwertungsrechte eines Werkes (auch unabhängig vom Autor). Das Copyright ist also eher ein gewerbliches Kopierrecht, und hat keine persönlichkeitsrechtlichen Bezüge, wie das Urheberrecht [27, S. 223 ff]. Es wird zwar oft von Copyright geredet, wenn es um Fragen des Urheberrechts geht, jedoch muss man darauf achten, welche Rechtstradition wirklich gemeint ist. 16 Auszug aus dem Urheberrechtsgesetz: § 5. (2) Die Benutzung eines Werkes bei der Schaffung eines anderen macht dieses nicht zur Bearbeitung, wenn es im Vergleich zu dem benutzten Werke ein selbständiges neues Werk darstellt [19]. 17 Auszug aus dem Urheberrechtsgesetz: § 60. (1) Das Urheberrecht an Werken der Literatur, der Tonkunst und der bildenden Künste, deren Urheber (§ 10 Abs. 1) auf eine Art bezeichnet worden ist, die nach § 12 die Vermutung der Urheberschaft begründet, endet siebzig Jahre nach dem Tode des Urhebers (§ 10 Abs. 1), bei einem von mehreren Urhebern gemeinsam geschaffenen Werke (§ 11) endet das Urheberrecht siebzig Jahre nach dem Tode des letztlebenden Miturhebers (§ 10 Abs. 1) [19]. 3. Netzkultur und Found Footage Filme 32 Lösungsansätze Das Urheberrecht wurde ursprünglich zum Schutz des Urhebers erschaffen. Ein wichtiges Ziel des Urheberrechts ist es, öffentlichen Zugang zu veröffentlichten Informationen zu gewährleisten [81, S. 16]. Dieser Zugang, wurde jedoch, durch die Ausweitungen des Urheberrechts, in den letzten beiden Jahrzehnen immer mehr eingeschränkt. Kritisiert wird dabei vor allem, dass im Vordergrund dieser Erweiterungen nicht die Interessen des Urhebers, oder die der Allgemeinheit, sondern vor allem die Interessen der Verwertungsgesellschaften standen [12, S. 4]. Es zeigt sich jedoch, dass das aktuelle Urheberrechtsgesetzt immer mehr seine Wirkung verliert. Die Wertvorstellungen der Digital Natives18 wurden geprägt durch die freiheitlichen Ideen des Internets. Das System des aktuellen Urheberrechts ist für diese Generation nicht schlüssig, wodurch es zu immer mehr Urheberrechtsverletzungen im Internet kommt. Juristische Sanktionen sind in diesem Bereich nur schwer durchzusetzen, und verlieren dadurch ihren abschreckenden Charakter. Durch die große Menge an Urheberrechtsverletzungen, und deren Akzeptanz in einem Großteil der Gesellschaft, zeigt sich, dass das Urheberrecht in seiner aktuellen Form versagt [45, S. 47 f]. Ein wichtiger Punkt für folgende Überlegung ist, dass es bei der Methode der Aneignung nicht um wirtschaftliche Ausbeutung oder Piraterie geht, sondern um künstlerische Weiterentwicklung. Doch die rechtliche Ungewissheit, die zur Zeit herrscht, blockiert die Kreativität und verhindert, dass Neues geschaffen werden kann. Lessig meint, dass Copyright-Restriktionen erst bei der kommerziellen Weiterverwendung zum Tragen kommen sollten.19 Dies würde rechtlich gesehen bedeuten, dass jeder die Möglichkeit hat, fremde Werke dahingehend zu bearbeiten und manipulieren, dass daraus neue Werke entstehen. Weiters würde auch einer nicht kommerziellen Veröffentlichung dieses neuen Werkes nichts im Wege stehen. So könnten alternative Meinungen, Ansichten zu einem Werk, einem Thema, verbreitet werden. Hinzu kommt, dass das Urheberrecht, wie es heute vorliegt, nicht den Nutzergewohnheiten und verwendeten Technologien entspricht. L. Lessig zitiert J. Litman in [51]: Technology, heedless of law, has developed modes that insert multiple acts of reproduction and transmission – potentially actionable events under the copyright statue – into commonplace daily transactions.“ with the result that, „Most of us can no longer spend even an hour without colliding with the copyright law“. Eine mögliche Entwicklung der Urheberrechtsproblematik kann sein, dass die Praxis des Remixens irgendwann als normal angesehen wird. Dies wird 18 Als Digital Natives wird die Generation bezeichnet, die mit Computer und Internet aufgewachsen ist. 19 Aus: http://www.slideshare.net/TrendBuero/wie-organisiert-man-sozialen-reichtum. 3. Netzkultur und Found Footage Filme 33 sowohl rechtliche, als auch wirtschaftliche Änderungen mit sich bringen. Eine wünschenswertere Entwicklung des Urheberrechts ist jedoch eine neue, dem digitalen Zeitalter angepasste (klare) rechtliche Situation, welche gleichermaßen die Interessen der Urheber und der Verwerter, als auch die der Remixer und Konsumenten berücksichtigt. Wünschenswert ist auch eine global gültige Lösung für die rechtliche Situation des Urheberrechts, da das World Wide Web weltumspannend ist, die momentane Urheberrechtssituation ist es jeoch nicht. 3.4 3.4.1 Was ist der Found Footage Film durch die Netzkultur heute? Einleitung YouTube bietet Usern auf einfache Art und Weise an, Videos zu veröffentlichen und zu verbreiten. Die Integration dieser Funktion war der Beginn eines neuen Trends: Videos mit Freunden und anderen Usern zu teilen. VideoSharing hat sich als zentrales Element der Netzkultur entwickelt. YouTube und andere Web 2.0 Anwendungen, wie Wikis oder Flickr, bieten ein Medienspeicherungs- und Distibutionsmodell an, bei dem das Grundprinzip der Zugang zu den Daten ist. Diese Webseiten haben die Art und Weise verändert, wie Medien weiterverwendet und verändert werden [88, S. 293 f]. 3.4.2 Remixkultur Eine wichtige Entwicklung in diesem Zusammenhang ist die Entstehung einer Remixkultur. Dieser Begriff bezieht sich auf eine Gesellschaft, die dazu ermutigt, neue Werke durch das Rekombinieren und Bearbeiten von existierenden Werken zu erschaffen [24, S. 133 f]. Eine Praxis des Remixing kann nur dann entstehen, wenn Medienobjekte in einer Gesellschaft in folgender Form verfügbar sind: Sie müssen preiswert und weit verbreitet, und somit für eine breite Gesellschaftsschicht zugänglich sein. Ihre Bearbeitung darf nicht als Tabu- oder Rechtsbruch gesehen werden, und sie muss auch im physischen Sinne möglich sein. Durch das Internet im Allgemeinen, und Plattformen wie YouTube im Speziellen, hat man die Möglichkeit, jederzeit digital auf vielfältiges Material zugreifen zu können, und das ohne besondere Einschränkungen. Durch die Verwendung von Creative Commons Lizenzen, und dem Ignorieren rechtlicher Hürden in den vergangenen Jahren, wurden dieselben Hürden auch gesenkt. Weiters können mittlerweile auch Standard-Computer relativ günstig erworben werden, und erzielen bei der Bearbeitung von digitalem Material Ergebnisse in guter Qualität [91, S. 2 ff]. Durch diese Entwicklungen konnte in den letzten Jahren eine Remixkultur entstehen. 3. Netzkultur und Found Footage Filme 3.4.3 34 Über die Filmschaffenden Da man früher zum Schneiden von Filmen technisches Know-How und relativ teures Equipment benötigte, war es vor allem jenen Menschen möglich Found Footage Filme zu erzeugen, die professionell mit Film arbeiteten. Da heute jeder im Besitz eines Standardcomputers die Möglichkeit hat, aus der Rolle des passiven Konsumenten, in die des aktiven Produzenten zu schlüpfen, entsteht ein Großteil der Found Footage Filme im Amateurbereich. Begonnen hat diese Entwicklung bereits mit der Einführung des Videorekorders und der VHS-Kassette. Durch File-Sharing-Plattformen (siehe 3.3.2) wurde der selbstverständliche Umgang mit urheberrechtlich geschützten Daten erschaffen. Die Praxis des „Remixens“ wurde durch Blogs und Social Community Seiten immer mehr zum Standard. User verlinken, zitieren, teilen, remixen und veröffentlichen Inhalte aus dem Internet und schaffen somit die Selbstverständlichkeit, Inhalte selbst zu erstellen und aus ihrem ursprünglichen Kontext zu nehmen. Diese Entwicklung liefert eine wichtige Grundlage für die Erstellung von User-generierten Inhalten und somit auch für die Entwicklung der Found Footage Filme innerhalb der Netzkultur [74]. Durch die ständige Verfügbarkeit von Videomaterial, die einfacheren Produktionsmöglichkeiten auf Computern und die Distributionsmöglichkeiten durch das Internet, ist ein Anstieg in der Zahl der Found Footage Filmen zu bemerken. Der Musiker Gregg Gillis (alias Girl Talk) bemerkt hierzu in [34, Min. 02:34 - 02:44]: If people were passing out paints on the street for free every day, I’m sure there’d be a lot more painters out there, [...] That’s exactly what’s happening right now with remix culture on the internet, [...] Der Anstieg der Personen die Found Footage Filme erzeugen, und somit auch die Anzahl der Found Footage Filme selbst, sind also zurückzuführen auf die Tatsache, dass das Internet das Material, und die technischen Möglichkeiten dazu, zur Verfügung stellt. 3.4.4 Über die Motivation Auch die Beweggründe für die Erstellung eines Found Footage Films oder Video Remixes haben sich geändert. Während früher Found Footage Filme vor allem einen kritischen oder künstlerischen Ansatz verfolgten, steht heute vielmehr die soziale Komponente im Vordergrund. Auf Online-Plattformen gibt es immer eine Art des sozialen Feedbacks. Man kann Videos bewerten und kommentieren, und man sieht wie oft ein Video aufgerufen wird. Somit werden jene Inhalte, die von der Community gern gesehen werden, honoriert [27, S. 31]. Durch den Wunsch nach sozialer Anerkennung, kommt es dazu, dass ein großer Teil der Video-Remixe auf YouTube Material verwenden, welches 3. Netzkultur und Found Footage Filme 35 bereits Kultstatus besitzt. Dabei kann es sich um berühmte Filmausschnitte, Fernsehaufzeichnungen oder Ähnliches handeln, oder aber um Inside-Jokes innerhalb einer Community, und Internet Legenden.20 Durch den hohen Status des Ausgangsmaterials, verbreiten sich diese Remixe schnell im Internet, da die Inhalte bei den Usern bereits bekannt sind. Beispielhaft hierfür sind Trailer-Mash-Ups (wie der in Abschnitt 2.2.6 erwähnte shining), welche auf YouTube sehr beliebt sind, und sogar als „YouTubes unique artform“ [110] bezeichnet werden. Im Unterschied zu den eben genannten Beispielen, mit einem sehr breit gefächerten Zielpublikum, gibt es auch Filme, die für ein spezielleres Publikum gemacht sind. Dazu zählen insbesondere Fan-Videos, die an andere Gleichgesinnte gerichtet sind. In der Fan-Kultur spielte Partizipation schon immer eine wichtige Rolle: Man wird nicht ein „Fan“ weil man eine bestimmte Serie regelmäßig sieht, sondern weil man das Gesehene in eine Art kulturelle Aktivität verwandelt. Man tauscht Gefühle und Gedanken über die Serie aus, tritt einer Gemeinschaft bei. Durch das Fantum entwickeln viele Fans professionelle Fähigkeiten, z. B. im Bereich des Video Editing [42, S. 41 f]. Die Motivation für die Erstellung dieser Videos entsteht durch das Teilhaben an einer Community, und durch das Fantum selbst [50, S. 77 ff]. Besondere Erwähnung gilt in diesem Zusammenhang den Anime Music Videos (AMV). AMVs sind, wie der Name schon sagt Musikvideos, die aus Sequenzen oder Bildern von Anime-Produktionen bestehen. Beachtenswert in diesem Zusammenhang ist die Große Community, die sich rund um AMVs gebildet hat. Es gibt zahlreiche Websiten21 und Foren zum Thema, auf denen die AMV Editors (also die Erzeuger von AMVs) ihre Arbeiten und sich selbst vorstellen, Feedback austauschen und Hilfestellungen anbieten. Ein wichtiges Kriterium für die Erstellung von AMVs ist die Auswahl des Musikstücks, und dass die Stimmung des Liedes im Video eingefangen wird. Dabei gilt es insbesondere darauf zu achten, dass die ausgwählten Videosequenzen zur Aussage des Liedes passt, und dass der Schnitt auf den Beat abgestimmt ist. With You [112] erzählt zu dem gleichnamigen Musikstück von Sum41 eine Liebesgeschichte aus vielen verschiedenen Anime-Produktionen. Dabei wurden besonders emotionale Bilder verwendet und auf gleiche Bild-Text-Inhalte geachtet. So sieht man z. B. bei der Liedzeile „i hold on to this moment“ gleichzeitig mit dem Wort „hold on“ eine Hand nach der anderen greifen. Siehe Abbildung 3.3 (a und b). Soul Eater [90] ist ein AMV zu einem rockigen Hip-Hop Track der Band Styles of Beyond. Hier werden Kampfszenen aus unterschiedlichen Animes verwendet. Soul Eater schafft durch seinen schnellen Schnitt einen dynami20 Einer Internet Legende, auch „Mem“ genannt, wird durch ihre große Verbreitung ein ikonischer Status zugeschrieben. 