Übergang Schule und Beruf in Niedersachsen
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Übergang Schule und Beruf in Niedersachsen
Tagungsband zur Fachtagung Übergang Schule und Beruf in Niedersachsen am 11. Februar 2010 im PFL-Kulturzentrum Oldenburg Herausgeber: Prof. Dr. Rudolf Schröder Ludger Wester Prof. Dr. Dr. h. c. Hans Kaminski Dr. Thomas Hildebrandt Oldenburg, März 2011 - Seite 1 - - Seite 2 - Danksagung Unser Dank gilt den Referentinnen und Referenten, die durch Vorträge und Beiträge in den Workshops zum Gelingen der Tagung maßgeblich beigetragen haben. Eine Fachtagung mit fast 400 Teilnehmenden organisiert sich nicht von selbst; wir danken den zahlreichen Kolleginnen und Kollegen in unseren Einrichtungen für ihren Einsatz. Seitens der Oldenburgischen Industrie- und Handelskammer haben insbesondere Anja Jordan, Katja Delecate und Elisabeth Waldeck zum Gelingen beigetragen. Seitens der Universität Oldenburg und des Instituts für Ökonomische Bildung erfolgte die organisatorische Unterstützung insbesondere durch Rebecca Stabbert, Kerstin Urban und Dr. Claudia Verstraete. Ebenso gilt unser Dank den Protokollantinnen und Protokollanten der Workshops, die in den jeweiligen Kapiteln namentlich aufgeführt sind. Unser Dank gilt außerdem dem Niedersächsisches Landesinstitut für schulische Qualitätsentwicklung, der Landesschulbehörde Niedersachsen und der Oldenburgischen IHK sowie dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag für die tatkräftige Unterstützung bei der Werbung und der Einladung der Teilnehmenden. Oldenburg, März 2011 Die Herausgeber - Seite 3 - - Seite 4 - Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung ........................................................................................................................ 7 2 Vorträge der Referenten ................................................................................................. 9 2.1 Eröffnung der Tagung Werner zu Jeddeloh, Vizepräsident der Oldenburgischen Industrie- und Handelskammer .............................................. 9 2.2 „Schule – und was kommt dann“? Berndt Wozniak, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Oldenburg ........................................ 12 2.3 Berufsorientierung als eine Gesamtaufgabe Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Kaminski, Direktor IÖB ..................................................................................... 16 2.4 Berufsorientierung – Eintrittskarte in die betriebliche Ausbildung Sybille von Obernitz, Bereichsleiterin Berufliche Bildung/Bildungspolitik des DIHK, Berlin...................................................................................................... 20 2.5 Berufs- und Studienorientierung: auf dem Weg zu einem Gesamtkonzept Prof. Dr. Rudolf Schröder (Stiftungsprofessur Berufsorientierung, IÖB/Universität Oldenburg) ............................................... 28 2.6 2.5.1 Einleitung ............................................................................................ 28 2.5.2 Zur Situation der Berufsorientierung in Niedersachsen ...................... 29 2.5.3 Bausteine einer systematischen Berufsorientierung ........................... 32 2.5.4 Zusammenfassende Thesen .............................................................. 45 Neue Rahmenbedingungen für die Berufsorientierung in Niedersachsen Manfred Janßen, Generaliendezernent Berufsorientierung der Landesschulbehörde Niedersachsen ............................................................... 47 3 Protokolle der Workshops ............................................................................................ 52 3.1 3.2 3.3 Hauptschule ...................................................................................................... 52 3.1.1 Verlaufsstruktur des Workshops ......................................................... 52 3.1.2 Beiträge der Referentinnen und Referenten ....................................... 53 3.1.3 Arbeits- und Diskussionsphase ........................................................... 58 3.1.4 Forderungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer............................ 58 Realschule ........................................................................................................ 59 3.2.1 Verlaufsstruktur des Workshops ......................................................... 59 3.2.2 Beiträge der Referentinnen und Referenten ....................................... 59 3.2.3 Arbeits- und Diskussionsphase ........................................................... 66 3.2.4 Forderungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer............................ 67 Haupt- und Realschule ..................................................................................... 67 - Seite 5 - 3.4 3.5 3.6 3.3.1 Verlaufsstruktur des Workshops ......................................................... 67 3.3.2 Beiträge der Referentinnen und Referenten ....................................... 68 3.3.3 Arbeits- und Diskussionsphase ........................................................... 70 3.3.4 Forderungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer............................ 72 Integrierte Gesamtschule.................................................................................. 74 3.4.1 Verlaufsstruktur des Workshops ......................................................... 74 3.4.2 Einführung in die Thematik ................................................................. 75 3.4.3 Arbeits- und Diskussionsphase ........................................................... 75 3.4.4 Forderungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer............................ 79 Gymnasium....................................................................................................... 79 3.5.1 Teilnehmende und Verlaufsstruktur .................................................... 79 3.5.2 Beiträge der Referentinnen und Referenten ....................................... 80 3.5.3 Arbeits- und Diskussionsphase ........................................................... 88 3.5.4 Forderungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer............................ 89 Berufsbildende Schulen .................................................................................... 90 3.6.1 Verlaufsstruktur des Workshops ......................................................... 90 3.6.2 Vorstellung der Berufsorientierung an den berufsbildenden Schulen für den Landkreis Wesermarsch .............................................................. 90 4 3.6.3 Arbeits- und Diskussionsphase ........................................................... 93 3.6.4 Forderungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer............................ 94 Resümee der Tagungsergebnisse ............................................................................... 96 4.1 Zusammenfassung und Ausblick ...................................................................... 98 5 Abkürzungsverzeichnis............................................................................................... 101 6 Abbildungsverzeichnis ................................................................................................ 102 7 Literaturverzeichnis .................................................................................................... 103 - Seite 6 - 1 Einleitung Bei der Berufsorientierung handelt es sich um eine aktuelle, aber keinesfalls neue Herausforderung. Die Disparitäten auf dem Ausbildungsmarkt, der demografische Wandel, die Schwierigkeiten vieler Jugendlicher beim Übergang von der Schule in einen Ausbildungsberuf oder Studium sowie neue Anforderungen an die Erwerbstätigen verleihen der Thematik eine ungebrochene Aktualität. Niedersachsens Bildungspolitik reagiert auf diese Entwicklungen. Die Einführung der Betriebs- und Praxistage an den niedersächsischen Hauptschulen im Jahr 2005 stellten einen ersten Meilenstein dar. Anfang 2010 wurden neue Erlasse für die Arbeit in der Haupt- und Realschule verabschiedet, welche die Berufsorientierung weiter stärken. Zugleich gibt es aber auch eine große Unsicherheit in den Schulen, wie die Erlasse umgesetzt werden können. Das Institut für Ökonomische Bildung der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg (IfÖB), das An-Institut für Ökonomische Bildung (IÖB) und die Oldenburgische Industrie- und Handelskammer fördern seit Jahren gemeinsam die Berufsorientierung in Niedersachsen. Im August 2008 haben unsere drei Einrichtungen ein gemeinsames Strategiepapier mit dem Titel „Berufsorientierung in der Schule: Eckpunkte einer nachhaltigen Förderung der Berufsorientierung an allgemeinbildenden Schulen in Niedersachsen“ veröffentlicht. Das Strategiepapier versucht, die wesentlichen Aufgaben einer zeitgemäßen Berufsorientierung zu identifizieren und in ein Gesamtkonzept zu integrieren. Dabei steht das Bundesland Niedersachsen im Vordergrund; zentrale Inhalte lassen sich aber bundesweit übertragen. Nachfolgend wird eine Zusammenfassung abgedruckt. Nicht zuletzt die große Resonanz auf das Strategiepapier hat uns in dem Beschluss bestärkt, die Fachtagung „Übergang Schule - Beruf in Niedersachsen“ auszurichten. Die Fachtagung fand am 11. Februar 2010 statt. Es waren über 450 Personen angemeldet. Trotz des winterlichen Wetters nahmen etwa 380 Personen aus Schule und Wirtschaft an der Tagung teil. Dieser Tagungsband folgt im Aufbau dem Verlauf der Tagung. Am Vormittag wurden in mehreren Vorträgen die aktuellen Herausforderungen an die Berufsorientierung beleuchtet. - Seite 7 - Werner zu Jeddeloh, Vizepräsident der Oldenburgischen Industrie- und Handelskammer begrüßte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Bernd Althusmann seinerzeit Staatssekretär (heute Minister) im Kultusministerium Hannover musste witterungsbedingt absagen. Manfred Janßen, Generaliendezernent Berufsorientierung der Landesschulbehörde, erläuterte die aktuellen Reformen zur Berufsorientierung. Sybille von Obernitz, Bereichsleiterin Berufliche Bildung beim DIHK, ging auf die Rolle der Wirtschaft als wesentlicher Partner der Berufsorientierung ein. Berndt Wozniak, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Oldenburg, betonte die Notwendigkeit zur Kooperation der Partner und die Beiträge der Arbeitsagenturen. Prof. Dr. Dr. h. c. Hans Kaminski, Direktor des Oldenburger Instituts für Ökonomische Bildung, ging auf die neuen Kerncurricula für das Fach Wirtschaft ein, die von erheblicher Bedeutung für die schulische Umsetzung der Berufsorientierung sind. Prof. Dr. Rudolf Schröder, Inhaber der Stiftungsprofessur für Ökonomische Bildung und Berufsorientierung an der Universität Oldenburg, ging der Frage nach, wie die Forderung nach einem systematischen Gesamtkonzept eingelöst werden kann. Am Nachmittag wurde die Förderung der Berufsorientierung in sechs schulformspezifischen Workshops vertieft: Hauptschule, Realschule, Haupt- und Realschule (kooperative Gesamtschule), Integrierte Gesamtschule, Gymnasium und Berufsbildende Schulen. Gemäß dem Motto „Das Rad muss nicht neu erfunden werden“ wurde den Teilnehmenden die Möglichkeit gegeben, ihre Best Practice Beispiele darzustellen und hinsichtlich der Übertragbarkeit zu diskutieren. Außerdem wurden in den Workshops Forderungen an die Bildungspolitik entwickelt, die in der Zusammenfassung noch einmal auf den Punkt gebracht werden. Mit Blick auf die Nachhaltigkeit der Tagung wird außerdem ein Ausblick auf die weitere Arbeit gegeben. - Seite 8 - 2 Vorträge der Referenten 2.1 Eröffnung der Tagung Werner zu Jeddeloh, Vizepräsident der Oldenburgischen Industrie- und Handelskammer Meine sehr geehrten Damen und Herren, herzlich willkommen zu unserer Fachtagung „Übergang Schule-Beruf in Niedersachsen“, die wir gemeinsam mit dem Institut für Ökonomische Bildung durchführen, und bei deren Planung weitere relevante Akteure mitgewirkt haben. Wir freuen uns auf die Beiträge zum Thema Berufsorientierung und hoffen, dass wir heute weitere Impulse für diese wichtige Aufgabe geben, damit Berufsorientierung für alle Jugendlichen eine Eintrittskarte in die betriebliche Ausbildung oder auch andere Formen der Weiterqualifizierung werden kann. Also: Eine verbindliche Struktur der Berufsorientierung, damit die notwendigen Kompetenzen zu einer realistischen Lebensplanung bei allen Schülerinnen und Schülern gleichermaßen entwickelt werden können. Ich begrüße den Vorsitzenden der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit, Herrn Berndt Wozniak. Sie sind ein wichtiger Partner für Schülerinnen und Schüler, aber auch für die Schulen. Danke, Herr Wozniak, dass Sie sich in diesem wichtigen Punkt aktiv einbringen. Ich freue mich besonders darüber, Frau Sybille von Obernitz, Bereichsleiterin Berufliche Bildung und Bildungspolitik beim DIHK in Berlin, zu begrüßen. Sie haben sicherlich die längste Anreise zu dieser Tagung hinter sich. Der IHK-Organisation ist die Wichtigkeit einer guten beruflichen Orientierung durch die Reflexion ihrer Mitglieder bestens bekannt. Das hören Sie in Berlin wahrscheinlich täglich aus allen Regionen – unabhängig von föderalen Gegebenheiten in den einzelnen Bundesländern: Eine der Grundvoraussetzungen für eine gute Ausbildung im Sinne der Unternehmen und der Auszubildenden ist eine verlässliche und problemadäquate Vorbereitung der jungen Menschen auf die wichtigste Entscheidung im Teenageralter: eine realistische, den persönlichen Möglichkeiten entsprechende Berufswahlentscheidung. - Seite 9 - Ich begrüße gern die Professoren Hans Kaminski und Rudolf Schröder, die in ihren Beiträgen den Kontext und die Rahmenbedingungen des Themas beleuchten werden. Wer die inhaltlichen Positionen der beiden und des Instituts für Ökonomische Bildung kennt, wird wissen, dass die Verbesserung der Situation in der Berufsorientierung nicht vom Aktionismus dominiert werden darf, sondern von Struktureckpfeilern. Wir sind gespannt. Begrüßen möchte ich Herrn Manfred Janßen, Generaliendezernent für Berufsorientierung bei der Landesschulbehörde. Er wird nach der Mittagspause als Auftakt für die Workshops kurz die derzeitigen Rahmenbedingungen für die Berufsorientierung in Niedersachsen aufzeigen. Ein herzliches Willkommen auch denjenigen, die sich auf dem Markt der Möglichkeiten präsentieren und sich bei der Gestaltung der Workshops engagieren – hier wird die gelebte Realität gezeigt und diskutiert. Auch die Vertreter der Presse begrüße ich. Ich freue mich sehr, dass diese Tagung heute stattfindet. Ich freue mich auch darüber, dass der Geschäftsführer Aus- und Weiterbildung, Herr Dr. Thomas Hildebrandt, und der Projektleiter des Ausbildungspakts, Herr Ludger Wester, in unserer IHK mit so viel Herzblut an diesem Thema arbeiten – und zwar nicht isoliert, sondern im Dialog mit den Schulen und Institutionen. Diese Arbeit ist glasklar im Sinne der Schülerinnen und Schüler und der Wirtschaft, daran besteht kein Zweifel, denn Berufsorientierung ist auch ein Stück Wirtschaftsförderung. Ich möchte noch einige Worte als Unternehmer und Vertreter eines Ausbildungsunternehmens in die Diskussion bringen. Als Vertreter eines bekannten und traditionellen Ausbildungsunternehmens für unterschiedliche Berufe im gewerblich-technischen und kaufmännischen Bereich fallen mir einige Dinge auf, die genau in dieses Thema passen. Es fällt immer wieder auf, dass sich Jugendliche bei uns bewerben, die die unterschiedlichsten Vorstellungen über ein und dieselbe Berufsausbildung haben. Weiterhin fällt auf, dass diese Beobachtung nicht nur für den Informationsgrad über einen konkreten Ausbildungsberuf oder das potentielle Ausbildungsunternehmen begrenzt ist – nein, es geht auch um die Vorstellung über das Berufsleben, über das Verständnis der eigenen Rolle in der Ausbildung und teilweise über einfachste Umgangsformen. Ich betone ausdrücklich, dass wir hier nicht über schulische Leistungen sprechen, sondern über Berufsorientierung. - Seite 10 - Ich frage mich: wie kommt es zu diesen eklatanten Unterschieden? Gibt es überhaupt eine Verabredung der Beteiligten an den konkreten Inhalten der Berufsorientierung, was messbare Mindeststandards betrifft – etwa wie bei einer Führerscheinprüfung? Der Übergang von der Schule in den Beruf ist ein Meilenstein in der Biographie von Schülerinnen und Schülern1. Wenn wir das wissen, dann muss die Hinführung zu guten Entscheidungen unserer Schüler eine abgestimmte Vorgehensweise von qualifizierten Fachleuten beinhalten, die auch eine Verantwortung für ihr Tun übernehmen müssen. Wir sind als Unternehmen bei diesen Themen immer mit dabei! Wir erhalten häufig Anfragen zu Projektbeteiligungen, für Vorträge und Hilfen unterschiedlichster Art im Rahmen von Berufsorientierungsmaßnahmen. Mir ist bekannt, dass es tolle Initiativen gibt, beispielsweise hier in Oldenburg das Konzept der „Probelehre“ oder die „Gütesiegelaktion“, die meines Erachtens im Nordwesten schon 200 Schulen in Form eines Wettbewerbs mit einem durchdachten didaktischen Konzept erreicht hat. Ein weiteres tolles Produkt ist die im Mentorenprogramm der Oldenburgischen IHK entwickelte CD „startup4job“, die als interaktive Arbeitshilfe für Schüler und Lehrer bei der Berufsorientierung konzipiert wurde. Es gibt Unterrichtsmaterialien und Internetplattformen, beispielsweise vom IÖB. Es gibt Kooperationsverträge zwischen Schulen und Unternehmen, hervorragende Schulkonzepte, unser Mentorenprogramm, Schülerfirmen und viele, viele Dinge mehr. Letztlich alles „gutes schieres Fleisch“. Nichts davon muss man lassen, aber die Einbindung in ein Gesamtkonzept wäre sicherlich sehr sinnvoll! Wenn man das gut macht, ist das Ganze besser als isolierte Teile es jemals sein können. Und ich glaube sagen zu dürfen: ein solches Konzept gibt es leider noch nicht! Um es etwas provokativ zu sagen: Unsere Kinder brauchen keine zufälligen Glücksmomente, sondern eine verlässliche Selbstverständlichkeit in der Organisation, der Kooperation, der Qualifikation und der Verantwortung im Berufsorientierungsprozess! 1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im weiteren Verlauf die männliche Form verwendet, die auch für die weibliche steht. - Seite 11 - Dass der Bedarf nach Informationen bei Eltern und Jugendlichen groß ist, wissen wir. Ob es die Informationsveranstaltungen der Rotary Clubs sind, der Elterntag in der Agentur für Arbeit oder Veranstaltungen der Kammern, die Ausbildungsmesse „job4u“, oder wiederum andere Informationsveranstaltungen - überall gibt es einen wachsenden Zulauf! Die Wirtschaft ist durchaus bereit, sich einzubringen. Das machen wir seit vielen Jahren. Es wäre aber sinnvoll, wenn auch wir unsere Ressourcen in ein Konzept einbringen könnten, damit die Unterstützung an der richtigen Stelle und zur richtigen Zeit ansetzt - und damit effizienter wird! Mein Wunsch als Unternehmer und in meiner Funktion als Mitglied des Präsidiums der Oldenburgischen IHK ist es, dass wir Schüler vor uns sitzen haben, die ihrem Alter entsprechend realistische Vorstellungen von unserer Arbeitswelt und ihren eigenen Wunschberufen haben. Bei dieser großen Aufgabe werden wir im Sinne der Jugend, der Gesellschaftsentwicklung und natürlich auch im eigenen Interesse helfen. In diesem Sinne bin ich sicher, dass diese Tagung ein Erfolg wird. Die große Anzahl an Besuchern 2.2 ist für mich ein erstes Indiz. Danke für Ihre Aufmerksamkeit. „Schule – und was kommt dann“? Berndt Wozniak, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Oldenburg Diese Frage stellen sich jedes Jahr rund 6.500 Schüler, die die Schulen im Bezirk der AA Oldenburg verlassen. „Bevor andere über Deine Zukunft entscheiden, nimm sie lieber selbst in die Hand“. „Informiere Dich, welche Berufe es gibt!“ „Finde heraus, was für Dich das Beste ist!“ „Nutze Deine Chancen!“ - Seite 12 - Dieser Appell kommt von den rund 60 Berufsberaterinnen und Berufsberatern der AA Oldenburg, Vechta und Wilhelmshaven, die sich im Kammerbezirk hauptberuflich mit Fragen der Berufswahl und der Berufsorientierung beschäftigen und die eine hohe fachliche Kompetenz, regelmäßig ein dreijähriges Berater-Studium an der Hochschule der Bundesagentur für Arbeit einbringen und darüber hinaus eigene Erfahrungen in verschiedenen beruflichen Tätigkeiten gesammelt haben. Erst einmal den Abschluss machen, und dann sehen, wie es weitergeht! Das ist eine häufig gelebte Haltung der Schüler. Sehr geehrter Herr zu Jeddeloh, Sie haben als Vizepräsident der IHK, aber auch aus der Sicht Ihres Unternehmens, das sich immer der Berufsausbildung junger Menschen verpflichtet gefühlt hat, lebendig geschildert, mit welchen Vorstellungen sich die jungen Bewerberinnen und Bewerber bei Ihnen zeigen. Die Berufswahl ist ein hoch individualisierter Prozess. Die Berufsorientierung soll Schüler, aber auch deren Eltern frühzeitig und prozessorientiert auf die Berufswahlentscheidung vorbereiten, um dann eine qualifizierte Berufswahl treffen zu können. Berufsorientierung ist einerseits ein Prozess des Erkennens von eigenen Interessen, Wünschen, Fähigkeiten und andererseits das Wissen über Möglichkeiten, Bedarfen und Anforderungen der Arbeits- und Berufswelt. In diesem Prozess gilt es, Fähigkeiten und Kompetenzen der Schüler zu erkunden und ein Interesse an unterschiedlichen Tätigkeiten zu prüfen bzw. zu entwickeln. Sehr geehrte Damen und Herren, erfolgreiche Berufsorientierung zeichnet sich durch fächer- und jahrgangsübergreifende Konzeptionen, die Verknüpfung von theoretischem und praktischem Lernen sowie unterschiedlichen Methoden der Kompetenzförderung, Kompetenzfeststellung und Kompetenzdokumentation aus. Ohne Frage: Die Berufsorientierung in Niedersachsen nimmt Fahrt auf. Die erst jüngst modifizierte und an veränderte Bedingungen angepasste Rahmenvereinbarung zur Zusammenarbeit von Schule und Berufsberatung zwischen dem Kultusministerium des Landes Niedersachsen und der Regionaldirektion Niedersachsen-Bremen der Bundesagentur für Arbeit ist eine gute Grundlage für weitreichende Aktivitäten. - Seite 13 - „Ausbildungsreife sicherstellen – Berufsorientierung stärken“, das ist auch das Ziel, auf das sich die Partner des nationalen Pakts für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs in Deutschland am 19. Juni 2009 verpflichtet haben. Unterzeichner dieses Paktes sind neben der BA und der Konferenz der Kultusminister der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK), der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH), der Bundesverband der freien Berufe (BfB), die großen Industrieverbände BDA und BDI sowie die Bundesminister für Bildung und Forschung, Wirtschaft und Technologie, Arbeit und Soziales sowie die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration. Sie können an den Institutionen unschwer erkennen, welche hohe Bedeutung der Berufswahlvorbereitung beigemessen wird. Diese Veranstaltung hier ist der gelebte Beweis, dass nicht nur Fahrt aufgenommen worden ist, sondern auch die Richtungsdiskussion angegangen wird. Nach wie vor gibt es eine Vielzahl von Akteuren im Feld der Berufsorientierung, die leider häufig interessengeleitet sind und ohne Fachkompetenz nur ein Marketingziel verfolgen. Dies können junge Berufswähler häufig nicht erkennen. Auf meine Frage beim Elterninformationstag der Agentur für Arbeit Oldenburg Mitte Januar an einen Interessenten am Stand der Polizei, ob er noch ein Gespräch mit dem Berufsberater der AA vereinbaren möchte, antwortete er, dass das nicht nötig sei, da er bereits mit dem Berufsberater einer großen Krankenkasse gesprochen habe und der geva-Test seine Eignung betätigt hätte. Für mich bedeutet das: mehr denn je kommt es darauf an, dass die Menschen, die in öffentlich-rechtlichen Systemen eine hohe Wertschätzung bei den Schülern genießen, qualifiziert, nicht interessengesteuert, an den Fähigkeiten der jungen Menschen orientiert, die Berufsorientierung begleiten. Dies sind in erster Linie die Lehrer, die Berufsberater, die Kammern und ihre Einrichtungen, im Praxisbezug natürlich auch die Unternehmen und Betriebe der Region. Dass die Berufsorientierung im politischen Fokus steht, darf nicht darüber hinweg täuschen, dass die Probleme leider allzu vieler jugendlicher Schulabgänger bei der Integration in die Arbeitswelt vielfältiger Natur sind. - Seite 14 - Diese Probleme reichen von suboptimalen schulischen Bedingungen über familiäre/persönliche Problemlagen bis hin zu unzureichenden strukturellen Gegebenheiten (regional unterschiedliche Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsstruktur, mangelhafte öffentliche Verkehrsanbindung, unzureichende kulturelle und Freizeitangebote). Nicht zuletzt durch die gerade von der Bundesagentur stark geförderte erweiterte vertiefte Berufsorientierung werden vielfach zurzeit innovative Schulkonzepte entwickelt. Diese setzen auf neue Lernkulturen, beziehen regionale Partner ein und bieten auch Hilfen zur individuellen Gestaltung der Berufswahl. Aber es gibt noch eine andere Wirklichkeit: Durch den vielfach an Aktionismus erinnernden Aufwand bei der Berufsorientierung von zum großen Teil kaum qualifizierten Einrichtungen wird kein entscheidender Beitrag für Schulabgänger, die eigene Biografie zu gestalten, geleistet. Aber auch für uns alle gilt: Viele operative Inseln ergeben noch kein Ganzes. Berufsorientierung muss sich nach meiner festen Überzeugung als fester Bestandteil eines ganzheitlichen Bildungsauftrages verstehen. Ich wünsche mir zur Vorbereitung der Arbeit der Berufsberater eine schulische Berufsorientierung, die frühzeitig einsetzt, die Unterstützung des gesamten Kollegiums wie auch der Schulleitung erfährt, die Eltern frühzeitig mit einbindet und die in Kooperation mit Betrieben, Arbeitsagenturen und weiteren Praxispartnern vor Ort erfolgt. Sie informiert u. a. in der Schule über die Möglichkeiten und Anforderungen der regionalen und überregionalen Wirtschaft und bietet Schülern Praktika an, damit sie frühzeitig die betriebliche Wirklichkeit kennen lernen. Ich wünsche mir die Erfüllung des Bildungsauftrages in der Form, dass am Ende junge Menschen die Schule verlassen, die ausbildungsfähig sind und die durch eine Berufsorientierung noch einmal einen Impuls zur Entwicklung ihrer individuellen Stärken bekommen. Bekommen wir es hin, dass die vielfältigen Aktivitäten nicht unbemerkt nebeneinander stehen? Bekommen wir es hin, dass sich diese Aktivitäten ergänzen? Bekommen wir es hin, dass wir Strategien auf der Grundlage gemeinsamer verbindlicher Standards entwickeln? Bekommen wir es hin, dass die Aktivitäten Bestandteil eines ganzheitlichen Bildungskonzeptes werden? - Seite 15 - Ich bedanke mich bei den Verantwortlichen der IHK und des Institutes für ökonomische Bildung für die Ausrichtung dieser Fachtagung. Ich freue mich auf die Erkenntnisse und Ergebnisse dieses Tages. 