Deutsches Archäologisches Institut • Jahresbericht 2007
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Deutsches Archäologisches Institut • Jahresbericht 2007
Deutsches Archäologisches Institut • Jahresbericht 2007 Archäologischer Anzeiger 2008/1 Beiheft Deutsches Archäologisches Institut JAHRESBERICHT 2007 Hirmer Verlag · München ARCHÄOLOGISCHER ANZEIGER • BEIHEFT die Zeitschrift erscheint seit 1889, das Beiheft mit dem Jahresbericht des DAI seit 2008 AA 2008/1 Beih. • VI, 378 Seiten mit 497 Abbildungen Herausgeber Deutsches Archäologisches Institut Zentrale Podbielskiallee 69–71 D–14195 Berlin www.dainst.org © 2008 Deutsches Archäologisches Institut / Hirmer Verlag GmbH ISSN: 0003-8105 · ISBN 978-3-7774-5015-5 Gesamtverantwortlich: Redaktion an der Wissenschaftlichen Abteilung des Deutschen Archäologischen Instituts in Berlin (www.dainst.org) Redaktion, Layout und Satz: Dorothee Fillies, Berlin (www.redaktion-layout-satz.de), nach Standard-Layout des Archäologischen Anzeigers von F217 Sailer/Sohn, Berlin (www.F217.de) Bildbearbeitung und Umschlag: Catrin Gerlach, Deutsches Archäologisches Institut, Zentrale Herstellung und Vertrieb: Hirmer Verlag GmbH, München (www.hirmerverlag.de) Titelbilder: Nach Projekt-Bildern der Zentrale, 7 Abteilungen und 3 Kommissionen des DAI Länderkarten: Weltkarte nach R. Stöckli, E. Vermote, N. Saleous, R. Simmon and D. Herring (2005). The Blue Marble Next Generation – A true color earth dataset including seasonal dynamics from MODIS. Published by the NASA Earth Observatory. Corresponding author: [email protected]. – Flüsse nach Global Runoff Data Centre (2007): GIS Layers of Major River Basins of the World. 1st edition. GRDC in the Bundesanstalt für Gewässerkunde, 56068 Koblenz, Germany, http://grdc.bafg.de. – Ländergrenzen nach Environmental Systems Research, Inc. (ESRI), 20050811, Countries: ESRI Data & Maps 2005, Environmental Systems Research Institute, Inc. (ESRI), Redlands, California, USA Erscheint auch als digitale Version auf der Homepage des DAI (www.dainst.org) Alle Rechte, insbesondere das Recht der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen oder unter Verwendung elektronischer Systeme zu verarbeiten und zu verbreiten. Printed and Bound in Italy Inhalt DEUTSCHES ARCHÄOLOGISCHES INSTITUT JAHRESBERICHT 2007 1 Vorwort 2 Zentrale 61 Abteilung Rom 97 Abteilung Athen 108 Römisch-Germanische Kommission 127 Abteilung Kairo 159 Abteilung Istanbul 193 Abteilung Madrid 230 Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik 243 Orient-Abteilung 290 Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen 319 Eurasien-Abteilung 371 Forschungsstellen am Deutschen Evangelischen Institut für Altertumswissenschaften des Heiligen Landes (DEI) in Amman und Jerusalem Berlin Bonn Frankfurt München Madrid Rom Istanbul Athen Damaskus Jerusalem Kairo Amman Jahresbericht 2007 des Deutschen Archäologischen Instituts Ulaanbaatar Liebe Leserinnen und Leser, liebe Kolleginnen und Kollegen, Teheran Baghdad Sana’a Das Deutsche Archäologische Institut konnte im Jahr 2007 seine wissenschaftliche Arbeit erfolgreich fortsetzen. Der folgende Jahresbericht soll einen Überblick über die Fülle der Projekte und das breite Spektrum der Forschungsaktivitäten der Zentrale, der Abteilungen und Kommissionen geben. Weitere Schwerpunkte der Institutsarbeit, wie die begonnene Umstrukturierung der internen Organisation des Instituts, konnten vorangebracht werden. Herausragende Ereignisse des Jahres waren die 35. Internationale Konferenz Computer Applications and Quantitative Methods in Archaeology (CAA) 2007 »Layers of Perception« im April, der Internationale Skythen-Kongress »Reiternomadische Eliten der eurasischen Steppe« in Verbindung mit der Ausstellung »Im Zeichen des Goldenen Greifen. Königsgräber der Skythen« im MartinGropius-Bau ab Oktober sowie das 100jährige Institutsjubiläum der Abteilung Kairo, das im November feierlich begangen wurde. Leider hat das Institut in diesem Jahr den Tod seines ehemaligen Präsidenten Prof. Dr. Werner Krämer (1917–2007) zu betrauern, der das Institut in den Jahren 1972 bis 1979 verdienstvoll leitete. Der Dank des Instituts gilt der Bundesregierung und dem Bundestag für die Bewilligung der Haushaltsmittel sowie besonders dem Auswärtigen Amt für seine wohlwollende Begleitung und Unterstützung der Institutsarbeit. Zahlreiche Forschungsunternehmungen wurden auch in diesem Jahr wieder durch die verschiedenen Institutionen der Wissenschaftsförderung unterstützt sowie oft erst ermöglicht – insbesondere durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), die Gerda Henkel Stiftung, die Fritz Thyssen Stiftung, die MaxPlanck-Gesellschaft und die Volkswagenstiftung sowie die Gesellschaft der Freunde des Deutschen Archäologischen Instituts/Theodor Wiegand Gesellschaft, denen wir an dieser Stelle dafür besonders danken möchten. Des Weiteren haben wir dankenswerterweise Unterstützung erfahren auch von anderen privaten Stiftungen, Kooperationspartnern und Förderern aus dem Bereich der Industrie, die in den einzelnen Projektdarstellungen gewürdigt werden. Zu Dank verpflichtet sind wir insbesondere auch den Institutionen, Behörden und Wissenschaftlern unserer Gastländer für die wunderbare Zusammenarbeit und stete Unterstützung der Forschungsarbeit. Hermann Parzinger Präsident, Generalsekretär, Mitglieder der Zentraldirektion und des Direktoriums Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Hermann Parzinger Generalsekretär PD Dr. Ortwin Dally, Vertreter des Präsidenten Mitglieder der Zentraldirektion Der Präsident (Vorsitzender) Borbein, Adolf H., Prof. Dr. Dr. h. c. (Stellvertreter im Vorsitz) Freie Universität Berlin Institut für Klassische Archäologie Otto-von-Simson-Straße 11 D-14195 Berlin Eichmann, Ricardo, Prof. Dr. (Vertreter des Direktoriums) DAI, Orient-Abteilung Podbielskiallee 69–71 D-14195 Berlin Grolig, Wilfried, MD (Vertreter des Auswärtigen Amts) Auswärtiges Amt, Leiter der Kulturund Bildungsabteilung Werderscher Markt 1 D-10117 Berlin Bergmann, Marianne, Prof. Dr. Georg-August-Universität Archäologisches Institut Nikolausberger Weg 15 D-37073 Göttingen Daim, Falko, Prof. Dr. Generaldirektor, Römisch-Germanisches Zentralmuseum Ernst-Ludwig-Platz 2 D-55116 Mainz Fless, Friederike, Prof. Dr. Freie Universität Institut für Klassische Archäologie Otto-von-Simson-Str. 11 und 7 D-14195 Berlin Gehrke, Hans-Joachim, Prof. Dr. Albert-Ludwigs-Universität Seminar für Alte Geschichte Werthmannplatz D-79098 Freiburg i. Br. Hölscher, Tonio, Prof. Dr. Ruprecht-Karls-Universität Institut für Klassische Archäologie Marstallhof 4 D-69117 Heidelberg Käppel, Lutz, Prof. Dr. Christian-Albrechts-Universität Institut für Klassische Altertumskunde Leibnizstr. 8 D-24118 Kiel Koenigs, Wolf, Prof. Dr.-Ing. Technische Universität Baugeschichte und Bauforschung Arcisstr. 21 D-80290 München Maran, Joseph, Prof. Dr. Ruprecht-Karls-Universität Institut für Ur- und Frühgeschichte und Vorderasiatische Archäologie Marstallhof 4 D-69117 Heidelberg Martini, Wolfram, Prof. Dr. Justus-Liebig-Universität Professur für Klassische Archäologie Otto-Behaghel-Str. 10 D D-35394 Gießen Maul, Stefan, Prof. Dr. Ruprecht-Karls-Universität Seminar für Sprachen und Kulturen des Vorderen Orients – Assyriologie Hauptstr. 126 D-69117 Heidelberg Nielsen, Inge, Prof. Dr. Universität Hamburg Archäologisches Institut Edmund-Siemers-Allee 1, Flügel West D-20148 Hamburg Strube, Christine, Prof. Dr. Ruprecht-Karls-Universität Institut für Byzantinische Archäologie und Kunstgeschichte Marstallhof 4 D-69117 Heidelberg Wildung, Dietrich, Prof. Dr. Ägyptisches Museum und Papyrussammlung der Staatlichen Museen zu Berlin PK Bodestr. 1–3 D-10178 Berlin Zimmermann, Konrad, Prof. Dr. Universität Rostock Heinrich-Schliemann-Institut für Altertumswissenschaften Universitätsplatz 1 D-18055 Rostock Mitglieder des Direktoriums Der Präsident (Vorsitzender) Der Generalsekretär (Vertreter des Präsidenten) Dreyer, Günter, Prof. Dr. DAI, Abteilung Kairo 31, Abu el-Feda ET-11211 Kairo-Zamalek Eichmann, Ricardo, Prof. Dr. DAI, Orient-Abteilung Podbielskiallee 69–71, D-14195 Berlin Hansen, Svend, Prof. Dr. DAI, Eurasien-Abteilung Im Dol 2–6, Haus II, D-14195 Berlin Hesberg, Henner von, Prof. Dr. DAI, Abteilung Rom Via Sardegna, 79, I-00187 Rom Lüth, Friedrich, Dr. Römisch-Germanische Kommission des DAI, Palmengartenstr. 10–12 D-60325 Frankfurt a. M. Marzoli, Dirce, Prof. Dr. DAI, Abteilung Madrid Serrano 159, E-28002 Madrid Niemeier, Wolf-Dietrich, Prof. Dr. Dr. h. c. DAI, Abteilung Athen Fidiou 1, GR-10678 Athen Pirson, Felix, PD Dr. DAI, Abteilung Istanbul Gümüşsuyu/Ayazpaşa Camii Sok. 46 TR-34437 Istanbul Schuler, Christof, PD Dr. Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik des DAI Amalienstr. 73b, D-80799 München Vogt, Burkhard, Dr. Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen des DAI Endenicher Str. 41, D-53115 Bonn Buchner, Edmund, Prof. Dr. Präsident i. R., Nadistr. 14 D-80809 München (ohne Votum) Kyrieleis, Helmut, Prof. Dr. Dr. h. c. Präsident i. R., c/o DAI Podbielskiallee 69–71 D-14195 Berlin (ohne Votum) Zentrale Zentrale Podbielskiallee 69–71 D-14195 Berlin Tel.: +49-(0)3018 7711-0 Fax: +49-(0)3018 7711-168/190/191 E-Mail: [email protected] Präsident Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Hermann Parzinger Generalsekretär PD Dr. Ortwin Dally, Vertreter des Präsidenten Leiterin des Architekturreferats Dr.-Ing. Ulrike Wulf-Rheidt Leiter der Verwaltung Hartmut Gerlach Wissenschaftliche Mitarbeiter Dr. Peter Baumeister (bis 31. 12.), Prof. Dr. Norbert Benecke, Dr. Uta Dirschedl, Andreas Geißler M. A. (Projektschwerpunkte an der Universität zu Köln, Archäologisches Institut) (ab 1. 1.), Dr. des. Frank Godthardt (ab 1. 11.), Dr. Jochen Görsdorf (bis 30. 9.), Prof. Dr. Hans Rupprecht Goette, Dr. Joachim Heiden (bis 30. 6.), Dr. Karl-Uwe Heußner, Rainer Komp M. A., Dr. Michael Krumme (ab 1. 8.), Dr. Monika Linder, Dr. Susanne Moraw, Dr. Anatoli Nagler, Dr. rer. nat. Reinder Neef, Dr. des. Felix Schäfer (Universität zu Köln, Archäologisches Institut, Projektschwerpunkte an der Zentrale), Dr. des.-Ing. Peter Schneider, Dr. Florian Seiler, Dr. Simone Wolf, Hauke Ziemssen M. A. (ab 17. 9.) Fortbildungsstipendiaten Dr. Dirk Brandherm, Dr. Georg Breitner, Dr. Martin Furholt, Dr. Christoph Gerber, Dr. Frauke Heinrich, Dr. Oliver Hülden, Dipl.-Ing. Claudia Lacher, Dipl.-Ing. Daniel Lohmann, Dipl.-Ing. Juren Meister (bis 30. 4.), Dr. Roland Oetjen, Dr. Iken Paap, Dipl.-Ing. Timm Radt, Dr. Andrea Schmölder-Veit, Dipl.-Ing.Verena Stappmanns Wissenschaftliche Hilfskräfte Dipl.-Ing. Janet Haberkorn,Veronica Hinterhuber M. A., Dipl.-Ing. Birgit Nennstiel (bis 31. 12.), Dipl.-Ing. Jens Pflug (bis 5.10.), Henny Piezonka M. A., Dr. des. Ulrich Sens, Jennifer Wilde M. A., Dipl.-Ing. Claudia Winterstein Aus Drittmitteln finanzierte Stellen Dr.-Ing. Catherine Hof (DFG, ab 1. 12.), Dipl.-Ing. Juren Meister (DFG, ab 1. 5.), Ulrike Nowotnick M. A. (DFG, ab 18. 11.), Dr. Andreas Oettel (DFG), Hauke Ziemssen M. A. (DFG, bis 16. 9.) Zentrale in Berlin 5 Ausgrabungen und Forschungen Tartas (Russische Föderation), bronzezeitliches Gräberfeld Abb. 1 Das Gräberfeld während der Ausgrabung, Blick über die Südspitze des Geländesporns zur Flussaue des Tartas Tartas (Russische Föderation) In der westsibirischen Waldsteppe ist der Übergang von der frühen zur mittleren Bronzezeit charakterisiert durch die Ablösung eines Mosaiks lokaler Kulturgruppen durch den großen, weiträumig bis ins südliche Uralvorland und nach Mittelasien verbreiteten Andronovo-Kulturkomplex. Um Ablauf und Mechanismen dieses Vorgangs genauer fassen zu können, wird seit 2003 ein ausgedehntes Flachgräberfeld auf einem Ufersporn am Fluß Tartas archäologisch untersucht. Bei den Ausgrabungen kamen bisher mehr als zweihundert in Reihen angeordnete Gräber zutage, die im Bestattungsritus verschiedene Stadien der Verschmelzung von Elementen der lokalen Krotovo- und der Andronovo-Kultur erkennen lassen. Abb. 2 Birituelle Bestattung mit Skelett eines Erwachsenen und verbrannten Knochen einer zweiten Person, an der östlichen Grubenwand zwei Keramikgefäße Abb. 3 Ovale Platte aus Elchgeweih mit Fischresten und zerdrücktes Keramikgefäß in Fundlage in einem Grab 1 2 3 AA-2008/1 Beiheft In der diesjährigen fünften Grabungssaison wurde die Fläche des Vorjahres nach Nordwesten erweitert, so dass inzwischen der gesamte südliche Bereich des Bestattungsplatzes, dessen Ausdehnung durch geophysikalische Messungen bestimmt werden konnte, ausgegraben ist (Abb. 1). Im freigelegten Areal setzen sich die dichten Reihen Ost-West ausgerichteter Gräber fort, insgesamt wurden 75 neue Grabkomplexe aufgedeckt. Der höhere Anteil von Brandbestattungen in diesem Bereich des von Körpergräbern dominierten Gräberfeldes deutet – zusammen mit einigen anderen Faktoren – darauf hin, dass dieser Teil des Geländesporns in eine spätere Nutzungsphase gehört und dass die Belegung des Gräberfeldes demnach sukzessive von Südosten nach Nordwesten erfolgte. In diesem Zusammenhang sehr interessant ist ein birituelles Grab, in dem neben dem Körper eines Erwachsenen die verbrannten Knochen eines zweiten Individuums niedergelegt worden waren (Abb. 2). Unter den diesjährigen Funden stellt ein aus Geweih gefertigtes ovales Tablett eine Besonderheit dar, das neben einem verzierten Keramikgefäß in einem Grab stand und auf dem noch Reste von Speisebeigaben lagen (Abb. 3). Ansonsten fügt sich das Fundspektrum aus den Gräbern mit Keramikgefäßen, bronzenen Schmuckstücken, Dolchen und Pfriemen, Knochenpfeilspitzen und Spielsteinen gut in das bereits bekannte Bild. 6 Jahresbericht 2007 des DAI Wichtige neue Erkenntnisse zur kulturellen Abfolge konnten durch absolute Datierungen gewonnen werden: Eine Serie von elf 14C-Daten erbrachte die überraschende Erkenntnis, dass diejenigen Gräber, die typischen Bestattungen der Andronovo-Kultur am deutlichsten entsprechen, in Tartas bereits in der Zeit um 2000 v. Chr. angelegt wurden, während die Spätkrotovo-Elemente aufweisenden Gräber jünger sind und ins 18. bis 16. Jh. v. Chr. datieren. Somit stellt sich die bronzezeitliche Kulturentwicklung in der westsibirischen Waldsteppe weitaus komplizierter und weniger linear dar als bisher angenommen. Darüber hinaus zeigen die neuen Daten, dass der Übergangshorizont von der frühen zur mittleren Bronzezeit in dieser Region tatsächlich – wie von einigen Forschern bereits vermutet – ein halbes Jahrtausend früher anzusetzen ist als gemeinhin angenommen. Kooperationspartner: Institut für Archäologie und Ethnographie der Sibirischen Abteilung der Russischen Akademie der Wissenschaften in Novosibirsk • Leitung des Projekts: H. Parzinger, V. I. Molodin • Mitarbeiterin: H. Piezonka • Abbildungsnachweis: M. Dreesen (Abb. 1); A. E. Grišin (Abb. 2. 3). Taganrog und Umgebung (Russische Föderation) Die 2004 aufgenommenen Arbeiten in der frühgriechischen Siedlung von Taganrog nahe der Mündung des Don in das Asovsche Meer konnten in diesem Jahr größtenteils abgeschlossen werden. Sie konzentrierten sich unvermindert auf die Bucht und die Küstenregion, in der nach wie vor beständig Scherben vorwiegend ostgriechischer Provenienz angespült werden. Der Arbeitsbereich der Grabungen im Küstenbereich wurde in Kombination mit geoarchäologischen Bohrungen im Osten und Westen erweitert (Abb. 4) und bis zum Eindringen des Grundwassers in ca. 7 m Tiefe abgeteuft. In ca. 6 m Tiefe wurde das Umfeld einer Anlage zur Bronzeproduktion mit Schlacke und Abfallprodukten der Bronzeherstellung aus der 1. Hälfte des 6. Jhs. v. Chr. angetroffen. Die Anlage könnte zur Produktion von Pfeilspitzen gedient haben, die in demselben Level aufgefunden wurden. Unter diesem Niveau wurde ein Abb. 4 Taganrog (Russische Föderation), Plan der Ausgrabungen AA-2008/1 Beiheft Zentrale in Berlin 7 Abb. 5 Taganrog und Umgebung (Russische Föderation), Levinsadovka. Höhenrelief und geophysikalisches Messbild AA-2008/1 Beiheft weiterer Horizont angetroffen, der einheimische, handgemachte und griechische Ware enthielt. Dieser Befund könnte dafür sprechen, dass Griechen, die zunächst nur in kleineren Gruppen zum Don-Delta gekommen sein dürften, und Einheimische von vornherein zusammen siedelten. Unmittelbar nach der Ankunft der Griechen muss der Erosionsprozess, der sich in der Folge über viele hundert Jahre beobachten lässt, in Gang gesetzt worden sein, möglicherweise weil die Kolonisten eventuell vorhandenen hölzernen Bewuchs für den Häuser- oder gar den Schiffsbau nutzten. Die Bucht von Taganrog wurde magnetometrisch untersucht, dabei erhärtete sich die schon früher gehegte Vermutung, dass die Scherben bei den jährlichen Aushubarbeiten für eine Schifffahrtrinne aufgebracht werden. Archäometrische Analysen der Keramik haben deutlich gemacht, dass zunächst Importkeramik aus dem nordionischen Raum dominierte. In Verbindung mit dem Survey, der im Umland von Taganrog fortgesetzt wurde, konnten vier der im letzten Jahr aufgenommenen Fundplätze mit Geomagnetometer und Georadar prospektiert werden. In der Siedlung von Levinsadovka, die an dem strategisch bedeutsamen Übergang vom Myus Liman in das Asovsche Meer gelegen ist, konnten im Rahmen der Prospektion deutliche Anomalien ermittelt werden, die von mindestens 14 Grubenhäusern (?) herrühren (Abb. 5). Zwei kleinere Schnitte 8 Jahresbericht 2007 des DAI 6 7 im Uferbereich und die Untersuchung von Keramik aus bereits erodierten Parzellen der Siedlung machten deutlich, dass Levinsadovka erstmalig in der späten Bronzezeit besiedelt war. Danach wurde der Platz intensiv im 5.–4. Jh. v. Chr. genutzt, bevor er letztmalig im Mittelalter bewohnt war. In Beglitzkaya – ebenfalls an der Südküste der Halbinsel am Myus Liman, ca. 35 km westlich von Taganrog gelegen – hatte bereits in den 1950er Jahren T. Prochorova gegraben und dabei partiell eine Nekropole mit zahlreichen Bestattungen des 4.–2. Jhs. v. Chr. freigelegt. Die Funde, darunter zahlreiche griechische Vasen (Abb. 6) und Bronzewaffen, werden heute im Museum von Taganrog aufbewahrt. Der von T. Prochorova nicht freigelegte Teil der Nekropole mit schätzungsweise 100 Bestattungen wurde in diesem Jahr ebenfalls prospektiert. In der Folge wurde ein 10–20 m breiter Streifen entlang dem besonders erosionsgefährdeten Hangabbruch bis zu einer Tiefe von 1 m freigelegt. Insgesamt fünf Bestattungen wurden dokumentiert. Hinzu kam die zeichnerische und photographische Dokumentation eines Teils der bislang unpublizierten Bestände der Altgrabungen im Museum von Taganrog. Deutlich wurde, dass das reguläre Beigabenset von Bestattungen aus einem handgemachten Kugeltopf (sog. Lipnaja) und einer Kanne (vermutlich aus dem Bosporanischen Reich) oder einem Kantharos (vermutlich aus Athen) bestand. Kinderbestattungen zeichnen sich durch die Beigabe von Ketten und Perlen aus Ton mit Glaseinlagen aus. Männliche Bestattungen sind durch Lanzenspitzen und Pfeilspitzen charakterisiert. Zwischen den Bestattungen wurden griechische Amphoren offenbar rituell zerschlagen (Abb. 7). Als Summe der Einzelbeobachtungen zeichnet sich ab, dass die Griechen, die im späten 7. Jh. v. Chr. nach Taganrog kamen, sich möglicherweise gemeinsam mit Einheimischen in einer schon vorher existenten Siedlung niederließen. Vom kommenden Jahr an wird der Schwerpunkt der Unternehmungen auf dem Umland liegen. Neue Perspektiven ergeben sich durch das von der DFG bewilligte Exzellenzcluster »Topoi«. Ziel der Arbeiten ist es zum einen, ein chronologisches Gerüst für die Zeitspanne zwischen später Bronzezeit und dem 3. Jh. v. Chr. aufzubauen, zum anderen die Frage zu verfolgen, inwiefern sich die Region in dieser Zeitspanne kulturell und politisch verändert hat. Die Siedlung von Levinsadovka und die Beglitzkij-Nekropole machen deutlich, dass sich spätestens im 4. Jh. v. Chr. die Siedlungsaktivität im Don-Delta stark intensiviert haben muss. Ein besonderes Augenmerk gilt darüber hinaus der Markierung der Landschaft durch Kurgane. Taganrog und Umgebung (Russische Föderation), Beglitzkij-Nekropole Abb. 6 Schwarzgefirnister Kantharos Abb. 7 Rituell zerschlagene Amphora aus Herakleia (?) AA-2008/1 Beiheft Zentrale in Berlin 9 Kooperationspartner: Institut für Archäologie der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau (V. Kuznetsov); Don-Archäologische Gesellschaft Rostov am Don (A. Zibrij,V. Zibrij, A. Isakov); Institut für Geowissenschaften, Abteilung Geophysik der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (Ch. Klein, Ch. Müller, S. Wölz); Fachbereich Geographie der Philipps-Universität Marburg (H. Brückner, D. Kelterbaum); Institut für Strahlenphysik der Universität Bonn (H. Mommsen) • Leitung des Projekts: O. Dally • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: R. Attula, V. Boecker, A. S. Flade, P. Grunwald, S. Huy, U. Kapp, T. Schunke, H. Spieker, N. Ullrich • Abbildungsnachweis: M. Ullrich, J. Trenner, U. Kapp (Abb. 4); C. Klein, U. Kapp (Abb. 5); R. Attula (Abb. 6); P. Grunwald (Abb. 7). Rom (Italien), Palatin Die Arbeiten zu den Palästen der römischen Kaiser auf dem Palatin in Rom wurden in diesem Jahr mit einer Bauaufnahmekampagne im Frühjahr und einer Aufarbeitungskampagne im Herbst fortgesetzt. Die Untersuchungen konzentrierten sich auf die Neuaufnahme und erstmalige, umfassende bauforscherische Analyse der Domus Augustana. Es konnte der Grundriss der Räume um das große Peristyl mit dem Wasserbecken und der darin befindlichen Insel (Abb. 8, Peristyl) sowie des nordöstlich anschließenden Bereiches bis zur Vigna Barberini aufgenommen und damit der gesamte Grundriss der Hauptebene der Domus Augustana im M. 1 : 100 fertig gestellt werden (Abb. 8). Mit einem Längs- und einem Querschnitt durch diesen Bereich wurde die Höhenentwicklung der noch erhaltenen Mauerreste dokumentiert. Das Raumbuch, in dem alle relevanten Daten und Beobachtungen zu den einzelnen Räumen der Domus Augustana in Skizzen, Photographien und kurzen Beschreibungen festgehalten sind, wurde fortgeführt. Die Untersuchung der opus testaceum-Konstruktion der Domus Augustana und der Katalog aller noch in situ befindlichen Ziegelstempel konnten auf diesen Bereich ausgedehnt und weitgehend abgeschlossen werden. Die ersten, vorläufigen Ergebnisse der Untersuchungen bestätigen die im Rahmen der Bauanalyse des ›versenkten Peristyls‹ der Domus Augustana erzielten Schlüsse zur Phasenabfolge (s. AA 2007/2, 151 Abb. 22). Auch auf der Hauptebene lässt sich nachweisen, dass dieser Palastteil nicht auf eine einheitliche Neuplanung unter Kaiser Domitian (81–96 n. Chr.) zurückgeht, wie dies allgemein angenommen wird. Baufugen, unterschiedliche Mauercharakteristika und zahlreiche in situ befindliche Ziegelstempel sind eindeutige Hinweise auf mehrere Umbauphasen. Im Bereich der Nahtstelle zwischen den Räumen um das ›versenkte Peristyl‹ und den Räumen, die sich zum Peristyl mit dem Wasserbecken in der Hauptebene (Abb. 8) orientieren, haben sich Mauern einer Vorgängerbebauung erhalten, die bereits verschiedentlich in neronische Zeit datiert wurden (Abb. 8, gelbe Phase). Die Ausrichtung dieser Mauern zeigt, dass sich auch der flavische Neubau nach dieser vorgegebenen Orientierung richtet (Abb. 8, orange Phase). Mit großer Wahrscheinlichkeit haben ausgedehnte Terrassierungsarbeiten der Vorgängerbebauung die Ausrichtung des flavischen Palastes maßgeblich bestimmt. Interessanterweise lässt sich die frühflavisch datierte Mauertechnik der Räume um das ›versenkte Peristyl‹ der unteren Ebene, die als Charakteristikum keine Bipedalesschichten aufweisen, im Hauptgeschoss nicht nachweisen (s. AA 2007/2, 151). Ob dies dafür spricht, dass mit den Räumen um das ›versenkte Peristyl‹ der unteren Ebene in frühflavischer Zeit (Mitte 1. Jh. n. Chr.) begonnen wurde und die Räume der Hauptebene zwar zur gleichen Planungsphase gehören, aber erst in der flavisch 2-Phase (letztes Viertel 1. Jh. n. Chr.) AA-2008/1 Beiheft Abb. 8 Rom (Italien), Palatin. Bauaufnahmeplan des Hauptgeschosses der Domus Augustana mit den vorläufigen Überlegungen zu den Bauphasen (Stand 3/2008); Gelb = frühe Kaiserzeit, orange = flavisch 2 (domitianisch?), grün = Anfang 2. Jh. n. Chr., hellblau = severisch (Ende 2./Anfang 3. Jh. n. Chr.), dunkelblau = Ende 3./Anfang 4. Jh. n. Chr. Die vorläufigen Bauphasen zeigen, dass das Hauptgeschoss der Domus Augustana nicht auf eine einheitliche flavische Bauphase zurückzuführen, sondern das Ergebnis zahlreicher Umbauten ist (M. 1 : 1000) 10 Jahresbericht 2007 des DAI Zentrale in Berlin 11 Abb. 9 Rom (Italien), Palatin. Blick über den Bereich zwischen der Vigna Barberini und den Räumen am Peristyl mit dem Wasserbecken, in das Ende des 3./Anfang des 4. Jhs. n. Chr. eine Insel mit einem tempelartigen Aufbau eingebaut wurde. Im Vordergrund die extrem stark dimensionierten opus caemeticium-Fundamente, in die Travertinblöcke als Fundamente für Säulen oder Pfeiler eingelassen waren AA-2008/1 Beiheft fertig gestellt wurden, oder es sich um eine Umbauphase der frühflavischen Anlage handelt, kann bisher nicht abschließend geklärt werden. In der vorläufig domitianisch datierten Phase scheint der gesamte Bereich um das Peristyl mit dem Wasserbecken erbaut worden zu sein (Abb. 8, orange Phase). Die in dem Wasserbecken befindliche Insel mit dem tempelartigen Aufbau ist in ihrem erhaltenen Zustand allerdings nach einem in situ befindlichen Ziegelstempel frühestens in diokletianischer Zeit (Ende 3. Jh. n. Chr.) entstanden (Abb. 9), sie wurde in einer späteren, eventuell in die Zeit des Maxentius zu datierenden Phase nochmals verbreitert. Ob diese Insel einen Vorgängerbau besaß oder das flavische Wasserbecken ohne Einbauten war, soll durch weitere Untersuchungen geklärt werden. Sicher ist, dass in der flavischen Phase der Peristylhof im Nordosten einen geraden Abschluss besaß und vermutlich auch das Wasserbecken in dieser Phase rechteckig war. Der gerundete nordöstliche Abschluss sowohl des Wasserbeckens als auch des Peristylhofes geht auf einen Umbau zurück, der in die 1. Hälfte des 2. Jhs. n. Chr. zu datieren ist (Abb. 8, grüne Phase). Baufugen deuten darauf hin, dass nicht alle Räume im Obergeschoss des ›versenkten Peristyls‹ zu dieser Bauphase gehören, sondern einige erst später errichtet wurden. Einem Ziegelstempel zufolge sind die beiden halbrunden Höfe im Südwestflügel frühestens in hadrianischer Zeit entstanden (Abb. 8, grüne Phase). Dies spricht für größere Umbaumaßnahmen in diesem Bereich. Diese dürften im Zusammenhang mit dem Neubau der Exedra zu sehen sein, die nach Ziegelstempeln nicht früher als am Anfang des 2. Jhs. n. Chr. entstanden sein kann. Ob zu diesen Umbaumaßnahmen auch der gesamte Nordostflügel dieses Bereiches gehört, der an die flavisch datierten Räume angesetzt ist, muss durch weitere Untersuchungen geklärt werden. Schwer interpretierbar sind die Reste im Bereich zwischen dem großen Peristylhof mit dem Wasserbecken und der Vigna Barberini auf der Hauptebene. Er wurde aufgrund seiner wenigen, nicht eindeutig zu rekonstruierenden Baureste von H. Finsen, der sich 1962 als erster intensiver mit diesem Bereich 12 Jahresbericht 2007 des DAI beschäftigt hat, als »no man’s land« bezeichnet (Abb. 8). Zu einer ersten Phase, die möglicherweise flavisch zu datieren ist, gehören die extrem stark dimensionierten opus caemeticium-Fundamente, deren Steinmaterial fast ausschließlich aus schwarzem Basalt besteht (Abb. 8, orange Phase). In die Fundamente eingelassen waren an der Nordwest- und der Südostseite heute ausgeraubte bzw. in einer Umbauphase entfernte Travertinblöcke, die als Fundamente für Säulen, Pfeiler oder Statuensockel gedient haben könnten. In den längsrechteckigen Hof der ersten Phase wurden nach zahlreichen Ziegelstempeln in der 1. Hälfte des 2. Jhs. n. Chr. Räume eingebaut, die in großen, halbrunden Apsiden enden (Abb. 8, grüne Phase), die in einer späteren Phase nochmals erneuert wurden. Die ersten Ergebnisse zur Bauuntersuchung des Hauptgeschosses der Domus Augustana, die in den geplanten Kampagnen im kommenden Jahr weiter verifiziert bzw. überprüft werden müssen, machen deutlich, dass auch die Hauptebene dieses Palastteils nicht einheitlich entstanden, sondern das Ergebnis zahlreicher Umbaumaßnahmen ist. Diese deuten darauf hin, dass bis zum Anfang des 2. Jhs. n. Chr. offensichtlich um die richtige Form und Ausprägung des Kaiserpalastes gerungen wurde – ein Ringen, das augenscheinlich auch großflächige Umbauten implizierte. Dieses Suchen nach der geeigneten Form umfasst ebenfalls die Außenwirkung und die stadträumliche Inszenierung. Dazu gehört die räumliche Verschränkung zwischen Palast und Circus Maximus in Form der monumentalen zweigeschossigen Exedra, die zu Anfang des 2. Jhs. n. Chr. dem flavischen Palast vorgeblendet wurde. Die Fortführung der Aufarbeitung der Bauphasen der ›Domus Severiana‹ hat auch hierfür neue, interessante Anhaltspunkte ergeben. Mit einem vor- Abb. 10 Rom (Italien), Palatin. ›Domus Severiana‹, hypothetische Rekonstruktion der Umbauphase im 2. Jh. n. Chr. Der flavische Palastbereich mit den Aussichtsräumen im Hauptgeschoss wurde in dieser Phase durch einen vorspringenden Gebäudeteil in Richtung Circus Maximus erweitert. Als vorläufige Arbeitshypothese werden Mauern im Bereich zwischen der ›Domus Severiana‹ und dem Gartenstadium als Reste einer Brücke gedeutet, über die der Palast direkt mit dem Pulvinar verbunden ist, einem zweigeschossigen Einbau im Circus, der dem Kaiser und seinem Hof vorbehalten war AA-2008/1 Beiheft Zentrale in Berlin 13 springenden Gebäudeteil wurde in einer Zwischenphase, die bisher nur sehr pauschal ins 2. Jh. n. Chr. datiert werden kann, dieser flavische Palastbereich so in Richtung Circus Maximus erweitert, dass eine engere räumliche Anbindung möglich war. Mauerreste im Westen der ›Domus Severiana‹ könnten dafür sprechen, dass es eine Brücke zwischen dem vorgelagerten Bereich vor dem Gartenstadium und dem Pulvinar im Circus Maximus gegeben hat. Über eine solche Verbindung wäre vom Palast aus der zweistöckige Einbau im Circus, der dem Kaiser und seinem Hof vorbehalten war, direkt zu erreichen gewesen (Abb. 10). Sollte sich die Arbeitshypothese bestätigen, dann wäre diese enge räumliche Verbindung im Zusammenhang mit der intensiven Rekonstruktions- und Umbautätigkeit im Circus Maximus unter Kaiser Trajan zu sehen. Dies würde ein neues Licht auf den Stellenwert des Circus in Verbindung mit der Außendarstellung der Kaiserpaläste sowie der Rolle des Circus innerhalb der kaiserlichen Propaganda ab dem 2. Jh. n. Chr. werfen. Diese Arbeitshypothesen werden im kommenden Jahr weiter überprüft sowie durch 3D-Rekonstruktionsmodelle räumlich kontrolliert. Die Bauaufnahme und die darauf aufbauende Bauanalyse sollen auf den Bereich der Domus Flavia ausgedehnt werden. Es soll geklärt werden, ob sich dieser Palastteil mit den großen Repräsentationsräumen auf eine einheitliche flavische Bauphase zurückführen lässt oder ob auch hier erst nach mehreren Umbauphasen die endgültige Form für die den Kaiserpalast so prägenden Repräsentationsräume gefunden wurde. Kooperationspartner: Lehrstuhl für Baugeschichte und Lehrstuhl für Vermessungskunde der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus; Seminar für Klassische Archäologie der Bayerischen Julius-Maximilians-Universität Würzburg (N. Sojc); Seminar für Alte Geschichte der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg (A. Winterling) • Förderung: Soprintendenza Archeologica di Roma; Fritz Thyssen Stiftung (Bauwerksinformationsmodell); Gerda Henkel Stiftung (Forschungsprojekt: »Palast und Stadt im severischen Rom«) • Leitung des Projekts: U.Wulf-Rheidt (Bauforschung) • Mitarbeiter: J. Denkinger, U. Kapp, A. Müller, J. Pflug • Abbildungsnachweis: DAI, Zentrale, Architekturreferat (Abb. 8); U. Wulf-Rheidt (Abb. 9); J. Denkinger auf der Grundlage eines 3D-Computermodells von A. Müller nach Angaben von U. Wulf-Rheidt (Abb. 10). Sarno-Ebene (Italien) Das im Vorjahr begonnene geoarchäologische Forschungsprojekt in der Ebene des Sarno in Kampanien konnte nach vorbereitenden Arbeiten für den Aufbau einer GIS-Datenbank und nach Abschluss weiterer Kooperationsabkommen mit Instituten und Partnern in Italien, Großbritannien und Deutschland im Herbst 2007 die ersten Felduntersuchungen unternehmen. Da das Gebiet der Sarno-Ebene (Abb. 11), die sich am Golf von Neapel südlich des landschaftlich dominierenden Vesuv-Massivs auf rund 200 km2 Fläche ausbreitet, allein von der Größe her, aber auch wegen der dichten modernen Besiedlung nicht flächendeckend geoarchäologisch erforscht werden kann, wurden zunächst geeignete Gebiete ausgewählt, in denen gezielte Pilotuntersuchungen durchgeführt werden können. Diese Gebiete schließen die landschaftliche Vielfalt des Sarno-Beckens ein, einerseits mit dem Flussambiente, der Schwemmebene und dem Küstenstreifen, andererseits mit Hügel- und Hangfussgeländen am Vesuv-Massiv und an den Rändern der Apenninkette (Abb. 12). Ziel der Untersuchungen ist es, mit Unterstützung einer interdisziplinär zusammengesetzten Arbeitsgruppe aus Geowissenschaftlern, Archäobotanikern, Dendrochronologen und Altertumswissenschaftlern zum einen die naAA-2008/1 Beiheft 14 Jahresbericht 2007 des DAI turräumlichen Gegebenheiten in der Sarno-Ebene für bestimmte prähistorische und historische Zeitabschnitte zu rekonstruieren und zum anderen den anthropogenen Einfluss auf die Landschaft und ihre Nutzung durch den Menschen unter ökologischen und wirtschaftlich-politischen Fragestellungen zu untersuchen. Die im Mittelpunkt stehenden siedlungsgeschichtlichen Fragen sollen vor allem Hinweise über die bisher unzureichend erforschte ländliche Besiedlung in Form von Gehöften (villae rusticae) und deren räumliche Strukturierung bringen, die erstmals in ihrer Gesamtheit und in ihrem Verhältnis zu den städtischen Siedlungen Pompeji, Nuceria Alfaterna und Stabiae in den Blick genommen werden. Der zeitliche Rahmen der Untersuchungen ist zunächst auf die letzte, samnitisch-römische Epoche der Siedlungsgeschichte vor dem vernichtenden Vesuvausbruch 79 n. Chr. fokussiert, umfasst aber grundsätzlich auch den Zeithorizont bis zu den spätbronze- und eisenzeitlichen Niederlassungen im Flussgebiet von Poggiomarino (ca. 1400–700 v. Chr.) und auf dem Siedlungshügel von Pompeji, um die siedlungsgeschichtliche Dynamik im Verlauf der räumlichen Erschließung der Sarno-Ebene verfolgen zu können. Diese Fragestellungen werden in thematisierten Teilprojekten von einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern behandelt, die bereits grundlegende Vorarbeiten zu folgenden Themen leisteten: zur territorialen Erschließung des Gebietes, zu Fragen der Wegenetze, der Wasserwege, der Landeinteilung, zur Verteilung und räumlichen Beziehungen der Siedlungen, zu den ökologischen Bedingungen, den natürlichen Ressourcen und ihrer Nutzung, den Gehöften und landwirtschaftlichen Fragen speziell unter bodenkundlichen Aspekten. Im Mittelpunkt der diesjährigen Feldarbeiten standen 15 Kernbohrungen, die auch als Testserie für spätere im größeren Rahmen geplante systematische Untersuchungen dienen. Aufgrund der mehrere Meter mächtigen Eruptionsund Sediment-Ablagerungen, die die antiken Kulturhorizonte in der Ebene größtenteils flächendeckend versiegeln, stellen Kernbohrungen die primäre Methode dar, um die antike Geomorphologie, landschaftliche Zustände und Kulturhorizonte in der Sarno-Ebene zu rekonstruieren. Darüber hinaus erlaubt die Abfolge von einschneidenden datierbaren Eruptionsereignissen und Kulturhorizonten unter Umständen deren chronologische Einordnung. Insbesondere ist die Eruption 79 n. Chr. immer eindeutig in der Stratigraphie der Bohrkerne zu identifizieren (vgl. Abb. 13). Für die Bohrungen wurden zwei Gebiete in der näheren Umgebung im Süden und Norden von Pompeji ausgewählt. Im Süden des Siedlungshügels breitet sich ein ebenes, rund 10 ha großes Gebiet aus, in dem das ehemalige Mündungsgebiet des im 19. Jh. in ein entferntes Kanalbett verlegten SarnoFlusses lag. Dieses Gebiet war im Osten durch den längs der antiken Küstenlinie verlaufenden Dünengürtel der Gemarkung Bottaro begrenzt und besaß im Westen in der Gemarkung S. Abbondio in einem erloschenen Vulkankegel Abb. 11 Sarno-Ebene (Italien), Panorama. Blick von Süden, die Lage Pompejis ist an der dunklen Vegetationsfläche am südöstlichen Hangfuß des Vesuvs zu erkennen AA-2008/1 Beiheft Zentrale in Berlin 15 Abb. 12 Sarno-Ebene (Italien), aus den Daten des Höhenmodells generierte geomorphologische Karte des Untersuchungsgebiets, in dem die Gebiete der verschiedenen Landschaftsformen gekennzeichnet sind. Die Punktwolke im Bereich Pompejis verdeutlicht die bisher gesammelten Bohrdaten (schwarz) und die in diesem Jahr neu durchgeführten Kernbohrungen (rot) AA-2008/1 Beiheft eine dem pompejanischen Lavamassiv vorgelagerte markante Erhebung, deren topographische Bedeutung schon in der Bronzezeit durch eine Nekropole und im 2. Jh. v. Chr. durch ein Dionysosheiligtum deutlich wird. In dem Gebiet sind zahlreiche römische Bauwerke festgestellt, die auf eine gemischte Nutzung des Suburbium von Pompeji durch villae rusticae, Luxusgebäude und Zweckbauten im Zusammenhang mit dem bei Bottaro vermuteten Hafen hinweisen. Heute ist das Gebiet weitgehend durch moderne Wohnsiedlungen und Gewerbeanlagen versiegelt und nur noch teilweise landwirtschaftlich genutzt, so dass sich die antike Topographie und Morphologie völlig der Vorstellung entziehen. Trotz der örtlichen Einschränkung konnten die Bohrungen in zwei sich kreuzenden Nord-Süd- und Ost-West-Transekten planmäßig angelegt werden. Sie decken einerseits den Bereich von der antiken südlichen Ausfallstraße Pompejis am Stabianer Tor bis zu dem römischen Baukomplex von Moregine und andererseits den Abschnitt von S. Abbondio bis Bottaro ab. Die teilweise bis in eine Tiefe von 18 m abgeteuften Bohrungen (12, 13; Abb. 14) im Bereich vor dem Stabianer Tor stießen auf den Lavasockel des Hügels von Pompeji, der durch marine Abrasion verursachte terrassenförmige Abstufungen aufweist, in denen sich pleistozäne Ablagerungen einer paralischen, d. h. abwechselnd marinen und fluvialen Umgebung gesammelt haben. Auf der oberen Terrasse liegt unmittelbar auf der Lava hingegen der Paläoboden des Jungpaläolithikums (Pedomarker A), getrennt von einer dünnen Schicht mit Bimssteinen des Vulkanausbruchs von Mercato (ca. 6000 v. Chr.), die auf eine lange Ruheperiode dieses Bereiches bis zum Ende des Neolithikums hinweist. Diese Vorgänge bezeugen im Pleistozän ein Vordringen des Meeres bis in den unmittelbaren Bereich des Lavasockels von Pompeji und abwechselnde Phasen, in denen der 16 Jahresbericht 2007 des DAI Paläo-Sarno oder sein Hochwasserbett hier tätig war. Am Ende des Neolithikums scheint sich die Flussterrasse des Sarno weiter meerwärts verlagert zu haben und wurde nur selten überschwemmt. Möglicherweise hängt diese Veränderung mit dem Wiederaufleben der vulkanischen Aktivität des Vesuvs in der Frühbronzezeit (sog. Ausbruch von Avellino, ca. 1800 v. Chr.) zusammen. Mit dem Eintreten des protohistorischen Eruptionszyklus am Beginn des 1. Jts. v. Chr. verschwindet der fluviale Terrassenrand, indem sich eine beachtliche Decke vulkanoklastischen Materials ablagerte, die typischerweise besonders mächtig an der Basis des Hügels von Pompeji ist. Den bisherigen Auswertungen zufolge scheinen die neuen Bohrungen die Hypothese zu stützen, dass ein in der nacheisenzeitlichen Periode (ab etwa 7./6. Jh. v. Chr.) bis auf etwa 60 m noch sehr nahe an das Siedlungsgebiet Pompejis heranreichender Flussarm des Sarno in der Phase kurz vor 79 n. Chr. plötzlich verschwand bzw. weiter seewärts verlagert wurde. Über die Ursachen dieses Phänomens ist ohne weitere Bohrungen momentan noch keine Klarheit zu gewinnen. Hier können bradyseismische Ereignisse im Zusammenhang mit dem großen Erdbeben 62 n. Chr. eine Rolle gespielt haben. Die Ergebnisse der Bohrungen (6, 8, 9) im südlichen Bereich des untersuchten Gebietes weisen auf eine abwechselnde Fluss-Sumpflandschaft hin, die für das Mündungsgebiet des Sarno charakteristisch gewesen zu sein scheint. Die mit den Bohrungen erzielten Ergebnisse haben letztlich auch Konsequenzen bei der Beurteilung von zentralen Fragen der antiken Topographie, zu 13 14 Sarno-Ebene (Italien) Abb. 13 Aufbewahrung des Bohrkerns Nr. 4 (Teil), das eruptive Material des Ausbruchs 79 n. Chr. (1,40–4,80 m) ist an der hellen Farbe der Lapilli gut zu erkennen, im Bereich 6,30–7,30 m eine mächtige dunkle Schicht eines prähistorischen Paläobodens Abb. 14 Stratigraphie des 15 m Länge messenden Bohrkerns Nr. 12 mit Erläuterungen der vier vulkanischen Hauptereignisse von ca. 6000 v. Chr. (Mercato-Eruption) bis 79 n. Chr. und der eingeschlossenen Kulturhorizonte AA-2008/1 Beiheft Zentrale in Berlin 17 der in erster Linie die Lokalisierung des Hafens von Pompeji, die damit zusammenhängenden Fragen der Schiffbarkeit des Sarno und der vorstädtischen Infrastruktur gehören. In einzelnen Bohrungen angetroffene römische und ältere Straßenhorizonte geben in diesem Zusammenhang wertvolle Hinweise auf die Verkehrserschließung im südlichen Suburbium Pompejis. Dazwischen weisen mächtige Paläoböden auf die landwirtschaftliche Nutzung größerer Flächen im Vorstadtgebiet, in dem auch vereinzelte villae rusticae nachgewiesen sind. Diesen Problemen soll in nächster Zeit im Rahmen der zuständigen Teilprojekte gezielt durch weitere geoarchäologische Untersuchungen in dem Gebiet nachgegangen werden. In den meisten der Bohrkerne wurden Paläoböden des Horizonts vor 79 n. Chr. zutage gefördert, von denen für die bodenkundliche Analyse insgesamt 35 Proben entnommen wurden (Abb. 13). Die Paläoböden befinden sich in einer Tiefe zwischen 5,50 m und 6,40 m unter Flur, sind zwischen 20 cm und 60 cm mächtig und überwiegend sehr dunkel grau gefärbt. Ziel der in einem Berliner Labor durchgeführten Analysen ist die physikalische und chemische Charakterisierung der Böden, um darauf aufbauend in einem nächsten Schritt Probleme der Bodengüte und landwirtschaftlichen Nutzbarkeit angehen zu können. Auf dieser Grundlage sollen neue Anhaltspunkte zu der Frage der landwirtschaftlichen Produktionspotentiale der römischen Gutshöfe gewonnen werden, die in einem archäologisch-naturwissenschaftlich ausgerichteten Teilprojekt großräumig untersucht werden. Kooperationspartner: Soprintendenza Archeologica di Pompei (P. Guzzo); Soprintendenza per i Beni Archeologici delle Province di Salerno, Avellino e Benevento (M. L. Nava, L. Rota); Autorità di Bacino del Sarno, Neapel (G. Cannata); Università Napoli Federico II, Dipartimento delle Scienze di Terra (G. Balassone); Landesamt für Bergbau, Geologie und Rohstoffe Brandenburg (W. Stackebrandt); Forschungsstelle »The role of culture in the early expansions of humans« der Heidelberger Akademie der Wissenschaften am Geographischen Institut der Eberhard-Karls-Universität Tübingen (M. Märker); Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät der Heinrich-Heine Universität Düsseldorf (W. Linder, V. Heck); Oxford University Museum of Natural History (M. Robinson) • Leitung des Projekts: F. Seiler • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: P. Kastenmeier (Koordination vor Ort), S.Vogel (Berlin), G. Di Maio (Scafati), G. Patricelli (Boscoreale) • Abbildungsnachweis: F. Seiler (Abb. 11. 13); S.Vogel (Abb. 12); G. Di Maio, Geomed (Abb. 14). Hamadab und Meroë (Sudan) Die in Meroë laufenden Untersuchungen zu dem außergewöhnlichen Gebäude der sog. Königlichen Bäder sind seit diesem Jahr Teil einer größeren Studie, mit der Siedlungsstrukturen und Lebensformen im Mittleren Niltal zwischen dem 5. und 6. Katarakt in der meroitischen Zeit des Reiches von Kusch (3. Jh. v. Chr. bis 4. Jh. n. Chr.) erforscht werden. Neben den Bädern in Meroë steht dabei insbesondere der nahegelegene Ort Hamadab im Mittelpunkt der Studie: Mit Hamadab lässt sich eine größere meroitische Stadt mit ihrer Infrastruktur und den Lebensverhältnissen vollständig erfassen, während Meroë als Residenzstadt des kuschitischen Königshauses komplementär dazu Einblicke in das Leben im königlichen Umfeld bietet. Das Besondere an Hamadab ist, dass sich nur wenige Zentimeter unter der heutigen Oberfläche Gebäudestrukturen aus Ziegelmauerwerk durch ältere Grabungen oder moderne Überbauung kaum gestört und insofern erstaunlich gut erhalten haben. Somit sind die vollständige Dokumentation der letzten Besiedlungsphase der Stadt in spätmeroitischer Zeit und die Erstellung eines AA-2008/1 Beiheft 18 Jahresbericht 2007 des DAI Abb. 15 Hamadab (Sudan), magnetische Prospektion des Nordhügels mit der ›Oberstadt‹. Die bisher freigelegten und dokumentierten Gebäudestrukturen sind darübergelegt (M. 1 : 1000) AA-2008/1 Beiheft Zentrale in Berlin 19 16 17 Hamadab (Sudan) Stadtplans möglich (Abb. 15): Bislang zeichnet sich ab, dass der nördliche Teil des Siedlungshügels mit einer Stadtmauer über nahezu quadratischem Grundriss von etwa 106 m × 106 m Achsmaß befestigt und als eine Art ›Oberstadt‹ zu verstehen ist. Innerhalb der Stadtmauer grenzen Wohn- und Wirtschaftsquartiere aus streng parzellierten, insulae-artigen Gebäudeblöcken mit kleinteiligen Raumstrukturen und einfacher Bauausführung direkt an einen Sakralbau an, auf den eine breite Straße zuläuft. Auch südlich außerhalb der ›Oberstadt‹ setzt sich die Stadtsiedlung bis zum Rand des Nordhügels fort. Darüber hinaus befinden sich an der Ost- und Westecke der Stadtmauer große Abfallhügel mit starken Eisenschlackeanteilen. Der Stadtplan von Hamadab wird durch die Kombination verschiedener Arbeitsmethoden erstellt: Vor der Ausgrabung erfolgt eine magnetische Prospektion (Abb. 16), die Anomalien ergeben erste Hinweise auf Baustrukturen (Abb. 15). Etwa 80 % des Nordhügels von Hamadab, eine Fläche von etwa 36 000 m2, sind inzwischen prospektiert – Hamadab ist damit der erste Grabungsort im Sudan, der vor seiner Freilegung annähernd vollständig durch geophysische Sondagen untersucht wurde. Gestützt auf die Auswertung dieses magnetischen Surveys werden im nächsten Schritt gezielt großflächige Oberflächensondagen durchgeführt (Abb. 17). Dabei trägt man lediglich 5–10 cm Bodenmaterial ab, bis die Oberseiten von Mauerzügen zutage kommen, die zeichnerisch und photographisch dokumentiert werden. Darüber hinaus gibt es schließlich Tiefensondagen, um sowohl die zeitliche Dimension der Siedlung als auch die Funktion der einzelnen Gebäude zu erfassen. In Meroë im Areal der ›Königlichen Bäder‹ erbrachten die Grabungen der Saison wesentliche Aufschlüsse zur Hydrotechnik im Zusammenhang mit dem großen zentralen Wasserbecken: In dem westlich des Beckens in Richtung Stadtmauer und Nil 2005 bereits geöffneten Schnitt kam ein überraschend intakter und aufwendig konstruierter Wasserkanal zutage (Abb. 18. 