21 Die bekannteste Website über AMVs: http://www.animemusicvideos.org. 3. Netzkultur und Found Footage Filme 36 (a) (b) (c) (d) Abbildung 3.3: AMVs: Emotionaler Bildeinsatz (a) und synchroner BildText-Inhalt (b) bei With You. Kampfszenen werden durch schnellen Schnitt und Bild in Bild Montage in Soul Eater zu einem dynamischen AMV geformt (c und d). Abbildung (a und b) aus [112] und (c und d) aus [90]. schen, energetischen Eindruck. Im Gegensatz zu With You finden hier auch Bild in Bild Montagen22 statt, welche effektvollere Szenenübergänge ermöglichen. Siehe Abbildung 3.3 (c und d). Diese beiden Videos stehen beispielhaft für eine Vielzahl von AMVs. Sie zeigen die Hingabe und den Zeitaufwand, die die Fans in die Erstellung dieser Videos investieren, und lassen eine sorgfältige und hochwertige Umsetzung erkennen. Ein Grund für die Erstellung von Filmen mit fremden Material ist eine „politische“ Motivation. So hat sich sogar ein eigenes Genre entwickelt. McIntosh prägte in diesem Zusammenhang den Begriff Political Remix Video. Politisch ist in diesem Sinne laut McIntosh folgendermaßen zu verstehen: Political Remix Video (PRV) is a genre of transformative DIY media production whereby creators critique power structures, deconstruct social myths and challenge dominate media messages through re-cutting and re-framing fragments of mainstream media and the popular culture.23 Es ist ein aktuelles Phänomen, dass User Medieninhalte nicht mehr nur 22 Die Bild in Bild Montage ist ein charakteristisches Merkmal für digital erzeugte Found Footage Filme. Sie wird unter dem Stichwort „Spatial Montage“ in Abschnitt 3.4.6 näher behandelt. 23 http://www.politicalremixvideo.com/what-is-political-remix/ 3. Netzkultur und Found Footage Filme 37 konsumieren, oder auf sie reagieren, sondern sie verwenden sie auch gegen die Medien selbst, um deren Macht abzuschwächen [14, S. 6]. Begonnen hat diese Entwicklung bereits mit der Einführung des Videorekorders, wo Medieninhalte auf einmal einfach zur Weiterverarbeitung zur Verfügung standen. Laut einer Untersuchung der CSM24 über die Verwendung von urheberrechtlich geschützem Material in Usern-generierten Online-Videos, ist die häufigste Verwendungsform von urheberrechtlich geschütztem Material in neuen Werken die, der Satire oder Parodie.25 Hinzu kommt, dass diese Art der Videos sehr beliebt sind und sich dadurch schnell weiterverbreiten. Diese Videos werden von den Usern dazu erstellt, um sich über die Massenmedien, Stars oder Politiker lustig zu machen und um Missstände zu kritisieren [14, S. 6]. 3.4.5 Über die Arbeitsweise Durch das Internet stehen bei der Materialbeschaffung und Verbreitung von Found Footage Filmen völlig neue Wege offen. Digitale Daten können leichter und kostengünstiger beschaffen werden, und auf einfachere Art und Weise der globalen Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden, als dies bei analogen Filmen der Fall ist. Neu ist, dass mit Hilfe des Internets der ganze Produktionsprozess am Computer durchgeführt werden kann. Die mühevolle Recherche in Filmarchiven, oder die Materialbeschaffung auf Flohmärkten, wird ersetzt durch den Zugriff auf Archive, die ihre Arbeiten online zur Verfügung stellen. Oder das Material wird von Filesharing-Plattformen oder Video-Plattformen, wie YouTube bezogen. Diese Vereinfachung in der Materialbeschaffung ermöglicht mehr Kreativität bei der Erstellung von Found Footage Filmen, wie Vicky Bennet schreibt [106]: Because [accessing work from the Internet] is so easy, it is possible to explore far more ideas than in the traditional archive/library situation, and thinking is a lot freer whereas many librarians and archivists are far too paranoid and protective, fearing that use of content equals loss rather than gain.26 Weiters ist die Bearbeitung von Videos, durch Schnittprogramme am Computer, leichter geworden. Es gibt sogar Tools, die das Schneiden von Videos online ermöglichen. Diese so genannten Remixer ermöglichen die Bearbeitung, von digitalisierten Filmen, Bildern, Grafiken und Audiomaterial.27 24 Center for Social Media Die Parodie ist die verzerrte, übertriebene oder verspottende Nachahmung eines bekannten Werkes oder Person. Die Satire prangert Missstände in der Gesellschaf oder mangelhafte Tugenden an, und kann sich dabei der Parodie bedienen. 26 Auszug aus einem Email von Vicky Bennett an Tilly Walnes. 27 Beispiele für Remixer sind z. B. http://www.moviemasher.com/ und http://www. masher.com/. 25 3. Netzkultur und Found Footage Filme 38 Ein Vorteil bei der digitalen Bearbeitung ist, dass sich die Daten ohne Aufwand beliebig oft duplizieren lassen. Bei der Arbeit mit analogem Film, mussten entweder „Sicherungskopien“ des Materials gemacht werden, oder man riskierte einen Fehler zu machen, der vielleicht nicht mehr zu korrigieren ist. Bei der Arbeit mit analogem Video musste viel Zeit in die Planung gesteckt werden. Die einzelnen Ausschnitte mussten in einer bestimmten Reihenfolge auf das Master-Tape gespielt werden. Sollte sich im Nachhinein etwas an der Reihenfolge ändern, müssen alle Teile danach wieder neu aufgenommen werden. Durch die Digitale Arbeitsweise haben mehr Menschen die Möglichkeit Found Footage Filme zu erstellen. Filmemacher können mehr experimentieren und sind flexibler im Arbeitsprozess [106]. Jedoch auch ein messbarer Qualitätsverlust beim Upload auf VideoPlattformen durch die Komprimierung zu bemerken. Auch Onlinearchive bieten die Daten meist nur in komprimierter Form an. Da sich Videos oft durch wiederholtes Down- und Uploaden verbreiten, kann es mitunter zu starkem Qualitätsverlust kommen. Die geringere Qualität des Materials gegenüber dem Originalmaterial wird beim Found Footage Films oft bewusst eingesetzt, als Kritik an z. B. „überteuerten“ Hollywoodproduktionen. Bei der Verwendung von Videos aus dem Internet, ist die geringe Qualität oft einfach ein unvermeidbares Resultat des digitalen Produktionsprozesses. Eine Arbeit, die genau diese Tatsache thematisiert, ist Extension of Human Sight (2007) [30] und Extension of Human Sight Part II (2008) [31] von Andreas Zingerle. Dabei wird ein Teil eines Gespräches zwischen David Sarnoff (Chairman of the board of RCA) und Dr. Vladimir Zworykin (Vice President of RCA (Hon.), Techn. Consultant of RCA) geloopt, in dem sie den Fortschritt des Fernsehens betonen. Die audiovisuelle Qualität des Videos verschlechtert sich mit der Dauer des Videos, also mit der Anzahl der Wiederholungen. Die Effekte, die dabei zu beobachten sind, wurden durch eine schlechte Datenkompression verursacht, welche immer wieder auf dasselbe Video angewendet wurde. Es sind dieselben Effekte, die man auch bei vielen online Videos sehen kann. Extension of a Human Sight setzt sich mit den Merkmalen der aktuellen Mediensituation im Internet auseinander.28 Videomaterial verbreitet sich und wird mit jedem Upload wieder neu komprimiert. Die (vermeintlich) fortschrittliche Entwicklung des Mediums (Internet) führt zu einer immer schlechteren Bildqualität. Siehe Abbildung 3.4. Durch die rasche Verfügbarkeit von Medieninhalten, meist bereits unmittelbar nach deren Veröffentlichung, und nicht selten sogar schon davor, bietet das Internet die Möglichkeit, so zeitnah wie noch nie, auf ein Ereignis zu reagieren, und eine Vielzahl an Menschen zu erreichen. Ein Beispiel, welches zeigt wie schnell es zu Remixen von Medieninhalten kommen kann, ist die McCain Green Screen Challenge (auch Stephen Colberts make McCain exciting Challenge). Nach dem McCains Kanditatur 28 Aus http://www.triggermedia.net/az08/index.php?Solargrafica-11. 3. Netzkultur und Found Footage Filme (a) 39 (b) (c) Abbildung 3.4: Extension of Human Sight (a und b) und Extension of Human Sight Part II (c) von Andreas Zingerle. David Sarnoff: „We succeeded in extending human sight far beyond the horizon.“ Vladimir Zworykin: „Yes, this is wonderful thing about television. The extension of our sight.“ Abbildung (a und b) aus [30] und (c) aus [31]. (a) (b) Abbildung 3.5: 3. Juni 2008: McCains Rede vor einem grünen Hintergrund (a). 5. Juni 2008: Remix aus McCains Rede, mit Musikern im Hintergrund die traurige Musik spielen (b). Abbildung (a) aus [21] und (b) aus [55]. bei der Präsidentschaftswahl am 3. Juni 2008 offiziell gemacht wurde, hielt dieser eine Rede im Fernsehen, vor einem grünen Hintergrund stehend. Siehe Abbildung 3.5 (a). Am Tag darauf forderte der Komiker Stephen Colbert die Zuseher seiner Fernsehsendung The Colbert Report zum Bearbeiten dieses Videos durch das Ersetzen des grünen Hintergrundes auf und kündigt an, dass es ab 5. Juni eine Downloadmöglichkeit der Rede auf der Website der Fernsehshow geben wird [21]. Bereits am ersten Tag gab es auf YouTube einen Upload [55], in dem der Hintergrund durch zwei Musiker ersetzt wurde. McCains Rede wird nun von trauriger Musik begleitet. Siehe Abbildung 3.5 (b). In den nächsten Tagen, Wochen und Monaten folgte eine Vielzahl an Uploads, die allesamt Colberts Aufruf folgten. Bei diesem Beispiel darf nicht vergessen werden, dass der mediale Aufruf in Colberts Fernsehsendung hier bestimmt als Katalysator gedient hat. Trotzdem zeigt es, wie schnell Medieninhalte im Internet geremixt werden können. Oft stellen Künstler und User ihre Arbeiten explizit für neue Remixe zur 3. Netzkultur und Found Footage Filme 40 (a) (b) (c) (d) Abbildung 3.6: Einzelbilder aus This is Sparta! Last techno remix. Abbildungen aus [100]. Verfügung. Dies kann z. B. durch die Verwendung von Creative Commons Lizenzen geschehen. Oliver Laric hat bei seinem Werk Touch My Body (Greenscreenversion) (siehe Abschnitt 4.3.2) den gesamten Hintergrund durch eine einheitlich grüne Farbfläche ersetzt. Dadurch hat er eine optimale Grundlage zur Weiterverarbeitung des Videos durch die Keying-Technik geschaffen. Touch My Body (Greenscreenversion) stellt damit eine explizite Aufforderung zum Remixen des Videos dar. Oft kommt es jedoch auch ohne einer Aufforderung, oder einer konkreten Erlaubnis, zum Remixen von Remixen. Beispielhaft hierfür stehen zahlreiche Remixe aus einer Sequenz von 300 [3]. Sie alle basieren auf einem musikalischen Remix von Funtastic Power!,29 der die Textzeile „This is Sparta“ des Hauptdarstellers aus 300 verwendet. All diese Remixe wurden wiederum in weiteren Remixen verwendet. YouTube liefert dadurch selbst das Ausgangsmaterial für seine eigenen Inhalte. Siehe Abbildung 3.6. 