2.3 Berufsorientierung als eine Gesamtaufgabe Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Kaminski, Direktor IÖB Meine sehr verehrten Damen und Herren, betrachten Sie meinen kurzen Beitrag mit neun kurzen Punkten und vier Feststellungen wie die Auszeit beim Volleyball–Spiel, um noch einmal kurz darüber nachzudenken, was am Ende der Tagung ins allgemeine Bewusstsein für die weitere Verankerung der Berufsorientierung in Niedersachsen gerückt sein sollte. 1. Klassischerweise übernimmt das Schulsystem mindestens drei Funktionen: es findet Unterricht statt zum Zwecke, allgemeine Qualifikationen und Kompetenzen zu entwickeln, die den Kindern und Jugendlichen die gesellschaftliche Teilhabe an der Bewältigung von gegenwärtigen und zukünftigen Lebenssituationen ermöglichen (Qualifikationsfunktion). Auf eine Kurzformel gebracht: „Qualifikationen für eine Welt wie sie ist und Bildung für eine Welt wie sie sein sollte“. Schule nimmt aber auch Prüfungen ab, sie verleiht Berechtigungen und beeinflusst damit die Stellung eines Individuums in der Sozialstruktur einer Gesellschaft. Dies ist die Selektionsfunktion. Sie macht uns immer die meisten Sorgen. Fördern hört sich immer besser an als auswählen, selektieren. Schule vermittelt aber auch über die Art und Weise des Zusammenlebens aller Beteiligten (Lehrer, Schüler, Eltern usw.), über formulierte Rollenerwartungen oder über den „heimlichen Lehrplan" gelebter Rollen, Normen und Werte, politische Orientierungen, die das jeweilige Gesellschaftssystem beeinflussen (Integrationsfunktion). 2. Nun muss man sich immer wieder deutlich machen, dass Arbeit und Beruf Grundkategorien menschlichen Daseins darstellen. Arbeit und Beruf sind nicht nur eine wesentliche Grundlage für den Einkommenserwerb und damit für die materielle Existenzsicherung, sondern ebenso zentral für die Persönlichkeitsentwicklung. - Seite 16 - Damit leisten Arbeit und Beruf einen zentralen Beitrag für die Integration der jungen Menschen in unsere Gesellschaft. Und wir brauchen jeden einzelnen! 3. Damit sind wir schließlich bei der Berufsorientierung der jungen Menschen. Sie ist einerseits eine individuelle Aufgabe für den Berufswähler selbst, aber sie ist auch ein wichtiges gesellschaftspolitisches Aufgabenfeld, um Unterstützungssysteme anzubieten, die beim Übergang helfen. Dies führt unmittelbar zur Frage, was wir allen Kindern und Jugendlichen an Wissen, Fertigkeiten, Einstellungen und Wertorientierungen versuchen müssen zu vermitteln, also welche invarianten Teile jedweder Berufsorientierung gibt es und natürlich, wie können wir speziell und individuell Fritzchen und Susi unterstützen. 4. Wir wissen, dass das Ziel eine Gleichheit von Lebensbedingungen in Deutschland zu realisieren nicht möglich ist, aber das Ziel, eine Gleichwertigkeit von Lebensbedingungen anzustreben, ist grundgesetzlicher Auftrag (Art. 91a GG). Ebenso gibt es auch keine Gleichheit von Bildungsbedingungen, aber es sollte schon das Ziel sein, ihre Gleichwertigkeit anzustreben. Dies ist eine hohe Herausforderung für die Konzeptionierung der Berufsorientierung in einem Flächenland wie Niedersachsen. Damit kommen wir zur Feststellung 1: Es muss in allen Schulen zumindest das Graubrot zur Berufsorientierung solide vermittelt werden können. Dafür sollten die Voraussetzungen geschaffen werden, curricular, personell und organisatorisch für jedwede Form der Beratungstätigkeit, für die allgemeine Qualifizierung der Lehrkräfte, die diese anspruchsvolle Aufgabe zu leisten haben. 5. Bei nüchterner Einschätzung müssen wir festzustellen, dass die Qualifikationsanforderungen an alle Beschäftigten höher werden. Der Anteil z. B. der Informationstechnologien an der Wertschöpfung von Produkten und Dienstleistungen steigt ständig. Damit wird insbesondere die Situation auf dem Ausbildungsmarkt für Hauptschüler noch einmal kritischer und enger, weil der kognitive Gehalt der verbleibenden Arbeit höher wird. Die Arbeit geht nicht aus, wie häufig kurzschlüssig gedacht wird, sie wird aber anders. Feststellung 2: Der Bedarf an gering qualifizierten Arbeitskräften wird weiter sinken. Auch angesichts der demografischen Problemlagen, die wir mehr und mehr spüren, wird sich das z. B. für Hauptschüler nicht sonderlich positiv auswirken. Deshalb ist es m. E. völlig richtig, dass wir uns grundlegend mit dem Profil der allgemeinbildenden Schulen in der Sek I (HS, RS) beschäftigen und nach neuen, unkonventionellen Lösungen suchen müssen. - Seite 17 - 6. Zurzeit gibt es viele Aktivitäten zur Berufsorientierung in den Schulen, dies ist einerseits erfreulich, aber viele bunte Punkte ergeben noch kein Bild! Es fehlen m. E. abgestimmte Gesamtstrategien für die allgemeinbildenden Schulformen, die sich leider nicht aus der Addition, sondern nur durch eine Koordination ergeben werden. Und viele Lehrkräfte sind geradezu verstört und gelähmt von den vielen Anforderungen und von der nicht immer durchdachten Art und Weise der Reformen, sie ziehen sich einfach zurück. Dies ist nicht gut. Feststellung 3: Es fehlt nicht an Aktivitäten, sondern wir benötigen ein abgestimmtes Gesamtkonzept, in denen diese Aktivitäten ihren spezifischen Stellenwert zeigen müssen. Das Gesamtsystem muss übersichtlicher werden, damit es alltagstauglicher wird. Meine Befürchtung ist, dass die bisherige Form der Berufsorientierung – wenn auch in bester Absicht - deshalb in einigen Schulen mehr eine Placebofunktion hat, als dass sie schon ein strategisches Konzept darstellt. 7. Es gibt eine mehrfache strukturelle Differenz zwischen Anspruch und Einlösung der schulischen Aufgabe Berufsorientierung: Die erste Differenz besteht in der Wahrnehmung der Wirksamkeit der Berufsorientierung in den Schulen. Es wird nicht ausreichen, alle beteiligten Lehrkräfte in eine anonyme, nicht rechenschaftspflichtige Gesamtverantwortung zu treiben. Wir wissen, wenn alle verantwortlich sind, ist am Ende keiner verantwortlich. Verantwortung als didaktischer Wanderpokal ist kein hilfreiches Organisationsprinzip. Die Berufsorientierung als schulische Gesamtaufgabe zu definieren, halte ich zwar für richtig, aber es wird sehr darauf ankommen, sie an affine Fächer (z. B. Wirtschaft) inhaltlich „anzudocken“, ohne dass diese Fächer dafür zeitlich bestraft werden und sie die eigenen Kernaufgaben nicht mehr richtig übernehmen können. Die zweite Differenz zwischen Anspruch und Einlösung besteht in den vielen Projekten, die vor der Schultür stehen. Sie erzeugen das Gefühl, dass unendlich viel passiert, aber ich befürchte, dass die Evaluation zu ernüchternden Ergebnissen führen könnte. Sie sind manchmal wie der Theaternebel, der aufsteigt, und wenn dieser verschwindet, steigt sehr unvermittelt die Realität vor unseren Augen wieder auf. Wie bekommen wir das koordiniert? Die dritte Differenz zwischen Anspruch und Einlösung besteht darin, dass Niedersachsen ein Flächenland ist. Westrhauderfehn ist nicht Oldenburg, Cloppenburg nicht Sögel und Weener nicht Lüneburg. Und man kann leider das Land Niedersachsen nicht einfach zum „Neustädter Modell“ umbenennen. - Seite 18 - Wir haben unterschiedliche Bedingungen, deshalb müssen wir unterschiedliche Lösungen suchen, damit zumindest das Graubrot der Berufsorientierung vermittelt werden kann. 8. Damit komme ich zu einer zentralen Bedingung für eine seriöse schulische Berufsorientierung, die Lösung der Frage: Wie können wir die Lehrkräfte landesweit für die Aufgabe qualifizieren? Die Berufsorientierung ist eine Fachaufgabe und keine Gesinnungsaufgabe. Der pädagogische Eros ist wichtig, aber reicht nicht allein. Es kann nicht angehen, dass z. B. ohne fachliche Kenntnisse zum regionalen Arbeitsmarkt, zu den Aufgaben eines Betriebes, zu Berufswahltheorien, zur Funktion von Betriebspraktika, zur Reichweite von Erkundungen usw. z. B. die Lehrkräfte für Religion, Deutsch, Kunst, Physik unterschiedslos damit beauftragt werden, Berufsorientierung zu unterrichten. Natürlich kann ein Religionslehrer über diese Kompetenzen auch verfügen, aber damit werden Fachkenntnisse nicht obsolet. In diesem Feld kommt deshalb der Fachberatung Berufsorientierung eine zentrale Aufgabe in den Regionen zu, die Entwicklung schulinterner Konzepte zu unterstützen. Stützen wir deshalb das System und qualifizieren wir es, wo immer auch nötig. Suchen wir nach einem landesweiten Qualifizierungskonzept für Lehrkräfte – egal wie teuer es sein mag, es ist allemal billiger als der Verlust der jungen Menschen, die den Eindruck haben könnten, sie seien die nächsten Opfer einer gesellschaftlichen Abwrackprämie. Es wird auch nicht gegen die bewundernswerten Projektaktivitäten argumentiert, sondern wir müssen überlegen - wie bei einer ABC-Analyse - , mit welchen drei Entscheidungen auf curricularer, personeller und finanzieller Ebene wir einen Zielerreichungsgrad von 80 % hinbekommen und sollten nicht zuallererst nach jenen weiteren 50 Aktivitäten suchen, mit denen sich die letzten 20 % auch noch realisieren lassen. Struktur vor Detail! 9. Wir müssen des Weiteren tragfähige Netzwerke zwischen Schulen, Organisationen/Institutionen, Unternehmen und Ausbildungsinstitutionen entwickeln, die nicht mit jedem neuen Projekt oder Projektchen auch immer wieder neu begonnen werden. Wir müssen Stabilität auf Jahre hinaus im Planungsvisier haben, sonst verpufft die meiste Energie im jeweiligen Anfang und nicht in einer konzentrierten und fortgesetzten Arbeit. Jedem Anfang wohnt zwar ein Zauber inne, aber zu viel Zauber wird dann auch schnell zur durchschaubaren Zauberei. Deshalb: Didaktische Nachhaltigkeit ist wichtig, das kostet weniger als immer wieder neue Projektanfänge. Hier brauchen wir Unternehmen und nen/Institutionen mehr denn je, denn die Herausforderung ist größer denn je. - Seite 19 - Organisatio- Netzwerke müssen nach Funktionalität beurteilt werden und es kann nicht das erste Ziel sein, eine allein durch immer weitere Zellteilungen erfolgte Netzwerkbildung zur gleichen Aufgabe zu betreiben. Feststellung 4: Bei allen notwendigen schulischen Aktivitäten sollte uns bewusst sein, dass neue Ausbildungsplätze nicht dadurch entstehen, dass in den Schulen alleine eine bessere Berufsorientierung betrieben wird. Didaktik schafft keine Arbeitsplätze, schade – ist aber so. Unternehmen schaffen Ausbildungsstellen, und diese müssen zu den Zielsetzungen von Unternehmen passen - alles andere ist Lyrik. Machen wir also in den Schulen das, was wir können und lassen wir uns keine Aufgaben geben, für deren Bearbeitung wir keine soliden Instrumente haben. 2.4 Berufsorientierung – Eintrittskarte in die betriebliche Ausbildung Sybille von Obernitz, Bereichsleiterin Berufliche Bildung/Bildungspolitik des DIHK, Berlin Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Vorfeld möchte ich mich bei den Lehrerinnen und Lehrern für die rege Teilnahme an dieser Fachtagung bedanken. Denn die Unternehmen sind auf ein großes Engagement der Lehrerschaft zum Thema Berufsorientierung angewiesen. Berufsorientierung ist etwas ganz Elementares und etwas ganz Existenzielles. Es geht um die Weichenstellung für die Zukunft der jungen Menschen. Im Gegensatz zu vor 10 oder 15 Jahren haben wir mittlerweile 350 Berufe sowie 11.000 Studiengänge. Da fällt die Entscheidung schwer. Es geht nicht nur um Berufsorientierung für Haupt- und Realschüler, sondern auch für Gymnasiasten, die sich für ein Studium entscheiden oder auch zunächst einen Beruf erlernen. Die Berufswahl treffen junge Leute in einer persönlichen Entwicklungsphase, in der ohnehin sehr viel im Umbruch ist. Und sie ist für viele ein erster Sprung in die Unsicherheit. Raus aus der Schule und aus dem Elternhaus, die für die meisten doch ein sehr sicherer Hafen sind. Sie ist zudem etwas sehr Komplexes. - Seite 20 - Die Fragen – Was interessiert mich? Was macht mir Spaß? Worin liegen meine Stärken? Wie kann ich das mit den Angeboten spiegeln, die es gibt? – setzen ja voraus, dass ein junger Mensch sich schon ein Stück weit kennt. Es gibt, auch wenn Eltern dies möglicherweise anders sehen – kaum jemanden, der die Kinder so kontinuierlich und lange begleitet hat, wie die Lehrer. Deshalb sind gerade sie so wichtig, weil Berufsorientierung eben so viel damit zu tun hat, die Stärken und Schwächen jedes Einzelnen zu erkennen. Wie kann ihnen geholfen werden? Natürlich indem Unternehmen zeigen, was Berufsleben heißt, indem Auszubildende ganz authentisch vermitteln, wie sie Ausbildung erleben. Den besten Einblick in den Ausbildungsablauf geben meistens Auszubildende. Bei Betriebsbesuchen sollte man immer darauf achten, dass natürlich ein Personaler dabei ist, aber es ist ganz wichtig, dass Auszubildende aus dem Unternehmen über ihre Ausbildung und ihre Arbeit berichten. Die haben nämlich die höchste Akzeptanz bei den jungen Leuten. Aber es geht natürlich auch darum, diesen Berufswahlprozess über eine längere Zeit wirklich professionell zu begleiten. Der Traum wäre eigentlich, wir hätten eine richtige curriculare Verankerung von „Berufsorientierung“, so wie bei anderen Fächern. Wir müssten nachhaltig und aufeinander aufbauend eine durchdachte, durch Praxis erprobte Berufswahl ermöglichen, um die Übergänge zwischen Schule und Ausbildung zu verbessern. Berufsorientierung hätte eigentlich eine curriculare Verankerung längst verdient. Das IFOK-Institut hat etwas ganz Richtiges gemacht. Die haben gesagt, wenn wir über Berufsorientierung sprechen, müssen wir eigentlich mal diejenigen fragen, um die es geht – nämlich die jungen Leute. Was kommt bei denen an, wie stellen die sich eine Berufsorientierung vor, damit es ihnen etwas hilft? In diesem Projekt haben die Jugendlichen Vorschläge gemacht, die ganz handfest waren. Zunächst einmal praktische Dinge: Warum gibt es nicht in jeder Schule ein I-Board? Ein I-Board, ähnlich einem großen I-Pad oder Smartboard, wo Informationen über Ausbildungsberufe ganz leicht erschließbar abgerufen werden können und auch, welche Ausbildungsmöglichkeiten es in der jeweiligen Region gibt. - Seite 21 - Solche verständlichen Informationstafeln sollten in jeder Schule stehen, wo man mal eben in der Pause hingehen und gucken kann, was eigentlich zum Beispiel ein Anlagenmechaniker ist. Und das ganze Thema nicht zentralisieren auf drei Besuche bei der Berufsberatung der Arbeitsagentur und möglicherweise noch vier Betriebsbesuche. Außerdem schlugen die Jugendlichen vor, man solle mehrere Turbopraktika, also Kurzpraktika in Betrieben machen. Es sollte Beratung in Form von Chats übers Internet geben und Jobscouts, die bei der Berufswahl helfen und die Gegebenheiten der Region kennen. Ähnlich den Mentoren, die sich um benachteiligte Jugendliche kümmern. Auf die Frage, was denn das Wichtigste sei, was die Jugendlichen aus dieser meinungsbildenden Projektwoche mitgenommen haben, und wie Berufsorientierung ablaufen muss, ist klar geworden, dass Berufsorientierung viel vielseitiger ist, als die meisten Schüler vorher gedacht haben. Damit kann man es also packen. Wenn man die Berufsorientierung vielseitig gestaltet, dann erreicht man die Schüler auch damit. Den Schülern ist bei dieser Projektwoche klar geworden, dass man an einer Sache dranbleiben muss, wenn man was will. Das ist ja eine wichtige Voraussetzung für das Berufsleben. Dass eine solche Dimension bei einem Projekt zur Berufsorientierung mitvermittelt wird, würde man spontan nicht unbedingt denken. Wir sehen immer allein die Ebene der Berufswahl. Aber die Chancen für die Entwicklung der Jugendlichen über eine gute Berufsorientierung sind offenbar sehr viel komplexer. Es wird viel auf Bundesebene im Zusammenhang mit dem Ausbildungspakt über eine Verbesserung der Berufsorientierung gesprochen. Aber Berufsorientierung ist nicht nur eine Bringschuld. Es muss der Mut aufgebracht werden, den jungen Menschen klarzumachen, dass Berufsorientierung auch eine Holschuld ist. Wir müssen - und das ist auch eine Frage von Authentizität - uns zutrauen, bei aller Verankerung und bei allem Engagement aller Beteiligten, den Jugendlichen immer wieder den Ball zurückzugeben und ihnen sagen, Berufsorientierung bedeutet, dass ihr euch selbst kümmern müsst. Vieles liegt für euch bereit. - Seite 22 - Warum engagieren sich Unternehmen für die Berufsorientierung? Ich will nicht verhehlen, dass das einen ganz klaren ökonomischen Hintergrund hat. Ich werbe dafür, dass das nicht problematisch gesehen wird, sondern vollkommen rational – so funktionieren Unternehmen. Sie brauchen gute Fachkräfte und sie versuchen, diese möglichst früh zu gewinnen - und das aus eigenem Interesse. Es ist ja auch ein Ausdruck von Professionalität, wenn Unternehmen verstehen, welchen Stellenwert die Fachkräfte für sie haben und sich deswegen besonders früh darum bemühen. Die Unternehmen haben verstanden, welche demographische Entwicklung auf sie zukommt bzw. sie antizipieren so langsam die demographische Entwicklung. Die Unternehmen antizipieren auch, dass sie mithelfen müssen, diejenigen jungen Menschen in Ausbildung zu bringen, die dafür nicht die besten Voraussetzungen haben. Vor sechs, acht Jahren wurde so nicht gedacht, aber so mussten sie damals auch nicht denken. Das Entscheidende ist: Wenn man die Interessen der Jugendlichen vor Augen hat, eine möglichst sichere Berufswahl zu treffen. So sehen es die Jugendlichen. Und die Unternehmen? Sie sagen, ich möchte möglichst ziemlich passgenau meine Fachkräfte von morgen finden. Wie können wir diese beiden Interessen so zusammen bringen, dass am Ende genau das stattfindet? Das ist nämlich das Ergebnis von guter Berufsorientierung. Wo findet dieses Thema in der Politik statt? Dies ist natürlich Ländersache, aber wir alle kennen den Ausbildungspakt. Die Neuausrichtung eines Anschlusspaktes ist in der Koalitionsvereinbarung der Bundesregierung verabredet. Das Thema Berufsorientierung muss in diesem Ausbildungspakt ein zentrales Thema werden, wenn wir einen substantiellen Beitrag für bessere Übergänge von Schule in Ausbildung haben wollen. Tadellose politische Papiere zu diesem Thema haben wir bereits: Zum Beispiel „Berufswegeplanung ist Lebensplanung“. Das Papier ist in Zusammenarbeit der Partner im Ausbildungspakt entstanden. An der praktischen Umsetzung mangelt es aber noch. Um was geht es eigentlich bei dem Thema und wer sollte was tun? Wie systematisch ist das Thema Berufsorientierung im Schulalltag verankert? Wie kriegen wir hin, dass die Akteure, die wir brauchen, verbindlich das tun, was sie tun sollen? - Seite 23 - Wer hält das nach? Ein Jahrgang hat zurzeit ungefähr 800.000 – 900.000 Schüler. Nehmen wir an, in allen siebten bis neunten Klassen gibt es eine systematische Berufsorientierung , dann wissen wir ungefähr, wie viele Schüler wir parallel über diese drei Jahre in der Schule erreichen müssen, damit es funktioniert. Wenn wir uns den Ausbildungspakt anschauen, geht es immerhin pro Jahr um 600.000 – 650.000 Ausbildungsverträge, die hier geschlossen werden. Schaut man sich die Vielzahl der Akteure an, die da mitwirken, dann ist mit einer guten Projektstruktur ein solches Thema hinzukriegen. Das bedeutet, das alle Akteure genau wissen müssen, was sie zu tun haben und es an den Schulen jemanden geben muss, der das koordiniert. Wir wollen noch mehr Umsetzungsverbindlichkeit im nächsten Ausbildungspakt verabreden. Wir haben darüber hinaus mit Herrn Dr. Spaenle (2010 Präsident der KMK) verabredet, dass er in die Kultusministerkonferenz zur nächsten Sitzung Überlegungen mitnimmt, wie er mit den Kultusministern trotz der föderalen Struktur zu mehr Verbindlichkeit kommt und die Länder zukünftig mit einer anderen Rolle im Pakt mitwirken als bisher. Die Kultusministerkonferenz hat bisher im Pakt ein sehr begrenztes Mandat. Das macht es natürlich schwer, für alle Länder verbindliche Standards für die Berufsorientierung zu vereinbaren. Aber die Verbindlichkeit und eine Struktur brauchen wir. Diese brauchen auch die Unternehmen. Sie müssen schon wissen, dass, wenn sie sich anbieten, a) das angenommen wird und b) an wen sie sich eigentlich in der Schule wenden müssen. Bundesweit ist das eben völlig unterschiedlich. Sie sehen, auf Bundesebene im Zusammenhang mit dem Ausbildungspakt hat das Thema Berufsorientierung große Priorität. Ein wichtiger Hinweis meinerseits für Sie ist, dass wir als IHK-Organisation die Rolle der Unternehmen an dieser Stelle ganz zentral sehen und uns auch nicht scheuen, verbindliche Verabredungen einzugehen. Als positives Beispiel möchte ich an dieser Stelle einmal Baden-Württemberg herausheben. Dort gibt es eine unterschriebene Verabredung zwischen Landesregierung und Wirtschaft. Die Kammern haben unterschrieben, dass jede Schule ein Unternehmen als Partner bekommt. Es gibt ganz frisch etwas Ähnliches jetzt in Rheinland-Pfalz. Auch in Niedersachsen gibt es vielversprechende Versuche zu mehr Verbindlichkeit. - Seite 24 - Es kommt uns ganz besonders auf eine langfristige partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Schulen an. Schnellschüsse, wie: „Ich mache jetzt mal eine Vereinbarung mit einer Schule und dann funktioniert Berufsorientierung“ - so denken wir nicht. Uns ist vollkommen klar, dass Berufsorientierung nur dann funktioniert, wenn die Unternehmen in regelmäßigen Abständen und in enger Abstimmung mit den Schulen diese über eine längere Zeit begleiten. Wir werden unsererseits einen Leitfaden für Betriebe erarbeiten, wie überhaupt Praktika von Schülern in Unternehmen gestaltet werden können. Gerade kleine und manche mittleren Betriebe tun sich hier oft nicht leicht. Fest steht: Wir haben in Deutschland unheimlich viele Einzelprojekte zur Berufsorientierung. Aber was wir eben nicht haben, ist ein bundesweites Verständnis darüber, was gute Berufsorientierung eigentlich ausmacht? Und wenn man fragt, was sind eigentlich die besten und erfolgreichsten Projekte, dann findet man keine Antwort. Dabei müssen wir wahrscheinlich nur genau hinschauen. Viel Neues ausdenken müssen wir wahrscheinlich nicht. Für uns als Industrie- und Handelskammern ist es wichtig, dass wir im Ausbildungspakt mit den Kultusministern und den anderen Partnern noch stärker konkretisieren, wie wir diesen Prozess nachhaltig gestalten können. Am Ende müssen die Jugendlichen, die Eltern, die Lehrer und die Unternehmen das Gefühl haben, dass es funktioniert. Wo steht jetzt die Schule? Wir möchten Ihnen, den Lehrerinnen und Lehrern nicht einfach die Verantwortung für die Berufsorientierung zuschieben nach dem Motto: Die Schulen machen das schon. Wir wissen, davon haben die Schulen die Nase voll, die haben ja für irgendwie alles die Verantwortung oder werden verantwortlich gemacht. Trotzdem müssen wir einräumen: Die Schule ist für Berufsorientierung der ideale Ort. Nur in der Schule und über die Schule werden alle Jugendlichen erreicht, denn sie sind jeden Tag dort. Sie als Lehrerinnen und Lehrer haben sie in Ihrer Obhut, Sie kennen Sie und sie haben sie in einem längeren Prozess so kontinuierlich wie sonst nur die Eltern. Das ist auch eine große Chance für eine gute Berufsorientierung. Und insofern geht es nicht darum, die Verantwortung irgendwo hinzuschieben, sondern Sie eher noch einmal darauf anzusprechen: Es gibt niemanden, der es besser könnte als Sie, die Lehrerinnen und Lehrer. - Seite 25 - Wir sind aber jeder Zeit bereit, Sie dabei zu unterstützen. Je klarer Sie uns sagen, wo die Unternehmen Ihnen helfen können, umso mehr können wir bei unseren