19). In Qualität und Massivität der Ausführung ist er bislang beispiellos für das kuschitische Reich: Die Schalung des Kanalbetts besteht aus zwei Lagen großer Sandsteinblöcke, auf denen eine Aufmauerung aus Brandziegeln mit unkonventionell ausgeführter Überwölbung lastet. Über dieses Gewölbe hinaus wurden die Seitenwangen um weitere 50 cm aufgemauert und darüber kam schließlich Abb. 16 Magnetische Prospektion Abb. 17 Oberflächensondagen AA-2008/1 Beiheft 20 Jahresbericht 2007 des DAI 19 Meroë (Sudan), Wasserkanal der sog. Königlichen Bäder Abb. 18 Ansicht des Kanals von Westen Abb. 19 Leitung aus ineinander gesteckten Tonröhren 18 noch eine Abdeckung aus Holzbalken, von denen sich allerdings lediglich Abdrücke im Lehmmörtel erhalten haben. Die gesamte Konstruktion hat eine Höhe von knapp 1,50 m, das lichte Maß des Kanals beträgt in der Breite etwa 0,40 m und in der Höhe 1 m; die Kanalsohle liegt etwa 3 m unterhalb der heutigen Oberfläche. Eine Wasserleitung aus ineinandergesteckten Tonröhren (Durchmesser 22 cm) ist im Kanalbett verlegt, das Gefälle weist Richtung Nil. Neben den Grabungen waren Konservierungsmaßnahmen im Areal der Bäder ein weiterer Schwerpunkt der Saison, dieses Mal an den Überresten der nahe des Wasserbeckens gelegenen Exedra (Abb. 20): Sie besteht aus vier im Viertelkreis angeordneten Sitzen, die von stilisierten Greifenfiguren aus Sandstein flankiert werden. Die Oberflächen waren mit Kalkputz überzogen und teilweise bemalt. Die Anlage sollte einstmals wohl prachtvoll gestaltete Throne in einem von Wasser umspielten Ambiente evozieren. Trotz eines Schutzbaus über dem antiken Bestand ist dieser aufgrund der Witterungseinflüsse stark gefährdet, konnte nun jedoch konsolidiert werden: Nach vollständiger Reinigung der Sitze von einer starken Schlammkruste wurden die Putzfragmente wieder mit dem Ziegelmauerwerk verbunden, außerdem die Farbfassungen sowie die Reste der Sandsteinskulpturen gefestigt. Eine für die gemeinsame Erforschung der Städte Meroë und Hamadab wesentliche Voraussetzung konnte außerdem geschaffen werden: Hamadab wurde an das für Meroë bereits vor zwei Jahren etablierte georeferenzierte Messnetz (in Bezug zum Weltkoordinatensystem UTM WGS-84, s. AA 2006/2, 134 f.) angebunden. Damit existiert ein einheitliches Messnetz für das Gesamtgebiet der beiden Städte, das sich über die Distanz von etwa 3 km entlang des Nils erstreckt. Abb. 20 Meroë (Sudan), Konservierung einer Sandsteinskulptur in der Exedra der sog. Königlichen Bäder AA-2008/1 Beiheft Zentrale in Berlin 21 Kooperationspartner: National Corporation for Antiquities and Museums, Khartoum; außerdem für das Teilprojekt Hamadab: Humboldt-Universität zu Berlin; Fachhochschule für Technik und Wirtschaft Berlin; Institut für Technologie und Umweltschutz e.V. Berlin (INTUS); Universität Shendi (Sudan) • Förderung: DFG (WO 1515/1-1, seit 11/2007); Kulturerhalt-Programm des Auswärtigen Amtes (Konservierung Exedra) • Leitung des Projekts: S. Wolf; Leitung des Teilprojekts Hamadab: P. Wolf • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: D. Baginska, M. Boesendörfer,T. Goldmann, C. Hof, U. Kapp, B. Nekiffer, U. Nowotnick, H.-U. Onasch, M. Schmitz, A. Schulz, F. Wöss • Abbildungsnachweis: P. Wolf, T. Goldmann (Abb. 15); P. Wolf (Abb. 16. 17); H.-U. Onasch (Abb. 18); S. Wolf (Abb. 19. 20). Milet (Türkei), Faustina-Thermen Seit dem Vorjahr führen die Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz und die Zentrale des DAI gemeinsam Forschungen in Milet durch, die sich dem Übergang von Kaiserzeit zu Spätantike im städtischen Kontext in Kleinasien widmen. Im Zentrum des Interesses steht der spätantike Umgang mit Statuen und öffentlichen Räumen in Milet, dem zuerst mit der Untersuchung der Faustina-Thermen und ihrer Ausstattung nachgegangen wird. In der diesjährigen Kampagne wurde der Thermenbau im Grundriss neu aufgenommen (Abb. 21). Im Zuge der Bauuntersuchung wurde die Anlage in den ersten Abschnitten gereinigt. Dabei konnten in Teilen die oberflächlich sichtbaren Reste der Wasserinstallationen erfasst werden. Gereinigt wurden auch Becken und Nischen, die als Aufstellungsplätze von Skulpturen dienten. Deutlich wurde nach der Reinigung die Wasserführung in die Becken und die enge Verbindung von Skulpturenaufstellung und Wasserspielen. So zeigte sich etwa im Apodyterium/Tepidarium (Raum 6) die Aufstellungssituation der bereits im Jahresbericht 2006 (s. AA 2007/2, 157 Abb. 30) erwähnten Dionysos-Satyr-Gruppe, die sich im Berliner Pergamonmuseum befindet und für deren Postament eine senkrecht zur Skulptur hinaufgeführte Wasserleitung rekonstruiert werden konnte (Abb. 21). Mit Blick auf die Fassung des Beckenrandes zum Raum hin wurde anhand der Anbindung an die seitlichen Apsiden und deren früher angebrachte Wandverkleidung deutlich, dass Becken und Skulpturenaufstellung darin frühestens mit einer dritten Nutzungsphase des Raumes zu belegen sind. In dem benachbarten kleinen Übergangsraum (Raum 5) zum großen Caldarium (Raum 9) wurde die Führung der Wasserlei- Abb. 21 Milet (Türkei), Faustina-Thermen. Die Dokumentation und Untersuchung der sonstigen Ausstattungselemente der Thermenanlage wie Böden, Wandverkleidung und Baudekor erlauben eine differenziertere Beurteilung der Veränderungen in den Arrangements. In den zentralen Kaltbaderäumen der Anlage, Frigidarium (4), Übergangsraum (5), Apodyterium/Tepidarium (6), Caldarium (9), Ambulacrum (1), konnten dabei bis zu vier Umbauphasen identifiziert werden. Die Farben von blau, grün über gelb bis rot geben die relative Reihenfolge zum angrenzenden Bauteil an AA-2008/1 Beiheft 22 Jahresbericht 2007 des DAI tung sichtbar, die in einem hochgelegenen Auslass in der Mitte der Beckenapsis endet. Demnach ist auch hier an eine mit fließendem Wasser verbundene Aufstellung von Skulpturen zu denken. Das Studium der Skulpturen und Basen wurde fortgeführt. Dabei ergaben sich neuerliche Hinweise auf eine langfristige Nutzung. Die Statue des wasserspeienden Löwen, die sekundär in das Frigidarium (Raum 4) verbracht worden sein muss, wurde offenbar in der Spätantike mit einem Kreuzeszeichen auf dem Rücken versehen (Abb. 22). Im Verlauf der Bauuntersuchung wurden auch lose Bauglieder, Inschriften und Graffiti, Statuenbasen und Ritzzeichnungen systematisch erfasst. Interessant ist die Ritzung einer Frauenbüste auf der Schwelle zwischen dem Ambulacrum (Raum 1) und dem Apodyterium/Tepidarium (Raum 6). Die bereits in der Erstpublikation, allerdings nur unzureichend, abgebildete Zeichnung kann aufgrund der Frisur in severische Zeit (Ende 2. Jh. n. Chr.) datiert und mithin wohl mit der ersten Nutzungsphase in Verbindung gebracht werden. Deutlich später ist eine zweite, größere Ritzzeichnung, die auf einem mittelgroßen Steinblock in einer der seitlichen Kammern des Ambulacrums registriert wurde. Zu sehen ist auf dem Quader, der vermutlich zum gleichen Durchgang wie die erste Ritzzeichnung gehört, die Darstellung eines Mannes mit Umhang, der mit einem noch nicht gedeuteten Werkzeug zum Schlag oder Fang ausholt. Im Verlauf der Reinigungsarbeiten kamen an mehreren Stellen Steinablagen zum Vorschein, die von der Altgrabung zu Beginn des 20. Jhs. dort zusammengetragen und mit Erde bedeckt worden sein müssen. Unter den so überraschend entdeckten Blöcken befanden sich dekorierte Bauglieder verschiedenster Funktion und Gestalt, unzählige Fragmente von Marmorplatten und Profilleisten, die mit den Wandverkleidungen in Verbindung gebracht werden können (Abb. 23). Die Zuordnung der übrigen Bauglieder und Dekorelemente zum Thermenbau ist noch nicht zu klären. Für das kommende Jahr ist mit einer größeren Sondage in den beiden bislang noch nicht ergrabenen Räumen im Südwesten der Anlage der Beginn der archäologischen Grabung am Thermenbau geplant. Die erforderlichen Vorbereitungen hierfür wurden ebenfalls in der diesjährigen Kampagne geleistet. Kooperationspartner: Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz (A. Scholl, M. Maischberger) • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: O. Dally • Mitarbeiter: P. Schneider (Bauforschung) • Abbildungsnachweis: P. Schneider (Abb. 21. 23); O. Dally (Abb. 22). Didyma (Türkei), Archaischer Apollontempel Das Apollonheiligtum in Didyma hatte bereits in der 1. Hälfte des 6. Jhs. als Orakelstätte überregionale Bedeutung, wie die Weihungen des Pharao Necho und des Lyderkönigs Kroisos in das Heiligtum (Herodot 2, 159; 1, 92) verdeutlichen. Bald nach der Mitte des 6. Jhs. v. Chr. ersetzte man den spätgeometrisch/ früharchaischen Bau, den ›Sekos I‹, und errichtete den monumentalen archaischen Apollontempel (›Tempel II‹) – eines der bemerkenswertesten Bauwerke des 6. Jhs. im kleinasiatischen Ionien. Neben den Fundamenten der Hofmauer, der ›Adytonmauer‹, die bereits in der sog. Alten Grabung unter T. Wiegand und H. Knackfuß am Beginn des 20. Jhs. im Hof des hellenistischen Nachfolgers freigelegt werden konnten, sind von dessen Architektur und bedeutender Bauskulptur zahlreiche Fragmente in der Alten Grabung zutage gekommen, von denen die prominenteren Stücke heute in den Magazinen des Pergamonmuseums aufbewahrt bzw. in der Ausstellung gezeigt werden. Der aus Marmor und Kalkstein/Mergel errichtete Tempel, der in den Perserkriegen nach der Niederschlagung des sog. Ionischen Aufstandes in Milet 494 v. Chr., wie die jüngsten Untersuchungen zeigen, beschädigt und nicht, wie Herodot Abb. 22 Milet (Türkei), Faustina-Thermen. Statue eines wasserspeienden Löwen aus dem Frigidarium mit Kreuzeszeichen auf dem Rücken Abb. 23 Milet (Türkei), Faustina-Thermen. Ambulacrum, Kammer 7 Ost mit Steinablage der Erstgrabung vom Beginn des 20. Jhs. AA-2008/1 Beiheft Zentrale in Berlin 23 Didyma (Türkei) Abb. 24 Werkhof des Grabungshauses, Architects at Work 2007 Abb. 25 a. b Archaischer Apollontempel, Zeichnung eines in der ›Alten Grabung‹ zutage gekommenen facettierten Torus aus Mergel, der als Basis einer der ›Porossäulen‹ des archaischen Tempels diente Abb. 26 Grabungshaus, ein Regal der neuen Schausammlung im Lapidarium mit Baugliedern des archaischen Tempels (Quader-, Kyma-, Torus- und Spirafragmente aus Marmor, Kalkstein und Mergel) überliefert, zerstört wurde (Herodot 6, 19), war erst beim Neubau des heute sichtbaren hellenistischen Tempels im späten 4. oder frühen 3. Jh. v. Chr. systematisch zerschlagen und zu großen Teilen in dessen rasterförmigen Fundamenten verbaut bzw. verfüllt worden. Zwar wurden die in der Alten Grabung gewonnenen Ergebnisse bezüglich des archaischen Tempels im Rahmen der aufwendigen dreibändigen Publikation des hellenistischen Tempels 1941 von H. Knackfuß kurz dargelegt und dann 1964 auf der Grundlage der wenigen bekannten marmornen Architekturfragmente von G. Gruben in einem umfangreichen Aufsatz um Grund- und Aufriss sowie Detail-Rekonstruktionen ergänzt, doch hat diese für den frühen ionischen Tempelbau so wichtige Architektur bis heute keine angemessene Publikation auf der Grundlage einer möglichst vollständigen Materialaufnahme erfahren. Seit 2003 werden die bei den Grabungen im 20. Jh. entdeckten und durch die Grabungen der letzten Jahre im Tempelareal (vor allem durch Sondagen in den Fundamenten des hellenistischen Tempels) stetig zahlreicher werdenden Bauglieder – deren Anzahl mittlerweile auf mehr als ca. 550 Architekturfragmente angewachsen ist – in alljährlichen sechswöchigen Aufarbeitungskampagnen systematisch untersucht. Mittlerweile konnten rund 330 Säulentrommelfragmente aus Mergel und Kalkstein sowie 40 aus Marmor, 50 Bruchstücke ionischer Kymata, 40 Fragmente von Säulenbasen aus Marmor und Mergel, 90 Quaderfragmente aus Mergel und Kalkstein sowie aus Marmor identifi- 25 a. b 24 26 AA-2008/1 Beiheft ziert und dem Tempel zugewiesen werden. Für die katalogmäßige Erfassung wurden sie von der Projektleiterin eingehend untersucht und vermessen, ihre Form, ihr Material, ihre Werkspuren, ggf. Farbreste etc. detailliert beschrieben. Darüber hinaus wurden von ihr und jeweils einem Team von Studenten und Architekten in den alljährlichen Aufarbeitungskampagnen bislang ca. 130 Bauglieder – eine Auswahl signifikanter, für die Rekonstruktion und typologische Einordnung etc. besonders wichtiger Architekturfragmente – zeichnerisch aufgenommen. Begleitend führte 2004 P. Schneider mit Architekturstudenten an den archaischen Fundamenten eine Bauaufnahme durch, die 2005 durch Sondagen von A. Furtwängler im Adyton des Tempels ergänzt wurde; die Dokumentation der architektonischen Reste führte die Projektleiterin stellvertretend mit Architekturstudenten durch. Des Weiteren begann sie 2005 in den Magazinen des Pergamonmuseums die zeichnerische Aufnahme der Bauskulptur, der sog. columnae caelatae-Fragmente. In den Kampagnen 2006 und 2007 konnte jeweils mit einem fünf- bis sechsköpfigen Zeichenteam von Architektur- und Archäologiestudenten/Architekten (Abb. 24) die zeichnerische Aufnahme intensiv fortgesetzt werden (Abb. 25). Mit der systematischen Erfassung der dem archaischen Tempel zuweisbaren Bauglieder wurde auch eine Neuordnung der Steinmagazine in Angriff genommen und im Lapidarium des Grabungshauses in Didyma eine Art Schausammlung zu den Baugliedern des Tempels II eingerichtet (Abb. 26). 24 Jahresbericht 2007 des DAI 27 a. b Da bei den Ausgrabungen im Vorjahr in einer Sondage im Fundament des hellenistischen Tempels ein sehr ungewöhnlicher Neufund zutage kam, galt dessen detaillierter photographischer und insbesondere zeichnerischer Dokumentation durch die Projektleiterin ein besonderes Augenmerk. Es handelt sich um ein Fragment einer im Flachrelief ausgeführten Darstellung eines Mannes (Abb. 27; vgl. AA 2007/2, 263 Abb. 11), dessen Kopf im Profil sowie Oberkörper und Arme in Dreiviertelansicht zu großen Teilen erhalten sind; seine Haltung mit vorgestreckten Armen sowie die Zügel in seiner rechten Faust weisen ihn als Wagenlenker aus. Stilistisch steht das Fragment aus Mergel dem bekannten, heute im Pergamonmuseum in Berlin aufbewahrten ›Wagenlenkerfries‹ aus dem benachbarten Myus auffallend nahe und datiert wohl ebenfalls etwa in die Mitte des 6. Jhs. Ungewöhnlich ist allerdings, dass es sich nicht um ein Wandoder Gebälkfriesfragment handelt, sondern um ein reliefiertes Säulentrommelfragment, eine sog. columna caelata. Abmessungen, Material, Werktechnik und Zeitstellung sprechen für eine Zuweisung zu den Kalkstein-/Mergelsäulen des archaischen Tempels, zu deren Halsschmuck auch die beiden bereits in der Alten Grabung entdeckten Säulentrommeln aus Kalkstein sowie Mergel mit Schiffsdarstellungen im Relief ursprünglich offenbar gehörten – anders als die bekannten marmornen columnae caelatae-Fragmente des Tempels, die zum Fuß der Säule gehörten. Kooperationspartner: Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (A. Furtwängler, Grabungsleitung); Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz (V. Kästner); Lehrstuhl für Baugeschichte und Bauforschung der Technischen Universität München (A. Ohnesorg) • Leitung des Projekts: U. Dirschedl • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: F. Aydın (Mimar Sinan Universität Istanbul), C. von Bargen (Technische Universität Berlin), D. Cybulska (Technische Universität Berlin), F. Hanke (Fachhochschule Erfurt), J. Hanke (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg), N. Şen (Hochbauamt Stuttgart) • Abbildungsnachweis: J. Hanke (Abb. 24); Zeichnung, F. Aydın (Abb. 25); J. Hanke (Abb. 26); Zeichnung, U. Dirschedl (Abb. 27). Abb. 27 a. b Didyma (Türkei), archaischer Apollontempel. Zeichnung eines reliefierten Säulentrommelfragments aus Mergel mit Darstellung eines Wagenlenkers – Neufund einer sog. columna caelata Die hellenistischen Stadtmauern von Pergamon (Türkei) Die diesjährigen Arbeiten konzentrierten sich auf den Mauerring der ›Eumenischen‹ Stadterweiterung, der neben der ›Philetairischen‹ Stadtmauer und bestimmten Abschnitten der Akropolisummauerung zu den Stadtmauern hellenistischer Zeit in Pergamon gezählt wird. Nachdem im Vorjahr in einer ersten Kampagne ein Lageplan (Abb. 28) der gesamten Stadtmauern fertig gestellt worden war, wurden nun detaillierte Untersuchungen in Form von verformungsgetreuen Bauaufnahmen, Beschreibungen und Photographien fortgesetzt. Bei AA-2008/1 Beiheft Zentrale in Berlin 25 Abb. 28 Die hellenistischen Stadtmauern von Pergamon (Türkei), Lageplan mit Angabe aller vor Ort und in alten Plänen verifizierbarer Abschnitte der hellenistischen Stadtmauern sowie deren Tore und Pforten (M. 1 : 10 000) AA-2008/1 Beiheft diesen Untersuchungen wird der gesamte Mauerring beschreibend und photographisch dokumentiert. Einzelne, aussagekräftige Abschnitte werden darüber hinaus zeichnerisch aufgenommen: so z. B. die Reste von zwei Öffnungen oberhalb des ›Oberen Nordwesttores‹, wobei von der nördlichen lediglich ein monumentaler Rinnstein vorhanden ist, wie man ihn auch noch an anderen Stellen der Mauer finden kann (Abb. 29). Einen besonderen Fund stellen die Reste eines vorher nicht bekannten Turmes dar, der zwischen dem sog. Oberen (Abb. 30) und Unteren Nordwesttor aufgedeckt werden konnte. Bei der Aufnahme des Lageplans hatten sich an dieser Stelle Anomalien gezeigt, die eine Reinigung des Bereiches sinnvoll erscheinen ließen. Obwohl der Grund- 26 Jahresbericht 2007 des DAI riss nicht vollständig erhalten ist, zeigt sich in der Bauaufnahme deutlich, dass der Turm eine andere Form als die bisher bekannten Türme hat. Er ist rechteckig angelegt und steht im Grundriss auf beiden Seiten über die Mauer vor, so dass er sich auch auf der stadtseitigen Maueransicht abzeichnet (Abb. 31). Alle anderen bekannten Türme sind dagegen eher quadratisch und liegen landseitig vor der Mauer. Mit der Aufdeckung des Turmes wird ferner deutlich, dass man insgesamt sicher mit weiteren als den bisher bekannten Türmen zu rechnen hat, so dass die von früheren Bearbeitern als überdehnt und nicht flankierbar bezeichneten Kurtinen wahrscheinlich besser geschützt waren als angenommen. Da die Stadtmauern bereits zu Ende des 19. bzw. Anfang des 20. Jhs. ausgegraben und untersucht worden sind, ist neben der Feldforschungsarbeit die Auswertung der alten Grabungsunterlagen, die in den Archiven des DAI in Berlin und Istanbul sowie im Archiv des Pergamonmuseums liegen, ein wichtiger Arbeitsschritt; dieser ist von besonderem Interesse, da bestimmte Abschnit- Abb. 29 Die hellenistischen Stadtmauern von Pergamon (Türkei), monumentaler Rinnstein oberhalb des ›Oberen Nordwesttores‹ Die hellenistischen Stadtmauern von Pergamon (Türkei) Abb. 30 ›Oberes Nordwesttor‹ Abb. 31 Grundriss des Turmes zwischen dem sog. Oberen und Unteren Nordwesttor (M. 1 : 200) AA-2008/1 Beiheft Zentrale in Berlin 27 te der Mauer aufgrund von Steinraub und durch den Bau der Asphaltstraße auf den Burgberg oder durch die Straße zum Staudamm nicht mehr erhalten sind. So fanden sich z. B. Hinweise auf den hellenistischen Abschluß der Akropolisnordseite und auf ein Tor im Nordosten der Stadt, das für deren Erschließung besondere Bedeutung gehabt haben muss, da man sich mit diesem Tor den beschwerlichen Weg zur Akropolis durch die Stadt ersparen konnte. Dieses Tor vor Ort zu verifizieren, wird in der nächsten Kampagne einen der Arbeitsschwerpunkte bilden. Zur Verknüpfung der Ergebnisse der Archivarbeit und der Feldforschungen wurde eine Datenbank angelegt; Grundlage hierfür ist der 2006 neu aufgenommene Lageplan (Abb. 28), in dem jeder Mauerabschnitt mit einer Befundnummer versehen ist, über welche in der Datenbank alle alten Zeichnungen, historischen Photographien, Tagebucheinträge der ersten Ausgräber oder publizierte Bemerkungen dem jeweiligen Abschnitt zugeordnet und zusammen mit den neuen Aufnahmen und Beschreibungen ausgewertet werden können. Für das kommende Jahr ist geplant, die Arbeiten an der sog. Eumenischen Stadtmauer abzuschließen und mit der Ummauerung der Akropolis sowie der ›Philetairischen‹ Stadtmauer fortzufahren. Leitung des Projekts: J. Haberkorn (Bauforschung; Teilprojekt »Hellenistische Stadtmauern« ), F. Pirson (DAI, Abteilung Istanbul, Leiter der Pergamongrabung) • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: M. Baur (Bauforschung,Technische Universität Darmstadt), M. Muhler, C. Steiner (Geodätisches Institut der Technischen Universität Karlsruhe) • Abbildungsnachweis: J. Haberkorn auf Grundlage der Topographischen Karte von K. Nohlen und B. Schlüter von 1973 (Abb. 28); D-DAI-IST-PE07 Architektur 4191, J. Haberkorn (Abb. 29); Archiv der Pergamongrabung, E. Lissel (Abb. 30); Bauaufnahme M. Baur, Zeichnung J. Haberkorn (Abb. 31). Selinus (Türkei) An der türkischen Südküste liegt etwa 50 km östlich von Alanya die antike Stadtanlage Selinus. Seit 2005 widmet sich das Projekt der Untersuchung eines Gebäudekomplexes, des sog. Şekerhane Köşkü. Die Anlage besteht aus einem etwa 5 m hoch anstehenden Zentralbau, der in einer von umlaufenden Portiken umgebenen, 84 m × 84 m messenden Hofanlage liegt. Der Şekerhane Köşkü wurde im 13. Jh. n. Chr. von den Seldschuken zu einer Jagd- und Gartenanlage umgebaut, stammt ursprünglich aber aus der römischen Kaiserzeit. Dies wird durch erhaltene Bauteile im Zentralbau und den Säulenhallen sowie durch Fragmente der Bauornamentik und der vermutlich zugehörigen reichen Bauskulptur in Form von flach reliefierten Figurenfriesen belegt. Der in seiner Umgebung im westlichen ›Rauen Kilikien‹ durch Größe, Form, Ausstattung, Materialität und Ausführungsqualität herausragende Baukomplex wurde möglicherweise als Kenotaph für Kaiser Trajan errichtet, der – wie von Cassius Dio überliefert – im August des Jahres 117 n. Chr. in Selinus verstarb. Neben der Dokumentation des Şekerhane Köşkü und der Aufschlüsselung seiner einzelnen Bauphasen ist das Ziel des Forschungsprojekts die Klärung seiner Zweckbestimmung zur Erbauungszeit sowie gegebenenfalls seiner städtebaulichen Einordnung. Während der diesjährigen Kampagne konnte die bauforscherische Dokumentation zum Abschluss gebracht werden. Vom ehemals zweigeschossigen Zentralbau, der aus dem heute noch erhaltenen hohen Podium und einem tempelartigen, in Marmor ausgeführten Aufbau mit Vorhalle und Cella bestand, liegen nun Grundrisse, Schnitte und Ansichten im M. 1 : 20 vor.Von den Säulenreihen der Portiken gibt es keine obertägig erhaltenen Überreste. Ihre das AA-2008/1 Beiheft 28 Jahresbericht 2007 des DAI 33 Selinus (Türkei), Şekerhane Köşkü Abb. 32 Bauaufnahme des Grundrisses des Zentralbaus in der Ebene des Podiums mit den auskragenden kaiserzeitlichen Fundamenten im Außenbereich, Aufnahmemaßstab 1 : 20 (M. 1 : 250) Abb. 33 Eckausbildung zwischen südwestlicher und südöstlicher Säulenhalle 32 Temenos begrenzenden Rückwände sind jedoch zum großen Teil noch im Gelände sichtbar bzw. unter einer neuzeitlichen Aufmauerung auszumachen. Die Bauaufnahme erfolgte hier im M. 1 : 50. Ferner konnten einige Sondagen durchgeführt werden, die zur Klärung baulicher Zusammenhänge beitrugen und vertiefende Kenntnisse zur Bauanlage erbrachten. Die Sondagen vor der Eingangsfassade des zentralen Baukörpers zeigten, dass die römische Fundamentplatte, die an den Gebäudelängsseiten deutlich vor die seldschukische Ummantelung des kaiserzeitlichen Kerns ragt, an der nordöstlichen Ecke in einem breiten Streifen einige Meter vor die Gebäudefront fortgeführt ist (Abb. 32). An der nordwestlichen Ecke ist der Ansatz dieses Streifens ebenfalls zu sehen. Hier wurde er allerdings in einer späteren Nutzungsphase abgearbeitet. Der Befund deutet darauf hin, dass am kaiserzeitlichen Ursprungsbau möglicherweise eine breite Freitreppe, deren Last über diese Fundamentstreifen abgetragen worden wäre, vom Hofniveau aus in die mit vier Frontsäulen ausgestattete Vorhalle des Gebäudes führte. Durch eine Sondage im südlichen Bereich des Temenos konnten die Eckausbildung zwischen südwestlicher und südöstlicher Säulenhalle sowie der Übergang vom Hof in die Hallen gefasst werden (Abb. 33). Demnach vermittelten drei Stufen zwischen Hof und Hallen. Die untere besteht aus Kalksteinblöcken, die mit einer der Entwässerung dienenden tiefen Rinne ausgestattet sind. Die Plinthen der Säulen sind direkt aus dem oberen Stufenblock, dem Stylobat, herausgearbeitet. An der freigelegten Rückwand der Säulenhalle befanden sich noch zahlreiche Fragmente der Marmorinkrustation und ihrer Befestigung in situ. AA-2008/1 Beiheft Zentrale in Berlin 29 Abb. 34 Außenansicht des in die Anlage führenden Eingangstores mit Schwelle und flankierenden Postamenten Abb. 35 Selinus (Türkei), Şekerhane Köşkü. Aus den Portiken stammende Fragmente einer profilierten Leiste aus farbigem Marmor AA-2008/1 Beiheft Eine weitere Sondage an der Rückwand der nordöstlichen Säulenhalle brachte die Überreste des in das Temenos führenden Eingangstores zutage (Abb. 34). Die Schwelle des nur etwa 2,60 m breiten Durchgangs besteht ebenfalls aus Kalkstein. Sie bildet zwei Stufen aus und wird an der Wandaußenseite von zwei mit halbierten Spiegeln geschmückten Postamenten flankiert, die Dreiviertelsäulen trugen. Entlang der gesamten Außenwand der Eingangsseite verläuft ein breiter befestigter Bereich, dessen Vorderkante aufgrund der Beackerung des Geländes jedoch stark zerstört ist. Im Zusammenspiel mit einer einige Meter entfernt liegenden parallel verlaufenden Mauer, die eventuell als Staumauer gegen den Fluss oder Hafen gesetzt war, ergibt sich eine der Bauanlage des Şekerhane Köşkü vorgelagerte Terrasse bzw. eine Art Vorplatz. Die Sondagen erbrachten zusätzlich zahlreiche Bauteilfunde, bei denen es sich hauptsächlich um Ausstattungsstücke aus den Portiken handelt (Abb. 35). Im Museum Alanya schließlich wurde die Katalogisierung der zum Şekerhane Köşkü gehörenden Architekturfragmente abgeschlossen. Einige für die Rekonstruktion des kaiserzeitlichen Gebäudes aussagekräftige Stücke wurden detailliert gezeichnet. Trotz der meist geringen Größe und des schlechten Erhaltungszustandes der Architekturteile konnten wichtige Erkenntnisse zur ursprünglichen Gestalt der antiken Bauanlage gewonnen werden. Neben der wissenschaftlichen Arbeit haben die Projektmitarbeiter in beratender Funktion auch zu Schutz und Erhalt des Şekerhane Köşkü beigetragen. Vor allem das offen liegende antike Treppenhaus wird stark durch Niederschläge und uneingeschränkten Zugang gefährdet. Ein temporäres, reversibel aufgebrachtes Dach sowie eine Gittertür schützen diesen Bereich nun bis zur Umsetzung eines langfristigen Schutz- und Präsentationskonzepts, bei dessen Erarbeitung ebenfalls mitgewirkt wird. 30 Jahresbericht 2007 des DAI Kooperationspartner: Museum Alanya (S.Türkmen); DAI, Abteilung Istanbul • Leitung des Projekts: A. Hoffmann, C. Winterstein • Mitarbeiter: N. Koch, J. von Geymüller • Abbildungsnachweis: DAI, Zentrale, Architekturreferat (Abb. 32); C. Winterstein (Abb. 33–35). Romuliana-Gamzigrad (Serbien) Die im Rahmen eines serbisch-deutschen Kooperationsprojekts zur Erforschung des spätantiken Kaiserpalastes Felix Romuliana bei Gamzigrad in Ostserbien durchgeführte bauforscherische Dokumentation konnte mit der diesjährigen Kampagne abgeschlossen werden (zu den von der Römisch-Germanischen Kommission des DAI durchgeführten archäologischen Arbeiten s. auch hier S. 117 f.). Der gut erhaltene Eckturm im Südwesten der zweiten Umfassungsmauer wurde in einem Grundriss- und einem Schnittplan im M. 1 : 50 dokumentiert. Der im Vorjahr begonnene Schnitt durch den Palast 1 wurde bis zur westlichen Umfassungsmauer weitergeführt, so dass auch der noch hoch anstehende viereckige Turm der ersten Ummauerung als Ansicht dokumentiert ist. Zusammen mit den bereits 2005 angefertigten Bauaufnahmen des Ostund des Westtores existiert nun von allen vorkommenden Turmformen beider Umfassungsmauern exemplarisch eine detaillierte Dokumentation. Vom großen Tempel wurden zwei Schnitte im M. 1 : 100 erstellt. Der AutoCAD-Plan der Gesamtanlage, der neben den Umfassungsmauern und den Innenbauten auch die Umgebung des Palastes mit den Sondagen und die Grabanlagen auf dem ca. 1000 m östlich des Palastes gelegenen Hügel Magura umfasst, konnte ebenfalls fertig gestellt werden (Abb. 36). Darauf aufbauend wurde ein generalisiertes 3D-CAD-Modell angefertigt, das den Baubestand umfasst und die Grundlage für dreidimensionale Rekonstruktionsüberlegungen der einzelnen Bauphasen bildet (Abb. 37). Der AutoCAD-Plan dient gleichzeitig als Grundlage für ein GIS, in das neben der topographischen Karte und den Informationen zum Messnetz alle georeferenzierten Bauaufnahme- und Sondagepläne sowie die Pläne der Geoprospektion integriert wurden (Abb. 36). Die bisher nur außerhalb der Palastanlage durchgeführte Geoprospektion konnte auf die noch nicht ausgegrabenen Bereiche im Inneren des Palastes ausgedehnt werden. Besonders die Geomagnetik brachte wichtige Hinweise Abb. 36 Romuliana-Gamzigrad (Serbien), der spätantike Kaiserpalast. Palast und Umfeld, AutoCAD-Plan auf der Grundlage der topographischen Neuvermessung und der Bauaufnahmepläne. Grau unterlegt sind die Ergebnisse der geomagnetischen Vermessung (M. 1 : 10 000) AA-2008/1 Beiheft Zentrale in Berlin 31 für die Rekonstruktion der gesamten Palastanlage. Sie erlauben auch ohne Grabung schon weitreichende Aussagen zur Gestalt der Palastanlage in ihrer Hauptausbauphase, die zusammen mit dem fest datierten Bau der zweiten Mauerphase in das 1. Jahrzehnt des 4. Jhs. n. Chr. zu setzen ist. So kann durch das Messbild nachgewiesen werden, dass der große Tempel in einem Temenos lag, das an der Süd- und an der Nordseite von Portiken eingefasst wurde (Abb. 38). Ebenso zeigt sich deutlich, dass sich vom Osttor, dem antiken Hauptzugang, aus ein Platz bis zum Eingang zum Palast 1 trapezförmig aufweitet, der im Norden von einer möglicherweise zweireihigen Portikus begleitet wird. Damit lösen sich gleich mehrere Fragen: Es wurde schon öfters gerätselt, warum die Fortsetzung der Straße, die durch das Osttor führte, im Palastinneren nicht zu finden ist. Nach den Ergebnissen der Geoprospektion gab es keine Straßen zwischen den beiden Toren, sondern der antike Palastbesucher wurde nach dem Betreten durch das Osttor auf einen sich aufweitenden Platz geführt. Gerahmt durch die Portiken wurde so der Blick in der Ferne auf den Zugang zu den Abb. 37 Romuliana-Gamzigrad (Serbien), der spätantike Kaiserpalast. Palastareal, Ausschnitt aus dem 3D-Bestandsmodell. Im Bereich des Palastes 1 wurde das Bestandsmodell mit dem vorläufigen, stark vereinfachten Rekonstruktionsmodell überlagert AA-2008/1 Beiheft Haupträumen des Palastes gelenkt. Hierin ergibt sich eine auffallende Parallele zur Palastanlage in Split, die sich Kaiser Diokletian als Alterssitz nach seiner Abdankung am 1. Mai 305 n. Chr. erbauen ließ. Auch hier ist dem eigentlichen Residenzbereich mit dem monumentalen Eingang ein fünf Stufen tiefer liegender, platzähnlicher Bereich vorgelagert (Abb. 38 b). Als Vorbild für diese den Hauptzugängen vorgelagerten Plätze könnte der Kaiserpalast auf dem Palatin gedient haben (Abb. 38 a).Vor den Repräsentationsräumen gab es auch hier eine erhöhte Portikus, die sich zu einem vorgelagerten Platz hin öffnete. Es ist demnach wahrscheinlich, dass beim Palast in Felix Romuliana der langgestreckte, korridorähnliche Bereich, der sich im Norden an den Hauptzugang zu Palast 1 hin anschließt, ebenfalls als eine Portikus zu rekonstruieren ist, die in Verbindung mit dem vorgelagerten, trapezförmig sich aufweitenden Platz zu sehen ist (Abb. 38 c, Portikus?). Interessante Hinweise für die Ausrichtung der einzelnen Palastbereiche ergaben die im Vorjahr erzielten Ergebnisse der Geoprospektion im Norden der umwehrten Palastanlage. Es sind deutlich Spuren einer dichten Bebauung abzulesen, die vermutlich als Vorgängerbebauung zu interpretieren ist. Hier könnte sich eine villa rustica, ein landwirtschaftlich genutzter Gutshof, befunden haben, der später dann als Palast ausgebaut wurde (Abb. 38 c,Vorgänger- 32 Jahresbericht 2007 des DAI bebauung?). Offensichtlich wurden zumindest Teile des Gutshofes weiterbenutzt und haben so zu dem unregelmäßigen Verlauf der Nordwand der ersten Ummauerung geführt, die auch in der zweiten Ausbauphase nicht begradigt wurde. Eine Pforte im zweiten Mauerring könnte sogar dafür sprechen, dass auch Anfang des 4. Jhs. n. Chr. dieser außerhalb gelegene Bereich noch in Benutzung war und in einer Verbindung zum Palast stand (Abb. 38 c, Pforte). Gleichzeitig zeigt das Messbild, dass der innere Bereich nicht großflächig von einer spätantiken/mittelalterlichen Bebauung überzogen ist, sondern sich diese offensichtlich auf begrenzte Bereiche um die Kirchen und den Bereich der ehemaligen Therme beschränkte. Die im letzten Jahr begonnene Katalogisierung der dekorierten Bauglieder wurde fortgesetzt, dabei konnten ca. 270 von ihnen bildlich und textlich erfasst werden. Bei Begehungen im Gelände geborgene dekorierte Fragmente, darunter nahezu vollständig erhaltene Platten der Nischendekoration des Osttores, wurden in das Magazin verbracht. Die Sichtung der dekorierten Bauglieder ergibt bereits jetzt zahlreiche neue Fragestellungen, die für die Gesamtbetrachtung der Palastanlage des Galerius interessante neue Aspekte aufwerfen. Der vorwiegende Anteil an dekorierten Baugliedern stammt von der Architekturdekoration des Ost- und Westtores der jüngeren Umfassungsmauer und dem Bereich des großen Tempels. Sie zeigen ein stilistisch einheitliches Bild, variieren jedoch in Motivwahl und typologischen Merkmalen deutlich voneinander. Interessanterweise lassen die dekorierten Bauglieder des kleinen wie auch großen Tempels, die aus unterschiedlichen Materialien (Andesit und Marmor) gefertigt sind, einen gleichen Formenapparat und Zeitstil erkennen. Dies könnte entweder für eine zeitgleiche Anlage beider Tempel oder für eine Renovierung des altertümlich wirkenden kleinen Tempels zur Zeit der Errichtung des großen Tempels sprechen. Da zahlreiche Bauglieder des großen Tempels in einem unfertigen Zustand sind, stellt sich die Frage, ob dieser nie vollständig fertig gestellt worden ist oder der Tempelbau rasch hochgezogen und die Bauornamentik dann Abb. 38 Romuliana-Gamzigrad (Serbien), spätantiker Kaiserpalast. Vergleich der Hauptausbauphase (Anfang 4. Jh. n. Chr.) von Felix Romuliana (c) mit der severischen Phase (Anfang 3. Jh. n. Chr.) des Kaiserpalastes auf dem Palatin in Rom (a) und dem Altersruhesitz von Kaiser Diokletian in Split (b). Die Ergebnisse der Geophysik im Palastinnern in Felix Romuliana (gelb) zeigen, dass auch hier – vergleichbar mit den Palastanlagen in Rom und Split – den Repräsentationsräumen ein Platz vorgelagert war AA-2008/1 Beiheft Zentrale in Berlin 33 Abb. 39 Romuliana-Gamzigrad (Serbien), spätantiker Kaiserpalast. Hadrianisches Kapitell, das von einer Vorgängerbebauung im Umfeld des Palastes stammen muss und offensichtlich im tetrarchischen Palast wiederverwendet worden ist AA-2008/1 Beiheft in einem unfertigen Zustand belassen wurde. Dies ließe sich möglicherweise mit dem Tod von Kaiser Galerius in Verbindung bringen, der schwerkrank im Jahr 311 n. Chr. vor seiner geplanten Abdankung verstorben ist, so dass der Palast nie als Altersruhesitz genutzt wurde. Im Gegensatz zu den Bauteilen des großen Tempels zeigen die Bauglieder aus dem Bereich des Palastes 1 keine einheitliche Ausführung. Sie weisen vielfach Spuren der Wiederverwendung auf. Daneben treten vereinzelt auch frühere, hadrianisch zu datierende Kapitelle auf, bei denen sich die Frage stellt, welchem Vorgängerbau sie zuzuordnen sind (Abb. 39). Für die nachgalerische Baugeschichte sind auch die theodosianischen Datierungen zweier Figuralkapitelle von Bedeutung, die bislang der ersten Bauphase zugeschrieben wurden. Diese Beobachtungen, die eine lange Bau- und Nutzungsgeschichte des Areals erkennen lassen, müssen im kommenden Jahr auf ihre Aussagekraft für die bauhistorische Entwicklung des Gesamtpalastes hin überprüft werden, um so weitere Aussagen zur Vorgängerbebauung, Renovierungsphasen und der Nachnutzung des Palastes treffen zu können. Mit der Bewilligung des Exzellenzclusters »Topoi« der Berliner Universitäten, an dem auch das DAI als Kooperationspartner beteiligt ist und in das das Forschungsprojekt integriert werden konnte, eröffnen sich für 2008 Perspektiven für eine Ausweitung des Forschungsprogramms. Unter der übergeordneten Fragestellung »Central Places« soll am Beispiel Felix Romuliana exemplarisch aufgezeigt werden, in welchem Maß ein solcher Palast zentralörtliche Funktionen einnahm, welcher Art diese Funktionen waren und wie groß ihre Reichweite war. Dabei wird von der Hypothese ausgegangen, dass über eine gezielte Ansiedlung neuer, sozial abgestufter Personengruppen im Umfeld solcher neu angelegten Residenzen auch der umgebende Raum neuartig hierarchisiert wurde. Es ist daher zu fragen, inwieweit solche Palastneugründungen Peripherisierungsprozesse auslösten, indem hier wirtschaftliche Produktivität und Infrastrukturfunktionen gebündelt und so der übrigen Region entzogen wurden sowie lokale Eliten sich gezielt in der Nähe des Palastes ansiedelten. Durch einen großräumigen Umlandsurvey soll ab dem nächsten Jahr mit archäologischen und geophysikalischen Methoden geklärt werden, ob es Siedlungen im Umfeld des Palastes gab, ob sich eine Verlagerung von Siedlungstätigkeit von der Prähistorie bis ins Mittelalter feststellen lässt und nach welchen Modellen die landwirtschaftliche Nutzung der Ebene in den unterschiedlichen Zeiten erfolgte.Von besonderem Interesse ist hierbei auch eine Untersuchung des Wegesystems im weiteren Umfeld des Palastes. Es soll geklärt werden, wie dieser an die bevorzugten Residenzstädte von Kaiser Galerius in Thessaloniki und Serdica (das heutige Sofia) angebunden war, wie weitere spätantike, kaiserliche Palast- und Villenanlagen in der Umgebung, wie z. B. Mediana (Niş) oder Şarkamen, in dieses System eingebunden und ob ältere Wegebezüge sogar ausschlaggebend für die Wahl der Lage des Palastes waren. Kooperationspartner: DAI, Römisch-Germanische Kommission (G. Sommer von Bülow); Lehrstuhl für Vermessungskunde der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus; Archäologisches Institut der Akademie Belgrad; Archäologisches Institut der Philosophischen Fakultät Belgrad; Institute for the Protection of Cultural Monuments of Serbia; Museum Zaječar • Leitung des Projekts: U. Wulf-Rheidt (Bauforschung), G. Sommer von Bülow (Archäologie); Leitung des Teilprojekts Bauornamentik: G. Breitner • Abbildungsnachweis: DAI, Zentrale, Architekturreferat, A. Pfützner (Abb. 36. 37; 38 c ); nach N. André u. a. aus: A. Hoffmann – U. Wulf (Hrsg.) Die Kaiserpaläste auf dem Palatin in Rom (2004) 168 (Abb. 38 a); nach S. Ćurčić, Ars Orientalis 23, 1993, Abb. 3 (Abb. 38 b); G. Breitner (Abb. 39). 34 Jahresbericht 2007 des DAI Tayma (Saudi-Arabien) Auch in der heutigen Oasenstadt Tayma im Nordwesten Saudi-Arabiens prägen die Mauerzüge der antiken Stadtmaueranlage noch immer das Erscheinungsbild der modernen Siedlung. Beiderseits bis zur Mauerkrone hoch von Sand eingeweht, muss der älteste Teil der Anlage so bereits schon in der späten Bronzezeit Anfang des 2. Jts. v. Chr. bestanden haben. Die differenzierte Maueranlage, die mit unterschiedlichen Mauerzügen nicht nur den zentralen Siedlungsbereich umfasst, sondern in großem Umfang alle für die Subsistenz relevanten Areale miteinschließt (s. AA 2007/2, 168 Abb. 47), ist typisch für die räumliche Organisation der Oasen in der Region. Mit dem archäologischen Engagement des deutsch-saudischen Forschungsunternehmens (zum DFGProjekt Tayma an der Orient-Abteilung des DAI, s. auch S. 252–256) ist die Möglichkeit gegeben, die Maueranlage dieser Oase exemplarisch und eingehend zu untersuchen. Das Forschungsprojekt hat zum Ziel, die Maueranlage in ihrer zeitlichen Entstehung zu verstehen, den Verlauf und den Aufbau der einzelnen Mauerzüge zu klären sowie konstruktive Besonderheiten und funktionale Zusammenhänge herauszuarbeiten. Nachdem bereits im vergangenen Jahr die Mauern in einem Messsurvey in Großteilen aufgemessen werden konnten, konzentrierten sich die Arbeiten in der diesjährigen Kampagne auf die Untersuchung der Lehmmauern, die Erstellung einer Typologie der unterschiedlichen Mauerwerksarten sowie die Untersuchung der 2006 identifizierten turmartigen Anbauten. In Bezug auf diese Anbauten wurden an zwei verschiedenen Stellen Sondagen durchgeführt, um in exemplarischer Weise Aufbau und zeitliches Verhältnis dieser Anbauten zu der Mauer zu klären. An der südlichen Begrenzung des ›Compound W‹ (Abb. 40), einem abgegrenzten Bereich im Nordwesten von Tayma, zeigte sich nach Freilegung ein bruchsteinerner Bau, der zu den Seiten hin offen, stumpf an die Außenseite der Mauer gesetzt ist (Abb. 41). Während der Anbau auf angewehtem Sand steht, reicht die Mauer tiefer und muss also mit einigem zeitlichen Abstand vorher errichtet worden sein. Im Falle des zweiten untersuchten Anbaus zeigte sich ebenso, dass diese Strukturen, die sich in ähnlichem Aufbau entlang den meisten Abschnitten der Maueranlage finden, an der Außenseite deutlich nach dem Bau der Mauer erst angefügt worden sind. Die funktionale Deutung dieser Anbauten bleibt nach wie Abb. 40 Tayma (Saudi-Arabien), Mauerabschnitt im Nordwesten der Oase. Der turmartige Anbau an der südlichen Begrenzung von ›Compound W‹ ist mit offenem Querschnitt auf einer Sandanwehung errichtet worden AA-2008/1 Beiheft Zentrale in Berlin 35 Abb. 41 Tayma (Saudi-Arabien), südliche Begrenzung des ›Compound W‹. Freigelegter bruchsteinerner Bau vor schwierig, denn ihre Gründungssituation, ihr offener Grundriss sowie ihre mangelnde konstruktive Einbindung in das angrenzende Mauerwerk lassen die Bauten, die möglicherweise ursprünglich eine Plattform getragen haben, wenig wehrhaft erscheinen. Kooperationspartner: Lehrstuhl Baugeschichte der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus (K. Rheidt); DAI, Orient-Abteilung, DFGProjekt Tayma (R. Eichmann, A. Hausleiter, Th. Götzelt) • Förderung: Fritz Thyssen Stiftung • Leitung des Projekts: P. Schneider • Mitarbeiter: O. Conradt, T. Pusinelli (Brandenburgische Technische Universität Cottbus), H. Jantzen (Freie Universität Berlin), G. Sperveslage (Humboldt-Universität zu Berlin) • Abbildungsnachweis: P. Schneider (Abb. 40); G. Sperveslage (Abb. 41). Tripoli (Libanon), Handelsgroßbauten im Bazar der Altstadt Tripoli – die zweitgrößte Stadt des Libanon – ist an der Mittelmeerküste im Norden des Landes gelegen. Es weist eine lebendige Altstadt mit zahlreichen bedeutenden Baumonumenten auf, die aus der mamlukischen (1289–1516 n. Chr.) und der osmanischen Periode (1516–1918 n. Chr.) stammen. Zusammen mit einem ungewöhnlich vollständig erhaltenen Korpus osmanischer Gerichtsakten (1666–1918 n. Chr.) bietet die Stadt eine dichte Quellenlage für Sozial- und Bauforschungsstudien. Das interdisziplinäre Stadtforschungsprojekt »Akteure und ihre Lebenswelten: Die Transformation der Stadt Tripoli (Libanon) während des ›langen‹ 19. Jahrhunderts.