29 Offizielle Website von Fantastic Power!: http://www.keaton-world.com/music.html. 3. Netzkultur und Found Footage Filme (a) 41 (b) Abbildung 3.7: Einzelbilder aus The Remote Controller (2003). Abbildungen aus [99]. 3.4.6 Über die Ästhetik Die Arbeit am Computer mit Schnittprogrammen ermöglicht eine neue Art der Montage. Während bei der analogen Erstellung von Found Footage Filmen die Sequenzen meist zeitlich hintereinander montiert werden, ist durch Schnittprogramme am Computer die räumliche Montage von Bildern innerhalb eines Frames auf leichte Weise möglich. Lev Manovich nennt diese Art der Montage „Spatial Montage“.30 Sie ist charakteristisch für digital erstellte Found Footage Filme. Tilly Walnes erwähnt in diesem Zusammenhang in [106] das Werk The Remote Controller (2003) [99] von Vicki Bennetts (alias People Like us). Bennett benutzt in The Remote Controller, sowie in ihren anderen Found Footage Filmen, Ephemeral Filme,31 die sie raffiniert innerhalb des Bildausschnittes monitert. The Remote Controller stellt die Interaktion zwischen dem menschlichen Körper und teschnischen Geräten dar. Siehe Abbildung 3.7. Durch die digitale Produktion ist der Einsatz der Spatial Montage, und das Montieren von unterschiedlichen Quellen, Bild – Bewegtbild, Schwarz/Weiß Filme – Farbfilme, Vintage Footage – Animationsfilm, zum Standard geworden. So hat sich eine neue Ästhetik für (einen Teil) Found Footage Filme entwickeln können [106]. Weiters hat auch die Veröffentlichung und Verbreitung der Found Footage Filme im Internet einen Einfluss auf dessen Ästhetik. Man erreicht nun ein vielschichtigeres Publikum, als durch Ausstellungen in Museen und Galerien, oder durch das Vorführen bei Screenings und Festivals. Die neue Art der Found Footage Filme sind nicht mehr unbedingt für die Kunstwelt gemacht, 30 31 Mehr dazu in [53]. Definition siehe Abschnitt 2.1. 3. Netzkultur und Found Footage Filme 42 sondern vielmehr für die breite Öffentlichkeit gedacht. Das veränderte Zielpublikum bringt eine Veränderung der Found Footage Filme mit sich. Viele Found Footage Filme orientieren sich hinsichtlich Bearbeitungskonventionen und Erzähltechniken an den Normen der Massenmedien, um damit die Sehgewohnheiten der breiten Massen anzusprechen [56, S. 54 f].32 Doch auch die Tatsache, dass viele Filmschaffende nun User sind, die keinen künstlerischen oder technischen Background im Bezug auf die Erstellung von Filmen oder Videos haben, spielt hier eine Rolle. So entstehen viele Found Footage Filme, welche den Bildern der Medienwelt gleichen. 3.4.7 Über die Thematik McIntosh bemerkt über die Anpassung der Found Footage Filme an die Sehgewohnheiten der breiten Masse folgendes [56, S. 55 f]: The disadvantage of this form and style is that it makes deeper, more complex social, political and cultural analyses difficult in the same way that such substantial analysis is made nearly impossible in the mass media. [...] because there is no time to give context, subtlety or history. This is a potential limitation for the genre as it stands, making it more difficult (though not impossible) to subtly remix on topics such as gender, class, sexuality, and race. Durch die Spatial Montage lassen sich, wie The Remote Controller zeigen konnte, komplexere Bildinhalte darstellen. Jedoch erfährt der Found Footage Film durch die Anpassung an die Sehgewohnheiten der User Limitationen. 3.5 Negative Auswirkungen auf den Found Footage Film Trotz der vielen positiven Entwicklungen, die stattgefunden haben, sind auch negative Aspekte zu beobachten, die durch die digitalisierte Arbeitsweise und dem Einsatz des Mediums Internet für die Materialbeschaffung sowie die Veröffentlichung und Verbreitung der Found Footage Filme entstanden sind. 3.5.1 Über den Umgang mit dem Material Neben all den positiven Aspekten, die sich bei der digitalen Produktion von Found Footage Filmen ergeben, wird dabei ein wichtiger Aspekt ausgeschlossen: die Bearbeitung des physischen Materials [106]. Während es für traditionelle Found Footage Filme Macher wie Peter Tscherkassky (siehe 4.2) zum 32 Im Unterschied zur Übernahme der Konventionen der Massenmedien zum Zweck der Kritik. Siehe Abschnitt 2.5.2. 3. Netzkultur und Found Footage Filme 43 grundlegenden Aspekt gehört, das Material in seiner physischen Form in den Film mit einzubringen, geht diese wichtige Erfahrung bei der digitalen Produktion verloren. Der radikale Akt, den Filmstreifen zu zerschneiden, oder diesen durch Zerkratzen, Färben, Braten anderweitig zu verändern, geht dabei verloren. Diese Verändern des Materials geht auch einher mit dem Verändern und Aneignen des Ausgangswerkes [106]. 3.5.2 Über den Übergang des Found Footage Films zum Mainstream Durch die Popularität des Found Footage Films ist dieser auch zum Gegenstand von Geschäftsinteressen, und somit eine Grundlage für neue Geschäftsmodelle von kommerziellen Internetdienstanbietern geworden. Die online verfügbaren Dienste zum Erstellen von Found Footage Filmen, richten sich in erster Linie an Amateure. Fast alle der frei zugänglichen RemixAnwendungen sind in Communities eingebunden, die damit in erster Linie wirtschaftliche Ziele verfolgen. Ein weiters Beispiel ist das Creative Archive Projekt33 der britischen Rundfunkanstalt BBC. Es entstand 2005 als Zusammenschluss von BBC, dem bfi (British Film Institute), Channel 4 und der Open University. Das Projekt wurde 2006 beendet, und hat bis dahin 500 Werke unter der eigens entwickelten Creative Archive Licence veröffentlich. Lionsgate Films bewarb den Filmstart von Saw V (2009) [82] mit einem Remixwettbewerb. Die Teilnehmer sollten aus vorhandenen Trailern neue Trailerversionen erstellen. Dafür gab es eigens auf dem YouTube-Kanal von Lionsgate ein „Mashup Tool“ [107, S. 381]. Der Gewinner des Wettbewerbes erhielt Tickets für eine Lionsgate Horror Film Premiere und eine Reise nach LA. Ziel dieses Wettbewerbs war die Promotion für den neuen Film [107, S. 381]. Das Creative Archive von BBC, der Remixwettbewerb von Lionsgate Films und ähnliche Projekte sind zwar ein Zeichen dafür, dass ein Umdenken der Medien im Hinblick auf Found Footage Filme und Archive passiert – nämlich dass die Öffentlichkeit mehr als aktiver User denn als Konsument angesehen wird – jedoch geht damit auch ein wichtiger Teilaspekt der Found Footage Filme verloren: Sich Filme anzueingen stelle schon immer einen Akt der Rebellion dar. Durch z. B. den „Einkauf“ von BBC, werden Found Footage Filme immer mehr Teil des Mainstreams und verlieren ein Stück ihres ursprünglichen Charakters [106]. 33 Offizielle Website des Creative Archive: http://www.open2.net/creativearchive/index. html. 3. Netzkultur und Found Footage Filme 3.5.3 44 Über die inhaltliche Qualität Jaime Weinman schreibt in seinem Artikel The Rise of the YouTube Auteur [110], dass YouTube zwar dafür berühmt ist, dass jeder seine Arbeiten hochladen kann, die wirklich berühmten Videos auf YouTube aber von Professionellen erstellt werden, die Erfahrung mit Medien haben. Der Anwalt Charles Sims geht sogar soweit, die Praxis der Wiederverwendung von Materialen als Verschwendung der Talente von jungen Menschen zu bezeichnen. Einfach das Material zu verwenden, das „auf den Straßen zur Verfügung ist“, anstatt selbst zu produzieren, ist seiner Meinung nach ein Verkauf ihrer Talente unter dem eigentlichen Wert [50, S. 91]: I think that if you have young film people you should be encouraging them to make their films an not to simply spend all of their time diddling around with footage that other people have made at great expense, to create stuff that’s not very interesting. Lawrence Lessig hingegen meint, dass diese Form von Kritik von Menschen stammen muss, die wenig Wissen über die Entstehung eines Remix oder Mash-Up haben. Und weiters, dass es nicht darum geht, dass jeder Remix brillant ist, sondern vielmehr dass die Jugendlichen dabei mehr über eine Kultur lernen, als jene, die Material selbst erstellen [50, S. 91 ff]. 3.5.4 Über das Urheberrecht Sobald wir Kenntnis davon erlangen, dass ein Video oder ein Teil eines Videos auf unserer Site gegen die Urheberrechte Dritter verstößt, wird es gemäß den gesetzlichen Bestimmungen von der Seite entfernt. [...] Bei wiederholten Verstößen wird das Konto gekündigt.34 Das Entfernen von Videos durch YouTube, aufgrund von Urheberrechtsverletzungen, ist keine Seltenheit. Dies betrifft unbearbeitete Clips genauso, wie Videos, die fremdes Material benutzen, um aus ihnen ein neues, kreatives Werk zu schaffen. Bei der Entfernung von letzterem zeigen die User jedoch eine Reaktion, die eindeutig darauf hinweist, dass in der Gesellschaft bereits ein Umdenken im Bezug auf das Urheberrecht stattgefunden hat. Das Video zu Pogos35 Track Bangarang (2009) [15] wurde Ende August 2009 auf YouTube veröffentlicht. Bangarang ist ein raffiniertes Musikstück aus Sounds von Steven Spielbergs Hook [39]. Ein Monat nach der Veröffentlichung wurde das Video von der Video-Plattform entfernt, nachdem Sony 34 Offizielle Stellungnahme von YouTube. Aus: http://www.google.com/support/ youtube/bin/answer.py?answer=83756&hl=de-DE. 35 Offizielle Website von Pogo: http://www.pogomix.net/another-test/. 