Unternehmen dafür werben, sich in der Berufsorientierung in den Schulen zu engagieren. Lehren und Erziehen sind ein Prozess, der mit Wissensvermittlung zu tun hat, der aber auch darüber hinausgeht. Berufsorientierung ist eine Art der Vorbereitung auf die Zukunft. Wir streiten oft darum, was ein Kind in der Schule lernen soll. Da gibt es hin und wieder erbitterte Diskussionen zwischen der Schulseite und der Wirtschaftsseite, und der Vorwurf steht im Raum, die Wirtschaft handele nur aus Eigennutz, wenn sie Berufsorientierung fordert. Aber gerade Berufsorientierung hat für die Jugendlichen ganz viel mit Lebensplanung zu tun und eigentlich mit Zukunftsthemen, die jenseits sozusagen der gerade aktuellen Dimensionen von Lernen in der Schule sind. Was muss ich in einem Ausbildungsberuf können, der mir Spaß macht? Wie kann ich mit diesem Beruf mein Leben gestalten und damit auch Teil einer Gesellschaft werden? Wenn man etwas entscheiden will, dann muss man die Fähigkeit haben, sich selbst und Sachverhalte einzuschätzen und zu reflektieren, um dann fundiert zu wählen. Diesen Prozess bereiten die Lehrer in der Schule vor, auch mit Erziehung und Befähigung zu kritischer Reflexion. Es kann niemand so gut wie Sie. Sie halten die Fäden dazu in der Hand. Sie brauchen dann natürlich die Unterstützung der Unternehmen und der Gesellschaft. Und es ist natürlich auch eine Frage der Rahmenbedingungen. Das kann nicht immer nur Thema von ein, zwei, drei engagierten Lehrern sein. Wir müssen auch die Kommunikation zwischen Wirtschaft und Schule verbessern. Beide Partner müssen sich auf Augenhöhe begegnen und Verständnis für die jeweils andere Seite entwickeln. Die Unternehmen sollten dabei auch ein Stück an die Hand genommen werden. Schule und Betrieb sind zwei komplett verschiedene Welten. Unternehmen haben ganz andere Entscheidungsstrukturen, sie funktionieren einfach anders als Schulen. Und dann haben sie die Idee, dass sie gern mit einer Schule zusammenarbeiten wollen. Sie bieten einer Schule etwas an und wenn die Schule es nicht gleich prima findet: Na bitte, Vorurteil bestätigt. - Seite 26 - Im Gegenzug hat natürlich auch jedes Unternehmen seine eigene Vorstellung. Engagement muss in ein bestimmtes Konzept hineinpassen, zum Beispiel ein Personalentwicklungskonzept oder in ein bestimmtes Konzept, wie sich ein Unternehmen gesellschaftlich engagieren will. Das muss den Schulen erklärt werden. So wie Unternehmen es verstehen müssen, dass Schulen oft nur begrenzte Handlungs- und Entscheidungsmöglichkeiten haben. Wir sitzen alle in einem Boot und wollen, dass die Jugendlichen in dem Thema Berufsorientierung besser qualifiziert sind. Wir, die Industrie- und Handelskammern, werden nicht nachlassen, die Unternehmen bei ihrer Verantwortung zu packen. Natürlich gibt es auch noch viele Unternehmen, die wir für dieses Thema aufschließen müssen - unbestritten. Aber die Konzeption und die Absicht, die dahinter stehen, die Regelmäßigkeit und die Aufmerksamkeit, die dem Thema gewidmet wird, Begleitung der Schüler bis zur Schulentlassung und bis zum Übergang ins Berufsleben, die ist gut. Projekte gibt es genug. Manchmal heißt es auch: Zu viele Köche verderben den Brei. Wir glauben, man muss neben der Tatsache, dass die Schule sich als „Fäden in der Hand haltend“ wahrnimmt, in den Regionen Netzwerke schaffen, die sich ganz regelmäßig treffen. Dazu gehören die Arbeitsagenturen vor Ort in Kombination mit den Kammern und in Kombination mit den Schulen. Wenn sich diese drei Akteure in regelmäßigen Abständen zusammensetzen und gucken, wo funktioniert es, wo funktioniert es nicht, woran liegt es, was können wir leisten, um dann möglicherweise auch an Rahmenbedingungen noch nachzubessern, dann sind die Bedingungen perfekt für eine Optimierung der Berufsorientierung. Wenn man sich die Vielfalt anschaut, die den jungen Menschen heutzutage gegenübersteht, dann bleibt uns gar nichts anderes übrig, als ihnen dabei zu helfen - sie können in diesem Alter noch überfordert sein - selbst ihren Weg zu finden. Denn: nach Friedrich Nietzsche ist der Beruf das Rückgrat des Lebens! Wir profitieren auch als Gesellschaft davon. Geben wir gemeinsam das Beste, um unseren Kindern bei der Berufswahl den Rücken zu stärken. Vielen Dank! - Seite 27 - 2.5 Berufs- und Studienorientierung: auf dem Weg zu einem Gesamtkonzept Prof. Dr. Rudolf Schröder (Stiftungsprofessur Berufsorientierung, IÖB/Universität Oldenburg) 2.5.1 Einleitung Die Berufsorientierung stellt eine aktuelle, aber keinesfalls eine neue Herausforderung dar. Die Disparitäten auf dem Ausbildungsmarkt, die Schwierigkeiten vieler Jugendlicher beim Übergang von der Schule in einen Ausbildungsberuf oder Studium, zunehmend fragmentierte Berufsbiografien sowie neue Anforderungen auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt verleihen der Thematik eine ungebrochene Aktualität. Das Land Niedersachsen hat deshalb 2005 die Berufsorientierung in den Hauptschulen unter dem Titel „Betriebs- und Praxistage“ deutlich erweitert. Die derzeitige Umsetzung der Erlasse zur Berufs- und Studienorientierung ist aber primär von Aktionismus und kaum Systematik geprägt. Es mangelt nicht in Niedersachsen – wie auch in anderen Bundesländern – an Maßnahmen und Akteuren zur Förderung der Berufsorientierung, wohl aber an der sinnvollen Verzahnung derselben zur effektiven Förderung der Berufsorientierungsprozesse der Schüler. Die Quantität und Qualität der praktizierten Berufsorientierung differiert zwischen den Schulen erheblich; eine einheitliche Linie ist kaum erkennbar. Als eine Konsequenz konnte bislang die Vermittlung von Schülern in Betriebspraktika und -erkundungen nur teilweise eingelöst werden. Angesichts der geplanten Einführung der Betriebs- und Praxistage in den Realschulen ist zu befürchten, dass sich die aus der fehlenden Systematik resultierenden Probleme verschärfen werden. In den nachfolgenden Ausführungen sollen zum einen die der Erlasse und Kerncurricula zur Berufsorientierung kurz vorgestellt sowie die Ursachen der mangelnden Systematik erörtert werden. Zum anderen sollen zentrale Bausteine auf dem Weg zu einer systematischen Berufsorientierung vorgestellt werden. Die Auswahl der Bausteine orientiert sich an dem Orientierungsrahmen für Schulqualität in Niedersachsen, in dem aber die Berufsorientierung nur sporadisch berücksichtigt wird. Zugleich wird theoriegeleitet von zwei Aspekten ausgegangen: die zu erwerbenden Kompetenzen und die Gestaltung und Unterstützung der individuellen Berufsorientierungsprozesse. Außerdem wird aufgezeigt, dass eine umfassende schulpädagogische Sichtweise zur Sicherstellung einer systematischen Berufsorientierung unerlässlich ist. - Seite 28 - 2.5.2 Zur Situation der Berufsorientierung in Niedersachsen Niedersachsen hat in den letzten Jahren verschiedene Maßnahmen eingeleitet, um die Berufsorientierung in den Schulen zu stärken. Auf die aktuelle Erlasslage wird von Herrn Janßen ausführlich eingegangen; hier sollen nur die wesentlichen Punkte herausgestellt werden. Der im Jahr 2005 eingeführte Berufsorientierungserlass hat insbesondere an den Hauptschulen mit 60 – 80 Betriebs- und Praxistagen die Möglichkeiten zur Berufsorientierung erheblich erweitert. In den Realschulen werden im Schuljahr 2010/11 Betriebs- und Praxistage mit einem Umfang von mindestens 30 Tagen eingeführt, in den Hauptschulen wird deren Umfang weiter ausgedehnt. Die gymnasiale Berufs- und Studienorientierung wird in Niedersachsen im Wesentlichen lediglich durch ein Betriebspraktikum von 10 bis 15 Arbeitstagen in der Jahrgangsstufe 10 „abgedeckt“. Es ist aber geplant, immerhin fünf Tage zur Berufs- und Studienorientierung einzuführen. Der Übergang von den allgemeinbildenden in die berufsbildenden Schulen wird von den Schülern wenig systematisch vollzogen und oftmals nur als eine ungeliebte Warteschleife wahrgenommen. Ab dem Schuljahr 2010/11 sollen die Haupt- und Realschulen berufsbildende Inhalte unterrichten und stärker mit den berufsbildenden Schulen kooperieren. In den Realschulen werden in den Jahrgangsstufen neun und zehn profilbildende Fächer (z. B. Profil „Wirtschaft und Technik“) eingeführt, die implizit auf Berufsfelder der berufsbildenden Schulen vorbereiten. Die eingeführten Maßnahmen gehen zweifelsohne in die richtige Richtung. Wie aber insbesondere die Erfahrungen mit der Einführung der Betriebs- und Praxistage in den Hauptschulen zeigen, bereitet die systematische Umsetzung den Schulen erhebliche Probleme. Als Konsequenz ist eine einheitliche Linie und Systematik im Sinne eines Gesamtkonzeptes in den realisierten Berufsorientierungsmaßnahmen der Schulen kaum erkennbar. Hierfür lassen sich mehrere Gründe anführen: Zahlreiche lokale Akteure „überschwemmen“ die Schulen mit zweifelsohne gut gemeinten, aber in der Regel nur unzureichend abgestimmten Angeboten zur Berufsorientierung. - Seite 29 - Die zahlreichen Angebote treffen darüber hinaus in den Schulen auf Lehrkräfte, deren Qualifikation (u. a. Kenntnis von Berufswahltheorien, Begleitung von Praktika, Kenntnisse des regionalen Wirtschaftsraums und Arbeitsmarktes) bezüglich der Berufsorientierung nicht gesichert ist. Vielmehr wird die Aufgabe oftmals „fachfremd“ wahrgenommen, was zu deutlichen Qualitätseinbußen in der Berufsorientierung führt. Es ist nicht hinreichend konkret und verbindlich geregelt, wie die Berufsorientierung als „schulische Gesamtaufgabe“ organisatorisch und im Unterricht umgesetzt werden soll. Erschwerend kommt hinzu, dass für das Fach Wirtschaft (Haupt- und Realschulen) bzw. den Fachbereich Arbeit-Wirtschaft-Technik (Integrierte Gesamtschulen) neue, kompetenzbasierte Kerncurricula eingeführt wurden bzw. werden, die aber nur im Falle der Integrierten Gesamtschulen Kompetenzen im Zusammenhang mit der Berufsorientierung klar ausweisen. Die hier betonte Bedeutung des Fachs Wirtschaft resultiert aus dem Umstand, dass der berufliche Übergang den Übergang in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt bedeutet. Die Jugendlichen können sich nur dann in dem Ausbildungsmarkt erfolgreich bewegen und in der Konsequenz ihre Berufsorientierung selbständig gestalten, wenn sie die Funktionsweise und die Akteure des Arbeitsmarktes kennen. Darunter fallen beispielsweise die Personalpolitik der Unternehmen, den Strukturwandel und die Implikationen auf Angebot und Nachfrage bestimmter Berufsfelder, den regionalen Wirtschaftsraum und Arbeitsmarkt, den staatlichen Ordnungsrahmen des Arbeitsmarktes, der sich beispielsweise in dem Tarifsystem, dem Jugendarbeitsschutzgesetzt, dem Berufsbildungsgesetz usw. ausdrückt. Müller (vgl. 2002, 180) unterscheidet zwischen der Berufsorientierung im engeren und weiteren Sinn: Berufsorientierung im weiteren Sinne soll Erkenntnisse, Einsichten und kritische Reflexionen über die Bereiche Gesellschaft, Technik und Wirtschaft ermöglichen. Berufsorientierung im engeren Sinne soll die Schülerinnen und Schüler befähigen, ihre berufliche Orientierung und Wahl möglichst selbständig zu gestalten. - Seite 30 - Die Berufsorientierung im weiteren Sinne ist zwingend notwendig, um einen Orientierungsrahmen für die Berufsorientierung im engeren Sinne herzustellen. Das Fach Wirtschaft sollte hier zentrale Beiträge liefern, damit die Jugendlichen vor ihrem Eintritt in den Arbeits- und Ausbildungsmarkt verstehen, wie dieser Markt funktioniert, welche Akteure in diesem Markt agieren und wie sich der Arbeitsmarkt vor dem Hintergrund neuer Trends verändert. Nur so ist es möglich, dass ein Abgleich zwischen den individuellen Interessen und Fähigkeiten und den Erfordernissen des Arbeitsmarktes erfolgt. Die erfolgreiche Durchführung von Maßnahmen zur Berufsorientierung im engeren Sinne bedingt die Vor- und Nachbereitung im Fachunterricht. Wenngleich diverse Fächer einen Beitrag beisteuern können und sollen, ist mit Blick auf die schulpädagogischen und -organisatorischen Erfordernisse ein Ankerfach notwendig, um u. a. eine klare Verantwortlichkeit herzustellen. Das Fach Wirtschaft i. w. S. kann aufgrund der fachlichen und methodischen Affinität diese Aufgaben sehr gut bewältigen, weil beispielweise Betriebserkundungen und Schülerfirmen typische Gegenstände des Ökonomieunterrichts sind. Die aktuellen Kerncurricula für die Haupt- und Realschulen sowie Gymnasien nutzen aber nicht dieses Potenzial; vielmehr wird auf das Prinzip der „verteilten Unverantwortlichkeit“ gesetzt. Kurzum: Die derzeitigen Erlasse in Niedersachsen tragen dem Anspruch einer Gesamtaufgabe nur sehr bedingt Rechnung. In der Folge wird die schulische Berufsorientierung in einer sehr unterschiedlichen Quantität und Qualität praktiziert. Hinzu kommt eine unüberschaubare Vielfalt von Angeboten, Akteuren und Berufsorientierungsnetzwerken, die sich teilweise gegeneinander abschotten. Ziel muss es sein, für die vielfältigen Berufsorientierungsangebote und -akteure ein niedersachsenweites Grundkonzept zu entwickeln, dass aber auch Raum für regionale Gegebenheiten lässt. Vor diesem Hintergrund sollen nachfolgend zentrale Bausteine auf dem Weg zu einem systematischen Gesamtkonzept zur Berufsorientierung in Niedersachsen vorgestellt werden. - Seite 31 - 2.5.3 a) Bausteine einer systematischen Berufsorientierung Angestrebte Lernergebnisse der Berufsorientierung Die Begriffe Berufsorientierung, berufliche Orientierung, Berufswahl u. ä. werden unterschiedlich definiert und auch teilweise redundant genutzt, was eine begriffliche Präzisierung notwendig macht. Schlemmer/Rottmann/Jung (vgl. 2008, 83) differenzieren zwischen „Berufsorientierung“ und „berufliche Orientierung“. Berufsorientierung kann als die Summe aller Maßnahmen verstanden werden, die den Jugendlichen zu Teil werden und „dazu beitragen, dass die Schülerinnen und Schüler ihre eigenen beruflichen Interessen und Fähigkeiten im Spiegel der Anforderungen der Wirtschafts- und Arbeitswelt aufbauen, um zu einer angemessenen Erstwahl eines Ausbildungsplatzes bzw. Startberufes oder eines Studienplatzes zu gelangen.“ (vgl. Kaminski/Schröder/Hildebrandt u. a. 2010, 4). Die Studienorientierung wird unter dem Begriff Berufsorientierung subsumiert. Die Maßnahmen der Berufsorientierung sollen also die subjektive berufliche Orientierung der Jugendlichen fördern, wobei die berufliche Orientierung einen wesentlichen Bestandteil zum Aufbau eines beruflich orientierten Selbstkonzepts darstellt, d. h. die Gesamtheit der Auffassungen über die eigene Befähigung im Arbeits- und Berufsfindungsprozess (vgl. Schlemmer/Rottmann/Jung 2008, 87). Wesentlich ist außerdem, dass die Berufsorientierung einen lebenslangen Prozess der Annäherung zwischen der Person und der Berufswelt darstellt (vgl. Butz 2008, 158 f.). Diese Forderungen zeigen zugleich die Relevanz des Kooperationsmodells als theoretische Grundlage zur Gestaltung der Berufsorientierung auf (vgl. Kapitel 3.2). Vor diesem Hintergrund sollte eine systematische Berufsorientierung mit der Frage starten, welche Kompetenzen die Jugendlichen erwerben sollen bzw. am Ende des Berufsorientierungsprozesses verfügen sollten. Für eine zielführende Berufsorientierung ist eine Auseinandersetzung mit den oftmals verwendeten Begriffen Ausbildungsreife und Berufswahlreife notwendig. Eine Person kann als ausbildungsreif bezeichnet werden, wenn sie bestimmte Mindestvoraussetzungen für die Aufnahme einer beruflichen Ausbildung mitbringt. Die Expertengruppe "Ausbildungsreife", die im Rahmen des Ausbildungspaktes etabliert wurde, hat die folgenden Merkmalsbereiche erarbeitet (vgl. Expertenkreis Ausbildungsreife 2006, 3): Schulische Basiskenntnisse (z. B. Lesen, mathematische Grundkenntnisse) Psychologische Leistungsmerkmale (z. B. logisches Denken, Merkfähigkeit, Dauer- aufmerksamkeit) - Seite 32 - Physische Merkmale (altersgerechter Entwicklungsstand und gesundheitliche Voraussetzungen) Psychologische Merkmale des Arbeitsverhaltens und der Persönlichkeit (z. B. Leistungsbereitschaft, Selbstorganisation, Teamfähigkeit, Umgangsformen) Berufswahlreife (Selbsteinschätzungs- und Informationskompetenz) Dem Expertenkreis Ausbildungsreife ist zuzustimmen, dass die Berufswahlreife eine Dimension der Ausbildungsreife darstellt. Während die Ausbildungsreife berufsunabhängig formuliert ist, bezeichnet die Berufseignung die Eignung für bestimmte Berufsfelder. Die konkrete Vermittelbarkeit im geeigneten Beruf ist abhängig von der Angebots- und Nachfragesituation sowie der persönlichen Disposition des Bewerbers (vgl. BMBF 2006, 166). Diese Begrifflichkeiten lassen sich grundsätzlich auch auf die Studienorientierung übertragen. Über die konkreten Anforderungen an die Ausbildungsreife gibt es allerdings unterschiedliche Auffassungen. Müller/Rebmann (vgl. 2008) haben dies auf der Basis einer Befragung von Lehrkräften unterschiedlicher Schulformen in Niedersachsen aufzeigt. Ein Monitoring des BIBB unter Bildungsexperten unterschiedlicher Bildungseinrichtungen kam ebenfalls zu kontroversen Einschätzungen (vgl. Ehrenthal/Eberhard/Ulrich 2005). Für die konzeptionelle Ausgestaltung der Berufsorientierung ist besonders problematisch, dass die Berufswahlreife nicht eindeutig definiert ist. Ebenso ist das Verhältnis zwischen der Berufswahlreife und der Ausbildungsreife unklar. Dies führt in der Schulpraxis oftmals dazu, dass die eigentliche Berufsorientierung mit Blick auf die Ausbildungsreife aus den Augen verloren wird, weil beispielsweise ein allgemeines Rhetoriktraining einseitig als berufsorientierende Maßnahme „verbucht“ wird. In einer begrifflichen Annäherung können unter der Berufswahlreife die Fähigkeit und Bereitschaft verstanden werden, als Ergebnis eines möglichst selbstgesteuerten Berufsorientierungsprozesses einen individuell geeigneten Beruf zu wählen und die Wahl in Form von Bewerbungsaktivitäten zu realisieren. Für die konzeptionelle Umsetzung im Schulalltag bietet es sich geradezu an, Bildungsstandards und Kompetenzmodelle für die Berufswahlreife zu entwickeln. Bildungsstandards legen nach der Definition der Kultusministerkonferenz fest, „welche Kompetenzen die Schülerinnen und Schüler bis zu einer bestimmten Jahrgangsstufe an wesentlichen Inhalten erworben haben sollen.“ (KMK 2005, 9). - Seite 33 - Mit der Einführung von Bildungsstandards in das deutsche Schulwesen erfolgt ein Wechsel der Perspektive von der Input- zur Outputbetrachtung. „Wenn man gute Lernleistungen anstrebt, dann ist die Schlüsselfrage nicht, was zu lehren ist, sondern welche Lern- und Bildungsprozesse sich auf Schülerseite ereignen und welche Lernergebnisse in Form von Kompetenzen hieraus hervor gehen.“ (Zeitler/Köller/Tesch 2010, 27) Kompetenzen sind an die jeweilige fachliche Domäne gebunden. Kompetenzerwerb bedeutet, dass die Schüler zunehmend komplexe Aufgabenstellungen lösen können. Vor diesem Hintergrund sind Kompetenzen in Komplexitätsgraden (vgl. a.a.O, 17) zu definieren. Das Beispiel in der Abb. 1 zeigt die Umsetzung im Kerncurriculum für den Fachbereich Arbeit-Wirtschaft-Technik an den Integrierten Gesamtschulen in Niedersachsen. Es ist eindeutig ausgewiesen, über welche Kompetenzen die Schüler am Ende des Themenfeldes „Erwerbstätige im Wirtschaftsgeschehen“ verfügen sollen. Außerdem werden die Potenziale des Fachs Wirtschaft i. w. S. zur Berufsorientierung genutzt. An dem besagten Themenbereich sollten sich deshalb auch die Haupt- und Realschulen orientieren. Themenbereich „Erwerbstätige im Wirtschaftsgeschehen“ Kompetenzbereich Fachwissen: Die Schülerinnen und Schüler nennen Stationen im Zeitplan zur Berufsfindung. stellen im Rahmen der Berufswahl Interessen, Fähigkeiten und Fertigkeiten zusammen. nennen Einflussfaktoren auf die Berufswahl. stellen Informationsquellen zur Berufswahl zusammen. beschreiben verschiedene Wege in den Beruf und Weiterbildungsmöglichkeiten. beschreiben Anforderungen und Merkmale verschiedener Berufe. benennen aktuelle Ausbildungsplatzangebote der Region. nennen den typischen Ablauf eines Bewerbungsverfahrens. nennen die Elemente eines Ausbildungsvertrages. nennen Rechte und Pflichten der / des Auszubildenden und des Ausbildungsbetriebes. - Seite 34 - Kompetenzbereich Erkenntnisgewinnung: Die Schülerinnen und Schüler … erstellen einen persönlichen Zeitplan zur Berufsfindung. vergleichen Selbsteinschätzung mit Fremdeinschätzung. arbeiten Informationen aus Tests und Beratungen für ihre berufliche/schulische Planung heraus. werten Informationen zu einem Beruf aus. erkunden einen Beruf. entwickeln Entscheidungshilfen für die Berufswahl. entwickeln Berufsperspektiven. bewerben sich um einen Betriebspraktikumsplatz. erkunden einen Beruf im Betriebspraktikum. Kompetenzbereich Beurteilen/Bewerten: Die Schülerinnen und Schüler … beurteilen Interessen, Fähigkeiten und Fertigkeiten hinsichtlich einer möglichen Berufswahl. bewerten Einflussfaktoren auf die Berufswahl. beurteilen verschiedene Informationsquellen zur Berufswahl. beurteilen das regionale Ausbildungsplatzangebot. setzen sich mit den Erfahrungen aus dem Betriebspraktikum auseinander. Abb. 1: b) Berufswahlkompetenzen im Fach Arbeit- Wirtschaft- Technik an Integrierten Gesamtschulen in Niedersachsen (vgl. Niedersächsisches Kultusministerium 2009b, 29f.) Lernen und Lehren gestalten Die Berufswahl der Jugendlichen vollzieht sich in einem hochkomplexen multidimensionalen Spannungsfeld hinsichtlich der Anforderungen des Arbeitsmarktes und den Erwartungen des sozialen Umfeldes. Hinzu kommt, dass sich die Jugendliche hinsichtlich ihrer Berufswünsche und -eignungen oftmals nur sehr bedingt bewusst sind und sich in einer ohnehin entwicklungspsychologisch schwierigen Lebensphase befinden. Zur Beschreibung, Erklärung und Unterstützung der Berufswahlprozesse sind in unterschiedlichen Forschungsdisziplinen (u. a. Erziehungswissenschaften, Psychologie und Soziologie) eine Vielzahl von Berufswahltheorien entwickelt worden, die die Berufswahl aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchten. Bei allen Unterschiedlichkeiten sind die verschiedenen Berufswahltheorien zwischen zwei Polen angesiedelt: dem berufswählenden Individuum einerseits sowie den Umwelteinflüssen andererseits. Nachfolgen sollen einige Berufswahltheorien vorgestellt werden, die im Rahmen einer systematischen Berufsorientierung zu berücksichtigen sind: - Seite 35 - Differenzialpsychologische Ansätze (vgl. z. B. das hexadiagonale Modell von Holland 1985) haben in der Berufseignungspsychologie und als Folge in der Berufsberatung eine große Bedeutung erlangt. Jeder Mensch ist aufgrund seiner individuellen Eigenschaften für einen oder mehrere Beruf geeignet. Die Berufswahl stellt einen Prozess der Zuordnung der Berufswähler zu geeigneten Berufen dar; Bindeglieder sind die beruflichen Anforderungen einerseits und die Persönlichkeitsmerkmale und das Kompetenzprofil des Berufswählers anderseits. Entscheidungstheoretische Ansätze stellen im Gegensatz zu allokationstheoretischen Ansätzen den individuellen Entscheidungsprozess des Individuums in den Mittelpunkt der Betrachtung. Hinsichtlich des Entscheidungsverhaltens lassen sich verschiedene Varianten (rationalen Wahl, „Durchwurschteln“, Zufallswahl) unterscheiden (vgl. Dichatschek 2002, 6). Entscheidungsmodelle, die ein rationales Entscheidungsverhalten in Verbindung mit wohlgeordneten Entscheidungssituationen voraussetzen, stoßen allerdings schnell an ihre Grenzen (vgl. Oram 2007, 24). Entwicklungstheoretische Ansätze erklären die Berufswahl als entwicklungspsychologisches Geschehen und als Abschnitt eines lebenslangen Entwicklungsprozesses. Dabei geht es auch um die Frage, wann sich welche Persönlichkeitsmerkmale in Abhängigkeit von welchen Umwelteinflüssen ausprägen. Darauf basierend wird gefragt, über welche Einstellungen, Fähigkeiten und Fertigkeiten der Berufswähler in der jeweiligen Phase seiner beruflichen Entwicklung verfügen sollte. Angesichts des Lebensphasenkonzepts relativieren entwicklungspsychologische Ansätze die Bedeutung der Erstberufswahl. Der entwicklungstheoretische Ansatz von Erikson (vgl. 1968) wird in den beiden nachfolgenden Ansätzen verarbeitet. Gemäß dem übergangstheoretischen Ansatz (vgl. Bußhoff 1998) stellt die Berufswahl die Bewältigung eines Übergangs dar. Der Übergang wird als eine individuelle Anpassungsleistung verstanden, um Unstimmigkeiten im Verhältnis zur Umwelt zu reduzieren. Wenn also die Vorstellungen über die eigenen Neigungen und Fähigkeiten nicht mit den realen Gegebenheiten übereinstimmen, müssen die Unstimmigkeiten durch Passungs- oder Kompromissprozesse reduziert werden. Gefordert sind also Übergangskompetenzen wie die Wahrnehmung von Herausforderungen sowie deren Annahme, die Entdeckung persönlicher Ressourcen sowie Kompetenzen zur Planung und Umsetzung von Anpassungsprozessen. - Seite 36 - Das Kooperationsmodell (vgl. Egloff 1998, 2001) basiert auf dem entwicklungspsychologischen und übergangstheoretischen Ansatz. Kerngedanke ist, dass die Jugendlichen im Übergang rollenspezifische Unterstützung durch Kooperationspartner wie Eltern und Lehrer finden, die eine selbstverantwortliche Entscheidung fördern. Wichtig ist, dass bei der Erlangung der Berufswahlreife zunächst die Persönlichkeitsentwicklung