« rekonstruiert und analysiert auf der genannten Quellengrundlage die tripolitanische Gesellschaft und ihre Lebenswelten »Wohnen«, »Arbeiten« und »öffentliche Sphäre« in einer Phase des Umbruchs und der Neuordnung im Osmanischen Reich. Der Forschungsschwerpunkt »Arbeiten« konzentriert sich dabei zunächst auf die Transformation der Handelsgroßbauten, primär ïŒnbauten, im Bazar von Tripoli. Im ïŒn al-ïayyŒ ¥n (Karawanserei der Schneider) wurde dieses Jahr eine Bauuntersuchung durchgeführt, da das Gebäude zum Zeitpunkt der geplanten Arbeiten einer Restaurierung unterzogen wurde. Es war daher zu erwarten, AA-2008/1 Beiheft 36 Jahresbericht 2007 des DAI Abb. 42 Tripoli (Libanon), Hān al-Hayyātīn. ˘ ˘ ˙ Heutige westliche Zugangssituation, deren Gestalt auf eine Restaurierung zu Beginn der 1990er Jahre zurückzuführen ist dass die Struktur vieler Räume zugänglich sein würde, die normalerweise von Einbauten oder Wandverkleidungen verdeckt ist. Dieser Bau stellt im Gegensatz zu den anderen ïŒnŒt (Plur.) der Stadt, die den Grundtypus der verschließbaren Hofanlage mit Pfeilerhalle und angegliederten Räumen variieren, eine teilüberdachte, langgestreckte Ladenpassage dar, die im Obergeschoss Wohn- sowie Lagerräume aufweist. Auf seiner östlichen Schmalseite wird das Gebäude über einen Torbau erschlossen, während im Bereich seines westlichen Zugangs keine entsprechende Baustruktur erhalten ist. Die dortige Eingangssituation wurde im Laufe der Zeit stark überformt und vermittelt heute zwischen der Hauptrichtung des Gebäudes und der schräg dazu verlaufenden Bazarstraße, S´q al-BazarkŒn, über die der ïŒn erschlossen wird (Abb. 42) und die laut S. Weber im 19. Jh. ausgebaut wurde. Im Inneren des Gebäudes deutet die Baustruktur der beiden gassenbegleitenden Ladenzeilen im Erdgeschoss auf eine sukzessive Erweiterung der Verkaufsflächen zu Ungunsten des gemeinschaftlich genutzten Raumes. Um den Transformationsprozess des ïŒn rekonstruieren und seine Ursachen ermitteln zu können, wurde eine Bauuntersuchung/ -dokumentation durchgeführt. Mit Hilfe eines Laserdistometers wurden Maßskizzen zu Grund- und Aufriss des ïŒn angefertigt, die ergänzt durch das freundlicherweise zur Verfügung gestellte Aufmaß des ausführenden Architektur- und Restaurierungsbüros »TARMIM« in digitale Pläne umgesetzt werden. Darüber hinaus wurden Baubefunde verbal beschrieben, photographiert und gegebenenfalls in Skizzenform festgehalten. Ein Ergebnis der Untersuchungen ist die Rekonstruktion von mehreren Hauptphasen im Prozess der sukzessiven Vereinnahmung des Gassenraumes durch die Ladenbesitzer (Abb. 43). Eine entscheidende Phase war dabei die Demontage der erhöht gelegenen Bodenaufbauten in den Ladenkammern sowie der als »Darawand« bezeichneten vertikal klappbaren Holzflügel, die nach Bedarf als Ladentore bzw. als überdachte, pritschenartige Ladenerweiterung eingesetzt werden konnten. Stattdessen wurden niedrige Podeste aus Beton vor den einzelnen Ladenkammern errichtet, die als temporäre Stellflächen für die schweren mechanischen Nähmaschinen dienten. Diese neu eingeführten Maschinen aus Europa machten die Umgestaltung der traditionellen Raumanordnung im Schneider-ïŒn erforderlich. AA-2008/1 Beiheft Zentrale in Berlin 37 43 Tripoli (Libanon) Abb. 43 Hān al-Hayyātīn, Ladenzeilen im ˘ von Ost. ˘ Im˙ Zuge der aktuellen Erdgeschoss Restaurierungsmaßnahmen erfolgte eine einheitliche Zurücksetzung der Ladentore, die zuvor die Säulenarchitektur verdeckten. Die einstmaligen, individuell gestalteten Betonpodeste vor den Läden wurden entfernt Abb. 44 Hān al-Hāyyatīn (unten rechts), ˘ ˘ ˙ heutiger westlicher Zugang von Innen mit Blick auf den gegenüberliegenden Hān ˘ al-Misriyīn, der die Richtung des Sūq al˙ Bazarkān widerspiegelt 44 Eine weitere Feldforschungskampagne im kommenden Jahr widmet sich dem Ausbau des S´q al-BazarkŒn im 19. Jh. und der Frage, ob bzw. inwieweit dabei die angrenzenden Handelsbauten ïŒn al-ïayyŒ ¥n sowie ïŒn alMi§riy¥n (Abb. 44) miteinbezogen wurden. Darüber hinaus wird angestrebt, innerstädtische Verdichtungsmaßnahmen im 19. Jh. anhand des ïŒn aš-ŠŒw¥š, dessen ursprüngliche Baustruktur stark überformt und durch Wohngeschosse aufgestockt wurde, zu untersuchen und zu analysieren. Kooperationspartner: Institut für Islamwissenschaft der Freien Universität Berlin (G. Krämer); Fachgebiet Historische Bauforschung der Technischen Universität Berlin (D. Sack); Institute for the Study of Muslim Civilisations of The Aga Khan University (International) in the United Kingdom (S. Weber); Orient-Institut Beirut; Lebanese University, Centre de Restauration et Conservation (R. Majzoub) • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: J. Meister (Bauforschung Handelsgroßbauten, Forschungsschwerpunkt »Arbeiten« ), S. Weber (Leitung des übergeordneten Projekts) • Mitarbeiter: H. Ehrig • Abbildungsnachweis: J. Meister (Abb. 42); H. Ehrig (Abb. 43); J. Meister (Abb. 44). Lissos (Albanien) Die im Vorjahr begonnenen deutsch-albanischen Ausgrabungen zur Erforschung des hellenistischen Lissos sowie die geoarchäologischen Untersuchungen in der nordalbanischen Küstenebene zur antiken Umwelt dieser illyrischen Stadt wurden in der zweiten Kampagne fortgesetzt, in deren Mittelpunkt Flächengrabungen zur Klärung der Stadtgeschichte sowie die Bauaufnahme der Stadtmauer mit auf ihre chronologische Einordnung abzielenden Sondagen standen. AA-2008/1 Beiheft 38 Jahresbericht 2007 des DAI Abb. 45 Lissos (Albanien), die Toranlage des Diateichisma, das die Ober- von der Unterstadt trennt. Die neuen Grabungsergebnisse deuten darauf, dass diese Mauer nicht erst in caesarischer Zeit entstand, sondern bereits gegen Ende des 3. Jhs. v. Chr. im Zusammenhang mit der makedonischen Eroberung im Jahr 213 v. Chr. Die detaillierte Bauaufnahme des Diateichisma, der Trennmauer zwischen der Ober- und Unterstadt (Abb. 45), ergab, dass es aufgrund seiner Werktechnik in engem Zusammenhang zu einem nachträglich errichteten Turm der Akropolis-Ummauerung steht und damit wahrscheinlich zu einer nachträglichen groß angelegten Verstärkung der wohl bereits im 4. Jh. v. Chr. entstandenen Stadtmauern von Lissos gehört. Aufgrund seiner differierenden Werktechnik wurde es bisher häufig der caesarischen Zeit zugeordnet, zumal durch Caesar initiierte Arbeiten an der Stadtmauer belegt sind (Caes. civ. 3, 29). Die in einer Sondage gefundene Keramik legt jedoch eine Datierung bereits in die 2. Hälfte des 3. Jhs. v. Chr. nahe; das Diateichisma und der Akropolis-Turm gehören daher wahrscheinlich in den Kontext der Eroberung des illyrischen Lissos durch Philipp V. von Makedonien im Jahre 213 v. Chr. Zur Bestätigung dieses Befundes sind weitere Sondagen in der nächsten Kampagne geplant. In der Unterstadt konnten in mehreren Grabungsbereichen Dachversturzschichten freigelegt werden, die auf mehrere großflächige Zerstörungen der Stadt Lissos hindeuten (Abb. 46). Die früheste bisher nachgewiesene kann in die 1. Hälfte des 2. Jhs. v. Chr. datiert werden und steht möglicherweise mit Abb. 46 Lissos (Albanien), im Grabungsbereich A konnten mehrere Zerstörungsschichten freigelegt werden, die belegen, dass Teile der Stadt mindestens zweimal neu errichtet wurden AA-2008/1 Beiheft Zentrale in Berlin 39 Abb. 47 Lissos (Albanien), das Gebäude in der Oberstadt wurde, wie die Grabungsbefunde zeigen, im 1. Jh. v. Chr. errichtet, nachdem das Niveau der Terrasse durch Auffüllen mit älterem Siedlungsschutt erhöht worden war Abb. 48 Lissos (Albanien), das spätantike Baptisterium westlich der als Gedenkstätte des albanischen Nationalhelden Skanderbeg restaurierten mittelalterlichen Nikolaus-Kirche wurde in eine jüngere Architektur integriert und blieb so weitgehend erhalten AA-2008/1 Beiheft den illyrisch-römischen Auseinandersetzungen im Zusammenhang, die 168 v. Chr. zur Errichtung eines römischen Protektorats führten. Auf die Zerstörung folgte eine Neuerrichtung der Stadt, wobei die Mauern mit Spolien fundamentiert wurden, die offensichtlich durch das Abtragen der Stadtmauer im Bereich des Südtores gewonnen wurden. Auch diese Architektur wurde zerstört – wahrscheinlich gegen Mitte des 1. Jhs. v. Chr., als Lissos als wichtiger Versorgungshafen in den römischen Bürgerkrieg einbezogen wurde. Für die Neuerrichtung der Stadt wurden Teile der Unterstadt um ca. 2 m aufgeschüttet, wobei die alten Mauern als Fundamente weitergenutzt wurden. Ein entsprechender Befund konnte auch in der Oberstadt von Lissos festgestellt werden, wo im Bereich eines Gebäudes gearbeitet wurde, das wegen der sehr sorgfältigen Bearbeitung seiner Steinquader eine besondere Bedeutung (Sepulkral-/Memorialbau?) gehabt haben muss (Abb. 47). Mehrere Sondagen zeigten, dass das Fundament erst im 1. Jh. v. Chr. errichtet worden war, da sich darunter mehrere Erdlagen mit vermischtem Keramikmaterial aus dem 3. bis 1. Jh. v. Chr. fanden – auch hier war also im 1. Jh. v. Chr. das Gelände im Zuge einer Neuplanung aufgeschüttet worden. Unsere Kenntnis von der späten Geschichte der Stadt wurde durch einen Zufallsfund bereichert: Bei einer Sondage in der Unterstadt zur Überprüfung von Strukturen des Georadarbildes des letzten Jahres wurde ein spätantikes Baptisterium entdeckt, das in eine spätere – wohl mittelalterliche – Bebauung einbezogen und, wie umliegende Becken nahe legen, in osmanischer Zeit in einem nichtsakralen Kontext weitergenutzt wurde (Abb. 48). Ergänzt wurden diese Arbeiten durch die Neuvermessung der Reste der zu Lissos gehörenden Festung auf dem 410 m hohen Berg Mali Shelbuëmit und durch naturwissenschaftliche Untersuchungen zur antiken Umwelt von Lissos. Die geomorphologischen Untersuchungen wurden mit Bohrungen in Lissos sowie in der nordalbanischen Küstenebene fortgesetzt; dabei zeichnet sich ab, dass Lissos in illyrisch-römischer Zeit deutlich näher als bisher vermutet an der Adria lag: Der in antiken Quellen erwähnte Hafen von Lissos war sehr wahrscheinlich sogar ein Seehafen. Kooperationspartner: Albanisches Archäologisches Institut, Tirana; Labor für Geodäsie der Technischen Fachhochschule Berlin; Fachbereich Geographie der Philipps-Universität Marburg • Förderung: Lissos: DFG-Schwerpunktprogramm 1209: »Die hellenistische Polis als Lebensform. Urbane Struk- 40 Jahresbericht 2007 des DAI turen und bürgerliche Identität zwischen Tradition und Wandel« • Leitung des Projekts: G. Hoxha, O. Dally, A. Oettel • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: B. Lahi (Grabung und Keramik), H. C. Haas, S. Rudolph (Bauforschung), M. Fiedler, G. Döhner (Keramik), R. Breuer, D. Hoxha, A. Kasa, G. Kosturi, H. Kühne, E. Laçi, M. Lackner, J. Mueller von der Haegen, S. Oaie, G. Rrugia, E. Shehi, B. Shkodra,W. Streblow, U.Tota, P.Wodtke (Archäologie), U. Rübens, D. Hein (Geodäsie), H. Brückner, L. Uncu, K. Boldt (Geographie), S. Jahns (Archäobotanik) • Abbildungsnachweis: A. Oettel (Abb. 45–48). Naturwissenschaftliche Forschungen – Archäozoologie In diesem Jahr wurden Untersuchungen an Tierresten auf verschiedenen Ausgrabungen des DAI sowie anderer Institutionen im In- und Ausland durchgeführt. Sie betrafen u. a. Fundmaterialien folgender Orte/Projekte: Okolište (Bosnien-Herzegowina), Pietrele (Rumänien), Kırklareli (Türkei), Baalbek (Libanon) und Darre-ye BolŒghi (Iran). Darüber hinaus wurden die archäozoologischen und molekulargenetischen Untersuchungen an den Pferdeskeletten aus Aržan 2 (Russische Föderation) zum Abschluss gebracht. Über dieses Projekt soll nun näher berichtet werden: In den Jahren 2000– 2002 fanden gemeinsame russisch-deutsche Ausgrabungen am skythischen Grabhügel Aržan 2 (Tuva, Westsibirien) statt. Der spektakulärste Fund war das reich ausgestattete Fürstengrab (Grab 5). Im südöstlichen Teil der Anlage stieß man auf ein Grab mit 14 Pferdeskeletten (Grab 16). Bei den Skeletten handelt es sich um die Überreste von einst bäuchlings mit untergeschlagenen Beinen und dicht nebeneinander niedergelegten Pferdekörpern (Abb. 49). Die Ausführung der Bestattung legt nahe, dass die 14 Tiere gleichzeitig in das Grab gelangt sind. Abb. 49 Naturwissenschaftliche Forschungen – Archäozoologie, Aržan 2 (Russische Föderation). Grab 16, Blick auf die freigelegten Pferdeskelette. Im Hintergrund sind weitere Großkurgane zu sehen AA-2008/1 Beiheft Zentrale in Berlin 41 Das Alter der Pferde zum Zeitpunkt des Todes konnte nach dem Entwicklungsstand des Gebisses bzw. der Stärke der Zahnabnutzung bestimmt werden. Referenzdaten heutiger spätreifer Kleinpferde bildeten die Grundlage für die Altersschätzung. Nach den durchgeführten Untersuchungen stammen die Skelette von Tieren im Alter zwischen 8 und 20 Jahren. Allgemein ist bei Kleinpferden mit beständig hohen Leistungen zwischen dem 8. und 18. Lebensjahr zu rechnen. Zu dieser Altersgruppe gehören die meisten der Pferde aus Aržan 2, d. h. es handelt sich überwiegend um Tiere im besten Nutzungsalter. Das Geschlecht der Tiere konnte an den Beckenknochen nach der Gestalt des Schambeins ermittelt werden. Danach lassen sich alle 14 Pferde als männlich einstufen. Bei acht Pferden fanden sich Merkmalsausprägungen am Becken, die auf kastrierte Tiere (Wallache) hindeuten. Von den 14 Skeletten weisen sieben Erkrankungen im Bereich der Wirbelsäule auf. Dabei handelt es sich um Frakturen der Wirbelendplatten – und zwar ausschließlich an den Wirbeln aus dem Bereich der Sitz- bzw. Sattelregion – bzw. nachfolgende Verwachsungen von Wirbeln dieser Region. Derartige Veränderungen sind als Reaktion auf eine zu starke und länger andauernde unphysiologische Belastung der Rückenpartie der Pferde anzusehen. Sie dokumentieren indirekt die intensive Reitnutzung der Tiere zu Lebzeiten. Die Größe von Pferden wird am besten durch die Widerristhöhe wiedergegeben. Dieser Größenparameter kann bei Skelettfunden anhand der Länge der großen Extremitätenknochen berechnet werden. Nach den Messwerten der Skelette ergeben sich für die Pferde aus Aržan 2 Widerristhöhen zwischen 135 cm und 145 cm. Im Vergleich zu skythischen Pferden aus Gräbern im Altaj-Gebirge waren die Tiere aus Aržan 2 relativ großwüchsig. Sie liegen im oberen Variationsbereich der Pferde aus dem Altaj (Abb. 50). Vielleicht handelt es sich bei den Tieren aus Grab 16 um eine Auswahl von im Größenwuchs besonders stattlichen Tieren. Die teilweise komplett erhaltenen Schädel der Pferde aus Aržan 2 erlauben einige Hinweise auf die Kopfform der Tiere. Im Verhältnis zur Körperhöhe erscheint der Kopf relativ groß, er ist kastenförmig gestreckt. Der Nasenrücken selbst ist gerade, das vordere Ende scheint ramsnasig gestaltet gewesen zu sein. Wie Vergleiche verschiedener Schädelproportionen mit Schädeln rezenter Pferde zeigen, waren die Pferde aus Aržan in der Kopfform heutigen Przewalskipferden ähnlich. Die molekulargenetische Analyse von Knochenproben sämtlicher Pferdeskelette aus Aržan 2 erfolgte in der Arbeitsgruppe Paläogenetik am Institut für Anthropologie der Universität Mainz sowie am Institut für Zoo- und Wild- Abb. 50 Naturwissenschaftliche Forschungen – Archäozoologie, Größenvariabilität der Pferde von Aržan 2 (Russische Föderation) und der skythenzeitlichen Pferde aus Gräbern im Altaj-Gebirge nach der Länge des Mittelhandknochens (Metacarpus) AA-2008/1 Beiheft 42 Jahresbericht 2007 des DAI tierforschung in Berlin. Alle Proben lieferten auswertbare Mengen an mitochondrialer und nuklearer DNA. Die Analyse der mitochondrialen DNASequenzen ergab ein überraschendes Ergebnis: Die 14 Hengste bzw. Wallache aus Grab 16 von Aržan 2 repräsentieren 10 verschiedene Haplotypen oder genetische Varianten und zeigen somit eine nicht erwartete hohe Variabilität. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass die Pferde nicht aus einer gemeinsamen Herde stammen, andernfalls wäre eine deutlich schwächere Diversität zu erwarten. Möglicherweise sind die Tiere aus mehreren Herden ausgewählt und nur zusammen bestattet worden. Ein Vergleich mit Sequenzmustern rezenter Pferderassen zeigt Übereinstimmungen bzw. Ähnlichkeiten mit verschiedenen Rassegruppen, z. B. mit nordeuropäischen Ponyrassen oder Pferden von der Iberischen Halbinsel.Viele der heutigen Haplotypen haben offenbar schon zur Zeit der Skythen existiert bzw. sind aus diesen hervorgegangen. Dies stützt die Annahme einer polytopen Domestikation des Pferdes im weiten Verbreitungsgebiet des Wildpferdes. Wie die Analysen weiter zeigen, hatten die östlichen Wildpferde (u. a. Przewalskipferde) – entgegen einer weit verbreiteten Annahme – offenbar keinen Anteil an der Herausbildung der frühen Hauspferde Sibiriens bzw. der skythischen Pferde. Zwischen ihnen besteht nämlich eine große genetische Distanz. Für die 14 Pferde aus Aržan 2 konnte mit Hilfe der molekulargenetischen Analyse auch die Fellfarbe bestimmt werden. Es ließen sich vier Farbvarianten nachweisen: braun, kastanienbraun, braun-weiß-gescheckt und schwarz (Tab. 1). Eine schwarze Fellfarbe tritt bei sieben Tieren auf und ist damit am häufigsten. Da es sich bei Schwarz um ein rezessives Farbmerkmal handelt, könnte es sich bei diesen Pferden um eine besondere Zuchtvariante handeln. Pferd Farbe Pferd Farbe 1 schwarz 8 schwarz 2 braun 9 schwarz 3 kastanien-braun 10 braun-weiß-gescheckt 4 schwarz 11 kastanien-braun 5 kastanien-braun 12 kastanien-braun 6 schwarz 13 kastanien-braun 7 schwarz 14 schwarz Tab. 1 Naturwissenschaftliche Forschungen – Archäozoologie, Aržan 2 (Russische Föderation). Grab 16, Verteilung der Fellfarben Kooperationspartner: Arbeitsgruppe Paläogenetik am Institut für Anthropologie der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz; Institut für Zoo- und Wildtierforschung Berlin; Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie Leipzig • Leitung der Projekte: N. Benecke • Abbildungsnachweis: DAI, Zentrale, Naturwissenschaftliches Referat, M. Hochmuth (Abb. 49). Naturwissenschaftliche Forschungen – 14C-Labor Im Berliner 14C-Labor zur Altersbestimmung wird eine konventionelle Datierung mit Zählrohren vom Houtermans-Oeschger-Typ sowie mit den FlüssigSzintillationszählern Quantulus und ICELS durchgeführt. Die Datierungsgenauigkeit konnte auch in diesem Jahr gewährleistet werden. Die 14C-Altersbestimmungen wurden mit großem Aufwand in der Probenchemie und der kernphysikalischen Messtechnik weitergeführt. Präzisionsdatierungen konnten durch Sicherung der Langzeitstabilität der 14C-Apparatur und durch aufwendige Analysen zur Fehlererkennung ermöglicht werden. AA-2008/1 Beiheft Zentrale in Berlin 43 Die Datierungsergebnisse des Berliner 14C-Labors haben die zeitliche Einordnung zahlreicher Fundplätze möglich gemacht und einen Beitrag beim Aufbau von Chronologiesystemen in vielen Ländern geleistet. In diesem Jahr wurden Datierungen für Projekte in den Ländern Bolivien, Georgien, Mongolei, Rumänien, Saudi-Arabien, Syrien, Türkei, und Uzbekistan durchgeführt. Die Analyse von Datenserien ist von immer größerer Bedeutung. Die umfangreiche Datenbank des Berliner 14C-Labors ermöglicht eine schnelle Einordnung der Datierungsergebnisse in die vorhandene Datenbasis. Die Datierungsergebnisse sind aber nur Wahrscheinlichkeitsverteilungen entlang der realen Zeitachse. Sie müssen interpretiert werden, um zu schlüssigen Aussagen zu gelangen. Dabei können Modellrechnungen hilfreich sein, die archäologische Informationen mit den Wahrscheinlichkeitsverteilungen entlang der realen Zeitachse verknüpfen. Im Ergebnis gelangt man zu präziseren zeitlichen Aussagen. Ein Beispiel soll die Datierungsarbeit demonstrieren: Eine Serie von Datierungen ermöglichte die zeitliche Einstufung der kupferzeitlichen Tellsiedlung M‡gura Gorgana bei Pietrele (Rumänien, s. hier S. 321–323). Mehrere Modellrechnungen erfolgten zur Auswertung und Interpretation der Datierungsergebnisse. Es wurden weitere Analysen zur Einordnung der Radiokohlenstoff^ datierungen Pietrele in die Datenbasis der Gumelnita-Kultur durchgeführt. Das Projekt zur Verbesserung der Flüssig-Szintillationszähltechnik mit P.Theodorsson (Science Institute, University of Iceland) wurde bis zur Jahresmitte fortgesetzt. Das Ziel ist die Entwicklung einer neuen Generation von preiswerten LSC-Spektrometern. Hierbei war es möglich, die Erfahrungen in der LSC-Probenchemie und der Messtechnik einzubringen. In Zusammenhang mit diesem Projekt wurde die Leistungsfähigkeit des neu entwickelten Gerätes getestet. Die bisher erreichten Ergebnisse sind sehr erfolgversprechend und eröffnen neue Möglichkeiten für die 14C-Datierungsmethode. Auch wurden Benzolproben des Labors aus den 1970er Jahren getestet, die für Kontrolldatierungen verwendet werden können. Leitung des Labors: J. Görsdorf. Abb. 51 Naturwissenschaftliche Forschungen – Dendrochronologie, Baalbek (Libanon). Bohren eines Sturzholzes AA-2008/1 Beiheft Naturwissenschaftliche Forschungen – Dendrochronologie In diesem Jahr konnte die Untersuchung von 2908 Proben erfolgreich abgeschlossen werden. Hinzu kommt der vorläufige Abschluss der Arbeiten an dem bronzezeitlichen Komplex von Poggiomarino (Italien) mit einem Umfang von fast 3000 Hölzern. Das regionale Spektrum der Untersuchungen reicht von der Mongolei (Grab in Noin-Ula/Han-zeitlich) über spätneolithische und sarmatische Grabfunde der Krim bzw. Ukraine bis hin zu mittelalterlichen Hölzern aus Amsterdam und deutschen Stadtkernen. Anhand eines Beispiels soll die Datierungsarbeit demonstriert werden: Im Rahmen ihrer Dissertation untersucht H. Lehmann (Brandenburgische Technische Universität Cottbus) die historische Bausubstanz in Baalbek (Libanon). Im Zuge dieser Studie bot sich die dendrochronologische Untersuchung der Wohnhäuser an, um damit einen Überblick über die zeitliche Struktur des Stadtausbaues und der Wohnbebauung selbst zu erhalten. In den Häusern finden sich massiv in Holz ausgeführte Decken, aber auch häufig kleinere Sturzbalken über den Fenstern und Türen. Da die Häuser teilweise noch bewohnt sind, wurden die Proben überwiegend mit sehr feinen Hohlbohrern (5 mm Kern/7 mm Loch) bei minimalem Eingriff in die Bausubstanz gezogen, hierbei wurden insgesamt 217 Proben gewonnen (Abb. 51). 44 Jahresbericht 2007 des DAI 52 53 Zur großen Überraschung besteht der überwiegende Teil des Bauholzes nicht wie eigentlich zu erwarten aus Zedernholz, sondern aus Baumwacholder, der im Grenzgebiet zu Syrien auch noch heute anzutreffen ist. Jüngere Bauphasen sind leider in der Regel mit sehr weitringigem Pappelholz ausgeführt, das sich wegen zu wenigen Jahrringen nicht für eine dendrochronologische Datierung eignet. Einige Proben bestehen auch aus Walnuss, Feige und anderen Hölzern. Baumwacholder bildet sehr feine Jahrringe aus, neigt aber bei ungünstigen Umweltbedingungen auch zu unvollständig oder gar nicht ausgebildeten Jahrringen bzw. kann völlig unauflösbar enge Bereiche zeigen. Die längsten Proben zeigen 240 Jahrringe. Es konnten 96 Proben untereinander synchronisiert werden. Der sich daraus ergebende Mittelwert lässt sich mit dem Mittelwert der verfügbaren Zedernchronologien (1382–2002) aus dem Libanon eindeutig synchronisieren (t-Wert 7,6) und überdeckt mit 1278 bis 1893 n. Chr. sogar einen etwas längeren Zeitraum (Abb. 52). Die Daten belegen, dass die meisten Häuser in der 1. Hälfte des 19. Jhs. errichtet worden sind (Abb. 53). Es gibt jedoch auch die Wiederverwendung älterer Architekturteile in jüngeren Gebäuden. Mit diesen Daten lässt sich die jüngere Entwicklung der Stadt recht gut nachzeichnen und auch die Beziehung zu Neubauten und Zerstörung durch die relativ häufigen Erdbeben herausarbeiten. In den wenigen Fällen der schriftlichen Überlieferung stützen sich dendrochronologischer Befund und Überlieferung gegenseitig, sofern bei den Proben wirklich Waldkanten (letzter Ring unter der Rinde) vorliegen. Leider sind viele Hölzer im Außenbereich jedoch mehr oder weniger stark bearbeitet und bei dem vorliegenden sehr feinen Jahrringaufbau bewirkt schon eine kleine Abarbeitung des Außenbereiches den Verlust einer größeren Anzahl von Ringen, wodurch schnell eine beträchtliche Differenz zum tatsächlichen Fälldatum entsteht. Dies lässt sich nur durch gezielte Probenentnahme und genaue Dokumentation vor Ort eingrenzen. Die bisherigen Ergebnisse erweitern die Basis zur möglichen Datierung von Hölzern in dieser Region erheblich. Für das kommende Jahr sind der weitere Ausbau der Chronologien und eine Ausdehnung der Untersuchung auf weitere Gebäude vorgesehen. Leitung des Projekts in Baalbek: M. van Ess (DAI, Orient-Abteilung) • Leitung des Labors: K.-U. Heußner • Abbildungsnachweis: K.-U. Heußner (Abb. 51–53). Naturwissenschaftliche Forschungen – Dendrochronologie, Baalbek (Libanon) Abb. 52 Vergleich Zeder Libanon (rot) gegen Wacholder Baalbek (grün) Abb. 53 Grundsätzliche Lage der Daten aus Wohnhäusern AA-2008/1 Beiheft Zentrale in Berlin 45 Naturwissenschaftliche Forschungen – Archäobotanik Von mehreren Ausgrabungen des DAI sowie anderer Institutionen wurde in diesem Jahr botanisches Material im Labor für Archäobotanik des DAI bearbeitet. Dies betrifft u. a. botanische Proben aus Pietrele (Rumänien), Aruchlo (Georgien), Sohr Damb (Pakistan), Mogador (Marokko), Tayma (Saudi-Arabien), Tall HujayrŒt al-GhuzlŒn (Jordanien), Qreiye/cAyyŒš und Š¥r (Syrien), Wadi Jufainah (Jemen), Göbekli Tepe und Aşağı Pinar (Türkei). An dieser Stelle soll über das Projekt »Der Digitale Pflanzenatlas« näher berichtet werden. Aufbauend auf der Erfahrung des in Groningen publizierten Bandes »Digitaler Samenatlas der Niederlande« (R.T. J. Cappers u. a. 2006) enstand die Idee zu diesem weiterführenden Projekt. Eines der Hauptziele ist es, mit Hilfe der Bildverarbeitung und Bildanalyse einen weltweit gültigen Standard zur Materialbestimmung in der Archäobotanik zu schaffen. Die Resultate sollen in zwei getrennten Bänden – »Digitaler Atlas der Nutzpflanzen« und »Digitaler Atlas der Nutzpflanzen in der Archäologie« – sowie auf einer interaktiven Website (Bilder, Kurzbeschreibung und zusätzliche morphometrische Daten) in mehreren Sprachen veröffentlicht werden. Die archäobotanischen Laboratorien in Berlin und Groningen sind für dieses Projekt des Aufbaus eines einmaligen digitalen Materialarchivs sehr gut gerüstet. Die vorhandenen Vergleichssammlungen von Rezentmaterial umfassen über 20 000 Pflanzenarten. Das subfossile Pflanzenmaterial stammt aus über 300 archäologischen Grabungen und stellt unter anderem das weltweit größte Materialarchiv von Pflanzenmaterial archäologischer Fundstellen dar. In diesem Jahr wurde die Materialaufnahme für den ersten Band des Digitalen Pflanzenatlas abgeschlossen. In diesem Band werden fast alle Pflanzen zusammengetragen, die durch den Menschen als Nutzpflanzen angewendet werden – angebaute sowie gesammelte Pflanzen. Es handelt sich dabei vor allem um Pflanzen, die beispielsweise als Nahrung, Gewürz, Genussmittel, Medikament, Farbstoff, Gerbstoff oder Baumaterial verwendet werden. Weltweit gibt es etwa 10 000 bekannte Nutzpflanzenarten, wovon ca. 3500 in diesem Band abgebildet werden sollen. Piktogramme werden die Verwendung der verschiedenen Pflanzen zeigen. Neben Samen und Früchten zeigt der Atlas auch andere Pflanzenteile wie Wurzeln, Zwiebeln, Knollen, Stängelfragmente, Blätter, Blüten und Knospen. Außerdem gibt es Beispiele von Gebrauchsgegenständen, die aus Pflanzenteilen hergestellt wurden, zum Beispiel einen Bettelnapf aus der Seychellennuss (Lodoicea maldivica, Abb. 54). Abb. 54 Naturwissenschaftliche Forschungen – Archäobotanik: Bettelnapf aus einer Nuss der Seychellenpalme (Lodoicea maldivica, L 35 cm) AA-2008/1 Beiheft 46 Jahresbericht 2007 des DAI 55 56 Zur Ergänzung der Vergleichssammlung um das derzeitige Angebot an Handelspflanzen wurden in den letzten Jahren unter anderem viele Märkte und Gewürzläden in der Alten Welt besucht. In diesem Jahr sind zwei einwöchige Sammelreisen nach Indien und Marokko gemacht worden, wo bei Gewürzhändlern (Abb. 55. 56) und Großhändlern sowie auf Bauernmärkten insgesamt knapp 850 unterschiedliche Nutzpflanzen gesammelt werden konnten. Es hat sich herausgestellt, dass sich das Angebot seit dem letzten Jahrzehnt verändert hat. Einerseits hat die Globalisierung – vor allem die Migration von Menschen und die zunehmenden Gütertransporte – zur Folge, dass das Angebot, insbesondere von Nahrungspflanzen, vielfältiger geworden ist. Andererseits aber hat die Globalisierung auch zu einer bestimmten Verknappung des Angebots geführt: Vor allem viele Medizinalpflanzen verschwinden aus dem Handel und damit auch das Wissen über ihre Nutzung. Damit zeigt dieser Atlas nicht nur die Pflanzen auf, die heute den Markt bestimmen, sondern auch die Pflanzen, die nur noch in Fachgeschäften erhältlich sind. Das Werk kann als ein wichtiges Zeitdokument betrachtet werden, das nicht nur für unterschiedliche Experten wie Archäobotaniker, Pharmazeuten oder Ethnologen, sondern auch für eine breitere Öffentlichkeit von Interesse ist. Kooperationspartner: Groningen Instituut voor Archeologie (GIA) und Community and Conservation Ecology Group (COCON) der Staatlichen Universität Groningen (R.U.G., Niederlande) • Leitung des Projekts: R. Neef, R. T. J. Cappers (Groningen) • Abbildungsnachweis: R.U.G./DAI (Abb. 54–56). Naturwissenschaftliche Forschungen – Archäobotanik Abb. 55 Gewürzhandel in Marrakesch (Marokko) Abb. 56 R. T. J. Cappers in einem Gewürzladen in Tiznit (Marokko) Wissenschaftliche Veranstaltungen Hauskolloquien der Wissenschaftlichen Abteilung 21. Februar Susanne Moraw (Berlin), Odysseus und Polyphem. Zur Odysseerezeption in Spätantike und früher Neuzeitxxx21. März Ramazan Özgan (Konya), Die neuen Grabungen in Knidos: Ein Brunnenmonumentxxx18. SepAA-2008/1 Beiheft Zentrale in Berlin 47 tember Rubina Raja (Oxford/Hamburg), Neue Räume für neue Ideen? Raumkonzeption und -wahrnehmung am Beispiel des Zeus-Heiligtums in Gerasaxxx21. November Nicola Terrenato (Ann Arbor), The Origins of Roman Villas. Vortragsreihe »Bauforschung im Wiegandhaus« 25. Januar Philipp Speiser (Berlin), Der Fatimidenfriedhof in Assuan (Abb. 57) 15. Februar Hauke Ziemssen (Berlin), Stadt und Palast im Rom des Maxentius 1. März Arzu Öztürk (Istanbul), »Ein unbeschreibliches Chaos von Bruchstücken«. Das Theater in Ephesos: Neue Forschungenxxx19. April Joachim Heiden (Berlin) – Corinna Rohn (Cottbus), Die antike Siedlungstopographie Triphyliens (Peloponnes)xxx24. Mai Alexander von Kienlin (München), Nag el-Hagar – Ein rätselhafter spätrömischer Palast in Oberägypten. Abbildungsnachweis: DAI, Zentrale, Architekturreferat; Ph. Speiser (Abb. 57). Naturwissenschaftliche Forschungen an der Zentrale 30. März Norbert Benecke (Berlin) – Mélanie Pruvost (Berlin), Archäozoologie und Molekulargenetik – Aktuelle Projektexxx24. Oktober René T. J. Cappers (Groningen), Foodsteps – Roman Spice Trade in Egypt. And an Introduction to the Digital Atlas Projectxxx14. November Christine Rütze (Mainz) – Amelie Scheu (Mainz), Frühe Tierdomestikationen aus molekulargenetischer Sicht. Berichte der Wissenschaftlichen Abteilung 26. Januar Uta Dirschedl, Der archaische Apollontempel (›Tempel II‹) in Didyma – Ein Werkstattberichtxxx2. Februar Ortwin Dally – Peter I. Schneider, Milet in der Kaiserzeit und in der Spätantikexxx28. Februar Florian Seiler – Sebastian Vogel, Rekonstruktion der antiken Kulturlandschaften in der SarnoEbene. Ein interdisziplinäres Kooperationsprojekt des DAI mit Partnern aus Altertumswissenschaften und Geowissenschaften in Italien und Deutschland 27. April Claudia Winterstein, Der Şekerhane Köşkü in Selinus – Bauhistorische Untersuchungen zum vermuteten Kenotaph des Kaisers Trajan; Simone Wolf, Die sog. Königlichen Bäder von Meroë/Sudan. Überblick über die bisherigen Arbeiten und die Kampagne 2007xxx28. Juni Andreas Oettel, Lissos in Albanien – Ein Werkstattberichtxxx6. Dezember Michael Krumme, Wissenschaft, Karriere, Ideologie. Walther Wrede, Direktor DAI Athen, 1936–1944. Abb. 57 Vortragsreihe »Bauforschung im Wiegandhaus«, Einladung zum Vortrag von Philipp Speiser AA-2008/1 Beiheft Kolloquien, Symposien, Kongresse,Vorträge 18. Januar Vortragsveranstaltung im Vorfeld der Konferenz Computer Applications and Quantitative Methods in Archaeology (CAA) 2007 (in Zusammenarbeit mit dem Interdisziplinären Zentrum Alte Welt der Freien Universität Berlin, der Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz und der CAA Deutschland). – Es sprach: Nick Ryan (Kent), Smart Museums, Sites and Landscapes: New Technology in the Service of Cultural and Natural Heritage. 2. bis 7. April 35. Internationale Konferenz Computer Applications and Quantitative Methods in Archaeology (CAA) 2007 »Layers of Perception« (Organisation: DAI, Interdisziplinäres Zentrum Alte Welt der Freien Universität Berlin, Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz, CAA Deutschland; Schirmherrschaft: Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier; Aufnahme in das kulturelle Rahmenprogramm der deutschen EU-Ratspräsidentschaft). – Mit 553 Teilnehmern aus 48 Jahresbericht 2007 des DAI Albanien, Algerien, Australien, Belgien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Guinea, Irland, Israel, Italien, Japan, Kanada, Mexiko, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Russland, Schottland, Schweden, Schweiz, Slowakei, Slowenien, Spanien, Südkorea, Taiwan, Tschechien, Türkei, Ukraine, Ungarn, USA und Zypern (Abb. 58). Für weitere Informationen zur Konferenz CAA 2007 und für das ausführliche Programm der Veranstaltung s. a. im Internet auf der offiziellen Homepage unter <http://www.caa2007.de> sowie unter <http://www.caa2007.de/ download/caa_brosch_web.pdf>. Abbildungsnachweis: DAI, Zentrale, P. Grunwald (Abb. 58). 5. bis 7. Juli Internationaler Skythen-Kongress »Reiternomadische Eliten der eurasischen Steppe« (in Verbindung mit der Skythen-Ausstellung »Im Zeichen des Goldenen Greifen. Königsgräber der Skythen« im Martin-Gropius-Bau Berlin; Organisation: DAI, Museum für Vor- und Frühgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz; Finanzierung: DFG [im Rahmen des Jahres der Geisteswissenschaften – Das ABC der Menschheit]). – Es sprachen: Wilfried Grolig (Ministerialdirektor, Leiter der Kultur- und Bildungsabteilung, Auswärtiges Amt) – Matthias Kleiner (Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft) – Günther Schauerte (Stellv. Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz), Grußworte; Hermann Parzinger (Präsident des Deutschen Archäologischen Instituts), Reiternomadische Eliten der Skythenzeit. Eine Einführung in das Thema • Sektion 1 »Skythenzeitliche Eliten in Tuva: Das Fürstengrab von Aržan 2«: Konstantin Čugunov (St. Petersburg) – Hermann Parzinger (Berlin) – Anatoli Nagler (Berlin), Der skythenzeitliche Fürstenkurgan Aržan 2; Barbara Armbruster (Toulouse), Die Goldschmiedetechnik aus Aržan 2; Norbert Benecke (Berlin), Die Pferdeskelette von Aržan 2: Archäozoologie und Molekulargenetik; Tatjana Čikiševa (Novosibirsk), Anthropologische Untersuchungen an den Skeletten aus Aržan 2; Michael Schultz (Göttingen), Paläopathologische Untersuchungen an Skeletten aus Aržan 2 • Sektion 2 »Skythenzeitliche Eliten in Südsibirien«: Elena Korol’kova (St. Petersburg), Die Sibirische Sammlung Peters des Großen: Geschichte der Entstehung und Interpretation; Andrej Gotlib (Abakan) – Hermann Parzinger (Berlin) – Anatoli Nagler (Berlin), Fürstenkurgane der Tagar-Kultur: Salbyk und Barsučij Log; Ljudmila Barkova (St. Petersburg), Neue Forschungen zu den Mumien aus Pazyryk; Natal’ja Polos’mak (Novosibirsk), Die Denkmäler der Pazyryk-Kultur auf dem Ukok-Plateau; Jean Bourgeois (Ghent) – Wouter Gheyle (Ghent) – Alain De Wulf (Ghent) – Rudi Goossens (Ghent), Archäologische Forschungen der Universität Ghent von 2003–2006 in der KochAgatch Region (Altaj Gebirge, Republik Altaj); Vjačeslav Molodin (Novosibirsk) – Hermann Parzinger (Berlin) – Damdinsuren Ceveendorž (Ulaanbaatar), Das skythenzeitliche Kriegergrab von Olon Kurin Gol • Sektion 3: »Skythenzeitliche Eliten in Kazachstan«: Sejnolla Samašev (Al-maty), Reiternomadische Elitengräber aus den Steppen Kazachstans; Henri-Paul Francfort (Paris), Die Steppenkulturen und Kurgan 11 von Berel’ • Sektion 4: »Skythenzeitliche Eliten in Südrussland«: Leonid Jablonskij (Moskau), Ausgrabungen in Fürstenkurganen der südlichen Ural-Region; Maria A. Očir-Gorjaeva (Ílista), Östliche und westliche Traditionen bei den Reiternomaden im unteren Wolga-Gebiet; Andrej Alekseev (St. Petersburg), Die Kurgane von Kelermes in ihrem historischen Kontext; Vladimir Erlich (Moskau), Das KubanGebiet in skythischer Zeit: Besonderheiten der materiellen Kultur, des Rituals und der Kunst • Sektion 5: »Skythische Eliten in Nordschwarzmeerraum«: Abb. 58 Hermann Parzinger eröffnet die 35. Internationale Konferenz CAA 2007 »Layers of Perception« AA-2008/1 Beiheft Zentrale in Berlin 49 Askold Ivantchik (Bordeaux/Moskau), Zur Bestattung skythischer Könige: Herodot und die Archäologie; Marina Daragan (Kiev), Die räumliche Verteilung skythischer Kurgane im unteren Dnepr-Gebiet; Kirill Firsov (Moskau), Zum Pferdegeschirr aus dem skythenzeitlichen Fürstenkurgan von Pokrovka im Nordschwarzmeerraum; Yuriy Boltrik (Kiev) – Olena Fialko (Kiev), Der Kurgan Oguz – Die Gruft eines der letzten Könige im europäischen Skythien; Denis Žuravlev (Moskau), Zu den Zierblechen aus dem Kurgan Kul’-Oba; Jan Chochorowski (Krakau) – Sergej Skoryj (Kiev), Das skythische Fürstengrab von Ryžanovka • Sektion 6: »Skythenzeitliche Eliten vor den Toren Mitteleuropas«: Renate Rolle (Hamburg), Aspekte der sozialen Oberschicht bei den europäischen Skythen; Biba Teržan (Ljubljana), Hallstattzeitliche Kriegereliten an der westlichen Grenze der skythischen Welt; Manfred Nawroth (Berlin), Der Goldfund von Vettersfelde: Vom Schwarzen Meer in die Lausitz; Hermann Parzinger (Berlin), Schlusswort • Podiumsdiskussion »Gibt es Kultur ohne Tod? Fragen um Totenkult und Herrschaftsrepräsentation« mit: Thomas Macho (Berlin), Stefan Maul (Heidelberg), Claudius Müller (München), Hermann Parzinger (Berlin), Olaf Rader (Berlin). 23. Oktober »Friedrich Hinkel Kolloquium« (zum Gedenken an den am 12. Juni 2007 verstorbenen Architekten und Bauforscher Friedrich W. Hinkel; Organisation: DAI, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Botschaft der Republik Sudan). – Es sprachen: Stephan J. Seidlmayer (Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften) – Baha’Aldin Hanafi (Botschafter der Republik Sudan) – Hermann Parzinger (Präsident des Deutschen Archäologischen Instituts), Grußworte; Charles Bonnet (Genf), F. Hinkel – A Life for the Ancient Sudan; Hassan Hussein Idris (Khartoum), »Father of the Pyramids« – F. Hinkel and the Preservation of Monuments; Jacques Reinold (Paris), The Final Regional Development of Neolithic in the Sudan; Salah Mohamed Ahmed (Khartoum), The Archaeological Map of the Sudan; Simone Wolf (Berlin), On the Bronze Head of Augustus from Meroë; Abdel Rahman Ali (Khartoum), F. Hinkel and the National Museum Khartoum; Ja-niceYellin (Boston),Thousands of Figures – Recording the Reliefs of Meroë; Dietrich Wildung (Ägyptisches Museum und Papyrussammlung der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz), Schlusswort. Workshops 9./10. Februar Workshop »Aktuelle Forschungen zur Konstruktion, Funktion und Semantik antiker Stadtbefestigungen« (Veranstaltungsort: Istanbul; im Rahmen des Netzwerks »Manifestationen von Macht und Hierarchien in Stadtraum und Landschaft« in Zusammenarbeit mit der Abteilung Istanbul des DAI; Organisation: Janet Haberkorn [Berlin], Peter I. Schneider [Berlin], Felix Pirson [Istanbul], Ulrike Wulf-Rheidt [Berlin], Torsten Zimmer [Istanbul], s. auch hier S. 190). 15. Mai Workshop »Vom Berg zum Bauwerk. Antike Steinbrüche, Steinbearbeitung und ökonomische Fragen am Beispiel von Stadtmauern im griechischen und vorderorientalischen Raum«/»De la montagne au monument. Carrières antiques, travail de la pierre et problèmes économiques liés aux fortifications du monde grec et du Proche-Orient« (Organisation: Architekturreferat der Zentrale des DAI und Interdisziplinäres Zentrum Alte Welt der Freien Universität Berlin). – Es sprachen: Silke Müth (Berlin) – Peter I. Schneider (Berlin), Begrüßung; Jean-Claude Bessac (Damaskus), L’étude technique et économique de la construction de deux remparts en pierre du monde grec, AA-2008/1 Beiheft 50 Jahresbericht 2007 des DAI Messène et Doura-Europos: problématique et méthodologie/Die technische und ökonomische Untersuchung zweier griechischer Stadtmauern aus Stein, Messene und Doura Europos: Problematik und Methodologie; Ulrich Ruppe (Frankfurt a. M.), Unregelmäßigkeiten im Fugenschnitt der Stadtmauer von Priene: Nachlässigkeit oder ökonomisches Diktat?; Catharine Hof (Berlin), Die Stadtmauer von Resafa, eine monumentale Anlage ›aus einem Guss‹?; Franz Moll (Mönchengladbach) – Peter I. Schneider (Berlin), Das Steinmaterial in Tayma, seine Bearbeitung und quantitative Überlegungen zur Konstruktion im Mauerbau; Mike Schnelle (Berlin) – Christian Weiß (Erlangen), Die Baumaterialien der Stadtmauer von Sirwah (Jemen) – Vom Steinbruch zum Versatz; Brita Jansen (Bremen) – Claudia Bührig (Berlin), Die hellenistische Stadtbefestigung von Gadara/Umm Qais (Jordanien) – Anmerkungen zur Baugeschichte und Bautechnik; Filmvorführungen: »L’extraction traditionelle« (»Der traditionelle Gesteinsabbau«) und »L’extraction antique« (»Der antike Gesteinsabbau«); Praktischer Workshop: Steinbearbeitungstechniken an harten und weichen Gesteinen (Kalkstein und Sandstein) (Leitung: Jean-Claude Bessac [Damaskus] und Christoph Kronewirth [Trier/Berlin]). 7. Juni Workshop »Vergangenheitsvorstellungen vormoderner Gesellschaften im Vergleich« (Organisation: Zentrale und Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen, Bonn des DAI). – Es sprachen: Ortwin Dally (Berlin), Begrüßung und Einführung; Thomas Götzelt (Berlin), Grenzen, Paradoxien, Tabus: Über die Konstruktion von Identität im frühen Alten Orient; Stephan J. Seidlmayer (Berlin), Sufûf el Farrân – Ein neuartiger Denkmälerkomplex des Mittleren Reiches in Dahschur (Ägypten); Joachim Heiden (Berlin), Mythenbildung der Eleer und Triphylier; Florian Seiler (Berlin), Erinnerung und Gedächtnis: Einige Fallbeispiele aus Pompeji; Burkhard Vogt (Bonn), Dammbauten und Dammbrüche in Erinnerung und Gedächtnis der Südaraber in vorislamischer Zeit; Andreas Reinecke (Bonn), Geschichte eines Symbols: Die Bronzetrommel; Hans-Georg Hüttel (Bonn), Erinnerung und Gedächtnis in reiternomadischen Kulturen; Hans-Joachim Gehrke (Freiburg), Abschlussdiskussion. 2. bis 5. September Workshop »The First Cataract: One Region – Various Perspectives« (Organisation: Abteilung Kairo des DAI, Interdisziplinäres Zentrum Alte Welt der Freien Universität Berlin, Technische Universität Berlin). – Es sprachen: Dietrich Raue (Kairo), Begrüßung und Einführung; Heiko Riemer (Köln) – Mathias Lange (Berlin),Western Desert Surveys; Maria Gatto (Rom), Late Neolithic Sites; Dietrich Raue (Kairo), Elephantine in the 3rd Millennium: Life in Egypt and Nubia; Richard Bussmann (Berlin), The Social Setting of the Temple of Satet in the 3rd Millennium; Claudia Näser (Berlin), Structures and Realities of Egyptian-Nubian Contacts from the Late Old to the Early New Kingdom; Serena Giuliani (Rom), PanGrave and C-Group between Aswan and Kom Ombo; Stephan J. Seidlmayer (Berlin), Rock Inscriptions at Aswan: Epigraphy and Landscape Archaeology; Cornelius von Pilgrim (Kairo), New Kingdom and Late Period on Elephantine; Anke Blöbaum (Münster), Saite Inscriptions at the 1st Cataract; Wolfgang Müller (Kairo), Hellenistic Aswan; Friedhelm Hoffmann (Würzburg), Demotic Ostraca from Elephantine; Ruth Duttenhöfer (Trier), Greek Documents from Elephantine; Ewa Laskowska-Kusztal (Warschau), Contribution of the Graeco-Roman Elephantine to the Theology of the 1st Cataract Region; Kai-Christian Bruhn (Heidelberg), Shifts of Power at the 1st Cataract; Alison Gascoigne (Southampton) – Pam Rose (Cambridge),The Fortress of El Bab; Philipp Speiser (Berlin), Umayyad, Tulunid and Fatimid Tombs in Aswan; Sophia Björnesjö (Aix-enProvence),The History of Aswan during the Middle Ages; Felix Arnold (MadAA-2008/1 Beiheft Zentrale in Berlin 51 rid), The First Cataract as a Border between two Cultures of Housing?; Adel Kilani (Assuan) – Per Storemyr (Zürich) – Elisabeth Bloxam (London) – Tom Heldal (Oslo), Excavations at the Obelisk and Survey at Wadi Abu Zubeira; Quarries and Areas of Rock-art, Raw Materials of the Region; Magdi Abdin (Assuan), Excavations at the Qubbet El-Hawa; Mohammed El-Bialy (Assuan), Problems and Priorities for Future Work in the Region; Abschlussdiskussion. 2. November Workshop »Forschungen im Schwarzmeergebiet – Archäologie, Geographie, GIS« (in Zusammenarbeit mit dem Interdisziplinären Zentrum Alte Welt der Freien Universität Berlin). – Es sprachen: Ortwin Dally (Berlin) – Katja Moede (Berlin), Eröffnung; Iulian Birzescu (Bukarest), Tari Verde. Eine archaische Siedlung in der histrionischen Chora; Mareike Heinritz (Berlin), Die Siedlung Chertovatoe 7 in der Chora von Olbia; Galina Trebeleva (Moskau), Creation and Use of Geoinformation Systems – Archaeological Sites of Northeast Black Sea Coast; Adam Rabinowitz (Austin), Archaeometric Analysis at Crimean Chersonesos: Prospects and Challenges; Katja Moede (Berlin) – Judith Mahnkopf (Berlin), Ak Kaya – Geowissenschaftliche und archäologische Untersuchungen auf der Zentralkrim; Sergey Smekalov (St. Petersburg), Information System of Archaeological Monuments of Crimea – From the Quantity of Data to the Quality of Research; Daniel Kelterbaum (Marburg), Geoarchäologische Forschungen in ausgewählten Küstengebieten des nordöstlichen Schwarzmeerraums; Abschlussdiskussion. Veranstaltungen zu den Forschungsclustern des DAI 14. Mai Treffen des Forschungsfeldes 1 »Wasser« im Forschungscluster 2 »Innovationen: technisch, sozial« des DAI (Organisation: Florian Klimscha, OrientAbteilung des DAI). – Es sprachen: Ricardo Eichmann (Berlin), Einführung in die Arbeitsgruppenproblematik; Arnulf Hausleiter (Berlin) – Benjamin Heemeier (Lübeck), Bedingungen für Innovationen in Oasen Nordwestarabiens, Beobachtungen in Tayma und Dumat al-Jandal; Klaus Schmidt (Berlin) – Benjamin Heemeier (Lübeck) – Florian Klimscha (Berlin), Künstliche Bewässerungsanlagen des Chalkolithikums in Aqaba; Henning Fahlbusch (Lübeck), Wasserversorgung in Pergamon, technische Überlegungen; Christof Schuler (München), Wasserversorgung in Rom, Schriftquellen; Patrick Keilholz (Lübeck) – Claudia Bührig (Berlin), Zisternenwirtschaft im antiken Gadara, heutiges Umm Qais; Hans-Georg Gebel (Berlin), Neue Befunde aus Ba’ja (präkeramisches Neolithikum) und Qulban Beni Murr (Chalkolithikum), Jordanien; Jutta Häser (Amman), Oasenwirtschaft im Oman; Burkhard Vogt (Bonn), Der Große Damm von Marib; Iris Gerlach (Sana’a), Neue Befunde aus dem Jemen; Andreas Schachner (Istanbul), Zisternenwirtschaft in ïattuÁa (Boğazköy); Abschlussdiskussion. 4./5. Juni Treffen des Forschungsfeldes 2 »Grenzen politischer Räume« im Forschungscluster 3 »Politische Räume« des DAI (Organisation: Joachim Heiden, Zentrale des DAI). – Es sprachen: Joachim Heiden (Berlin), Begrüßung und allgemeine Fragestellung; Andreas V. Walser (München), Sympolitien und Synoikismen. Gesellschaftliche und urbanistische Implikationen von Konzentrationsprozessen in hellenistischer Zeit; Udo Schlotzhauer (Berlin), Kepoi: Survey und Grabungsprojekt; Joachim Heiden (Berlin) – Corinna Rohn (Cottbus), Die antike Siedlungstopographie Triphyliens; Janet Haberkorn (Berlin), Die hellenistischen Stadtbefestigungen von Pergamon; Susanne Sievers (Frankfurt a. M.) – Michèle Eller (Ingolstadt), Das keltische Oppidum von Manching (Bayern); Peter I. Schneider (Berlin), Die Stadtmauer von AA-2008/1 Beiheft 52 Jahresbericht 2007 des DAI Tayma; Dietrich Raue (Kairo) – Stephan J. Seidlmayer (Berlin) – Philipp Speiser (Berlin), Der Erste Katarakt; Andreas Oettel (Berlin), Die frühbyzantinische Siedlung von Tall D\r·t-Süd (Nord-Ost-Syrien); Markus Gschwind (Berlin), Raphaneae; Claus-Michael Hüssen (Frankfurt a. M.), Römische Eroberung und Grenzsicherung; Abschlussdiskussion. 11./12. Juni Treffen des Forschungsfeldes 4 »Orte der Herrschaft« im Forschungscluster 3 »Politische Räume« des DAI (Organisation: Ulrike WulfRheidt, Zentrale, Architekturreferat des DAI). – Es sprachen: Ulrike WulfRheidt (Berlin) – Felix Arnold (Madrid), Begrüßung und Einführung; Joseph Maran (Heidelberg), Tiryns. Transformationen des sozialen und politischen Raumes von der mykenischen Palastzeit zu den ›Dunklen Jahrhunderten‹; Ulrich Thaler (Athen), Die Architektur mykenischer Paläste als Dokument und Gestaltungsrahmen frühgeschichtlicher Sozialordnungen; Axel Posluschny (Frankfurt a. M.), Frühkeltische Fürstensitze und ihr Umland; Torsten Zimmer (Istanbul), Die Basileia von Pergamon; Ulrike Wulf-Rheidt (Berlin), Die Kaiserpaläste auf dem Palatin in Rom; Henner von Hesberg (Rom), Die Domitiansvilla von Castel Gandolfo; Heinz-Jürgen Beste (Rom), Domus Aurea; Rudolf Haensch (München) – Roland Färber (München), Administrative Räume der römischen Reichsverwaltung in der Hohen Kaiserzeit und der Spätantike; Gerda Sommer von Bülow (Frankfurt a. M.), Der spätantike Kaiserpalast Felix Romuliana bei Gamzigrad (Serbien); Felix Arnold (Madrid), Vom römischen zum islamischen Raumverständnis. Spätantike Villen als Wurzel islamischer Palastarchitektur; Diskussion. 29. Oktober Workshop zu Forschungsfeld 1 »Erschließung und Nutzung von Räumen« im Forschungscluster 3 »Politische Räume« des DAI (Organisation: Ingo Motzenbäcker, Eurasien-Abteilung, Knut Rassmann, RGK, Frankfurt a. M. des DAI). – Es sprachen: Ingo Motzenbäcker (Berlin) – Knut Rassmann (Frankfurt a. M.), Begrüßung und Eröffnung; Erich Classen (Köln), Relation und Position – Die Netzwerkanalyse als Bestandteil landschaftsarchäologischer Untersuchungen sozialer Räume; Hans-Peter Hahn (Frankfurt a. M.), Zur Dynamik politischer Systeme ohne Zentralgewalt: Einige anthropologische Einsichten in nichtstaatliche Sozialordnungen; Diskussion; Felix Pirson (Istanbul), Pergamon: Eine hellenistische Residenzstadt und ihr Umland; Gabriele Rasbach (Frankfurt a. M.), Spätaugusteische Stadtanlage von LahnauWaldgirmes; Florian Seiler (Berlin) – Pia Kastenmeier (Pompeji) – Sebastian Vogel (Berlin), Rekonstruktion der antiken Kulturlandschaften des SarnoBeckens. Ein interdisziplinäres Kooperationsprojekt; Ricardo Eichmann (Berlin) – Jutta Häser (Amman), Transformationsprozesse in Oasensiedlungen in Oman; Dieter Vieweger (Jerusalem) – Jutta Häser (Amman), Das »Gadara Region Project« in Nordjordanien; Ortwin Dally (Berlin), Taganrog und sein Umland; Ingo Motzenbäcker (Berlin), Landschaftsarchäologie in Südkaukasien; Knut Rassmann (Frankfurt a. M.), Siedlungsarchäologische Studien zur Frühbronzezeit am Südwestrand des Slowakischen Erzgebirges; Diskussion. 26./27. November Workshop zu Forschungscluster 2 »Innovationen: technisch, sozial« des DAI (Organisation: Orient-Abteilung, Eurasien-Abteilung, Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik, München des DAI). – Es sprachen: Ricardo Eichmann (Berlin) – Svend Hansen (Berlin) – Christof Schuler (München), Begrüßung • Berichte aus den Arbeitsgruppen: Michael Kunst (Madrid), Bericht aus der Metall-AG; Christof Schuler (München), Bericht aus der Wasser-AG; Nils Müller-Scheeßel (Frankfurt a. M.) – Stefan Burmeister (Bramsche-Kalkriese), Bericht aus der Theorie-AG • Berichte aus den Projekten: Mayke Wagner (Berlin), CHIME: Stand der Untersuchungen; Svend Hansen (Berlin) – Agathe Reingruber (Berlin), Pietrele; Michael Prange (Bochum), AA-2008/1 Beiheft Zentrale in Berlin 53 Metalluntersuchungen an kupferzeitlichen Metallobjekten aus Pietrele; Andreas Hauptmann (Bochum) – Ulrich Hartung (Kairo) – Ali Abdel Motelib (Kairo) – Kristina Pfeiffer (Berlin) u. a., Neue Untersuchungen zur Archäometallurgie des Sinai: Vorläufige Ergebnisse; Norbert Hanel (Bochum) – Andreas Hauptmann (Bochum), Das Corpus Massarum Plumbearum Romanarum (CMPR) – Eine interdisziplinäre Bestandsaufnahme zu Herkunft und Handel mit römischen Bleibarren; Ueli Brunner (Pfäffikon), Die antike Oase von Marib. Bewässerungsstrategien und gesellschaftspolitische Organisationsprinzipien als Voraussetzung für die Entstehung und Entwicklung der sabäischen Kultur; A. Schachner (Istanbul), Die Wasserversorgung hethitischer Städte – Grundlage einer Hochkultur; François Bertemes (Halle/Saale), Tavsan Adasi • Allgemeine Perspektiven: Helmuth Schneider (Kassel), Innovationen in vorindustriellen Gesellschaften – Möglichkeiten und Grenzen einer Innovationsgeschichte; Ricardo Eichmann (Berlin), Architektonische Innovationen in Mesopotamien (5.–3. Jahrtausend v. Chr.); Sara Saba (Durham), Water Management in Hellenistic Pergamum: The Astynomoi Law; Christof Schuler (München), Privathäuser und öffentliche Wasserversorgung in antiken Städten; Kerstin Hofmann (Rom), Die Einführung der Brandbestattungssitte im ElbeWeser-Dreieck; Volker Heyd (Bristol), Frühbronzezeitliche Komplexität in Südosteuropa; Abschlussdiskussion. 