3. Netzkultur und Found Footage Filme 45 Pictures Entertainment dieses Video bei YouTube als Verletzung des Urheberrechts gemeldet hat. Als Reaktion auf diese Löschung begannen YouTube User Kopien des Videos upzuloaden, und riefen andere dazu auf es ihnen gleich zu tun. Damit setzten sie ein klares Zeichen: sie kritisieren und ignorieren die Vorgehensweise von YouTube, und die aktuelle Situation des Urheberrechts, im offenen Protest. Bangarang wurde, kurz nach dem Pogo eine Gegendarstellung bei YouTube eingereicht hat, wieder aktiviert.36 36 Vgl. http://www.pogomix.net/another-test/. Kapitel 4 Analyse einiger Found Footage Filme 4.1 Einführung An dieser Stelle werden anhand der Künstler Peter Tscherkassky und Christian Marclay – stellvertretend für den traditionellen Found Footage Film – und Oliver Laric und Ophir Kutiel – stellvertretend für den neuartigen Found Footage Film – die Auswirkung des Internets und der Netzkultur auf den Found Footage Film erörtert. Die Künstler Tscherkassky und Laric sind beide in Österreich geboren und für ihre bemerkenswerten Arbeiten mit Found Footage bis über die Grenzen Österreichs bekannt. Die Künstler Marclay und Kutiel wurden wegen der Ähnlichkeit ihrer Werke Video Quartet und ThruYOU gewählt. Durch die Gegenüberstellung der Vorgehensweise bei der Erstellung und Veröffentlichung der Arbeiten, und der Analyse der Werke, soll der Einfluss der Netzkultur auf den Found Footage Film veranschaulicht werden. Für die Gegenüberstellung fiel die Wahl deshalb auf Künstler, und nicht auf User, da von ihnen mehr Hintergrundinformationen, durch Statements, Interviews oder Publikationen, zu den Arbeiten existieren. Weiters lässt sich durch andere Arbeiten der Künstler auf bestimmte Vorgehensweisen und Motivationen schließen. Trotzdem, oder gerade wegen dieser Wahl, soll an dieser Stelle nochmals auf die besondere Bedeutung hingewiesen werden, die den Usern bei der Erstellung von Found Footage Filmen im heutigen Zeitalter zukommt. 4.2 Peter Tscherkassky Peter Tscherkassky wurde 1958 in Wien geboren. Er studierte Philosophie und Politikwissenschaft, und unterrichtet Filmpraxis an den Universitäten für angewandte Kunst in Wien und Linz. Er ist Gründungsmitglied der 46 4. Analyse einiger Found Footage Filme 47 Abbildung 4.1: Einzelbild aus Shot-Countershot (1987) von Peter Tscherkassky. Abbildung aus [87]. UFVA (Unabhängiger Film & Video Austria) (1984) und von sixpackfilm1 (1991). Peter Tscherkassky erhielt im September 2010 bei den 67. Filmfestspielen von Venedig2 den Kurzfilmpreis für sein neues Werk Coming Attractions (2010) [22]. Als Ausgangsmaterial für Peter Tscherkasskys Filme dient Found Footage, das meist aus Hollywoodproduktionen entnommen wird. Er gestaltet seine Filme in der Dunkelkammer mit Hilfe von Laserpointern und Taschenlampen als Lichtquellen für das Umkopieren des Filmes. Dieser handwerkliche Prozess hinterlässt Spuren, wie Kratzer, Schmutz und Unschärfe, die das filmische Material selbst betonen.3 Er versucht, den Film mit seiner ganz speziellen Stofflichkeit noch einmal sichtbar zu machen, in einer Zeit wo digitale Aufzeichnungstechniken den Film verdrängen [67]: Gleichzeitig ist aber doch die Materialität das ganz Zentrale, Wichtige, mit dem diese Internetgeneration nicht mehr vertraut ist: die Perforationslöcher, die Handbeschriftungen. Und bei dem Film sieht man sehr schön, wie Filmmaterial schrumpft; das organische Moment, das mit dem Elektronischen verloren geht. 4.2.1 Shot-Countershot (1987) Der Kurzfilm Shot-Countershot [87] dauert nur etwa 30 Sekunden. Das Ausgangsmaterial ist ein alter Westernfilm. Man sieht einen Cowboy schießen, doch anstatt des filmischen Gegenschusses auf den Beschossenen, prallt das Projektil am Bildrand ab und trifft den Cowboy selbst. Siehe Abbildung 4.1. 1 Offizielle Website von sixpackfilm: http://sixpackfilm.com/. Offizielle Website der Filmfestspiele: http://www.labiennale.org. 3 Aus: http://www.schwarzwaelder.at/html_dt_engl/aktuell/PeterTscherkassky.html. 2 4. Analyse einiger Found Footage Filme 4.2.2 48 Happy End (1996) Das Ausgangsmaterial für Happy End [35] stammt aus einem Altwarenladen. Happy End zeigt ein Ehepaar, „Elfriede und Rudolf“, bei gemeinsamen Feiern in ihrer Wohnung zwischen den frühen 60er Jahren bis ins Jahr 1980. Es ist zu sehen, wie das Ehepaar Trinken einschenkt, sich zuprostet, Kuchen anschneidet und trink. Siehe Abbildung 4.2 (a und b). Die Musik, die dazu gespielt wird ist Bonbons, Caramels, Esquimaux, Chocolats (1952), ein fröhlicher Chanson von Annie Cordy. Mit der Dauer des Videos, und der Menge des Alkohols, den das Ehepaar getrunken hat, beginnen sich die Bilder zu überlagern und zu vermischen. Über das Chanson wird ein anderes, schwereres Musikstück, Michel Chions Requiem aeternam (1972/73) gelegt.4 Durch die Überlagerung der Bilder, das Zittern der Bilder der Handkamera und dem seltsam scheinenden Vermengen der Musik, wird ein Sinnesrausch visualisiert. Einerseits zeigt sich hier der Rausch des Alkohols, anderseits lässt sich an dieser Stelle im Film auch Lust und Sinnlichkeit erkennen. Siehe Abbildung 4.2 (c und d). Happy End lässt gewisse Muster im Verhalten der beiden „Darsteller“ erkennen. Erwähnenswert ist hierbei besonders die Tatsache, dass sich beide immer wieder direkt an die Kamera wenden. Siehe Abbildung 4.2 (b). 4.2.3 L’arrivèe (1998) Zu Beginn des Filmes L’arrivèe [48] ist die Ankunft eines Zuges zu sehen. Dieser stößt jedoch mit seinem Spiegelbild zusammen, was zu einer Materialschlacht führt. Tonspuren und Perforationsbahnen werden überlagert und kreuzen sich, das Material wird zerschnitten und in Negativbilder verwandelt. Die Perforationslöcher erinnern dabei an Zugschienen und an das Entgleisen des Zuges. Aus den Trümmern steigt eine schöne Frau (Catherine Deneuve), die sehnsüchtig von einem Mann(Omar Sharif) in die Arme geschlossen wird. Das Ausgangsmaterial von L’arrivèe ist ein 3 Minuten langer Trailer des Films Mayerling (1968) [54]. Durch Drehen des Filmstreifens, kommt der Zug von rechts nach links ins Bild. Tscherkassky schafft somit einen Verweis auf die Anfänge des Filmes – auf L’arrivée d’un train à La Ciotat (1896)5 [49] der Lumière Brüder. Siehe Abbildung 4.3. 4.3 Oliver Laric Oliver Laric, geboren 1981 in Innsbruck, lebt und arbeitet in Berlin. Von 2000 bis 2005 studierte er an der University of Applied Art Vienna. Er ist 4 Vgl. http://www.tscherkassky.at/inhalt/films/dieFilme/Happy-End.html. L’arrivée d’un train à La Ciotat ist einer der ersten öffentlich vorgeführten Filme der Geschichte. Er zeigt die Einfahrt eines Zuges am Bahnsteig. 5 4. Analyse einiger Found Footage Filme 49 (a) (b) (c) (d) Abbildung 4.2: Einzelbilder aus Happy End (1996) von Peter Tscherkassky. Elfriede und Rudolf prosten sich (a) und der Kamera zu (b). Bildüberlagerungen gegen Ende des Films (c und d). Abbildungen aus [35]. Mitbegründer der Plattform VVORK.6 Oliver Larics Arbeiten sind geprägt durch die Manipulation und Rekonstruktion der Populärkultur und der Populärmedien, allen voran YouTube. Als Ausgangsmaterial für seine Arbeiten dienen ihm Musikvideos, Bilder, und User-generierte Inhalte. Dabei verwendet er Video-Plattformen wie YouTube zur Materialbeschaffung und auch als Präsentationsplattform. 4.3.1 50 50 (2007) 50 50 [4] ist ein Video aus 50 YouTube-Videos, in denen sich User zu dem Track In Da Club von 50 Cent aufgenommen haben. Die User rappen, oder/und stellen das Musikvideo von In Da Club nach. Laric schneidet diese 50 Videos so zusammen, dass sie gemeinsam eine vollständige Performance des Tracks ergeben. Siehe Abbildung 4.4. 6 Offizielle Website von VVORK: http://www.vvork.com/. 4. Analyse einiger Found Footage Filme 50 (a) (b) (c) (d) Abbildung 4.3: L’arrivèe von Peter Tscherkassky. Ankunft des Zuges (a) und Zusammenstoß mit seinem Spiegelbild (b und c). Bildausschnitt aus L’arrivée d’un train à La Ciotat(1896) der Lumière Brüder (d). Abbildung (a - c) aus [48] und (b) aus [49]. 4.3.2 Touch My Body (Greenscreen Version) (2008) Oliver Larics Touch My Body (Greenscreen Version) [102] ist eine Version des Musikvideos Touch My Body von Mariah Carey, in dem nur die Sängerin Mariah Carey selbst zu sehen ist. Der restliche Bildinhalt wurde dabei Frame für Frame – für etwa 5000 Frames – durch einen einheitlichen, grünen Hintergrund ersetzt. So stellt es eine perfekte Vorlage für weitere Remixe durch Chroma-Keying dar. Dieses Video wurde von Laric auf YouTube veröffentlicht. Dort haben andere YouTubeUser, darunter auch Künstler, Larics Idee aufgegriffen und weitere Remixe erstellt, welche ebenfalls auf YouTube hochgeladen wurden. Mittlerweile existieren zahlreiche weitere Versionen von Larics Touch My Body (Greenscreen Version). 4.4 Gegenüberstellung Tscherkassky – Laric Der offensichtlichste Unterschied beim Vergleich der Arbeiten von Peter Tscherkassky und Oliver Laric ist visueller Natur: Tscherkassky arbeitet mit altem Filmmaterial, das er auf Flohmärkten kauft (Happy End ) oder ersteigert (L’arrivée). Seine Found Footage Filme wirken sehr experimentell und lassen die Liebe und Sorgfalt erkennen, mit denen er seine Werke erstellt. Laric hingegen arbeitet mit Videoclips, die er auf YouTube oder im Inter- 4. Analyse einiger Found Footage Filme 51 (a) (b) (c) (d) Abbildung 4.4: 50 50 (2007) von Oliver Laric (a, b, c und d). Abbildungen aus [4]. net findet. Seine Found Footage Filme wirken im Vergleich zu Tscherkasskys Arbeiten eher reduziert. Jedoch darf man hierbei nicht vergessen, wie viel Arbeit es gewesen sein muss, für Touch My Body (Greenscreen Version) bei 5000 Frames den Hintergrund zu entfernen. Dies lässt durchaus eine Hingabe für seine Werke erkennen. Das Ausgangsmaterial beider Künstler entstammt aus dem Medium, in dem sie arbeiten, und sie führen das fertige Werk wieder in das selbe Medium zurück. Laric stellt seine Werke, für jeden frei zugänglich, im Internet zur Verfügung. Darüber hinaus werden seine Arbeiten aber auch in Museen oder Galerien ausgestellt. Tscherkassky hingegen erschafft seine Filme fürs Kino. Seine Filme tauchen jedoch immer wieder auf YouTube oder anderen Plattformen auf. Tscherkassky, der in seinen Filmen stets auf die Materialität des Filmes hinweist, bedauert [67]: [...] dass die Leute diesen fundamentalen Unterschied nicht begreifen zwischen dem, was sich hier im Kino mit einer ganz spezifischen Materialität ereignet und dem, was davon im Netz übrig bleibt, wenn überhaupt irgendetwas übrig bleibt. Die behandelte Thematik der Werke scheint auf den ersten Blick sehr 4. Analyse einiger Found Footage Filme 52 (a) (b) (c) (d) Abbildung 4.5: Touch My Body (Greenscreen Version) von Oliver Laric (a) und die Weiterverarbeitung von anderen YouTube-Usern (b, c und d). Abbildungen aus [102]. unterschiedlich zu sein. Einerseits gibt es einen Zug, einen Cowboy und ein Ehepaar bei Tscherkassky, andererseits eine Popdiva und junge MöchtegernRapper bei Laric. Auf den zweiten Blick jedoch lassen sich Ähnlichkeiten ausfindig machen: Beide Künstler beschäftigen sich mit den grundlegenden Aspekten der Medien in denen Sie arbeiten. Tscherkassky verweißt mit L’arrivée auf die Anfänge des Kinos hin. Mit Shot-Countershot thematisiert er, auf ironische Weise, das aus der Filmwelt gebräuchlichen Begriffspaar Shot/Countershot (auch Shot/Reverseshot, oder Schuss/Gegenschuss) und führt es auf seine wörtliche Bedeutung zurück.7 Laric hingegen weißt mit 50 50 auf die aktuelle Mediensituation auf YouTube hin. Oft stößt man bei der Suche nach einem Musikstück nicht auf das Original, sondern auf ein von Usern produziertes Video, in dem ein oder mehrere User zu dem Musikstück, ähnlich wie bei Karaoke, singen. Oder aber auf ein Video, bei dem zwar der Ton tatsächlich vom Original stammt, dafür ist es aber mit Bildern oder Texten von YouTube Usern unterlegt worden. Diese Entwicklung greift er z. B. in 50 50 auf. Mit Touch My Body (Greenscreen Version) bezieht er 7 Gemeint ist dabei eine Reihe von Einstellungen, bei der sich die Protagonisten üblicherweise ansehen, die vor allem bei Dialogen oft verwendet wird. Dabei wird zuerst ein Protagonist gezeigt, dann der andere. So werden Aktion und Reaktion deutlich gemacht. Auch der Showdown in Western Filmen wird oft nach diesem Verfahren geschnitten. Mehr zu diesem Prinzip siehe z. B. in [17, S. 16 ff]. 