und Selbsterfahrung gefördert werden. Durch die Selbsterfahrung lernen die Jugendlichen ihre eigenen Neigungen und Interessen kennen und können so einen adäquaten Beruf suchen. Die Entwicklung der Berufswahlreife umfasst sowohl Reife- als auch Lernprozesse. Wer die Persönlichkeitswerdung der Jugendlichen beeinflusst, ist somit automatisch fördernd oder hemmend an der Entwicklung der Berufswahlreife beteiligt. Ziel ist es also, dass die beeinflussenden Personen in dem Prozess ihre Hilfe möglichst förderlich zur Verfügung stellen. Die Relevanz der differenzialpsychologischen Lerntheorien zeigt sich auch an der unübersichtliche Vielzahl von Berufs- und Studieneignungstests, die zunehmend auch online bearbeitet werden können. Derzeit werden in verschiedenen Bundesländern Kompetenzfeststellungsverfahren eingeführt, die auch die Berufsorientierung unterstützen sollen. Ohne das generelle Potenzial solcher Tests in Frage stellen zu wollen, ist einschränkend zu berücksichtigen, dass eine Zeitpunktbetrachtung erfolgt und Entwicklungspotenziale der Jugendlichen nur unzureichend berücksichtigt werden. Letztendlich müssen im Sinne eines entscheidungstheoretischen Ansatzes die Jugendlichen eine eigenverantwortliche Entscheidung treffen. Unabhängig vom Alter kann nur bedingt von einem rationalen Entscheidungsverhalten ausgegangen werden, weil zwischen einer unübersichtlichen Vielzahl von Alternativen gewählt werden kann und die Konsequenzen der Entscheidung im Vorfeld nur bedingt abgeschätzt werden können. Im Sinne des entwicklungspsychologischen Ansatzes ist außerdem zu fragen, welche Kompetenzen und Einstellungen zu fördern sind, damit die Jugendlichen ihre berufliche Erstwahl, aber auch spätere Berufsorientierungssituationen erfolgreich meistern können. Entwicklungspsychologische Ansätze relativieren die Bedeutung der beruflichen Erstwahl. Aus der Perspektive des übergangstheoretischen Ansatzes ist aber zu berücksichtigen, dass ein gelungener beruflicher Übergang zur Identitätsfindung der Jugendlichen beiträgt. - Seite 37 - Zusammengefasst lässt sich feststellen, dass die Berufs- oder Studienwahl das Ergebnis eines individuellen Orientierungs- und Entwicklungsprozesses darstellt bzw. darstellen sollte. Nach Möglichkeit sollen sich die Jugendlichen für eine Alternative entscheiden, die einerseits ihren persönlichen Neigungen und Fähigkeiten und andererseits den (voraussichtlichen) Erfordernissen des Arbeitsmarktes entspricht. Als Grundlage zur Unterstützung der Berufswahl erscheint insbesondere das Kooperationsmodell als geeignet, weil es den Entwicklungsprozess in Verbindung mit der Selbststeuerung des Jugendlichen in den Mittelpunkt stellt und zugleich die Unterstützung des sozialen Umfeldes mit einbezieht. Berufseignungs- und Interessentests kommen in diesem Kontext eine wichtige Bedeutung zu, um den Orientierungsprozess der Jugendlichen zu unterstützen. Ein weiterer Vorteil des Kooperationsmodells ist die hohe Kompatibilität zu einer gemäßigt konstruktivistischen Unterrichtsphilosophie, da die Selbststeuerung der Lernenden im Mittelpunkt steht, ohne auf Fremdsteuerung und Anleitung verzichten zu wollen. c) Kooperation und Schulkultur Wenn man davon ausgeht, dass die mit der Berufsorientierung im engeren Sinne einhergehenden Praxiskontakte im Fachunterricht vor- und nachbereitet werden müssen, ist eine Vernetzung im doppelten Sinne notwendig. Die interne Vernetzung zwischen den Fächern ist mit der externen Vernetzung zwischen Schule, Eltern, Arbeitsagentur, Unternehmen, Kammern und anderen an der Berufsorientierung beteiligten Partnern abzustimmen. Es gibt eine Vielzahl regionaler und überregionaler Angebote von Schulen, Arbeitsagenturen, sozialen Einrichtungen, Unternehmen, Kammern, Verbänden u. a. m., die aufgrund der Informationsflut und der mangelnden Abstimmung der Akteure zunehmend kritisch betrachtet werden (vgl. Wieland/Lexis 2005, 7; Knauf/Oechsle 2007, 146; Kaminski/Schröder/Hildebrandt u. a. 2010). In Kapitel 2.5.4 wurde bereits das Kooperationsmodell vorgestellt. Demnach umfasst der Berufswahlprozess sechs Stufen, die zugleich mit Reife- und Lernprozessen einhergehen. Im Mittelpunkt steht der Jugendliche, der möglichst selbstverantwortlich seinen Berufsorientierungsprozess gestalten soll. Den unterstützenden sozialen Systemen kommen rollenspezifische Förderungsmöglichkeiten in dem Berufswahlprozess und bei der Erlangung der Berufswahlreife zu, wie in der Abb. 1 dargestellt wird. Ein besonderer Stellenwert wird der Erkundung der Arbeitswelt sowie der Unterstützung durch die Eltern zugemessen. - Seite 38 - Basierend auf dem – hinsichtlich der Stufen reduzierten – Kooperationsmodell wird in der Abb. 2 am Beispiel der niedersächsischen Hauptschulen dargestellt, wie die verschiedenen Akteure und Maßnahmen sowie die Themenfelder des Fachs Wirtschaft aufeinander abgestimmt werden können. Entsprechende Ansätze sind mit Blick auf die Kompetenzmodelle weiterzuentwickeln und bereits bei der Entwicklung von Fachcurricula und weiteren Erlassen zur schulischen Berufsorientierung zu berücksichtigen. Zur effektiven Abstimmung der verschiedenen Akteure wird zunehmend der Aufbau regionaler Berufsorientierungsnetzwerke vorangetrieben, in denen sich alle mit der Berufsorientierung befassten Partnereinrichtungen zusammenschließen und ihr Angebot koordinieren. Mit regionalen Netzwerken werden verschiedene Potenziale verbunden (vgl. Düsseldorf 2008, 43 f.; Wilbers 2003, 71 f.): Aufgrund der regionalen Eingebundenheit lassen sich adressatengerechte Lösungen einfacher realisieren. Probleme, die in die Zuständigkeit mehrerer Institutionen fallen, können besser gelöst werden. Die Verbindung von systematischem und kasuistischem Lernen wird begünstigt. Angebots-/Nachfrageüberhänge lassen sich effektiver austarieren. Regionale Berufsorientierungsnetzwerke können als Instrument der Regionalentwicklung genutzt werden. Netzwerke haben in der dualen Ausbildungsstruktur der beruflichen Bildung eine lange Tradition. Besonders herauszustellen ist das BLK-Modellversuchsprogramm KOLIBRI (Kooperation der Lernorte in der beruflichen Bildung) (vgl. Krafczyk/Walzik 2001) mit 27 Modellversuchen zur Lernortkooperation in der beruflichen Bildung. Im Zusammenhang mit Berufsorientierungsnetzwerken oder lokalem Übergangsmanagement (vgl. Bertelsmann Stiftung (Hrsg.) 2008) und dem beruflichen Übergang wurden in den letzten Jahren ebenfalls verschiedene Modellversuche und Projekte gestartet; beispielweise sei auf das Programm „Lernende Regionen – Förderung von Netzwerken“ (vgl. Emminghaus/Tippelt (Hg.) 2009; Tippelt/Reupold/Strobel u. a. (Hg.) 2009), „BerufsWegeBegleitung“ (vgl. Paul-Kohlhoff/Weigele 2007) oder „Kooperatives Übergangsmanagement“ (vgl. Metropolregion Rhein Neckar 2007) verwiesen. - Seite 39 - Abb. 2: Beispiel zur Verzahnung der Maßnahmen zur Berufsorientierung im engeren und weiteren Sinne an niedersächsischen Hauptschulen - Seite 40 - Allerdings reicht der gute Wille einiger Akteure nicht aus, um ein effektiv arbeitendes Netzwerk zu gründen. So sind die Einflussfaktoren aus institutioneller und personeller Perspektive (vgl. Euler 2004, 35 ff.), die entscheidend zur Förderung oder Verhinderung der Netzwerkarbeit beitragen können, zu berücksichtigen. Auch ist zu fragen, ob alle relevanten Partner eingebunden sind; nicht selten werden zentrale Einrichtungen wie die Agentur für Arbeit oder Kammern nicht hinreichend einbezogen. In Berufsbildungsnetzwerken sollten auch die Eltern bzw. Elternvertreter einbezogen werden (vgl. Beinke 2006; Michaelis 2008). Darüber hinaus stellt sich die Frage nach der Organisation der Netzwerkarbeit, also ob beispielsweise eine Koordinierungsstelle eingerichtet wird (oftmals sehr sinnvoll) und welchen Beitrag die Informationstechnologien leisten können. d) Lehrerprofessionalität Wie bereits in dem Beitrag von Herrn Prof. Kaminski deutlich geworden ist, sind die Lehrkräfte von zentraler Bedeutung für eine funktionierende Berufs- und Studienorientierung. Einerseits sind sie zentrale Ansprechpartner für die Schüler, andererseits legen sie die Grundlagen für die Umsetzung der Verordnungen zur Berufs- und Studienorientierung. Letztendlich entscheidet die Arbeit der Lehrkräfte darüber, ob die politisch verordneten Maßnahmen zur Berufsorientierung bei den Schülern fragmentarische Erinnerungen bleiben oder sich zu einem Ganzen zusammenfügen. Allerdings ist die Situation in doppelter Weise hinsichtlich der Lehrerprofessionalität problematisch: einerseits wird die Verantwortung für die Berufsorientierung oftmals Lehrkräften übertragen, die in nicht affinen Fächern unterrichten (insb. Klassenlehrermodell), andererseits wird das besonders affine Fach Wirtschaft oftmals fachfremd, d. h. ohne eine entsprechende Fakultas unterrichtet. Die schulische Realisierung der Berufs- und Studienorientierung bedingt somit die Entwicklung und Durchführung entsprechender Fortbildungskonzepte. Hierfür ist zwingend eine Zusammenarbeit zwischen Universitäten, Studienseminaren und Lehrerfortbildungseinrichtungen erforderlich, um die Angebote aufeinander abzustimmen. Grundsätzlich ist es erforderlich, dass die Berufs- und Studienorientierung schon in grundständigen Studiengängen zur Ausbildung von Lehrkräften an Universitäten integriert wird. Hier kann auf die Oldenburger Erfahrungen und Konzepte aus dem SEK I-Bereich der Studienfächer Wirtschaft für die Haupt- und Realschulen zurückgegriffen werden. Im Rahmen des Bachelor-Studiums ist die Berufsorientierung Bestandteil der verpflichtenden Basisveranstaltungen. - Seite 41 - Hinzu kommen zahlreiche Vertiefungsmöglichkeiten, z. B. zum regionalen Wirtschaftsraum, Praxiskontakten oder Gründung von Schülerfirmen. Die Veranstaltungen werden oftmals an Schulen und in Kooperation mit Lehrkräften durchgeführt. Es werden Lehrbeauftragte, z. B. von den regionalen Kammern oder der Agentur für Arbeit, eingebunden. Zur Erstausbildung und Fortbildung sind am IÖB mehrere Bausteine – unter Einbindung namhafter Experten - entwickelt worden, die sich explizit mit der Berufsorientierung beschäftigen: Kooperation von Schule und Unternehmen Berufsorientierung in der Sekundarstufe I Studien- und Berufswahl in der Sekundarstufe II Schülerfirmen Grundlagen Entrepreneurship Erkundung, Expertenbefragung und Betriebspraktikum e) Schulmanagement und Qualitätsentwicklung Wie bereits in den Ausführungen zur Vernetzung der Akteure und Aktivitäten im vorherigen Abschnitt deutlich wurde, beschränken sich die Aufgaben zur Berufsorientierung nicht auf die didaktisch-methodische Ebene. Vielmehr ist Berufsorientierung eine Schulentwicklungsaufgabe (vgl. Famulla 2008, 28). Der Begriff Schulentwicklung wird für die bewusste und systematische Entwicklung der Einzelschule im Systemzusammenhang verwendet (vgl. Bohl 2009, 553). Die praktische Notwendigkeit zur umfassenden Schulentwicklung zeigt sich auch an typischen Bausteinen der Programme zur Qualitätsentwicklung an Schulen. In der Abb. 3 ist das niedersächsische Qualitätstableau abgebildet. Die hier dargestellten Bausteine für eine systematische Berufsorientierungsstruktur in Niedersachsen folgen den Qualitätsbausteinen. Allerdings ist problematisch, dass die Thematik Berufsorientierung nicht in dem Qualitätsraster systematisch berücksichtigt ist. Derzeit lassen deshalb zahlreiche Schulen ihre Berufsorientierungsprogramme von den diversen Qualitätssiegel-Programmen zertifizieren. - Seite 42 - Allerdings sind diese Programme wiederum nicht auf das Qualitätsraster Niedersachsen (gilt auch entsprechend für andere Bundesländer) abgestimmt, was eine systematische Einbindung in die Schulentwicklung erschwert. Notwendig ist deshalb ein landesweites Qualitätskonzept zur Berufsorientierung, was mit dem niedersächsischen Qualitätsrahmen abge- Abb. 3: Kriterien zur Schulqualität am Beispiel Niedersachsen (Niedersächsisches Kultusministerium 200, 27) stimmt ist. - Seite 43 - f) Ziele und Strategien der Schulentwicklung Die vorangegangenen Qualitätsbausteine haben bereits deutlich gemacht, dass die Berufsorientierung eine strategische Schulentwicklungsaufgabe darstellt. Ausgangspunkt hierfür ist ein Paradigmenwechsel von Abschluss- hin zur Anschlussorientierung. Der Schulabschluss ist ein Meilenstein, aber kein Schlusspunkt. Notwendig ist deshalb eine Erweiterung der Perspektive seitens der abgebenden Schulen, um die Schüler bei der Planung und Gestaltung des Übergangs zu unterstützen. Die Verankerung im Schulprogramm ist eine notwendige, aber keinesfalls hinreichende Notwendigkeit. Notwendig ist, dass die Berufsorientierung als Schulleiteraufgabe wahrgenommen und in die konkrete Schulentwicklungs- und Unterrichtsarbeit überführt wird. Regulierungsinstrumente „Partitur“ Empirisches Erscheinungsbild: „Aufführung“ MAKROEBENE Verfassungsgesetze Schulgesetze Bildungspläne Bildungsgangregelungen Abschlussregelungen Zertifizierungen Schulverwaltung Instrumente der Qualitätssicherung Kulturpolitik Bildungspolitik Lehrplanarbeit Bildungsverwaltung Personalmanagement: (Ausbildung, Fortbildung) MESOEBENE Autonomieregelungen Leistungsgesetze „Schul-policy“ Faktische Schulführung Schulentwicklungsarbeit Kommunale Beteiligungen Schulkultur MIKROEBENE LEHRER Regelungen zur Unterrichtsgestaltung Methodik und Didaktik Beratungsaufgaben Erziehungsaufgaben Faktische Unterrichtsprozesse Unterrichtskultur Lehrerhandeln MIKROEBENE SCHÜLER Leistungsstandards Prüfungsregelungen Zulassungsbedingungen Abschlussregelungen Teilnahmeregelungen Disziplinregelungen Abb. 4: Faktisches Nutzungsverhalten Schulleistungen Persönlichkeitsentwicklung Gestaltungsinstrumente und faktische Verhältnisse im Bildungswesen (Beispiele) (Fend 2008, 17) - Seite 44 - Wie aber sicherlich aus meinen Ausführungen und den Beiträgen von Herrn Prof. Kaminski und Herrn Janßen deutlich geworden ist, bedingt eine systematische Berufsorientierung eine umfassende schulpädagogische Herangehensweise, die sich nicht auf den schulischen Kontext beschränkt, sondern die Gestaltung institutionalisierter Lern- und Lehrprozesse insgesamt und somit auch das Bildungssystem in den Blick nimmt. Fend (vgl. 2008, 16 f.) unterscheidet diesbezüglich vier Ebenen, wie in der Abb. 4 dargestellt wird. Um noch einmal auf die Problemanalyse aus dem zweiten Kapitel zurückzukommen: Eine wesentliche Ursache für die oftmals mangelnde Systematik der schulischen Aktivitäten zur Berufsorientierung ist auf der Makroebene, d. h. in den Lehrplänen und Erlassen zur Berufsorientierung zu finden. Daraus leiten sich dann zahlreiche Probleme auf den nachgelagerten Ebenen ab, z. B. die fehlende organisatorische Verankerung in der Schule und die mangelnde Abstimmung auf kommunaler Ebene. Weil den Lehrkräften der Orientierungsrahmen und die notwendige Qualifizierung fehlen, wirken sich die konzeptionellen Defizite nachteilig auf die Mikroebene der Lern- und Lehrprozesse aus. Ein schulpädagogisches Gesamtkonzept zur Berufsorientierung in Niedersachsen würde dann die Basis für eine abgestimmte Curriculumentwicklung, Qualitätsentwicklung, Schulorganisation und Lehrerqualifikation darstellen, wodurch die systematische Realisierung der Berufsorientierung in der Schulpraxis erheblich erleichtert würde. 2.5.4 Zusammenfassende Thesen Wenn die eingeführten und geplanten Maßnahmen zur Förderung der Berufs- und Studienorientierung ihre volle Wirkung entfalten sollen, ist eine landesweite Verbesserung der Systematik unverzichtbar. Diesbezüglich wurden – angelehnt an den Qualitätsrahmen Niedersachsen – relevante Bausteine erörtert. Ausgangspunkt einer systematischen Berufsorientierung sollten die zu erwerbenden Kompetenzen im Hinblick auf die Berufswahlreife sein. Hierdurch wird die Einbindung in den Fachunterricht und die Entwicklung entsprechender Curricula erleichtert. Die Kompetenzen aus dem Themenbereich „Erwerbstätige im Wirtschaftsgeschehen“ des Faches Arbeit-Wirtschaft-Technik an den Integrierten Gesamtschulen stellt auch einen geeigneten Orientierungsrahmen für andere Schulformen dar. Berufswahltheoretischer Ausgangspunkt für die zielgerichtete Unterstützung der Schüler in Verbindung mit der Verzahnung der Angebote der verschiedenen Partner ist das Kooperationsmodell. - Seite 45 - Aus didaktisch-methodischer Sicht ist im Sinne eines gemäßigten Konstruktivismus außerdem relevant, dass dieser Ansatz auf der Selbststeuerung des Lernenden aufbaut, zugleich aber die Bedeutung von Unterstützungsangeboten betont. Eine systematische Berufsorientierung bedingt eine interne und externe Verzahnung. Die interne Verzahnung meint die Verankerung im Fachunterricht der relevanten Fächer mit einem Ankerfach Wirtschaft. Die interne Verzahnung ist zugleich die Basis für die externe Verzahnung, um beispielsweise Betriebserkundungen vor- und nachbereiten zu können. Der Aufbau von Berufsorientierungsnetzwerken ist weiter voranzutreiben. Dabei ist insbesondere sicherzustellen, dass alle relevanten Partner mit eingebunden werden und die Netzwerkarbeit organisiert wird. Die Berufsorientierung stellt nicht nur eine universitäre Forschungs-, sondern auch eine Lehraufgabe dar, d. h. entsprechende Angebote sind bereits in die erste Phase der Lehrerausbildung zu integrieren. Darüber hinaus sind Fortbildungsangebote für im Beruf stehende Lehrkräfte und andere mit Berufsorientierung befasste Personen zu entwickeln und durchzuführen, wobei eine Zusammenarbeit zwischen Universitäten, Studienseminaren und Lehrerfortbildungseinrichtungen auf Landesebene erfolgen sollte. Eine systematische Berufsorientierung ist nicht nur eine pädagogische und organisatorische, sondern umfassende Aufgabe der schulischen Qualitätsentwicklung. Notwendig ist ein landesweites Qualitätsmodell zur Berufsorientierung, das auf den Qualitätsrahmen abgestimmt ist. Berufsorientierung ist als schulische Gesamtaufgabe zugleich eine Aufgabe der Schulentwicklung. Dies bedingt einen Paradigmenwechsel weg von der Abschluss- und hin zur Anschlussorientierung in Verbindung mit stabilen organisatorischen Verantwortlichkeiten, wobei auch die Schulleitungen in die Pflicht genommen wird. Da die Grundlagen einer systematischen Berufsorientierung bereits bildungspolitisch z. B. in Form von Lehrplänen und Schulverwaltungsgesetzen gelegt werden, ist eine umfassende schulpädagogische Perspektive notwendig, welche die unterschiedlichen Gestaltungsebenen im Bildungswesen berücksichtigt. - Seite 46 - 2.6 Neue Rahmenbedingungen für die Berufsorientierung in Niedersachsen Manfred Janßen, Generaliendezernent Berufsorientierung der Landesschulbehörde Niedersachsen Steigerung der Ausbildungsfähigkeit und Verbesserung der Berufswahlreife von Schülern sind zentrale bildungspolitische Anliegen der niedersächsischen Landesregierung. Daher ist die berufsorientierende Bildung mit dem Ziel eines optimierten Übergangs zwischen Schule und Beruf ein wesentliches Element rechtlicher Vorgaben für den Unterricht in den verschiedenen Schulformen. Derzeit ist der Übergang von der Schule in eine Ausbildung u. a. gekennzeichnet durch: ein in den letzten Jahren ständig gestiegenes Eintrittsalter in eine berufliche Ausbildung den Zuwachs des sog. „Übergangssystems“ die Verfestigung von Schwierigkeiten beim beruflichen Einstieg für Risikogruppen (Altbewerber, Jugendliche mit Migrationshintergrund und Jugendliche ohne Schulabschluss) mangelnde Transparenz und Übersichtlichkeit hinsichtlich der Bildungsangebote an der Schnittstelle Schule-Beruf. Als Reaktion darauf sind die Vorgaben des aktuell gültigen Erlasses zur Berufsorientierung durch die neuen Erlasse für die Arbeit in den Hauptschulen und Realschulen erweitert und konkretisiert worden. Zusammengefasst sind folgende Neuerungen festzustellen: Hauptschule Den Hauptschulen stehen mindestens 80 Praxistage in den Schuljahrgängen 7 – 10 zur Verfügung. Die Gesamtzahl der Tage liegt in der Entscheidung der Schule. Die Praxistage umfassen insbesondere Schülerbetriebspraktika, Erkundungen, berufspraktische Projekte und praxisorientierte Lernphasen innerhalb des Fachunterrichts. Angerechnet werden auch: Bewerbungstraining, Expertenbefragungen, Berufsfindungsmessen, Ausbildungsplatzbörsen, Angebote der Berufsberatung, Arbeit in Schülerfirmen, Zukunftstag. Die Vorgaben der KMK zur Erteilung fachbezogenen Unterrichts sind zu berücksichtigen. - Seite 47 - Die Praxistage sollen insbesondere in Unternehmen, berufsbildenden Schulen und anderen geeigneten außerschulischen Lernorten durchgeführt werden, um die Kooperation der Hauptschulen mit den außerschulischen Partnern weiter zu fördern und auszubauen. Die Schulen erarbeiten ein fächerübergreifendes Konzept zur Berufsorientierung, dabei ist das Fach „Wirtschaft“ als „Ankerfach“ zu sehen. Im Sinne des „Neustädter Modells“ können durch eine intensivierte Kooperation mit den berufsbildenden Schulen bereits die beruflichen Qualifikationen für die Anerkennung als erstes Ausbildungsjahr in einem Berufsfeld erworben werden. Die Zusammenarbeit der Lehrkräfte mit den Berufsberaterinnen und Berufsberatern der Bundesagentur für Arbeit wird vertieft. Jede Schülerin und jeder Schüler führt einen Nachweis über die Teilnahme an berufsorientierenden und berufsbildenden Maßnahmen, z. B. im Berufswahlpass. Realschule Aufgabe der Realschulen ist eine allgemeine Orientierung auf die Berufs- und Arbeitswelt und die Vermittlung von Kenntnissen für eine bewusste Berufswahl. Außerdem soll auf die Profilwahl (s. u.) vorbereitet werden. Es sind berufsorientierende Maßnahmen wie Erkundungen, Betriebspraktika an mindestens 30 Schultagen vorrangig in den Jahrgängen 8 bis 10 durchzuführen. Die Teilnahme an den Maßnahmen ist von allen Schülern zu dokumentieren. Die Kooperation mit den berufsbildenden Schulen soll intensiviert werden. Ähnlich wie an den Hauptschulen können berufsbildende Inhalte im Rahmen einer Erweiterung nach dem Vorbild des „Neustädter Modells“ aufgenommen werden. An den Realschulen wird künftig eine Profilbildung durch mindestens zwei Angebote aus den Bereichen Wahlpflichtfremdsprache (ab Klasse 6), Technik, Wirtschaft und Gesundheit/Soziales in den Jahrgängen 9 und 10 ermöglicht. Die Vorbereitung auf die Wahl des Profilfachs kann im Fachunterricht, Wahlpflichtunterricht, projektorientierten Unterricht oder durch die Praxistage erfolgen. Die Profilwahl im 9. Jahrgang kann in begründeten Einzelfällen am Ende des ersten Schulhalbjahres gewechselt werden. Die Schulen erarbeiten ein fächerübergreifendes Konzept zur Berufsorientierung, das insbesondere auch eine Vorbereitung der Schülerinnen und Schüler auf eine ihren - Seite 48 - Kompetenzen, Leistungen und Neigungen entsprechende Wahl des Schwerpunktes beschreibt. Gymnasium Für die Gymnasien gilt weiterhin: Die Schüler sollen die gesellschaftliche Bedeutung der Berufs- und Arbeitswelt erkennen und erste Einblicke in diesen Bereich erhalten. Einen Ansatzpunkt hierfür bietet der Themenbereich „Regionaler Arbeitsraum“ im Kerncurriculum des Fachs Politik-Wirtschaft. Die Arbeit in den Schuljahrgängen 5 bis 10 des Gymnasiums schließt auch eine Orientierung über die Berufs- und Arbeitswelt ein. Ab dem Schuljahrgang 8 sollen deshalb nach Möglichkeit Betriebsbesichtigungen, -erkundungen oder -praktika durchgeführt werden. Das Schülerbetriebspraktikum, das in der Regel in einem Unternehmen oder in einer anderen Einrichtung abgeleistet wird, umfasst als Blockpraktikum 10 bis 15 Arbeitstage. Im Gymnasium werden Betriebserkundungen frühestens ab dem 8., Schülerbetriebspraktika in der Regel ab dem 9. Schuljahrgang durchgeführt. Das Gymnasium arbeitet mit den berufsbildenden Schulen und der Agentur für Arbeit zusammen, um denjenigen Schülern, die das Gymnasium vorzeitig oder nach dem Schuljahrgang 10 verlassen, eine entsprechende Beratung und Hilfestellung zu geben. Berufsorientierung als Aufgabe der ganzen Schule Die Landesregierung sieht die Entwicklung und Umsetzung von schulischen Konzepten zur Berufsorientierung als eine schulische Gesamtaufgabe an. Das bedeutet für die Schulen, die Selbstständigkeit und Eigenverantwortung der Schüler in den Mittelpunkt zu rücken (Lehrkraft als Moderatorin und Moderator), die Berufsorientierung als Aufgabe der ganzen Schule zu begreifen, die Berufswahl als einen Prozess und nicht als eine punktuelle Entscheidung zu sehen, die Kooperation und Vernetzung mit externen Partnern als notwendig zu erkennen und zu praktizieren, die Kompetenzen der Eltern bzw. Erziehungsberechtigten zu nutzen, - Seite 49 - die Berufsorientierung als didaktisches Grundprinzip im Schulleitbild fest zu verankern. Dabei werden die Schulen unterstützt durch Fachberaterinnen und Fachberater für Berufsorientierung. Zu deren Aufgaben gehören vor allem die Beratung und Vermittlung neuer fachwissenschaftlicher und fachdidaktischer Erkenntnisse, die Mitwirkung bei der Qualitätsentwicklung, Qualitätssicherung und Qualitätskontrolle u. a. vor dem Hintergrund der Ergebnisse der Inspektionsberichte, die Unterstützung der Schule bei der Entwicklung der Schulprogrammteile, die sich auf die Gestaltung des Unterrichts und seine fachliche Qualität beziehen, die Mitwirkung an und