17./18. Dezember Jahresabschlusstreffen von Forschungscluster 3 »Politische Räume« des DAI (Veranstaltungsort: Frankfurt a. M.; Organisation: Römisch-Germanische Kommission, Frankfurt a. M., Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik, München, Eurasien-Abteilung, Zentrale des DAI). – Es sprachen: Ortwin Dally (Berlin), Begrüßung; Friederike Fless Berlin), »Topoi« und das Cluster • Sektion des Forschungsfeldes 1 »Erschließung und Nutzung von Räumen«: Ingo Motzenbäcker (Berlin) – Knut Rassmann (Frankfurt a. M.), Vorstellung der Ergebnisse des Arbeitstreffens von Forschungsfeld 1; Andreas Zimmermann (Köln), Ressourcen-Nutzung und soziale Verhältnisse zu Beginn des Neolithikums in Mitteleuropa; Diskussion; Florian Seiler (Berlin) – Sebastian Vogel (Berlin) – Pia Kastenmeier (Pompeji), Rekonstruktion der antiken Kulturlandschaften des Sarno-Beckens; Diskussion; Dirce Marzoli (Madrid) – Josef Eiwanger (Bonn), Ein phönizischer Außenposten am Atlantik: Mogador und sein Hinterland; Diskussion • Sektion des Forschungsfeldes 2 »Grenzen«: Joachim Heiden (Athen), Zur Vorgehensweise des Forschungsfeldes; Susanne Sievers (Frankfurt a. M.) – Andreas V. Walser (München), Theoretische Überlegungen zu Grenzen; Diskussion • Referate über Stellungnahmen der Projekte zu zentralen Fragen des Forschungsfeldes: Janet Haberkorn (Berlin) – Corinna Rohn (Cottbus), Grenzen zwischen ähnlichen politischen Räumen; Diskussion; Markus Gschwind (Damaskus) – Claus-Michael Hüssen (Frankfurt a. M.), Grenzen zwischen unähnlichen politischen Räumen; Diskussion • Gastvortrag der Sektion: Ferdinand Pajor (Fribourg), Begrenzung spezifischer Handlungsräume auf dem Münster- und Petersplatz zu Basel im Mittelalter und in der frühen Neuzeit; Diskussion; Plenardiskussion: Planung für das nächste Jahr • Sektion des Forschungsfeldes 3 »Urbane Räume«: Heinz-Jürgen Beste (Rom) – Klaus S. Freyberger (Rom), Vorstellung der Ergebnisse des Arbeitstreffens von Forschungsfeld 3; Andreas Schachner (Istanbul), Vom lokalen Zentrum zur internationalen Metropole. Zur urbanen Entwicklung der hethitischen Hauptstadt Hattusa in der Spätbronzezeit; Klaus S. Freyberger (Rom), Die Basilica Aemilia: Gestaltung und Nutzung urbaner Räume auf dem Forum Romanum in Rom; Axel Filges (Frankfurt a. M.), Strukturwandel des öffentlichen Raumes im spät- und nachantiken Priene;Tonio Hölscher (Heidelberg), AA-2008/1 Beiheft 54 Jahresbericht 2007 des DAI Öffentliche Räume, politische Aktivitäten und religiöse Rituale. Überlegungen zur räumlichen Dimension antiker Lebensformen; Werner Eck (Köln), Urbane Räume und die Präsenz von römischen Herrschaftsträgern • Sektion des Forschungsfeldes 4 »Orte der Herrschaft«: Felix Arnold (Madrid) – Ulrike Wulf-Rheidt (Berlin), Vorstellung der Ergebnisse des Arbeitstreffens von Forschungsfeld 4; Diskussion; Schwerpunktthema »Wege und rituelles Handeln an Orten der Herrschaft«: Rudolf Haensch (München), Einleitung; Claus Ambos (Heidelberg), Rituelle Wege an babylonischen Königssitzen; Joseph Maran (Heidelberg), Tiryns; Diskussion; Henner von Hesberg (Rom), Castel Gandolfo; Felix Arnold (Madrid), Der Weg zum Kalifen. Empfangsrituale und ihre Auswirkung auf die räumliche Gestaltung des Kalifenpalastes von Córdoba; Stephan Hoppe (Köln), Wege und rituelles Handeln in Herrschaftssitzen der Renaissance; Diskussion; Plenarsitzung. Öffentlichkeitsarbeit 9. Mai Jahresempfang des Deutschen Archäologischen Instituts aus Anlass der Sitzung der Zentraldirektion: Jahresbericht des Präsidenten mit anschließendem Festvortrag (Veranstaltungsort: Deutscher Industrie- und Handelskammertag). – Es sprachen: Hermann Parzinger (Präsident des DAI), Aus der Arbeit des Deutschen Archäologischen Instituts 2006; Klaus Schmidt (OrientAbteilung des DAI), Göbekli Tepe – Ein steinzeitliches Bergheiligtum. 14. Juni Gartenempfang aus Anlass der Vorstandssitzung und Mitgliederversammlung der Theodor Wiegand Gesellschaft e.V. sowie der Vorstellung der neu gewählten Reisestipendiaten und Reisestipendiatinnen. – Es sprach: Simone Wolf (Berlin), »Die Königlichen Bäder in Meroë: Ein Prunkbau in der Residenzstadt des afrikanischen Reiches von Kusch«. Am 26. August vertraten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Zentrale das DAI beim Tag der offenen Tür der Bundesregierung im Auswärtigen Amt. Sie betreuten den Stand des DAI und informierten interessierte Besucher über die Aktivitäten des Instituts. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Architekturreferats führen in regelmäßigen Abständen interessierte Gruppen oder Einzelpersonen aus dem In- und Ausland durch das unter Denkmalschutz stehende Wiegandhaus, das 1912 nach Plänen des Architekten Peter Behrens für den Archäologen Theodor Wiegand errichtet wurde. Zudem erfolgten zahlreiche Führungen durch das Naturwissenschaftliche Referat der Zentrale. Lange Nacht der Wissenschaften 9. Juni Lange Nacht der Wissenschaften »Von den Reiternomaden bis zur Weihrauchstraße: Aktuelle Forschungen modern präsentiert« Mongolische Jurte. – Weihrauch. – Filmvorführungen: »Das Geheimnis der Eismumie« (aus der ZDF-Reihe »Schliemanns Erben Spezial«); »Für die Ewigkeit geschaffen, die Särge des Imeni und der Geheset« (zu den Forschungen der Abteilung Kairo); »Jenseits von Eden – Lifestyle in der Steinzeit« (aus der ZDF-Reihe »Terra X« zu Forschungen auf dem Göbekli Tepe, Türkei); »Die Minen des Hephaistos – Hightech in der Kupferzeit« (aus der ZDF-Reihe »Terra X« zu Forschungen im Wadi Aqaba, Jordanien); ZDF-»Morgenmagazin« aus Beirut mit einem Beitrag zu den Forschungen des DAI im Libanon; »Die Kultur der wilden Krieger« (Focus online-Video zur Untersuchung der skythenzeitlichen Eismumie aus der Mongolei in Göttingen). – Führungen durch das Wiegandhaus. – Archäologie für Kinder: Gefunden, gegraben, geborgen – Eine SchatzAA-2008/1 Beiheft Zentrale in Berlin 55 Abb. 59 Workshop für Kinder, Urgeschichtliche Keramik selbst gemacht – Töpfern nach antiken Motiven Abb. 60 Skythen-Ausstellung im MartinGropius-Bau Berlin Abb. 61 Abendempfang zur Eröffnung der Skythen-Ausstellung an der Zentrale des DAI in Berlin 60 AA-2008/1 Beiheft suche; Urgeschichtliche Keramik selbst gemacht – Töpfern nach antiken Motiven (Abb. 59); Antike Schriften auf Papyrus – Erlernen der Technik und der Schrift; Spielen wie in der Antike – Geschicklichkeits- und Würfelspiele mit Knöchelchen, mongolische Knöchelorakel; Erstellen von Rollsiegelabdrücken; Malen und Ausmalen orientalischer Motive. – Multimediapräsentationen: »100 Jahre DAI in Kairo«: Leinwand- und 3D-Präsentation der Forschungen in Elephantine, Historische Bilder und Fotos zur Geschichte der Abteilung Kairo; Mit Google Earth zu den aktuellen Fundstellen des DAI; Bilder aus dem Leben von Theodor Wiegand (1864–1936), ehemaliger Präsident des DAI. – Naturwissenschaften und Archäologie: Gruppenführungen zu den naturwissenschaftlichen Laboren des DAI; Präsentationen: Archäozoologie, Tierknochen erzählen Geschichte; Dendrochronologie, Holz als Kalender; Archäobotanik, Samen und Früchte aus 10 000 Jahren Landwirtschaft und Ernährung. – Benefiz-Tombola. – Büchertisch mit Publikationen der Archäologie. – Infostand der Gesellschaft der Freunde des Deutschen Archäologischen Instituts – Theodor Wiegand Gesellschaft e.V. (TWG). – Orgel-Musik der Antike (Gruppe »Musica Romana«). – Vorträge: Markus Reindel (Bonn), Technische Innovationen in der Archäologie; Adje Both (Berlin), Forschungen zur Musikarchäologie in Mexiko mit Tonbeispielen; Norbert Nebes (Jena), Die Kriegsherren der Weihrauchstraße: Was sagt uns der Inschriftenstein von Sirwah, Jemen? Zur Geschichte des Weihrauchs; Hermann Parzinger (Berlin), Der Krieger aus dem Eis: Zum Fund einer skythenzeitlichen Mumie im mongolischen Altaj; Dietrich Raue (Kairo), Aktuelle Grabungen in Elephantine; Mayke Wagner (Berlin), Das vergessene Volk der Salar, Nordwest-China; Ricardo Eichmann (Berlin), Forschungen des DAI im Vorderen Orient; Claudia Beuger (Berlin), Die Funde auf dem Göbekli Tepe. Abbildungsnachweis: DAI, Zentrale, P. Grunwald (Abb. 59). Ausstellung 6. Juli bis 31. Oktober Skythen-Ausstellung »Im Zeichen des Goldenen Greifen. Königsgräber der Skythen« (Abb. 60. 61; Ausstellungsort: MartinGropius-Bau Berlin; Organisation: DAI, Museum für Vor- und Frühgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz; in Zusammenarbeit mit dem Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg und der Kulturstiftung der Hypo-Kunsthalle München; Schirmherrschaft: Bundespräsident Horst Köhler, Präsident der Russischen Föderation Vladimir Putin, Präsident der Ukraine Viktor Jusčenko, Präsident der Republik Kazachstan Nursultan 61 56 Jahresbericht 2007 des DAI Nasarbajev, Präsident der Mongolei Nambaryn Enkhbayar) • Am 4. Juli fand ein Festakt im Abgeordnetenhaus des Landes Berlin statt. – Es sprachen: KlausDieter Lehmann (Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz), Begrüßung; Frank-Walter Steinmeier (Bundesminister des Auswärtigen, Abb. 62) – Aleksandr S. Sokolov (Minister für Kultur und Massenmedien der Russischen Föderation) – Jurij Bohutskyi (Kulturminister der Ukraine) – Askar Buribajev (Stellv. Kulturminister der Republik Kazachstan) – Sanjbegz Tumur-Odir (Stellv. Kulturminister der Mongolei), Grußworte; Hermann Parzinger (Präsident des Deutschen Archäologischen Instituts), Einführung; Peter-Klaus Schuster (Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin), Eröffnung • Am 5. Juli wurde die Ausstellung im Martin-Gropius-Bau Berlin eröffnet. – Es sprachen: PeterKlaus Schuster (Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin), Begrüßung; Matthias Kleiner (Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft) – Sholban Kara-ool (Präsident der Republik Tuva) – Valerij Sidortschuk (Vorsitzender des Staatlichen Komitees für Tourismus der Republik Chakassien), Grußworte; Hermann Parzinger (Präsident des Deutschen Archäologischen Instituts), Einführung; Wilfried Menghin (Direktor des Museums für Vor- und Frühgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz), Eröffnung • Am 19. September gab es eine Podiumsdiskussion zum Thema »Im Zeichen des Goldenen Greifen. Ziele, Probleme und Chancen der aktuellen Skythenforschung« im Rahmen der Vortragsreihe »Inselperspektiven – Archäologie Universal« (Organisation: DAI, Staatliche Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Deutsche Bank Stiftung). – Es sprachen: Jean Bourgeois (Ghent), Junhi Han (Paris),Wilfried Menghin (Berlin), Anatoli Nagler (Berlin), Hermann Parzinger (Berlin); Gesprächsleitung: Andreas Kilb (Berlin). Abbildungsnachweis: DAI, Zentrale, P. Grunwald (Abb. 60–62). Abb. 62 Bundesaußenminister FrankWalter Steinmeier anlässlich des Festakts im Abgeordnetenhaus des Landes Berlin zur Eröffnung der Skythen-Ausstellung Veröffentlichungen Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts, 121, 2006 Archäologischer Anzeiger 2006/1 und 2006/2 Archäologischer Anzeiger 2007/1 Jahresbericht 2006, Beiheft zum Archäologischen Anzeiger 2007/2 Archäologische Forschungen 23, Aizanoi 1: Ph. Niewöhner, Aizanoi, Dokimion und Anatolien. Stadt und Land, Siedlungs- und Steinmetzwesen vom späteren 4. bis ins 6. Jahrhundert n. Chr. Demetrias 7: K. Hornung-Bertemes, Terrakotten aus Demetrias Didyma III 4: Th. G. Schattner, Die Fundkeramik vom 8. bis zum 4. Jahrhundert v. Chr. Mit einem Beitrag von J. Riederer Didyma III 5: A. Filges, Skulpturen und Statuenbasen von der klassischen Epoche bis in die Kaiserzeit. Mit einer Neubearbeitung der Inschriften auf den Basen durch W. Günther Kalapodi 2: R. C. S. Felsch, Zur Stratigraphie des Heiligtums. Die Bronzefunde. – H.-O. Schmitt, Die Angriffswaffen Kerameikos 18: F. Ruppenstein, Die submykenische Nekropole. Neufunde und Neubewertung Milesische Forschungen 5: J. Cobet –V. von Graeve – W.-D. Niemeier – K. Zimmermann (Hrsg.), Frühes Ionien. Eine Bestandaufnahme. Panionion-Symposion Güzelçamlı, 26. September – 1. Oktober 1999 Olympische Forschungen 32: H. Baitinger – Th. Völling (†), Werkzeug und Gerät aus Olympia. Mit einem Beitrag von H. Born AA-2008/1 Beiheft Zentrale in Berlin 57 Samos 25: Ch. Hendrich, Die Säulenordnung des ersten Dipteros von Samos Sarkophag-Studien 3: G. Koch (Hrsg.), Akten des Symposiums des SarkophagCorpus 2001, Marburg, 2.–7. Juli 2001 Sarkophag-Studien 5: F. Işik, Girlanden-Sarkophage aus Aphrodisias U. Hübinger – M. Menninger, Terrakotten der Westgriechen im Akademischen Kunstmuseum der Universität Bonn Bibliotheken und Archive des DAI Bibliotheken: Die Bibliotheken des DAI besitzen einen Gesamtbestand von ca. 850 000 Bänden, verteilt auf 11 Standorte. Der Ausbau des Angebots der Bibliotheken des DAI konnte in diesem Jahr kontinuierlich fortgesetzt werden. So wurde z. B. die bibliographische Nachweissituation verbessert, indem das Angebot der elektronisch nachgewiesenen Daten um die der Abteilung Kairo des DAI (<http://opac.kairo.dainst.org/>) sowie der Forschungsstelle Amman des Deutschen Evangelischen Instituts (DEI) erweitert (<http://opac-dei. dainst.org/>) wurde. In den Abteilungen Rom, Istanbul, Madrid sowie der Römisch-Germanischen Kommission und der Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik konnte die Retrokatalogisierung fortgesetzt werden, in der Orient-Abteilung wurde ein großer Teil an arabischsprachigen Titeln aufgenommen. In der Eurasien-Abteilung kam die Umsignierung von ca. 70 000 Bänden zum Abschluss. Raumbezogene Literatur für die »Archäologische Bibliographie« im Bereich Festschriften und Kongressberichte konnte aufgrund von Mitteln des Exzellenzclusters »Topoi« aufgearbeitet werden. Bei der Römisch-Germanischen Kommission wurde die Anzahl der bei der »Bibliographie zur Vor- und Frühgeschichte Europas« kooperierenden internationalen Partner erweitert. Für die gesamte Sacherschließung wurden zusätzliche Kooperationsmöglichkeiten ausgelotet. In Rom und Madrid erfolgten Bauarbeiten, in Bonn fand ein kompletter Umzug der Bibliothek statt, in Kairo ein Umzug von 10 000 Bänden in eine neue Kompaktusanlage. Der Ausbau der Virtuellen Fachbibliothek Altertumswissenschaften »Propylaeum« (<http://www.propylaeum.de>) unter der Federführung der Bayerischen Staatsbibliothek München, der Universitätsbibliothek Heidelberg, der Universitätsbibliothek Tübingen sowie der Humboldt-Universität zu Berlin konnte fortgesetzt werden; die laufende Projektmitarbeit seitens des DAI war intensiv, u. a. wurden die ZENON-Daten in Propylaeum Search integriert. Der Bereich präsentierte sich bei diversen nationalen und internationalen Fachveranstaltungen, Vertreter des Bibliotheks- und Archivwesens bzw. der DFG statteten dem DAI Besuche ab. Archive: Für die Archive des DAI wurde die Gesamtübersicht, gegliedert nach Nachlass- und Autographenarchiven, Altregistraturen und Institutsakten sowie nach Grabungsarchiven, laufend ergänzt. Für die geplante elektronische Erschließung wurden Kernfelder erarbeitet, die Evaluierung verschiedener Datenbanksysteme wurde fortgesetzt. Ein Schwerpunkt der Arbeiten lag auf dem Forschungscluster 5 »Geschichte des Deutschen Archäologischen Instituts im 20. Jahrhundert« des DAI. In der Abteilung Athen konnten Archivarbeiten intensiviert werden. Arbeiten für die Erstellung eines Aktenplans für das gesamte DAI wurden begonnen. Etat: Für den Bereich Bibliotheken und Archive konnten Sondermittel zur Verfügung gestellt werden. Hierfür wurde ein Verteilungsschlüssel nach Standorten erstellt und von der ZD bestätigt. Die Mittel wurden für dringend AA-2008/1 Beiheft 58 Jahresbericht 2007 des DAI notwendige Buchbinderarbeiten, Lückenergänzungen, Regalausstattung und Bestandserhaltung sowie personelle Unterstützung verwendet. Bibliotheksdirektorin: M. Linder. Stipendien Reisestipendium Das Reisestipendium wurde an Birgit Bergmann, Christiane Brasse, Christina Leypold, Jens Pflug und Nicolas Zenzen verliehen. Das Reisestipendium der Kommission für Alte Geschichte und Epiraphik, München, erhielt Clemens Koehn. Je ein halbes Reisestipendium der Römisch-Germanischen Kommission wurde Mariya Stefkova Ivanova und Martin Furholt zuerkannt (Abb. 63). Abbildungsnachweis: DAI, Orient-Abteilung, A. Altenburg (Abb. 63). Abb. 63 Die Reisestipendiaten 2007 des DAI mit dem Präsidenten Hermann Parzinger (vorne Mitte) und den Referenten des Generalsekretärs Susanne Moraw (vorne rechts) und Hauke Ziemssen (hinten, zweiter von links), vordere Reihe von links: Birgit Bergmann, Mariya Stefkova Ivanova, Christina Leypold und Christiane Brasse; hintere Reihe von links: Clemens Koehn, Nicolas Zenzen, Martin Furholt und Jens Pflug Fortbildungsstipendium Je ein Fortbildungsstipendium des Instituts wurde Frauke Heinrich, Roland Oetjen, Iken Paap und Andrea Schmölder-Veit zugesprochen. Mitglieder des Instituts Das Institut betrauert den Tod seiner Mitglieder Hermann Behrens (Wedel), Kurt Böhner (Dinkelsbühl), Jean Bottéro (Gif-sur-Yvette), Ludwig Budde (Münster), Riccardo Francovich (Siena), Peter Marshall Fraser (Oxford), Pietro Griffo (Rom), Karl Georg Hauck (Münster), Friedrich W. Hinkel (Berlin), Hans B. Jessen (Berlin),Werner Krämer (Wiesbaden), Leonid Romanovič Kyzˇ Meduna (Brno), Hans Georg lasov (Moskau), Hans K. Lauter (Marburg), Jirí Niemeyer (Hamburg), Hansgeorg Oehler (Neustadt a. d. Weinstraße), Anton Pestalozzi (Zürich), Luigi Polacco (Venedig), Friedrich Rakob (Münster), Adolf von Schebek (Frankfurt a. M.), Josef Speck (Zug), Kenneth Arthur Steer (Cheltenham), Raci Temizer (Ankara), Edibe Uzunoğlu (Istanbul), Henri van Effenterre (Paris) und Jerzy Aleksander Wielowiejski (Warschau). AA-2008/1 Beiheft Zentrale in Berlin 59 Das Institut wählte zu Ordentlichen Mitgliedern Martin Bachmann (Istanbul), Karin Bartl (Damaskus), Friederike Fless (Berlin), Iris Gerlach (Sanaa), Joseph Maran (Heidelberg), Henner von Hesberg (Rom), Barbara Helwing (Berlin), Jürgen Kunow (Bonn), Hartmut Leppin (Frankfurt a. M.), Carola Metzner-Nebelsick (Berlin), Bernhard Palme (Wien), C. Sebastian Sommer (München) und Eva Stauch (Münster). Zu Korrespondierenden Mitgliedern wurden gewählt Juan Manuel Abascal Palazón (Alicante), Abbas Alizadeh (Chicago), Walter Ameling (Jena), Joni Apakidze (Tbilisi), Michael Baales (Olpe), Anna Banaka-Demake (Nauplio), Dovdoi Bayar (Ulaanbaatar), José Beltrán Fortes (Sevilla), Reinhard Bernbeck (Binghamton), Hartwin Brandt (Bamberg), David Braund (Exeter), Helmut Brückner (Marburg), Alla Bujskikh (Kiev), Damdinsuren Ceveendorž (Ulaanbaatar), Hélène Cuvigny (Paris), Philippe della Casa (Zürich), Rudolf Echt (Saarbrücken), Torsten Erik Edgren (Helsinki), Magdy el-Ghandour (Kairo), Lothar von Falkenhausen (Los Angeles), Vincenzo Fiocchi Nicolai (Rom), Irene Forstner-Müller (Kairo), Eckart Frahm (New Haven), Ángel Fuentes Domínguez (Madrid), Antonio Gilman (Northbridge), Ian Glover (London), Andrea Gnirs (Basel), Katja Goebs (Toronto), Ernie Haerinck (Ghent), Nairi Hampikian (Kairo), Jan Harff (Güstrow), Stefan R. Hauser (Halle), Günther Hell (Karlsruhe), Eric Huysecom (Genf), Salima Ikram (Kairo), Dénes Jankovich-Bésán (Budapest), Sławomir Kadrow (Krakau), Jochem Kahl (Münster), Ismail Karamut (Istanbul), Necmi Karul (Istanbul), Lorenz Korn (Bamberg), Klaus Kortüm (Esslingen), Ants Kraut (Tallinn), Detlev Kreikenbom (Mainz), Kristian Kristiansen (Göteborg), Stephan Kroll (München),Vladimir D. Kuznetsov (Moskau), Audran Labrousse (Paris), Bashkim Lahi (Tirana),Thijs Jakob Maarleveld (Oksbol), Christoph Markschies (Berlin), Emilio Martín Córdoba (Málaga), Walter Melzer (Soest), Pierre Moret (Madrid), Sarah Morris (Los Angeles), Felix Müller (Bern), Maria-Fotini Papakonstantinou (Lamia), Letizia Pani Ermini (Rom), Susan Pollock (Binghamton), Daniel T. Potts (Sydney), Heiko Prümers (Bonn), Jurij Rassamakin (Kiev), Jessica Rawson (Oxford), Christian Robin (Paris), Robert Rollinger (Innsbruck), Antonella Romualdi (Firenze), Claudio Sabbione (Kalabrien), Karin Sadr (Johannesburg), Rubí Sanz Gamo (Madrid), Rolf Michael Schneider (München), Michael Schultz (Göttingen), Erdmute Schultze (Berlin), Amida Sholan (Sanaa), Marzena Smyt (Poznan), Josef Steiner (Karlsruhe), Harald Stümpel (Kiel), Barbara Theune-Großkopf (Konstanz), Claudia Theune-Vogt (Berlin), Andreas Thiel (Bad Homburg), Hilke Thür (Wien), Markus Trunk (Trier), Helle Vandkilde (Aarhus), Paraskevi Vasilopoulou (Athen), Monika Verzàr-Bass (Trieste), Dieter Vieweger (Wuppertal), Ralf von den Hoff (Freiburg), Detlev Wannagat (Rostock), Nicolas Warner (Kairo), Paul Yule (Heidelberg) und Denis Zuravlev (Moskau). AA-2008/1 Beiheft Abteilung Rom Abteilung Rom Via Sardegna, 79 I-00187 Rom Tel.: +39-06-488 81 41 Fax: +39-06-488 49 73 E-Mail: [email protected] Direktoren Prof. Dr. Henner von Hesberg, Erster Direktor Prof. Dr. Klaus Stefan Freyberger, Wissenschaftlicher Direktor Wissenschaftliche Mitarbeiter Dr.-Ing. Heinz-Jürgen Beste, Dr. Sylvia Diebner, Dr. Olaf Dräger (bis 31. 8.), Dr. Matthias Grawehr (ab 1. 12.), Dr. Thomas Fröhlich, Dr. Sophie Helas, PD Dr. Richard Neudecker Auslandsstipendiaten Dr. David Knipp, Dr. Kerstin Hofmann Wissenschaftliche Hilfskräfte Kristine Iara M. A., Katharina Meinecke M. A., Sabine Patzke (ab 19. 2.) Aus Drittmitteln finanzierte Stellen Nadin Burkhardt M. A. (Gerda Henkel Stiftung), Dipl.-Ing. Christine Ertel (DFG), Martin Köder M. A. (Gerda Henkel Stiftung, bis 30. 9.), Johannes Lipps M. A. (DAAD), Christiane Nowak M. A. (Gerda Henkel Stiftung), Dr. Ellen Thiermann (Gerda Henkel Stiftung), Dr. Andreas Thomsen (Gerda Henkel Stiftung), PD Dr. Markus Wolf (Gerda Henkel Stiftung) Abteilung Rom 63 Ausgrabungen und Forschungen Rom, Basilica Aemilia, ›Partherbogen‹ (›Arco di Giano‹) und Basilica Iulia Basilica Aemilia: Zu den bekanntesten öffentlichen Repräsentationsbauten zählt die Basilica Aemilia auf dem Forum Romanum. Aus der Auswertung der archäologischen Zeugnisse und der schriftlichen Überlieferung lassen sich im Wesentlichen vier Bauphasen ableiten. Das originale Gebäude, ein eingeschossiger Bau, wurde 179 v. Chr. eingeweiht. Eine Renovierung fand etwa um die Mitte des 2. Jhs. v. Chr. statt. In der dritten Phase erhielt das Bauwerk ein Obergeschoss mit einer neuen und entschieden größeren Portikus auf der Südseite. Nach einem Brand im Jahr 14 v. Chr. wurde der Monumentalbau gänzlich renoviert und mit Marmor ausgestattet. Entgegen der allgemeinen Annahme wurde das Bauwerk nach einer Brandschatzung durch die Westgoten im Jahr 410 n. Chr. nicht aufgegeben, sondern vollständig wiederhergestellt. Die Basilica Aemilia diente bis in das 7. Jh. n. Chr. als Bank und Gerichtsgebäude. Da sie ein viel besuchtes Bauwerk war, eignete sie sich als Schauplatz für die Repräsentation ihrer politischen Akteure. Während in der republikanischen Zeit sich die Familienoberhäupter der Aemilier mit eigenen Bildwerken zur Schau stellten, nahmen in der Kaiserzeit zunehmend die Kaiser das Bauwerk für ihre propagandistischen Zwecke in Anspruch. Vor der Portikenfront auf der Südseite der Basilica Aemilia kamen bei Säuberungsarbeiten sechs kleine Bezirke von 2 m × 3 m Größe zutage, die ursprünglich mit einer Brüstung umfriedet waren. Am Eingang auf der Schmalseite führten Stufen in den tiefer gelegenen Bezirk hinab, an dessen rückwärtiger Schmalseite sich das Sacellum befand. Zahlreiche Heiligtümer dieser Formgebung und Größe säumten den Forumsplatz und dessen Umfeld, wobei die Venus Cloacina (Abb. 1), der Niger Lapis und der Lacus Curtius zu den bekanntesten Kultbauten dieser Art zählen. Nach der prominenten Lage entlang dem Nordrand der Via Sacra und der langen Nutzung zu schließen, hatten diese Monumente über einen langen Zeitraum einen hohen Stellen- und Erinnerungswert. ›Partherbogen‹ (›Arco di Giano‹): Zwischen dem Ehrenbogen für Gaius und Lucius Caesar, der an der Südostecke der Basilica Aemilia aufragte, und dem Tempel des Divus Iulius auf der Ostseite des zentralen Forumsplatzes stand über Abb. 1 Rom, Basilica Aemilia. Portiken, Südseite. Sacellum der Venus Cloacina AA-2008/1 Beiheft 64 Jahresbericht 2007 des DAI Abb. 2 Rom, ›Partherbogen‹, Platte der Fasti consulares Abb. 3 Rom, Basilica Iulia, Fußboden mit streifenförmiger Ausnehmung zur Aufnahme einer Schranke 2 3 dem tieferen Niveau der Via Sacra ein weiterer Bogen, der als ›Arco di Giano‹ bezeichnet wird. Nach den Zeichnungen von P. Ligorio waren im Durchgang an den Innenseiten der Pylone die Fasti consulares (Abb. 2) und triumphales angebracht. Zudem trug das Monument Reliefs und Statuen zur Schau, die das wie ein Sieg gefeierte Friedensabkommen des Princeps mit den Parthern verherrlichten. Der Thematik zufolge handelt es sich bei diesem Torbau um den ›Partherbogen‹, dem Septimius Severus nach seinen siegreichen Feldzügen gegen die Parther nahezu 200 Jahre später einen Triumphbogen am Beginn des Aufgangs der Via Sacra zum Kapitol bedeutungsträchtig gegenüberstellen ließ. Es ist geplant, alle bekannten Bauglieder dieses Torbogens und des ›Augustusbogens‹ auf der Südseite des Tempels des Divus Iulius in Zeichnungen und Photographien aufzunehmen, um eine möglichst fundierte Rekonstruktion beider Bögen zu gewinnen. Basilica Iulia: Die aus den Untersuchungen abgeleiteten Ergebnisse über die Basilica Aemilia werfen die Frage nach der Rolle der Basilica Iulia auf dem Forum Romanum in Rom auf. Aus diesem Grund wurde ein weiteres Projekt zur Basilica Iulia konzipiert. In einem ersten Schritt werden alle vorhandenen Bausubstanzen und Fragmente des Gebäudes in maßstäblichen Zeichnungen aufgenommen, um einen Grund- und Aufriss sowie die Bauphasen von republikanischer bis spätantiker Zeit zu gewinnen. Begonnen wurde mit der Freilegung des marmornen Fußbodens und der Aufnahme und Kartierung der auf den Platten vorhandenen Spuren (Dübel- und Klammerlöcher, Einlassungen für Schranken, Zeichnungen von Spielfeldern, Abb. 3). Die geplante Studie gilt aber nicht nur dem Ziel, den architektonischen Befund des Bauwerks zu studieren, sondern auch dessen Bestimmung und funktionale Verknüpfung mit den angrenzenden Bauten auf dem Forumsplatz – insbesondere mit der Basilica Aemilia – zu klären. Dabei geht es schließlich um die Beantwortung der Frage, in welcher Weise die politischen Institutionen und Räume im Bereich des zentralen Forumsplatzes in der Republik und der Kaiserzeit definiert und genutzt wurden. Kooperationspartner: Soprintendenza Autonoma per i Beni Archeologici di Roma (A. Bottini, I. Iacopi); Comune di Roma (E. La Rocca, C. Parisi-Presicce); Forschungsarchiv Antike Plastik der Universität zu Köln (R. Förtsch); Archäologisches Institut der Ludwig-Maximilians-Universität München AA-2008/1 Beiheft Abteilung Rom 65 (R. Schneider); Institut für Geodäsie der Technischen Universität München (K. Schnädelbach, Th. Wunderlich); Institut für Historisch-Kulturwissenschaftliche Informationsverarbeitung an der Universität zu Köln (M. Thaller) • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: K. S. Freyberger • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: I. D’Angelo, A. Darwisch, Ch. Ertel, M. de Felice, J. Lipps, M. Sclafani, K. Tacke, M. Taviani, F. Willems • Abbildungsnachweis: D-DAIRom-dig2007.8060, D-DAI-Rom-dig2007.7285, H. Behrens (Abb. 1. 2); K. S. Freyberger (Abb. 3). Rom, Heiligtümer des Kaiserkultes auf dem Marsfeld Die Heiligtümer des Kaiserkultes auf dem Marsfeld standen schon lange im Mittelpunkt des wissenschaftlichen Interesses an der römischen Topographie. An ihnen lässt sich von der frühen Kaiserzeit und den ersten unter Augustus angelegten Bauten (Pantheon, Mausoleum) bis hin zu den Anlagen des 2. Jhs. n. Chr. unter Hadrian und den Antoninen die steigende Bedeutung des Kultes innerhalb der ideologischen Rechtfertigung des Herrschaftsanspruchs der Kaiser nachvollziehen. Im Mittelpunkt des Projekts steht der Wandel im 2. Jh. n. Chr., in dem das Marsfeld eine neue Orientierung in West-Ost-Richtung erhielt, die stärker von der Via Flaminia (heutige Via del Corso) hin zum Mausoleum des Hadrian jenseits des Tibers führte, und damit die alte SüdNord-Achse vom Pantheon zum Mausoleum des Augustus markant kreuzte. Wie diese Überlagerung im Einzelnen vor sich ging, ist weitgehend unklar, nicht zuletzt wegen des Mangels an einer zusammenfassenden Auswertung der teilweise sehr unterschiedlichen Dokumentation der diversen Grabungen und Sondagen in den jeweiligen Gebäuden der Region. Ausgehend von den Untersuchungen, die aufgrund von Bauarbeiten gerade im Bereich des ›Templum Matidiae‹ durchgeführt werden, wurde zunächst in dem Viertel um die Piazza Capranica ein Netz von Messpunkten fixiert. Das sollte zum einen die Möglichkeit bieten, die älteren Forschungen des Instituts unter der Aegide von E. Buchner im Bereich von S. Lorenzo in Lucina mit in die Überlegungen einzubeziehen, vor allem aber helfen, die diversen Bauten im Bereich zwischen Pantheon im Westen und der Säule des Mark Aurel und des Hadrianstempels im Osten als Einheit zu erfassen und die diversen unterschiedlichen Dokumentationen in ihren Niveaus und Ausrichtungen zusammenzuführen (Abb. 4). Abb. 4 Rom, Heiligtümer des Kaiserkultes auf dem Marsfeld. Die Position der Säulenstellungen des Tempels für Hadrian und des ›Tempels der Matidia‹ auf dem Marsfeld AA-2008/1 Beiheft 66 Jahresbericht 2007 des DAI Kooperationspartner: Soprintendenza Archeologica di Roma (F. Filippi); Institut für Geodätische Messtechnik und Ingenieurgeodäsie der EidgenössischenTechnischen Hochschule (ETH) Zürich (H. Ingensand) • Leitung des Projekts: H.-J. Beste, H. von Hesberg • Mitarbeiter: C. Cioffi, F. Dellera • Abbildungsnachweis: Comune di Roma, ergänzt durch DAI, Abteilung Rom (Abb. 4). Rom, Domus Aurea Nach der guten und erfolgreichen Zusammenarbeit bei Projekten zwischen der Soprintendenza Archeologica di Roma und dem DAI ist nun erneut die Soprintendenza an das Institut mit der Bitte herangetreten, bei der mannigfachen Bewältigung der Probleme (unvollständige graphische Dokumentation, unzureichende Kenntnisse der baulichen Situation sowie der statischen Verhältnisse) in dem Baukomplex der Domus Aurea behilflich zu sein. Nach dem großen Brand in Rom 64 n. Chr. ließ Nero in kürzester Zeit und mit einem Geldaufwand, der die Staatskasse auf Jahre hinaus belastete, bis zu seinem Tod im Jahr 68 n. Chr. eine neue Kaiserresidenz errichten, die weitaus größer und luxuriöser war als die vorherigen Anlagen der Domus Tiberiana und Domus Transitoria. Die sich auf ca. 80 ha verteilende Anlage zwischen Palatin, Oppius und Caelius umfasste neben dem eigentlichen Residenzgebäude (Domus Aurea) einen künstlichen See, an dessen Stelle heute das Kolosseum steht, ein gigantisches Nymphaeum, Portiken und Gartenanlagen (Abb. 5). Dieser ganze – zum Zeitpunkt des Todes Neros zwar noch nicht vollendete – Komplex zählt dennoch mit den Palastanlagen auf dem Palatin, der Domitiansvilla in Castel Gandolfo und der Hadriansvilla bei Tivoli zum Inbegriff einer Kaiserresidenz. Unter Kaiser Vespasian (70–79 n. Chr.) wurde die Fertigstellung des Projekts nicht weiter betrieben, vielmehr wurden mit der Errichtung einer Therme Abb. 5 Rom, Domus Aurea. Blick auf das Kolosseum und den nordöstlichen Bereich der Domus Aurea (Colle Oppio) AA-2008/1 Beiheft Abteilung Rom 67 Abb. 6 Rom, Domus Aurea. Neuer Geländeplan vom nordöstlichen Bereich der Domus Aurea (Colle Oppio) (Titustherme) und eines Amphitheaters (Kolosseum) mit den dazugehörigen Einrichtungen für Gladiatorenschulen und Magazine weite Teile des Residenzareals umgestaltet. Ein Brand im Jahr 106 n. Chr. beschädigte das vermutlich halbfertige und offen gelassene Residenzgebäude (Domus Aurea) schwer, so dass man die Anlage später als Substruktion für den Bau der ›Trajansthermen‹ nutzte. Da Repräsentation ein in seinen Zielen zeit- und raumunabhängiges Anliegen der Mächtigen ist, in seiner konkreten materiellen Umsetzung dagegen durch den jeweiligen historischen und kulturellen Kontext geprägt wird, eignet sich die Domus Aurea besonders für eine Untersuchung zum Thema Residenz und Herrschersitze. Um diesen in seiner ganzen Ausdehnung im modernen Stadtgebiet Roms fassen bzw. rekonstruieren zu können, wurde – bevor die Untersuchungen in der eigentlichen Domus Aurea starten – mit der Erstellung eines Geländemodells begonnen (Abb. 6). An diesem soll die topographische Veränderung, die das Areal in der Antike aufgrund seiner mehrfachen Überbauung erfahren hat, sichtbar und nachvollziehbar gemacht werden. Kooperationspartner: Soprintendenza Archeologica di Roma; Institut für Geodätische Messtechnik und Ingenieurgeodäsie der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich (H. Ingensand) • Förderung: Soprintendenza Archeologica di Roma • Leitung des Projekts: H.-J. Beste • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: T. Kohoutek, Th. Hew • Abbildungsnachweis: Th. Hew (Abb. 5. 6). Rom, Grabmal der Haterier, Visualisierung Das Grabmal der Haterier lag im Westen Roms an der Via Casilina. Es handelt sich um das Monument einer Familie von Bauunternehmern aus dem Ende des 1. Jhs. n. Chr., wie vor allem auch der Bildschmuck der Anlage bezeugt. Darin erscheinen öffentliche Bauten aus der Zeit der flavischen Kaiser, an deren Errichtung die Haterii beteiligt wurden. Teile seiner überaus reichen Ausstattung aus Marmor wurden bei Grabungen 1848 gefunden und befinden sich heute in den Vatikanischen Museen. Bis heute fehlt allerdings jegliche Vorstellung von der Gestalt der Anlage, denn auch bei späteren Nachgrabungen fanden sich keine Hinweise auf einen Bau. Die erste, in Zeichnungen umgesetzte Rekonstruktion orientiert sich an dem weit verbreiteten Typus der frei stehenden Tempelgräber, wie er übrigens auch – allerdings in deutlich AA-2008/1 Beiheft 68 Jahresbericht 2007 des DAI 7a Abb. 7 a. b Rom, Grabmal der Haterier. Visualisierung des Innenraumes unter Einbezug der unterschiedlichen Form der Beleuchtung 7b reicherer Form – auf einem der Reliefs im Bau wiedergegeben ist. Dabei lassen sich die bekannten Teile sehr gut zuweisen. In der Folge wurde jetzt eine räumliche Visualisierung entworfen. Dabei sollte besonders auf die Wirkung des Marmors im Innenraum geachtet und die unterschiedliche Form der Beleuchtung untersucht werden (Abb. 7 a. b). Kooperationspartner: Fachhochschule Düsseldorf (J. Herder) • Leitung des Projekts: H. von Hesberg • Mitarbeiterin: S. Lambertz • Abbildungsnachweis: S. Lambertz (Abb. 7 a. b). AA-2008/1 Beiheft Abteilung Rom 69 Abb. 8 Rom, Palatin, Kaiserpalast, Hippodrom. Ansicht Richtung Nordwesten Abb. 9 Rom, Palatin, Kaiserpalast. Detail eines Kompositkapitells aus dem Hippodrom AA-2008/1 Beiheft Rom, Palatin, Kaiserpalast, Hippodrom Der Hippodrom ist die aufwendigste Gartenanlage im Kaiserpalast auf dem Palatin. Kennzeichnend für diese Art von Gärten, die hippodromi, sind ihre langgestreckte Form mit einer gekrümmten Schmalseite sowie eine größtenteils freie Innenfläche. Die Dissertation zur Bauornamentik des Hippodroms im Kaiserpalast auf dem Palatin in Rom (Abb. 8) stellt einen Beitrag zur Erforschung des römischen Kaiserpalastes sowie der stadtrömischen Bauornamentik der Kaiserzeit dar. Ihre Materialbasis ist ein Katalog von 980 bisher größtenteils unpublizierten Bauteilen, die im Laufe der Bearbeitungszeit vermessen und zeichnerisch, photographisch sowie beschreibend dokumentiert wurden (Abb. 9). Die Auswertung erfolgte auf der Grundlage der Zuordnung der Bauteile zu den Bauphasen des Hippodroms und ihrer Verbindung zu den Dekorationssystemen sowie der Rekonstruktion des Baus. Im Zentrum der Betrachtung standen die Auswahl der Baumaterialien und des Dekors, die Disposition und Hierarchie der Dekorationsformen sowie die Bedeutung und Integration dieses Bautypus in die Palastarchitektur. Zu den wichtigsten Ergebnissen der Arbeit gehört die Rekonstruktion des Baus für die flavische und die severische Phase. Es hat sich erwiesen, dass die signifikanten Bestandteile des Baus bereits zur flavischen Bauphase gehören. Die Untersuchung hat ergeben, dass der Großteil sowohl der Bauglieder als auch der Bausubstanz severisch ist, was auf die Restaurierungsmaßnahmen durch Septimius Severus nach dem Brand von 191 n. Chr. zurückzuführen ist. Eine maxentische Phase zeichnet sich in der Baudekoration wie auch im Mauerbefund ab. Die Architekturdekoration des Hippodroms steht im Einklang mit dem Bautypus. Die verwendete Ornamentsprache entspricht dabei dem stadtrömischen Standard. Ihr qualitatives Kennzeichen ist nicht größte Sorgfalt in der Ausführung, sondern Reichtum und Fülle. Die einzelnen Formen und Materialien sind bewusst gewählt, um die Funktion der einzelnen Bereiche in Szene zu setzen oder um die Hierarchisierung bezüglich Raumfunktion und Raumwahrnehmung vor Augen zu führen. Die im Hippodrom eingesetzte Polychromie hatte die Aufgabe, Blick und Schritt des Besuchers zu lenken; seine 70 Jahresbericht 2007 des DAI prunkvolle Gestaltung fand überdies in Wasseranlagen, Statuen und wohl auch in einer kunstvollen Bepflanzung ihren Ausdruck. Der Hippodrom ist nicht als Einzelmonument an die beiden Trakte der Domus Augustana und Domus Flavia angehängt, sondern Teil eines Gesamtgefüges von Gartenanlagen im Kaiserpalast, unter denen es eine herausragende Stellung einnimmt. Die Exklusivität und Repräsentativität dieser Anlage äußert sich in ihrer Größe, im Bautypus, dem ausgesuchten Dekor und auch in ihrer Zugänglichkeit. Die Errichtung eines Hippodroms innerhalb des Palastes bedeutet kaiserliche Repräsentation auf höchstem Niveau. Kooperationspartner: Soprintendenza Autonoma per i Beni Archeologici di Roma (A. Bottini, I. Iacopi, M. A. Tomei) • Projektbearbeiterin: K. Iara • Abbildungsnachweis: K. Iara (Abb. 8. 9). Rom, S. Maria Antiqua Der domitianische Bau am Nordwestfuß des Palatin, in dem nach 580 n. Chr. S. Maria Antiqua installiert wurde, hatte immer eine Schlüsselstellung bezüglich der Kommunikation der Paläste auf dem Palatin mit dem südöstlichen Forum inne. Bei den vorgenommenen Untersuchungen geht es vor allem um eine systematische Analyse der frühchristlichen und frühbyzantinischen Phase des Baus. Im Zusammenhang mit der Rekonstruktion der Konfiguration des Baukörpers erwies es sich zunächst als entscheidend, die datierten Zugänge und die physische Kommunikation mit Palatin und Forum zu prüfen. Hierbei wurde sofort klar, dass eine Einbeziehung des großen, im Westen angrenzenden Saales zwingend ist. Seit R. Delbrücks überwiegend deskriptiver Analyse von 1921 ist dieser gewaltige domitianische Bau, von dem noch große Teile der Nord-, Ost- und Südwand bis zu einer Höhe von 28 m anstehen, völlig unerforscht geblieben, seine Funktion ist unbekannt. Dieser Bau hat von Anfang an mit dem Vorgängerbau von S. Maria Antiqua kommuniziert, ein zeremonieller Weg durch Vestibül und Westsaal zur östlich angrenzenden Palatinrampe ist noch nachvollziehbar: Die Zugänge sind fast überall auch in der spätantiken Phase unverändert geblieben. In der Südostecke der Exedra (= Apsis S. Maria Antiqua) haben sich umfangreiche Fragmente einer Wandinkrustation erhalten: Tondi aus rotem und grünem Porphyr, eingefasst in einen noch unbestimmten weißen, opaken Stein. Das rekonstruierte Schema hat seine nächste Parallele in der Basilica Euphrasiana in Parenzo aus dem 6. Jh. n. Chr. und legt eine Datierung der Ausstattung in justinianische Zeit nahe. Zwei Felder mit grünen Glastesserae am Gewölbeansatz des linken Bemapfeilers konnten mit Hilfe des Gerüstes der gegenwärtig laufenden Restaurierungskampagne neu entdeckt und dokumentiert werden. Sie haben einen Putzuntergrund mit reichlicher Strohbeimischung, bei dem es sich wiederum um eine späte, byzantinische Arbeitsweise handelt. Die Felder entsprechen in Farbe und Untergrund den von G. M. Rushforth 1902 im damals noch intakten (heute modern ersetzten) Gewölbe beschriebenen. Man kann also davon ausgehen, dass das gesamte Gewölbe mosaiziert war. Kooperationspartner: Soprintendenza Autonoma per i Beni Archeologici di Roma (A. Bottini, I. Iacopi, M. A. Tomei) • Projektbearbeiter: D. Knipp. Römische Steinsarkophage im Kontext, Stadtrom und Umgebung Das Promotionsvorhaben ist den Aufstellungs- und Nutzungskontexten römischer Steinsarkophage in Rom und Umgebung von der Republik (5./4. Jh. – 31 v. Chr.) bis in die Kaiserzeit (31 v. Chr. – 3. Jh. n. Chr.) gewidmet. In diesem Jahr wurden vor allem die kaiserzeitlichen Sarkophage des 1.–3. Jhs. n. Chr. untersucht. Hierzu wurden knapp 120 Fundkontexte mit weit über 200 SarkoAA-2008/1 Beiheft Abteilung Rom 71 Abb. 10 Römische Steinsarkophage im Kontext, Nekropole der Isola Sacra. Grab 11, um 140 n. Chr. In das Arkosol der Rückwand, das ursprünglich für eine Körperbestattung in einem Bodengrab vorgesehen war, wurde im Laufe des 2. Jhs. n. Chr. nachträglich ein Reliefsarkophag gestellt und die seitlichen Arkosolien mit aufgemauerten Grablegen mit loculus-Platten verschlossen phagen zusammengestellt, die in Hinblick auf die Materialien und Typen der Sarkophage, die Grabformen, die Aufstellung des Sarkophags im Inneren des Grabbaus, das Verhältnis der Sarkophage zur Innenausstattung der Gräber, die Vergesellschaftung der Sarkophage mit anderen Bestattungen, den sozialen Stand der Beigesetzten und weitere Aussagen aus Bau- und Sarkophaginschriften ausgewertet wurden. Die überwältigende Mehrheit der stadtrömischen Sarkophage stand im Inneren von Kammergräbern, Hypogäen oder unterirdischen Räumlichkeiten mehrgeschossiger Grabanlagen. Dort waren die Sarkophage am häufigsten direkt an eine der Kammerwände herangerückt, in einer Nische oder auf einem aufgemauerten Podest aufgestellt. Die Sarkophage konnten in diesen Aufstellungszusammenhängen sowohl zum ursprünglichen Entwurf der Grabkammern gehören als auch erst sekundär in diese eingebracht worden sein, indem Sockel für ihre Aufstellung eingebaut oder Nischen verwendet wurden, die ursprünglich für andere Bestattungen vorgesehen waren (Abb. 10). Auffällig häufig waren Sarkophage auch für einen möglichen Betrachter unsichtbar aufgestellt, entweder weil sie in einem Bodengrab (fossa) Abb. 11 Römische Steinsarkophage im Kontext, Rom. Via Cassia, Grab des P. Vibius Marianus, ›Tomba di Nerone‹, um 260 n. Chr. Einer der beiden unter freiem Himmel aufgestellten Sarkophage aus der Umgebung Roms AA-2008/1 Beiheft 72 Jahresbericht 2007 des DAI bestattet und teilweise zusätzlich mit Gussmauerwerk versiegelt oder weil sie in der Grabkammer eingemauert oder im Fußboden vergraben waren. Bemerkenswert ist, dass auf diese Weise sowohl aufwendig mit Reliefs verzierte als auch unreliefierte Kästen beigesetzt wurden. Das genaue Gegenteil dieser ›unsichtbaren‹ Sarkophage sind die als eigenständige Monumente unter freiem Himmel aufgestellten hausförmigen Kästen – ein besonders in Oberitalien und im Osten des Imperium Romanum verbreiteter Grabtypus – , der in Rom und Umgebung jedoch nur mit zwei Monumenten erhalten ist (Abb. 11). Im Folgejahr soll die Untersuchung der kaiserzeitlichen Sarkophage fortgesetzt und das Augenmerk vor allem auf den Grabkult gerichtet werden. Projektbearbeiterin: K. Meinecke • Abbildungsnachweis: D-DAI-ROM1969.0732, M. Hutzel (Abb. 10); K. Meinecke (Abb. 11). Castel Gandolfo,Villa des Domitian Die Villa des Domitian in Castel Gandolfo ist der wichtigste Landsitz dieses Herrschers außerhalb Roms, auf dem auch Feste (ludi) ausgerichtet wurden. Die Arbeiten konzentrierten sich auf die mittlere Terrasse, die den zentralen Teil der Gesamtanlage bildet. Dabei haben die durchgeführten geophysikalischen Prospektionen zu Ergebnissen unterschiedlicher Eindeutigkeit geführt. Zum einen wurde klar, dass dort mit einer umlaufenden Portikus von ca. 9 m Tiefe zu rechnen ist, zum zweiten zeichnete sich die Bebauung westlich des Theaters ab, ließ sich aber in ihrer typologischen Eigenart vorerst noch nicht bestimmen. Das Verfahren versagte wegen der hohen Verschüttung, der Mischung der Materialien und der vielfältigen modernen Leitungen weitgehend im Süden. Deshalb ist der Übergang zum ›Palastbereich‹ zunächst nicht eindeutig zu bestimmen. Hier verspricht die Auswertung der photogrammetrischen Aufnahmen, die im letzten Jahr durchgeführt wurden, weitere Erkenntnisse. Sie geben die Anlage des Tunnels, der zur Seeseite des Kraterrandes führte, die Exedren und die Bauten im Palastbereich eindeutiger als die bisherige summarische Dokumentation zu erkennen und erlauben auf dieser Grundlage auch eine Rekonstruktion weiterer Teile. Die Arbeiten zur Visualisierung des Theaters konnten abgeschlossen werden. Neben der Ausstattung wurden dabei Formen zur Veranschaulichung der Veränderungen im Sonnenstand sowie der mobilen Effekte wie Theatervorhang und Springbrunnen erprobt (Abb. 12 a. b). 12 a Abb. 12 a. b Castel Gandolfo, Villa des Domitian. Theater, Rekonstruktion des Zuschauerraumes bei einem Sonnenstand um 12 Uhr und 16 Uhr. Deutlich wird, dass bei Aufführungen ein Sonnensegel zur Abdeckung erforderlich war, dessen Aufhängung in der Rekonstruktion nur angedeutet ist 12 b AA-2008/1 Beiheft Abteilung Rom 73 Kooperationspartner: Direzione delle Ville Pontificie (S. Petrillo); Technische Universität Karlsruhe (K. Ringle); Lehrstuhl für Informatik der Universität zu Köln (U. Lang; L. Rau); Institut für Geowissenschaften, Abteilung Geophysik der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (H. Stümpel) • Leitung des Projekts: H. von Hesberg • Abbildungsnachweis: L. Rau (Abb. 12 a. b). 13 Die Städte Latiums, Gabii Abb. 13 Tuffsteinmauer in polygonaler Technik Abb. 14 Geomagnetische Prospektion, Aggermauer 14 AA-2008/1 Beiheft Die Städte Latiums, Stadtmauern von Gabii Die Forschungsperspektive des Projekts »Die Städte Latiums« richtet sich insbesondere auf die Bedeutung der Stadtmauern für die Verteidigung und für die Selbstdarstellung der städtischen Gemeinden. In diesem Jahr wurde der Untersuchungsschwerpunkt Gabii im latinischen Kernland weiter verfolgt. Im Frühjahr konnte eine umfangreiche geodätische Kampagne durchgeführt werden, während der das gesamte Stadtgebiet vermessen und Bezugspunkte fixiert wurden. Ende des Jahres lag eine neue archäologische Karte Gabiis im M. 1 : 1000 vor, die im Rahmen einer Diplomarbeit an der Hochschule Magdeburg-Stendal ausgearbeitet wurde. Moderne Messverfahren wie Laserscanning und Ballon-Photogrammetrie wurden vor Ort zusätzlich zur tachymetrischen Vermessung angewendet. Ferner konnte die zeichnerische Dokumentation der bereits oberirdisch sichtbaren Mauerreste fortgeführt und die Bauaufnahme eines Mauerzugs am Kraterrand im tachymetrisch gestützten Handaufmaß durchgeführt werden. Es handelt sich um eine Tuffsteinmauer in Polygonaltechnik, die ohne Bindemittel versetzt wurde (Abb. 13). Sie verläuft parallel zum Hang und lässt sich in der Flucht auf ca. 34 m verfolgen. Wahrscheinlich handelt es sich bei der Polygonalmauer um eine Stütz- oder Fundamentmauer für eine bislang nicht bestimmbare Architektur. Während eines ersten, kurzen Testlaufes, der Aufschlüsse über die gute Anwendbarkeit geophysikalischer Prospektionsmethoden (Magnetik und Bodenradar) erbracht hat, konnte bereits ein kurzer, gerundeter Abschnitt einer Aggermauer beachtlicher Ausmaße (ca. 15 m = 50 römische Fuß plus vallum) nachgewiesen werden (Abb. 14). Diese Mauer ist mit denen der Städte Lavinium, Ficana, Ardea und nicht zuletzt Rom vergleichbar und gehört wohl in die Frühzeit der Siedlung. 