4. Analyse einiger Found Footage Filme 53 sich auf die Praxis des Remixens, die die YouTube-User betreiben, und er schafft es sogar diese aktiv mit einzubeziehen. Weiters zeigen Happy End und 50 50 Menschen die sich selbst in ihren eigenen Wohnungen aufgenommen haben. Hier wird ersichtlich, wie sich das Verhältnis der „Darsteller“ zur Kamera entwickelt hat. Während das Zuprosten der Frau in Happy End noch als „keck“ empfunden wurde, wenden sich die Menschen in 50 50 selbstverständlich direkt zur Kamera. Ein bedeutender Unterschied liegt in der Ansichtsweise der beiden Künstler: Tscherkasskys Found Footage Filme stellen abgeschlossene, eigenständige Werke dar. Laric hingegen sieht seine Werke eher als Versionen von anderen Versionen. Diese stellen entweder die Aufforderung zum Remixen dar (Touch My Body (Greenscreen Version)), oder dienen ihm selbst als Vorlage für andere Arbeiten. So ist aus 50 50 im Jahr 2008 50 50 2008 [5] entstanden. 4.5 Cristian Marclay Christian Marclay, geboren 1955 in San Rafael, Kalifornien, wuchs in Genf, Schweiz auf. Von 1975 bis 1980 studierte an der École Supérieur d’Art Visuel in Genf, am Massachusetts College of Art, Boston, und an der Cooper Union, New York City. Seit Ende der 1970er Jahre setzt sich Marclay in Performances, Konzerten und Plattenaufnahmen mit Audiomedien auseinander. Ein weiterer wichtiger Bestandteil seiner Arbeit sind Installationen sowie Skulpturen. 4.5.1 Video Quartet (2002) Christian Marclay verwendet für sein Werk Video Quartet [105] rund 700 Ausschnitte aus Hollywood-Spielfilmen in denen Schauspieler auf Instrumenten Musik machen, Singen, Steppen oder Geräusche machen. Die Videos von vier synchronisierte DVDs werden auf vier Leinwände projiziert. Auf Jeder Leinwand ist ein Bildausschnitt zu sehen und man hört den jeweilige Ton dazu. Dadurch, dass die Inhalte abgestimmt aufeinander wechseln, entsteht ein raffiniertes, aber eigentümliches Musikvideo [113, S. 147], [16, S. 36]) und [37]. 4.6 Ophir Kutiel aka Kutiman Ophir Kutiel (alias Kutiman), ist Musiker, Komponist und Produzent. Er wurde 1982 in Jerusalem, Israel geboren. Er studierte an der Rimon School of Jazz and Contemporary Music in Ramat haScharon, Israel. Bekannt wurde er vor allem durch sein Projekt ThruYOU.8 8 Offizielle Website von ThruYOU : http://thru-you.com/. 4. Analyse einiger Found Footage Filme 54 Abbildung 4.6: Marclays Video Quartet (2002). Abbildung aus [16, S. 12]. (a) (b) Abbildung 4.7: The Mother of all Funk Chords von Kutiman. Abbildung aus [98]. 4.6.1 ThruYOU (2009) Kutiel verwendete für sein Projekt ThruYOU verschiedene, unabhängige YouTube-Videos von professionellen Musikern und Laien, welche er zu neuen Liedern/Videos komponierte. Die so neu entstandenen 7 Videos erlangten innerhalb weniger Wochen über 1 Million Views auf YouTube. Bei seinem Video Mother of All Funk Chords, das hier stellvertretend für die 7 Videos genannt wird, arrangierte er die einzelnen Clips in einem Splitscreen. Abwechselnd oder zeitgleich werden nur bestimmte Videos abgespielt, während die anderen angehalten werden. Die Videos werden dabei zeitlich so manipuliert, dass sie gemeinsam einen Rhythmus ergeben. So scheinen die einzelnen Videos und deren Musiker miteinander zu musizieren. Das Zusammenspiel von Beats und Bild, das rhythmische Abund Auftauchen von Videosequenzen, das das Gehörte taktgenau sichtbar macht, ist virtuos und markiert eine neue Stufe im postmodernen Spiel mit Bilder- und Tonfunden im Netz.9 9 http://www.spiegel.de/kultur/musik/0,1518,612397,00.html 4. Analyse einiger Found Footage Filme 4.7 55 Gegenüberstellung Marclay – Kutiman Diese beiden Arbeiten wurden gewählt, weil sie sich im ersten Moment sehr ähnlich sind. Im Zuge der Recherche wurden zwar User Kommentare gefunden, die auf die Ähnlichkeit von ThruYOU und Video Quartet hinweisen, jedoch wurde kein Hinweis dafür gefunden, dass Kutiman für sein ThruYOU Projekt von Marclays Video Quartet inspiriert worden ist. Beide Werke erhielten großes mediales Feedback und werden als einzigartig beschrieben. In beiden Fällen dienen Ausschnitte von Musikern, bzw. musizierenden Schauspielern als Ausgangsmaterial. Diese werden so präsentiert, dass man das Gehörte auch immer gleichzeitig sieht. Während Marclay seine Videos aus kurzen unbearbeiteten Sequenzen von klassischen Hollywoodproduktionen bezieht, welche abgestimmt aufeinander ausgetauscht werden, verwendet Kutiel Amateur-Videos die er auf YouTube findet. Diese werden zeitlich so verändert, dass ganz eigene Melodien und Rhythmen entstehen, und sich zu einem völlig neuen Musikstück zusammen setzen. Bei Marclays Video Quartet hingegen steht nicht die Erzeugung eines neuen Musikstücks im Vordergrund – auch wenn die vier projizierten Videos zuweilen in einer Art harmonieren, dass sie wie ein eingespieltes Quartet wirken – sondern seine künstlerische Aussage. Sein Werk beschäftigt sich damit, wie wir Bild und Ton verarbeiten. Menschen neigen dazu das Visuelle dem Ton vorzuziehen. Marclay zeigt hier auf beeindruckende Weise wie komplex Bild und Ton ineinander greifen [16, S. 36]. Beide Künstler präsentieren ihre Werke in einer Form, die der Herkunft des Ausgangsmaterials entspricht. So wird Video Quartet, welches aus alten Hollywoodfilmen zusammen gesetzt wurde, als Installation in einem dunklen Raum – wie ein Kinofilm – auf eine insgesamt 12 Meter lange Fläche projiziert, ThruYOU hingegen wird auf YouTube veröffentlicht. Beide Werke zeigen die Bruchstellen zwischen den verwendeten Ausgangswerken sehr deutlich. Bei Video Quartet erscheinen die Videos sogar nebeneinander, in der Form von vier Video -Projektionen auf vier Leinwände. Dadurch wird jede Leinwand für sich eine eigene Einheit. Bei ThruYOU erfolgt die Anordnung der Videos innerhalb eines Bildes. Somit werden diese als ein Ganzes wahrgenommen. Der Bruchstelle der unterschiedlichen Quellen wird Bedeutung zugemessen, den Betrachtern sollen die unterschiedlichen Quellen des Materials bewusst sein. Kutiels ThruYOU bezieht, man erkennt es schon am Titel, die YouTubeCommunity in sein Projekt mit ein, in dem er Videoclips von YouTube-Usern verwendet. Die User können sich selbst darin sehen, bzw. damit identifizieren. Auch die sehr leicht eingänglichen rhythmischen Beats sind ein Grund für den enormen Erfolg von Kutiel, dessen Videos bereits als Kult angesehen werden. Das Revolutionäre an ThruYOU [83]: [...] ist jedoch die integrative Funktion des Publikums, das hier ei- 4. Analyse einiger Found Footage Filme 56 ne doppelte Funktion als Rezipient und Produzent erfüllt. [ThruYOU ist eine] Hommage an YouTube, an freie Kreation, musikalisches Schaffen und die Kinder des digitalen 21. Jahrhunderts. Die Miteinbeziehung der Community, der leichte Zugang zu dem Werk durch die Veröffentlichung auf der Video-Plattform und den Rhythmen wie man sie in der Popmusik kennt sowie dem musikalischen und kreativen Talent von Kutiel, sind der Grund weshalb ThruYOU über Nacht zum Internethit wurde. Marclay hingegen verwendet Ausschnitte von alten Hollywoodfilmen. Die Bilder scheinen vertraut, und die Zuseher werden durch das Erkennen der alten Filme auf eine Art und Weise involviert, die, laut Marclay, mit neuem Material nicht möglich wäre. [37]. Er präsentiert seine Arbeit als Kunstobjekt in Museum. Ihm geht es um die Aneignung des Materials und um die Überführung desselben in einen den Kontext der Kunst [37]: My work is all about manipulating fragments [...] I’m so invested in finding the new narrative that can be created with them. A lot of young artists are interested in pop (music) and how it had to deal with culture outside of the art world. But pop music has never been introduced into the art lexicon. I’ve always been interested in pop culture objects to use to make art. Marclay sagte, dass die Musik der Zukunft ständig manipuliert sein wird. Dadurch entwickelt sie sich immer weiter, und bringt niemals das Gleiche hervor [113, S. 147]. Video Quartet ist 2002, also noch lange vor YouTube, entstanden. In diesem Zusammenhang wirkt es wie eine Vorhersage auf die aktuelle Remixkultur im Internet. 4.8 Fazit Beide Ansätze des Found Footage Films beruhen auf dem gleichen Prinzip: Sie eignen sich fremdes Material an, um daraus neue Werke mit neuen Aussagen zu schaffen. Der traditionell geprägte Found Footage Film wird immer noch hauptsächlich von Filmemachern und Künstlern vertreten. Hier steht das Werk mit seiner künstlerischen Aussage klar im Vordergrund. Der Zuseher muss sich um die Bedeutung des Filmes bemühen. Er muss sich mit dem Werk befassen, um es zu verstehen. Der Found Footage Film, wie wir ihn heute durch die Netzkultur kennen, unterscheidet sich nicht nur in ästhetischer und thematischer Hinsicht vom traditionell geprägten Found Footage Film, ihm liegt auch eine andere Intention zu Grunde. Diese ist maßgeblich beeinflusst von der Entstehung der Netzkultur in den letzten Jahren. Found Footage Filme stellen heute mehr 4. Analyse einiger Found Footage Filme 57 eine Art der sozialen Kommunikation dar, ein Ausdrucksmittel der User, um sich mitzuteilen und um soziales Feedback zu erhalten. User können die Erzeuger dieser Filme sein, oder die Zielgruppe. Sie können die Inhalte dafür liefern, oder in einer anderen Form eingebunden werden. Hier ist es nicht der Zuseher, der sich um das Werk bemühen muss, sondern eher das Werk, dass um die Gunst des Zusehers wirbt. Sogar kritische Inhalte werden in einer Form präsentiert, die den Sehgewohnheiten der User entspricht, und leicht zugänglich ist. Durch die Netzkultur ist der Found Footage Film ein Mittel der sozialen Interaktion geworden. Ein Sprachrohr der User, um sich auszudrücken, auf Geschehnisse zu reagieren, um Missstände aufzuzeigen, um zu erschaffen und um Teil einer Kultur zu werden. Kapitel 5 Projekt zur Diplomarbeit 5.1 Einführung Das Vorprojekt zur Diplomarbeit Cut & Paste (2010) stellt eine praktische Grundlage für die thematische Abhandlung der vorliegenden Schrift dar. Es spielt für mich in zweierlei Hinsicht eine wichtige Rolle: Cut & Paste stellt die Entwicklung des Found Footage Films durch die Netzkultur dar, und reflektiert somit die Thematik der Schrift wider. Zweitens war für mich die Beschäftigung mit der Materie und die Arbeitsweise – angefangen bei der Recherche, der Materialbeschaffung und -bearbeitung, bis hin zu Überlegungen zum Urheberrecht und zur Veröffentlichung – sehr wichtig, um die Arbeitsweise mit Found Footage besser zu verstehen und zu erleben. Dieser Prozess war ausschlaggebend für die Themenfindung der theoretischen Arbeit und eine große Hilfe für das Verfassen derselben. Cut & Paste ist ein Found Footage Film, der gemeinsam mit der Masterarbeit Copy & Paste - Netzkultur und Found Footage Filme entstanden ist. Er besteht ausschließlich aus rekontextualisiertem Audio- und Videomaterial (wobei die Urheberrechtssituation nicht für alle verwendeten Elemente geklärt ist). Siehe Abbildung 5.1. 