Mitgestaltung der schulinternen und schulübergreifenden Fortbildung auf der Grundlage des von der Schule festgestellten Fortbildungsbedarfs, die Zusammenarbeit mit außerschulischen Institutionen, Mithilfe bei der Vermittlung schulischer und außerschulischer Kooperationspartner und Koordinierung des Erfahrungsaustausches zwischen den Schulen. Fördernde Faktoren für eine gelungene Berufsorientierung Zur Förderung einer gelungenen Berufsorientierung werden vor allem die folgenden Faktoren als relevant angesehen: Die Maßnahmen zur Berufsorientierung werden in einem systematisch angelegten Schulkonzept verankert. Der Unterricht wird mit den Praxiskontakten eng verzahnt, d. h. die Praxiskontakte werden im Unterricht vorbereitet und die Praxiserfahrungen im Unterricht reflektiert. Es werden Kompetenzfeststellungsverfahren durchgeführt, deren Ergebnisse in eine individuelle Förder- und Berufswegeplanung einfließen. Alle Maßnahmen der Berufsorientierung werden von den Schülern dokumentiert. Es erfolgt eine enge Zusammenarbeit mit berufsbildenden Schulen, Betrieben, der Arbeitsagentur und weiteren außerschulischen Partnern (Kammern, Universität, u. a. m.). Die Schulleitung fördert die berufsorientierten Maßnahmen. - Seite 50 - Wesentliches Element berufsorientierender Bildung ist eine Anschluss- statt einer Abschlussorientierung. Das schulische Berufsorientierungskonzept wird einer externen Qualitätskontrolle unterzogen, z. B. im Rahmen eines Gütesiegels. - Seite 51 - 3 Protokolle der Workshops 3.1 Hauptschule Protokollführer/innen: Christin Richter, Anne Poppe (Universität Oldenburg/IÖB) 3.1.1 Verlaufsstruktur des Workshops Der Workshop für die Schulform Hauptschule wurde von Wilfried Batschat (Schulleiter der Hauptschule „Am Luisenhof“ in Nordenham), Frank Ederer (Ausbildungsberater bei der Oldenburgischen IHK) sowie Bettina Pulkrabek (Wissenschaftliche Mitarbeiterin am IÖB) geleitet. Ziel des Workshops war es, die Kompetenzvermittlung in der Berufsorientierung darzustellen sowie über Aufgaben und Grundlagen der schulischen Vorgaben zu informieren und in einen Erfahrungsaustausch zu treten. Herr Batschat eröffnete den Workshop und stellte zunächst die zwei weiteren Referenten vor. Anschließend erläuterte Frau Pulkrabek Veränderungstrends von Berufen und die damit einhergehenden veränderten Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt. Laut einer Studie der DIHK (vgl. Deutscher Industrie- und Handelskammertag e. V. 2010) sehen die Unternehmen dafür die mangelnde Ausbildungsreife als Hauptgrund an. Im Zuge dieser Ergebnisse hat die Bundesagentur für Arbeit einen Kriterienkatalog zur Ausbildungsreife entwickelt, auf den im Laufe des Workshops näher eingegangen wurde. Es wurde deutlich, dass sich der Ausbildungsmarkt für Hauptschüler verschlechtert; in diesem Zusammenhang wurde insbesondere die Ausbildungsreife in den Vordergrund gerückt. Daran anknüpfend stellte Herr Ederer verschiedene Kompetenzfeststellungsverfahren vor. Frau Pulkrabek unterbreitete daraufhin Vorschläge, wie die Berufsorientierung durch das Ankerfach Wirtschaft systematisch in die Schule integriert werden kann, bevor Herr Batschat die Umsetzung der Berufsorientierung an seiner Schule als best practice Beispiel präsentierte. In der Arbeits- und Diskussionsphase wurden Wünsche für die systematische Verankerung der Berufsorientierung geäußert sowie Probleme identifiziert. Dabei wurde insbesondere die Bedeutung der Ausbildungsreife sowohl für die Schüler als auch für die Unternehmen hervorgehoben. - Seite 52 - 3.1.2 a) Beiträge der Referentinnen und Referenten Kompetenzvermittlung in der Berufsorientierung – Bettina Pulkrabek (IÖB) Frau Pulkrabek eröffnete ihren Vortrag mit der Vorstellung einer fragmentierten Berufsbiografie und stellte die Bedeutung des lebenslangen Lernens heraus. Die Berufe sind ständig und schneller als früher Veränderungen unterlegen, wodurch sich auch die Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt ändern. Vor diesem Hintergrund geht es kaum noch um die Wahl eines Berufes für das gesamte Erwerbsleben, sondern vielmehr um die Wahl eines Startberufes. Frau Pulkrabek stellte zudem Ergebnisse der DIHK-Studie „Ausbildung 2010“ (vgl. Deutscher Industrie- und Handelskammertag e. V. 2010) vor. Diese Studie liefert Ergebnisse einer IHK-Unternehmensbefragung, bei der zu Beginn des Jahres 2009 Unternehmen zur Ausbildungssituation befragt wurden. Demnach konnten 21 % der angebotenen Ausbildungsplätze im Jahre 2008 nicht besetzt werden. Als Hauptgrund wurde die mangelhafte Ausbildungsreife der Schüler genannt. Zugleich haben sich in den letzten 15 Jahren nach der Meinung der Unternehmen zahlreiche Qualifikationen der Bewerberinnen und Bewerber verschlechtert (vgl. Abb. 5). Abb. 5: Entwicklung der Bewerberqualifikation (vgl. Bundesinstitut für Berufsbildung 2005) - Seite 53 - in den letzten 15 Jahren Die Studie verdeutlicht zudem, dass neben den (oftmals bemängelten) Kenntnissen im sprachlichen und mathematischen Bereich IT-Kenntnisse, Fremdsprachen sowie soziale Kompetenzen vermehrt in den Vordergrund rücken. Mit Blick auf die Eingangsvoraussetzungen für eine berufliche Erstausbildung wird in den letzten Jahren oftmals von der Ausbildungsreife gesprochen. Von der Bundesagentur für Arbeit wurde ein Katalog von Merkmalen und Mindestanforderungen für die Aufnahme einer Berufsausbildung entwickelt, der Begriffe und Sachverhalte erläutert und eine Orientierungshilfe für Schulen, Betriebe, Arbeitsagenturen, Eltern und Jugendliche ist. Zugleich soll er eine systematische Hilfestellung bei der Beurteilung der Ausbildungsreife sein (vgl. Abb. 6). „Basis für die Erstellung des Kriterienkatalogs waren wissenschaftliche Erkenntnisse aus den Bereichen der Psychologie und Pädagogik sowie der Kompetenzforschung und bereits bestehende Anforderungskataloge aus der Wirtschaft sowie die Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz (KMK) für Hauptschulen. Diese wurden mit den Erfahrungen der Praxis (Betriebe, Berufsberatung, Berufsschulen) abgeglichen und auf die aus Sicht der Experten unverzichtbaren Kriterien („Mindeststandards“) verdichtet.“ (vgl. Bundesagentur für Arbeit 2009, 17) Abb. 6: b) Kriterienkatalog zur Ausbildungsreife (vgl. Bundesagentur für Arbeit 2009, 20f.) Kompetenzfeststellungsverfahren – Frank Ederer (IHK) - Seite 54 - Herr Ederer, Ausbildungsberater bei der Oldenburgischen Industrie- und Handelskammer, erläuterte verschiedene Kompetenzfeststellungsverfahren, die auch von der IHK angeboten werden. Im Kompetenzfeststellungsverfahren entdecken Schüler ihre Stärken, Interessen und Fähigkeiten und nutzen diese zur ersten beruflichen Orientierung. 1. Berufseignungstest (BET) (vgl. IHK Oldenburg 2010): Der Berufseignungstest erfasst verschiedene Grundfunktionen der beruflichen Eignung (u. a. rechnerische und sprachliche Fähigkeiten, Sachlogik, Wahrnehmung, räumliches Vorstellungsvermögen, optomotorische Koordination, feinmotorische Geschicklichkeit). 2. KODE®S (Kompetenz-Diagnostik und Entwicklung für Schüler) (vgl. ISB Information und Kommunikation GmbH & Co. KG 2010): KODE®S ist ein Kompetenz-„Check“ für Schüler. Das Verfahren stellt die persönlichen Stärken in vier Kompetenzfeldern (Persönlichkeit, Aktivität- und Handlung, Fach und Methode und Sozial-Kommunikation) heraus. 3. PROKOSA (Profiling durch eine Kompetenz-Stärken-Analyse): Auswertungsgespräch der Ergebnisse des Berufseignungstests und der KODE®S, im Kontext zur Berufswahl und zum regionalen Wirtschaftsraum. Außerdem ging Herr Ederer auf die geva-Tests ein. Einige Workshop-Teilnehmer wiesen auf das Problem der Finanzierung dieser Tests seitens der Schulen hin. Herr Batschat führte daraufhin am Beispiel seiner Haupt- und Realschule Nordenham an, wo entsprechende Tests im jährlichen Turnus durchgeführt werden und ein positiver Effekt bei den Schülern zu beobachten ist. Daher ist er der Ansicht, dass die Bereitstellung von finanziellen Mitteln für diese Test durchaus sinnvoll sei, wenngleich sich die Finanzierung in vielen Fällen schwierig gestaltet. Außerdem wurde auf die Möglichkeit der Co-Finanzierung durch die Agentur für Arbeit hingewiesen. c) Aufgaben und Grundlagen der schulischen Vorgaben – Bettina Pulkrabek (IÖB) In den aktuell erstellten Kerncurricula für das Fach Wirtschaft an Hauptschulen ist die Berufsorientierung als eigener Kompetenzbereich nicht enthalten. Stattdessen sehen die curricularen Vorgaben die Berufsorientierung als eine Querschnitt- - Seite 55 - saufgabe der gesamten Schule an. Dennoch hat das Fach Wirtschaft eine besondere Stellung inne. „Das Fach Wirtschaft in der Hauptschule leistet, wie auch andere Fächer, einen Beitrag zur beruflichen Orientierung der Schüler. In der Regel wird die erforderliche Koordination in der Zuständigkeit des Fachbereiches Arbeit/Wirtschaft-Technik liegen.“ (vgl. Niedersächsisches Kultusministerium 2009a, 8) Aufgrund dieser Tatsache führte Frau Pulkrabek einen Vorschlag an (Abb. 7), wie die Berufsorientierung systematisch in den Wirtschaftsunterricht eingebunden werden könnte. Einbindungsmöglichkeiten in den Wirtschaftsunterricht: I. Durchlauf – Jg. 7 Beispiele BO: 1. Arbeit-Einkommen-Wirtschaften Einkommen durch Arbeit 2. Aufgaben und Ziele von Unternehmen Unternehmen der Region 3. Wirtschaften braucht Regeln 4. Leben und Arbeiten in unserer Region II. Durchlauf – Jg. 8 5. Einflüsse auf Kaufentscheidungen 6. Beschaffung-Produktion-Absatz 7. Gruppen im Wirtschaftsgeschehen 8. Arbeiten und Wirtschaften in der Welt Abb. 7: Regionaler Arbeitsmarkt Arbeitsplatzerkundung Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt Themenfelder für das Wirtschaft an Hauptschulen für die Jahrgangsstufe sieben und acht Anhand der Jahrgangsstufen sieben und acht verdeutlichte Frau Pulkrabek, in welchen Themenfeldern die Berufsorientierung sinnvoll integriert werden könnte. Beispielsweise bietet es sich parallel zum Themenfeld „Leben und Arbeiten in unserer Region“ für die Klasse sieben auch an, in diesem Zusammenhang den regionalen Arbeitsmarkt unter die Lupe zu nehmen, um Berufsorientierung systematisch einzubinden. Im Jahrgang acht empfiehlt sich das Themenfeld „Arbeiten und Wirtschaften in der Welt“, um in diesem Rahmen die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt zu thematisieren. d) Best practice Beispiele - Einbindung der Berufsorientierung in die Stundentafel der Hauptschule – Wilfried Batschat (Schule am Luisenhof) - Seite 56 - Herr Batschat stellte zunächst die aktuelle Situation der Stundenverteilung an niedersächsischen Hauptschulen dar. Bezugnehmend auf die Anhörfassung des Erlasses „Die Arbeit in der Hauptschule“ (vgl. Niedersächsisches Kultusministerium 2010a, Stand Mai 2009) verwies er auf die wichtigsten Veränderungen im Hinblick auf die Berufsorientierung. Wichtig sei nicht nur die Vergrößerung des Anteils der Betriebs- und Praxistage auf mind. 80 Tage (vorher 60 Tage), sondern auch die Dokumentation der Teilnahme an berufsorientierenden bzw. berufsbildenden Maßnahmen durch die Schüler (z. B. in Form des Berufswahlpasses o. ä.) (vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft Berufswahlpass 2010). Ebenfalls sind verbindliche Absprachen zur Zusammenarbeit zwischen Hauptschulen und berufsbildenden Schulen zu treffen, um die inhaltliche Verzahnung von allgemeiner und beruflicher Bildung sicherzustellen (vgl. Hayek 2010, 4). Im Anschluss stellte Herr Batschat das „Neustädter Modell“ vor. Hierbei handelt es sich um einen Schulversuch der BBS Neustadt und der KGS Neustadt, bei dem die Schüler des Hauptschulzweiges der KGS im neunten und zehnten Jahrgang insgesamt zehn Stunden fachpraktischen sowie vier Stunden fachtheoretischen Unterricht an der BBS erhalten. Positiv anzumerken ist, dass seit Beginn des Schulversuchs in Neustadt die Quote der Schüler, die den Hauptschulzweig der KGS Neustadt ohne einen Abschluss verlassen, in den Jahren 2004 bis 2008 von 19 auf 0 Prozent gesunken ist. Mittlerweile wird dieser Schulversuch auch von vier allgemeinbildenden Schulen und zwei berufsbildenden Schulen in Hameln erprobt. Das Neustädter Modell erhielt 2009 unter anderem den Deichmann-Förderpreis (vgl. Deichmann SE 2010) gegen Jugendarbeitslosigkeit und wurde 2010 ebenfalls Preisträger des bundesweit ausgetragenen Innovationswettbewerbs "365 Orte im Land der Ideen". Herr Batschat merkte jedoch an, dass ein komplettes Modell kaum zu adaptieren sei. An anderen allgemeinbildenden Schulen seien 14 Wochenstunden für die Berufsorientierung nur zu leisten, wenn der Unterricht in einzelnen Fächern gekürzt oder Ganztagsschulen geschaffen werden würden. Für die meisten Schulen ist es sinnvoller, die Elemente zu identifizieren, die sie unter den gegebenen Rahmenbedingungen umsetzen können. Im weiteren Verlauf stellte Herr Batschat das „Porsche Treckerprojekt“ seiner Schule vor (vgl. Haupt- und Realschule „Am Luisenhof“ Ganztagsschule 2010a). Mit diesem Projekt werden jährlich über 10.000 € für die Schule erwirtschaftet. Seit Mai 2009 restaurieren die Schüler der Arbeitsgruppe einen Porsche Junior 109, wobei sich ein Braker - Seite 57 - Unternehmern an der Leitung des Projekts beteiligt. So werden auch Unternehmer der Region in Berufsorientierungsprojekte dieser Hauptschule direkt eingebunden. Hinzu kommen Bewerbungstrainings, Kompaktseminare zur Berufsfindung im Sinne von Teambildung, Kommunikation und Gesprächsführung sowie die Einrichtung von Schülerfirmen und die Teilnahme an Berufs- und Betriebserkundungen. 3.1.3 Arbeits- und Diskussionsphase In der Arbeits- und Diskussionsphase wurde zunächst auf die Stundenpläne der Haupt- und Realschulen Bezug genommen. Insbesondere rückte die Problematik der weggefallenen Stundendeputate der Wahlpflichtkurse in den Vordergrund. Die Diskrepanz zwischen der geforderten verstärkten Berufsorientierung einerseits sowie der Kürzung einiger Fächer andererseits führte zu intensiven Diskussionen. Im Gespräch wurde immer wieder hervorgehoben, wie wichtig für die Schüler der Einblick in die Praxis beispielsweise durch Praktika oder durch Betriebserkundungen ist, um einen Beitrag zur Ausbildungsreife der Schüler zu leisten. Teile der Ausbildungsreife könnten nur in der Berufspraxis erworben werden. Weitere Themen der Diskussion waren die Finanzierung von berufsorientierenden Maßnahmen, insbesondere die Berufseignungstests. Diesbezüglich wurde auf die Unterstützung durch die Agentur für Arbeit und Kammern verwiesen. Viele Teilnehmer waren der Ansicht, dass Projekte wie das „Neustädter Modell“ in anderen Schulen so nicht umzusetzen seien und die Übernahme von Teilaspekten keine hinreichende Wirkung entfalte. Zudem wurde auf die unterschiedlichen regionalen Gegebenheiten (Kooperation in ländlichen Gebieten) und die fehlenden personellen Ressourcen eingegangen. Es herrschte aber ein breiter Konsens darüber, dass eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Haupt- und Berufsbildenden Schulen anzustreben ist. Auch wurde mehrfach darauf hingewiesen, dass regionale Netzwerke gebildet werden müssen, um Kompetenzen und Kapazitäten effektiv zu verzahnen. 3.1.4 Forderungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer Im Workshop wurde deutlich, dass die Teilnehmer sich ein einheitlich geregeltes Verfahren zur Finanzierung der Kompetenzfeststellungsverfahren wünschen. Außerdem zeigte sich, dass eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den Hauptschulen und den Berufsbildenden Schulen von den Lehrkräften durchaus gewünscht wird. Hierfür wün- - Seite 58 - schen sich die Teilnehmenden eine Konkretisierung der Erlasse in Form einer Handreichung. Das Neustädter Modell wird als nur bedingt übertragbar eingeschätzt. 3.2 Realschule Protokollführer/innen: Dominik Rathing, Anne Poppe (Universität Oldenburg/IÖB) 3.2.1 Verlaufsstruktur des Workshops Der Workshop für die Realschule wurde durch die Referenten Frank Mayer (Weiterbildungsberater der IHK Oldenburg), Wolfgang Battenberg (Schulleiter der Realschule „Am Luisenhof“, Nordenham) und Katrin Eggert (Geschäftsführerin des Instituts für Ökonomische Bildung, Oldenburg) gestaltet. In diesem Workshop wurden zum einen Perspektiven der Berufsorientierung auf Grund des neuen Grundsatzerlasses erläutert sowie praktische und erfolgreiche Beispiele berufsorientierender Maßnahmen erarbeitet und diskutiert. Zum anderen bildeten mögliche Kooperationsmodelle der Zusammenarbeit von Realschulen mit Betrieben und den Berufsschulen einen weiteren Schwerpunkt. Ziel war es, die Gemeinsamkeiten der Berufsorientierung in Niedersachsen aufzuzeigen, ohne dabei die regionalen Unterschiede und Besonderheiten zu vernachlässigen. Den Einstieg in die Thematik lieferte das Beispiel der Realschule „Am Luisenhof“. Anschließend stellte Frau Eggert die curricularen Voraussetzungen der Berufsorientierung an der Realschule dar. In der folgenden Arbeits- und Diskussionsphase fand ein reger Austausch über die im Workshop vorgestellten Berufsorientierungskonzepte statt, wobei sowohl die Lehrkräfte als auch die Unternehmer ihre Eindrücke, Bedenken und Erwartungen an die einzelnen Konzepte schilderten. 3.2.2 a) Beiträge der Referentinnen und Referenten Best practice Beispiel - Realschule „Am Luisenhof“ – Wolfgang Battenberg (Schule Am Luisenhof) Herr Battenberg erläuterte das bereits seit Jahren praktizierte Berufsorientierungskonzept seiner Schule. Zunächst wies er auf die zu beachtenden Rahmenbedingungen in der Schule und des Schulumfeldes hin, um das Berufsorientierungskonzept auf die jeweiligen Gegebenheiten - Seite 59 - abzustimmen. Im Falle der Schule „Am Luisenhof“ ist zu beachten, dass diese aus zwei selbstständigen Schulen (einer Haupt- und Realschule) besteht, welche jedoch konzeptionell und planerisch gemeinsam agieren. Ein gemeinsames Konzept von Haupt- und Realschule zur Berufsorientierung stehe stets im Fokus aller Kollegen. Des Weiteren befinde sich die Schule in einem sozialen Brennpunkt mit Arbeitslosigkeit. Die Einführung des Berufsorientierungskonzepts war bei vielen Lehrkräften mit der Sorge verbunden, dass sich die Schule zu einem „Zulieferbetrieb“ der Wirtschaft degradieren könnte. Diese Sorge konnte jedoch durch eine gelungene Kommunikation des Konzepts als auch durch die stete Beteiligung aller Lehrkräfte am Transformationsprozess entkräftet werden. Die Einbindung in das Schulprogramm erfolgt über sechs Bausteine: 1. Kooperation 2. Ganztagsschule 3. Neue Technologien 4. Öffnung der Schule 5. soziales Miteinander 6. Berufsvorbereitung. Diese Bausteine werden möglichst eng miteinander verknüpft, um den Schülern ein ganzheitliches Schulkonzept anzubieten. Dadurch wird gewährleistet, dass die Berufsorientierung nicht nur an das Schulprogramm angeknüpft, sondern integriert wird. Bausteinübergreifend werden eine solide berufliche Grundbildung und eine erweiterte Allgemeinbildung angestrebt. Ergänzend hierzu setzt sich die Realschule weitere ehrgeizige Ziele. Der Anteil von Schülern, die auf die Hauptschule übergehen, soll reduziert werden. Gleichzeitig sollen im Durchschnitt höhere Schulabschlüsse erreicht werden. Die Vermittlungsquote in eine duale Ausbildung soll gesteigert werden. Zugleich soll die Abbrecherquote in der dualen Ausbildung durch Stärkung der Ausbildungsreife gesenkt werden. - Seite 60 - Bei der konkreten Umsetzung versucht man, sich am Neustädter Modell zu orientieren, soweit dieses im Rahmen der Möglichkeiten in Nordenham umzusetzen ist. Beim Neustädter Modell erleben die Schüler der neunten und zehnten Klassen eine Form der dualen Ausbildung bereits an der Schule. Die Schüler verbringen insgesamt zwei Tage in der Woche an der örtlichen Berufsbildenden Schule, wo sie sich für einen der Bereiche „Nahrung“, „Metalltechnik“, „Körperpflege“ oder „Holz und Farbe“ entscheiden können. Ein Wechsel zwischen den Bereichen ist nach Ablauf eines Jahres möglich. Die Schüler werden bereits in der achten Klasse durch eine ausführliche Führung durch die Berufsbildende Schule auf die im darauffolgenden Jahr anstehende Bereichswahl vorbereitet. Herr Battenberg berichtete von einer enorm hohen Akzeptanz der Schüler im Neustädter Modell, zeigte aber auch die förderlichen Rahmenbedingungen auf. So gibt es in Neustadt eine BBS mit mehreren Berufsfeldern, die sich in unmittelbarer Nähe zur Haupt- und Realschule befindet. Diese Voraussetzung ist in anderen Regionen nicht unbedingt gegeben. Ein Nachteil des Modells ist außerdem die Einbuße anderer Fächerstunden wie Musik- bzw. Kunstunterricht in nicht unerheblichem Maße. Die Schule „Am Luisenhof“ blickt auf eine Vielzahl an berufsorientierenden Maßnahmen, die teilweise noch in der Vorbereitung sind. So können die benötigten Arbeitstage für die Berufsorientierung ausgedehnt werden. Perspektivisch soll im Profilfach Wirtschaft ein Themenschwerpunkt Berufsorientierung eingerichtet werden. Wichtig ist außerdem, dass Schüler die berufsorientierenden Maßnahmen dokumentieren, um einen umfangreichen Überblick über die persönliche Weiterentwicklung ihres Berufswahlstatus zu erkennen. Hierfür soll der Berufswahlpass (vgl. Bundesgemeinschaft Berufswahlpass 2010) eingeführt werden. Als eine der grundlegendsten Maßnahmen wird die Stärken-Schwächen Analyse angeführt, die mit Hilfe des allgemeinen Interessen- und Strukturtests (AIST) (vgl. Bergmann & Eder 2005) und dem Handlungsorientierten Modultest zur Erfassung und Förderung beruflicher Kompetenzen (HAMET2) (vgl. Berufsbildungswerk Waiblingen gGmbH 2010) erfasst werden kann. Die Ergebnisse der Analyse werden eingehend mit den Schülern und Eltern besprochen, da dies die Akzeptanz der Berufsorientierung stark erhöht. In späteren Phasen der Berufsorientierung wird mit den Schülern ein Berufseignungstest (BET) (vgl. Schmale/Schmidtke 2000) und eine Kompetenzanalyse (KODE®S) (vgl. SB – Information und Kommunikation GmbH 2010) durchgeführt. Auch hier werden die Ergebnisse wiederum den Schülern und Eltern nahegebracht und erläutert. Die Durchführung von - Seite 61 - Kompetenzfeststellungsverfahren wurde von Herrn Battenberg als sinnvoll beurteilt, damit die Schüler ihre Kompetenzen erkennen und gezielt weiterentwickeln können. Ein weiterer Schwerpunkt der Schule „Am Luisenhof“ liegt auf Praxiskontakten. So werden Praxisseminare angeboten, in denen unter anderem Personalverantwortliche aus verschiedenen Firmen mit den Schülern Bewerbungssituationen nachstellen, Tipps für die anstehenden Bewerbungen geben und Präsentationstechniken einüben. Die Schüler schätzen an den Seminaren insbesondere die fundierten Rückmeldungen von den Experten. Verschiedene Unternehmen beteiligen sich außerdem als Sponsoren. In das Berufsorientierungskonzept sind auch die schulischen Schülerfirmen eingebunden. Die Schülerfirmen erhalten sowohl interne als auch externe Aufträge. Um eine professionelle und erfolgreiche Begleitung der Firmen zu gewährleisten, gibt es regelmäßige Schulungen der betreuenden Lehrkräfte. Insgesamt wird auf eine verstärkte Fort- und Weiterbildung der Fach- und Klassenlehrer gesetzt, um die gestiegenen Ansprüche zu erfüllen. Wo Fachwissen fehlt, werden Stundenkontingenten „eingekauft“, z. B. von der örtlichen BBS. Dank dieser Unterstützung werden verschiedene Projekte möglich, die sonst möglicherweise nicht hätten durchgeführt werden können. Jedoch ergibt sich daraus auch die Frage nach der Finanzierung solcher zusätzlichen Angebote. Hauptschulen haben nach der Erfahrung von Herrn Battenberg im Vergleich zu Realschulen oftmals weniger Probleme, zusätzliche Fördermittel für die Berufsorientierung zu erhalten. Erfreulich ist, dass im Falle der Schule „Am Luisenhof“ die Realschule eine Förderung durch die Agentur für Arbeit erhielt. Durch die dargestellte Fülle an berufsorientierenden Angeboten entsteht ein erhöhter Bedarf nach einer planvollen Koordination. Diese Aufgabe übernehmen an der Schule „Am Luisenhof“ zum Großteil die Wirtschaftslehrer, welche hierfür eine Entlastung von zwei Stunden erhalten. Außerdem werden die Wirtschaftslehrer zusätzlich entlastet, indem die Klassenlehrer die Schüler in den verschiedenen Praktika besuchen. Herr Battenberg wies in diesem Zusammenhang auch auf die Notwendigkeit des Rückhalts durch die Schulleitung hin. Beispielhaft stellte Herr Battenberg den Anwesenden einen Überblick über ausgewählte Aktivitäten zur Berufsorientierung zur Verfügung, die an der Realschule „Am Luisenhof“ durchgeführt werden (vgl. Abb. 8). - Seite 62 - Abb. 8: Aktivitäten zur Berufsorientierung der Realschule „Am Luisenhof“ im Überblick - Seite 63 - b) Das Fach Wirtschaft als „Ankerfach“ für die Berufsorientierung – Katrin Eggert (IÖB) Frau Eggert stellte zunächst das Kerncurriculum Wirtschaft für die Realschule vor und nahm dabei insbesondere auf die curricularen Voraussetzungen der Berufsorientierung Bezug. Das Kerncurriculum Wirtschaft gliedert sich in vier verschiedene Themenfelder: 1. Verbraucher und Erwerbstätige im Wirtschaftsgeschehen 2. Ökonomisches und soziales Handeln in Unternehmen 3. Aufgaben des Staates im Wirtschaftsprozess 4. Ökonomisches Handeln regional, national und international Für jedes Themengebiet sind die zu fördernden