74 Jahresbericht 2007 des DAI Kooperationspartner: Soprintendenza Archeologica di Roma (S. Musco); Soprintendenza Archeologica del Lazio (G. Ghini); Hochschule MagdeburgStendal (T. Scheffler); Institut für Geowissenschaften, Abteilung Geophysik der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (H. Stümpel) • Leitung des Projekts: S. Helas • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: C. Brand, M. Graap, K. Hermann, J. Herrmann, M. Jakobi, St. Kiel, Ch. Klein, M. Krenz, Th. Martienßen, K. Özkap, T. Scheffler, A. Werner, T. Wunderlich, G. Zuchtriegel • Abbildungsnachweis: DAI, Abteilung Rom, D. Gauss (Abb. 13); Universität Kiel, H. Stümpel (Abb. 14). Latium, Heiligtümer Die Erforschung der Heiligtümer in den Städten der republikanischen Zeit bietet die Möglichkeit, die Prozesse der Monumentalisierung und der Veränderung des Selbstverständnisses einer Stadtgemeinschaft in einem zentralen Bereich Italiens in unmittelbarer Nähe und im Kontrast zu den gleichzeitigen Vorgängen in Rom zu erfassen. Dabei lassen sich zwei wesentliche Einschnitte beobachten, der eine in der Zeit der späten Republik in der 2. Hälfte des 2. Jhs. und dem Beginn des 1. Jhs. v. Chr. In dieser Zeit erhielten einzelne Heiligtümer so etwas wie den Charakter des Aushängeschildes einer Stadt, man denke nur an das Heiligtum der Fortuna in Praeneste. Der zweite Einschnitt fällt in die Zeit des Augustus und die Jahrzehnte danach. Dabei kam es zu einer aufwendigeren Ausgestaltung mit Marmor, andererseits aber auch zu einer neuen Diversifizierung – besonders in Hinblick auf die Verehrung des Kaisers oder die zentralen Kulte. Allerdings verliefen die Prozesse nicht so geradlinig, wie oft angenommen wird. Denn in der späten Republik lassen sich verschiedene Formen der Monumentalisierung der Heiligtümer beobachten, die nicht allein von den Prototypen im griechischen Osten des Mittelmeeres abhängig sind. Das Heiligtum oberhalb Terracinas, dessen Gottheit nicht mit Sicherheit festzustellen ist, gibt dafür ein gutes Beispiel (Abb. 15). Es befindet sich in überwältigender Lage auf der Spitze eines Vorgebirges und war von weither sichtbar. Seine Architektur ist in vieler Hinsicht ganz den Neuerungen der Zeit verpflichtet (Abb. 16). Gerade die sorgfältige Dokumentation macht neben den verschiedenen Phasen und der Datierung diese speziellen Eigentümlichkeiten deutlich. Dazu gehört in dem Heiligtum die besondere Betonung von Naturformen und -malen. Sie wird schon an dem großen Tempel selbst deutlich, dessen Podium auf der Abb. 15 Latium, Heiligtümer. Terracina und Monte Circeo, Lage der Heiligtümer in der Landschaft AA-2008/1 Beiheft Abteilung Rom 75 Abb. 16 Latium, Heiligtümer. Terracina, Plan des Heiligtums oberhalb der Stadt (M. 1 : 750) AA-2008/1 Beiheft Rückseite aus dem rauen Felsen ohne zusätzliche Verkleidung gestaltet ist, dann aber auch an einer Reihe von anderen Malen, die durch den Kontrast zu ihrer architektonischen Fassung zusätzlich hervorgehoben sind. Schließlich konnte die Portikus hinter dem Tempel rekonstruiert werden.Wichtig ist aber auch die Einbindung in die Landschaft. Dazu erkundeten die Bearbeiter zwei Heiligtümer, die in prominenter Lage in der Umgebung liegen, eines auf dem Monte Circeo (Abb. 15) und das andere an der Via Appia. Ein weiteres Interesse galt den neuen Tempeln der augusteischen Zeit in den Landstädten, die zur bestehenden Ausstattung hinzukamen. Ein sehr gutes Beispiel dazu bietet die an der Küste gelegene römische Koloniestadt Minturno. Ihre Ausstattung enthielt aus der Zeit der Republik an einer Seite ihres alten Forums zwei Tempel, erhielt aber nun einen neuen, der zwar ausgegraben, aber bisher so gut wie unbekannt ist. Seine Bedeutung lag wohl weniger in der Marmorausstattung als in der Lage sowie Ausstattung des Heiligtumsbezirks selbst. Um seine Einbettung, aber auch Datierung und Rekonstruktion besser verstehen zu können, wurde eine Aufnahme dieses Tempels C in Minturno durchgeführt, die eine Reihe von Bauteilen einschloss. Kooperationspartner: Soprintendenza Archeologica del Lazio (N. Cassieri); Technische Universität München (St. Franz); Dombauhütte Aachen (T. Kohlberger-Schaub) • Förderung: Fritz Thyssen Stiftung • Leitung des Projekts: H. von Hesberg • Mitarbeiterin: V. Hinz • Abbildungsnachweis: V. Hinz, St. Franz (Abb. 15. 16). 76 Jahresbericht 2007 des DAI Latium, Fabrateria Nova Auf Einladung der Soprintendenza per i Beni Archeologici del Lazio hat sich in diesem Frühjahr eine Arbeitsgruppe gebildet – aus den Archäologischen Instituten der Universitäten Lecce und Cassino sowie der Abteilung Rom –, die sich die Erforschung der colonia Fabrateria Nova zur Aufgabe gemacht hat. Der Ort, der nur wenige Kilometer südlich am Zusammenfluss von Sacco und Liri in der Nähe des modernen Ortes S. Giovanni Incarico auf einem ebenen Kalksteinplateau liegt, soll nach der Zerstörung (125 v. Chr.) des aufständischen Fregellae gegründet worden sein (Abb. 17). Eine Untersuchung der Stadtanlage ist von hervorragendem Interesse, da das bekannte Gründungsdatum von 124 v. Chr. einen Fixpunkt für das Studium sowohl der hellenistischspätrepublikanischen Urbanistik und Architektur als auch der unterschied- Latium, Fabrateria Nova Abb. 17 areal Blick nach Norden auf das Stadt- Abb. 18 Gesamtplan mit geomagnetischer Prospektion AA-2008/1 Beiheft Abteilung Rom 77 lichsten Denkmälergattungen von der Keramik bis zum Mosaik liefern dürfte. Das Stadtgebiet, dessen Ausdehnung unbekannt ist, blieb weitgehend von moderner Überbauung verschont und wird heute partiell landwirtschaftlich genutzt. Im ausgehenden 18. Jh. wurden durch den Lokalgelehrten P. Cayro an den sichtbaren Ruinen einige begrenzte Grabungen durchgeführt. Lediglich 1985 wurde das sich im Luftbild klar abzeichnende Amphitheater durch die zuständige Soprintendenza freigelegt, eine weitere Bearbeitung der Funde und der Baugeschichte der Anlage erfolgte dabei bisher nicht. Nach einer Luftbildaufnahme sowie einem ausgedehnten Survey durch die Kollegen aus Lecce konnte von Seiten des Instituts im Sommer mit einer Bodenprospektion und zwei archäologischen Sondagen begonnen werden, die die Ergebnisse der Prospektion im Detail klären sollten (Abb. 18). Aufgrund der noch unbekannten Abb. 19 Latium, Fabrateria Nova. Grabung an der Portikus, Blick nach Süden Ausdehnung des Stadtgebietes wurde die eine Sondage im Osten des Areals durchgeführt, da die Bodenprospektion die Existenz eines Walls oder Grabens anzeigte und sich hier die baulichen Reste eines Magazins befinden, das von der Universität Cassino untersucht wird. Wegen der ehemaligen Nutzung der Parzelle als Rebenfeld (Weinstöcke erfordern eine tiefe Pflanzung) war der Boden im Bereich der Sondage indes so gestört, dass die Grabung keinen klaren Befund ergab. Zwischen dem Amphitheater und den zu vermutenden Resten einer Therme, die von der Universität Lecce bearbeitet wird, wies die Bodenprospektion eine deutlich sichtbare, gut 40 m × 80 m große Anlage aus, deren Nordostecke auf einer Fläche von 10 m × 10 m in der zweiten Sondage freigelegt wurde. Das antike Gebäude ist etwa auf Laufniveau erhalten. Es handelt sich wahrscheinlich um einen großen Hof, der von Portiken eingefasst ist, die mindestens zwei Bauphasen aufweisen (Abb. 19). Einige Stirnziegel belegen eine spätrepublikanisch-frühkaiserzeitliche Phase, in der die Säulen aus Ziegeln aufgemauert waren, von denen sich zahlreiche Fragmente gefunden haben. Zur weiteren Klärung der Chronologie der einzelnen Phasen ist allerdings die vollständige Ausgrabung aller Befunde abzuwarten, die erst in der nächsten Kampagne geleistet werden kann. Kooperationspartner: Soprintendenza per i Beni Archeologici del Lazio (A. Betori); Comune di S. Giovanni Incarico (A. Nicosia); Università degli Studi di Cassino (S. Marandola, E. Polito, G. De Rosa, C.Venditti); Università AA-2008/1 Beiheft 78 Jahresbericht 2007 des DAI degli Studi del Salento (G. Caldarola, G. Ceraudo, V. Ferrari, A. Valchera) • Leitung des Projekts: H.-J. Beste, Th. Fröhlich • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: C. Cioffi, Ch. Kirzinger, Ch. Menzler, M. Kümmel, B. Oster, H. Becker (Geophysikalische Prospektion) • Abbildungsnachweis: H.-J. Beste, Th. Fröhlich (Abb. 17–19). Picenum, lokale Sepulkraldenkmäler der frühen Kaiserzeit Im Gegensatz zu relativ gut bekannter Architektur der römischen Kaiserzeit im Picenum, ist die lokale Grabkunst durch ihre schlechte Überlieferungslage weitaus weniger erforscht. Im Nachgang zu einer früheren Untersuchung (RM 89, 1982, 81–102) hat sich inzwischen – Dank institutseigener Photokampagnen – die Materialbasis deutlich verbreitern lassen und erlaubt immer mehr, über eine vorwiegend epigraphische Vorlage des Materials hinauszugehen. In der Studie wird versucht, die aus einer eng umschriebenen Zone des Picenum (Abb. 20) stammenden Urnen und Grabstelen als historische Quelle auszuwerten. Eine vertiefte und vergleichende Betrachtung dieser Kleindenkmäler, die fast ausschließlich ohne Fundkontext überliefert sind, ermöglicht Erkenntnisse über Aufkommen und Verschwinden des Formen- und Dekorationsrepertoires. Eine wichtige Rolle spielen dabei die vielfältigen Einflüsse, die diese durch ihre tief einschneidenden Flusstäler geprägte hügelige Landschaft erhalten hat, einerseits aus dem mittelitalischen Hinterland und andererseits vom adriatischen Küstenstreifen her. Neben einer kleinräumigen Erfassung Abb. 20 Picenum, lokale Sepulkraldenkmäler. Karte des untersuchten Gebietes AA-2008/1 Beiheft Abteilung Rom 79 von Vergleichsmaterial ist daher auch der übergreifenden Verwendung anderer Elemente wie vor allem Bildvorlagen, deren individueller Brechung und möglicher Umformung, nachzugehen (Abb. 21. 22). Im Verlauf der Studie wird der bisweilen zufällig erfolgte Austausch von Formen und Motiven untersucht und durch Beschreibung der Einzelformen versucht, genauere Kenntnis sowohl der Eigenart als auch der Entwicklung der Grabdenkmäler der frühen Kaiserzeit zu erhalten. Das Picenum als frühkaiserzeitliche Kunstlandschaft in Mittelitalien erhält somit einen differenzierteren und fester umschriebenen Umriss. Die Ergebnisse werden abgestützt durch Beobachtungen zu Herstellungsverfahren in den Werkstätten und zum Form- und Motivaustausch zwischen den Produktionsstätten. 21 22 Picenum, lokale Sepulkraldenkmäler Ziel der Untersuchung ist es, die bis heute wenig beachteten Denkmäler durch die vorliegende Dokumentation und Interpretation in einen größeren Zusammenhang zu stellen und in die wissenschaftliche Diskussion einzubringen. Kooperationspartner: Soprintendenza per i Beni Archeologici delle Marche; Musei Archeologici di Fermo, Falerone, Ripatransone, Ascoli Piceno; Università degli Studi di Macerata; Privatsammler • Leitung des Projekts: S. Diebner • Abbildungsnachweis: M. Schützenberger (Abb. 20); D-DAIRom-dig2006.0356, H. Behrens (Abb. 21); W. Scotucci (Abb. 22). Abb. 21 Urnendeckel aus Fermo, Florenz, Villa Corsini Abb. 22 Aschenurne, Fermo, Privatbesitz Die Siedlung von Castellina Vecchia Im Mittelpunkt des Interesses steht die Erforschung einer etruskischen Siedlung in ihrem räumlichen Umfeld während des 1. Jts. v. Chr. Die etwa einen halben Hektar umfassende Wüstung Castellina Vecchia befindet sich auf einem Höhenzug im Norden von Siena, der sich nordsüdlich zwischen den Flusstälern der Elsa einerseits und des Arbia bzw. des Ombrone andererseits erstreckt. Damit ähnelt sie als befestigter – und vermutlich bereits seit archaischer Zeit besiedelter – Hügel einem großen Gehöft oder Herrensitz. Es gibt jedoch Anzeichen, dass die Bevölkerung schon früh von deutlich größerem Umfang war, und die Fundstelle kann vermutlich als Akropolis bezeichnet werden, die zumindest phasenweise den Kern einer größeren Ansiedlung bildete. In Hinblick auf die Frühzeit soll der ländliche Raum von Castellina durch den Bezug auf den Herrensitz als im praktischen Sinne und in Beziehung auf das nahegelegene Fürstengrab von Monte Calvario im ideellen Sinne strukturiert verstanden werden. Dass eine räumliche Sichtbarkeit und Sichtbarmachung der Territorialherrschaft im engen geographischen Gebiet beabsichtigt war, beweist der große Grabhügel – das einzige und weithin sichtbare Monumentalgrab im größeren Umkreis – mit Dimensionen, die denen des Habitats gleichkommen. AA-2008/1 Beiheft 80 Jahresbericht 2007 des DAI Für spätere Epochen ist vor allem die Rolle von Castellina im Rahmen von Verbindungen und Grenzziehungen von besonderem Interesse. Für das 4. und 3. Jh. v. Chr. kann im Hochchianti ein System befestigter Höhensiedlungen, sog. Oppida (Cetamura, Poggio La Croce), angenommen werden, das vermutlich von der raumgreifenden übergeordneten Instanz des im Wachsen begriffenen Stadtstaates Faesulae (Fiesole) organisiert wurde.Von der Bedeutung Castellinas als Vorposten im Rahmen der Territorialordnung von Fiesole kann ausgegangen werden. Von zentraler Wichtigkeit für die Chronologie und die Entwicklungsgeschichte der Siedlung ist eine Erforschung der Befestigungsanlage, wobei die Fragen nach der Gestalt des Habitats – ob es sich um verstreute Einzelgehöfte handelt oder eine geschlossenen räumliche Form bzw. wann eine solche entstand – und nach den Formen der räumlichen Organisation im Vordergrund stehen. In diesem Jahr konnte der zweite Teil der ersten Projektphase abgeschlossen werden. Dabei wurden primär die Systemvoraussetzungen in Form einer georeferenzierten Datenbank (GIS) implementiert und die kartographischen sowie archivalischen und literarischen Quellen erfasst, ferner ausgewählte archäologische Befunde eingearbeitet. Kooperationspartner: Museo Archeologico del Chianti Senese (Castellina in Chianti) • Leitung des Projekts: O. Dräger. Zur Bucchero-Pesante-Keramik von Chiusi Die Studie soll primär auf der Grundlage zeichnerischer Dokumentation die Produktion eines der wichtigsten Zentren für die Herstellung des etruskischen Bucchero aufarbeiten, nämlich Chiusi. Erste Resultate der Arbeiten sind acht nunmehr gedruckt vorliegende Beiträge für den Sammelband »Materiali dimenticati, memorie recuperate. Restauri e acquisizioni nel Museo Archeologico Nazionale di Chiusi, Edizioni Luì, Chiusi 2007«. Bearbeiter: O. Dräger. Der Kyathos Die Morphologie und Metrologie des dominierend in Etrurien verbreiteten attischen Kyathos im Verhältnis zu den etruskischen Parallelstücken werden anhand von Schnittzeichnungen untersucht. Ansatzpunkt sind die maßlichen Besonderheiten dieser feinkeramischen Gefäßform. Nach ersten Ergebnissen lassen sich die morphologische Entwicklung und das Verhältnis der Ausprägungen von Stücken in den verschiedenen Dekorationstechniken präzisieren. Bearbeiter: O. Dräger. Italische Kulturen des 7. bis 3. Jhs. v. Chr. in Süditalien und Sizilien Bei dem Schwerpunktprogramm, das sich mit »Italischen Kulturen vom 7. bis 3. Jh. v. Chr. in Süditalien und Sizilien« beschäftigt, geht es um die Erforschung und Darstellung der italischen und sizilischen Kulturen unter besonderer Berücksichtigung ihrer Beziehungen zu den Städten der Magna Graecia. Zentrale Fragestellungen gelten der kulturellen Identität und der Perzeption des Fremden, der Mentalitätsgeschichte sowie der gesamten Breite der Lebenswelten. Durch enormen Zuwachs an Material entsteht bereits seit einer Reihe von Jahren das Bild einer geographisch differenzierten, vor allem aber erstaunlich entwickelten Welt. Einen wesentlichen Aspekt bilden die Zentralisierungsund Urbanisierungsprozesse außerhalb der griechischen Territorien. So stehen enge Höhensiedlungen im Inneren Siziliens, Kalabriens und Lukaniens den ausgedehnten Streusiedlungen innerhalb weiter Ringwälle im Flachland von AA-2008/1 Beiheft Abteilung Rom 81 Daunien und Messapien gegenüber. Ziel ist es, vorrangig anhand der Siedlungsformen vom 6.–4. Jh. v. Chr. ein kulturgeschichtliches Entwicklungsmodell zu erarbeiten. Es werden daher neben archäologischen Zugriffen und Methoden auch solche der Historischen Landeskunde und der Siedlungskunde angewendet. Resultat der Feldforschungen werden Siedlungspläne und Besiedelungskarten sein, die auch mittels geodätischer Einmessung erstellt werden. Ein weiteres Schwergewicht stellen mehrere Einzeluntersuchungen zu Nekropolen dar. Dabei geht es einerseits um die Veränderungen in den Bestattungsbräuchen der einheimischen Bevölkerung zur Zeit der griechischen Kolonisierung, andererseits um die Veränderungen von Grabformen und Bestattungssitten in griechischen Nekropolen und schließlich um die Möglichkeiten einer ethnischen Zuweisung von Grabbefunden im Vergleich mit anderen Ausdrucksformen kollektiver Identitäten. In Rahmen des Projekts organisierte R. Neudecker gemeinsam mit A. Naso (Università degli Studi del Molise, Campobasso) ein regelmäßiges Stipendiatenkolloquium, in dessen Verlauf zehn Vorträge gehalten wurden. Mit den Mitarbeitern des Schwerpunktprogramms sowie Studierenden der LudwigMaximilians-Universität München unternahm er eine Exkursion zu italischen und griechischen Stätten in Kalabrien, Apulien und in der Basilicata. Innerhalb des Schwerpunktprogramms arbeiteten im Laufe des Jahres M. Köder zu »Griechen und Italiker in Kampanien. Siedlungsarchäologische Untersuchungen (8.–5. Jh. v. Chr.)«, N. Burkhardt über »Kulturaustausch am Beispiel der Bestattungssitten in den süditalischen Siedlungen und den griechischen Kolonien«, Ch. Nowak zu »Italiker in griechischen Koloniestädten Unteritaliens?« und E.Thiermann zu »Italische Kulturen vom 7. bis 3. Jh. v. Chr. Die archaische Nekropole von Capua«. Für kürzere Zeit arbeiteten im Rahmen des Programms C. De Faveri an der Auswertung der Grabungsergebnisse von Cersosimo, einer Ansiedlung des 4.–2. Jhs. v. Chr. Für das gesamte Schwerpunktprogramm wurde ein wissenschaftlicher Beirat konstituiert. Förderung: Gerda Henkel Stiftung • Leitung des Projekts: H. von Hesberg, D. Mertens, R. Neudecker • Mitarbeiter: A. Thomsen. Zentralisierungsprozesse und Siedlungsgenese in Unteritalien und Sizilien Auch in diesem Jahr wurden im Rahmen des Projekts »Italische Kulturen des 7. bis 3. Jhs. v. Chr. in Süditalien und Sizilien« zwei archäologische Surveys durchgeführt, nämlich in Cerasello im Nordosten Kalabriens sowie bei Timmari, einem indigenen Siedlungsplatz in der östlichen Basilicata. Ziel der Arbeiten war es, die in diesen beiden Regionen im 6. und 4. Jh. v. Chr. auftretenden Zentralisierungsphänomene exemplarisch zu untersuchen. I. Cerasello: Bei Cerasello handelt es sich um ein brettisches Bevölkerungszentrum im Hinterland der ionischen Küste, etwa 15 km südöstlich von Rossano. Die Siedlung befindet sich einige Kilometer westlich des modernen Städtchens Pietrapaola und umfasst dort den Gipfel des Cozzo Cerasello sowie seine beiden nördlichen Ausläufer. Für die Wahl dieses Standortes war offensichtlich das hohe natürliche Defensivpotential ausschlaggebend (Abb. 23. 24). Über die Geschichte des Platzes ist nur wenig bekannt, sein antiker Name nicht überliefert. Frühere Oberflächenuntersuchungen haben allerdings bereits ergeben, dass er in der 2. Hälfte des 4. Jhs. v. Chr. ad hoc entstanden war und bis gegen Ende des 2. Jhs. v. Chr. besiedelt blieb. Damit fügt er sich in ein siedlungshistorisches Schema, wie es für die Entwicklung der meisten brettischen Bevölkerungszentren charakteristisch ist. AA-2008/1 Beiheft 82 Jahresbericht 2007 des DAI Aufgrund der dichten Bewaldung musste auf eine detaillierte geodätische Geländeaufnahme verzichtet werden, eingemessen wurden die Befunde stattdessen mit Hilfe von GPS. Die Befundaufnahme wurde durch die starke Humusüberdeckung des Bodens und den sehr schlechten Erhaltungszustand der Baureste erschwert, was auf eine systematische Zerstörung der Siedlung hindeutet. Neben meist stark verstürzten Mauerresten fanden sich an der Oberfläche vor allem grobe Gebrauchskeramik und Dachziegel. Immerhin konnte der bisher unbekannte Verlauf der Befestigungslinie auf der Ostseite weitgehend geklärt und somit auch die Ausdehnung der Siedlung genauer bestimmt werden, die mit ihren 20 ha nur etwa halb so groß war wie bislang angenommen. Sie setzt sich zusammen aus einer den Gipfel des Cozzo Cerasello einnehmenden, geräumigen Akropolis und einem an deren Nordseite anschließenden Wohnbereich. Dieser besteht aus zwei lang gestreckten, jeweils nach Osten und Westen steil abfallenden Geländespornen sowie der Senke dazwischen. Den nördlichen Abschluss bildet ein nach allen Seiten steil abfallender Felshügel. Abb. 23 Zentralisierungsprozesse und Siedlungsgenese in Unteritalien und Sizilien, Cerasello und Umgebung. Kartenskizze (M. 1 : 20 000) Abb. 24 Zentralisierungsprozesse und Siedlungsgenese in Unteritalien und Sizilien, Cerasello. Gesamtansicht von Norden AA-2008/1 Beiheft Abteilung Rom 83 Abb. 25 Zentralisierungsprozesse und Siedlungsgenese in Unteritalien und Sizilien, Timmari. Gesamtansicht von Westen AA-2008/1 Beiheft Darüber hinaus zeigte sich, dass es sich bei den »Muraglie« genannten, etwa einen Kilometer nordöstlich von Cerasello gelegenen Wehranlagen entgegen bisheriger Annahmen nicht um eine Siedlungsbefestigung handelt, sondern um eine Sperrmauer, die den einzigen meerseitigen Zugang zur Hauptsiedlung abriegelte und zugleich die in ihrem südlichen Vorfeld gelegenen Gehöfte vor feindlichen Zugriffen schützte. Cerasello ist somit ein charakteristisches Beispiel für die in der 2. Hälfte des 4. Jhs. v. Chr. oftmals ad hoc entstandenen brettischen Bevölkerungszentren. Der Siedlungsplatz ist deshalb ein geeigneter Ausgangspunkt für die Untersuchung des bei den einheimischen Völkern ganz Unteritaliens im 4. Jh. v. Chr. zu beobachtenden, offenbar durch die militärischen Auseinandersetzungen und sozioökonomischen Umwälzungen dieser Zeit ausgelösten Zentralisierungsund Urbanisierungsdrucks. II. Timmari: Der Siedlungsplatz Timmari ist nach dem in der Nähe gelegenen modernen Dorf benannt und liegt auf einem weiträumigen, etwa 12 km westlich von Matera in der Basilicata befindlichen Hochplateau am Mittellauf des Bradano, 10 km nordwestlich von dessen Zusammenfluss mit der Gravina. In archaisch-klassischer Zeit verlief in dieser Region die Grenze zwischen dem japygischen und lukanischen Kulturraum. Der antike Siedlungsname ist auch hier unbekannt. Seit vorgeschichtlicher Zeit frequentiert, erlebt der Platz im 11. und 10. Jh. v. Chr. einen ersten Höhepunkt in seiner Besiedlung, deren Intensität auch im 9. und 8. Jh. nicht nachlässt. Zu einem weiteren Aufschwung kommt es durch den Kontakt mit den griechischen Kolonien im 7. und 6. Jh., ihre höchste Dichte erreicht die Besiedlung allerdings erst in der Zeit des allgemeinen Aufschwungs im 4. und 3. Jh. v. Chr. Die etwa 9 ha große Siedlung wurde auf den beiden nebeneinander liegenden, durch die lange Nutzung abgeflachten, länglichen Hügeln S. Salvatore und Camposanto errichtet. Diese sind im Norden durch einen schmalen Sattel miteinander verbunden (Abb. 25). Die beiden Siedlungshügel fallen nach allen Seiten steil ab, so dass bei ihnen ein hohes natürliches Defensivpotential gegeben ist. Gleichwohl scheinen beide Hügel eine Befestigung besessen zu haben, die aus Kalksteinquadern errichtet wurde. In welcher Weise die ebenfalls besiedelten kleineren Kuppen im südwestlichen und im nordöstlichen Vorfeld mit der Hauptsiedlung verbunden waren, ist bislang noch nicht geklärt. 84 Jahresbericht 2007 des DAI Die erste, in diesem Jahr in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Karlsruhe und der Soprintendenz der Basilicata durchgeführte Feldforschungskampagne diente vor allem der Erstellung eines topographischen Gesamtplans, in den auch die Ergebnisse früherer Ausgrabungen integriert werden sollen. Dieser bildet die Grundlage für den im kommenden Jahr vorgesehenen intensiven Keramiksurvey und eine geomagnetische Prospektion, mit deren Hilfe die Siedlungsgeschichte und -struktur des Ortes ergründet werden soll, denn über den Aufbau der indigenen Siedlungen dieser Region ist bislang nur relativ wenig bekannt. Der zugleich mit der topographischen Aufnahme durchgeführte extensive Survey erbrachte bereits erste Hinweise in dieser Richtung. Am Bespiel von Timmari können die Entwicklungsparameter einer in größerer Entfernung von den griechischen Kolonien gelegenen indigenen Siedlung untersucht werden. Kooperationspartner – Cerasello: Soprintendenza per i Beni Archeologici per la Calabria; Comune di Pietrapaola; Fachhochschule Karlsruhe • Förderung: Gerda Henkel Stiftung • Leitung des Projekts: A. Thomsen • Mitarbeiter: A. Achilles. Kooperationspartner – Timmari: Scuola di Specializzazione in Archeologia di Matera; Soprintendenza per i Beni Archeologici della Basilicata; Fachhochschule Karlsruhe • Förderung: Gerda Henkel Stiftung • Leitung des Projekts: A. Thomsen • Mitarbeiter: F. Glökler, S. Meier • Abbildungsnachweis: A. Thomsen (Abb. 23–25). Selinunt Bei der Erforschung der Grundzüge einer griechischen Planstadt anhand des Beispiels von Selinunt richtet sich das Interesse seit Jahren besonders auf die Agora, das politisch-zivile Zentrum der Großstadt. Nach der intensiven Flächengrabung in dem Baublock am Ostrand des ausgedehnten Platzes, die bereits tiefen Einblick in das wechselvolle Leben der Stadt gewährt hatte, geht es seit zwei Jahren darum, den Platz selbst und vor allem seine Randbebauung im Westen und Norden sowie ihre Bestimmung durch die Geschichte kennenzulernen. Große Teile der Südseite und die südliche Hälfte der Westflanke liegen unter hohen Sanddünen verborgen und werden erst nach deren aufwendiger Abtragung in einem eigenen Grabungsabschnitt untersucht werden können. Die Arbeiten der Jahre 2005–2007 sind jetzt an einem vorläufigen Ende angelangt. Der vorliegende Bericht ist dennoch nicht als Endbericht anzusehen, da noch ein Großteil der Fundbearbeitung aus der aktuellen Grabung aussteht. So hat auch das Folgende noch vorläufigen Charakter. Nach den im letzten Jahr referierten grundsätzlichen Auskünften über die Gestalt und Bebauung des Platzes selbst (s. AA 2007/2, 196 Abb. 12) konzentrierte sich die diesjährige Grabung ganz auf die Erforschung der im Vorjahr am West- und Ostrand entdeckten Hallenbauten und ihre Geschichte (Abb. 26). 1) Die Westseite: Die in ca. 85 m Länge freiliegende Westseite des Platzes (weitere 85 m liegen unter der Düne) wird durch die hier ca. 6,50 m breite Plateia N0 flankiert, welche als Hauptstraße das Nordwestquartier erschließt. Sie wird nach den letzten Grabungen auf der Agoraseite von einer komplexen Anlage aus zwei einander am selben Platz ablösenden Hallen gesäumt (Abb. 27). Die ältere Anlage war sehr wahrscheinlich einschiffig und ca. 5 m tief. Sie reichte mit ihrer Rückseite ca. 1 m nach Westen unter das großformatige Plattenpflaster des späten 5. Jhs. v. Chr.; die Hauptstraße war in ihrer ursprünglichen Anlage also um soviel schmäler. Die alte Stoa wurde offenbar systematisch abgebaut, um mit ihrem Material den Neubau an derselben Stelle zu errichten. Daher ist sie mit wenigen AA-2008/1 Beiheft Abteilung Rom 85 Abb. 26 Selinunt, Agora. Gesamtplan mit Eintragung der Grabungsschnitte und Lageplan der neuen Monumente (M. 1 : 2500) Abb. 27 Selinunt, Blick über die Hauptstraße N0 und die Weststoa nach Süden 86 Jahresbericht 2007 des DAI Ausnahmen von noch erhaltenen Blöcken fast ausschließlich aus ihren Fundamentgräben zu erschließen, welche sich aber deutlich im Fels abzeichnen. Sie lassen sich im zentralen Bereich der Grabung über eine Länge von mindestens 55 m verfolgen.Vier in den Fundamenten des Nachfolgerbaus eingebaute Säulentrommeln und ein Kapitellfragment lassen sich zu einer etwa 3,50 m hohen Säule rekonstruieren, die kaum zu einem anderen Bau als der alten Stoa gehört haben kann. Nach Ausweis der Form des Hypotrachelions des Kapitells über dem unkannelierten Säulenschaft ist die Säule kaum nach der Mitte des 6. Jhs. v. Chr. anzusetzen. Die Stoa gehört also zu den ältesten Hallen mit Steinsäulen und war daher ein bedeutendes Monument an der Agora von Selinunt. Über ihre Längenausdehnung lässt sich beim aktuellen Grabungsstand noch nichts sagen. Die über den Resten der ersten Halle errichtete neue Halle ist hingegen von ihrer Nordflanke ca. 30 m südlich der Kreuzung der Hauptstraßen N0 und NA nach Süden hin über mehr als 60 m weit zu verfolgen, ehe sie unter der Düne verschwindet; ihre Länge bleibt daher einstweilen unbekannt. Sie war zweischiffig und bestand aus einer hinteren, ca. 5 m tiefen Reihe von Kammern oder Sälen unterschiedlicher Länge sowie einer ca. 7 m tiefen zum Platz hin vorgelagerten Portikus. Auch dieser Bau ist größtenteils aus den beraubten Fundamentgräben zu erschließen, doch haben sich in allen Gräben auch Reste der untersten Fundamentschicht erhalten. Das gilt in größerem Maße für die Rückwand, deren Demontage unter der noch hoch anstehenden Schicht der großen und für die Wiederverwendung ungeeigneten Flusskalk-Basoli der Hauptstraße offenbar besonders schwierig war. Dieses Fundament lässt auch am besten die vom Vorgängerbau wiederverwendeten Blöcke erkennen. Mehr hat sich von der aufgehenden Steinarchitektur bislang nicht ausmachen lassen, vor allem fehlt der Beleg für steinerne Säulen, die aber angesichts der Dimensionen des Baus zu postulieren sind. Erhalten haben sich jedoch große Massen vom Terrakottadach aus großformatigen Ziegeln, welche sich als Räumlagen zwischen den ausgeraubten Fundamentgräben fanden. Nach ihrer Form ist der Neubau vorerst grob in spätarchaisch-frühklassische Zeit zu datieren; genauere Auskunft wird das Studium der stratifizierten Keramik ergeben. Auch zu den Funktionen dieses bedeutenden Baus hat die Grabung keine Hinweise geliefert, doch mögen die unterschiedlich langen Lokale hinter der zusammenfassenden Säulenhalle verschiedenen Verwaltungsaufgaben u. ä. gedient haben. Die Halle selbst ist zwar in punischer Zeit nicht überbaut worden, doch in die nur an der Ostkante angegrabenen Häuser längs des Westrandes der Hauptstraße wurden damals Neubauten eingerichtet. Ein Mauerzug aus großformatigen Blöcken scheint aber zu einem Bau griechischer Zeit zu gehören, der nach seinen Dimensionen nicht allein Wohnfunktionen gedient haben dürfte. Die nach der Kampagne im Vorjahr angestellte Vermutung eines weiteren, im Winkel zwischen den Straßen N0 und NA gelegenen Baus hat sich nicht bestätigt; der Bereich scheint nicht bebaut gewesen zu sein. 2) Die Nordseite: In Entsprechung zu dem anspruchsvollen erwähnten Bau am Westrand der Straße N0 scheinen auch längs der Nordseite der Straße NA Bauten aus großformatigen Quadern das Bild bestimmt zu haben. Dies mag auch seinen Grund darin haben, dass im Bereich zwischen der Hauptstraße N0 und der Einmündung des Stenopos N3-E kein besonderer Bau die Straße NA agoraseitig begleitet. Die Straße bildet hier also die – recht offene – Grenze des Platzes und lässt den Fahrverkehr bisweilen auch auf den Platz selbst ausgreifen, wie tiefe Karrenspuren sowie wiederholte Reparaturen der Straßenbeläge erweisen. Während in dem hoch, bis praktisch unter die heutige Oberfläche anstehenden Fels im Bereich zwischen Straße N0 und N2-E nur noch FelsbetAA-2008/1 Beiheft Abteilung Rom 87 Abb. 28 Selinunt, Nordflanke der Agora. Steinplan mit Rekonstruktion der Nordstoa (M. 1 : 1000) tungen von den Häuserfronten zeugen, wurde am südlichen Kopfende der Insula N2-E/N3-E ein großer Raum ergraben, der durch ein breites Tor zugänglich und mit einem sehr anspruchsvollen Ziegeldach, welches sich in Sturzlage fand, gedeckt war: Offenbar ein Lokal besonderer Bestimmung, über die sich freilich nichts mehr sagen lässt, da der Raum in punischer Zeit völlig leergeräumt worden ist. Hier, wie auch im ganzen übrigen Verlauf der Straße NA, hat sich eine punische Bebauung über die griechischen Bauten gelegt, ja selbst auf die Straße, die also damals nicht mehr in Gebrauch war. Unter punischer Überbauung ist auch eine weitere Stoa verschwunden, die östlich der Einmündung des Stenopos N3-E in die Straße NA diese auf ihrer Südseite, also der Agoraseite, begleitete (Abb. 28). Sie war im letzten Jahr schon angegraben worden, jetzt hat sich ihre Gestalt geklärt. Sie erstreckt sich längs der Straße NA bis zu deren Einmündung in die Straße N5-E, einer 6,50 m breiten Straße, welche ihrerseits in die ca. 9 m breite Ostwest-Hauptplateia S11 mündete und in dem kurzen Trakt zwischen dieser und der Straße NA den Platz an seiner Nordostecke begrenzte. Im Winkel zwischen den Straßen NA und N5-E biegt die Stoa nun rechtwinklig um und folgt in gleichbleibender Form der Straße N5-E in einer bislang nicht feststellbaren Länge, also maximal bis zu deren Begegnung mit der Straße S11. Es handelt sich also um eine winkelförmige Anlage, deren nördlicher Flügel 61 m lang ist. Die Länge lässt sich genau bestimmen, da sich das Fundament der westlichen Stirnwand der Halle in situ befindet und darauf mit Ritzlinien die genaue Wandflucht angezeigt ist. Während der Verlauf der Straßen grosso modo der Felsoberfläche folgt, die dafür nur teilweise zugerichtet wurde – lediglich die Klüfte zwischen den Felsrücken waren aufgefüllt und der Straßenbelag war an diesen Stellen aus großen Basoli hergestellt –, sollte die Halle ein einheitliches Niveau erhalten. Da im Winkel zwischen den Straßen NA und N5-E der Fels aber stark ansteigt, musste der Winkel, in dem die Stoa zu liegen kam, aus dem Fels herausgearbeitet und geebnet werden. Die Stoa schmiegt sich also in einen aus dem Fels geschlagenen Winkel von in der Ecke 1,70 m Höhe, dessen Wände zugleich die Rückwände der Stoa bilden. In einer Felsbettung auf der Kante ruhte dann der heute gänzlich fehlende obere Abschnitt dieser Wände. Dank der Lage im natürlich geschützten Winkel haben sich auch die Baubefunde des Monuments und seiner späteren Verwandlung hier recht gut erhalten. So lässt sich unter den Resten punischer Neunutzung die agoraseitige Front der Anlage gut erkennen. Dabei handelt es sich um einen ca. 4 m vor der Flucht der Felswand parallel zu ihr anAA-2008/1 Beiheft 88 Jahresbericht 2007 des DAI gelegten Stylobat aus Quadern, von dem gute und zusammenhängende Reste in beiden Richtungen erhalten sind. Standspuren und Ritzlinien lassen eine Stützenstellung von 1,75 m Achsweite rekonstruieren. Da nach dem Grabungsbefund ein weiteres paralleles Fundament ausgeschlossen werden kann, muss es sich bei der Anlage um eine einschiffige Halle gehandelt haben, deren Front sich eigentümlicherweise nicht mit Säulen, sondern mit Pfeilern öffnete. Die Ritzmarken, welche Quadrate von 55 cm Seitenlänge angeben, lassen daran keinen Zweifel, da man Rundsäulen auf quadratischen Basen ausschließen muss. Denn nach der Steintechnik ist der Stylobat in archaische Zeit zu datieren – ohne dass vorerst, vor der Bearbeitung der stratifizierten Befunde, ein genaueres Urteil möglich wäre. Diese Anlage muss im Laufe des 5. Jhs. v. Chr. stark verändert und in ein noch größeres Monument miteinbezogen worden sein, wie einzelne Baumaßnahmen zeigen, doch ist darüber vor einer Erweiterung der Grabung kein klares Bild zu gewinnen. Um so anschaulicher sind die Reste aus der Zeit der Neunutzung in der punischen Siedlung. Damals richtete sich hier offenbar ein Handwerksbetrieb ein, der sich hauptsächlich mit der Wieder- und Neuverarbeitung von aus der zerstörten Griechenstadt gesammeltem Altmetall befasste. Pfeilspitzen und vor allem Gussrohlinge davon lassen an eine Waffenschmiede denken. Besonderen Aufschluss erwarten wir uns freilich von in dem dichten Schutt gefundenen Blättchen aus Blei und Kupfer, welche geritzte griechische Inschriften tragen, deren Inhalt durch Falten und Einrollen absichtlich unlesbar gemacht wurde (Abb. 29). Nach ihrer Restaurierung und Öffnung im Istituto Centrale di Restauro in Rom, welches sich dieser Stücke annehmen soll, werden wir erfahren, welcher Natur die Zeugnisse sind. Abb. 29 Selinunt, Bleitäfelchen mit Inschrift vor der Restaurierung Nach diesen Ergebnissen aus der zweiten Grabungsphase auf der Agora von Selinunt ergänzt sich das Bild auf eindrucksvolle Weise: Der anspruchsvollen Fassung, welche die Front der insula am Ostrand ab der 2. Hälfte des 6. Jhs. v. Chr. erhalten hat, entspricht nun das Bild an den beiden anderen Hauptseiten. Zwei lange Stoen, die westliche mit einer eigenen wechselvollen Baugeschichte, gaben dem Platz einen Rahmen von einer Monumentalität, wie wir das in dieser Form bisher von keiner anderen griechischen Agora durch den Ausgrabungsbefund kennen. Dies gilt auch trotz des – durch den antiken Steinabbau bedingten – schlechten Erhaltungszustandes. Kooperationspartner: Soprintendenza ai Beni Culturali e Ambientali di Trapani • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: D. Mertens • Mitarbeiter AA-2008/1 Beiheft Abteilung Rom 89 und Mitarbeiterinnen: L. Adorno, E. Alvarez-Dossmann, R. Attula, Ch. Dehl von Kaenel, S. Helas, N. Hoesch, M. Jonasch, Ch. Kirzinger, M. Rutsche, D. Schmehle, M. Schützenberger, A. Schwarz, A.Thomsen • Abbildungsnachweis: Selinunt-Archiv (Abb. 26–29). Agrigent Das Projekt am größten dorischen Tempel in Westgriechenland, dem Tempel B (›Olympieion‹) in Agrigent, konnte in diesem Jahr fortgeführt werden. Das literarischen Quellen (Diodorus Siculus 13, 82 und Polybios 9, 27) zufolge unmittelbar nach dem Sieg über die Karthager in Himera 480 v. Chr. begonnene Bauwerk wurde nie ganz zu Ende geführt, es stellt jedoch nicht nur hinsichtlich seiner außergewöhnlichen Proportionen einen Einzelfall dar, sondern auch da es neue wie originale architektonische Lösungen bietet, die von dem üblichen griechisch-dorischen Kanon abweichen. Neben der Erarbeitung eines Konzeptes zur Konservierung, Sichtbarmachung und touristischen Erschließung des Tempels wurde die Katalogisierung der neu identifizierten Bauglieder fortgeführt sowie ein Längs- und Querschnitt gezeichnet (Abb. 30. 31). Konträr zu den eher kleinformatigen Steinen (1,25 m × 0,75 m × 0,63 m) des Stufenbaus sowie den sich aus mehreren segment- und keilförmigen Quadern zusammensetzenden Halbsäulen und Pilastern der Peristase, besteht das Gebälk aus extrem großformatigen Blöcken. Dies verwundert umso mehr, als es hierfür bis auf die Architrave keine statische oder bautechnische Notwendigkeit gibt. Aufgrund dieses Umstandes lassen sich die Bauglieder des Gebälks exakt bestimmen. So ergab die Vermessung aller noch vorhandenen Metopen, 30 31 Agrigent, Tempel B (›Olympieion‹) Abb. 30 Rekonstruktion der Südostecke auf der neu erstellten Bauaufnahme Abb. 31 AA-2008/1 Beiheft Heutiger Zustand der Südostecke dass diese bei einer gleichmäßigen Höhe von 3,11 m, Breiten von 2,02 m bis 2,32 m besitzen. Diese großen Maßdifferenzen zeigen, dass die Eckjoche entgegen der bisherigen Annahme doch kontrahiert waren. Die an den Resten des Stufenbaus durchgeführten Messungen zur Bestimmung der Front- und Seitenjoche weisen in die gleiche Richtung. Als sehr ungewöhnlich ist das Resultat der Messung zwischen der 7. und 8. Säule auf der nördlichen Längsseite anzusehen (die südliche ist zerstört). Hier konnte im Gegensatz zum 8,13 m betragenden Normaljoch, eine Jochweite von 8,19 m ermittelt werden. Ob 90 Jahresbericht 2007 des DAI diese Jochdehnung im Zusammenhang mit der Gesamtproportionierung des Tempels steht und eine gewollte Maßnahme ist, kann erst durch die Auswertung und Berechnung aller ermittelten Maße gesagt werden. Der Differenzbetrag von 6 cm könnte auch durch die Absteckung der Säulenachsen entstanden sein, indem man diese von den beiden Frontseiten ausgehend aufgetragen hat. Die Jochdehnung im Zusammenhang mit einem zusätzlichen Eingang an der Längsseite zu sehen, wie er aufgrund der eigentümlichen Erschließung des Tempels (zwei Eingänge an den Ecken der Frontseite) postuliert wird, ist nicht anzunehmen, da der Befund auf der nördlichen Längsseite dagegen spricht. Kooperationspartner: Parco Archeologico e Paesaggistico della Valle dei Templi di Agrigento • Förderung: Parco Archeologico e Paesaggistico della Valle dei Templi di Agrigento • Leitung des Projekts: H.-J. Beste • Mitarbeiter: Ch. Kirzinger, M. Knechtel, U. Petzold • Abbildungsnachweis: DAI, Abteilung Rom, H.-J. Beste (Abb. 30. 31). Totenbrauchtum italischer Kulturen Süditaliens und Siziliens Die Untersuchung widmet sich der Analyse des indigenen Totenbrauchtums Südostsiziliens unter den Einflüssen griechischer Kolonien (Abb. 32). Insbesondere die Konstituierung von Identitäten steht im Vordergrund des Interesses. Für Südostsizilien ließ sich mit Bezug auf die Ergebnisse der frontier studies eine differenziertere Sichtweise der häufig erfolgenden Gleichsetzung Küste = ›Griechen‹ und Hinterland = ›Italiker‹ gewinnen. Da für die Untersuchung von Kulturwandel insbesondere die Analyse von Kontaktgebieten, in denen Menschen aus beiden Kulturbereichen leben bzw. lebten, vielversprechend ist, wurden und werden zunächst die Nekropolen von Leontinoi in Bezug auf vier sich ergänzende semiotische Bedeutungsebenen hin analysiert: 1) Lage und landschaftlicher Kontext der Bestattungen, 2) Bestattungsform und Grabbau, 3) Grabausstattung unter Berücksichtung des Zustandes und der Lage und 4) die Gestalt der Artefakte – Form, Farbe und Verzierung – im Grab. Projektbearbeiterin: K. P. Hofmann Abb. 32 Totenbrauchtum italischer Kulturen Süditaliens und Siziliens, exemplarisch ausgewählte Regionen und Fundplätze in Südostsizilien (M. 1 : 250 000) AA-2008/1 Beiheft Abteilung Rom 91 Ceramica sovraddipinta Das in diesem Frühjahr begonnene Dissertationsvorhaben hat die von der Forschung bisher weitgehend vernachlässigte etruskische Vasengattung der sog. ceramica sovraddipinta zum Thema. Diese Dekorationstechnik zeichnet sich dadurch aus, dass die Vasen nach der Grundierung mit schwarzem Glanzton noch mit Bildern aus aufgesetzter Farbe versehen wurden. Das Verfahren wurde in den Töpferwerkstätten Athens wohl im letzten Viertel des 6. Jhs. v. Chr. entwickelt. Hier konnte sich diese Form der Dekoration jedoch nicht gegen die etwa zeitgleich entstandene rotfigurige Vasenmalerei durchsetzen. Im 5. Jh. v. Chr. findet sie allerdings – wie die rotfigurige Technik auch – Eingang in das Repertoire etruskischer Vasenmaler, z. B. der Praxias-Gruppe. Im 4. Jh. v. Chr. kann sie mit Künstlern wie beispielsweise der Sokra- oder der Phantom-Gruppe in Etrurien als etabliert gelten. Unmittelbar stellt sich die Frage, wieso in Etrurien im Gegensatz zu Attika beide Techniken (gleichberechtigt?) nebeneinander existieren konnten. Auf der Grundlage eines Kataloges gilt es, anhand der technischen Merkmale der Keramik zu ermitteln, ob die Töpferwerkstätten auf je eine Dekorationstechnik spezialisiert waren oder beide Gattungen gleichzeitig produzierten. Untersuchungen zur Motivauswahl und Umsetzung sollen ferner klären, ob die ›ceramica sovraddipinta‹, deren Technik auf den ersten Blick schneller zu erlernen und auszuführen wirkt als die rotfigurige Malerei, tatsächlich als vereinfachte und kostengünstigere Nachahmung letzterer gelten darf, wie bisher in der Forschung weitgehend vertreten wird, oder ob andere Gründe dazu führten, dass sie in Etrurien zu einer starken Alternative wurde. Eine Auswertung der Fundkontexte wie der Bilder der beiden Keramikgattungen erlaubt Aussagen darüber, ob sich ihnen bestimmte Nutzergruppen (nach Alter, Status oder Herkunft unterschieden) zuweisen lassen. Aufgrund dessen soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit die materielle Kultur ein Ausdruck kollektiver Identitäten sein kann. In diesem Jahr lag der Schwerpunkt der Tätigkeit darin, die bisher erschienene Literatur zu erschließen und zu sichten sowie Fragestellungen herauszuarbeiten. 2008 sollen nun vor allem die Studien an den Originalen im Mittelpunkt stehen. Projektbearbeiterin: S. Patzke. Apollonia (Albanien),Theater Die Theater des 3. Jhs. v. Chr. in einigen Städten des griechisch-illyrischen Kulturraumes im heutigen Albanien besitzen deshalb so große Bedeutung, weil sie einen völlig neuen Typus von Bühnengebäude zu erkennen geben, ferner aber auch, weil sich an ihnen die Funktion von Theatern im Kontext der jeweiligen Städte gut erfassen lässt. Denn je nach Einbettung in eine stärker von griechischen Traditionen geprägte Stadt oder eine einheimisch illyrische Siedlung, gab man den Theatern eine unterschiedliche Gestalt. Sie äußerte sich vor allem in der unterschiedlichen Zuordnung innerhalb des Areals, aber auch in der Ausstattung. Dazu ist es jedoch notwendig, diese Theater – vor allem das in Apollonia – genauer als bisher zu erfassen, zu dokumentieren und zu rekonstruieren. Die bisher in dem Theater ergrabenen Materialien konnten gesichtet sowie die Bauphasen erfasst und voneinander gesondert werden, außerdem wurde eine erste Rekonstruktion des Bühnengebäudes erstellt. Die Funde sind vor allem an Skulpturen und für den ornamentalen Schmuck des Baus sehr reich (Abb. 33. 34). Nachdem die einzelnen Ordnungen aus dem Bestand der AltAA-2008/1 Beiheft 92 Jahresbericht 2007 des DAI 33 materialien erschlossen wurden, gelang es durch die Grabungen in diesem Jahr, auch die Raubgräben der Fundamente zu finden. Das wiederum erlaubte eine Rekonstruktion der Front des Bühnenhauses (Abb. 33). Außerdem wurden die orchestra und die Analemma-Mauer in einzelnen Bereichen freigelegt, um einerseits Indizien für die Datierung der Phasen zu gewinnen, andererseits auch für die Rekonstruktion dieser Teile. Die früheste, vorhellenistische Phase lässt sich vorerst nicht genauer einordnen, die Aufgabe des Theaters hingegen dürfte in das späte 2. oder 3. Jh. n. Chr. fallen. Das legt ein Hortfund an Bronzeobjekten nahe, der die Verschüttungsschicht datiert. Später wurde darauf in teilweiser Berücksichtigung der alten Fundamente ein Ziegelbau, möglicherweise eine Kirche, errichtet. Die Grabung B. Lahis an der ›Amphorenmauer‹ hinter der Südhalle der Agora konnte unterstützt werden, durch eine sorgfältige Auswertung des Schnittes konnte zum einen die Datierung der Halle in das 3. Jh. v. Chr. gesichert werden, zum anderen die Funktion der Packung der Amphoren. Mit ihrer Hilfe war provisorisch eine Terrassierung rückwärtig hinter der Halle zu sichern. Kooperationspartner: Albanisches Archäologisches Institut,Tirana (B. Lahi); Museum in Apollonia (V. Dimo); Universität zu Köln • Förderung: DFG; Bayerische Akademie der Wissenschaften • Leitung des Projekts: B. Lahi, H. von Hesberg • Mitarbeiter: A. Angelinoudi, J. Bäuerlein, M. Fiedler • Abbildungsnachweis: J. Bäuerlein (Abb. 33. 34). 34 Apollonia (Albanien), Theater Abb. 33 Schnitt durch das Bühnengebäude, das Theater stellt einen bisher unbekannten Typus mit einer Säulenstellung als Bühnenfront dar (M. 1 : 125) Abb. 34 Skulpturenfragment einer weiblichen Gewandstatue aus Marmor hellenistischer Zeit Nordafrika Für die ehemaligen Projekte der Abteilung in Tunesien und Algerien wurden die entsprechenden Materialien und Dokumentationen der Grabungen von F. Rakob und Ch. Rüger gesichtet, im Institut zusammengeführt und ein erster Plan zur Publikation der noch ausstehenden Teile entworfen. AA-2008/1 Beiheft Abteilung Rom 93 Kooperationspartner: Ch. Flügel (Bayerisches Landesdenkmalamt); H. Dolenz (Landesmuseum Kärnten); M. Mackensen (Ludwig-Maximilians-Universität München) • Leitung des Projekts: H. von Hesberg. Bostra (Syrien), Ostviertel Aus der archäologischen Auswertung der antiken Bauten im Ostviertel von Bostra konnten entscheidende neue Erkenntnisse zur städtebaulichen Entwicklung gewonnen werden. In augusteischer Zeit wurde im Ostviertel von Bostra ein monumentales Heiligtum errichtet. Zu diesem Heiligtum gehörten das als »nabatäisches Tor« bezeichnete Propylon, der sog. Palast des Trajan (Abb. 35), bei dem es sich wahrscheinlich um ein Priesterhaus handelt, und außerdem ein Tempel. Dieser wurde im 5. Jh. n. Chr. in eine Kirche in Form eines Zentralbaus umgebaut. Im frühen 2. Jh. n. Chr., als Bostra zur Hauptstadt der Provincia Arabia wurde, entstand im Ostviertel ein gänzlich neuer Komplex mit einem Forum, einer Basilika und anderen Bauten. Neben dem alten traditionellen Heiligtum errichtete man einen weiteren Kultbau, der vermutlich dem Iuppiter Ammon geweiht war. Die Klientel des Sakralbaus, der im Grundriss dem alten Heiligtum ähnlich ist, waren die in Bostra stationierten Soldaten der Legio III Cyrenaica. In dieser Zeit wurde auch das Theater im Süden der Stadt erbaut. Das gänzlich aus Basalt hergestellte Bauwerk erhielt während der Herrschaft des Alexander Severus eine neue Wandgliederung der scaenae frons, deren Bauglieder aus Kalkstein und prokonnesischem Marmor bestehen. Leitung des Projekts: K. S. Freyberger • Bearbeitung: Ch. Ertel. Abb. 35 Bostra (Syrien), Ostviertel. ›Palast des Trajan‹, Apsidensaal Visualisierung des römischen Köln Für wissenschaftliche und didaktische Zwecke wird in enger Zusammenarbeit zwischen der Fachhochschule und der Universität zu Köln ein virtuelles Modell des römischen Köln entwickelt, in dem die vor allem durch B. Irmler rekonstruierten Bauten in ihrem baulichen Volumen, ihrer Gestaltung und ihrem urbanistischen Kontext erfahrbar werden sollen. Im Unterschied zu vieAA-2008/1 Beiheft 94 Jahresbericht 2007 des DAI 36 37 len anderen Modellen dieser Art wird daran gearbeitet, es in Echtzeit nutzen zu können (Abb. 36. 