5.2 Cut & Paste In Cut & Paste wird die aktuelle Entwicklung im Bereich des Found Footage Films behandelt. Die Entwicklung vom passiven Konsumenten zum aktiven Produzenten, die durch den technischen Fortschritt, sowie die Entstehung der Netzkultur ermöglicht worden ist. Dazu bedient sich der Film in erster Linie Werbespots für Fernseher und andere technische Geräte, sowie Zukunftsvisionen, beides aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts. Diese Bilder erhalten in Cut & Paste eine neue Bedeutung: Die Frauen, die zuvor noch passiv und hauptsächlich dekorativ wirkten, erstellen nun durch das Drücken von Knöpfen und dem Drehen an Reglern selbst ein 58 5. Projekt zur Diplomarbeit 59 (a) (b) (c) (d) (e) (f) Abbildung 5.1: Einzelbilder aus Cut & Paste. Werk. Ihr Handeln hat nun eine produktive Wirkung. Sie erstellen in den Monitoren selbst Animationen (wiederum aus Found Footage), und nehmen auch Einfluss auf den Film Cut & Paste selbst. So werden aus den vormals passiv und naiv wirkenden Frauen, aktive, selbstbewusste Produzentinnen. Cut & Paste vereint die verträumte Nostalgie von Vintage-Filmen, mit der Remixkultur von heute. 5. Projekt zur Diplomarbeit 5.3 60 Über das Konzept Für mein Projekt habe ich Werbespots aus der Zeit der 1960er und 1970er Jahre für Fernsehgeräte/Fernbedienungen verwendet. Siehe Abbildung 5.2 und 5.3. Sehr oft sind in diesen Werbespots Frauen zu sehen, deren Aufgabe hauptsächlich die ist, schön und anmutig zu sein. Sie führen in diesen Werbungen die Funktionen des Fernsehers vor, und beten diesen teilweise geradezu an. Weiters werden kurze Spots aus derselben Zeit verwendet, die Zukunftsvisionen darstellen. Auch in diesen übernimmt die Frau wieder eine untergeordnete Rolle. Sie ist Hausfrau und Mutter, und verwendet elektronische Geräte eher passiv, um sich unterhalten zu lassen oder um Essen zubereiten zu lassen. Es wurden bewusst nur Spots aus der Zeit der 1960er und 1970er Jahren ausgewählt, da man aus dieser Zeit weiß, dass viele Frauen eine „untergeordnete“, angepasste Rolle im sozialen Leben spielten. Diese Bilder erhalten in Cut & Paste eine neue Bedeutung. Anstatt sich passiv vom Fernsehgerät unterhalten zu lassen, erstellen die Frauen durch das Drücken von Knöpfen und dem Drehen an Reglern nun selbst eine Animation. Die Frauen, die in Kontakt zueinander stehen, Material austauschen und dieses remixen, können stellvertretend für eine einzige Person oder für eine Community stehen. Doch die Frauen haben nicht nur Einfluss auf die Animationen in ihren Bildschirmen, sondern sie beeinflussen das Video auch auf einer „MetaEbene“. Gleich zu Beginn dreht eine Frau an einem Regler und rückt so das aus der Spur geratene Filmband wieder an die richtige Position 5.2 (a und b). An weiteren Stellen im Video bewirkt das Drücken auf Knöpfe eine Veränderung der Bildqualität und der Färbung des Bildes. Diese Veränderungen auf „Meta-Ebene“ verweisen auf eine Kraft außerhalb des Videos. Sie stellen einen Verweis auf einen Remixer dar, der das Video „von außen“ bearbeitet. Die verschiedenen Animationen, die von den Frauen erstellt werden, sollen eine Gemeinsamkeiten aufweisen. So wurden dafür Videos gewählt, die rundliche Formen beinhalten. Siehe Abbildung 5.4. Dabei stellt sich die Frage, ob die Animationen an den Look der Werbespots angepasst werden müssen. Das heißt: Empfindet man den Bruch zwischen dem alten und neuen Footage als störend bzw. unästhetisch? Vermindert dieser Bruch die Aussage des Films, oder bestärkt er sie? Die Animationen sind in der finalen Version von Cut & Paste nicht an das Vintage-Footage angepasst. Eine Anpassung hätte dahingehend stattfinden können, als dass die Färbigkeit und die Bildqualität an die der VintageFootage-Ausschnitte angeglichen wird. Diese Anpassung wurde deshalb nicht vorgenommen, da die Tatsache, dass hier fremdes Material in die VintageAufnahmen montiert wurde, nicht versteckt werden soll. Jedoch wurde das Material auch nicht so stark bearbeitet, dass ein extremer, vielleicht auch übertriebener Stilbruch zwischen Vintage-Aufnahmen und den modernen Animations-Videos stattfindet. Die Aufmerksamkeit würde sonst zu sehr auf 5. Projekt zur Diplomarbeit 61 den Bruch gelegt werden. Diese soll jedoch bei den handelnden Frauen liegen. Cut & Paste lässt sich dem Appropriationsfilm zuordnen: Das fremde Material wird hier verwendet, um eine Sache zu illustrieren. Der Zuseher ist sich der fremden Herkunft des Materials bewusst, hinterfragt diese jedoch nicht. 5.4 Über die Recherche Der Beginn der Recherchearbeiten für die Vintage-Aufnahmen war die Suche auf YouTube. In verhältnismäßig kurzer Zeit ließ sich eine relativ große Zahl an Werbespots, oder Dokumentationen über Zukunftsvisionen von technischen Entwicklungen finden (an dieser Stelle im Arbeitsprozess fand noch keine Auswahl über die Verwendung der Clips statt). Hilfreich dabei ist vor allem die bei YouTube integrierte Funktion, Videos mit ähnlichem Inhalt anzuzeigen. So findet man auch Videos, die zwar thematisch gleich oder ähnlich sind, deren Titel aber in einer anderen Sprache verfasst ist. Weiters bekommt man dadurch automatisch neue Begriffsvorschläge für die weitere Suche. Die Suche in der Prelinger Collection, die Teil des Internet Archive, lieferte ebenfalls relativ schnell Ergebnisse, jedoch in einer kleineren Zahl als bei YouTube. Dabei war zu bemerken, dass die meisten Filme des Suchergebnisses ebenfalls auf YouTube zugänglich waren. Ein Vorteil des Prelinger Archives gegenüber YouTube ist der Zugang zu Informationen, wie Produzent und Lizenzform des Filmes, und die Downloadmöglichkeiten in verschiedenen Formaten und Kodierungen. Die Suche nach den Werken für die Animation, die von den Frauen im Video erstellt werden, verlagerte sich relativ schnell auf die Video-Plattform Vimeo.1 Vimeo „erlaubt“ ausschließlich den Upload von Videos, die man selbst erstellt hat. Kommerzielle Videos, Gameplay-Videos, Musikvideo, Trailer und Fernsehmitschnitte sind auf Vimeo nicht „erlaubt“. Dadurch ließ sich die Suche sehr vereinfachen. Auffällig ist auch hier, dass sehr viele Videos, und zumindest alle Videos die in Cut & Paste verwendet worden sind, auch auf YouTube upgeloadet worden sind.2 Auf dieses Phänomen bin ich auch bei meinen Recherchearbeiten zur vorliegenden Schrift gestoßen. Siehe Abschnitt 3.3.4. 5.5 Found Footage An dieser Stelle möchte ich all jene Werke auflisten, die in Cut & Paste verwendet wurden. 1 2 Offizielle Website von Vimeo: http://vimeo.com/. In nur einem Fall erfolgte der Upload nicht durch den Ersteller des Videos. 5. Projekt zur Diplomarbeit 62 (a) (b) (c) (d) (e) (f) (g) (h) (i) Abbildung 5.2: Einzelbilder der in Abschnitt 5.5.1 erwähnten Videos (a i). Abbildung (a) aus [18], (b) aus [1], (c) aus [6], (d) aus [9], (e) aus [40], (f) aus [44], (g) aus [111], (h) aus [94] und (i) aus [97]. 5.5.1 YouTube • Bettie Page 1950 [18]. Siehe Abbildung 5.2 (a) • 1954 Hotpoint Dishwasher Commercial [1]. Siehe Abbildung 5.2 (b) • 70’s Commercial - Magnavox [6]. Siehe Abbildung 5.2 (c) • A.D. 1999 - La cocina del futuro [9]. Siehe Abbildung 5.2 (d) • House of the future - part 2 [40]. Siehe Abbildung 5.2 (e) • Kitchens of the Future [44]. Siehe Abbildung 5.2 (f) • Westinghouse Commercial (1950) [111]. Siehe Abbildung 5.2 (g) • Telecomms in the 1990s (as seen from the 1960s) [94]. Siehe Abbildung 5.2 (h) • The Internet in 1969 [97]. Siehe Abbildung 5.2 (i) 5.5.2 The Internet Archive • Television Remote Control (Tuner) [96]. Siehe Abbildung 5.3 5. Projekt zur Diplomarbeit 63 Abbildung 5.3: Einzelbild des in Abschnitt 5.5.2 erwähnten Videos. Abbildung aus [96]. (a) (b) (c) (d) Abbildung 5.4: Einzelbilder der in Abschnitt 5.5.3 erwähnten Videos. Abbildung (a) aus [8], (b) aus [63], (c) aus [64] und (d) aus [103]. 5.5.3 Vimeo • abstract visuals von Simon Holmedal [8]. Siehe Abbildung 5.4 (a) • Nokta . von Onur Senturk [63]. Siehe Abbildung 5.4 (b) • Orange Love von Murat Pak [64]. Siehe Abbildung 5.4 (c) • Untitled von Rhodri Jones [103]. Siehe 5.4 (d) 5. Projekt zur Diplomarbeit 5.5.4 64 Über den verwendeten Ton Der Sprechertext, der zu Beginn des Videos eingesetzt wurde, wurde dem Video Television Remote Control (Tuner) 3 entnommen. Die Musik, die im Video verwendet wird, ist paradigm shift in der wehkah re-beat Version4 und stammt aus dem Paradigm Shift Remix Projekt5 von Forss, veröffentlicht unter der Creative Commons Sampling Plus Lizenz.6 Die Stimme, die in dem Musikstück fortlaufend die Worte „cut and paste“ wiederholt, gehört übrigens zu Lawrence Lessig, dem „coolsten Anwalt der Welt“ [75, Min. 27:45],7 Jura-Professor an der Universität in Standford und Mitinitiator der Urheberrechtsalternative Creative Commons. 5.6 Fazit Das Projekt Cut & Paste hat es mir ermöglicht, ein besseres Verständnis für die Arbeit mit Found Footage zu geben. Interessant war hier besonders, dass sich bestimmte Dinge automatisch ergeben haben, welche mir erst später, im Zuge der tieferen Recherche, bewusst geworden sind. Besonders hervorheben möchte ich in diesem Zusammenhang, dass alle im Projekt verwendeten Videos, über YouTube zugänglich waren (vgl. hierzu Abschnitt 3.3.4) und dem selbstverständlichen Einsatz der Spatial Montage (vgl. hierzu Abschnitt 3.4.6). Interessant war es auch, mit den Limitationen zu arbeiten, die sich durch die Arbeit mit Found Footage ergeben. Man findet das Material nicht immer so, wie man es sich vorgestellt hat. Das macht aber auch einen Teil des Charms von Found Footage Filmen aus, und weckt die Kreativität. 