Kompetenzbereiche „Fachwissen“, „Erkenntnisgewinnung“ und „Beurteilen und Bewerten“ ausgewiesen. „Fachwissen“ bezeichnet das strukturierte ökonomische Wissen, um gesellschaftliche Strukturen und Prozesse zu verstehen. Im Kompetenzbereich „Erkenntnisgewinnung“ werden fachspezifische Methoden und Arbeitstechniken eingeübt. Der Bereich „Beurteilen und Bewerten“ beinhaltet die Fähigkeiten der Schüler, wirtschaftliche Sachverhalte, Konflikt- und Entscheidungssituationen zu reflektieren, zu begründen und zu beurteilen. Das Kerncurriculum sieht vor, dass die vier genannten Themenfelder horizontal und vertikal im Sinne eines Spiralcurriculums miteinander verknüpft werden. Das bedeutet, dass alle vier Themen mehrfach – in jedem Schuljahr erneut – mit einem jeweils höheren Komplexitätsgrad behandelt werden. Die Berufsorientierung als schulische Gesamtaufgabe stellt eine besondere Herausforderung dar. Deshalb gilt es, die Berufsorientierung sinnvoll in die vier Themenfelder einzubinden (vgl. Abb. 9), die von Klasse acht bis zehn jeweils einmal durchlaufen werden. In der Klasse neun stehen für das Fach Wirtschaft zwei Unterrichtsstunden, ansonsten jeweils eine Unterrichtsstunde pro Woche zur Verfügung. Die Berufsorientierung wird schwerpunktmäßig in den Wirtschaftsunterricht der neunten Klasse integriert, weil in dieser Jahrgangsstufe das Stundenkontingent am größten ist. Wesentlich ist in diesem Zusammenhang auch die Vorund Nachbereitung des Praktikums. Frau Eggert betonte, dass der in Abb. 9 vorgestellte Arbeitsplan für das Fach Wirtschaft ein schulinternes Berufsorientierungskonzept nicht ersetzt, aber entscheidend unterstützt. Außerdem wurde hervorgehoben, dass das Fach Wirtschaft als Ankerfach der Berufsorientierung dienen muss, um die anderen Fächer und externen Partner zielgerichtet einbeziehen zu können. - Seite 64 - Abb. 9: Anknüpfungspunkte für die Berufsorientierung im 9. Jahrgang (ausführliche Beispielplanung ist unter www.wigy.de abrufbar) - Seite 65 - 3.2.3 Arbeits- und Diskussionsphase Die Diskussion befasste sich vorrangig mit den vorgestellten Berufsorientierungskonzepten. Die anwesenden Lehrkräfte äußerten die Einschätzung, dass die Verantwortlichkeiten bei der Umsetzung der Berufsorientierung häufig unklar sind. Ebenso wurde die Notwendigkeit der Unterstützung durch die Schulleitung und des Kollegiums betont. Die Mehrzahl teilte die Ansicht, dass gerade der multidisziplinäre Aspekt die Entwicklung von Kompetenzen der Berufsorientierung fördere und damit ein essenzieller Baustein sei. Allerdings wurde auch diskutiert, ob die Stundenkürzungen der Fächer Kunst und Musik gerechtfertigt sind. Die Teilnehmer waren sich weitestgehend einig, dass Musik und Kunst unverzichtbare Teile der Allgemeinbildung darstellen und ein dauerhaftes Fehlen der Fächer im Stundenplan nicht förderlich für die Entwicklung der Schüler sei. Viele Teilnehmer des Workshops, welche aus dem Schuldienst kamen, hielten eine exakte Umsetzung des Neustädter Modells an ihren Schulen für unmöglich. Herr Battenberg betonte, dass das Neustädter Modell sicherlich nicht eins zu eins zu übertragen sei. Dennoch sei zu überlegen, ob einzelne Aspekte für die eigene Schule übernommen werden könnten. Von den Lehrkräften wurde außerdem massive Kritik an der kurzfristigen Einführung des neuen Erlasses zur Arbeit in der Realschule geäußert. Die Unternehmensvertreter schätzten die vorgestellten Konzepte als sehr sinnvoll ein. Ihrer Meinung nach besteht allerdings die größte Aufgabe darin, eine möglichst enge Verzahnung von Schule und Unternehmen zu erreichen. Dies betreffe insbesondere den Übergang der Schüler von der Schule in den Beruf. So werden die Praktikumsplätze von den Schülern meist zufällig gewählt, was wiederum Ausdruck einer nicht sorgfältig durchgeführten Berufsorientierung an den Schulen sei. Vielfach wissen die Schüler gar nicht, welche und wie viele Unternehmen in der Region ansässig sind. Der regionalwirtschaftliche Bezug sollte daher sowohl im Wirtschaftsunterricht als auch bei der Berufsorientierung im Vordergrund stehen. Ausdruck eines starken regionalen Bezuges könnte zum Beispiel eine Reihe von Exkursionen in die Betriebe der Umgebung sein. - Seite 66 - 3.2.4 Forderungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer In der Diskussion wurde deutlich, dass alle Arbeitsgruppen eine stärkere Einbindung der Politik in konkrete Umsetzungsprozesse wünschen. Da die Politik die Reformen beschlossen habe, sollten diese sich auch der Verantwortung stellen, wenn es Schwierigkeiten oder Verzögerungen bei der Umsetzung gibt. In Hinblick auf die Koordination der Berufsorientierung in der Schule wurde von den Lehrkräften der Wunsch geäußert, dass zentrale Koordinationsstellen eingerichtet werden. Das Fach Wirtschaft sollte dabei als „Ankerfach“ fungieren. Außerdem wurde die Notwendigkeit von Fortbildungsveranstaltungen betont. Die Unternehmensvertreter wünschen sich, dass der regionalwirtschaftliche Bezug sowohl im Wirtschaftsunterricht als auch bei der Berufsorientierung berücksichtigt werden soll. Hierzu wünschen sich einige Lehrkräfte eine stärkere Unterstützung von Unternehmen, z. B. bei der Einrichtung von Praktikumsbörsen. 3.3 Haupt- und Realschule Protokollführer/innen: Stephanie Lutze, Martina Raker (Universität Oldenburg/IÖB) 3.3.1 Verlaufsstruktur des Workshops Der Workshop für die Haupt- und Realschule stand unter dem Thema: „Welche Möglichkeiten bestehen in Bezug auf „Lernen an außerschulischen Lernorten“ und welche Angebote sind für Schüler notwendig?“. Die Referenten Werner Kähler (Schulleiter der Haupt- und Realschule Osternburg), Ludger Wester (Projektleiter des Ausbildungspakt, Oldenburgische IHK) und Michael Koch (Bereichsleiter Qualifizierung und Bereichsleiter Schulpraxis, Institut für Ökonomische Bildung) beabsichtigten, die Möglichkeiten des Lernens an außerschulischen Lernorten mit den Teilnehmern zu erarbeiten und zu diskutieren. Um die theoretischen Ansätze zum Lernen an außerschulischen Lernorten an einem ausgewählten Beispiel aus der Praxis zu veranschaulichen, stellte zunächst Herr Kähler das Profil seiner Schule als best practice Beispiel vor. Die Workshop-Teilnehmer zeigten großes Interesse am vorgestellten Schulprofil der Haupt- und Realschule Osternburg. Es entwickelte sich eine angeregte Frage- und Vertiefungsrunde, so dass direkt im Anschluss die Gruppenarbeitsphase startete, bevor in der abschließenden Feedbackrunde die Teilnehmer sowohl ihre Wünsche als auch ihre Forderungen zum Thema „Lernen an außerschulischen Lernorten“ äußerten. - Seite 67 - 3.3.2 Beiträge der Referentinnen und Referenten Best practice Beispiel Haupt- und Realschule Osternburg – Werner Kähler (Haupt- und Realschule Osternburg Herr Kähler begann sein Impulsreferat mit einer Vorstellung des schulischen Profils der Haupt- und Realschule Osternburg (Oldenburg). Als Schulleiter dieser Schule entwickelte er zusammen mit Kollegen ein spezielles Profil, welches den Schülern einen besseren Einstieg in den Beruf ermöglichen soll. Mithilfe der folgenden Grafik verdeutlichte er den Teilnehmern das Profil seiner Schule (vgl. Abb. 10). Abb. 10: Schulisches Profil der Haupt- und Realschule Osternburg Bei der Erläuterung des Schulprofils stellte Herr Kähler jeweils für die einzelnen Jahrgänge separat heraus, welche Projekte und Aktivitäten in den jeweiligen Jahrgangsstufen im Vordergrund stehen. - Seite 68 - Im fünften Jahrgang sorgen soziale Trainingseinheiten zur Verbesserung der Teamfähigkeit. Durch teilweise differenzierte Leistungsangebote werden die Schüler dieses Jahrgangs besonders effektiv gefördert. In den Jahrgängen fünf bis sieben liegt der Fokus auf der Entwicklung von Lesekompetenz und dem Aufbau eines Methodenrepertoires mit Fördermaßnahmen. Ab dem achten Jahrgang sind die Schüler dann einen Tag pro Woche nicht in der Schule, sondern sie befinden sich an „außerschulischen Lernorten“. Hierzu zählen beispielsweise Betriebe, in denen die Schüler einen Einblick in die Berufswelt bekommen. Ab diesem Schuljahr findet somit systematisch eine Vernetzung mit außerschulischen Akteuren statt. Ab dem neunten Jahrgang sieht das Schulprofil der HRS Osternburg eine weitere Differenzierung vor. Diese Differenzierung beinhaltet jeweils spezielle Angebote für Real- und Hauptschüler. Schüler der Realschule können sich nun zwischen drei Profil-Schwerpunkten entscheiden: 1. Profilschwerpunkt: Wirtschaft/Verwaltung und EDV 2. Profilschwerpunkt: Technik/Naturwissenschaften und Informatik 3. Profilschwerpunkt: Kernangebot in anderen Fachbereichen. Bis zur zehnten Klasse erleichtern Projekte in Zusammenarbeit mit der ansässigen Wirtschaft den Übergang in den Beruf. Danach haben die Jugendlichen die Möglichkeit, wahlweise in die Oberstufe an Gymnasien, an Fachgymnasien oder an Fachoberschulen zu wechseln. Für Schüler der Hauptschule sieht der Hauptschulzweig der Schule im neunten Schuljahr einen erhöhten Praktikumsanteil vor, bevor am Ende dieses Schuljahres der Hauptschulabschluss erworben werden kann. In der zehnten Hauptschulklasse erhalten die Jugendlichen die Chance, eine „Probelehre“ zu beginnen. Diese erstreckt sich über einen Zeitraum von einem halben Jahr. Während der sechsmonatigen „Probelehre“ in einem Schulhalbjahr sind die Schüler lediglich einmal pro Woche in der Schule anwesend. Im anderen Schulhalbjahr steht die Förderung der Allgemeinbildung im Mittelpunkt. Herr Kähler betonte, dass im neunten Schuljahr nicht die Option bestehe, von der neunten Klasse Hauptschule in die neunte Klasse Realschule zu wechseln, diese Einteilung findet unwiderruflich im Vorfeld der neunten Klasse statt. Nach dem erfolgreichen Abschluss des zehnten Schuljahres erwerben die Schüler den Hauptschulabschluss und erhalten zusätzlich ein „Kammerzertifikat der IHK“, mit dem sie beispielsweise in die Berufsausbildung an Berufsfachschulen entlassen werden. - Seite 69 - Als positives Resultat wurde herausgestellt, dass zahlreiche Schüler von ihren Betrieben der „Probelehre“ in eine Berufsausbildung übernommen werden. Dieses Ergebnis könnte als Signal bewertet werden, dass sein Schulprofil erfolgversprechend sei. Zusammenfassend stellte Herr Kähler fest, dass viele Jahre der Schulentwicklung sowie ein geschultes und vor allem engagiertes Kollegium benötigt werden, um solch ein Konzept erfolgreich umzusetzen. Erst im Laufe der Jahre hätten sich die passenden Lehrkräfte für eine solche Umsetzung gefunden. Wichtig sei, dass Lehrer aller Fächer die Schülergruppen in diesen Projekten betreuen. Auch außerschulische Kompetenzen dürften nicht unterschätzt werden, da sie in diesem Rahmen eine große Rolle spielen. Um eine Verbindlichkeit zu erzielen, wird mit den Schülern eine schriftliche Vereinbarung getroffen, die unterzeichnet werden muss; ebenfalls findet alle sechs Monate ein Qualifizierungsgespräch statt. Die IHK nimmt im Rahmen der Berufsorientierung an der HRS Osternburg eine zentrale Rolle ein. Sie sucht die Betriebe aus, in denen die Schüler ihre Probelehre und/oder außerschulische Erfahrungen sammeln können. Dennoch ist die Bereitstellung von Betrieben für die Praxistage vereinzelt problematisch, da häufig zu wenige Betriebe diese Maßnahmen unterstützen. So muss alternativ auf Berufsschulen ausgewichen werden. Abschließend gab Herr Kähler einen Ausblick zur Berufsorientierung: Zukünftig werden an der HRS Osternburg von der fünften bis zur siebten Klasse Real- und Hauptschüler gemeinsam nach den neuen Vorgaben, die das Kerncurriculum zur Berufsorientierung vorsieht, unterrichtet (vgl. Niedersächsisches Kultusministerium 2009a). Im Anschluss an seine Ausführungen leitete Herr Kähler direkt in die Gruppenarbeitsphase über. 3.3.3 Arbeits- und Diskussionsphase Die Gruppenarbeitsphase wurde als „Gruppenpuzzle“ organisiert, das bedeutet, dass die Teilnehmer in gleich große Gruppen aufgeteilt wurden und jede Gruppe gemeinsam die gesamte Aufgabe bearbeitete, jedoch zunächst jedes Gruppenmitglied einen anderen Teilaspekt. Anschließend fügten alle Gruppenmitglieder als Experten ihres Teilgebiets die Ergebnisse zusammen, um diese abzugleichen (vgl. Institut für Ökonomische Bildung gGmbH 2010b) In diesem Workshop orientierten sich die Teilnehmer an den folgenden Fragestellungen: - Seite 70 - Welcher Lernort zu welchem Zeitpunkt mit welchem Auftrag? Welche regionalen Besonderheiten gibt es zu beachten? Welche Gemeinsamkeiten bzw. schulformspezifische Differenzierungen sind in einer HRS zu empfehlen? Aufgabe der Gruppen war es, offene Fragen im Hinblick auf die Gestaltung berufsorientierender Angebote unter Einbeziehung externer Lernorte zu identifizieren. In der Arbeits- und Diskussionsphase wurden insbesondere folgende Fragen und Probleme herausgestellt: Vielfach ist es ein Problem, die Stärken und Schwächen der Schüler in Bezug auf ihre beruflichen Möglichkeiten herauszufinden. Eine individuelle Förderung, um die Interessen und Fähigkeiten der Schüler festzustellen, ist jedoch besonders wichtig. Dies verlangt von den Lehrkräften viel Einfühlungsvermögen, aber auch Raum für individuelle Gespräche, für die der reguläre Stundenplan oftmals keinen Platz bietet. Bei Kindern aus sozial schwachen Familien tritt in einigen Fällen das Problem einer Lese- und Rechtschreibschwäche auf. Vielfach fehlen diesen Schülern diejenigen Grundfertigkeiten, auf denen die Ausbildungsbetriebe in besonderer Weise Wert legen. Lehrkräfte müssen kompetenter auf dem Gebiet der „Berufsorientierung“ gemacht werden. Sie sollten über ein hohes Maß an Eigeninitiative verfügen. Die Motivation der Lehrkräfte, so sind sich alle einig, ist als eines der größten Probleme zu nennen. Problematisch sei auch die Vernetzung mit regionalen Betrieben zu sehen. Oft sind einzelne Regionen durch bestimmte Industriezweige gekennzeichnet. Die Schüler insbesondere für diese ortsansässigen Betriebe zu begeistern, sei nicht immer einfach. Vor allem die geforderte Initiative, Mädchen die technischen Berufe näher zu bringen, stellt sich häufig als schwierig heraus. Trotz der Maßnahmen wie der „Mädchen Zukunftstag - Girls Day“, der mittlerweile das größte Berufsorientierungsprojekt für Schülerinnen ab der fünften Klasse darstellt und jungen Frauen Ausbildungsberufe und Studiengänge in Technik, IT, Handwerk und Naturwissenschaften näher bringen möchte, sind Frauen in diesen Berufszweigen immer noch selten vertreten (vgl. Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit e. V. 2010). Auch die Vernetzung mit außerschulischen Akteuren, wie mit der Elternschaft und anderen Kooperationspartnern, beschäftigte die Teilnehmer. - Seite 71 - Es herrschte Einigkeit darüber, dass Eltern in den Prozess der Berufsorientierung ihrer Kinder eingebunden werden müssen. Wie und in welchem Umfang diese Einbindung aussehen soll, darüber konnte jedoch keine Übereinstimmung erzielt werden: von Beratungsgesprächen in Kooperation mit den Eltern bis hin zum „bloßen Unterschreiben“ von „wegweisenden“ Vereinbarungen, die zuvor in Zusammenarbeit von Schülern und Lehrern in ihrem Inhalt ausformuliert wurden – vieles wurde genannt. Große Einigkeit herrschte hingegen darüber, dass eine gewisse Verbindlichkeit bei den Maßnahmen unerlässlich ist. Es muss, so die Teilnehmer, verbindlich geregelt sein, wem welche Aufgabe im Prozess der Berufsorientierung zufällt. Im Hinblick auf die Vorgaben für die neuen Kerncurricula für die Haupt - und Realschule (vgl. Niedersächsisches Kultusministerium 2009a & 2009b) muss Berufsorientierung zudem fächerübergreifend unterrichtet werden, so dass eindeutige Aufgabenzuweisungen unerlässlich sind. Insgesamt war zu beobachten, dass die Lehrkräfte in der Gruppenarbeitsphase relativ schnell und unproblematisch ihre eigenen Fragestellungen und mögliche Probleme identifizierten. Die Teilnehmer äußerten sich positiv über die Auswahl der Methode „Gruppenpuzzle“, da dadurch ein reger Austausch unter den Lehrkräften in unterschiedlichen Gruppenkonstellationen möglich wurde. 3.3.4 Forderungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer Die geäußerten Wünsche waren vielfältig und lassen sich den folgenden Aspekten zuordnen: 1. Schüler im Focus/Elternarbeit: Einig waren sich die Lehrkräfte bei dem Wunsch nach mehr Förderung der Wahlkompetenz der Schüler mit realistischem Blick auf die berufliche Zukunft. Die Schüler sollten im Mittelpunkt der Berufswahldebatten stehen. Den Eltern könnte zwar ein Mitspracherecht eingeräumt werden, sie sollten aber auf die berufliche Zukunft ihrer Kinder keinen zu großen Einfluss ausüben. Die Lehrkräfte äußerten den Wunsch, dass regelmäßige Infoveranstaltungen, Konferenzen und Gespräche stattfinden, um den Eltern die Möglichkeit zu geben, sich über den Berufswahlprozess zu informieren. 2. Vernetzung der Akteure: Bei diesem Aspekt geht es den Teilnehmern vor allem um die Vernetzung mit wirtschaftlichen Akteuren. - Seite 72 - Die Wahl der außerschulischen Lernorte, ebenso wie die verkehrstechnischen Verbindungen zu diesen, stellt in ländlichen Regionen häufig ein Problem dar. Gewünscht wird zudem eine effektive und langfristige Kooperation mit den außerschulischen Akteuren. Die Kapazitäten in Betrieben und anderen Einrichtungen für die Aufnahme von Schülern sollte schon im Vorfeld abgeklärt sein, so dass keine Engpässe entstehen und alle Schüler während der Praxistage auf einen Betrieb/eine Einrichtung zurückgreifen können. Der Wunsch nach einer Verbindung mit den Industrie- und Handelskammern wird ebenfalls laut. Die Teilnehmer sind sich einig, dass diese Zusammenarbeit für alle Beteiligten Vorteile mit sich bringt. 3. Schulentwicklung/Kerncurriculum: Haupt- und Realschulen müssen sich dem Problem der geforderten interkulturellen Öffnung stellen. Gerade diese Schulen verfügen über einen erhöhten Anteil von Kindern aus Familien mit Migrationshintergrund, mit möglicherweise nur eingeschränkten Sprach-, Lese- und Schreibkompetenzen. Diese Kompetenzen sind jedoch für den erfolgreichen Einstieg ins Berufsleben elementar. Die Förderung dieser Kompetenzen sollte daher in Zukunft an den Schulen höchste Priorität haben. Zudem müsste das Schulprofil in Bezug auf die Berufsorientierung entsprechend angepasst werden, um den Anforderungen an die neuen curricularen Vorgaben gerecht zu werden. Möglicherweise sind dafür erhebliche Umstrukturierungsmaßnahmen erforderlich. Da die aktuellen Kerncurricula für Haupt - und Realschulen (vgl. Niedersächsisches Kultusministerium 2009a & 2009b) den Praxistagen, Erkundungen und Projekten an den Haupt- und Realschulen einen größeren Stellenwert beimessen, betonten die Teilnehmer, dass der dadurch mögliche Stundenausfall keine Nachteile für die Allgemeinbildung der Kinder und Jugendlichen mit sich bringen darf. 4. Personalentwicklung/Fächerintegration: Die Teilnehmer fordern mehr Akzeptanz bei den Lehrkräften aller Fächer für berufsorientierende Maßnahmen. Es sei wichtig, dass sich alle Lehrkräfte angesprochen fühlen und in ihren Fächern Schwerpunkte legen, die den Schülern Hilfestellungen bei ihren Entscheidungen geben. Dazu zählen u. a. auch das Herausbilden und Fördern von Grundkompetenzen wie der Lese-, Schreib- und Sprachkompetenz. Das Personal in den Betrieben sollte außerdem für Projekte zur Berufsorientierung durch Lehrgänge geschult werden. Ebenso muss ökonomische Bildung im Fächerkanon integriert sein, um die Jugendlichen auf das vorzubereiten, womit sie „draußen“ in der Berufswelt konfrontiert werden. - Seite 73 - Insgesamt waren die Wünsche der Teilnehmer vielfältig. Die Teilnehmer schienen sich aufgrund der Tatsache, dass sie sich mit Haupt- und Realschulen befassen, bewusst zu sein, dass die Anforderungen zur Förderung der Berufsorientierung nicht leicht umzusetzen sind. Doch gerade weil die beruflichen Aussichten für Haupt- und Realschüler in einigen Bereichen schwierig sind, waren sich die meisten Teilnehmer einig, dass sie jetzt im Zuge einer besseren und effektiveren Berufsorientierung tätig werden müssen. Denn Kinder und Jugendliche müssten zielgerichteter auf den Einstieg in das Berufsleben vorbereitet werden und bei ihrer Entscheidungsfindung ausreichend Unterstützung erhalten. Zudem erscheint es notwendig, dass die Netzwerke zwischen Schule und Berufswelt bereits frühzeitig gelegt werden. Dabei gilt es vor allem, Betriebe davon zu überzeugen, auch Auszubildende mit einem Hauptschulabschluss eine Chance auf dem Arbeitsmarkt zu geben. Dies verlangt ein besonderes Engagement sowie Durchsetzungsvermögen vonseiten der Lehrkräfte. Letztlich sollte jeder Lehrer bereit sein, diese Aufgabe gerne zu erfüllen. Denn sein Beruf sei es, jungen Menschen auf ihrem Lebensweg zu unterstützen und mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Das Impulsreferat sowie die Arbeits- und Diskussionsrunden haben einerseits viele Probleme und Wünsche, die es zu lösen gilt, hervorgebracht. Andererseits haben die vielfältigen Diskussionen auch zum Nachdenken angeregt. Nun kommt es darauf an, wie die Akteure mit diesen Ideen und Eindrücken umgehen und wie sie diese in ihrer Schule umsetzen. Einige Lehrkräfte sind bereits mit gutem Beispiel vorangegangen. 3.4 Integrierte Gesamtschule Protokollführer/innen: Jens Leiner, Julia von Walcke-Schuldt, Anne Poppe (Universität Oldenburg/IÖB) 3.4.1 Verlaufsstruktur des Workshops Der Workshop für die Integrierte Gesamtschule beschäftigte sich mit der Frage, wie es laut Erlassvorgabe gelingen kann, nachhaltige Berufs- und Studienorientierungskonzepte im Sinne einer Qualitätsentwicklung an der IGS zu erstellen. Anke von der Heide, die als Lehrkraft an der IGS Delmenhorst tätig ist, leitete den Workshop mit den rund 25 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Nach der Vorstellungsrunde erfolgte zunächst eine knappe Erörterung zur Situation der Be- - Seite 74 - rufsorientierung. Dabei wurde insbesondere die aktuelle Erlasslage zur Berufsorientierung für die Integrierten Gesamtschule (vgl. Niedersächsisches Kultusministerium, 2004 a)) und Kooperativen Gesamtschulen (vgl. Niedersächsisches Kultusministerium, 2004 b)) in den Mittelpunkt gestellt. Aufgeteilt nach Sekundarstufe I und II wurden best practice Beispiele an der Tafel gesammelt, wie die Berufsorientierung an der Gesamtschule nachhaltig gelingen kann. Anschließend wurden ausgewählte Beispiele nach Akteuren gruppiert und diskutiert. Als Abschluss wurden die Wünsche der Teilnehmer zusammengefasst und Forderungen zur Förderung der Berufsorientierung an den Gesamtschulen formuliert. 3.4.2 Einführung in die Thematik Frau von der Heide hob zunächst die schulrechtlichen Vorgaben zur Berufsorientierung an den Integrierten Gesamtschulen hervor. Zur besseren Übersicht hatte sie zentrale Aspekte aus den schulrechtlichen Vorgaben ausgedruckt und diese für die Teilnehmer an die Pinnwand gehängt, so dass alle Anwesenden diese Richtlinien vor Augen hatten. In Anlehnung an den Vortrag von Prof. Dr. Schröder vom Vormittag (vgl. 2.5) verwies Anke von der Heide nochmals auf die Besonderheit der Berufsorientierung an der IGS hinsichtlich der fachlichen Einbindung. Sie betonte, dass aufgrund der Erlasslage der Berufsorientierung in dieser Schulform nur wenig Raum zur Verfügung steht. Einschließlich des Schülerbetriebspraktikums sind maximal 25 Tage für berufsorientierende Maßnahmen vorgesehen (vgl. Niedersächsisches Kultusministerium, 2004a, 2). 