37). Kooperationspartner: Universität zu Köln; Fachhochschule Köln; Römisch-Germanisches Museum Köln; Hasso-Plattner-Institut für Softwaresystemtechnik, Potsdam • Förderung: GEW-Stiftung Köln • Leitung des Projekts: M. Eichhorn, H. von Hesberg • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: J. Bäuerlein, J. Döllner, H. Hellenkemper, F. Naumann-Steckner, R. Pokorski • Abbildungsnachweis: Ch. Rademann, R. Pokorski (Abb. 36. 37). Visualisierung des römischen Köln Abb. 36 ›Ara Ubiorum‹ Abb. 37 Kapitolstempel und sein Bezirk Wissenschaftliche Veranstaltungen Vorträge 26. April (Palilienadunanz, zu Gast im Museo Nazionale Romano, Palazzo Massimo alle Terme) Giuliana Cavalieri Manasse (Verona), Formazione di una polis megale cisalpina: Verona tra il II e il I secolo a. C.xxx20. November (zu Gast in der Casa di Goethe) Stefanie Oehmke (Krefeld), Gemmen, Münzen und Kontakte. Zum 150. Todestag der ersten deutschen Archäologin Sybille Mertens-Schaaffhausenxxx13. Dezember (Winckelmannadunanz, zu Gast im Museo Nazionale Romano, Palazzo Massimo alle Terme) Michael Heinzelmann (Bern), Amiternum und das obere Aterno-Tal: Annäherungen an eine sabinisch-römische Landstadt. Vorträge im Rahmen des von der Gerda Henkel Stiftung geförderten Projekts »Italische Kulturen des 7. bis 3. Jhs. v. Chr. in Süditalien und Sizilien« 5. März Andrea Babbi (Rom), Nei mari estremi. Riflessioni sulla piccola plastica fittile antropomorfa della penisola italiana nell’età del bronzoxxx16. April Alessandro Palmieri (Rom), Aspetti del rituale funerario veiente di VI e V secolo a. C.; Maria Cristina Biella (Rom), Idee tirreniche e sperimentazioni adriatiche. Note sugli impasti excisi al di là degli Appenninixxx14. Mai Ferdinando Sciacca (Rom), Circolazione di doni cerimoniali nell’Italia antica nel VII secolo a. C.; Nadin Burkhardt (Rom), I riti funerari degli Italici e dei Greci sulla costa Ionica. Influenze reciproche e sviluppi indipendentixxx4. Juni Laurent Haumesser (Rom), Sarcofagi con decorazione dipinta in Etruria in epoca ellenistica; Marina Sclafani (Rom), Urnette cinerarie etrusche di periodo ellenisticoxxx3. September Elena Foddai (Rom), Alari e spiedi metallici in Etruria tra il VIII e VI secolo a. C.xxx1. Oktober Ornella Guzzi (Rom), Vasellame e instrumentum bronzeo a decorazione plastica di età tardo-classica AA-2008/1 Beiheft Abteilung Rom 95 ed ellenistica in Etruria; Arianna Medoro (Rom), Raffigurazioni di volatili nella ceramografia arcaicaxxx5. November Massimiliano Di Fazio (Rom), Feronia e dintorni. Il profilo di una divinità tra preromano e romano. Kolloquien und Symposien 21. bis 23. Februar Internationaler Kongress »Phönizisches und Punisches Städtewesen« (Gemeinschaftsprojekt der Abteilungen Madrid und Rom im Rahmen des Forschungsclusters 3 »Politische Räume«; Leitung: Dirce Marzoli [Madrid] und Sophie Helas [Rom]; zu Gast im Museo Nazionale Romano, Palazzo Massimo alle Terme und Terme di Diocleziano auf freundliche Einladung von R. Paris und M. A. Tomei). 44 Experten aus zehn Ländern präsentierten ihre neuen Forschungsergebnisse; ca. 600 Gäste nahmen an dem Kongress teil. – Es sprachen: Dirce Marzoli (Madrid) – Henner von Hesberg (Rom), Einführung; María Eugenia Aubet (Barcelona), Byblos, Tyros; Ze’ev Herzog (Tel Aviv), Phoenician Urbanism in Palestine; Eric Gubel (Brüssel), Phoenician Towns and harbours in the North: The Case of Early Iron Age Amurru; Hélène Sader (Beirut), Tell Burak; Paolo Xella (Rom) – Ida Oggiano (Rom), Sidone e il suo territorio in età persiana: Epigrafia e archeologia; Jens Kamlah (Tübingen), Städtische Heiligtümer der Levante; Marguerite Yon (Lyon), Identifier les espaces urbains à Kition (Chypre); Maria Pia Rossignani (Mailand), Il santuario di Astarte a Malta e le successive transformazioni del suo volto monumentale; Nathaniel Cutajar (La Valletta), The Transition from Bronze Age to Phoenician Settlement Types – Preliminary Considerations on the Malta Evidence; Boutheina Maraoui Telmini (Tunis), Utique à l’époque phénicienne et punique: État de la question; Carmen Aranegui Gascó (Valencia), Lixus (Larache): Casas y almacenes fenicios, púnicos y mauritanos; Aomar Akerraz (Rabat) – Emanuele Papi (Siena), Thamusida; Hans Georg Niemeyer (Hamburg), Karthago; Roald Docter (Gent), Karthago; Mounir Fantar (Tunis), L’architecture religieuse à Kerkouane: Le cas de la chapelle à plan carré; Dieter Mertens (Rom), Befestigungen in Nordafrika und Sizilien; Francesca Spatafora (Palermo), Dagli emporia fenici alle città puniche: Continuità e discontinuità nell’organizzazione urbanistica di Palermo e Solunto; Lorenzo Nigro (Rom), Il tempio del Kothon e il ruolo delle aree sacre nello sviluppo urbano di Mozia dall’VIII al IV secolo a. C.; Maria Luisa Famà (Trapani), L’urbanistica e le strutture abitative di Mozia allo stato attuale delle ricerche; Sophie Helas (Rom), Selinunt: Zur Gestalt der punischen Stadt; Massimo Osanna (Potenza), Kossyra antica: L’insediamento dell’età arcaica all’epoca ellenistica; Thomas Schäfer (Tübingen), Pantelleria: Stadtanlage und Heiligtum; Corinne Bonnet (Toulouse) – Giuseppe Garbati (Viterbo), Spazi sacri dentro e fuori la città: Strategie di occupazione e forme devozionali nella Sardegna fenicia e punica; Carla Perra (Carbonia), Carbonia, Nuovi elementi per la tipologia degli insediamenti fenici della Sardegna Sud-Occidentale; Rubens D’Oriano (Sassari), Olbia: Elementi di urbanistica fenicia, greca e punica; Antonella Mezzolani (Rom),Tharros: Membra disiecta di una città punica; Diego Ruiz Mata (Cádiz), Castello de Doña Blanca; Felix Arnold (Madrid) – Dirce Marzoli (Madrid), Toscanos, Morro de Mezquitilla und Las Chorreras aus baugeschichtlicher Sicht: Städtebau und Wohnhaustypologie im Vergleich; José Luis López Castro (Almería), Las ciudades de Abdera y Baria en el Sureste de la Península Ibérica; Carlos Gómez Bellard (Valencia), Topografía urbana de la ciudad de Ibiza en época fenicio-púnica; Pierre Rouillard (Nanterre), Entre Phéniciennes et Ibéres: Le cas de la Rabita/Fonteta à Guardamar del Segua, Alicante; Lorenzo Abad Casal (Alicante) – Feliciana Sala Selles (Alicante), La arquitectura y el urbanismo en El Oral (San Fulgencio, Alcicante): Un ejemplo de asimilación de la AA-2008/1 Beiheft 96 Jahresbericht 2007 des DAI arquitectura fenicia y púnica; Juan Blánquez Pérez (Madrid) – Manuel Bendala Galán (Madrid) – Lourdes Roldán Gómez (Madrid), Nuevas propuestas a los modelos de asentamientos colonial del mundo fenicio-púnico en el sur de la Península Ibérica: El ejemplo de Carteia (San Roque, Cádiz); Sebastián Ramallo Asensio (Murcia) – Elena Ruiz Valderas (Murcia), El diseño urbano de una gran ciudad del SE de Iberia: Qart Hadash; María Belén Deamos (Sevilla), Carmona (Sevilla). Arquitectura oriental en una ciudad tartesia del Valle del Guadalquivir. Abschlussdiskussion (Leitung: Hans Georg Niemeyer), Teilnahme: Maria Giulia Amadasi, Sandro Filippo Bondì, Margarete van Ess, Dirce Marzoli, Hermanfrid Schubart. Weitere Teilnehmer: Paolo Bernardini, Fethi Chelbi, Abdelaziz El Khayari, Elisabeth Fentress, Pierre Moret. 8./9. Juni Kolloquium zum 70. Geburtstag von Paul Zanker »Kunst von unten? Stil und Gesellschaft in der Antiken Welt von der ›arte plebea‹ bis heute« (Organisation: Abteilung Istanbul des DAI, Abteilung Rom des DAI, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Columbia University New York; zu Gast in der Deutschen Akademie Villa Massimo). – Es nahmen teil: Ida Baldassarre, Adolf H. Borbein, Filippo Coarelli, Francesco de Angelis, Jens-Arne Dickmann, Pier Giovanni Guzzo, Henner von Hesberg, Ralf von den Hoff,Tonio Hölscher, Eugenio La Rocca, Richard Neudecker, Felix Pirson, Alan H. Shapiro, R. R. R. Smith, Mario Torelli, Andrew Wallace-Hadrill, Fausto Zevi. Öffentlichkeitsarbeit Die öffentlichen Führungen in Rom und Umgebung erfolgten vom 27. Januar bis 20. Mai. Den traditionellen Pompejikurs für Gymnasiallehrer ersetzte auch dieses Jahr der Romkurs, der vom 21. bis 27. Oktober stattfand. Daran beteiligten sich alle wissenschaftlichen Referenten und Referentinnen der Abteilung. Der Italienkurs fand zum ersten Mal vom 6. bis 14. Oktober statt und führte die Gruppe der Studierenden und wissenschaftlichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von deutschen Universitäten und wissenschaftlichen Einrichtungen, die von Friederike Fless und Henner von Hesberg geleitet wurde, über die Städte Verona, Padua, Montegrotto Terme, Este, Adria, Altino, Concordia Sagittaria (Portogruaro), Aquileja und Triest. Dabei wurden die Befunde und die Objekte in den Museen von den italienischen Kollegen und Kolleginnen vor Ort erläutert und mit ihnen diskutiert. Der Kurs diente als Studieneinheit bzw. der fachlichen und beruflichen Fortbildung. Dabei standen die einheimische Kultur der Veneter, die Vorgänge der Akkulturation (Griechen, Etrusker, Kelten) und später die Urbanisierungsvorgänge in der Zeit der Republik und der frühen Kaiserzeit und die Spätantike im Zentrum der Betrachtung. Sonstiges Wegen der Bauarbeiten und der Suche nach einem Ausweichquartier waren die wissenschaftlichen Dienstleistungen beeinträchtigt. AA-2008/1 Beiheft Abteilung Athen Abteilung Athen Fidiou 1 GR-10678 Athen Tel.: +30-210-330 74 00 Fax: +30-210-381 47 62 E-Mail: [email protected] Direktoren Prof. Dr. Dr. h. c. Wolf-Dietrich Niemeier, Erster Direktor PD Dr. Reinhard Senff, Wissenschaftlicher Direktor Wissenschaftliche Mitarbeiter Dr. Joachim Heiden (ab 1. 7.), Dr. des. Ivonne Kaiser, Dr. Konstantinos Kopanias (bis 31. 8.), Dr. Michael Krumme (bis 31. 7.), Dr. Astrid Lindenlauf (ab 1. 9.), Dr. Jutta Stroszeck Auslandsstipendiaten Dr.-Ing. Nils Hellner, Dr. des. Constance von Rüden (ab 1. 3.) Wissenschaftliche Hilfskräfte Susanne Bocher M. A., Dr. Dimitris Grigoropoulos (bis 31. 5.), Jan-Marc Henke M. A. (ab 15. 10.), Katrin Heyken M. A. (bis 30. 9.), Dr. des. Stefanie Luchtenberg (ab 1. 6.), Oliver Pilz M. A., Laura Rizzotto M. A., Dipl.-Ing. Jürgen Schumann (bis 31. 8.), Ulrich Thaler M. A. Abteilung Athen 99 Ausgrabungen und Forschungen Athen, Kerameikos Nachgrabung an den Lakedaimoniergräbern: Im Kerameikos wurden die Nachgrabungen im Grabbau der 403 v. Chr. gefallenen spartanischen Krieger fortgesetzt. Ziel war zum einen die Kontrolle der Auffüllungsschichten, da sich in den Tagebüchern des ersten Ausgräbers, A. Brueckner, der Hinweis findet, dass die Erde aus den Grabgruben zu seiner Zeit nur von einem Abschnitt des Grabbaus in den nächsten, aber nicht nach außerhalb verlagert wurde. Es bestand also die Hoffnung, noch weitere Informationen zum Opfer am Grab zu gewinnen. Andererseits sollten die Bauphasen der Lakedaimoniergräber überprüft und erstmals die Innenansicht der freigelegten Mauern aufgenommen werden. Die beiden Probeschnitte im Inneren des Grabbaus haben gezeigt, dass noch unberührte Schichten vorhanden sind und dass auch in der bereits ausAthen, Kerameikos. Lakedaimoniergrab Abb. 1 Inv. 2195, Scherbe eines rotfigurigen Glockenkraters mit Darstellung eines der Dioskuren, gefunden 1930 Abb. 2 Inv. 11367.1, Scherbe eines rotfigurigen Glockenkraters mit Darstellung der Athena 1 Abb. 3 Der Löwe Inv. P 1698 vom Heiligen Tor nach der Zusammensetzung 2 gegrabenen und wieder eingefüllten Erde noch Keramikfragmente vom Opfer am Grab vorhanden sind. So fand sich in der unteren, weniger stark durchmischten Füllung eine rotfigurige Scherbe von der Hand des Suessula-Malers, die die Göttin Athena zeigt und die zu demselben Glockenkrater gehört wie eine Scherbe mit der Darstellung der Dioskuren bei der Geburt der Helena, die bei den Grabungen A. Brueckners 1930 zutage gekommen ist (Abb. 1. 2). Eine Fortsetzung der Arbeiten ist deshalb für das kommende Jahr geplant. Restaurierung: In dieser Kampagne konnten zwei der 2002 am Heiligen Tor gefundenen Skulpturen – der hocharchaische Löwe (Abb. 3) sowie die Sphinx – neu zusammengesetzt und aufgestellt werden. Leitung des Projekts: W.-D. Niemeier; Leitung der Untersuchungen an den Lakedaimoniergräbern: J. Stroszeck • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: K. Heyken, I. Kaiser, G. Kuhn, P. Gjumes, E. Foto, J. Papagrigoriou, Th. Kardamis (Restaurierung) • Abbildungsnachweis: J. Stroszeck (Abb. 1. 2); J. Patterson (Abb. 3). Kalapodi Die Ruinen des Heiligtums bei dem heutigen Dorf Kalapodi im Verwaltungsbezirk Pthiotis in Mittelgriechenland konnten aufgrund von Inschriftenfunden als das Orakelheiligtum des Apollon von Abai in der antiken östlichen Phokis – eines der wichtigsten Heiligtümer des antiken Griechenlands mit internationaler Bedeutung – identifiziert werden. Bestätigend kam in diesem Jahr eine weitere Inschrift hinzu: Bei der Reinigung der Mauern der Kirche Koinesis tis Theokotou westlich des Dorfes kam eine Statuenbasis mit einer Widmung der Stadt Abai für Kaiser Konstantin zutage, ein weiteres Indiz dafür, dass Abai AA-2008/1 Beiheft 100 Jahresbericht 2007 des DAI im Tal von Kalapodi lag und nicht – wie früher angenommen – im weiter südlich liegenden Tal von Exarchos. Die Untersuchungen der 2004 wieder aufgenommenen Grabungen im Heiligtum konzentrieren sich auf den ca. 560 v. Chr. erbauten und 480 v. Chr. von den Persern bei ihrem Vormarsch auf Athen niedergebrannten hocharchaischen Südtempel und seine Vorgänger (Abb. 4). Wie die Grabungskampagnen der letzten Jahre gezeigt haben, reicht der Kult hier im Süden des Heiligtums mindestens bis in die mykenische Palastzeit (14.–13. Jh. v. Chr.), möglicherweise sogar bis in die mittelhelladische Periode (20.–18. Jh. v. Chr.), zurück und weist eine für das griechische Festland bisher einzigartige, nachweisbar lückenlose Abfolge über die sog. Dunklen Jahrhunderte nach dem Untergang der mykenischen Palastkultur auf. Im Westen des hocharchaischen Südtempels kamen in diesem Jahr unter späteren Schuttschichten, die weitere Bauteile des klassischen Nordtempels enthielten, und neben der im Vorjahr entdeckten Rampe wiederum eindrucksvolle Überreste der Perserzerstörung zutage: ein Versturz von Dachziegeln, verkohlten Holzbalken und verbrannten Lehmziegeln. Fragmente von korinthischen Helmen in diesem Schutt zeigen, dass solche Helme zusammen mit den in den letzten Jahren gefundenen Wagenrädern am Tempel aufgehängt waren. Große flache, abgeschrägte Kalksteinplatten können eigentlich nur von der bei der Zerstörung nach Westen herausgefallenen Rückwand des Westgiebels stammen. Dieser Befund soll im kommenden Jahr weiter untersucht werden. Bei der Fortsetzung der Freilegung des spätgeometrischen bis früharchaischen Südtempels, der im späten 8. Jh. v. Chr. erbaut wurde und nach einer früheren Erdbebenzerstörung im mittleren 7. Jh. v. Chr. um 580 v. Chr. durch ein weiteres Erdbeben sein endgültiges Ende fand, erfüllte sich die Hoffnung, weitere Fragmente der bedeutenden Wandmalerei mit Darstellung einer Kampf- Abb. 4 Kalapodi, Südtempel von Südwesten nach Abschluss der diesjährigen Kampagne AA-2008/1 Beiheft Abteilung Athen 101 6 Kalapodi, geometrischer Südtempel Abb. 5 Eingangsseite, dahinter auf Erdsockel stehengelassener Einbau klassischer Zeit (von Südosten) Abb. 6 Zerstörungsschicht mit Votiven in situ 5 szene (s. AA 2007/2, 213 Abb. 6) zu entdecken, leider nicht. Es wurden zwar weitere Wandstuckfragmente gefunden, diese waren aber bei der Erdbebenzerstörung im mittleren 7. Jh. v. Chr. vollkommen verbrannt worden. Das im letzten Jahr ausgegrabene Westende dieses Tempels erwies sich als Apsis (Abb. 4). Hier lagen im und unter dem Lehmziegelversturz noch verkohlte Holzbalken der Dachkonstruktion und eiserne Spitzen von Lanzen, die als Votive aufgestellt gewesen waren. Nach der endgültigen Zerstörung hatte man – wie auch an anderen Stellen – an der Apsis auf dem Lehmziegelversturz Votive niedergelegt, eine weitere eiserne Lanzenspitze und eine bronzene Gewandnadel. 2005 war unter der östlichen Säulenhalle des hocharchaischen Tempels ein Altar aus Feldsteinen der geometrischen Periode (8. Jh. v. Chr) ausgegraben worden (s. AA 2006/2, 167 Abb. 10). Es war zu vermuten, dass weiter westlich, unter der Cella des hocharchaischen Tempels, ein zugehöriger Tempel lag. Als dieser jetzt tatsächlich aufgedeckt wurde, bildete dies daher keine Überraschung. Überraschend waren aber die reichen in ihm gemachten Funde. Es handelt sich um einen Antentempel von etwa 4 m Breite, der aus Lehmziegeln auf Steinmauern erbaut war.Von ihm konnte bisher nur das Ostende mit dem Eingang freigelegt werden (Abb. 5), da er zum größten Teil von dem einfachen offenen Einbau klassischer Zeit überdeckt ist, der nach der Zerstörung des hocharchaischen Tempels in dessen nun in einen offenen Hof umgewandelte Cella gesetzt wurde. Die für die weiteren Untersuchungen des geometrischen Tempels und des Zentrums der frühen Heiligtumsphasen notwendige Herausnahme dieses Baus ist beim Zentralen Archäologischen Rat Griechenlands beantragt. Der geometrische Tempel wurde ca. 740/30 v. Chr. aufgegeben, um den größeren Nachfolgetempel errichten zu können. Bevor der Boden des aufgelassenen Tempels mit einer Lage vertikaler Lehmziegel versiegelt wurde, AA-2008/1 Beiheft 102 Jahresbericht 2007 des DAI hatte man auf ihm Votive niedergelegt (Abb. 6): ein 80 cm langes Eisenschwert des Typus Naue II, über dem quer ein eiserner Obelos lag, weiterhin zahlreiche bronzene Schmuckstücke, so Gewandnadeln, Fibeln, Armreifen, Fingerringe, Anhänger in Gestalt von Vögeln und eines Widders (Abb. 7), außerdem Halsketten aus Fayenceperlen. Diese Votive hatte man einem Opferfeuer ausgesetzt, das die in einer neben das Schwert gestellten handgemachten Amphora befindliche Flüssigkeit, wahrscheinlich Olivenöl, zur Explosion brachte. Während es sich bei Schwert und Obelos um männliche Votive handelt, war der Schmuck sicherlich von Frauen geweiht worden, wofür entsprechende Funde aus reichen Frauengräbern der Region sprechen. Neben der Nordostecke des hocharchaischen Südtempels wurde die Ausgrabung der mykenischen Schichten ca. 1 m bis zum gewachsenen Boden fortgesetzt. Die Schichten der Phase SH IIIC (12.–11. Jh. v. Chr.) enthielten wiederum reiches Fundmaterial an Keramik, aber auch Votive wie Anhänger aus Stein, Muscheln und einer Raubvogelkralle, eine Plättchenperle aus blauem Glas mit Darstellung einer Sphinx und ein Amulett aus grünem Stein in Gestalt eines Frosches, bei dem es sich interessanterweise um ein frühneolithisches Stück handelt (Abb. 8; Hinweis S. Hansen). Im untersten SH IIIC-Stratum wurde eine Zerstörungsschicht mit einem Versturz verbrannter Lehmziegel und zertrümmerter Pithoi (Vorratsgefäße), in denen Getreide und Hülsenfrüchte aufbewahrt gewesen waren, angetroffen. In dieser Schicht wurden auch zwei Fragmente von Mühlsteinen gefunden. Dieser Befund bezeugt ein Gebäude, in dem Vorräte für die rituellen Mahlzeiten gelagert und diese zubereitet wurden. Wahrscheinlich ist es von dem unmittelbar nördlich angrenzenden massiven Fundament der südlichen Säulenhalle des klassischen Nordtempels überdeckt. In der darunter folgenden Schicht, direkt über dem gewachsenen Boden, kamen wiederum frühere mykenische Funde der Phasen SH IIIA 2-B (14.–13. Jh. v. Chr.) zutage, Fragmente von Keramik und Terrakottafigurinen, darunter von einem Reiter. Kooperationspartner: 14. Ephorie des griechischen Antikendienstes, Lamia • Förderung: Gerda Henkel Stiftung • Leitung des Projekts: W.-D. Niemeier • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: R. Felsch, A. Felsch-Klotz, N. Hellner, J.-M. Henke,Th. Hintermann, I. Kaiser, K. Kopanias, B. Niemeier, G. Pasewald, S. Prignitz, L. C. Rizzotto, V. Sossau, Ch. Vaporakis • Abbildungsnachweis: W.-D. Niemeier (Abb. 4–8). 7 8 Kalapodi Abb. 7 Bronzener Anhänger in Gestalt eines Widders aus der Zerstörungsschicht des geometrischen Tempels (M. 1 : 1) Abb. 8 Frühneolithisches Steinamulett in Gestalt eines Frosches aus einer SH IIICSchicht (M. 1 : 1) Olympia Olympia ist der traditionsreichste deutsche Grabungsplatz in Griechenland. Seit 1875 werden in dem bedeutendsten Zeusheiligtum, dem Austragungsort der olympischen Spiele der Antike, Ausgrabungen durchgeführt, die inzwischen eine Vielzahl von berühmten Bauten und große Mengen an Weihgeschenken, vor allem aus Bronze, freigelegt haben. Neben den Ausgrabungen werden von Mitarbeitern des DAI auch Restaurierungen und Teilrekonstruktionen durchgeführt, um den Besuchern die antiken Bauwerke besser verständlich zu machen. In diesem Jahr begannen die neuen Ausgrabungen südlich des Stadions und östlich des sog. Südostkomplexes mit der maschinellen Abtragung der meterhohen mittelalterlichen Flusssedimente. Die Bauaufnahme des Zeus-Tempels wurde weitergeführt, die Bronzedatenbank um 1247 neu aufgenommene Objekte vermehrt und die Kartierung der Basen und ihre Aufnahme in eine Datenbank im Rahmen des geplanten GIS für Olympia weitgehend abgeschlossen. Zur Vorbereitung der geplanten Restaurierungen am Zeus-Tempel und am Ptolemäerweihgeschenk wurde der erhaltene Steinbestand der betreffenden Denkmäler gründlich analysiert. AA-2008/1 Beiheft Abteilung Athen 103 Kooperationspartner: 7. Ephorie des griechischen Antikendienstes, Olympia • Förderung: Fritz Thyssen Stiftung; Leventis-Stiftung; Pestalozzi-Stiftung • Leitung des Projekts: R. Senff • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: K. Herrmann (Restaurierungsprojekte), S. Bocher (Digitalisierung der Bronzefunde), J. Schumann (GIS), A. Sieverling, Chr. Schuhmann, M. Lehmann. Abb. 9 Tiryns, Stadt-West. Frühhelladische Tonplomben mit Siegelabdrücken (M. 1 : 1) AA-2008/1 Beiheft Tiryns Ausgrabung: Die im Vorjahr begonnene Ausgrabung in dem westlich des Burgfelsens gelegenen Bereich der Außensiedlung (›Stadt-West‹) wurde fortgesetzt. Die Hauptbedeutung der Ausgrabung liegt darin, dass in dieser Zone der Außensiedlung von Tiryns Befunde der älteren mykenischen Palastzeit (SH IIIA [ca. 14. Jh. v. Chr.]) und der frühen Eisenzeit (ca. 1050–700 v. Chr.) erforscht werden können, die in den meisten anderen Bereichen des Ortes entweder fehlen oder von jüngeren Strukturen überlagert sind. Ungestörte Ablagerungen derjenigen Zeitabschnitte, die dem Späthelladikum vorangehen, wurden in dieser Kampagne noch nicht erreicht. Dennoch spiegeln sich die Grundzüge der Besiedlung des untersuchten Areals in vormykenischer Zeit in denjenigen Funden wider, die in Schichten jüngerer Zeit begegneten. Noch erstaunlicher als der hohe Anteil von Keramik der Stufe Frühhelladisch II (ca. 2700–2200 v. Chr.) sind Fundkategorien, die das Normalmaß von Siedlungen dieser Zeit übersteigen. Nicht nur fanden sich mindestens drei Tonplomben mit Siegelabdrücken (Abb. 9), sondern auch Baumaterialien wie Dachziegel aus Terrakotta und Schiefer, wie sie um die Mitte des 3. Jts. v. Chr. zum Decken von Dächern von Großgebäuden verwendet wurden. All dies lässt in größerer Tiefe Reste qualitativ hervorgehobener frühhelladischer Architektur mit Beziehung zu administrativen Tätigkeiten erwarten. Der älteste durch Architekturreste repräsentierte Besiedlungsabschnitt datiert in die ältere mykenische Palastzeit und erreicht vielleicht noch den frühesten Abschnitt der jüngeren Palastzeit (SH IIIB; frühes 13. Jh. v. Chr.). Nachzuweisen war eine Abfolge zweier mykenischer Bauphasen, die zeitlich zwar offenbar sehr eng aufeinander folgen, deren Gebäude aber durch eine völlig verschiedene Bauweise, Ausrichtung und wahrscheinlich auch Größe gekennzeichnet sind. Architekturreste der älteren Bauphase zeichneten sich erst kurz vor Ende der Ausgrabung abzuzeichnen, weshalb Form und Größe des zugehörigen Baukörpers noch unklar sind.Teilweise war ein Mauerzug freizulegen, der in der Weite und Bauweise exakt den Mauern eines großen SH IIIA1/A2-zeitlichen Architekturkomplexes entspricht, der 1969–1974 etwas weiter südlich freigelegt worden ist. Es ist deshalb anzunehmen, dass es auch an der Stelle der neuen Ausgrabung ein großes, mehrräumiges Gebäude der älteren Palastzeit gab, dessen Ursprünge wahrscheinlich in die frühmykenische Zeit zurückreichen. Die jüngere mykenische Bauphase, die spätestens im frühen 13. Jh. v. Chr. endete, wird durch ein teilweise freigelegtes Gebäude repräsentiert, dessen Wände, wie Stuckfragmente mit blauer Farbe und z. T. mit aufgemalten Linien belegen, eine Bemalung trugen. Noch außergewöhnlicher sind jedoch Funde von Klumpen unverarbeiteten feinen Tons, von Scherben schwach gebrannter oder luftgetrockneter Gefäße (Abb. 10. 11) und wahrscheinlich sogar von einem Spiralwulst zur Herstellung von Gefäßen in Aufbautechnik (Abb. 12), da sie zeigen, dass wir hiermit erstmals für Tiryns ein Gebäude fassen, in dem getöpfert wurde. Obwohl nur ein unsicherer Beleg einer gesiegelten Tonplombe zum Vorschein kam, ist wegen der Lage der Töpferei im Blickfeld der Bewohner der Oberburg eine unmittelbare Beziehung zum Palast anzunehmen. Die Aufgabe des Gebäudes markiert einen tiefen siedlungsgeschichtlichen Einschnitt, gab es doch anscheinend zwischen dem frühen SH IIIB und der 104 Jahresbericht 2007 des DAI 11 10 12 protogeometrischen Zeit in dem Areal keine Bebauung. Was die frühe Eisenzeit anbelangt, stellte sich überraschenderweise heraus, dass eine im Vorjahr aufgedeckte Konstruktion aus großen Steinplatten und Bruchsteinen wohl nicht von einem Grab herrührt. Jedenfalls kamen nach Abbau der Konstruktion in dem darunterliegenden Sediment weder irgendwelche nachmykenischen Funde noch eine Grabgrube zum Vorschein. Zwar kann nicht völlig ausgeschlossen werden, dass in der dritten Kampagne in größerer Tiefe noch eine Bestattung folgt, doch haben wir es weit eher mit einem außergewöhnlich sorgfältig ausgeführten Plattenpflaster eines Weges zu tun, der mit einer Phase der Wiederverwendung von Mauerfundamenten der mykenischen Töpferei zur Errichtung eines neuen Gebäudes in protogeometrischer Zeit korrespondiert. Diese Phase währte indes nur sehr kurz, da Laufhorizonte der mittel- oder spätgeometrischen Zeit bereits störend in die Ruine des mykenischen Gebäudes eingriffen. Aus den unerwartet reichhaltigen Siedlungsbefunden der frühen Eisenzeit wurde ebenso wie aus den mykenischen Befunden eine große Anzahl von gut stratifizierten Erdproben genommen, so dass die Hoffnung besteht, durch archäobotanische Untersuchungen Hinweise auf die Wirtschaftsweise zu erhalten. Fresken: Die Restaurierung und wissenschaftliche Erschließung der Fresken aus den Ausgrabungen, die der griechische Antikendienst 1999 und 2001 an der Westtreppe durchgeführt hat, wurde in Zusammenarbeit mit der 4. Ephorie im Rahmen des Forschungsclusters »Politische Räume« des DAI fortgesetzt, wobei auch die im Nationalmuseum Athen aufbewahrten Altfunde in die Untersuchung einbezogen wurden. Nach Abschluss der Reinigungs- und Festigungsarbeiten wurde mit der systematischen Suche nach Anpassungen für die einzelnen Motivkomplexe begonnen. Zunächst wurden die Friese von Holzimitationen und Spiralen ausgewählt, die für die Klärung des Verhältnisses zu den von G. Rodenwaldt publizierten Altfunden vermutlich mitentscheidend sind, da zumindest ein Großteil der Holzimitationen der bekannten großen Frauenprozession zuzurechnen ist. Der Erfolg der Suche nach Anpassungen ist beachtlich, denn es konnten große Ausschnitte der Friese und auch Darstellungen der figürlichen Freskenmalerei zusammengesetzt werden. Tiryns, Stadt-West. Als Töpferei gedeutetes Gebäude (SH IIIA2/IIIB1) Abb. 10 Unebener Fußboden des Gebäudes. Oben, links ältere zweischalige Mauer (SH IIIA1/IIIA2) Abb. 11 Fragmente nicht oder schwach gebrannter Keramik in situ Abb. 12 Mutmaßlicher Ton-Spiralwulst, aus dem Vorbereich AA-2008/1 Beiheft Abteilung Athen 105 Kooperationspartner: 4. Ephorie des griechischen Antikendienstes (A. Papadimitriou); Nationalmuseum Athen (L. Papazoglou-Manioudaki: Fresken, Altfunde) • Förderung: Institute for Aegean Prehistory • Leitung des Projekts: J. Maran • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: U. Thaler (Assistent und Mitarbeiter im Fresken-Projekt), K. Bra, A. Makris, G. Papadimitriou, M. Skouteri (Restaurierung), M. Kostoula (Zeichnung und Photographie), A. Deicke, V. Hachtmann, E. Kardamaki, E. Pape, M. Siennicka, N. Thompson, I. Vahlhaus, S. Wirghova (Ausgrabung) • Abbildungsnachweis: M. Kostoula (Abb. 9); Archiv der Tirynsgrabung, J. Maran (Abb. 10–12). Die antike Siedlungstopographie Triphyliens In diesem Jahr startete die zweite Kampagne des bisher von der Zentrale durchgeführten Projekts zur Erforschung der antiken Siedlungstopographie Triphyliens. Die Kampagne hatte das Ziel, die Städte Platiana, Samikon und Lepreon aufzunehmen. Noch in der ersten Woche mussten die Arbeiten wegen der verheerenden Waldbrände in Triphylien komplett abgebrochen werden. Kooperationspartner: Lehrstuhl für Baugeschichte der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus; 7. Ephorie des griechischen Antikendienstes (G. Hatzi, C. Liangouras); Universität Bern (David Jordan, Geophysik) • Förderung: DFG-Schwerpunktprogramm 1209 »Die hellenistische Polis als Lebensform. Urbane Strukturen und bürgerliche Identität zwischen Tradition und Wandel« • Leitung des Projekts: J. Heiden, C. Rohn (Lehrstuhl für Baugeschichte der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus) • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: K. Heine (Brandenburgische Technische Universität Cottbus, Geodäsie), S. Bocher (Archäologie). Wissenschaftliche Veranstaltungen Vorträge 31. Januar Mathias R. Hofter (Berlin), Der Archäologe Ernst Buschor und das Dritte Reichxxx21. Februar Judith Bartel (Jena), Stadtbefestigungen in Akarnanien. Ein bauhistorischer Beitrag zur antiken Siedlungsgeschichte (Aigeiros) 22. Februar Stefanie A. H. Kennell (Athen), »… keinen so gelehrten und tüchtigen Mann gibt als Sie«.The Dörpfeld – Schliemann Correspondence,1879–1888 14. März Jürgen Schumann (Athen), Die punische Ladenstoa von Selinunt – Rekonstruktion und baukonstruktive Details (Aigeiros)xxx20. März Sergey Solovyov (St. Petersburg),The Chora of Ionian Colonies. Archaeological Evidence from the Northern Black Sea Areaxxx21. März Martin Langner (Berlin), Meisterwerk und Massenware – Wahrnehmung und Bewertung attisch rotfiguriger Vasen im 4. Jh. v. Chr.xxx12. April Kurt A. Raaflaub (Providence), Das frühe politische Denken der Griechen im interkulturellen Zusammenhang des Mittelmeerraumesxxx16.April Mercourios Georgiadis (Nottingham), Reconstructing the Material Culture and the Settlement Pattern in Prehistoric Halasarna, Kos: A Preliminary Report on the Survey Findsxxx3. Mai David Knipp (Rom), Zur frühpaläologischen Wandmalerei auf Kytheraxxx16. Mai Ioannis Fappas (Thessaloniki), Mycenaean Goods of Value: Perfumed Oils in Mycenaean Greece, Hittite Anatolia and Egyptxxx17. Oktober Nadin Burkhardt (Rom), Platea ornata et via vulgaris – Die Straßen Athens in der Spätantike (Aigeiros)xxx23. Oktober Johannes Bergemann (Bochum), Der Bochumer Survey in Gela auf Sizilien: Eine koloniale Chora von der Bronzezeit bis zum Mittelalterxxx14. November Kathrin Kleibl (Mainz), Eine zypro-archaische Widdergottheit als Zeugnis interkultureller Kontakte (Aigeiros)xxx12. DezemAA-2008/1 Beiheft 106 Jahresbericht 2007 des DAI ber Ina Berg (Manchester), Understanding Pottery Forming Techniques with X-radiography: Reassessing the Introduction of the Potter’s Wheel on Crete (Aigeiros). Am 25. Mai wurde der diesjährige Sommerfestvortrag von Georgios Despinis (Thessaloniki) zu »Neues zur spätarchaischen Statue des Dionysos aus Ikaria« gehalten. Anschließend wurde auf der Institutsterrasse zu einem Empfang geladen. Am 7. Dezember fand die Winckelmannfeier statt. Nach dem Jahresbericht des Ersten Direktors hielt Hans-Joachim Gehrke (Freiburg) den Festvortrag über »Raumbilder im archaischen Griechenland: zwischen Mythos und Mathematik«. Kolloquien 26./27. März Konstituierendes Kolloquium des Forschungsclusters 4 »Heiligtümer: Gestalt und Ritual. Kontinuität und Veränderung« des DAI. 2./3. November Internationales Kolloquium »Neue Funde archaischer Plastik aus griechischen Heiligtümern und Nekropolen« (in Zusammenarbeit mit der Universität Athen; Organisation:Wolf-Dietrich Niemeier [Athen] und Georgia Kokkorou-Alevras [Athen],Abb. 13). – Es sprachen: Nikolaos Stampolides (Athen/Rhethymnon), Πρωτοαρχαϊκ πλαστικ απ την Ελεθερνα της Κρτης. Μα πρτη προσγγιση; Georgia Kokkorou-Alevras (Athen), Κεφλι κρης στο αρχαιολογικ μουσεο της Σπρτης αρ. 12026 και τα αρχαϊκ περιρραντρια; Margherita Bonanno-Aravantinos (Rom), Sculture arcaiche dall’area di culto di Eracle a Tebe;Wolf-Dietrich Niemeier (Athen), Die Skulpturen vom Heiligen Tor im Kerameikos. 1. Der Fundkontext; 2. Der Kouros; Bettina von Freytag gen. Löringhoff (Tübingen), 3. Der liegende Löwe; Gerhard Kuhn (Marburg), 4. Das archaische Grabsäulenmonument mit Löwenskulptur; Ivonne Kaiser (Athen), 5. Die Sphinx;Vicky Barlou (Marburg), 6. Die ionische Säule der Sphinx; Olga Tzachou-Alexandri (Athen), Πριμη αρχαϊκ κρη απ την Ανβυσσο; Giorgos Despinis (Thessaloniki/Athen), %να νο Abb. 13 Poster zum Internationalen Kolloquium »Neue Funde archaischer Plastik aus griechischen Heiligtümern und Nekropolen« θρασμα απ το μαρμρινο ατωμα των λιονταριν του αρχαου ναο της Αθηνς στην Ακρπολη; Dimitrios Sourlas (Athen), Γλυπτ Αρχαϊκν Χρνων απ τα Κθηρα; Georgios Kouragios (Paros), Τα γλυπτ απ το ιερ του Απλλωνα στη θση Μντρα της νησδας Δεσποτικο και να γλυπτ απ την Προ; Kokona Rouggou (Mytilini), %ργα αρχαϊκς πλαστικ απ το ›Ιερ του Λιμανιο‹ στο Εμπορι της Χου; Euridiki Leka (Mytilini), -γαλμα κρης απ την αρχαα Καρθαα Κας; Lila Marangou (Ioannina), Να αρχαϊκ γλυπτ απ την Αμοργ; Ömer Özyiğit (Izmir), Protomes de griffon et de cheval pro- venant du Temple d’Athena a Phokaia; Elena Walter-Karydi (Saarbrücken/ München), Ostionische Giebelplastik? Zu den Pantherreliefs aus Milet; Aggeliki Andreiomenou (Theben/Athen), Η εξ Ακραιφας στλη Μνασιθεου, ργον Φιλοργου, συγκρινομνη με σγχρον της αττικ ργα; Christos Pitteros (Nauplion), Υστεροαρχαϊκ επιτμβια στλη απ το -ργος; Bilge Hürmüzlü (Isparta) – İlhan Güceren (Isparta),Three Late Archaic Grave Stelae in the Museum of Isparta. Öffentlichkeitsarbeit Herr Niemeier sprach in Kalapodi vor über 400 Besuchern, darunter Parlamentsabgeordneten und Bürgermeistern der Region, auf Griechisch über seine Ausgrabungen des bei Kalapodi gelegenen Orakelheiligtums des Apollon von Abai. Herr Senff hielt öffentliche Vorträge zu W. Dörpfeld anlässlich des AA-2008/1 Beiheft Abteilung Athen 107 Festaktes zum 170. Gründungstag der deutsch-griechischen Gesellschaft »Philadelphia« in deren Vereinshaus und zu Migration in der Antike am GoetheInstitut in Thessaloniki im Rahmen einer vom Deutschen Generalkonsulat veranstalteten Vortragsreihe. Herr Krumme eröffnete die von ihm organisierte Photoausstellung »Wilhelm Dörpfeld – Frühe Ansichten antiker Stätten« im Goethe-Institut zu Athen mit einem Festvortrag. Frau Stroszeck hielt vor dem internationalen Rotarier-Verein in Athen einen Vortrag über die Abteilung Athen des DAI und die Kerameikosgrabung. Politiker, darunter der Bundestagspräsident Norbert Lammert, Altertumswissenschaftler, Studierende und Interessierte wurden durch Institutsgrabungen und archäologische Stätten Athens geführt. Herr Niemeier gab während seiner Vortragsreise durch Australien mehrere Rundfunk- und Zeitungsinterviews über seine Forschungen und die Arbeit der Abteilung Athen des DAI. Außerdem berichtete er über seine Grabungen in Kalapodi in einem Fernsehinterview. Herr Senff und Frau Bocher gaben anlässlich der Brände in Olympia zahlreiche Radio- und Zeitungsinterviews. Abb. 14 Ausstellungskatalog zur Photoausstellung »Wilhelm Dörpfeld – Frühe Ansichten antiker Stätten« im GoetheInstitut Athen Ausstellungen Die Photoausstellung »Wilhelm Dörpfeld – Frühe Ansichten antiker Stätten« war im Goethe-Institut Athen und im Vereinshaus der deutsch-griechischen Gesellschaft »Philadelphia« zu sehen. In Zusammenarbeit mit dem GoetheInstitut wurde ein Ausstellungskatalog herausgegeben (Abb. 14). Die Abteilung Athen unterstützte die vom Januar bis April im Nationalmuseum gezeigte Ausstellung »Πολχρωμοι Θεο«, die zuvor in mehreren europäischen Museen, zuletzt 2006 im Archäologischen Museum Istanbul, zu sehen war (s. AA 2007/2, 273 Abb. 26). Veröffentlichungen Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Athenische Abteilung 121, 2006 K. Fittschen (Hrsg.), Historische Landeskunde und Epigraphik in Griechenland. Akten des Symposiums veranstaltet aus Anlaß des 100. Todestages von H. G. Lolling (1848–1894) in Athen vom 28. bis 30.9.1994 Tiryns, Forschungen und Berichte XIV: Chr. Podzuweit, Studien zur spätmykenischen Keramik Persönliches Herr Niemeier war Visiting Professor of the Australian Archaeological Institute at Athens und hielt Vorträge sowie Seminare an elf australischen Universitäten. Der Auslandsstipendiat Nils Hellner wurde zum Mitglied der »Εταιρεα Μελτης της Αρχαας Ελληνικς Τεχνολογας (ΕΜΑΕΤ)« ernannt. AA-2008/1 Beiheft Mitglieder der Kommission der RGK Die Direktoren der RGK Der Präsident Grolig, Wilfried, MD Auswärtiges Amt, Leiter der Kulturund Bildungsabteilung Werderscher Markt 1 D-10117 Berlin Roth, Petra, Dr. Die Oberbürgermeisterin der Stadt Frankfurt am Main Römerberg 23 D-60311 Frankfurt a. M. Daim, Falko, Prof. Dr. Generaldirektor, Römisch-Germanisches Zentralmuseum Ernst-Ludwig-Platz 2 D-55116 Mainz Bertemes, François, Prof. Dr. Martin-Luther-Universität HalleWittenberg, Institut für Kunstgeschichte und Archäologien Europas Brandbergweg 23 D-06120 Halle/Saale Carnap-Bornheim, Claus von, Prof. Dr. Direktor, Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen, Archäologisches Landesmuseum Schloss Gottorf D-24837 Schleswig Conard, Nicholas, Prof. Dr. Eberhard-Karls-Universität Institut für Ur- und Frühgeschichte Schloss Hohentübingen D-72070 Tübingen Ettel, Peter, Prof. Dr. Friedrich-Schiller-Universität Bereich Ur- und Frühgeschichte Löbdergraben 24 a D-07743 Jena Kaenel, Hans-Markus von, Prof. Dr. Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Institut für Archäologische Wissenschaften Abteilung II, Archäologie und Geschichte der römischen Provinzen sowie Hilfswissenschaften der Altertumskunde Grüneburgplatz 1 D-60629 Frankfurt a. M. Kunow, Jürgen, Prof. Dr. Rheinisches Amt für Bodendenkmalpflege Endenicher Str. 133 D-53115 Bonn Metzner-Nebelsick, Carola, Prof. Dr. Ludwig-Maximilians-Universität Institut für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie und Provinzialrömische Archäologie Geschwister-Scholl-Platz 1 D-80539 München Planck, Dieter, Prof. Dr. Präsident, Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg Berliner Str. 12 D-73728 Esslingen a. N. Schallmayer, Egon, Prof. Dr. Direktor, Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Abteilung Archäologische und Paläontologische Denkmalpflege Schloss, Ostflügel D-65203 Wiesbaden-Biebrich Sommer, C. Sebastian, Dr. Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, Abteilung Praktische Denkmalpflege, Bodendenkmäler Hofgraben 4 D-80539 München Stauch, Eva, Prof. Dr. Westfälische-Wilhelms-Universität Abteilung für Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie Robert-Koch-Str. 29 D-48149 Münster Willroth, Karl-Heinz, Prof. Dr. Georg-August-Universität Seminar für Ur- und Frühgeschichte Nikolausberger Weg 15 D-37073 Göttingen Zimmermann, Andreas, Prof. Dr. Universität zu Köln, Institut für Ur- und Frühgeschichte Weyertal 125 1 D-50931 Köln Maier, Ferdinand, Prof. Dr. Erster Direktor i. R. Justus-Liebig-Str. 8 D-64720 Michelstadt/Odw. (ohne Votum) Römisch-Germanische Kommission Römisch-Germanische Kommission Haus I: Palmengartenstr. 10–12 D-60325 Frankfurt a. M. Tel.: +49-(0)69-97 58 18-0 Fax: +49-(0)69-97 58 18-38 +49-(0)69-97 58 18-40 (Direktion) E-Mail: [email protected] Haus II: Arndtstr, 21 D-60325 Frankfurt a. M. Tel.: +49-(0)69-75 61 07-0 Fax: +49-(0)69-75 61 07-20 Forschungsstelle Manching Auf der Schanz 45 D-85049 Ingolstadt Tel.: +49-(0)841-931 14 04 Fax: +49-(0)841-931 14 28 E-Mail: [email protected] Direktoren Prof. Dr. Friedrich Lüth, Erster Direktor Prof. Dr. Susanne Sievers, Wissenschaftliche Direktorin Wissenschaftliche Mitarbeiter Katharina Becker M. A. (Frankfurt), Dr. Uta von Freeden (Frankfurt), Prof. Dr. sc. Eike Gringmuth-Dallmer (Berlin) (bis 30. 9.), Dr. Claus-Michael Hüssen (Ingolstadt), Arndt Lennartz M. A. (Frankfurt) (25. 3. bis 31. 12.), Dr. Gabriele Rasbach (Frankfurt), Dr. Knut Rassmann (Frankfurt), Dr. Karl-Friedrich Rittershofer (Frankfurt), Dr. Gerda Sommer von Bülow (Frankfurt), Dr. Astrid Stobbe (Frankfurt) (bis 31. 1.), Dr. des. Holger Wendling (Ingolstadt) (ab 1. 10.), Dr. Thorsten Westphal (Frankfurt) Wissenschaftliche Hilfskräfte Michèle Eller M. A. (Ingolstadt), Annette Lennartz M. A. (Frankfurt) (bis 25. 3.), Kerstin Schierhold M. A. (Frankfurt) (bis 31. 7.), Nina Schücker M. A. (Frankfurt), Juliane Stadler M. A. (Frankfurt), Katja Winger M. A. (Frankfurt) (ab 16. 8.) Aus Drittmitteln finanzierte Stellen Dr. Holger Baitinger (Frankfurt) (DFG), Dr. Armin Becker (Frankfurt) (DFG), Ruth Beusing M. A. (Frankfurt) (EU), Dr. Markus Helfert (Frankfurt) (DFG, bis 19. 10.), Dipl.-Prähist. Stefanie Klooß (Kiel) (EU, ab 1. 1.), Dr. Harald Lübke (Schwerin) (DFG, ab 1. 1.), Dipl.-Prähist. Sebastian Messal (Schwerin) (DFG, ab 1. 1.), Dr. Nils Müller-Scheeßel (Frankfurt, Kiel) (DFG), Dr. Alexandru Popa (Frankfurt) (DFG), Dr. Axel Posluschny (Frankfurt) (DFG), Gerald Rühl M. A. (Frankfurt) (DFG, bis 31. 3.), Thomas Schierl M. A. (Frankfurt) (DFG), Dr. Hans-Ulrich Voß (Schwerin) (DFG) Römisch-Germanische Kommission 111 Ein ausführlicher Tätigkeitsbericht für 2007 wird im Bericht der RömischGermanischen Kommission Band 88, 2007, veröffentlicht. Ausgrabungen und Forschungen SINCOS, Ostseeküste Mecklenburg-Vorpommern Die wissenschaftlichen Feldarbeiten der archäologischen Arbeitsgruppe des SINCOS-II-Forschungsprojekts konzentrierten sich auf die Fundstellen Kamminer Ort und Breetzer Ort in den Boddengewässern der Insel Rügen sowie auf die Fundstelle Timmendorf-Nordmole I in der Wismarbucht (Abb. 1). Die endmesolithische Station Kamminer Ort liegt heute am nordöstlichen Ende des Breetzer Boddens im Übergangsbereich zum Breeger Bodden. Radiokarbondatierungen ergaben ein Alter zwischen 4900 und 4700 cal BC, so dass Abb. 1 SINCOS, Ostseeküste MecklenburgVorpommern, Timmendorf-Nordmole I. Wismarbucht (Poel/Neuburg, Ostsee II). Vermessungsarbeiten der Platz einer älteren Phase der endmesolithischen Ertebølle-Kultur zuzuweisen ist. Bei der diesjährigen Grabungskampagne sollte durch begrenzte Sondageschnitte die Uferzone des damaligen Siedlungsplatzes lokalisiert und deren Stratigraphie und Erhaltungszustand überprüft werden. Dazu wurden vom heutigen Flachwasserbereich ausgehend entlang einer über 50 m Nord-Süd in Richtung Bodden verlaufenden Messachse insgesamt fünf Sondageschnitte von maximal 2 m2 Größe bis in eine Tiefe von bis zu 0,80 m eingebracht. Während in den beiden Testschnitten 1 und 4 im Flachwasserbereich unmittelbar unter dem aus Sand, Kies und Muschelresten bestehenden subrezenten Restsediment bereits der anstehende pleistozäne Geschiebemergel angetroffen wurde, konnte in den drei tiefer gelegenen Grabungsflächen der Übergang zur Uferzone festgestellt werden und damit eine exakte Wasserstandsmessung für das Endmesolithikum erfolgen. Bereits in dem in unmittelbarer Ufernähe gelegenen Schnitt 2 waren aus einer kiesigen Schwemmtorfschicht neben kantenscharfen, unpatinierten Flintartefakten auch einzelne Tierknochen zu bergen. In den beiden Schnitten 5 und 3 befanden sich unter dem subrezenten Restsediment und einer Sandschicht Wechsellagen aus Torf- und molluskenhaltigen marinen Muddeschichten, wobei insbesondere in der Mudde weitere archäologische Funde beobachtet werAA-2008/1 Beiheft 112 Jahresbericht 2007 des DAI den konnten. Von diesen Funden wurden ausgewählte Stücke zur Radiokarbondatierung an das Leibniz-Labor der Universität zu Kiel gesandt. Allerdings war der Fundanfall insgesamt eher gering, so dass anzunehmen ist, dass es sich entweder nur um einen Fundplatz mit geringer Ausdehnung handelt oder in den Sondageschnitten nur der Randbereich des eigentlichen Fundplatzes erfasst worden ist. Deshalb wurde auf eine zusätzliche Ausdehnung der Grabungsflächen verzichtet, stattdessen konzentrierten sich die weiteren Grabungsarbeiten auf die Fundstelle Breetzer Ort. Sie befindet sich im Mündungsbereich der Neuendorfer Wiek am südwestlichen Ende des Breetzer Boddens südlich der Wittower Fähre. Zur Zeit der Besiedlung muss die Neuendorfer Wiek durch eine kleine, von Südosten in die Bucht hineinreichende Halbinsel stärker als heute vom Breetzer Bodden abgetrennt gewesen sein, so dass am geschützten Südufer dieser Halbinsel eine ideale Lage zur Errichtung eines Siedlungsplatzes gegeben war. In einer ersten Sondierungskampagne 2004 konnte eine spätmesolithische Feuerstelle (ca. 5600–5500 cal BC) angeschnitten werden, die von Schwemmtorfsedimenten mit endmesolithischen Funden der mittleren Ertebølle-Kultur (ca. 4800–4500 cal BC) überlagert wurde. Den Abschluss bildete eine vermutlich zu einem endmesolithischen Fischzaun gehörende Pfostenreihe, die etwa auf 4200–4100 cal BC datiert wird. In der diesjährigen Grabungskampagne sollten diese Grabungsfläche erweitert, die beobachteten Befunde weiter freigelegt und zudem weiteres Fundmaterial aus der endmesolithischen Uferzone geborgen werden, da die mittlere Phase der Ertebølle-Kultur auf der Insel Rügen bislang nur unzureichend durch stratifiziertes Fundmaterial belegt ist. Trotz schwieriger Witterungsverhältnisse und einer durch zunehmende Veralgung der Boddengewässer sehr schlechten Sicht konnten insgesamt weitere 4 m2 geöffnet und zeichnerisch dokumentiert werden. Dabei zeigte sich, dass die spätmesolithische Feuerstelle zwischen zwei Eichenstämmen erhalten war, welche etwa 400 Jahre später bei ansteigendem Meeresspiegel in die Uferzone gestürzt waren und die Feuerstelle offenbar vor weiterer Zerstörung bewahrt hatten. Andere spätmesolithische Siedlungsbefunde konnten jedoch nicht beobachtet werden. Die Wiederbesiedlung des Platzes durch die Ertebølle-Kultur erfolgte erst weitere Jahrhunderte nach den Baumfällen, so dass deren Siedlungsabfälle zwischen den Stämmen in der Uferzone abgelagert wurden. Neben zahlreichen Flintartefakten waren wiederum verschiedene Gerätschaften aus organischem Material zu bergen. Neben erstmalig auf diesem Fundplatz nachgewiesenen Aalstecherschalmen aus Holz zählen dazu verschiedene Geräte aus Hirschgeweih, wie z. B. ein kleiner, aus einer Seitensprosse gefertigter Geweihmeißel (Abb. 2). Auffällig ist, dass wiederum keine Keramik nachgewiesen werden konnte, obwohl diese auf zeitgleichen Fundstellen im westlichen Ostseegebiet bereits vorhanden ist. Der Schwerpunkt der Grabungsarbeiten in der Wismarbucht lag auf der weitergehenden Untersuchung des endmesolithisch/frühneolithischen Fundplatzes Timmendorf-Nordmole I. Ein wesentliches Ergebnis dieser Untersuchung ist, dass die in den oberen Schwemmsand- und Schwemmtorfschichten abgelagerten Kulturreste bereits in den Zeitraum 4000 bis 3800 cal BC datieren und damit zur bislang nur in Ostholstein nachgewiesenen Wangels-Rosenhof-Gruppe der frühneolithischen Trichterbecherkultur gehören. Damit sind hier erstmals frühneolithische Fundschichten nachgewiesen, die bislang von diesem Küstenabschnitt nicht bekannt waren. Unter den frühneolithischen Kulturschichten folgte zunächst eine nur einzelne archäologische Funde enthaltende marine Mudde und schließlich eine Kulturschicht mit Funden der Abb. 2 SINCOS, Ostseeküste MecklenburgVorpommern. Breetzer Ort, Rügen (Bergen 24, Ostsee VI). Hirschgeweihmeißel der Ertebølle-Kultur AA-2008/1 Beiheft Römisch-Germanische Kommission 113 endmesolithischen Ertebølle-Kultur. Diese datieren offenbar bereits zwischen 4600 und 4500 cal BC, was aber noch durch weitere Radiokarbondatierungen abgesichert werden muss. Unter den geborgenen Funden befinden sich zahlreiche Holzartefakte; hinzukommen Fundstücke aus Feuerstein, Keramik, Knochen sowie Geweih. Besonders hervorzuheben ist dabei eine T-förmige Hirschgeweihaxt. Die aktuellen Untersuchungsergebnisse sind ein weiterer Hinweis darauf, dass der Fundplatz Timmendorf-Nordmole I in seiner heutigen Ausdehnung aus mehreren räumlich begrenzten und zeitlich aufeinander folgenden Siedlungen besteht. Offenbar bestand zwischen 4600 und 4500 cal BC zunächst ein Aktivitätsschwerpunkt, der für die folgenden 400 Jahre zunächst ca. 100–150 m weiter nach Süden verlegt wurde, bevor sich dann mit Beginn des Frühneolithikums das Geschehen wieder mehr in Richtung Norden konzentrierte. Kooperationspartner: Institut für Ostseeforschung Warnemünde (J. Harff); Landesamt für Kultur- und Denkmalpflege, Mecklenburg-Vorpommern (D. Jantzen); Archäologisches Landesmuseum Schleswig, Stiftung SchleswigHolsteinische Landesmuseen Schloss Gottorf (C. von Carnap-Bornheim, S. Hartz); Niedersächsisches Institut für historische Küstenforschung (H. Jöns) • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: F. Lüth • Mitarbeiter: H. Lübke, A. Grundmann (DFG) • Abbildungsnachweis: DAI, RGK (Abb. 1. 