3 Siehe Abschnitt 5.5.2. http://soundcloud.com/wehkah 5 http://forss.to/remix/ 6 Nähere Informationen zur Creative Commons Sampling Plus Lizenz fintet man unter http://creativecommons.org/licenses/sampling+/1.0/. 7 Lawrence Lessig inspirierte Brett Gaylor zu seinem Film RiP! A Remix Manifesto (2008) [75]. Lessig ist ein kritischer Gegner des Copyright in seiner aktuellen Form. Er gründetet die Creative Commons Initiative publiziert Bücher und Artikel, in denen er auf die Missstände des Copyrights hinweist und für einen freien Austausch von Ideen plädiert. 4 Kapitel 6 Schlussbemerkung 6.1 Über Netzkultur und Found Footage Filme Die vorliegende Arbeit hat gezeigt, dass die Erstellung des Found Footage Films am Computer, und dessen Veröffentlichung und Verbreitung im Internet, nur der letzte Schritt in einer langen Geschichte der Praxis der Aneignung ist. Die Digitalisierung der Daten und die Entwicklungen im Bereich der Netzkultur in den letzten Jahren haben die Gesellschaft, und deren Umgang mit den Medien, und somit den Found Footage Film, in maßgeblicher Weise beeinflusst. Das Internet ermöglichte erstmals in der Geschichte einer breiten Masse den uneingeschränkten Zugang zu elektronischen Daten. Moderne Formen des Found Footage Films haben sich in den letzten Jahren zu einem regelrechten Hype entwickelt. Wie die vorangegangenen Kapitel zeigen konnten, unterscheiden sie sich in vielen Punkten von „traditionellen“ Found Footage Filmen – in konzeptioneller, sowie gestalterischer Hinsicht. Weiters konnte dargelegt werden, dass der Found Footage Film durch die Entwicklungen rund um die Netzkultur bereits seinen Weg in den Mainstream gefunden hat. Eine Gefahr, die hierbei entsteht ist, dass das Remixen wichtiger wird als die Aussage, die dadurch erzeugt wird. „Remix“ gilt als Qualitätsmerkmal und soll hohe Ratings und Zuseherzahlen bringen. Durch die Netzkultur ist der Found Footage Film in den Alltag übergeführt worden. Er wurde leichter konsumierbar, und zwar durch den Zugang durch das Internet, und auch in seiner Erscheinungsform. Es bleibt zu hoffen, dass der Found Footage Film dadurch nichts von seiner Wirkung verliert. Er hat nun aber auch die Möglichkeit, das kritische Bewusstsein der User, gegenüber den Bildern der Massenmedien, zu fördern und zu einer aktiven Medienteilnahme aufzurufen. Der Found Footage Film in seiner heutigen Form ist Ausdruck für das Recht auf freie Meinungsäußerung, freies Gedanken- und Kulturgut und aktiven, kreativen Medienteilnehmern. Dass er und andere Formen der An65 6. Schlussbemerkung 66 eignung, wie zum Beispiel in der Musik, bereits die Gesellschaft verändert haben, zeigen die aktuellen Diskussionen zur Angleichung des Urheberrechts an eine partizipatorische Gesellschaft, sowie in der Entwicklung der CopyleftBewegung und der Entstehung alternativer Lizenzformen für neue Möglichkeiten der Veröffentlichung. Doch am meisten dafür spricht die Vielzahl an eindrucksvollen Found Footage Filmen im Internet und der Anklang, den diese bei den Usern finden. 6.2 Schlussworte Schließen möchte ich mit einem Zitat von Rick Prelinger [70]: First why add to the population of orphaned artworks? Second what presumption that new work improves on old. Third honour our ancestors by recycling their wisdom. Fourth the ideology of originality is arrogant and wasteful. Fifth dregs are the sweetest drink of all. Sixth leftovers were spared for a purpose. Seventh actors don’t get a fair shake the first time around, let’s give them another. Eighth the pleasure of recognition warms us on cold nights and cools us in hot summers. Ninth we reach the future only by roundabout means. Tenth as we wish to address the future the past also desires to address us. Eleventh access to what’s already happened is cheaper than access to what’s currently happening. Twelfth archives are justified by use. Thirteenth make a quilt not an advertisement. Anhang A Inhalt der DVD Format: DVD-R, Single Layer, ISO9660 A.1 PDF-Dateien Pfad: / DA_Sabine_Pils_print.pdf Diplomarbeit (Druckversion) DA_Sabine_Pils_screen.pdf Diplomarbeit (Bildschrimversion) A.2 Copy & Paste Pfad: /projekt Cut_and_Paste.mov . Projekt zur Diplomarbeit (siehe Kapitel 5). Pfad: /projekt/verwendete_werke *.mov . . . . . . . . . . *.mp4 . . . . . . . . . . A.3 Die für das Projekt Cut & Paste verwendeten Werke im Quicktime-Format. Die für das Projekt Cut & Paste verwendeten Werke im MPEG-4-Format. Online-Quellen Pfad: /onlinequellen/ Anderl_Schmid_2009.pdf zuletzt aufgerufen am 16.11.2010 [25]. Arns_2008.pdf . . . . . zuletzt aufgerufen am 22.11.2010 [12]. Aufderheide_2008.pdf . zuletzt aufgerufen am 16.11.2010 [14]. Dax_2007.pdf . . . . . zuletzt aufgerufen am 20.11.2010 [23]. Frye_2001.pdf . . . . . zuletzt aufgerufen am 22.11.2010 [33]. 67 A. Inhalt der DVD 68 Harmon_2005.pdf . . . zuletzt aufgerufen am 16.11.2010 [36]. Helfand_2002.pdf . . . zuletzt aufgerufen am 21.11.2010 [37]. Jacobs_1989.pdf . . . . zuletzt aufgerufen am 26.11.2010 [41]. Lessig_2010.mov . . . . zuletzt aufgerufen am 27.11.2010 [51]. Manovich.pdf . . . . . . zuletzt aufgerufen am 30.11.2010 [53]. Neill_2003.pdf . . . . . zuletzt aufgerufen am 01.12.2010 [61]. Networked_Book.pdf . zuletzt aufgerufen am 16.11.2010 [74]. Nimus_2008.pdf . . . . zuletzt aufgerufen am 22.11.2010 [62]. Oreilly_2005.pdf . . . . zuletzt aufgerufen am 30.11.2010 [65]. Ortland_2008.pdf . . . zuletzt aufgerufen am 25.11.2010 [66]. Pantenburg_Schlüter_Stein_2008.pdf zuletzt aufgerufen am 19.11.2010 [67]. Prelinger_2003.pdf . . zuletzt aufgerufen am 26.11.2010 [70]. Samuelson_Davis_2000.pdf zuletzt aufgerufen am 20.11.2010 [81]. Schmickl_2009.pdf . . zuletzt aufgerufen am 01.12.2010 [83]. Stadler_2009.pdf . . . zuletzt aufgerufen am 16.11.2010 [91]. Timpson_2010.pdf . . zuletzt aufgerufen am 20.11.2010 [101]. Walnes_2009.pdf . . . zuletzt aufgerufen am 19.11.2010 [106]. A.4 Bilder Pfad: /images/ *.jpg . . . . . . . . . . . *.png . . . . . . . . . . A.5 Verwendete Rasterbilder. Verwendete Rasterbilder. Filmbeispiele Pfad: /videos/ *.mov . . . . . . . . . . *.mp4 . . . . . . . . . . Referenzierte Werke im Quicktime-Format. Referenzierte Werke im MPEG-4-Format. Literaturverzeichnis [1] 1954 hotpoint dishwasher commercial. watch?v=zJKxPuEeSgc, Kopie auf DVD. http://www.youtube.com/ [2] 24 hour psycho. Regie: Douglas Gordon, 1993. [3] 300. Regie: Zack Snyder. Mit Gerard Butler, Lena Headey und David Wenham, 2006. DVD, Warner Home Video (2007). [4] 50 50. Regie: Oliver Laric, 2007. http://www.oliverlaric.com/5050.htm, Kopie auf DVD. [5] 50 50 2008. Regie: Oliver Laric, 2008. http://www.oliverlaric.com/ 50502008.htm, Kopie auf DVD. [6] 70’s commercial - magnavox. NRch65HL2dU, Kopie auf DVD. http://www.youtube.com/watch?v= [7] A movie. Regie: Bruce Conner, 1985. Canyon Cinema, San Francisco. [8] abstract visuals. http://vimeo.com/8741623, Regie: Simon Holmedal. Kopie auf DVD. [9] A.d. 1999 - la cocina del futuro. http://www.youtube.com/watch?v= RF3Zzq5bnzs, Kopie auf DVD. [10] Apocalypse now. Regie: Francis Ford Coppola. Mit Martin Sheen, Marlon Brando und Robert Duvall, 1979. DVD, Paramount Pictures (2000). [11] Apocalypse pooh. Regie: Todd Graham, 1987. Kopie auf DVD. [12] Arns, I.: Use = Sue. Von der Freiheit der Kunst im Zeitalter des „geistigen Eigentums“. In: Anna Kurnikova Deleted By Memeright Trusted System - Kunst im Zeitalter des Geistigen Eigentums. Hartware MedienKunstVerein Dortmund, Dortmund, Deutschland, Sep. 2008. http://www.hmkv.de/dyn/_data/Arns_Anna_2008.pdf, Kopie auf DVD. 69 Literaturverzeichnis 70 [13] The atomic cafe. Regie: Jayne Loader, Kevin Rafferty und Pierce Rafferty, 1982. [14] Aufderheide, P. und P. Jaszi: Recut, reframe, recycle: Quoting copyrighted material in user-generated video, Jan. 2008. http://centerforsocialmedia.org/sites/default/files/CSM_Recut_ Reframe_Recycle_report.pdf, Kopie auf DVD. [15] Bangarang. Regie: Pogo (Nick Bertke), 2009. http://www.youtube. com/watch?v=65PiKsNhCsc, Kopie auf DVD. [16] Basilico, S.: Cut: film as found object in contemporary video. Milwaukee Art Museum, Milwaukee, Wisconsin, 2004. [17] Beller, H.: Handbuch der Filmmontage. TR-Verlagsunion GmbH, München, Deutschland, 2005. 5. gegenüber der 4. unveränderten Auflage. [18] Bettie page 1950. http://www.youtube.com/watch?v=JzNW7IBXL_A, Kopie auf DVD. [19] Bundesgesetz über das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Kunst und über verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz). StF: BGBl. Nr. 111/1936. http://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung/ Bundesnormen/10001848/Urheberrechtsgesetz.pdf. [20] Burgess, J. und J. Green: YouTube – Online Video and Participatory Culture. Polity Press, Cambridge, Großbritannien, 2009. [21] The colbert report, Juni 2008. http://www.colbertnation.com/thecolbert-report-videos/171579/june-04-2008/john-mccain-s-green-screenchallenge, Ausschnitt aus Stephen Colberts Fernsehsendung The Colbert Report vom 4. Juni 2008. Kopie auf DVD. [22] Coming attractions. Regie: Peter Tscherkassky, 2010. sixpackfilm, Wien (2010). [23] Dax, P.: Das Urheberrecht verhindert Kreativität. Interview mit Virgil Widrich auf futurezone.ORF.at, Jan. 2007. http://futurezone.orf.at/ stories/163866/, Kopie auf DVD. [24] Diakopoulos, N., K. Luther, Y. E. Medynskiy und I. Essa: The evolution of authorship in a remix society. In: 18th ACM Conference on Hypertext and Hypermedia (Hypertext 2007). Association for Computing Machinery, Inc., Sep. 2007. [25] Dr. Anderl, A. und M. Mag. Schmid: Appropriation art. ecolex, (49), 2009. http://www.dbj.co.at/publ532.pdf, Kopie auf DVD. Literaturverzeichnis 71 [26] East of borneo. Regie: George Melford. Mit Rose Hobart, Charles Bickford und Georges Renavent, 1932. DVD, Alpha Home Entertainment (2004). [27] Ebersbach, A., M. Glaser und R. Heigl: Social Web. UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz, Deutschland, 2008. [28] Elger, D.: Dadaismus. Taschen GmbH, Köln, Deutschland, 2004. [29] Evans, D.: Appropriation. Documents of Contemporary Art. The MIT Press, Cambridge, Massachusetts, Apr. 2009. [30] Extension of human sight. Regie: Andreas Zingerle, 2007. http://www. youtube.com/watch?v=oABYuBxb228, Kopie auf DVD. [31] Extension of human sight part ii. Regie: Andreas Zingerle, 2008. http: //www.youtube.com/watch?v=fWSfxL0g1lo, Kopie auf DVD. [32] Fast film. Regie: Virgil Widrich, 2003. Sixpack Film, Wien. [33] Frye, B.: Rose horbart, 2001. http://archive.sensesofcinema.com/ contents/cteq/01/17/hobart.html, Kopie auf DVD. [34] Good copy bad copy – a documentary about the current state of copyright and culture. Regie: A.Johnsen, R. Christensen und H. Moltke, 2007. Rosforth, Kopenhagen (2007). [35] Happy end. Regie: Peter Tscherkassky, 1996. Canyon Cinema, San Francisco. Kopie auf DVD. [36] Harmon, L.: Finding gold in found video. Wired, Mai 