3.4.3 Arbeits- und Diskussionsphase Im praktischen Teil des Workshops bekamen die Teilnehmer den Auftrag, bereits etablierte Maßnahmen sowie bekannte Kooperationsstellen zur Berufsorientierung auf Moderationskarten zu notieren und getrennt nach den Bereichen Sekundarstufe I und II an der Tafel zu sortieren. Die meisten Nennungen entfielen auf den Sekundarbereich I. Für den Sekundarbereich II wurden primär Maßnahmen der Arbeitsagentur sowie das BOGn-Projekt (vgl. 3.5.2) genannt. Im Anschluss wurden Cluster gebildet und die einzelnen Maßnahmen, jeweils differenziert nach den verschiedenen Institutionen und Betrieben, vorgestellt. Die Arbeits- und Diskussionsphase ergab, dass die Agentur für Arbeit viele Maßnahmen zur - Seite 75 - Berufsorientierung anbietet, auf welche die Lehrkräfte bei Bedarf zurückgreifen. Die Lehrkräfte werden von der Agentur für Arbeit mit folgenden berufsorientierenden Maßnahmen unterstützt: Individuelle Beratung und Unterstützung zum Einstieg in den Beruf sowie Berufseinstiegsbegleitung Materialien zur Berufsorientierung Besuch im Berufsinformationszentrum (BiZ) Individuelle Berufsberatung in der Agentur für Arbeitsvermittlung (Afa) Individuelle Sprechstundentermine zur Berufsberatung vor Ort in der Schule Elternveranstaltungen, z. B. Elternabend (als Gesamtforum oder im Klassenverband) Testverfahren, z. B. Berufswahltest (auch in Klassenform) Üben von Vorstellungsgesprächen ("Do´s & Don'ts beim Vorstellungsgespräch") Bewerbungsmappencheck Informationen für Lehrkräfte Messebeteiligung (z. B. Job4U-Messe, http://www.job4u-oldenburg.de) Berufsorientierender Unterricht (im Gesamtforum oder im Klassenverband) Zudem kooperiert die Agentur für Arbeit mit dem Institut für Ökonomische Bildung im Projekt BOGn (Projekt zur Förderung der Berufs- und Studienorientierung) Es wurde deutlich, dass an den Schulen bereits verschiedene Maßnahmen ergriffen werden, um den Schülern einen Einblick in den Berufsalltag zu ermöglichen und sie bei ihrem Berufsorientierungsprozess zu unterstützen. Ausgewählte Beispiele, die auf den Moderationskarten notiert und anschließend diskutiert wurden, werden nachstehend aufgeführt: Projekte Wahlpflichtkurs I (Metall) für besonders interessierte Schüler (in enger Zusammenarbeit mit einer Metallbaufirma) Kooperation mit den Firmen IKEA, Relius und der Volksbank Unternehmensplanspiel Management Information Game (MIG), bei dem die Schüler mit den vielfältigen und zum Teil komplexen Wechselwirkungen zwischen Einzelunternehmen und Gesamtwirtschaft vertraut gemacht werden (vgl. Arbeitgeberverband Oldenburg e. V. 2010) Bewerbungstraining bei verschiedenen Firmen in der Jahrgangsstufe 10 sowie Vorbereitung auf Assessment-Center ( z. B. bei der AOK und den örtlichen Banken) Betriebserkundungswoche in der Jahrgangsstufe 8 - Seite 76 - Betriebspraktika in Jahrgangsstufe 8 und/oder 9 in Verbindung mit Praktikumsbericht und Berufsberatung Praxistage für Lehrkräfte in den Unternehmen Mitwirkung im regionalen Qualifizierungsnetzwerk der Maritimen Wirtschaft (www.qualimare.de) (vgl. Wirtschaftsförderung Wesermarsch ) Aktive Nutzung des Ausbildungsportals Wesermarsch (www.kiekste.de), mit Arbeitgeberprofilen und der Möglichkeit zur Suche nach freien Ausbildungsplätzen (vgl. Wirtschaftsförderung Wesermarsch ) Projekt „Betriebe in Schulen“ (vgl. BEA 2010 b), Projekt „JOBSTARTER“ (vgl. BiBB 2010) sowie Jobstream Wesermarsch (vgl. BEA 2010 a) Azubi-Tag in Jahrgangsstufe 9 Außerdem wurde oftmals auf die inhaltliche und organisatorische Abstimmung der Aktivitäten mit den Unternehmen hingewiesen. Die im Workshop vertretenden Schulen informieren die kooperierenden Betriebe über die Ziele, Inhalte und die Organisation einschließlich der Vor- und Nachbereitung ihrer berufsorientierenden Maßnahmen. Zudem, stimmten sie mit den Unternehmen die Praktika ab. Ebenfalls wurde auf die Zusammenarbeit mit Hochschulen verwiesen, um die Studienorientierung zu fördern: Hochschulinformationstage: Schüler besuchen eine Hochschule und erhalten Informationen über Studiengänge und -fächer sowie Sonderveranstaltungen zu fächerübergreifenden Themen, wie Bewerbungsverfahren und Studienfinanzierung Studientage: den Schülern des 11. und 12. Jahrgangs wird der Aufbau der Studiengänge erläutert, sie nehmen an einer Vorlesung teil und kommen mit Studierenden ins Gespräch. Angebote der Oldenburgischen Industrie- und Handelskammer sowie der Handwerkskammer wurden ebenfalls angeführt: Präsenz mit speziellen Angeboten für die Sek. I und Sek. II auf der Job4u-Messe einwöchige Berufsorientierungswoche in der Handwerkskammer Die Teilnehmer des Workshops führten die folgenden Kooperationen mit den berufsbilden- - Seite 77 - den Schulen an: Schnuppertage an der BBS, um u. a. Berufsbilder kennen zu lernen Teilnahme am Zukunftstag für Mädchen und Jungen, um geschlechteruntypische Berufe kennen zu lernen 3 Tage Berufskunde plus Betriebserkundungen Kooperationen mit freien Trägern wurden ebenfalls angeführt. Dabei geht es primär um Hauptschüler mit Abschlussgefährdung. Über die genannten Kooperationen hinaus wurden zahlreiche Aktivitäten genannt, die von den Integrierten Gesamtschulen in Eigenregie durchgeführt werden: Gründung einer Schülerfirma bzw. einer Schülergenossenschaft Bewerbungsseminare dreitägiges Berufs- und Lebensplanungsseminar in Jahrgang 8 (in geschlechtsspezifischen Gruppen) Unterrichtsreife Hafenwirtschaft (Jahrgang 8, 1. Halbjahr) (unter Verwendung der entsprechenden Materialien des IÖB) Langzeitaufgabe: Recherche zu einem Beruf „Interessen finden = Fähigkeiten finden = Fertigkeiten entwickeln“ (8. Jahrgang) zwei Praxistage im Jahrgang 5: o Baustein zur Vorbereitung Gemeinschaftslehre o Wenn ich groß bin, werde ich… mein Traumberuf Praktikumspräsentation für Folgejahrgang Praxisorientierter Unterricht Zusammenfassend wurde im Plenum festgestellt, dass zahlreiche Maßnahmen und Aktivitäten zur Förderung der Berufs- und Studienorientierung existieren. Dabei werden auch die regionalen Begebenheiten und Kooperationsmöglichkeiten berücksichtigt, wie es auch die Erlasslage vorsieht. Kritisch wurde jedoch angemerkt, dass die einzelnen Berufsorientierungsmaßnahmen eher isoliert und unsystematisch in den Unterricht eingebunden werden. Außerdem wurde deutlich, dass Absprachen im Kollegium nicht oder nur selten stattfinden. Daher konnten im Rahmen des Workshops umfassende jahrgangs- und fächerübergreifende Konzepte kaum thematisiert werden, da sie in der Realität selten praktiziert werden. - Seite 78 - 3.4.4 Forderungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer Die Lehrkräfte waren sich einig, dass der Berufsorientierung in den Erlassen für die Integrierte Gesamtschule ein größerer Stellenwert eingeräumt werden sollte. Zentral war für die Lehrkräfte der Wunsch nach Konzepten für eine fächer- und jahrgangsübergreifenden Vorgehensweise sowie zum Aufbau von systematisch angelegten Netzwerken mit den Kooperationspartnern. Außerdem wurde angeregt, an den Schulen eine zentrale Stelle für die Koordination der Berufsorientierung inklusive der Praktika einzurichten, um sowohl die Lehrkräfte als auch die Schüler bei diesem Prozess zu entlasten. Darüber hinaus wurden Fortbildungsmaßnahmen für die mit der Berufsorientierung befassten Personen in den Schulen und kooperierenden Einrichtungen gefordert. 3.5 Gymnasium Protokollführer/innen: Karin Krzatala, Martina Raker (Universität Oldenburg/IÖB) 3.5.1 Teilnehmende und Verlaufsstruktur Der Workshop zur Berufs- und Studienorientierung am Gymnasium wurde von Prof. Dr. Rudolf Schröder (Stiftungsprofessor für Berufsorientierung am Institut für Ökonomische Bildung Oldenburg) moderiert. Zudem leisteten die Referentinnen und Referenten Margrit Ladenthin, (Studienberaterin der Zentralen Studienberatung der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg), Gisbert Koch (Lehrer und schulischer BOGn-Koordinator am Gymnasium Cäcilienschule Oldenburg), Dr. Lena Limanova (Dozentin an der Staatsuniversität Novosibirsk), Karl-Heinz Finger (Berater für akademische Berufe in der Agentur für Arbeit Oldenburg) und Barbara Dananic (Angestellte im Personalwesen der VIEROL AG) einen Beitrag zum Thema der Berufs- und Studienorientierung an Gymnasien. In dem Workshop wurde insbesondere der Frage nachgegangen, wie die Berufs- und Studienorientierung systematisch in den Gymnasien verankert werden kann. Einleitend erörterte Herr Prof. Schröder die Notwendigkeit. Anschließend stellten die Referenten ihre Eindrücke und Erfahrungen zum Thema Berufs- und Studienorientierung exemplarisch dar. Aufgrund der Tätigkeitsfelder der Referenten konnten unterschiedliche Perspektiven beleuchtet werden. - Seite 79 - Im Anschluss stellte Herr Prof. Schröder das Projekt BOGn (Berufsorientierung an allgemeinbildenden Gymnasien) vor und verdeutlichte in diesem Rahmen zentrale Aspekte eines Konzepts zur Förderung der Berufs- und Studienorientierung in der gymnasialen Oberstufe. In der anschließenden Arbeits- und Diskussionsphase wurde thematisiert, wie die konkrete Umsetzung der Integration des BOGn Projektes in ein bestehendes Schulkonzept erfolgen kann. 3.5.2 a) Beiträge der Referentinnen und Referenten Berufs- und Studienorientierung an Gymnasien – Prof. Dr. Rudolf Schröder (IÖB) Zu Beginn des Workshops verwies Herr Prof. Schröder auf die aktuelle Situation der Berufsund Studienorientierung von Abiturientinnen und Abiturienten. Die Berufsorientierung ist in Abhängigkeit von der Schulform differenziert zu betrachten und zu fördern. So liegt der Schwerpunkt der Berufsorientierung nach Ansicht von Herrn Prof. Schröder darin, die Selbstständigkeit der Schüler im Berufsorientierungsprozess zu fördern. Gymnasiasten haben bei ihrer Berufswahlentscheidung die „Qual der Wahl“. Sie können zwischen einem Studium an einer Universität, an einer Fachhochschule oder über ein duales Studium an einer Fachhochschule/Berufsakademie in Verbindung mit Praxisanteilen im Betrieb wählen. Zudem besteht die Möglichkeit, eine Ausbildung zu absolvieren oder eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst als duale Ausbildung oder als Studium aufzunehmen. Darüber hinaus werden zunächst oftmals die zahlreichen Überbrückungsmöglichkeiten in Anspruch genommen, um die Zeit zwischen Schulabschluss und Ausbildungs- oder Studienbeginn sinnvoll zu nutzen (vgl. Abb. 11). - Seite 80 - Abb. 11: Wege nach dem Abitur Herr Prof. Schröder stellte mit Bezug auf seinen Vortrag (vgl. Kapitel 2.5) noch einmal heraus, dass in Niedersachsen, wie auch in den meisten anderen Bundesländern in den Gymnasien eine Diskrepanz zwischen den Wahlmöglichkeiten der Schüler einerseits und dem Zeitkontingent zur Berufs- und Studienorientierung anderseits besteht. b) Unterstützung der Zentralen Studienberatung im Orientierungsprozess von Gymnasiasten – Margrit Ladenthin (ZSB Oldenburg) Frau Ladenthin von der Zentralen Studienberatung (ZSB) der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg stellte in ihrem Vortrag die Angebote zur Studienorientierung der Universität vor: Die zentrale Studienberatung organisiert Studieninformationstage an der Hochschule. Außerdem können die Studienberater und -beraterinnen zu Informationsveranstaltungen an einzelnen Schulen eingeladen werden. Interessierte Schüler können ein Schnupperstudium an der Universität Oldenburg absolvieren und sich individuell beraten lassen. - Seite 81 - Das Angebot des SchulPortals für Lehrer erstreckt sich über Lehrerinfotage und Schulmanagement-Tagungen. Für Eltern besteht u. a. die Möglichkeit, im Rahmen des ElternCampus Kurzvorlesungen zu besuchen und sich auf dem Aktionsmarkt über verschiedene Studienmöglichkeiten zu informieren. Die zahlreichen Beratungs-, Informations- und Orientierungsangebote zur Berufsund Studienwahlorientierung für Schüler, Lehrer und Eltern sind in dem universitätseigenen SchulPortal (http://www.studium.uni-oldenburg.de/44264.html) übersichtlich dargestellt. Darüber hinaus gibt es Kontaktadressen und weiterführende Internetlinks zum Beispiel zu Online-Tests als Entscheidungshilfe für eine geeignete Studienwahl. Ferner wies Frau Ladenthin darauf hin, dass auch die Fakultäten der Universität Oldenburg zahlreiche Angebote für die jeweiligen Studienangebote organisieren, die mit den Angeboten der Zentralen Studienberatung abgestimmt werden. Die Zukunftsaufgaben der Zentralen Studienberatung sieht Frau Ladenthin vor allem darin, dass das Angebot für Studieninteressierte weiter verstärkt, systematisiert und optimiert wird. Außerdem müssen die Schnittstellen zwischen Schule und Universität lokalisiert werden. Sie betonte ausdrücklich, dass die zentrale Studienberatung nicht zwangsläufig zu einem Studium rät. Vielmehr arbeite die Studienberatung neutral und berücksichtige in jedem Fall die Wünsche und Kompetenzen der zu Beratenden. Die Beratung liefere einen generellen Beitrag zur Entscheidungsfindung für die Studien- oder Berufswahl. c) Studien- und Berufsorientierung in Russland/Novosibirsk – Dr. Lena Limanova (Staatsuniversität Novosibirsk) Frau Dr. Limanova gab zunächst einen generellen Überblick zur Situation der Studien- und Berufsorientierung in Russland/Novosibirsk. Sie berichtete, dass es bis zum Jahr 1992 sogenannte Zentren für Berufsbildung gab. Nachdem diese geschlossen wurden, gab es bis zum Jahr 2008 keinerlei Maßnahmen zur Berufsorientierung. Anschließend äußerte sich Frau Dr. Limanova zur Integration der Berufsorientierung an russischen Schulen und nahm ebenfalls Bezug auf den Fächerkanon. So wird das Fach „Berufliche Karriere“ fakultativ in den Jahrgängen elf und zwölf in den Schulen angeboten. - Seite 82 - Die Schüler in Russland können sich, ähnlich wie in Deutschland, nach der Schule zwischen einer Ausbildung und einem Studium entscheiden. Bislang regelten die Hochschulen den Zugang von Studierenden durch Aufnahmeprüfungen, auf die sich die Studierenden intensiv vorbereiten mussten; hierdurch war zugleich die Studienmotivation gesichert. Im letzten Schuljahr wurden einheitliche staatliche Prüfungen am Ende des letzten Schuljahres (die entfernt mit dem deutschen Zentralabitur vergleichbar sind) eingeführt und die Aufnahmeprüfungen der Hochschulen abgeschafft. Entscheidend ist nun allein die Note der Schulendprüfung. Frau Dr. Limanova merkte kritisch an, dass die Schüler durch den Wegfall der Aufnahmeprüfung weniger auf das Studium vorbereitet wären und die Leistung sowie die Motivation gesunken sind. Ein weiteres Problem sieht sie darin, dass die Schüler sich an vielen Hochschulen bewerben. So bewarb sich im Jahr 2009 beispielsweise ein Schüler an 30 Hochschulen. Ähnlich wie in Deutschland stellen die Mehrfachbewerbungen die Hochschulen vor enorme Planungsprobleme. Weiter berichtete Frau Dr. Limanova, dass eine große Mehrheit der gymnasialen Schulabsolventen ein Studium an einer Hochschule einer Ausbildung vorziehen. Zudem ist bereits der demografische Wandel zu spüren, so dass die Zahl der Studienanfänger sinkt. Für die Zukunft empfindet es Frau Dr. Limanova als zwingend notwendig, die Berufs- und Studienorientierung zu verbessern und das Bewerbungsverfahren für ein Studium zu optimieren. e) Berufs- und Studienorientierung der Agentur für Arbeit – Karl-Heinz Finger (Arbeitsagentur Oldenburg) Herr Finger leitete seinen Vortrag mit einem Überblick über die Aktivitäten ein, mit denen die Agentur für Arbeit die Studien- und Berufsorientierung unterstützt. Dabei betonte er, dass der Agentur für Arbeit für die Berufsberatung in den Jahrgängen elf und zwölf lediglich vier Stunden zur Verfügung stehen. Aufgrund der begrenzten Stundenzahl geht er für insgesamt zwei Stunden in die Schulklassen, um die zentralen Informationen zur Berufs- und Studienwahl zu vermitteln. In den übrigen zwei Stunden kommen die Schüler in das Berufsinformationszentrum (BIZ) der Agentur für Arbeit. Herr Finger stellte heraus, dass die beruflichen Möglichkeiten aufgezeigt werden, die mit und ohne Abitur eingeschlagen werden können. Bedeutsam ist außerdem, dass auf die individuellen Wünsche der Schüler eingegangen werde. Deswegen werden auf Nachfrage auch persönliche Beratungstermine mit den Schülern vereinbart. - Seite 83 - Eine themenspezifische Berufsorientierung ist ebenfalls möglich. Dies geschieht in Absprache mit den Schulen, wenn beispielsweise spezifische Informationen über Berufe verlangt würden. Aus seiner Erfahrung heraus berichtete Herr Finger, dass die Schüler vor dem Betriebspraktikum in der Klasse zehn lediglich über wenige Informationen zur Studien- und Berufsorientierung verfügen würden. In Klasse elf seien jedoch bereits konkretere Vorstellungen über Berufe und entsprechende Fragestellungen vorhanden, was positiv zu bewerten ist. e) Berufs- und Studienorientierung aus Sicht eines Unternehmens – Barbara Dananic (VIEROL AG) Frau Dananic stellte zunächst die VIEROL AG vor. Die VIEROL AG als international tätiger Automobilzulieferer bietet Ausbildungsmöglichkeiten in sechs verschiedenen Ausbildungsberufen an. Das Unternehmen bewirbt die Ausbildungsmöglichkeiten aktiv, zum Beispiel im Rahmen von Vorträgen an Schulen oder Bewerbungstrainings. Des Weiteren bietet das Unternehmen die Möglichkeit, ein Praktikum zu absolvieren oder eine Erkundung durchzuführen. Frau Dananic betonte, dass die VIEROL AG auch das Projekt BOGn unterstützt, welches Herr Prof. Schröder im weiteren Verlauf des Workshops vorstellte (vgl. f)). Anschließend berichtete Frau Dananic über die Auswahl von Bewerberinnen und Bewerbern. Hierbei werde vorrangig auf die Schulnoten sowie auf die Auseinandersetzung des Bewerbers mit dem Unternehmen geachtet. Das Unternehmen sortiere eine hohe Anzahl der Bewerbungsanschreiben direkt aus (ca. 60 %), wobei zahlreiche Bewerbungen bereits durch schlechte Rechtschreibung negativ auffallen. Bereits beim Einstellungstest werden oftmals Defizite im mathematischen Bereich (z. B. Dreisatz) oder Allgemeinbildung festgestellt. Beispielsweise könne oftmals – auch von Gymnasiasten - der Namen des niedersächsischen Ministerpräsidenten nicht genannt werden. Frau Dananic wies auch darauf hin, dass sich einige Bewerber nicht intensiv genug mit dem Berufsbild des gewünschten Ausbildungsberufes auseinandersetzen würden. Antworten wie: „Ich möchte gerne im Büro arbeiten“ und „Ich telefoniere gerne“ sind nach ihrer Erfahrung keine Seltenheit. Aber auch die Sozialkompetenz ist für die Vierol AG von hoher Bedeutung und so berichtete Frau Dananic von einem Bewerber, der zwar im Einstellungstest weniger gut abschnitt, aber aufgrund seiner Teamfähigkeit trotzdem einen Ausbildungsplatzangebot erhielt. Insgesamt ist die Quote von Ausbildungsabbrüchen in der Vierol AG sehr gering. - Seite 84 - f) Projekt BOGn: Förderung der Berufsorientierung an Gymnasien – Herr Prof. Dr. Rudolf Schröder (IÖB) Im Fokus des Vortrags von Herrn Prof. Schröder stand das Pilotprojekt BOGn (Förderung der BerufsOrientierung an allgemeinbildenden Gymnasien). An dem Anfang 2009 gestarteten Pilotprojekt nehmen die sechs Oldenburger Stadtgymnasien und zwei Integrierten Gesamtschulen teil. Das Projekt BOGn wird zu 50 % von der Agentur für Arbeit Oldenburg finanziert. Das Institut für Ökonomische Bildung (IÖB) ist ein An-Institut der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg und übernimmt in enger Zusammenarbeit mit dem universitären Institut für Ökonomische Bildung (IfÖB) die Durchführung der Maßnahme. Zugleich besteht eine enge Kooperation mit den Akademischen Beraterinnen und Beratern der Arbeitsagentur Oldenburg. Einerseits bringen sich die Akademischen Berater sowie die Beauftrage für Gleichstellung im Beruf aktiv in den Präsenzveranstaltungen ein, andererseits werden die Präsenzveranstaltungen und die Beratungsangebote terminlich aufeinander abgestimmt. Das BOGn-Konzept setzt zu Beginn der gymnasialen Oberstufe an, kann aber auch schon vorher gestartet werden. Durch ein Set von aufeinander abgestimmten Instrumenten wird die Berufs- und Studienorientierung der Schüler über ein Schul- oder Kalenderjahr in den Jahrgangsstufen zehn und ggf. elf unterstützt. Insgesamt werden während der Projektlaufzeit 2009 bis 2010 1.600 Schüler erreicht. Durch BOGn sollen die Schüler einen Überblick über Ausbildungs- und Studienmöglichkeiten in verschiedenen Berufsfeldern erhalten; eine Vertiefung erfolgt durch vereinbarte Berufserkundungen in zahlreichen Unternehmen. Die erweiterte vertiefte Berufsorientierung (so der Terminus in den Förderrichtlinien der Agentur für Arbeit) umfasst neben der Berufs- auch die Studienorientierung. Dabei werden unterschiedliche Interessen der Schüler und vorhandene Strukturen und Programme in den Schulen berücksichtigt. Durch BOGn sollen die Jugendlichen aber nicht nur über die vielfältigen Ausbildungs- und Studienmöglichkeiten in unterschiedlichen Berufsfeldern informiert, sondern auch hinsichtlich einer möglichst selbst gesteuerten Berufs- und Studienwahl gefördert werden. Dies betrifft beispielsweise die Selbsteinschätzung und Zielfindung sowie die Informations-, Entscheidungs- und Zeitmanagementkompetenz. - Seite 85 - Die Umsetzung der genannten Ansprüche erfolgt mit einem Portfolio von Instrumenten, die auf unterschiedlichen Ebenen ansetzen (vgl. Abb. 13) und zugleich eine enge Zusammenarbeit mit den Lehrkräften, Eltern, Akademischen Beraterinnen und Beratern, Unternehmen, Kammern und anderen lokalen Akteuren implizieren. Damit sich die Jugendlichen ihrer beruflichen Interessen und Neigungen bewusst werden, werden zwei Berufsorientierungs- und Kompetenztests durchgeführt: o Der geva-Test erfasst u. a. mathematisches und schlussfolgerndes Denken, sprachliche Gewandtheit, räumliche Orientierung, Konzentrationsleistungen sowie berufliche Interessen. Neben den entsprechenden Ergebnissen erhalten die Schüler konkrete Empfehlungen zu geeigneten Ausbildungsberufen und Studiengängen. o Eine vertiefte Erfassung persönlichkeitsbezogener Kompetenzen erfolgt durch die KODE®S-Analyse, die in Kooperation mit der Industrie- und Handelskammer zu Oldenburg durchgeführt wird. Die Präsenzveranstaltungen finden primär in den Schulklassen statt. Pro Klasse und Jahr werden drei eintägige Präsenzveranstaltungen angesetzt, die im Frühling, Sommer und Herbst durchgeführt werden. Die Veranstaltungen werden von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der beiden Institute für Ökonomische Bildung unter Einbeziehung der Akademischen Beraterinnen und Berater der Arbeitsagentur durchgeführt. Zu Beginn eines jeden Jahres werden in jeder Schule an einem Abend die Eltern über das Projekt und ihre Möglichkeiten zur Unterstützung ihrer Kinder informiert. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Datenschutz im Zusammenhang mit den Berufsorientierungs- und Kompetenztests. Die Praxiskontakte werden primär als Berufserkundungen in Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen organisiert. Personalverantwortliche informieren die Schüler über Berufsbilder, Ausbildungsmöglichkeiten, Karriereperspektiven, Einstellungsvoraussetzungen u. a. m. Dabei können die Schüler zwischen verschiedenen Angeboten wählen. Die Zusammenstellung des Angebots wird vom wigy e. V., dem zahlreiche regionale Unternehmen angehören, unterstützt. Mit Blick auf die Unterstützung der individuellen Prozesse ist von zentraler Bedeutung, dass auch zwischen den Präsenzveranstaltungen und Berufserkundungen die Unterstützung der Jugendlichen und die Kommunikation der Beteiligten gesichert wird. - Seite 86 - Hierbei kommt dem Berufsorientierungsportal eine wichtige Bedeutung zu, welches mit personalisierten Zugangsdaten von den Akteuren der Institute für Ökonomische Bildung, Schülern, Lehrkräften und Akademischen Beratern der AA genutzt wird. Über das Berufsorientierungsportal können die Selbstlernbausteine aufgerufen werden. Zentrale Inhalte der Präsenztage sind multimedial und interaktiv aufbereitet und können zur individuellen Vertiefung genutzt werden. Die individuelle Berufs- und Studienberatung wird von Akademischen Beratern wahrgenommen und mit den Präsenzveranstaltungen zeitlich verknüpft. Mit Blick auf geva, KODE®S und organisatorische Fragen erfolgt zusätzlich eine individuelle Beratung durch das IÖB und IfÖB. Abb. 12: Die BOGn-Instrumente im Überblick Herr Prof. Schröder wies auf die enge Zusammenarbeit zwischen dem IÖB/IfÖB, der Agentur für Arbeit sowie den Schulen hin. Außerdem wird den Eltern eine große Bedeutung beigemessen, weshalb in jeder Schule ein Elterninformationsabend durchgeführt wird. - Seite 87 - Da sich das Projekt BOGn zurzeit noch in einer Pilotphase befindet, liegen noch keine aussagekräftigen Evaluationsergebnisse vor. Jedoch seien die bisherigen Feedbacks sowie die Rückmeldungen seitens der Schüler und der Lehrer durchaus positiv zu bewerten. Diese Feedbacks würden auch zur Weiterentwicklung des Projekts genutzt werden, um Maßnahmen zur Verstetigung und zum Transfer von BOGn zu ermöglichen. Über die Zukunft und Ausdehnung des BOGn Projekts berichtete Herr Prof. Schröder abschließend, dass das Projekt zwar bislang nur in Oldenburg durchgeführt wird, jedoch eine Ausweitung des Konzepts auf weitere Orte und auch auf andere Bundesländer angestrebt werde. g) Projekt BOGn am Gymnasium Cäcilienschule Oldenburg – Gisbert Koch (Gymnasium Cäcilienschule Oldenburg) Herr Koch koordiniert die BOGn-Aktivitäten an der Cäcilienschule und berichtete über seine Erfahrungen. BOGn wird an der Cäcilienschule aufgrund der neuen Organisation der gymnasialen Oberstufe (G8) in den Jahrgängen zehn und elf angeboten. Seit Beginn des laufenden Schuljahres wird das Projekt in Klasse zehn durchgeführt. In dieser Jahrgangsstufe, so Herr Koch, gehen die Schüler in das Betriebspraktikum und benötigen hierfür eine erste berufliche Orientierung, die durch das Projekt gewährleistet wird. Daher sei dieses Projekt in der zehnten Jahrgangsstufe richtig platziert. Der Start von BOGn war am Anfang mit einigen Problemen verbunden, beispielsweise weil die Präsenztage zu lang bemessen waren. Durch die schnelle Modifikation des BOGnKonzepts ist die Resonanz bei den Schülern als auch bei den Lehrkräften sehr positiv. Außerdem wurde die Intensivierung der Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit betont. 3.5.3 Arbeits- und Diskussionsphase Die anschließende Diskussion bezog sich insbesondere auf die Verstetigung des BOGnKonzepts in den Projektschulen und den Transfer in andere Gymnasien. In der Diskussion wurde von den Lehrkräften auf das Problem der Zeitknappheit, die durch das Abitur in zwölf Jahren verstärkt wird, hingewiesen. Es herrschte Einigkeit, zentrale Inhalte der BOGn-Präsenztage in den Fachunterricht, insbesondere in das Fach PolitikWirtschaft, zu integrieren. Allerdings wurde von Lehrkräften eingeschränkt, dass die eigene Qualifikation hierfür nicht unbedingt sichergestellt ist. - Seite 88 - Ein Vertreter der Bundeswehr äußerte außerdem den Wunsch, dass die Bundeswehr als möglicher Arbeitgeber von den Lehrkräften mehr bedacht werden sollte. Außerdem können an den Bundeswehrhochschulen zahlreiche Studienrichtungen studiert werden. 