2). Okolište und Umgebung (Bosnien-Herzegowina) Neben der Fortsetzung der Untersuchung des befestigten neolithischen Siedlungshügels von Okolište konzentrierten sich die Arbeiten auf die ca. 900 m südlich von Okolište gelegene, zeitgleiche Siedlung Donje Moštre. Mit dem Fluxgate der Fa. Bartington wurden ca. 3 ha geomagnetisch prospektiert. Bohrungen an insgesamt 18 Punkten ermöglichten es, zwei in Nordwest-Südost- bzw. Südwest-Nordost-Richtung verlaufende Profile zu erstellen; diesen zufolge besteht der Siedlungshügel aus bis zu 2 m mächtigen Kulturschichten. Als übereinstimmendes Ergebnis von Geomagnetik, Höhenschichtenplan und Bohrprofilen lässt sich die ehemalige Größe des Tells von Donje Moštre mit etwa 3,50 ha angeben. Er ist also deutlich kleiner als der ungefähr 6,50 ha große Tell von Okolište. Die Arbeiten in Okolište konzentrierten sich in diesem Jahr auf drei Flächen. Diese lagen im nordwestlichen Randbereich des Tells, am südöstlichen Hangbereich und unmittelbar südlich des Ortskerns von Radinovići. Die beiden Schnitte im Nordwesten maßen 5 m × 10 m und 5 m × 9 m, sie erfassten den jüngsten bisher festgestellten Graben auf einer Länge von 20 m. Die Grabung sollte klären, ob sich die im letzten Jahr beobachteten Ansammlungen menschlicher Knochen im Graben hier fortsetzen. Darüber hinaus galt es zu prüfen, ob in diesem Bereich Reste der ältesten Siedlungsphase vorhanden sind, auf die die geomagnetische Prospektion keinerlei Hinweise lieferte. Bei der Grabung zeigte sich, dass dieser Graben zahlreiche ältere Befunde (Gruben und Häuser) durchschnitt. Er wurde von einer relativ fundreichen Schicht überlagert, bei der es sich um einen alten Humushorizont handelte. In ca. 1,30 m Tiefe wurden in größeren Bereichen Reste eines weiteren Paläobodens – offensichtlich die vorneolithische Oberfläche – angetroffen. Anders als im vorangegangenen Jahr wurden, abgesehen von einer Rippe aus dem Bereich der alten Oberfläche, keine menschlichen Reste im Graben geborgen. Offen bleibt vorerst, ob das Fehlen der Knochen durch den kalkarmen Boden in diesem Bereich zu erklären ist. Unmittelbar über dem begrabenen vorneolithischen Humus in ca. 1 m Tiefe erbrachte die Grabung Überreste eines verbrannten Hauses. Da zu tief liegend, AA-2008/1 Beiheft 114 Jahresbericht 2007 des DAI 3 Okolište (Bosnien-Herzegowina) Abb. 3 Fläche 5, Ergebnisse der Phosphatanalyse (links) und Ausgrabungsbefund (rechts). Der Phosphatgehalt ist innerhalb des Hauses (rote Linie) am niedrigsten. Die Gasse ist dagegen stärker kontaminiert. Die erhöhten Phosphatanteile innerhalb des Hauses könnten den Eingangsbereich markieren. Ursache für die Phosphateinträge sind zumeist Fäkalien von Menschen oder Haustieren Abb. 4 Fläche 6, Blick auf die vollständig untersuchte Fläche 7. Die längliche, rinnenartige Struktur markiert den Graben, der ursprünglich die gesamte Siedlung umschlossen hatte. Bei den großen Gruben im Vordergrund handelt es sich wahrscheinlich um Brunnenreste. Die kleinen rechteckigen Gruben dienten der Untersuchung von Pfostenlöchern. In diesem Bereich waren die Siedlungsschichten insgesamt etwa 1,50 m mächtig 4 wurde es bei der geophysikalischen Prospektion 2003/2004 nicht erkannt. Es erlaubt aber immerhin die Voraussage, dass auch in dem im Geomagnetikbild scheinbar fundfreien Bereich zwischen den verschiedenen Phasen angehörenden Grabensträngen mit einer älteren Bebauung zu rechnen ist (Abb. 3). Vermutlich um Brunnen handelt es sich bei mehreren runden Gruben mit nahezu senkrechten Wänden und einem Durchmesser von 1–2 m (Abb. 4). All diese Objekte sind mit Kies sowie kiesigem Sand gefüllt und enthielten sehr wenige Funde. Sie reichten mindestens 1,50 m in den Untergrund – von der heutigen Oberfläche sogar 3 m – und sind damit deutlich tiefer als jede andere archäologische Struktur, den Graben eingeschlossen. In zwei Fällen war im ProAA-2008/1 Beiheft Römisch-Germanische Kommission 115 Abb. 5 Okolište (Bosnien-Herzegowina), anthropomorphe Statuette der ButmirKultur, um 4800 v. Chr. (M. 1 : 1) fil in der Grubenmitte eine ca. 50 cm breite Verfärbung zu beobachten, die parallel zu den Grubenwänden bis dicht über den Grubenboden hinunterreichte. Die senkrechten Verfärbungen innerhalb der Gruben könnten die Reste von ausgehöhlten Baumstämmen darstellen, wie sie in anderen Regionen als Brunnenverstärkungen belegt sind. Im Keramikspektrum der Siedlungsschichten, die älter als der Graben sind, kommen vor allem Funde der späten Kakanj- und frühen Butmirzeit (5100– 4900 v. Chr.) vor. In der Grabenverfüllung und dem darüberliegenden Humushorizont dominiert bänderverzierte Keramik das Dekorspektrum, die erst ab der Stufe Butmir II (4900–4600 v. Chr.) in größerer Menge auftritt. Aus der Grabenverfüllung stammt auch der Kopf einer anthropomorphen Figurine (Abb. 5). Im Südosten wurde ein 2 m breiter und 6 m langer Schnitt angelegt, der sukzessive auf 19 m verlängert wurde. In diesem Bereich fällt das Gelände zu einem Altarm der Bosna hin ab, der sich heute als breite, flache Rinne abzeichnet. Direkt unter der rezenten Humusschicht wurde hier eine massive Schotterlage angetroffen, die – senkrecht zum Hanggefälle – von mehreren flachen Gräbchen durchschnitten und von zahlreichen Gruben, darunter auch Pfostenlöchern, gestört wurde. Weil in diesem Bereich mit Erosionsverlusten der Tellaufschüttung von mindestens 1 m zu rechnen ist, dürfte es sich bei den Gräbchen um die Reste von ähnlich tiefen Gräben wie an der Nordseite des Tells handeln. Sie waren zum Teil dicht mit Keramik und Knochen verfüllt. Eine erste Durchsicht der Keramik aus den Gräben zeigt, dass es sich um Material der Phase Butmir I bzw. des späten Kakanj (5100–4900 v. Chr.) handelt. Mit dem Ziel, auch an der Südseite des Tells den Verlauf des Grabenwerks genauer zu lokalisieren, wurden unmittelbar südlich des Ortskerns von Radinovići zwei Schnitte mit Abmessungen von 6 m × 2 m abgetieft. Geomagnetisch ließ sich hier nur auf sehr kleinen Flächen und deswegen ohne nennenswerte Ergebnisse prospektieren. Da die Gräben etwa der Höhenlinie von 403,50 m folgen, bestand die Hoffnung, die Gräben in diesem Areal aufzufinden. Jedoch wurde in keinem der beiden Schnitte eine als Graben ansprechbare Struktur angetroffen.Weil auch Bohrungen keine Hinweise auf einen Graben erbrachten, muss derzeit offen bleiben, wo der bzw. die Gräben an dieser Seite des Tells ehemals verliefen. Kooperationspartner: Landesmuseum Sarajewo (Z. Kujundžić-Vejzagić); Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (J. Müller); Kreismuseum Visoko • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: K. Rassmann • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: N. Müller-Scheeßel, R. Hofmann (DFG), T. Schröter, H.-R. Bork, H. Kroll, N. Benecke und Studierende der Universitäten Kiel, Sarajewo, Bamberg, Brünn und Zagreb • Abbildungsnachweis: DAI, RGK (Abb. 3–5). Lahnau-Waldgirmes Die etwa 4200 m2 große Grabungsfläche dieses Jahres schließt im Osten an die Fläche des vorangegangenen Jahres an und reicht bis an die westliche Umwehrung der unter Augustus gegründeten und im 9. Jh. wieder aufgegebenen Stadt bei Lahnau-Waldgirmes. Aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre, in denen immer wieder ein beträchtlicher Aufwand bei der Erfassung weitgehend steril verfüllter Befunde notwendig war, wurde nun versucht, diesem Problem mit Hilfe verfeinerter geomagnetischer Messungen zu begegnen. Von der Firma Orpheus-Geophysik, Kriftel, wurden mit einer mehrkanaligen Messapparatur mit Förstersonden in einem Abstand von 12,50 cm (Fluxgate-Magnetometer) drei Messungen durchgeführt, jeweils einmal auf der AA-2008/1 Beiheft 116 Jahresbericht 2007 des DAI 6 originalen Oberfläche, einmal auf dem Baggerplanum und einmal auf dem geputzten Planum. Dabei war insbesondere die Messung auf dem Baggerplanum sehr erfolgreich, mit der es in Waldgirmes erstmals gelang, vollständige Gebäudegrundrisse nachzuweisen, die zudem in einer älteren Messung mit größerem Sondenabstand (1 m) nicht erkennbar waren (Abb. 6. 7). Die Grabungsarbeiten kamen wegen des verregneten Sommers nur langsam voran, so dass beschlossen wurde, zunächst die südlich des Ost-West verlaufenden Wassergrabens gelegene Hälfte komplett zu bearbeiten und die Untersuchung des nördlichen Teils auf das kommende Jahr zu verschieben. Insgesamt wurden drei Gebäude erfasst. Es handelt sich um die westliche Hälfte eines bereits im letzten Jahr z. T. ergrabenen, 12 m × 15 m großen Atriumhauses sowie um zwei jeweils auf sechs Einzelpfosten errichtete, 3 m × 4 m und 5 m × 6 m große Bauten. Das Atriumhaus besaß im Norden eine vorgelagerte, offensichtlich nur angebaute Portikus, deren Verlauf sich nicht an der Nordwand des Gebäudes, sondern an einem gleichfalls bereits im Vorjahr teilweise ergrabenen Gräbchen orientierte, bei dem es sich um das Fundamentgräbchen eines Zauns oder einer Palisade handeln dürfte. Die Orientierung der Portikus auf den Zaun spricht für eine Gleichzeitigkeit beider Anlagen. Das Gräbchen konnte bis zu einem Punkt etwa 10 m östlich der Umwehrung verfolgt werden. Im Zentrum der Lücke, etwa 2 m nach Süden versetzt, lag ein kleiner 6-Pfostenbau. Um den Anschluss des Zauns an die Umwehrung zu klären, wurde dort ein 17,50 m × 15 m großer Abschnitt der Umwehrung geöffnet, der jedoch keine weiteren Aufschlüsse für den Zaun selbst erbrachte. In seiner Verlängerung stand jedoch ein Turm auf vier Pfosten in der Umwehrung. Innerhalb des Gebäudes unmittelbar vor der Ostwand lag eine runde, 1,80 m durchmessende und noch etwa 0,60 m tiefe Grube, deren Inhalt komplett verprobt wurde. An weiteren Befunden ist ein Kreisgraben mit 13,50 m Durchmesser zu nennen, in dessen Zentrum sich eine 2,90 m × 1,10 m große, sterile und nur flach erhaltene Grube befand. Aufgrund ihrer Ausrichtung können vier weitere, ähnlich dimensionierte Gruben diesen Befunden zugeordnet werden. Um die Funktion dieser Gruben zu klären, wurden aus der Grabungsfläche in einem 15 m-Raster Phosphatproben genommen. Kooperationspartner: Landesamt für Denkmalpflege Hessen (Th. Keller, A. Kreuz); Akademie der Wissenschaften und Literatur Mainz (D. Wigg-Wolf); Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt a. M. (G. Brey, U. Ehmig, A. Stobbe, H. Thiemeyer); Freie Universität Berlin (G. Schneider); Justus-Liebig-Universität Gießen (H.-R.Wegener); Universität Hamburg (Chr. Schäfer); Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (H.-R. Bork); D. Baatz (Darmstadt); 7 Lahnau-Waldgirmes Abb. 6 Westhälfte des im Messbild zu erkennenden Gebäudes, Blick von Süden Abb. 7 Grabungsflächen der Jahre 2007 und 2008 in hochauflösendem geomagnetischen Messbild AA-2008/1 Beiheft Römisch-Germanische Kommission 117 S. von Schnurbein (Frankfurt a. M.) • Förderung: DFG; Landesamt für Denkmalpflege Hessen • Leitung des Projekts: G. Rasbach • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: A. Becker, A. Popa, Th. Westphal, N. Benecke und Studierende der Universität Marburg • Abbildungsnachweis: DAI, RGK (Abb. 6. 7). Romuliana-Gamzigrad (Serbien) Abb. 8 a Geomagnetisches Messbild der 35 m großen Zirkularstruktur (genordet) Abb. 8 b Das freigelegte, zur Hälfte ausgeraubte zentrale Rundfundament (Blick von Nordwest) 8a AA-2008/1 Beiheft Romuliana-Gamzigrad (Serbien) Im Rahmen der deutsch-serbischen Kooperationsvereinbarung konnten die Untersuchungen innerhalb und außerhalb des spätrömischen Kaiserpalastes von Gamzigrad (Ostserbien) mit der diesjährigen Kampagne fortgesetzt werden. Von Seiten des Architekturreferats der Zentrale des DAI wurde der Architekturplan als Grundlage für ein generalisiertes 3D-CAD-Modell aufbereitet (s. auch hier S. 30–33). Im Teilprojekt Archäologie/Geophysikalische Prospektion wurden geomagnetische Messungen nördlich und westlich des Palastes sowie auf bisher nicht untersuchten Flächen innerhalb der Palastummauerung vorgenommen. Außerdem wurden Untersuchungen auf ausgewählten Flächen mit Geoelektrik und Georadar durchgeführt. Nördlich des Palastes war dabei ein langgestrecktes dreischiffiges Gebäude, wahrscheinlich ein spätantiker Speicherbau (horreum), festzustellen. Westlich des Palastes zeichnete sich innerhalb einer Einfriedung ein Ost-West ausgerichteter Bau mit Apsis ab, der wahrscheinlich als mittelalterlicher Kirchenbau gedeutet werden kann. Zur Verifizierung einer im geomagnetischen Messbild des Vorjahres erkannten Struktur aus 16 im Kreis (Durchmesser ca. 35 m) angeordneten Einzelstrukturen und einer massiven Anomalie im Zentrum (Abb. 8 a) wurde von Westen her bis zum Zentrum dieser Struktur eine 25 m lange Sondage angelegt. Am Westende des Schnittes konnte eines der 16 ›Pfeilerfundamente‹ vollständig erfasst werden. Dieses ist 1,80 m × 1, 80 m groß und noch 0,50–0,90 m tief erhalten. Es besteht aus großen Bruchsteinen in sehr harter Mörtelbindung und ist an der erhaltenen Oberfläche durch eine Mörtelschicht abgeglichen. Bei der in dem geomagnetischen Messbild nicht klar umgrenzten Anomalie im Zentrum der Struktur handelt es sich um ein etwa zur Hälfte ausgeraubtes Rundfundament in opus caementicium-Technik mit kleinen Bruchsteinen (Abb. 8 b). Dieses hat einen Durchmesser von ca. 4 m und ist etwa 1 m tief. Darüber sind noch Teile eines ehemals ca. 3 m großen, ebenfalls runden Aufbaus aus Bruchsteinen in Mörtelbindung erhalten, dessen Außenfassade durch sorgfältig verlegte, 7 cm dicke Ziegelplatten in Mörtelbettung gebildet ist; zwei Ziegellagen und Abdrücke einer dritten sind erhalten. 8b 118 Jahresbericht 2007 des DAI Zur Ergänzung der Sondage wurde über einem ›Pfeilerfundament‹ an der Ostseite des Kreises ein weiterer Schnitt angelegt. Das hier angeschnittene Fundament besteht aus kleinen Bruchsteinen in Mörtel und die Oberseite ist ebenfalls mit einer glättenden Mörtelschicht versehen. Nachträglich wurde an seiner Innenseite ein aus Bruchsteinen, Ziegelfragmenten und Mörtel – dieser ist von anderer Konsistenz als der für die Fundamente verwendete – gefertigter Kanal angelegt, über dessen weiteren Verlauf und Funktion bisher nichts bekannt ist. Da die Baureste bereits sehr oberflächennah lagen und das originale Fußbodenniveau nicht mehr erhalten ist, sind zugehörige Elemente des aufgehenden Bauwerks ebenso wie datierende und interpretierende Funde im Laufe der Zeit durch natürliche Erosion sowie durch landwirtschaftliche Nutzung des Areals beseitigt bzw. verlagert worden. Allein die Form der angetroffenen Dachziegel sowie drei Legionsziegelstempel lassen vermuten, dass es sich hierbei um ein Bauwerk aus der römischen Kaiserzeit, d. h. um Zeugnisse aus einer Periode vor Errichtung des Palastes, gehandelt haben könnte, eventuell um ein Sieges- oder Ehrenmonument. Etwa 40 m westlich der Rundstruktur zeigte sich im Geomagnetikbild eine geradlinig verlaufende Anomalie, die durch eine 5 m lange und 2 m breite Sondage untersucht wurde. Zutage kam hier eine 0,90–1 m breite Mauer, von der nur noch zwei bis drei Bruchsteinlagen in Kalkmörtel und darunter weitere zwei bis drei in Lehm verlegte Steinreihen erhalten sind. Von dem dazugehörigen Fußbodenniveau waren auch hier keine Reste mehr feststellbar. Ob es sich dabei tatsächlich um den Unterbau einer Wasserleitung handelt, wofür die Länge und der mögliche Bezug auf die Palastummauerung sprechen könnten, ließ sich daher weder durch die Befunde in diesem Schnitt noch durch eine weitere Sondage klären. Darüber hinaus wurde mit der Sichtung und zeichnerischen Dokumentation der Keramikfunde aus dem in den Vorjahren untersuchten Graben vor der Südseite des Palastes begonnen, deren Auswertung für eine genauere zeitliche Einordnung dieses Grabens erforderlich ist. Kooperationspartner: DAI, Zentrale, Architekturreferat (U. Wulf-Rheidt); Archäologisches Institut Belgrad (S. Petković); Lehrstuhl für Archäologie an der Universität Belgrad (M. Milinković); Museum Zaječar (M. Živić) • Leitung des Projekts: G. Sommer von Bülow (Archäologie), U. Wulf-Rheidt (Bauforschung), T. Schüler (Weimar, Geophysik) • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: G. Breitner (Trier, Bearbeitung der Bauornamentik), S. Conrad (Leipzig, Durchführung eines Workshops und Bearbeitung der spätantiken Keramik), G. Plaumann, M. Reibelt (Berlin, geophysikalischen Untersuchungen), P. Grunwald (Berlin, Photograph), N. Schücker (DAI, RGK), Studierende der Universitäten Belgrad, Bonn, Cottbus, Jena und Rostock • Abbildungsnachweis: DAI, RGK (Abb. 8). Langobardische Grabfunde in Szólád, Ungarn In der Nähe des Ortes Szólád liegt an einem nach Süden geneigten Hang ein Gräberfeld des 6. Jhs. n. Chr. Insgesamt wurden bei der Erforschung des langobardischen Gräberfeldes von Szólád 1887 m2 Fläche aufgedeckt und 73 Objekte ausgegraben und dokumentiert (Abb. 9). Darunter befanden sich eine neolithische Hockerbestattung, 33 Gruben der Kupfer- und Bronzezeit, 13 Brandgräber der Hallstattzeit. Der Spätawarenzeit gehörten eine Grube, ein langer Graben, ein Grubenhaus von etwa 5 m × 5 m Größe mit mehreren Öfen und Laufhorizonten sowie zwei Feuerstellen außerhalb des Hauses an. Der Langobardenzeit konnten 20 Bestattungen (Gräber 25–44) zugewiesen werden, wobei AA-2008/1 Beiheft Römisch-Germanische Kommission 119 Abb. 9 Szólád (Ungarn), langobardenzeitliches Gräberfeld. Verteilung der Geschlechter auf dem Gräberfeld. Rot: Frauen, hellrot: Mädchen; blau: Männer, hellblau: Knaben; grau: Erwachsene, hellgrau: Kinder. Ausschnitt aus der Grabungsfläche mit den Gräbern 1–43; Grab 44 liegt ca. 30 m im Süden außerhalb des hier dokumentierten Areals (M. 1 : 500) AA-2008/1 Beiheft Grab 27 zusätzlich von einer Nord-Süd gerichteten nachlangobardenzeitlichen Doppelbestattung (27A) überlagert wurde. Der Anteil der Kindergräber mit neun Individuen war sehr hoch, dazu zählt das überdurchschnittlich reich ausgestattete Mädchengrab 38 (Abb. 10). Für fünf Erwachsene aus Gräbern ohne spezifische Beigaben ist das Geschlecht bislang nicht bestimmt. Die restlichen sechs Gräber verteilen sich auf fünf Frauen und einen Mann. Die Grenze des Gräberfeldes wurde im Norden und Osten erreicht, dies gelang im Westen nicht eindeutig, da die Fläche dort mit Weinstöcken bestanden ist. Darunter könnten sich noch etwa drei Bestattungen befinden. Die südliche Ausdehnung des Gräberfeldes reichte etwa bis zum Südrand eines awarischen Grubenhauses. Eine beigabenlose Bestattung (Grab 44), die ca. 30 m entfernt davon aufgedeckt wurde, ist dem Grabbau zufolge eindeutig der Langobardenzeit zuzurechnen, gehört jedoch wohl nicht zu der nördlichen Grabgruppe. Mit den diesjährigen Ausgrabungen wurde das Ziel erreicht, das langobardenzeitliche Gräberfeld aufzudecken. Untersuchungen zum Siedlungsplatz sind im Rahmen von Lehrgrabungen der Budapester Universität geplant, die von der Römisch-Germanischen Kommission unterstützt werden. Die Tiefe von zwei Bestattungen (25 und 27) reichte maximal bis ca. 4 m unter die alte Oberfläche. Einige Kinder- und Kleinstkindergräber lagen jedoch unmittelbar unter Planum 1, das etwa 50 cm unter dem Humus angelegt wurde. Die beiden Kreisgräben der Bestattungen 25 und 30 waren so seicht, 120 Jahresbericht 2007 des DAI Abb. 10 Szólád (Ungarn), langobardenzeitliches Gräberfeld. Grab 38, Bestattung eines kleinen Mädchens mit Vierfibeltracht und Gehänge. Die runde Verfärbung auf der linken Seite des Mädchens stammt von einem Teller, der eine Fleischbeigabe und Eier enthielt (M. 1: 10) dass sie in Planum 1 nur noch ca. 5 cm tief waren. Im Vergleich zu den beiden früheren Kampagnen hatten neben den Absatzgräbern die acht nicht abgesetzten Gruben einen relativ hohen Anteil. Die Hälfte dieser Bestattungen waren Erwachsenengräber von maximal 1,30 m Tiefe, die sich zudem als beigabenlos erwiesen. Herausragend waren neben dem bereits genannten Mädchengrab 38 (Abb. 10) die beiden Frauengräber 25 (mit Kreisgraben) und 26. Die Toten waren in ihrer Vierfibeltracht und mit reichen Gehängen bestattet. Die Ausstattung des Mannes aus Grab 27B war nicht mehr vorhanden, doch Spuren weisen darauf hin, dass er eine Spatha besaß. Außer dieser Bestattung waren noch fünf weitere gestört. Dazu zählt Frauengrab 30 mit Kreisgraben. Neben wenigen Perlen, einem Almandinplättchen, das wohl zu einer Scheibenfibel gehörte, konnten zwei Fragmente eines Glasgefäßes (evtl. einer Glasflasche) geborgen werden. Kooperationspartner: Ungarische Akademie der Wissenschaften • Leitung des Projekts auf ungarischer Seite:T.Vida • Leitung des Projekts auf deutscher Seite: U. von Freeden • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: P. Skriba (Savaria Museum, Szombathely), K.-W. Alt (Universität Mainz), H. Thiemeyer (Universität Frankfurt a. M.), Sz. Honti mit Mitarbeitern des Museums Somogy, Studierende der Universitäten Bonn, Budapest, Mainz und Szeged. AA-2008/1 Beiheft Römisch-Germanische Kommission 121 Abb. 11 Friedrichsruhe (Landkreis Parchim), Überblick über die Reste der Befestigung des slawischen Burgwalls AA-2008/1 Beiheft Friedrichsruhe, Mecklenburg-Vorpommern Der Burgwall: Aufgrund der geophysikalischen Prospektionen in den abgetragenen Bereichen des Burgwalls war zu vermuten, dass sich Reste der ehemaligen Wallkonstruktion noch im Boden erhalten hatten. Mit dem Ziel der Überprüfung der geophysikalischen Ergebnisse wurde ein 15 m × 3 m großer Sondageschnitt angelegt, der im Anschluss bis an die Abtragsgrenze des Burgwalles verlängert wurde. Dabei konnte die Wallkonstruktion in einem überwiegend guten Erhaltungszustand nahezu vollständig freigelegt und dokumentiert werden. Sie besteht aus einer Kernsektion mit zwei Reihen hintereinander gesetzter Holzkästen sowie innen und außen vorgelagerten Wallfüßen. Die Bohlenkästen des Wallkerns konnten nur teilweise erfasst werden, die äußere Kastenreihe war durch die Anlage des Wallfußes bereits weitgehend zerstört.Von dem Holzkasten der inneren Reihe waren noch Reste der untersten Bohlenlage zu erfassen. Die Wallfüße bestanden aus drei- bzw. zweiteiligen kastenartigen Plankenwandkonstruktionen. Die hochkant gestellten Bohlen (Breite max. 30 cm; Dicke max. 3 cm) wurden von Pfosten fixiert, die durch Ösenbalken miteinander verbunden waren. Die Breite des inneren Wallfußes beträgt knapp 3,60 m, der äußere Wallfuß weist eine Breite von etwa 1,40 m auf. Die Innenräume der Schalenwände wurden mit Rundhölzern verfüllt. Die unterste Lage des inneren Wallfußes bestand darüber hinaus aus breiten und sorgfältig gepackten Brettern, sie wird als Substruktion für eine bessere Verteilung des Gewichtes auf dem Torfboden interpretiert. Reste des inneren Wallfußes konnten auch in einem nach Süden hin anschließenden Schnitt untersucht werden. Dabei handelt es sich um Teile der inneren Plankenwand, die z. T. in den Innenraum umgestürzt und erhalten waren. Siedlungsbefunde bzw. -schichten konnten dort jedoch nicht festgestellt werden. Diese wurden durch den Abtrag bereits weitgehend zerstört. Die Vorburgsiedlung: a) Zur Befestigung der Vorburgsiedlung: Ziel der Untersuchung war es, den aus der Geophysik bekannten Verlauf der Befestigung zu verifizieren sowie den Erhaltungszustand und die Art der Konstruktion zu bestimmen. Im geöffneten Schnitt konnte die Wallkonstruktion auf ihrer gesamten Breite vollständig erfasst und dokumentiert werden (Abb. 11). Die Befestigung bestand aus einer Holz-Erde-Konstruktion mit einem Wallkern aus Bohlenkästen sowie innen und außen vorgelagerten Wallfüßen. Die hölzernen, schlecht erhaltenen Bohlenkästen besaßen eine Verfüllung aus gelbem bis graugelbem Sand. Zur Stabilisierung der Kästen diente eine großflächige Packung aus bis zu 15 cm großen Steinen entlang der Kastenrückseite. Das Abfließen der Wallaufschüttung an der Vorder- und Rückfront wurde zudem durch Plankenwandkonstruktionen aus waagerecht angeordneten Bohlen an den Wallfüßen verhindert. Bemerkenswert ist das Fehlen eines Grabens im östlichen Bereich der Vorburgsiedlung. Zwar liegt der äußere Wallfuß leicht tiefer als der innere, aber dies kann nicht als Hinweis auf einen Graben gewertet werden, zumal auch keine Grabenbefestigung (Berme) wie in dem nördlichen Teil der Befestigung nachgewiesen werden konnte (Kampagne 2005). Es ist davon auszugehen, dass wegen eines höheren mittleren Grundwasserspiegels von etwa 40,10 m NN in slawischer Zeit und der damit verbundenen starken Vernässung der Bereiche außerhalb der Vorburgsiedlung vermutlich auf die Anlage eines Grabens verzichtet wurde. Das Fehlen der Grabenbefestigung im östlichen Bereich dürfte mit der geringen Torfmächtigkeit von nur etwa 20–30 cm in Verbindung gebracht werden. b) Das Tor und die Zuwegung: Der Torbereich der Vorburgsiedlung wurde bereits in der Kampagne des Vorjahres untersucht, Verlauf und Konstruktion 122 Jahresbericht 2007 des DAI der aus der Geophysik bekannten Zuwegung war dagegen Ziel der diesjährigen Kampagne. Der Verlauf des Zugangsweges wurde durch mehrere Sondageschnitte verfolgt, die sich an den Ergebnissen der geophysikalischen Prospektionen orientierten. Der Weg verläuft von der Geländezunge aus in südöstlicher Richtung zur nächsten Sandkuppe, wobei er in den tiefer gelegenen Niederungsbereichen in einen etwa 2,50–2,60 m breiten Bohlenweg übergeht (Abb. 12). Der Aufbau besteht regelhaft aus einer Sandaufschüttung, die von seitlich eingeschlagenen Pfosten gehalten wurde. Im torfigen Untergrund lag die Aufschüttung offenbar auf einer Substruktion aus querliegenden Bohlen, die jedoch nur vereinzelt erhalten sind. Anhand der geophysikalischen und archäologischen Untersuchungen kann der Verlauf des Weges auf bislang etwa 70 m sicher bestimmt werden. c) Siedlungsbefunde im Bereich der Vorburgsiedlung: Großflächige Untersuchungen wurden bisher überwiegend im östlichen Teil der Vorburgsiedlung durchgeführt, während im Bereich der bereits nahezu zerstörten zentralen und nördlichen Siedlungsareale nur zwei 60 m lange Suchschnitte zur Klärung der Befundlage angelegt wurden. Ein weiterer, die gesamte Vorburgsiedlung durchziehender Suchschnitt mit einer Länge von 105 m wurde bis in das zentrale Siedlungsareal verlängert. Die Erweiterung älterer Schnitte, durch die bereits im Vorjahr die östliche Vorburgsiedlung großflächig untersucht wurde, diente der Klärung des weiteren Verlaufs der Kulturschichten. Es zeigte sich, dass die Erhaltungsbedingungen im südöstlichen Bereich der Vorburgsiedlung erheblich besser als in den nördlichen und zentralen Teilen sind. Die Kulturschicht konnte großflächig verfolgt werden, z. T. waren einzelne Befunde, wie Steinpackungen oder Gruben, in diese eingetieft. Aus dem bereits im letzten Jahr als Werkareal interpretierten Bereich unmittelbar hinter der Befestigung konnten bei der Schnitterweiterung weitere Schlackefunde, aber auch die Reste von Essesteinen geborgen werden; die Tätigkeit eines Schmiedes ist auch aufgrund eines Rotationsschleifsteines deutlich belegt. Im Gegensatz zum östlichen Siedlungsareal konnten für die nördlichen und zentralen Siedlungsbereiche mittels der geophysikalischen und archäologischen Untersuchungen nur wenige Siedlungsreste dokumentiert werden. Es ist davon auszugehen, dass die nördlichen sowie zum überwiegenden Teil auch die zentralen Siedlungsareale durch Meliorations- und Planierarbeiten bereits weitgehend zerstört wurden. Funde: Der überwiegende Teil des Fundmaterials besteht aus Keramik, hauptsächlich der mittelslawischen Menkendorfer Ware. Sehr häufig ist aber auch der Sukower Typ vertreten. Jungslawische Gurtfurchenkeramik fehlt im Keramikmaterial, was für einen Abbruch der Siedlungsaktivitäten in Burg und Vorburg im Laufe des 10. Jhs. n. Chr. sprechen dürfte. Zum Haushaltsinventar gehören Knochenpfrieme und Knochennadeln sowie einzelne Eisenmesser, in großer Zahl liegen darüber hinaus auch Spinnwirtel aus Ton und Sandstein sowie Wetzsteine vor. Durch das konsequente Schlämmen der Kulturschichtreste konnten ebenso etwa 20 Perlen geborgen werden, deren Gesamtzahl derzeit bei knapp 60 Stück liegt. Zahlreiche blaue Ringperlen sowie Glasschlacken könnten dabei als Hinweise auf eine lokale Perlenherstellung zu werten sein, der Großteil der Perlen ist jedoch importiert, u. a. liegen Exemplare aus Bernstein, Karneol und Bergkristall vor. Weitere belegte Handwerkszweige in Friedrichsruhe umfassen die Knochen- und Geweihverarbeitung, die durch zahlreiche bearbeitete Geweihreste gesichert ist, die Textilverarbeitung mit Webgewichten und Spinnwirteln sowie die Metallverarbeitung. Diese wurde vermutlich hauptsächlich im östli- Abb. 12 Friedrichsruhe (Landkreis Parchim), slawischer Bohlenweg AA-2008/1 Beiheft Römisch-Germanische Kommission 123 chen Vorburgbereich betrieben, worauf zahlreiche Schmiedeschlacken, Reste von Essesteinen und ein Rotationsschleifstein hinweisen. Auf die lokale Teerproduktion verweist der Rest eines pechverkrusteten Gefäßes, dessen Boden durchlocht war. Hervorzuheben sind zwei Münzfragmente aus Silber, die aufgrund des Erhaltungszustandes als Hacksilber gedeutet werden. Dabei handelt es sich um einen römischen Silberdenar des Trajan, geprägt zwischen 103 und 111 n. Chr. und um einen arabischen Silberdirham, dessen Bestimmung derzeit durchgeführt wird. Den Waffen kann schließlich eine etwa 20 cm lange Lanze aus dem Bereich des Bohlenweges zugeordnet werden. Bemerkenswert sind aber auch einzelne Fundstücke älterer Zeitperioden. Von bedeutendem Interesse sind dabei zwei Federmesser, die in dem Bereich des Bohlenwegs unterhalb des Torfes in den glazifluviatilen Sanden der Kuppe geborgen wurden. Diese Objekte belegen, ebenso wie eine Stielspitze aus dem zentralen Siedlungsgebiet (Grabungskampagne 2006), erste Siedlungsaktivitäten in der Umgebung der Sandkuppe im Spätpaläolithikum, etwa 12 000 bis 10 000 v. Chr. Kooperationspartner: Fachhochschule für Technik und Wirtschaft Berlin; Universität Hamburg; Georg-August-Universität Göttingen; WestfälischeWilhelms-Universität Münster; Universität Rostock • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: F. Lüth • Mitarbeiter: S. Messal (DFG), Studierende der Universitäten Berlin, Leipzig, Hamburg sowie Praktikanten des Landesamtes für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern; es wurden außerdem zwei Lehrgrabungen der Universität Rostock (Leitung: H. Jöns) und der Universität Münster (Leitung: F. Nikulka) sowie ein bodenkundliches Praktikum (Leitung: H. Lübke) durchgeführt • Abbildungsnachweis: DAI, RGK (Abb. 11. 12). Wiskiauten, Siedlungsarchäologische Forschungen zur Wikingerzeit im Kaliningrader Gebiet (Russische Föderation) Das seit zwei Jahren laufende Ausgrabungsprojekt zu dem frühmittelalterlichen Fundplatz Wiskiauten (heute Mohovoe) an der südlichen Ostseeküste im ehemaligen Ostpreußen hat die Auffindung von Siedlungsspuren im Umfeld eines wikingerzeitlichen Hügelgräberfeldes mit zahlreichen skandinavischen Funden zum Ziel (s. auch <http://www.wiskiauten.eu>). Das Gräberfeld gilt seit seiner Entdeckung im Jahr 1865 als Hinweis auf eine skandinavische Handelsniederlassung, die jedoch nie eindeutig lokalisiert werden konnte. Durch die Kombination von geomagnetischen Messungen auf 70 ha Fläche und anschließenden Ausgrabungen war bereits in den vergangenen Jahren die Freilegung von zahlreichen Siedlungsspuren des 8. bis 12. Jhs. n. Chr. im Umfeld der Nekropole geglückt. In diesem Jahr wurden die geophysikalischen Messungen auf den nordöstlichen Bereich der mehr als 2 km2 großen Siedlungskammer ausgedehnt. Es erfolgten des Weiteren an drei neuen Stellen Ausgrabungen zur Überprüfung der Messbilder, an denen neben Studierenden der Kaliningrader Universität vor allem Studierende des Instituts für Ur- und Frühgeschichte der Universität Kiel teilnahmen. In einem Bereich direkt an der ehemaligen Küste des bereits im Vorjahr durch geologische Bohrungen nachgewiesenen Binnensees mit Verbindung zum Kurischen Haff wurden in einem Sondageschnitt insgesamt drei Kulturschichten und ein Brandhorizont freigelegt, die nach Aussage der Keramikfunde und mehrerer 14C-Daten in das 7. und 8. Jh. n. Chr. eingeordnet werden AA-2008/1 Beiheft 124 Jahresbericht 2007 des DAI 13 14 können (Abb. 13). In den gleichen Zeitraum gehört ein Befund etwa 350 m westlich auf einem zum 800 m weiter westlich gelegenen Hügelgräberfeld hin ansteigenden Geländerücken. Es handelt sich um eine mit Steinen ausgekleidete Grube, die neben zahlreichen Brandresten und Fragmenten verziegelten Lehms nur wenig Keramik enthielt (Abb. 14). In der näheren Umgebung sind zahlreiche Streufunde als ein Hinweis auf ausgedehnte Siedlungsaktivitäten zu dieser Zeit vor dem eigentlichen Belegungsbeginn der Nekropole in der Mitte des 9. Jhs. n. Chr. zu werten. Schon vor der vermuteten Ankunft der Skandinavier – durch die Funde im Gräberfeld weiterhin indirekt nachgewiesen – hat somit eine einheimische Siedlung bestanden. Weitere 14C-Daten benachbarter Anomalien sowie der Fund einer polyedrischen Bronzeperle mit Wolfzahnornamentik, der als Teil einer bislang nur aus Grabfunden Gotlands bekannten Ringtrense in das 10. Jh. datiert werden kann, deuten an, dass in diesem Bereich im Osten der großen Hügelgräbernekropole generell auch mit Funden und Befunden des 9. bis 11. Jhs. n. Chr. zu rechnen ist. Neben diesen Grabungsschnitten mit frühen Siedlungsnachweisen, die zusätzlich ebenso neue Hinweise auf eine eisenzeitliche Besiedlung erbrachten, wurde ein aus Feldsteinen trockengemauerter Brunnen südlich des Gräberfeldes bis in eine Tiefe von 4 m ausgegraben (Abb. 15). Glas- und Bernsteinperlen, Bronzegewichte, ein Kammfragment sowie zahlreiche Keramikreste und Tierknochen lassen in Kombination mit den auf das 11. und 12. Jh. n. Chr. datierten Holzkohleproben auf eine ausgedehnte, planvoll angelegte Niederlas- Wiskiauten (Russische Föderation) Abb. 13 Befund des 7. und 8. Jhs. n. Chr. Abb. 14 Eisenzeitliche Siedlungsgrube Abb. 15 Wiskiauten (Russische Föderation), Brunnenbefund etwa 3,50 m unter der Oberfläche AA-2008/1 Beiheft Römisch-Germanische Kommission 125 sung dieser Zeit schließen. Die ausgegrabenen Befunde bestätigen die großräumige Besiedlung im gesamten Umfeld der Nekropole und eröffnen durch ihre zeitliche Tiefe neue Interpretationsmodelle für die Entwicklung des gesamten Fundplatzes. So kann nicht mehr von einer Kolonie ausgegangen werden, die von skandinavischen Personen in der Mitte des 9. Jhs. gegründet wurde und die bis in die Mitte des 11. Jhs. n. Chr. bestanden hat. Vielmehr scheinen die skandinavischen Siedler und Händler sich in ein bereits lange zuvor etabliertes Siedlungsgefüge integriert zu haben. Auch nach dem Belegungsabbruch des Hügelgräberfeldes bestand die Siedlung mit ihren überregionalen Handelsbeziehungen bis mindestens in das 13. Jh. weiter, was durch Einzelfunde einheimischer Machart belegt werden konnte. Immer noch fehlen jedoch einschlägige skandinavische Funde im Siedlungsmaterial. Kooperationspartner: Archäologisches Landesmuseum Schleswig; Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen Schloss Gottorf; Baltische Expedition des Archäologischen Instituts der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau • Leitung des Projekts: C. von Carnap-Bornheim, T. Ibsen (Schleswig) • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: Studierende der Universitäten Kiel und Kaliningrad • Abbildungsnachweis: T. Ibsen (Abb. 13–15). Sitzungen und wissenschaftliche Veranstaltungen Die Jahressitzung fand unter Vorsitz von Herrn Lüth am 22. Februar in der Römisch-Germanischen Kommission statt. Dabei wurden 14 Gelehrte zu Korrespondierenden Mitgliedern des Deutschen Archäologischen Instituts gewählt. Es fanden 12 Vortragsveranstaltungen statt. Die Kommission war ferner Gastgeber für mehrere Kolloquien und Arbeitsgespräche. Veröffentlichungen Germania. Anzeiger der Römisch-Germanischen Kommission 84, 2006, 2. Halbband Germania. Anzeiger der Römisch-Germanischen Kommission 85, 2007, 1. Halbband Germania. Anzeiger der Römisch-Germanischen Kommission 85, 2007, 2. Halbband Römisch-Germanische Forschungen 65: S. Wilbers-Rost – H.-P. Uerpmann – M. Uerpmann – B. Großkopf – E. Tolksdorf-Lienemann, Kalkriese 3. Interdisziplinäre Untersuchungen auf dem Oberesch in Kalkriese Kolloquien zur Vor- und Frühgeschichte 9: S. Möllers – W. Schlüter – S. Sievers (Hrsg.), Keltische Einflüsse im nördlichen Mitteleuropa während der mittleren und jüngeren vorrömischen Eisenzeit. Akten des Internationalen Kolloquiums in Osnabrück vom 29. März bis 1. April 2006 Internet-Zeitschrift <http://www.spuren-der-jahrtausende.de> 5/2007: N. Müller-Scheeßel – K. Rassmann, Häuser der Lebenden, Gräber der Toten. Der steinzeitliche Siedlungshügel von Okolište Stipendien Auf der Jahressitzung 2007 wurde je ein halbes Reisestipendium Mariya Stefkova Ivanova (Tübingen) und Martin Furholt (Kiel) zuerkannt. AA-2008/1 Beiheft Abteilung Kairo Abteilung Kairo 31, Sharia Abu el-Feda ET-11211 Kairo-Zamalek Tel.: +20-(0)2-735 14 60, 735 23 21 Fax: +20-(0)2-737 07 70 E-Mail: [email protected] Direktoren Prof. Dr. Günter Dreyer, Erster Direktor PD Dr. Daniel Polz, Wissenschaftlicher Direktor Wissenschaftliche Mitarbeiter Dr. des. Ulrike Fauerbach, Dr. Ulrich Hartung, Dr. Dietrich Raue Auslandsstipendiat Dr. Ralph Bodenstein Wissenschaftliche Hilfskräfte Nicole Kehrer M. A., Dr. Ute Rummel (15. 2. bis 12. 4.) Abteilung Kairo 129 100-Jahrfeier der Abteilung Kairo des DAI Die seit 1929 dem DAI angehörende Abteilung Kairo, die am 1. April 1907 als »Kaiserlich Deutsches Institut für Ägyptische Altertumskunde« begründet wurde, beging ihr 100jähriges Bestehen vom 18.–22. November 2007 mit verschiedenen Veranstaltungen und Feierlichkeiten. Am Beginn stand eine Pressekonferenz (Abb. 1), an der über 80 ägyptische und internationale Journalisten teilnahmen. Ihren Fragen stellten sich Bernd Erbel, der Deutsche Botschafter in Kairo, Zahi Hawass, der Generalsekretär des ägyptischen Antikendienstes, der Präsident des DAI Hermann Parzinger sowie die Direktoren Günter Dreyer und Daniel Polz. Neben Rückblicken auf die Geschichte und einer Darstellung der Aufgaben des Instituts wurde die Überführung der 2004 in Dra‘ Abu el-Naga (Theben-West) gefundenen Särge des Imeni und der Geheset in das Museum von Luxor bekannt geben, wo sie von nun an öffentlich ausgestellt sind. 100-Jahrfeier der Abteilung Kairo des DAI Abb. 1 Pressekonferenz am 18. November 2007 im Hotel Conrad Abb. 2 Ansprache von Staatssekretär G. Boomgarden im Garten der Abteilung Kairo Abb. 3 Eröffnung der Sonderausstellung: Günter Dreyer, Amani Ghanem, Botschafter Bernd Erbel, Leiter der Kulturabteilung des Auswärtigen Amts Martin Kobler, Kulturminister Farouk Hosny und Generalsekretär des Antikendienstes Zahi Hawass (v. l.) 1 2 3 AA-2008/1 Beiheft Am Abend des 18. November wurden die Feierlichkeiten offiziell mit einem Empfang im Garten des Instituts eröffnet. Die über 300 internationalen Gäste und Kollegen wurden vom Staatssekretär des Auswärtigen Amts Georg Boomgarden, dem ägyptischen Kulturminister Farouk Hosny und dem Präsidenten des DAI Hermann Parzinger begrüßt (Abb. 2). Vom 19.–21. November fand ein Symposium statt, auf dem die Ergebnisse und Perspektiven aktueller wie abgeschlossener Unternehmungen der letzten 50 Jahre von den Projektleitern vorgestellt und von externen Experten kommentiert oder ergänzt wurden. Zu Beginn des Symposiums wurden der frühere Erste Direktor Werner Kaiser und die Koordinatorin der Verbindungen des Instituts zu den ägyptischen Behörden Amani Ghanem für ihre Verdienste um die deutsch-ägyptischen Beziehungen von Generalsekretär Zahi Hawass mit der Medaille des Supreme Council of Antiquities ausgezeichnet.Von Seiten des DAI wurden der frühere ägyptische Kulturminister Sarwat Okasha und Ali Radwan für ihre Unterstützung geehrt und den neugewählten Korrespondierenden Mitgliedern des Deutschen Archäologischen Instituts ihre Urkunden überreicht. Die Tagung wurde täglich von bis zu 350 Wissenschaftlern verschiedenster Fachrichtungen besucht. Einen Höhepunkt der Veranstaltungen bildete die Eröffnung der Ausstellung »Begegnung mit der Vergangenheit« im Ägyptischen Museum am Abend des 19. November, an der über 400 Gäste teilnahmen (Abb. 3). Glückwünsche 130 Jahresbericht 2007 des DAI 4 5 zum Jubiläum und der gelungenen Ausstellung wurden vom Leiter der Kulturabteilung des Auswärtigen Amts Martin Kobler sowie dem Generalsekretär des Supreme Council of Antiquities Zahi Hawass vorgetragen. Zwei langjährige ägyptische Vorarbeiter der Ausgrabungen wurden geehrt. Am 21. November fand ein Abschlussempfang mit zahlreichen Ehrengästen im Garten der Deutschen Botschaft statt. Etwa 100 Gäste, ägyptische und internationale Kollegen sowie Vertreter der Presse, besuchten am 22. November noch die Grabungen in Tell el-Fara‘in/Buto, wo sie von mehreren Mitarbeitern geführt wurden (Abb. 4). Eine Poster- und Kleinfundeausstellung illustrierte den Stand der Arbeiten. Parallel fanden am gleichen Tag mehrere Führungen zu den Restaurierungsprojekten des Instituts in der Altstadt von Kairo statt. Die Abteilung Kairo des DAI möchte sich an dieser Stelle sehr herzlich bei all jenen bedanken, die zum Gelingen der Veranstaltungen und der durchweg positiven Stimmung beigetragen haben. Allen voran gilt der Dank den ägyptischen Kollegen und Partnern im Antikendienst und im Ägyptischen Museum, der Zentrale des DAI in Berlin, dem Auswärtigen Amt, der Deutschen Botschaft Kairo, den Partnern und Sponsoren, den zahlreichen Sprechern und Referenten sowie nicht zuletzt den Gästen, die aus zahlreichen Ländern zur 100-Jahrfeier angereist sind (Abb. 5). Abbildungsnachweis: DAI-KAI (Abb. 1–5). 100-Jahrfeier der Abteilung Kairo des DAI Abb. 4 Besucher in Buto Abb. 5 Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Abteilung Kairo Ausgrabungen und Forschungen Elephantine In der Siedlung von Elephantine ist seit der Mitte des 4. Jts. v. Chr. der Tempel der Satet nachweisbar. Die ersten ca. 1300 Jahre seines Bestehens befand sich das Allerheiligste des Kultbereiches in einer natürlich gebildeten Felsnische. Westlich dieses Sanktuars fiel bei den Untersuchungen zur Befestigung der Stadt Elephantine eine Einschnürung des Stadtmauerverlaufs auf, die zu einem späteren Zeitpunkt – wohl noch im 3. Jt. – begradigt wurde. Hierzu bestand die Annahme, dass es sich möglicherweise um eine Hofanlage im Zusammenhang mit den Nilflutfeierlichkeiten handeln könnte. Im Rahmen des Forschungsclusters 4 »Heiligtümer: Gestalt und Ritual. Kontinuität und Veränderung« des DAI wurde nun die Möglichkeit wahrgenommen, dieser Hypothese nachzugehen und zugleich den Wohnbereich der unmittelbaren westlichen Tempelnachbarschaft des Alten Reiches (3000–2200 v. Chr.) zu erforschen. AA-2008/1 Beiheft Abteilung Kairo 131 6 7 Elephantine Abb. 6 Bereich westlich des Satettempels mit Bebauung und Kellern der 6. Dynastie (um 2250 v. Chr.) Abb. 7 Spiegelgriff, Holz mit Knocheneinlagen, 2250 v. Chr. (M. 1 : 2) Abb. 8 Elephantine, Haus 61. Spätere Ramessidenzeit (um 1200 v. Chr.) AA-2008/1 Beiheft Die Arbeiten 2006/2007 hatten zunächst die Bebauung zum Ziel, die diesen Bereich nach seiner Verfüllung im späteren Alten Reich um 2350 v. Chr. überdeckte. Mehrere Bauschichten und ihnen zugehörige Kellereinbauten, vor allem aus der 6. Dynastie, wurden aufgedeckt (Abb. 6). Sie sind Teil der großflächigen Neukonzeption der Stadt im späten Alten Reich, wie sie vor allem in den vergangenen Jahren an verschiedenen Stellen des Tells freigelegt wurden. Anders jedoch als in jenen Bereichen fanden sich in der unmittelbaren Tempelnachbarschaft der 6. Dynastie kaum Werkzeuge, Produktionsabfälle oder Nachweise für administrative Tätigkeiten. In dieser Wohnbebauung wurde erstmals ein Kellerbefund der 6. Dynastie mit einer Reihe von in situBefunden festgestellt. In einem der dort gelagerten Töpfe fanden sich ein aufwendig gearbeiteter Spiegelgriff (Abb. 7) und andere Funde, die auf die Präsenz höhergestellter Frauen der Gesellschaft in der unmittelbaren Tempelnähe schließen lassen. An zwei weiteren Plätzen führte das Schweizerische Institut Untersuchungen durch. In den Siedlungsschichten des Neuen Reiches südlich des HeqaibHeiligtums wurden die Arbeiten mit der Aufdeckung einer weiträumigen Hausanlage der späteren Ramessidenzeit (um 1200 v. Chr.) fortgesetzt (Abb. 8). Mehrere Putzfragmente belegen eine reiche polychrome Bemalung einiger Räume dieses Hauses. Die Böden waren mit einem sorgfältig verlegten Ziegelpflaster ausgestattet. Im Zugangsbereich befand sich eine Reinigungsinstallation bestehend aus einem Sandsteinbassin mit Ausguss, vor dem ein gröber gearbeitetes Becken aus Rosengranit eingelassen war. Außerdem wurden die Studien zur Baugeschichte des Chnumtempels und der Schichten seiner Zerstörung und anschließenden Nachnutzung in frühchristlicher Zeit im 5. Jh. n. Chr. weitergeführt.Von besonderem Interesse sind die Ergebnisse zur frühen Bebauung des Temenos. Südlich des Tempelhauses ist seit den ersten Arbeiten der Unternehmung ein Haus (K19) bekannt, welches isoliert in diesem Teil des umfassten Bereiches stand und in dem auch in den vergangenen Jahren nochmals zahlreiche Ostraka, Papyrusfragmente und Siegelverschlüsse gefunden wurden. Ein vergleichbar einzeln stehendes Gebäude scheint es nach Ausweis der jüngsten Untersuchungen auch auf der Nordseite des Tempelhauses gegeben zu haben.Weitere Grabungen müssen zeigen, ob es sich hierbei um einen weiteren Sitz der Tempelverwaltung handeln könnte. 132 Jahresbericht 2007 des DAI 9 10 Im Rahmen der Aufarbeitung des Fundmaterials der Unternehmung aus früheren Kampagnen wurde die Arbeit fortgesetzt an der epigraphischen und architekturgeschichtlichen Aufnahme am Satettempel des Mittleren Reiches, den Kleinfunden und der Lithik des 3.–2. Jts. v. Chr., an den Siegelfunden des Alten Reiches, der nubischen Keramik des 3.