2005. http:// www.wired.com/entertainment/music/news/2005/04/67108, Kopie auf DVD. [37] Helfand, G.: Pop-pop-pop-pop-culture video. Wired, Okt. 2002. http:// www.wired.com/culture/lifestyle/news/2002/05/52031, Kopie auf DVD. [38] Highlights of the roundhay garden scene. Veröffentlicht von YouTubeUser OHNOinc, 2007. http://www.youtube.com/watch?v=ZIZ4rA2TUg, Kopie auf DVD. [39] Hook. Regie: Steven Spielberg. Mit Dustin Hoffman, Robin Williams und Julia Roberts, 1991. DVD, Sony Pictures Home Entertainment (2002). [40] House of the future - part 2. lVMAeSNZZz0, Kopie auf DVD. http://www.youtube.com/watch?v= Literaturverzeichnis 72 [41] Jacobs, K. und D. Schwartz: Films That Tell Time: A Ken Jacobs Retrospective. American Museum of the moving Image, New York City, New York, Juni 1989. http://www.movingimagesource.us/files/ films_that_tell_time_ken_jacobs.pdf, Kopie auf DVD. [42] Jenkins, H.: Fans, Bloggers and Gamers – Exploring Participatory Culture. New York University Press, New York und London, 2006. [43] Kirchmann, K.: Bildermüll und Wiederverwertung. In: Bildtheorie und Film, S. 497 – 512. edition text + kritik in Richard Boorberg Verlag GmbH & Co KG, München, Deutschland, 2006. [44] Kitchens of the future. TiACOLuYlJ4, Kopie auf DVD. http://www.youtube.com/watch?v= [45] Kreutzer, T.: Den gordischen Knoten durchschlagen – Ideen für ein neues Urheberrechtskonzept. In: Copy.Right.Now!, S. 45 – 55. Heinrich Böll Stiftung, 2010. http://www.boell.de/downloads/2010-04-copy_ right_now_zukunft_urheberecht.pdf, Band 4 der Reihe Bildung und Kultur. In Zusammenarbeit mit iRights.info. [46] Krüger, K.: Das Bild als Palimpsest. In: Bildfragen: Die Bildwissenschaften im Aufbruch, S. 133 – 164. Fink (Wilhelm), Juni 2007. [47] Krieger, T.: Remix. Kultur- und Mediengeschichte der Live VIsuals. Diplomarbeit, Universität Siegen, Siegen, Österreich, Sep. 2007. Im Studiengang Medien -Planung -Entwicklung und -Beratung. [48] L’arrivée. Regie: Peter Tscherkassky, 1998. Canyon Cinema, San Francisco. [49] L’arrivée d’un train à la ciotat. Regie: Auguste Lumière und Louis Lumière, 1896. Kopie auf DVD. [50] Lessig, L.: Remix: Making Art and Commerce Thrive in the Hybrid Economy. Bloomsbury Academic, London, Großbritannien, Okt. 2008. [51] Lessig, L.: Open content and the ethics of science, Jan. 2010. http: //www.lessig.org/content/av/, Videomitschnitt. Vortrag anlässlich der Verleihung der Ehrendoktorwürde von der Universität von Amsterdam. Amsterdam, 9. Jänner 2010. Kopie auf DVD. [52] Lundemo, T.: In the kingdom of shadwos: Cinematic movement and its digital ghost. In: The YouTube Reader, S. 314 – 329. Wallflower Press, 2009. [53] Manovich, L.: Macrocinema, 2001. macrocinema.doc, Kopie auf DVD. http://www.manovich.net/ Literaturverzeichnis 73 [54] Mayerling. Regie: Terence Young. Mit Omar Sharif und Catherine Deneuve, 1968. DVD, Studio Canal, Issy les Moulineaux (2007). [55] Mccain green screen challenge "‘music"’, Juni 2008. youtube.com/watch?v=rYGPRlSP3b0, Kopie auf DVD. http://www. [56] McIntosh, J.: Building a critical culture with political remix video. In: A New Cultural Economy, S. 53 – 56. Hatje Cantz Verlag, Ostfildern, Deutschland, 2008. Erschienen im Rahmen der Ars Electronica 2008. Festival for Art, Technology and Society. [57] McLuhan, M. und Q. Fiore: Das Medium ist Massage, 1984. [58] Meeting of two queens. Regie: Cecilia Barrigas, 1991. Barcelona. Kopie auf DVD. Hamaca, [59] Möbius, H.: Montage und Collage: Literatur, bildende Künste, Film, Fotografie, Musik, Theater bis 1933. Wilhelm Fink, Paderborn, Deutschland, 2000. [60] Monaco, J.: Film und Neue Medien: Lexikon der Fachbegriffe. Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg, Deutschland, Nov. 2006. [61] Neill, B.: Christian marclay, 2003. articles/2562. http://bombsite.com/issues/84/ [62] Nimus, A.: Copyright, copyleft and the creative anti-commons. In: rereader 2006/2007, S. 70 – 75. Biro Beograd & Slobodnakultura.org, Belgrad, Serbien, Aug. 2007. http://www.modukit.com/biro/re-reader. pdf, Kopie auf DVD. [63] Nokta . http://vimeo.com/9856705, Regie: Onur Senturk. Kopie auf DVD. [64] Orange love. http://vimeo.com/3879546, Regie: Murat Pak. Kopie auf DVD. [65] O’Reilly, T.: What Is Web 2.0?, Sep. 2005. artikel/web20.html. http://www.oreilly.de/ [66] Ortland, E.: Die Schlüsselrolle der Kunst für das Urheberrecht. In: Urheberrecht im Alltag – Kopieren, Bearbeiten, Selber machen, S. 311 – 315. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn, Deutschland, 2008. http://www.bpb.de/files/0GKFWO.pdf, Kopie auf DVD. [67] Pantenburg, V., S. Schlüter und E. Stein: Ein physisches Kino, Juli 2008. http://www.kunst-der-vermittlung.de/dossiers/filmvermittelnde- Literaturverzeichnis 74 experimentalfilme/gespraech-tscherkassky/, Das Gespräch mit Peter Tscherkassky wurde am 7. Juli im Österreichischen Filmmuseum in Wien geführt. Kopie auf DVD. [68] Perfect film. Regie: Ken, Jacobs, 1986. Film-Makers’ Cooperative, New York. [69] Pötzelsberger, S.: Vom Suchen und Neuerfinden. Verfahren zur Wiederverwendung in Film, Kunst, Literatur und Musik an Hand des österreichischen Found-Footage-Films. Diplomarbeit, Fh Joanneum, Graz, Österreich, 2006. [70] Prelinger, R.: Remarks on appropriation art, 2003. http://www. othercinema.com/otherzine/otherzine6/pprelinger.html, Kopie auf DVD. [71] Prelinger, R.: The appearance of archives. In: The YouTube Reader, S. 268 – 274. Wallflower Press, 2009. [72] Product placements. Johannes Kreidler, 2008. Musikstück/Kunstaktion. Kopie auf DVD. [73] Psycho. Regie: Alfred Hitchcock. Drehbuch: Joseph Stefano. Nach dem Roman von Robert Bloch. Mit Anthony Perkins und Janet Leigh, 1960. DVD, Universal Studios (2006). [74] Remix and the rouelles of media production. http://networkedbook. org/, von Autoren und Kollaboratoren des "‘Networked Book Project"’. Zuletzt besucht am 15. November 2010. Kopie auf DVD. [75] Rip: A remix manifesto. Regie: B. Gaylor, 2009. http://ripremix.com/, RiP: A remix manifesto is an open source documentary about copyright and remix culture. [76] Rose horbart. Regie: Joseph Cornell, 1936. Anthology Film Archives, New York. Kopie auf DVD. [77] Roundhay garden scene. Regie: Louis Aime Augustin Le Prince, 1888. http://www.youtube.com/watch?v=F1i40rnpOsA, Kopie auf DVD. [78] Roundhay garden scene director’s cut. Veröffentlicht von YouTube-User DetDadore2, 2008. http://www.youtube.com/watch?v=vGYA1qbdN8s, Kopie auf DVD. [79] Roundhay garden scene trailer. Veröffentlicht von YouTube-User tzwmitom, 2008. http://www.youtube.com/watch?v=ZnDiD5FIMwM, Kopie auf DVD. [80] Ruhrberg, K.: Kunst des 20. Jahrhunderts. Taschen GmbH, Köln, Deutschland, 2005. Band I. Literaturverzeichnis 75 [81] Samuelson, P. und R. Davis: The digital dilemma: A perspective on intellectual property in the information age, 2000. http://people.ischool. berkeley.edu/~pam/papers/digdilsyn.pdf. [82] Saw v. Regie: David Hackl. Mit Scott Patterson, Costas Mandylor und Tobin Bell, 2008. DVD, Lions Gate Entertainment (2009). [83] Schmickl, F.: YouTube im Remix, Apr. 2009. http://www.taz.de/1/ leben/musik/artikel/1/youtube-im-remix/, Kopie auf DVD. [84] Schneckenburger, M.: Kunst des 20. Jahrhunderts. Taschen GmbH, Köln, Deutschland, 2005. Band II. [85] The shining. Regie: Stanley Kubrick. Mit Jack Nicholson und Shelley Duvall, 1980. DVD, Warner Home Video (2008). [86] Shining. Regie: Robert Ryang, 2006. http://www.youtube.com/watch? v=sfout_rgPSA, Kopie auf DVD. [87] Shot-countershot. Regie: Peter Tscherkassky, 1987. Canyon Cinema, San Francisco. [88] Snickars, P.: The archival cloud. In: The YouTube Reader, S. 292 – 313. Wallflower Press, 2009. [89] Snickars, P. und P. Vonderau: Introduction. In: The YouTube Reader, S. 9 – 21. Wallflower Press, 2009. [90] Soul eater. http://www.youtube.com/watch?v=Cbtf1l6d48U, Kopie auf DVD. [91] Stadler, F.: Neun Thesen zur Remix-Kultur. Im Rahmen des Projekts Arbeit 2.0, Juni 2009. http://irights.info/fileadmin/texte/material/ Stalder_Remixing.pdf, Kopie auf DVD. [92] Steinle, M.: Das Archibild. In: MEDIENwissenschaft, Bd. 3. Schüren Verlag GmbH, Marburg, Deutschland, 2005. [93] Sylvia, M.: Video Art. Taschen GmbH, Köln, Deutschland, 2006. [94] Telecomms in the 1990s (as seen from the 1960s). http://www.youtube. com/watch?v=WDk_fpJkAqQ, Kopie auf DVD. [95] Telephones. Regie: Christian Marclay, 1995. [96] Television remote control (tuner). Televisi1961, Kopie auf DVD. http://www.archive.org/details/ [97] The internet in 1969. http://www.youtube.com/watch?v=Y0pPfyYtiBc, Kopie auf DVD. Literaturverzeichnis 76 [98] The mother of all funk chords. Regie: Kutiman Ophir, 2009. http: //thru-you.com/#/videos/1/, Kopie auf DVD. [99] The remote controller. Regie: People Like Us (Vickie Bennett), 2003. Sonic Arts Network, London (2005). Kopie auf DVD. [100] This is sparta! last techno remix, 2007. watch?v=rvYZRskNV3w, Kopie auf DVD. http://www.youtube.com/ [101] Timpson, A.: Apocalypse pooh and the birth of the video mashup, Feb. 2010. http://www.facebook.com/notes/ant-timpson/apocalypsepooh-and-the-birth-of-the-video-mashup/281177852945, Interview zwischen A. Timpson und T. Graham. Dezember 2009. Kopie auf DVD. [102] Touch my body (greenscreen version). Regie: Oliver Laric, 2008. http: //www.oliverlaric.com/touchmybody.htm, Kopie auf DVD. [103] Untitled. http://vimeo.com/5838677, Regie: Rhodri Jones. Kopie auf DVD. [104] Vahrson, V.: Die Radikalität der Wiederholung. Interferenzen und Paradoxien im Werk Sturtevants. Fink (Wilhelm), München, Deutschland, Juni 2006. [105] Video quartet. Regie: Christian Marclay, 2002. [106] Walnes, T.: Story without end? found footage in the digital era. movementjournal.com, 2009. http://www.movementjournal.com/issue_1. 1_futures_of_cinema/01_story_without_end_walnes.html, Kopie auf DVD. [107] Wasko, J. und M. Erickson: The political economy of youtube. In: The YouTube Reader, S. 372 – 386. Wallflower Press, 2009. [108] Wees, W. C.: Recycled images: The art and politics of found footage films. Anthology Film Archives, New York City, New York, 1993. [109] Wees, W. C.: The ambiguous aura of hollywood stars in avant-garde found-footage films. Cinema Journal, 41(2):3–18, 2002. [110] Weinman, J. J.: The rise of the youtube auteur, Aug. 2007. http://www.macleans.ca/culture/entertainment/article.jsp?content= 20070813_108151_108151&page=1, Kopie auf DVD. [111] Westinghouse commercial (1950). http://www.youtube.com/watch?v= oqRDBfT_0VE, Kopie auf DVD. [112] With you. Editor: Arczi, 2009. http://www.youtube.com/watch?v= Y1R7xN3T_8w, Kopie auf DVD. Literaturverzeichnis [113] Young, P.: Art Cinema. Taschen GmbH, Köln, Deutschland, 2009. 77 Messbox zur Druckkontrolle — Druckgröße kontrollieren! — Breite = 100 mm Höhe = 50 mm — Diese Seite nach dem Druck entfernen! — 78