3.5.4 Forderungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer In dem Workshop wurde insbesondere die Diskrepanz zwischen der Notwendigkeit zur Berufs- und Studienorientierung einerseits und den Möglichkeiten an den Gymnasien anderseits deutlich. Die Lehrkräfte wünschen sich mehr Unterstützung bei der Entwicklung und Umsetzung von Konzepten zur Förderung der Berufs- und Studienorientierung an ihrer Schule. Das BOGn-Konzept wurde hierfür als effektiv angesehen. Eine zentrale Herausforderung stellt die benötigte Zeit vor dem Hintergrund der gekürzten Schulzeit dar. Unter den jetzigen Bedingungen ist eine Ausdehnung der Berufs- und Studienorientierung mit einer Mehrarbeit verbunden, die durch Entlastungsstunden nur sehr bedingt kompensiert wird. Die Teilnehmer äußerten generell den Wunsch, dass das Thema Berufsorientierung in den Stundendeputaten der Schulen größere Berücksichtigung finden sollte. Zugleich wurden von den Lehrkräfte Weiterbildungsmöglichkeiten gefordert. - Seite 89 - 3.6 Berufsbildende Schulen Protokollführer/innen: Christian Lünnemann, Anne Poppe (Universität Oldenburg/IÖB) 3.6.1 Verlaufsstruktur des Workshops Dr. Thomas Hildebrandt (Geschäftsführer der IHK Oldenburg), Artur Post (Oberstudiendirektor der BBS Wesermarsch) und Dr. Oliver Kamin (IÖB) führten durch den Workshop mit 51 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Ziel des Workshops war die Erarbeitung und Weiterentwicklung von Modellen zur Förderung der Kooperation zwischen allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen. Herr Post stellte als Best Practice Beispiel das Konzept zur Berufsorientierung und – Vorbereitung der berufsbildenden Schulen im Landkreis Wesermarsch vor. Ergänzend wurden als weiteres Best Practice Beispiel berufsbildende Schulen in der Region Salzgitter angeführt, welche mehrere Projekte zur Berufsorientierung ins Leben gerufen haben. Im Anschluss an den Vortrag entstand im Plenum eine rege Diskussion mit dem Schwerpunkt der „systematischen Berufsorientierung“. Als eines der zentralen Ergebnisse wurde festgestellt, dass es verbindliche Standards für die Kooperation von berufsbildenden und allgemeinbildenden Schulen geben sollte. Nach Möglichkeit sollten beide Schulzweige durch die Landesschulbehörde in Bezug auf die systematische Berufsorientierung zur Kooperation verpflichtet werden. 3.6.2 Vorstellung der Berufsorientierung an den berufsbildenden Schulen für den Landkreis Wesermarsch Herr Post stellte als Best Practise Beispiel das Konzept des Landkreis Wesermarsch vor. Das Konzept zeichnet sich durch unterschiedliche Projekten und Aktivitäten aus, die aufeinander abgestimmt sind. a) Bildungsnetzwerk Wesermarsch (Bine) und Interneportal kiekste.de Das Bildungsnetzwerk Wesermarsch (Bine) und das Internetportal kiekste.de sind zentrale Säulen der Berufsorientierung in der Region Wesermarsch. - Seite 90 - „Das Bildungsnetzwerk Bine ist ein freiwilliger Verbund aus aktuell über 80 Mitgliedern, die sich zusammengeschlossen haben, um durch Zusammenarbeit und Kooperation Jugendlichen im Landkreis Wesermarsch den Übergang von der Schule in den Beruf zu erleichtern“ (vgl. Leitstelle Bildungsnetzwerk Wesermarsch 2010). Sämtliche berufsbildenden und die meisten allgemeinbildenden Schulen des Landkreis Wesermarsch sind Mitglied in diesem freiwilligen Verbund. Hinzu kommen Wirtschaftsunternehmen, Kammern, die Agentur für Arbeit sowie Behörden der Region. In der nachstehenden Abbildung wird die Organisationsstruktur von Bine (vgl. Abb. 13) dargestellt. Neben der Vollversammlung und dem Vorstand gibt es fest installierte Arbeitskreise, z. B. für „Schülerfirmen“ oder „Arbeits- und Wirtschaftslehre“. In der Leitstelle des Bildungsnetzwerkes werden u. a. der Arbeitskreis gegen „(Schul-)Schwänzen“, Lehrerfortbildungen, Konfliktmanagement an den Schulen und Sozialtraining an den Schulen organisiert. Abb. 13: Bildungsnetzwerk Bine - Organisationsstruktur (Stand 2009) Über das Bildungsnetzwerk Wesermarsch werden auch die berufsorientierenden Schulprojekte der berufsbildenden Schulen, die sich an die zu führenden Schulen wenden, organisiert. In diesem Rahmen wurde insbesondere thematisiert: - Seite 91 - Vier Tage Schnupperpraktikum für alle Schüler der Abgangsklassen in einem Berufsfeld ihrer Wahl. 1,5 Tage Berufsfindungsmesse mit ca. 70 - 80 Betrieben der Region (ausgerichtet von der Berufsbildenden Schule Wesermarsch). „Unterrichtskarussell“ mit den Schulzentren Elsfleth und Berne. Hierbei besuchen die Schüler der Hauptschulen an einem Tag in der Woche, insgesamt sieben Wochen lang, die berufsbildenden Schulen. In dieser Zeit lernen sie fünf verschiedene Berufsfelder aus verschiedenen Bereichen kennen, wie etwa „Holz“, Metall“ und „Soziales“. Geplantes Unterrichtskarussell mit der Zinsendorfschule (Lehreraustausch). Tagesseminare für Bewerbungstrainings. Kontrolle und Prämierung freiwillig eingereichter Bewerbungsmappen. Organisation von berufsorientierenden Projekten in den allgemeinbildenden Schulen mit Lehrern der berufsbildenden Schulen für den Landkreis Wesermarsch. Trainingsangebote für Schüler und Schulklassen im Bereich Sozialverhal- ten/Konfliktmanagement. Kursangebote bzgl. der Kleidung und des Auftretens im Bewerbungsgespräch. Kompetenztraining/Kompetenzfeststellung mit der Real- und Hauptschule „Am Luisenhof“. Es wurde hervorgehoben, dass alle genannten Projekte nur unter der Voraussetzung durchgeführt werden können, dass ein Austausch von Lehrkräften stattfindet. Dabei unterrichten Lehrkräfte der allgemeinbildenden Schulen auch an den berufsbildenden Schulen. Diese Kooperation beruht derzeit auf bilateralen und freiwilligen Absprachen. b) www.kiekste.de - Das Ausbildungsportal Wesermarsch Bei kiekste.de (vgl. Wirtschaftsförderung Wesermarsch. GmbH, 2010 b) handelt es sich um ein kostenloses Internetportal mit dem Ziel der Vermittlung von Ausbildungsplätzen in der Region Wesermarsch. Die Schülerinnen und Schüler erhalten einen Überblick über angebotene Ausbildungsberufe in der genannten Region. Die freien Ausbildungsstellen, die die Unternehmen an die regionale Wirtschaftsförderung melden, werden auch in das Portal eingestellt. Gleichzeitig können in dem Portal auch Schüler ihr Profil und ihren Wunschberuf einstellen, - Seite 92 - so dass die Unternehmen aktiv nach geeigneten Bewerbern suchen und Kontakt aufnehmen können. Die Bündelung des regionalen Angebots gibt Jugendlichen zudem die Möglichkeit, sich zielgerichtet und selbstständig um einen geeigneten Ausbildungsplatz zu kümmern. Für Unternehmen bietet dieses Portal zusätzlich die Möglichkeit, sich als Ausbildungsbetrieb vorzustellen. Viele Ausbildungsplätze in der Region werden inzwischen ausschließlich über www.kiekste.de bekannt gegeben. Derzeit sind mehr als 125 Unternehmen registriert, die insgesamt ca. 200 Ausbildungsstellen anbieten. c) Best Practice Beispiel: Berufsbildende Schulen der Region Salzgitter Auch die berufsbildenden und allgemeinbildenden Schulen der Region Salzgitter haben gemeinsame Projekte zur Berufsorientierung initiiert. Neben weiteren Projekten wurden besonders die Aktivitäten mit dem Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU) hervorgehoben, in denen die Schüler der berufsbildenden und allgemeinbildenden Schulen sehr intensiv zusammenarbeiten. Ein anderes Projekt hat zum Ziel, das Interesse der Schüler für technische Berufe zu erhöhen. Hierzu nehmen die achten Klassen der beteiligten Schule an naturwissenschaftlichen Projekten teil, wobei sie verschiedene Bereiche wie Holz-, Metall- und Fahrradtechnik durchlaufen. Hierdurch ist das Interesse an technischen Berufen und Themen, insbesondere bei den Mädchen, gestiegen. 3.6.3 Arbeits- und Diskussionsphase In der Diskussion wurde hervorgehoben, dass die Berufsbildenden Schulen weit weniger zur Kooperation mit den Haupt- und Realschulen verpflichtet worden sind als umgekehrt. Aus der Perspektive der anwesenden Berufsschullehrkräfte beruhen die Angebote der BBS Wesermarsch im handwerklichen Bereich oftmals auf der Ausnutzung von bestehenden Überkapazitäten bei den Fachpraxislehrkräften. Für weitergehende Angebote fehlen den berufsbildenden Schulen in der Regel die finanziellen und personellen Ressourcen. Andere Schulvertreter stellten kritisch dar, dass Überkapazitäten bei den Fachpraxislehrkräften an vielen berufsbildenden Schulen nicht vorhanden sind; die Voraussetzungen für den Austausch der Lehrkräfte ist deshalb kaum möglich. Des Weiteren wurde das Konzept des Unterrichtskarussells, wie es an den berufsbildenden - Seite 93 - Schulen im Landkreis Wesermarsch praktiziert wird, kritisch hinterfragt. Es wurde in Frage gestellt, ob es eventuell demotivierend für die Schüler sein könnte, wenn diese u. U. über mehrere Tage in Betrieben in einem naturwissenschaftlichen Berufsfeld tätig sein müssen, obwohl ihre beruflichen Vorlieben eher auf anderen Berufsfeldern liegen. Hinsichtlich des Portals kiekste.de wurde angeregt, neben der Ausbildungsplatzvermittlung auch weitere Angebote zur Berufsorientierung zu integrieren. Ein weiterer Diskussionspunkt war das Zusammenspiel zwischen den berufsbildenden und allgemeinbildenden Schulen. Es wurden zwei sich ergänzende Möglichkeiten diskutiert: Die berufsbildenden Schulen unterbreiten den allgemeinbildenden Schulen Angebote zur Berufsorientierung. Die berufsbildenden Schulen reagieren nur auf Wünsche und formulieren Ideen der allgemeinbildenden Schulen, ohne permanent ein Angebot bereitzuhalten. In der Diskussion wurde deutlich, dass die Vielzahl der Aktivitäten nicht von vorhandenen Überkapazitäten der berufsbildenden Schulen abhängig sein sollte. 3.6.4 Forderungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer Zur Systematisierung der Berufsorientierung und –vorbereitung wurden in der Diskussion unterschiedliche Ideen, Überlegungen und Wünsche geäußert: Es sollen allgemeingültige Kompetenzen, die im Rahmen der Berufsorientierung zu fördern sind, erarbeitet werden. Für Schülerinnen und Schüler soll ein verpflichtendes Unterrichtskarussell zu verschiedenen Berufsfeldern durchgeführt werden. Voraussetzung für die Teilnahme ist ein Kompetenzfeststellungsverfahren, um einer Demotivation aufgrund ungeeigneter Berufsfelder vorzubeugen. Darüber hinaus soll ein Unterrichtskarussell für die Lehrkräfte der allgemeinbildenden Schulen eingeführt werden, damit diese die unterschiedlichen Berufsfelder besser kennen lernen. In jeder Region sollen Konferenzen eingerichtet werden, an denen möglichst sämtliche mit der Berufsorientierung befassten Akteure inklusive Bildungsverwaltung und -politik - Seite 94 - teilnehmen sollen. Im Rahmen der Konferenzen sollen regionale Berufsorientierungskonzepte erarbeitet werden. Es ist kein Platz für Konkurrenzdenken. Beispielsweise sind die unterschiedlichen Internetportale untereinander zu verlinken. Gleichwohl sollten die Schüler darauf hingewiesen werden, sich an mehreren Stellen, insbesondere bei der Agentur für Arbeit und den Kammern, zu informieren. Für alle Schülerinnen und Schüler sollte ein einheitlicher Berufsorientierungspass eingeführt werden. Es müssen verbindliche Standards für die Kooperation von berufsbildenden und allgemeinbildenden Schulen existieren. Beide Schulformen sollten durch die Landesschulbehörde zur Kooperation verpflichtet werden. Die Eltern müssen verpflichtend in die Berufsorientierungskonzepte eingebunden werden. Für die Lehrkräfte sind verbindliche Fortbildungen zu gestalten. Zusammenfassend wurde in dem Workshop festgestellt, dass die Verantwortung für die Berufsorientierung zunächst einmal bei den allgemeinbildenden Schulen liegt. Sie müssen die Aufgaben, die die berufsbildenden Schulen und weiteren Partner übernehmen sollen, klar definieren. Die Landesschulbehörde sollte die entsprechenden rechtlichen Grundlagen (Erlass für BBS) schaffen und (finanzielle) Mittel zur Verfügung stellen. Die Vertreter der berufsbildenden Schulen wünschen sich von den allgemeinbildenden Schulen zudem klare Aufgabenstellungen. Zudem fordern sie einen Erlass, der sie zur Durchführung berufsorientierender und berufsvorbereitender Maßnahmen verpflichtet. Die Umsetzung muss mit den regionalen Akteuren abgestimmt werden und sich an der regionalen Wirtschaftsstruktur orientieren. Notwendig hierfür ist die finanzielle Unterstützung durch das Land Niedersachsen. - Seite 95 - 4 Resümee der Tagungsergebnisse (Dr. Thomas Hildebrandt, Geschäftsführer für Aus- und Weiterbildung bei der Oldenburgischen IHK) Meine Damen und Herren, ich möchte abschließend Dank sagen an alle Gäste, Referenten, Unterstützer, die den heutigen Tag mitgestaltet haben. Es zeigt sich, dass es gut war, diese Veranstaltung in Oldenburg durchzuführen. Der Informationsbedarf ist offenbar sehr groß, die Relevanz des Themas nochmals klarer geworden und der Schulterschluss unterschiedlicher Akteure konnte in der Sache kaum größer sein. Ich möchte am Ende nochmals plakativ darstellen, was offenbar Konsens ist und eine Gestaltungs- und Handlungsbasis für die inhaltliche Arbeit bietet. o Berufsorientierung ist die Individualförderung, Jugendförderung, Familienförderung, Gesellschaftsförderung und Wirtschaftsförderung! o Berufsorientierung reduziert Frustrationen bei allen Beteiligten – beispielsweise durch weniger Ausbildungsabbrüche, weniger Absagen bei Bewerbungen und weniger Aufwand bei der Selektion der richtigen Bewerber. Eine verbindliche Struktur bzw. eine Systematisierung der Berufsorientierung ist notwendig, damit die notwendigen Kompetenzen zu einer realistischen Lebensplanung bei allen Schülerinnen und Schülern gleichermaßen entwickelt werden können. Berufsorientierung darf nicht als seltener Glücksmoment derjenigen Schülerinnen und Schülern vorbehalten bleiben, die zufällig hochengagierte und fachlich gut ausgebildete und versierte Lehrkräfte im Bereich der Berufsorientierung vorfinden. Eine der Grundvoraussetzungen für eine gute Ausbildung im Sinne der Unternehmen und der Auszubildenden ist eine verlässliche und problemadäquate Vorbereitung der jungen Menschen auf die wichtigste Entscheidung im Teenageralter: eine realistische, den persönlichen Möglichkeiten entsprechende Berufswahlentscheidung. Die Effektivität der Berufsorientierung muss von einer adäquaten verbindlichen Struktur geprägt sein - nicht von Aktionismus. Dafür benötigen wir messbare Standards und eine systematische Qualifizierung der Lehrkräfte. - Seite 96 - Die Wirtschaft ist bereit, sich einzubringen. Es wäre aber sinnvoll, wenn auch wir unsere Ressourcen in ein Konzept einbringen könnten, damit die Unterstützung an der richtigen Stelle und zur richtigen Zeit ansetzt - und damit effizienter wird! Wenn man das gut macht, ist das Ganze besser als isolierte Teile es jemals sein können. Implizit sind diese Forderungen im niedersächsischen Schulgesetz verankert. Im Paragraph 2 heißt es zum Bildungsauftrag der Schule: (1) Die Schülerinnen und Schüler sollen fähig werden, 1. die Grundrechte für sich und jeden anderen wirksam werden zu lassen, die sich daraus ergebende staatsbürgerliche Verantwortung zu verstehen und zur demokratischen Gestaltung der Gesellschaft beizutragen, 2. nach ethischen Grundsätzen zu handeln sowie religiöse und kulturelle Werte zu erkennen und zu achten, 3. ihre Beziehungen zu anderen Menschen nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit, der Solidarität und der Toleranz sowie der Gleichberechtigung der Geschlechter zu gestalten, 4. den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere die Idee einer gemeinsamen Zukunft der europäischen Völker, zu erfassen und zu unterstützen und mit Menschen anderer Nationen und Kulturkreise zusammenzuleben, 5. ökonomische und ökologische Zusammenhänge zu erfassen, 6. für die Erhaltung der Umwelt Verantwortung zu tragen und gesundheitsbewusst zu leben, 7. Konflikte vernunftgemäß zu lösen, aber auch Konflikte zu ertragen, 8. sich umfassend zu informieren und die Informationen kritisch zu nutzen, 9. ihre Wahrnehmungs- und Empfindungsmöglichkeiten sowie ihre Ausdrucksmöglichkeiten unter Einschluss der bedeutsamen jeweiligen regionalen Ausformung des Niederdeutschen oder des Friesischen zu entfalten, 10. sich im Berufsleben zu behaupten und das soziale Leben verantwortlich mitzugestalten. - Seite 97 - (2) Die Schule soll Lehrkräften sowie Schülerinnen und Schülern den Erfahrungsraum und die Gestaltungsfreiheit bieten, die zur Erfüllung des Bildungsauftrags erforderlich sind. Damit erklärt sich die Notwendigkeit zur individuellen Studien- und Berufswahl unserer Schülerinnen und Schüler, eben nicht nur aus dem Wunsch unserer Unternehmen ausbildungsfähige Jugendliche zu bekommen, sondern gleichermaßen aus einer staatsbürgerlichen Verantwortung für unsere Jugend. Von daher ist der Wunsch der Wirtschaft nach einer Systematisierung der BO-Aktivitäten in zeitlich klare Abfolgen von curricularen Inhalten absolut nachvollziehbar, um an der richtigen Stelle außerschulische Experten einzusetzen. Im Selbstverständnis der Arbeitswelt muss Verantwortung und Rechenschaft für diesen Prozess klar und verbindlich geregelt sein, wie es auch klar sein muss, dass diejenigen die mit Berufsorientierung zu tun haben, mit aktuellem Wissen über die Arbeits- und Berufswelt ausgestattet sind. Dann, aber nur dann, ist die so oft geforderte Handlungsleidenschaft in dem Berufsorientierungsprozess zielführend. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. 4.1 Zusammenfassung und Ausblick Berufsorientierung ist kein neues, aber sehr aktuelles Thema. Die Bildungspolitik des Landes Niedersachsen hat zahlreiche Maßnahmen umgesetzt bzw. eingeleitet, um die Berufsorientierung zu fördern. Dies betrifft unter anderem die Ausdehnung der Betriebs- und Praxistage an Hauptschulen Einführung von Betriebs- und Praxistage an Realschulen Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen Haupt- bzw. Realschulen und den berufsbildenden Schulen Einführung von Profilfächern an den Realschulen. Rahmenvereinbarung zur Zusammenarbeit von Schule und Berufsberatung Im Rahmen der Fachtagung wurde deutlich, dass noch zahlreiche Fragen zur praktischen Umsetzung der Neuerungen offen sind. Dies betrifft zunächst die Frage, wie die „schulische Gesamtaufgabe“ innerschulisch organisiert werden soll. Erschwerend kommt in diesem Zusammenhang hinzu, dass die Verankerung in einem ver- - Seite 98 - pflichtenden Ankerfach Wirtschaft an den Haupt- und Realschule nicht mehr gegeben ist. Besser stellt sich die Situation in der Integrierten Gesamtschule dar; hier gibt es einen eigenen Themenbereich in dem Fach Arbeit-Wirtschaft-Technik. Kritisch ist außerdem anzumerken, dass die Berufs- und Studienorientierung in den allgemeinbildenden Gymnasien weiterhin einen rudimentären Stellenwert inne hat. Die Zusammenarbeit zwischen den Schulen und externen Partnern ist eine weitere Herausforderung; die Netzwerke in den zahlreichen Regionen können nur bedingt als planvoll und effektiv bezeichnet werden. Eine neue Herausforderung stellt die systematische Zusammenarbeit mit den berufsbildenden Schulen dar; das Neustädter Modell kann nur auf wenige Regionen in Niedersachsen übertragen werden. In den Workshops wurden diverse Best Practice Beispiele für die unterschiedlichen Schulformen vorgestellt und hinsichtlich ihrer Übertragbarkeit erörtert. Außerdem wurden Forderungen an die Bildungspolitik formuliert, die große Übereinstimmungen aufweisen. Erhellend ist in diesem Zusammenhang auch der Fragebogen, der in die Tagungsmappen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer gelegt wurde und von 79 Schulvertretern (Lehrkräfte, Schulleiter, Schulsozialarbeiter) sowie 24 Vertretern von Unternehmen und weiteren Organisationen ausgefüllt wurde. Unter anderem wurde offen (d. h. ohne vorformulierte Antwortalternativen) gefragt, wo besonderer Unterstützungsbedarf gesehen wird. In der Abbildung 14 wird die Antwortverteilung der Schulvertreter dargestellt. Der größte Unterstützungsbedarf (48 Nennungen) wurde hinsichtlich der Fort- und Weiterbildung der Lehrkräfte gesehen, gefolgt von der Bereitstellung von Lehrmaterialien (36 Nennungen) sowie der Erstellung eines jahrgangsübergreifenden BO-Konzeptes (27 Nennungen) und dessen Integration in eine schulische Gesamtkonzeption (31 Nennungen). Wo sehen Sie besonderen Unterstützungsbedarf? - Seite 99 - Abb. 14: Unterstützungsbedarf der Schulvertreter zur Berufsorientierung (Mehrfachauswahl der Antwortalternativen möglich) Die Oldenburgische Industrie- und Handelskammer und das Institut für Ökomische Bildung werden ihre Aktivitäten zur Unterstützung der Berufsorientierung, z. B. Entwicklung von Konzepten und Unterrichtsmaterialien, Ausrichtung von Berufsorientierungstagen oder die Lehrerfortbildung weiter intensivieren. Außerdem hat sich eine Arbeitsgruppe, bestehend aus Mitgliedern der beiden genannten Einrichtungen, Schulen, Schulverwaltung, Fachberatern und Arbeitsagentur gebildet, die an einem Leitfaden zur Berufsorientierung arbeiten. Der Leitfaden soll im Rahmen einer Nachfolgetagung vorgestellt werden. - Seite 100 - 5 Abkürzungsverzeichnis AA Agentur für Arbeit Abb. Abbildung BA Bundesagentur für Arbeit BBS Berufsbildende Schule BDA Bundesindustrieverband Deutschland Haus-, Energie- und Umwelttechnik e. V. BDI Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. BfB Bundesverband der freien Berufe BIZ Berufsinformationszentrum BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung DIHK Deutscher Industrie- und Handelskammertag geva Gesellschaft für Verhaltensanalyse und Evaluation mbH HRS Haupt- und Realschule HS Hauptschule IGS Integrierte Gesamtschule IHK Industrie- und Handelskammer IÖB Institut für Ökonomische Bildung KGS Kooperative Gesamtschule KMK Kultusministerkonferenz NSchG Niedersächsisches Schulgesetz RS Realschule ZDH Zentralverbands des Deutschen Handwerks ZSB Zentrale Studienberatung KODE KompetenzDiagnostik und Entwicklung - Seite 101 - 6 Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Berufswahlkompetenzen im Fach Arbeit- Wirtschaft- Technik an Integrierten Gesamtschulen in Niedersachsen (vgl. Niedersächsisches Kultusministerium 2009b, 29f.) 35 Abb. 2: Beispiel zur Verzahnung der Maßnahmen zur Berufsorientierung im engeren und weiteren Sinne an niedersächsischen Hauptschulen ..................................................... 40 Abb. 3: Kriterien zur Schulqualität am Beispiel Niedersachsen (Niedersächsisches Kultusministerium 200, 27) .................................................................................................... 43 Abb. 4: Gestaltungsinstrumente und faktische Verhältnisse im Bildungswesen (Beispiele) (Fend 2008, 17) ................................................................................................... 44 Abb. 5: Entwicklung der Bewerberqualifikation in den letzten 15 Jahren (vgl. Bundesinstitut für Berufsbildung 2005) ................................................................................. 53 Abb. 6: Kriterienkatalog zur Ausbildungsreife (vgl. Bundesagentur für Arbeit 2009, 20f.) 54 Abb. 7: Themenfelder für das Wirtschaft an Hauptschulen für die Jahrgangsstufe sieben und acht ..................................................................................................................... 56 Abb. 8: Aktivitäten zur Berufsorientierung der Realschule „Am Luisenhof“ im Überblick 63 Abb. 9: Anknüpfungspunkte für die Berufsorientierung im 9. Jahrgang (ausführliche Beispielplanung ist unter www.wigy.de abrufbar).................................................................. 65 Abb. 10: Schulisches Profil der Haupt- und Realschule Osternburg .............................. 68 Abb. 11: Wege nach dem Abitur ..................................................................................... 81 Abb. 12: Die BOGn-Instrumente im Überblick .............................................................. 87 Abb. 13: Bildungsnetzwerk Bine - Organisationsstruktur (Stand 2009) .......................... 91 Abb. 14: Unterstützungsbedarf der Schulvertreter zur Berufsorientierung (Mehrfachauswahl der Antwortalternativen möglich) .......................................................... 100 - Seite 102 - 7 Literaturverzeichnis Arbeitgeberverband Oldenburg e. V. (2010): MIG - Das Management Information Game, http://www.agvoldenburg.de/index.php?pageId=35, letzter Zugriff am 05.10.2010 BEA GmbH (2010 a)): Jobstream Wesermarsch, http://www.jobstream- wesermarsch.de/index.html, letzter Zugriff am 04.10.2010 BEA GmbH (2010 b)): Betriebe in Schulen, Gefunden am 04.10.2010 unter http://bes.jobstarter.inbas.com/htdocs_de/home/beitrag1.html Bergmann, C.; Eder, F. (2005): Allgemeiner Interessen-Struktur-Test mit Umwelt-StrukturTest (UST-R): AIST-R. 3. A., Weinheim: Beltz Test Bundesagentur für Arbeit (2009): Nationaler Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs in Deutschland, Kriterienkatalog zur Ausbildungsreife, 3. unverä. 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