–2. Jts. v. Chr., der Dekoration des Tempels des Chnum im Neuen Reich und in der griechisch-römischen Epoche, der Keramik des Neuen Reiches, der römischen und spätantiken Keramik, Textilien sowie der Lederfunde, Botanik, Menschenknochen und Farbpigmente. Ein geomorphologischer Survey zur Rekonstruktion der Landschaft in den verschiedenen Zeiträumen wurde begonnen. Die Planungsarbeiten für eine umfassende Neugestaltung des Zugangs zum Grabungsgebiet am alten Inselmuseum wurden in Zusammenarbeit mit dem Ägyptischen Antikendienst fortgesetzt. Auch die Rekonstruktionsarbeiten im Gebäudekomplex des späten Alten Reiches (um 2200 v. Chr.) südlich des Chnumtempels (Abb. 9) sowie an den Wohnhäusern des späten Mittleren Reiches am Heqaib-Heiligtum konnten fortgesetzt werden. Am Satettempel des Neuen Reiches wurden die ergänzenden Zeichnungen der Dekoration erneuert (Abb. 10). Hinsichtlich der zukünftigen Einfassung des Grabungsgeländes sind weitere Teile der Stadtmauer am westlichen Stadtrand freigelegt worden. Kooperationspartner: Schweizerisches Institut für Ägyptische Bauforschung und Altertumskunde • Leitung des Projekts: D. Raue, C. von Pilgrim • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: F. Arnold, J. Auenmüller, A. Bloebaum, J. Budka, R. Colman, R. Cortopassi, M. De Dapper, E. Delange, A. von den Driesch, E. Endenburg, E.-M. Engel, J. Gresky, L. von Haenigsen, M. Hoffmann, H. Jaritz, P. Kopp, A. Kozak, E. Laskowska-Kusztal, R. Neef, H.-Chr. Noeske, A. Paasch, S. Pages-Camagna, B. von Pilgrim,V. Podsiadlowski, M. und E. Rodziewicz, N. Roumelis, T. Rzeuska, M. Schultz, A. Veldmeijer, C. Vormelker, V. Wagner, M. Weber, M. Wetendorf-Lavall, P. Windszus • Abbildungsnachweis: DAI-KAI (Abb. 6. 7); Schweizerisches Institut für Ägyptische Bauforschung (Abb. 8); DAI-KAI (Abb. 9. 10). Elephantine Abb. 9 Wieder aufgebaute Teile des Gebäudekomplexes der späten 6. Dynastie (um 2200 v. Chr.) Abb. 10 Satettempel der 18. Dynastie Felsinschriften der Region von Assuan Die Kataraktenlandschaft stellte für die Passage zu Schiff eine schwierige und je nach Jahreszeit auch gefährliche Strecke dar. Ein paralleler Landweg für den Personen- und Warenverkehr bestand daher zu allen Zeiten. Das Projekt der Lokalisierung und Aufnahme von Felsinschriften auf der Ostseite im Stadtgebiet von Assuan widmete sich auch während dieser Kampagne einem sehr AA-2008/1 Beiheft Abteilung Kairo 133 Abb. 11 Assuan, Felsinschrift des Mentuhotep (um 1850 v. Chr.) prestigeträchtigen Teil dieser Wegalternativen: dem Beginn der antiken Straße nach Shellal/Philae. Die Enge dieser Straße lässt darauf schließen, dass hier im wesentlichen kleinere Personengruppen, vornehmlich wohl die führende Beamtenschaft und ihr Gefolge, von diesem Weg Gebrauch machten, während die Schwertransporte dieser Zeit weiter im Landesinneren auf breiteren Pisten vor sich gingen. Hohe Militärbeamte und die Spitzen der Nubienverwaltung sowie deren Untergebene hinterließen hier eindrucksvolle Paneele. Als ein weiteres Untersuchungsgebiet kam in diesem Jahr das Gebiet im Vorfeld des rückwärtigen Eingangs des Hotels »Old Cataract« hinzu. Hier wurden die bekannte Inschrift der Bildhauer der 18. Dynastie, Men und Bak, sowie eine rechts sich anschließende Inschrift des Echnaton (1350/1325 v. Chr.) faksimiliert. Die beiden Bildhauer arbeiteten in seiner Regierungszeit und unter seinem Vater, Amenophis III., dessen Kolossalstatuen aus Theben-West, die sog. Memnon-Kolosse, auch im Bild dargestellt werden. Die Inschriften belegen frühe Entwicklungsstadien der monotheistischen Aton-Theologie des Echnaton.Weiterhin wurde die Inschrift eines Beamten aus der Zeit der 12. Dynastie namens Mentuhotep (um 1850 v. Chr.) erstmals studiert und dokumentiert (Abb. 11). Die herausragende Bedeutung dieser Inschrift liegt in der Farberhaltung im Bereich der geflügelten Sonne am oberen Bildabschluss. Ursprünglich waren alle Felsinschriften erst durch die Farbgebung weithin sichtbar geworden, jedoch ist nur in diesem Fall und einem weiteren Beispiel auf Elephantine mit türkisblauen Farbresten in den Hieroglyphen einer Inschrift der 6. Dynastie (um 2300 v. Chr.) die Farbe erhalten. Eine weitere Gruppe von Felsinschriften außerordentlich hochgestellter Persönlichkeiten konnte an der modernen Anlegestelle der Fähre zwischen Assuan und Elephantine untersucht werden. Hier sind es vor allem vier Vizekönige von Nubien aus der 18. und 19. Dynastie (15.–13. Jh. v. Chr.), deren Repräsentation in ihrer Zeit zu den markantesten Texten des Ostufers und seiner Verbindung zur Insel Elephantine gehört hat. Die Arbeit wurde ferner weiter südlich am Dorf Gebel Tagug fortgesetzt. Die Verteilung der Inschriften bezieht sich auf einen Weg, der zu einer Bucht gegenüber der Südspitze von Elephantine verläuft, die wahrscheinlich als größerer Hafen genutzt wurde. Seit der Eröffnung der Steinbrüche hat sich die Landschaft jedoch schon durch die römische Steinbruchsaktivität und dann vor allem durch die neuzeitlichen Baumaßnahmen gravierend verändert. In der zukünftigen Arbeit wird die Rekonstruktion der ursprünglichen Landschaft eine wesentliche Voraussetzung zum Verständnis der Inschriften sein. AA-2008/1 Beiheft 134 Jahresbericht 2007 des DAI Kooperationspartner: Freie Universität Berlin (Projektträger) • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: S. J. Seidlmayer (Ägyptologisches Seminar der Freien Universität Berlin) • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: L. Borrmann, T. Gutmann • Abbildungsnachweis: Freie Universität Berlin (Abb. 11). Assuan, Fatimidenfriedhof Der sog. Fatimidenfriedhof von Assuan befindet sich auf der Ostseite der historischen Stadt. Er erstreckt sich über eine Länge von nahezu 2 km von Norden nach Süden. Der südliche Teil ist der rezenten Überbauung entgangen, wird allerdings – wie eine Vielzahl neuer Gräber belegt – nach wie vor als Friedhof genutzt. Das Gelände wird noch heute von 30 Mausoleen dominiert (Abb. 12), jedoch ergab eine partielle Reinigung der Oberfläche vom Flugsand, dass die Zwischenräume sowohl von kleineren Mausoleen als auch von einfacheren, heute leeren Grabstätten gefüllt waren. Diese Grabkomplexe fassen Gruppen von 2–20 Bestattungen zusammen. Alle bisher untersuchten Grablegen folgen dem islamischen Bestattungsritus mit einer Nord-Süd-Orientierung. Am häufigsten tritt das einfache Grab mit einer rechteckigen Einfassung auf, im Süden befindet sich ein kleines Podest, zu dessen Ostseite eine Miniaturgebetsnische gehört. Alle Gräber hat- ten einen dünnen weißen Kalkputz. Aufwendigere Grabtypen weisen zudem eine Nischengliederung der bis zu 1 m hohen Grabfassung auf. Zwei neue Stelenfunde gehören der Fatimidenzeit an (969–1171 n. Chr.), jedoch bezeugen andere, in Museen und Magazinen befindliche Stelen einen früheren Belegungsbeginn der Nekropole im späten 7./frühen 8. Jh. n. Chr. Die Entdeckung dieser neuen Grabgruppen verändert das Bild von den ›urbanistischen Aspekten‹ dieses Friedhofes grundlegend, denn er besteht eben nicht nur aus isolierten Einzelbauten. Hiermit ist nochmals die einmalige Gelegenheit gegeben, auf einem sehr ausgedehnten Gelände die Sozialstrukturen der frühen islamischen Epochen im Spiegel ihrer Bestattungsriten und Grabarchitektur zu betrachten. Kooperationspartner: Lehrstuhl für Baugeschichte der Technischen Universität Berlin • Leitung des Projekts: Ph. Speiser • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: M. Fior, J. Lindemann, Chr. Straße, D. Zahn • Abbildungsnachweis: DAI-KAI (Abb. 12). Abb. 12 Assuan, sog. Fatimidenfriedhof. Mausoleengruppe im südlichen Abschnitt AA-2008/1 Beiheft Abteilung Kairo 135 Theben-West, Nekropole von Dra‘ Abu el-Naga Dra‘ Abu el-Naga liegt im Norden der ausgedehnten thebanischen Nekropole auf der Westseite des Nils, gegenüber der Stadt Luxor in Oberägypten. In diesem Nekropolenteil konzentrieren sich die Gräber der Zweiten Zwischenzeit und des frühen Neuen Reiches (13.–18. Dynastie; ca. 1850–1500 v. Chr.), welche auch den zentralen Forschungsgegenstand der Unternehmung bilden. Die Doppelgrabanlage K93.11/K93.12 (Abb. 13) befindet sich, kurz unterhalb der Kuppe gelegen, in der Mitte der Hügelkette von Dra‘ Abu el-Naga. Ihr nördlicher Teil, K93.11, wurde bereits in den Jahren 1993 bis 2000 ausgegraben und dokumentiert. Die südliche Anlage, K93.12, wird seit Herbst des vorangegangenen Jahres im Rahmen des Forschungsclusters 4 »Heiligtümer: Gestalt und Ritual. Kontinuität und Veränderung« des DAI archäologisch untersucht mit dem Ziel, die Nutzungsgeschichte der Anlage zu erfassen und damit die Entwicklung der Grabsemantik des späten Neuen Reiches zu beleuchten. Eine Datierung beider Felsgrabanlagen an den Beginn des Neuen Reiches (um 1550 v. Chr.) zeichnete sich bereits vor Aufnahme der Arbeiten durch einige bautechnische Beobachtungen ab. Die enorme Größe des Gesamtkomplexes (mit knapp 50 m Breite der Vorhöfe eine der größten Felsgrabanlagen in Theben-West) ließ zudem darauf schließen, dass es sich um eine königliche Grabanlage handelt.Verschiedene Indizien machen eine Zuweisung an König Abb. 13 Theben-West, Nekropole von Dra‘ Abu el-Naga. Vorläufiger Grundrissplan der Doppelgrabanlage K93.11/K93.12 AA-2008/1 Beiheft 136 Jahresbericht 2007 des DAI Abb. 14 Theben-West, Nekropole von Dra‘ Abu el-Naga. Grabanlage K93.12, Übersicht über die Grabungsschnitte im inneren Vorhof (April 2007) Amenophis I., den zweiten König der 18. Dynastie, und seine Mutter AhmesNefertari wahrscheinlich. Wie die Grabungen ergeben haben, wurde K93.11 in der 20. Dynastie (um 1150 v. Chr.) vom Hohenpriester des Amun, Ramsesnacht, übernommen, der im Bereich der Vorhöfe eine Kultkapelle aus Sandstein errichten ließ. In K93.12 konzentrierten sich die Arbeiten zunächst auf den inneren Vorhof (Abb. 14) sowie den Grabinnenraum. Der archäologische Befund ist in weiten Teilen dem in K93.11 sehr ähnlich: Der Grabinnenraum und große Teile der Vorhöfe sind mit koptischen (frühchristlichen) Lehmziegelstrukturen (7.–9. Jh. n. Chr.) überbaut, die im Zusammenhang mit dem nahegelegenen Kloster Deir el-Bachit stehen (s. hier S. 137–139). Die Datierung des ursprünglichen Felsgrabes an den Beginn des Neuen Reiches wird durch das Auffinden entsprechender Mengen an Keramikscherben aus der 18. Dynastie untermauert. Ein überraschendes Ergebnis war die Feststellung, dass der Sohn und Amtsnachfolger Ramsesnachts, Amenophis, in K93.12 eine gleichartige Kapelle errichten ließ wie sein Vater gut 20 Jahre zuvor in K93.11. Davon zeugen die bisher ca. 900 Relieffragmente aus Sandstein, von denen viele den Namen und Titel des Amenophis tragen (Abb. 15). Die Fragmente stammen größtenteils von der Wandverkleidung, die Amenophis im inneren Vorhof anbringen ließ. Hier wurde außerdem eine vermutlich umlaufende Säulenstellung errichtet, Abb. 15 Theben-West, Nekropole von Dra‘ Abu el-Naga. Grabanlage K93.12, Relieffragment (Sandstein) aus dem inneren Vorhof. Die Inschrift nennt den Hohenpriester des Amun, Amenophis (um 1125 v. Chr.), und seinen Vater, den Hohenpriester Ramsesnacht Abb. 16 Theben-West, Nekropole von Dra‘ Abu el-Naga. Grabanlage K93.12, links: Fragment eines Hathorkapitells (Sandstein) aus der Kultkapelle des Hohenpriesters Amenophis; rechts: Zeichnerische Rekonstruktion eines Hathorkapitells aus der Anlage des Ramsesnacht, K93.11 AA-2008/1 Beiheft Abteilung Kairo 137 von der neben zahlreichen entsprechenden Sandsteinfragmenten eine Säulenbasis in situ erhalten ist. Den Zugang zu diesem Hof bildete ein Lehmziegelpylon, dessen Überreste teilweise freigelegt werden konnten. Ein besonderes Merkmal beider Anlagen sind die Hathorkapitelle (Säulenkapitelle, die das Gesicht der Göttin Hathor abbilden; Abb. 16), mit dem ein Teil der Säulen einst bekrönt war. Dieser Kapitelltyp ist im Neuen Reich bislang nur als Element von Tempelarchitektur belegt. Im Fokus der Untersuchung steht die Funktion, welche die älteren Grabanlagen durch die ramessidische Umgestaltung gewonnen haben. In der Tempelgestalt der hohenpriesterlichen Kapellen (Pylon, offener Hof, Säulenstellung, Hathorkapitelle) wie auch in den Fragmenten der Wanddekoration spiegelt sich die Grabsemantik des späten Neuen Reiches, gemäß derer das Grab die Funktion eines Tempels übernimmt – d. h. zu einem sakralen Raum wird, in dem der Verstorbene mit den Göttern kommuniziert. Ein Ziel der weiteren Arbeiten wird die Klärung der Frage sein, ob der Hohenpriester Amenophis in K93.12 bestattet wurde oder ob es sich möglicherweise um eine reine, von der eigentlichen Bestattungsanlage räumlich getrennte Kultanlage handelt. Leitung des Projekts: D. Polz, U. Rummel (Grabungsleitung in K93.12) • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: J. Böttinger, P. Collet, A. Kilian, M. Kern, L. Kruck, J. Lücke, S. Michels, S. Nagel, E. Peintner, M. Pieper, S. Tagscherer, S.Voß, P.Windszus • Abbildungsnachweis: Grundrissplan, P. Collet, U. Rummel (Abb. 13); DAI-KAI DAN, U. Rummel (Abb. 14); DAI-KAI-DAN, U. Rummel (Abb. 15); DAI-KAI-DAN, M. Kern, Zeichnung, U. Rummel (Abb. 16). Theben-West, spätantike-koptische Klosteranlage Deir el-Bachit von Dra‘ Abu el-Naga Das Kloster Deir el-Bachit erstreckt sich auf einem Höhensattel des Hügels von Dra‘ Abu el-Naga in Theben-West (Abb. 17). Diese größte bislang bekannte Klosteranlage des thebanischen Westufers lässt sich nach derzeitigem Kenntnisstand in die Zeit zwischen dem 6. und 9. Jh. n. Chr. datieren. Die Größe von Deir el-Bachit, dessen antiker Name bisher noch nicht bekannt ist, spiegelt wohl die Bedeutung wider, die dem Kloster zugekommen sein dürfte. In den vergangenen Jahren waren in den Vorhöfen der hangabwärts in unmittelbarer Nähe gelegenen pharaonischen Doppelgrabanlage K93.11 einige Wirtschaftsanlagen ausgegraben worden, die zu dem Kloster auf dem Hügelrücken gehören. Dies war der Anlass, auch das Kloster auf dem Hügel- Abb. 17 Theben-West, spätantike-koptische Klosteranlage Deir el-Bachit von Dra‘ Abu el-Naga. Blick auf das Kloster, im Hintergrund die Nekropole des Klosters AA-2008/1 Beiheft 138 Jahresbericht 2007 des DAI 18 19 rücken, das bis zu diesem Zeitpunkt in der wissenschaftlichen Literatur kaum nennenswerte Erwähnung gefunden hatte, in den Blickpunkt des archäologischen Interesses zu rücken. Da es im thebanischen Raum bislang keine systematische archäologische Untersuchung einer Klosteranlage nach modernen wissenschaftlichen Kriterien gibt, kommt dieser Ausgrabung zusätzlich große Bedeutung nicht nur für die Rekonstruktion der Nachnutzung pharaonischer Grabanlagen, sondern auch für die Rekonstruktion religiösen Lebens auf dem thebanischen Westufer in spätantiker und frühislamischer Zeit zu. Die Grabung konzentrierte sich in diesem Jahr innerhalb des Zentrums der Klosteranlage auf die südlichen Terrassen, weil sich in diesem Bereich in der vorangegangenen Grabungskampagne die Hinweise zur Lokalisierung der Klosterkirche verdichtet hatten. Insbesondere war die Auffindung von Säulen und Kapitellen aus Sandstein im Schutt unter einem jüngeren Fußboden ein konkreter Anhaltspunkt für die Annahme, dass ein Vorgängerbau der Kirche zu einem bislang unbekannten Zeitpunkt dem Erdboden gleichgemacht wurde und seine Bauteile als Füllschutt unter den Böden verwendet worden waren. Aus diesem Grund wurde der mit vier massiven Lehmziegelpfeilern ausgestattete, größte Raum auf der mittleren Südterrasse ausgegraben, dessen Mauern sowie Pfeiler teilweise schon vor Beginn der Grabung obertägig sichtbar waren und der wegen seiner Ostausrichtung als möglicher Standort der Klosterkirche in Frage kam. Die Ausgrabung dieses Vierpfeilerraumes ergab zwar, dass es sich hier nicht um die Kirche handelte, stattdessen kam in diesem Raum aber eine Abfolge verschiedener Fußböden und einer älteren Steinmauer zutage, die es ermöglichten, die chronologische Abfolge der Bauphasen nicht nur innerhalb des Vierpfeilerraumes, sondern auch der daran angrenzenden Gebäude zu klären, von denen eines ein zweites Unterkunftsgebäude mit Schlafzellen für die Mönche gewesen zu sein scheint (Abb. 18). In einer kleineren Sondage im östlichen Umgang des sog. Zentralgebäudes, bei dem es sich wahrscheinlich um einen Turm im Zentrum der Klosteranlage handelte, fanden sich unter dem aus Sandsteinspolien der umliegenden pharaonischen Grabanlagen bestehenden Pflasterboden die Überreste von zwei kleinen Räumen (Abb. 19), die – den Maueranschlüssen zufolge – jünger als der Turm sein müssen, der nach derzeitigem Kenntnisstand eines der ältesten Gebäude des Klosters gewesen zu sein scheint. Ein weiterer Schwerpunkt war außerdem die Untersuchung der zugehörigen Nekropole des Klosters, die im Osten außerhalb der Umfassungsmauern des Klosters liegt (Abb. 17). In einer Sondage am Nordost-Ende der Nekropole Theben-West, spätantike-koptische Klosteranlage Deir el-Bachit von Dra‘ Abu el-Naga Abb. 18 In der linken Bildhälfte der Vierpfeilerraum, Blick nach Südwesten. Rechts ein tonnengewölbter Speicherbau Abb. 19 Im Mittelgrund die Überreste der beiden Räume, die unter dem Plattenpflaster des östlichen Umganges des Turmes ausgegraben wurden. Im Raum links der Rest eines runden Lehmbehälters Abb. 20 Theben-West, spätantike-koptische Klosteranlage Deir el-Bachit von Dra‘ Abu el-Naga. Nordöstlicher Abschnitt der Nekropole, Blick nach Westen AA-2008/1 Beiheft Abteilung Kairo 139 kamen in langen Grabreihen gleichmäßig angeordnete und von Lehmziegelmauern eingefasste Gräber zutage, die sich nach Art und Bauweise nicht von den in den Vorjahren freigelegten Gräbern am Südwestende der Nekropole unterscheiden (Abb. 20). Überraschend war aber, dass es sich bei den Bestattungen – im Gegensatz zu den südwestlichen Gräbern – nicht um mumifizierte und aufwendig gewickelte Leichname, sondern um Skelette handelte. Kooperationspartner: Institut für Ägyptologie der Ludwig-MaximiliansUniversität München • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: G. Burkard, I. Eichner • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: T. Beckh, I. Dudzinski, M. Fischer, K. Gabler, E. Hower-Tilmann, S. Lösch, S. Mehret, G. Neunert, E. Petersmark, J. Sigl, A. Zink • Abbildungsnachweis: Ludwig-MaximiliansUniversität München (Abb. 17–20). Abb. 21 Theben-West, Memnon-Kolosse und Totentempel Amenophis’ III. Drei neue Sachmetstatuen (März 2007) Abb. 22 Theben-West, Memnon-Kolosse und Totentempel Amenophis’ III. Zur Aufstellung vorbereitete Quarzitkolosse AA-2008/1 Beiheft Theben-West, Memnon Kolosse und Totentempel Amenophis’III. Ziel der Grabung ist die Rettung der letzten Reste des einst prachtvollen Totentempels Amenophis’ III. aus der 18. Dynastie in Theben, der von Grundwasser, Versalzung, Vegetation und gelegentlichen Feuern bedroht war. Die Kampagne begann mit der jährlich aufwendigen, jedoch notwendigen Reinigung des gesamten Areals. Gleichzeitig wurden die Restaurierungs- und Konservierungsarbeiten im Magazin an den Quarzit- und Granitstatuen fortgesetzt. Die im Vorjahr abgeschlossene Senkung des Grundwasserspiegels im Peristyl ermöglichte es, tiefer auszugraben, wobei tief liegendere Fundamente sowie gestürzte Architekturteile, Architrav- und Säulenfragmente festgestellt und aufgenommen werden konnten. In dem ausgeraubten Fundamentgraben des nördlichen Peristyls fanden sich in zwei Lagen acht neue, bestens erhaltene Sachmetstatuen von außerordentlicher künstlerischer Qualität (Abb. 21). Sie wurden gereinigt, konserviert und mit den früheren Statuen maßstabsgerecht gezeichnet und ebenso wie der kolossale Granitkopf von Amenophis III. photographiert. Dieser Kopf konnte durch weitere neu gefundene Fragmente komplementiert werden. Auch vom Körper der Statue wurden weitere Fragmente gefunden und zusammengesetzt. In der westlichen Portikus des Peristyls wurden drei der Sockel mit den Füßen von kolossalen Königsstatuen aus Quarzit restauriert und aufgestellt. Der Torso der Kolossalstatue PWN II wurde mit den Beinen zusammengefügt und aufgerichtet. Im kommenden Frühjahr wird der erhaltene Oberkörper aufgesetzt und mit einer Replik des zugehörigen Kopfes aus dem British Museum vereint aufgestellt werden (Abb. 22). Der Torso ist jetzt bereits 5 m 140 Jahresbericht 2007 des DAI Abb. 23 Theben-West, Memnon-Kolosse und Totentempel Amenophis’ III. Quarzitfragmente mit Darstellungen von Fremdvölkern hoch, insgesamt wird die Statue eine Höhe von gut 9 m besitzen. Eine zweite Kolossalstatue gleicher Art und Erhaltung wird ebenfalls in der nächsten Kampagne vollendet und aufgerichtet werden. Gleichzeitig wurde dort in einem aufwendigen Verfahren die Entsalzung der Sandsteinbasen der ersten Reihe begonnen. Alle Fragmente der großen Nordstele, neue und früher gefundene, sind nun aufgenommen, gruppiert und bearbeitet. Die Zusammensetzung mit modernen Materialien und Techniken ist im nächsten Jahr geplant. Am 2. Pylon wurden die Fundamente und unteren Lagen des nördlichen Turmes ausgegraben und die Maße gesichert. Fragmente des Tores und dessen Dekoration wurden dokumentiert. Dabei kamen auch zahlreiche neue Quarzitfragmente von Fremdvölkerdarstellungen zutage, die teilweise zusammengesetzt, photographiert und bearbeitet wurden (Abb. 23). Ein Seismologe/ Geologe untersuchte die Fundamente und Sturzlagen im gesamten Tempelbereich. Damit konnte die These des Einsturzes des Tempels und seiner Statuen durch ein Erdbeben weiter untermauert werden. Kooperationspartner: Supreme Council of Antiquities • Förderung: Association des Amis des Colosses de Memnon; Förderverein Memnon; American Research Center in Egypt; World Monuments Fund®Robert W. Wilson Challenge to Conserve Our Heritage und Mr. Jack A. Josephson, supporter of the World Monuments Fund • Leitung des Projekts: H. Sourouzian • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: M. Seco Alvares, D. Aston, A. Chéné,O. Chéné, J. Dorner, N. Hampikian, A. Karakhanyan, E. Kamimura, B. Lachat, J. Malatkova, Ch. Perzlmeier, R. Stadelmann sowie zeitweise U. Lewenton, A. Amin, K. Lakomy, T. Gharib; Restaurierung: M. L. Marcos, S. J. Vidal, L. M. Garcia, M. B. Sanz, E. M. Ruedas, Th. Gayer-Anderson, M. A. Moreno Cifuentes; A. H. Ibrahim, T. H. Ibrahim, A. M. Ali (Conservation Department des SCA unter Leitung von B. S. Abdelrahim), F. Fares Aboadir, M. A. Ghassab (Steinteam des SCA), Abul’Haggag H. Taai, H. Abdelwahab Mohamed, A. Abusafa Khalifa, A. Ezzedin Ismail (Vertreter des Antikendienstes) • Abbildungsnachweis: H. Sourouzian (Abb. 21–23). Theben-West,Totentempel Sethos’ I. Der Totentempel Sethos’ I. aus der 19. Dynastie in Qurna ist im März 2004 dem ägyptischen Antikendienst und der Öffentlichkeit übergeben worden. Im AA-2008/1 Beiheft Abteilung Kairo 141 24 25 Theben-West, Totentempel Sethos’ I. Abb. 24 Nördlicher Sphinxsockel Abb. 25 Gelagerte Blöcke vor der versalzten Ziegelwand des Pylons Herbst letzten Jahres zeigten sich erschreckende Schäden an den Reliefs der Sphinxsockel vor dem wieder aufgebauten 1. Pylon (Abb. 24). Abwässer der Häuser östlich des Pylons sickerten durch die Ziegelwände und drangen in die Sandsteine der Sockel. Dies führte zu Aussalzungen und zum Absprengen der Oberflächen. Der ägyptische Antikendienst bat daraufhin R. Stadelmann als ehemaligen Grabungsleiter um Mithilfe bei der Rettungsaktion der Sockel. Mit Unterstützung der technischen Abteilung des Antikendienstes Theben und unter Anleitung einer erfahrenen Restauratorin wurden die Reliefs zunächst gefestigt, dann die Sandsteinblöcke Lage nach Lage abgehoben und auf Holzbalken zum Austrocknen ausgelegt (Abb. 25). Dann wurden die Reliefs entsalzt und nochmals gefestigt. Die Blöcke bleiben bis Spätherbst gelagert und sollen im Anschluss auf neue Sandsteinfundamente zurückgebracht werden. Die teilweise schwer beschädigten Reliefs müssen dann durch Photomontagen ersetzt werden. Kooperationspartner: Supreme Council of Antiquities • Förderung: U. Köhle • Leitung des Projekts: R. Stadelmann • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: E. M. Ruedas, A. Aziz mit den Restauratoren A. H. Ibrahim, T. H. Ibrahim, A. M. Ali, B. Hassan Mohamed (Conservation Department des SCA), M. A. Ghassab, G. Mahmud Ahmed mit dem Steinteam des SCA • Abbildungsnachweis: R. Stadelmann (Abb. 24. 25). Abydos, Umm el-Qaab Im frühzeitlichen Königsfriedhof war die Feldarbeit auf das Grab des Djer konzentriert (1. Dynastie, um 2950 v. Chr.), das seit dem Mittleren Reich als Bestattungsort des Totengottes Osiris angesehen wurde. Im Rahmen des neuen Forschungsprojekts »Osiris in Abydos«, das den späteren Kultaktivitäten an diesem heiligsten Ort Ägyptens gilt, wurde auch mit dem Abtragen der enormen, bis zu 4–5 m hohen Schutthalden über den Nebengräbern des Djer begonnen, die neben Grabbeigaben noch zahlreiche Votivgaben für Osiris enthalten. Außerdem wurde die Wüstenoberfläche nördlich des Grabes des Peribsen gereinigt, das Vermessungsnetz ergänzt und die Bearbeitung der Funde fortgesetzt. Die Königskammer des Djer wurde weiter, bis ca. 1,80 m unter Oberkante, geleert (Abb. 26 a). Damit wurden auf den inneren Zungenmauern, die auf der Ost-, Nord- und Südseite an einen zentralen Holzschrein führten (Abb. 26 b), die schon von F. Petrie beobachteten, sehr flachen Scheintür-Vertiefungen im Mauerverputz sichtbar (Abb. 27). Als ›Durchlässe‹ sollten sie dem toten König offenbar einen Umgang um den Schrein ermöglichen. Eine große Scheintür in der Westwand bildete den Ausgang in das Totenreich. Noch nicht zu erklären AA-2008/1 Beiheft 142 Jahresbericht 2007 des DAI 26 a 26 b 27 sind z. T. durchgehende Löcher in den Zungenmauern der Kammern auf der Nord- und Ostseite. Sie scheinen von jeweils einem langen Holzbalken zu stammen, der ca. 0,70–0,80 m unterhalb der Decke in etwa 20 cm Abstand von den Rückwänden quer durch die drei mittleren Kammern verlief. Ein weiterer auffälliger Befund ist ein etwa mittig in die Westwand der Königskammer eingemauertes großes Tongefäß, dessen Rand genau in Höhe des verputzten ersten Absatzes der Ausmauerung liegt. Es muss dort während der Bauzeit des Grabes eingebracht worden sein und wurde später vollständig von Ziegeln der Deckbalkenfassung überdeckt. Auf der Ostseite wurde die unmittelbar an die Königskammer angebaute Vorkammer A ausgehoben. Sie ist 1 Ziegel stark ausgemauert, an der Oberkante ca. 1 m × 1,75 m groß und etwa 1,30 m tief.Verfärbungen am Boden und der Westwand zeigen, dass sie für eine Bestattung diente. Auf der Ausmauerung sind noch einige Ziegel von der Balkenfassung der Abdeckung erhalten, die wahrscheinlich die gleiche Oberkante hatte wie die der Königskammer. Nach der Lage ist die Kammer am ehesten mit den ›Pförtnerkammern‹ an den Zugängen in den Gräbern des Dewen und des Semerchet vergleichbar. Aus der Königskammer und den Halden wurden neben großen Mengen an Keramik und zahlreichen Siegelabrollungen wiederum auffällig viele Pfeilspitzen aus verschiedenen Materialien (Abb. 29), Schmuckteile, einige Armreifen Abydos, Königsfriedhof Umm el-Qaab, Grab des Königs Djer Abb. 26 a. b Königskammer Abb. 27 Zungenmauern vor der Nordwand der Königskammer mit Scheintüren und Balkenlöchern AA-2008/1 Beiheft Abteilung Kairo 143 und andere Gegenstände aus markant gemaserten Steinarten sowie mehrere sehr qualitätvolle Elfenbeinobjekte geborgen (Abb. 28). Damit verstärkt sich der Eindruck, dass die Zeit des Djer einen Höhepunkt des Kunsthandwerks bildete. Bemerkenswert sind ferner ein vollständiges Anhängetäfelchen des Djer mit einem noch unbekannten Jahresnamen und ein Rollsiegel aus Holz. Erneut kam auch umfangreiches osirianisches Material zutage, u. a. Scherben beschrifteter Votivgefäße, ein bronzenes (Naos-?)Fragment mit Osiris-Dekoration und ca. 300 weitere Fragmente vom ›Sarkophag des Osiris‹, von denen einige schon an früher gefundene Stücke anpassen. Darunter auch ein größeres Fragment, auf dem noch ein Abschnitt einer Königsdarstellung erhalten ist. Die Fundbearbeitung galt der weiteren Dokumentation der Keramik und Kleinfunde aus den Gräbern des Semerchet, des Dewen und des Chasechemui. Außerdem wurde die Erfassung des Knochenmaterials aus dem prädynastischen Friedhof U abgeschlossen und die Aufnahme der in Zusammenhang mit dem Osiriskult stehenden Keramik, Kleinfunde und Bauteile fortgeführt. 28 29 Abydos, Königsfriedhof Umm el-Qaab Nach der ersten Auswertung des beschrifteten Materials und der Lage von Keramikdeponierungen konnten mehrere für den Osiriskult relevante Kultachsen ausgemacht werden. Für eine genauere topographische Untersuchung wurden hochauflösende Satellitenbilder von der NASA beschafft, auf denen zunächst die vermuteten Kultachsen eingetragen und dann vor Ort während einer Geländebegehung verifiziert wurden. Ein überraschendes Zwischenergebnis ist die offenbar wichtige Rolle des sog. Südhügels, einer natürlichen Geländeerhebung ca. 150 m südlich der Königsgräber. Dorthin führte ein mit Opferkeramik gesäumter Prozessionsweg vom Osirisgrab und dort gibt es Keramikdeponierungen wie am Wüstenpylon des Sethos-Tempels, der axial auf den Hügel ausgerichtet ist. Damit lassen sich folgende Verbindungen feststellen: a) Kom es-Sultan (Siedlungsgebiet mit Osiristempel) – Heqareschu-Hügel (am Ostrand der Nekropole) – Osirisgrab; b) Kom es-Sultan – Südhügel – Wadi-Eingang; c) Osirisgrab – Südhügel, d) Sethos-Tempel – Südhügel. Förderung: DFG • Leitung des Projekts: G. Dreyer • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: F. Barthel, S. Beilner, C. Benavente Vicente, A. Blöbaum, J. Bock, K. Butt, A. Effland, U. Effland, U. Fauerbach, Th. Gertzen, R. Hartmann, U. Hartung, A. Hohlbein, Shih-Wei Hsu, A. Kohse, I. Köhler, H. Köpp, E.-S. Lincke, S. Lösch,V. Müller, A. Pokorny, D. Schulz, P. Windszus, A. Zink • Abbildungsnachweis: DAI-KAI (Abb. 26–29). Abb. 28 Fragment eines Elfenbeingefäßes Abb. 29 Pfeilspitzen des Djer AA-2008/1 Beiheft 144 Jahresbericht 2007 des DAI Abb. 30 Dahschur, Residenznekropole des Alten Reiches. Blick auf die Gräber des Talfriedhofes von Nordwesten (Altes Reich, 2600–2200 v. Chr.) Dahschur, Residenznekropole des Alten Reiches Die Nekropole von Dahschur (ca. 30 km südlich von Kairo) wurde von König Snofru am Anfang der 4. Dynastie (um 2600 v. Chr.) als Residenzfriedhof inauguriert. Die Nekropole wurde fortan im Alten und Mittleren Reich über einen Zeitraum von ca. 1000 Jahren mit Pyramiden und Beamtengräbern belegt. Im Tal östlich der Roten Pyramide konnte die 2002 begonnene Untersuchung eines für die Bewohner der nördlichen Pyramidenstadt des Königs Snofru angelegten Friedhofes fortgesetzt werden. Der Schwerpunkt der Tätigkeiten lag wie schon im Vorjahr auf der Ausgrabung der Schächte bereits freigelegter Oberbauten (Abb. 30). Hierbei wurde entschieden, die Schächte von drei großen Mastabas vollständig auszugraben, um sich einen Eindruck von der Art der Gesamtbelegung der Gräber durch größere Familienkollektive zu verschaffen. Insgesamt stellte sich heraus, dass es sich bei den im Süden gelegenen Schächten erwartungsgemäß um die Hauptbestattungen handelt, während den untergeordneten Bestattungen die weiter nördlich gelegenen Schächte vorbehalten waren. Die hierarchische Strukturierung zeigt sich sowohl durch die Tiefe der Schächte wie durch das Alter und Geschlecht der Bestattungen. 31 Dahschur, Residenznekropole des Alten Reiches Abb. 31 Sarg des Hekenu-Ba Abb. 32 Arbeit in einer Grabkammer der 12. Dynastie (um 1900 v. Chr.) 32 AA-2008/1 Beiheft Abteilung Kairo 145 Abb. 33 Dahschur, Residenznekropole des Alten Reiches. Hölzerner Kanopendeckel aus einem Schacht der 12. Dynastie (M. 1 : 4) Das Verständnis der gesamten chronologischen Entwicklung des Friedhofes konnte anhand von Detailuntersuchungen der Grabarchitektur und durch die Analyse der Keramik wesentlich verbessert werden. Es zeigte sich, dass die frühesten Schächte in dem freigelegten Friedhofsabschnitt bereits in die frühe 4. Dynastie (um 2600 v. Chr.) datieren. Spätere Gräber und Schächte, welche die älteren Mastabas sogar teilweise ab- und überbauten, wurden bis in die 6. Dynastie (2300–2200 v. Chr.) hinein errichtet. In der ungestörten Grabkammer eines der späteren Gräber wurde ein bemalter Holzsarg eines Priesters namens Hekenu-Ba gefunden (Abb. 31). Im Talfriedhof war die magnetometrische Prospektion insbesondere nach Westen fortzusetzen. Hierbei wurden westlich der Pyramide Amenemhets II. mehrere quadratische Schächte des Mittleren Reiches entdeckt, von denen drei näher untersucht werden konnten. Alle enthielten geplünderte Bestattungen der fortgeschrittenen 12. Dynastie (um 1900 v. Chr.). Eine Grabkammer wurde vollständig ausgegraben (Abb. 32). Sie wies Fragmente der ursprünglichen Grabausstattung auf, u. a. den hölzernen Verschluss eines Kanopengefäßes (Abb. 33), Modellwaffen und -stäbe aus Holz, Reste eines stuckierten Sarges sowie zahlreiche Modellgefäße. Abb. 34 Dahschur, Residenznekropole des Alten Reiches. Kalkstein-Opfertisch aus einem Grab der 13. Dynastie (um 1800 v. Chr.) Im Anschluss an die im letzten Jahr durchgeführte Geländebegehung wurde eine Probeausgrabung in Dahschur-Süd vorgenommen. Die Freilegung eines der exponiert auf natürlichen Hügeln gelegenen Elitegräber der 13. Dynastie (um 1800 v. Chr.) konnte begonnen werden. Ein zu dem imposanten Grabschacht gehöriger Oberbau war nicht mehr nachzuweisen. Es wurde aber ein mit Namen und Titeln beschrifteter und dekorierter Opfertisch aus Kalkstein gefunden (Abb. 34), der zur Ausstattung des Oberbaus gehört haben muss. Kooperationspartner: Freie Universität Berlin (Projektträger) • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: S. J. Seidlmayer; Grabungsleitung: N. Alexanian, R. Schiestl (Gräber der 13. Dynastie) • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: J. Auenmüller, H. Becker (München), L. Borrmann, R. Döhl, T. Gutmann, A. Langer, M. Lehmann, A. Nerlich (Technische Universität München) • Abbildungsnachweis: Freie Universität Berlin (Abb. 30–34). AA-2008/1 Beiheft 146 Jahresbericht 2007 des DAI Saqqara In Saqqara, der Nekropole der alten Hauptstadt Memphis, galten die Arbeiten weiter dem Grab des Ninetjer, des 3. Königs der 2. Dynastie (um 2700 v. Chr.). Mit der Untersuchung dieses Grabes soll die Kenntnislücke in der Entwicklung der Königsgräber zwischen der 1. und 3. Dynastie geschlossen werden. Hauptziele der Kampagne waren die Vervollständigung des Gesamtplans der Oberflächenstrukturen im Konzessionsbereich und die Aufnahme von Baudetails in den unterirdischen Galerien des Ninetjer. Außerdem wurden die Aufnahme der Funde sowie die Bergung der Nachbestattung des Neuen Reiches in Kammer H 202 fortgesetzt. Für den Gesamtplan wurden Vermessungen im östlichen Abschnitt des Grabungsbereiches und seiner Umgebung bis zu den Bootsgruben des Unas vorgenommen. Mit Fixpunkten des Saqqara-Messnetzes des Antikendienstes wird Abb. 35 Saqqara, Grab des Königs Ninetjer. 2. Dynastie (um 2700 v. Chr.), Plan mit neuen Kammern AA-2008/1 Beiheft Abteilung Kairo 147 36 37 Saqqara, Grab des Königs Ninetjer. 2. Dynastie (um 2700 v. Chr.) Abb. 36 Wandmulde Abb. 37 Wandknubben sich der Plan mit den Aufnahmen der holländischen Mission im Süden und der Grabung des Louvre im Osten verbinden lassen. Bei der Auswertung alter Aufnahmepläne P. Munros von Grabschächten nördlich des Unas-Aufweges, ergaben sich Anhaltspunkte dafür, dass sich noch weitere Galerien des Ninetjer zu beiden Seiten der von der Mastaba des NebKau-Hor überbauten Zugangspassage befinden, wie es sie in ähnlicher Lage auch beim Grab des Raneb/(Hetepsechemui?) gibt (Abb. 35). Zwei Schächte scheinen auf solche Galerien zu führen bzw. sie zu durchschneiden. Aus einem davon stammt ein Weinkrug der 2. Dynastie, der zufällig im Magazin des Antikendienstes entdeckt wurde. Im Grab wurden in den Korridoren und Kammern Spuren der Steinbearbeitung, Verputzreste und sonstige Details aufgenommen. Bei der Anlage des Grabes folgten die Steinmetze wahrscheinlich einer ca. 40 cm starken, weicheren taffl-Tonschicht für das Deckenniveau. Unregelmäßigkeiten dieser tafflSchicht führten insbesondere in den östlichen Kammern zu Niveaudifferenzen von bis zu 1 m. Der Vortrieb der Gänge und Kammern erfolgte unterhalb des Deckenniveaus zunächst nur mit ca. 0,80–1 m Höhe. Etwa 15 cm unterhalb der Decke finden sich insgesamt 122 kleine Mulden von ca. 20 cm Durchmesser und 10–12 cm Tiefe (Abb. 36), die zum Teil mit taffl-Mörtel ausgefüllt sind. Wahrscheinlich handelt es sich dabei um Markierungen der Steinmetze für Richtungswechsel bzw. auf der gegenüberliegenden Seite auszuhauende Gänge und Kammern, die während des Vortriebs angebracht wurden. Später sind sie wohl durchweg wieder verdeckt worden. Noch rätselhaft ist die Funktion der besonders im Südabschnitt des Grabes auftretenden runden Wandknubben, die man bei der Bearbeitung der Wände offenbar absichtlich stehen ließ. Insgesamt wurden 75 dieser flachen oder buckelartigen Knubben von ca. 10–25 cm Durchmesser festgestellt. Die meisten befinden sich 0,80–1 m über dem Boden, einige aber auch in ca. 1,50 m bzw. nur 0,20 m Höhe. Sie kommen sowohl einzeln als auch mehrfach (2–3) an einer Wand oder einander gegenüberliegenden Wänden vor (Abb. 37). Die Wände sind im Allgemeinen unverputzt geblieben, lediglich zum Ausgleich von Ausbrüchen im Gestein, der Korrektur von Steinmetzfehlern und der Konturierung von Mauerecken oder Vorlagen wurde stellenweise taffl-Verputz aufgebracht. Von der gestörten Nachbestattung des Neuen Reiches in Kammer H 202 (Abb. 38 a) konnten der farbig bemalte und beschriftete Kanopenkasten und der gleichfalls dekorierte Sargdeckel (Abb. 38 b) geborgen werden. In dem Abb. 38 a. b Saqqara, Grab des Königs Ninetjer. 2. Dynastie (um 2700 v. Chr.); a: Kanopenkasten und Sarg des Neuen Reiches in Kammer H 202; b: Detail des Sargdeckels 38 a AA-2008/1 Beiheft 38 b 148 Jahresbericht 2007 des DAI Kanopenkasten fanden sich Fragmente von wenigstens drei mit Gips überzogenen und bemalten Holzkanopen, in der 2,54 m langen und 0,79 m breiten Sargwanne befinden sich noch durchwühlte Skelettreste und Mumienbinden. Nach Ausweis der Inschriften hieß der Bestattete Nen-semech-tuef (»Er wird nicht vergessen werden«). Bei der Bearbeitung der Funde der 2. Dynastie wurden u. a. Fragmente von großen Tellern bzw. Schalen aus Alabaster mit einem Durchmesser von 30– 45 cm und einige von Tellern aus Kalkstein mit einem Durchmesser von 23– 25 cm zusammengesetzt. Außerdem wurde die Dokumentation der Fragmente von Steingefäßen mit Ritz- bzw. Tintenaufschriften und der ca. 240 zumeist kleinen Verschlüsse mit Siegelabrollungen weitergeführt, die mit Ausnahme einiger Privatsiegel neben dem Königsnamen den Palast des harpunierenden Horus von Buto nennen. Erfasst wurden auch die 77 Verschlüsse, die bereits während der Grabung von P. Munro geborgen worden waren (Abb. 39). Davon sind 62 aus taffl, darunter 33 große konische Verschlüsse von Weinkrügen. Die Aufnahme des umfangreichen Fundmaterials von Nachbestattungen des Neuen Reiches und der Spätzeit wurde mit der Vervollständigung der Inventarisierung der Sargfragmente und der Kleinfunde fortgesetzt. In der hieratischen Tintenaufschrift eines der großen Pithoi, die im vergangenen Frühjahr in der Nähe von zwei Särgen des Neuen Reiches in dem Oberflächenschnitt TOW-V gefunden worden waren, ließ sich ein »Standartenträger der königlichen Garnisonstruppen Pentaweret« identifizieren. Es ist allerdings nicht ganz sicher, ob die Keramikdeponierungen zu einem der beiden Särge oder einer außerhalb des Schnittes liegenden Bestattung gehören. Kooperationspartner: P. Munro (Freie Universität Berlin/Technische Universität Hannover) • Leitung des Projekts: G. Dreyer • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: C. Lacher, S. Boos, Chr. Huyeng, Th. Krautter, E. Peintner, A. Rifaat Isa, M. Ali Ibrahim, I. Regulski, P. Windszus • Abbildungsnachweis: DAI-KAI (Abb. 35–39). Abb. 39 Saqqara, Grab des Königs Ninetjer. 2. Dynastie (um 2700 v. Chr.), Gefäßverschluss mit Siegelabrollung des Ninetjer (M. 1 : 2) Buto,Tell el-Fara‘in Die Erkundung der über 5000jährigen – von der prädynastischen bis in spätrömische Zeit reichenden – Geschichte des etwa 1 km2 großen, im nordwestlichen Nildelta gelegenen Siedlungshügels von Tell el-Fara‘in umfasst Ausgrabungen und einen breit angelegten Survey, bei dem durch die Kombination von Magnetometermessungen und Bohrungen Informationen zur Siedlungsund Landschaftsentwicklung gesammelt werden. Bei den diesjährigen Arbeiten im Nordwesten Butos erwiesen sich drei der großen, bei früheren Magnetometermessungen festgestellten rechteckigen Strukturen als mit breiten Rahmenmauern ausgesteifte Gruben, die bis zu 3 m unter die heutige Oberfläche eingetieft sind und ursprünglich mit reinem Sand verfüllt waren (Anlage 1–3, Abb. 40). Da die Böden dieser Anlagen wegen eindringenden Grundwassers noch nicht erreicht werden konnten, lässt sich bisher nur vermuten, dass es sich um Gräber handelt, die aus der Saitenzeit (26. Dynastie, 7./6. Jh. v. Chr.) stammen. Die Bauten sind unmittelbar in Schichten des Alten Reiches (2. Hälfte des 3. Jts. v. Chr.) eingetieft, allerdings ergeben die bisher freigelegten Mauerreste aus dieser Zeit noch kein zusammenhängendes Bild. Bei einer vierten großen Anlage im Süden des Grabungsareals (Anlage 4, Abb. 40) handelt es sich dagegen um ein für die Spätzeit typisches, in mehrere Kammern unterteiltes Gebäudefundament. Durch dessen nördliche Rahmenmauer wird eine kleinere Anlage gestört, die ursprünglich wohl aus mehreren Kammern bestand und nach der vergesellschafteten Keramik in die 3. Zwischenzeit (spätes 8. Jh. v. Chr.) zu datieren ist. AA-2008/1 Beiheft Abteilung Kairo 149 Abb. 40 Buto, Tell el-Fara‘in. Schematischer Plan der Grabungen im Nordwesten Butos (M. 1 : 500) AA-2008/1 Beiheft In der unmittelbar nördlich des saitischen Gebäudefundaments gelegenen Kammer dieser Anlage (Grab J2/89, Abb. 40) kam unter einer Sandfüllung und einer Muschelschüttung ein anthropomorpher Granitsarkophag mit einer ungestörten männlichen Bestattung zutage (Abb. 41). Der Sarkophag ist stilistisch in die Ramessidenzeit zu datieren und gehörte einem Paraemhab, er war aber offensichtlich für die aktuelle Bestattung usurpiert worden – Füße und eine Schulter des Sarkophags sind abgebrochen und ein weißer Farbüberzug sollte Darstellungen und Inschriften des ursprünglichen Besitzers symbolisch löschen (Abb. 42). Da die Bestattung unter dem Grundwasserspiegel lag, konnte sie nur mit Schwierigkeiten geborgen werden und hatte zudem durch Feuchtigkeit und Bodensalze beträchtlich gelitten. Außer den Knochen waren keine organischen Materialien mehr erhalten und alle Metallobjekte fanden sich fast vollständig korrodiert. Lediglich als Verfärbung zeichnete sich noch ein innerer, 150 Jahresbericht 2007 des DAI 42 41 43 Buto, Tell el-Fara‘in Abb. 41 Elitebestattung der 3. Zwischenzeit in einem usurpierten Granitsarkophag Abb. 42 Sarkophagdeckel des Paraemhab Abb. 43 Armreif mit dem Namen des Iuput II. auf der Innenseite (M. 1 : 2) Abb. 44 Grab J2/67 mit Kalksteinsarkophag sowie – jenseits der durch die Bildmitte verlaufenden Mauer – die noch nicht ausgegrabene Kammer, in der der Granitsarkophag (s. Abb. 41) zutage kam 44 AA-2008/1 Beiheft Abteilung Kairo 151 Abb. 45 Buto, Tell el-Fara‘in. Amulette aus vergoldetem Silberblech aus Grab J2/67 (M. 1 : 2) ehemals wohl mit Blattgold und farbiger Bemalung geschmückter Holzsarg ab. Auf der Innenseite der kunstvoll gearbeiteten Armreife des Toten (Abb. 43) kamen bei einer ersten Reinigung die fein gravierten Namen des Iuput II. zutage, eines Lokalfürsten der 23. Dynastie (Regierungszeit ca. 754–720 v. Chr.), der bisher nur von wenigen Denkmälern bekannt ist. Da die Grabkammer wegen des hohen Grundwasserspiegels noch nicht vollständig ausgegraben werden konnte, ist noch nicht mit Sicherheit zu sagen, ob es sich wirklich um Iuput selbst handelt. Der Schmuck könnte z. B. auch ein Geschenk an einen hohen Beamten oder ein Familienmitglied gewesen sein. Dennoch wirft schon die Auffindung des Namens in Buto ein Schlaglicht auf die noch wenig bekannten politischen Verhältnisse im westlichen Nildelta der 3. Zwischenzeit, bestätigt die nach der Keramiksequenz vorgenommene Datierung der Anlage und unterstreicht zudem die besondere Bedeutung dieses Platzes, bei dem es sich nach verschiedenen anderen Hinweisen um den seit der Frühzeit aus schriftlichen Quellen bekannten Heiligen Bezirk von Buto handeln könnte. Eine weitere reich ausgestattete Bestattung in einem Kalksteinsarkophag mit Gesichtsdarstellung kam unmittelbar südlich der Rahmenmauer zutage (Grab J2/67, Abb. 40; Abb. 44. 45). Obwohl sich in diesem Fall keine Hinweise auf die Datierung des Grabes ergaben, lassen die ähnliche Ausstattung, die gleiche Orientierung und die ebenfalls vorhandene Muschelschüttung über dem Sarkophag vermuten, dass es ursprünglich zur gleichen Grabanlage gehörte, jedoch durch das saitische Gebäude überbaut wurde. Eine weitere Kammer der Anlage schließt sich im Norden an und soll im kommenden Jahr näher untersucht werden. Kooperationspartner: Universität Poitiers (P. Ballet) • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: U. Hartung • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: J. Bock, J. Bourriau, E. Dedden, P. French, R. Hartmann, G. Heindl, T. Herbich, K. Kindermann, P. Kopp, W. Kreibig, S. Laemmel, M. Ordutowski, S. Pietrzak, H. Riemer, A. Sturm, P. Windszus • Abbildungsnachweis: DAIKAI (Abb. 41–45). Abu Mina/Kom al-‘Asayla (Philoxenite) Wegen der vom ägyptischen Antikendienst verlangten dreijährigen Unterbrechung der Grabungen in Abu Mina wurden die Arbeiten in diesem Frühjahr vorübergehend auf einen der Außenbezirke von Abu Mina im Gebiet des heutigen Beduinendorfes Bahig verlegt, wo Reste einer kleinen, nahe am MaryutSee gelegenen spätantiken Siedlung die Lage des Anlandehafens für die Pilger der Menasstadt vermuten lassen. Der Ort wird in antiken Quellentexten mehrfach erwähnt und führte die Bezeichnung Philoxenite; heute heißt er Kom Zawiyat al-‘Asayla. Gegraben wurde an einer Stelle, wo einige aus dem Boden herausschauende Piedestale die Existenz einer Kirche vermuten ließen, was sich beim Fortgang der Grabung auch bestätigte. Gefunden wurde eine kleine provinzielle Dorfkirche mit Contra-Apsiden, bei der zwei Bauphasen zu unterscheiden sind (Abb. 46). Der Ursprungsbau ist nach dem keramischen Befund in die 2. Hälfte des 5. Jhs. n. Chr. zu datieren. Die Ostapsis hat sich nicht erhalten, da der gesamte östliche Teil der Kirche bei Einsturz einer älteren, dem Bau der Kirche vorausgehenden unterirdischen Zisterne mit in die Tiefe gerissen wurde. Umso reichhaltiger ist der im Westen auf uns gekommene Bestand. Hier befand sich ursprünglich der westliche Haupteingang der Kirche, der zunächst in einen L-förmig sich auf der Süd- und Westseite um die Westapsis (Abb. 47) legenden Narthex führte, während auf der Nordseite der Apsis der Treppenaufgang für die Empore untergebracht war. Hierbei handelt es sich um AA-2008/1 Beiheft 152 Jahresbericht 2007 des DAI 46 eine Treppe, die gegen den Uhrzeigersinn um einen mittleren rechteckigen Pfeiler herumgeführt und ursprünglich direkt aus dem Narthex zu betreten war. Gleichzeitig bestand auch ein unmittelbarer Zugang aus dem Naos. Der Naos selbst war dreischiffig gegliedert. Die Stützenstellung bestand in der ersten Bauphase aus einer abwechselnden Folge von schweren oblongen Pfeilern und aus Hausteinmaterial aufgemauerten Säulen. In einer zweiten Bauphase, die in das 6. Jh. n. Chr. zu datieren ist, wurde vor dem Westeingang ein Baptisterium angefügt (Abb. 48) und das Bodenniveau im Naos drastisch um ca. 0,65 m heraufgesetzt. Gleichzeitig wurden die Stützenfolgen zu beiden Seiten des Naos-Mittelschiffs erneuert und durch durchgehende Säulenreihen ersetzt. Bei den Säulen selbst handelt es sich um 47 Abu Mina/Kom al-‘Asayla (Philoxenite), Kirche von Kom al-‘Asayla Abb. 46 Bauphasen A und B (M. 1 : 250) Abb. 47 Westapsis Abb. 48 Baptisterium 48 AA-2008/1 Beiheft Abteilung Kairo 153 sehr unterschiedliche Stücke, die sämtlich als Spolien von aufgegebenen älteren Bauten übernommen wurden. Bemerkenswert ist das in der 2. Phase angefügte Baptisterium. Es handelt sich um einen kleinen hufeisenförmigen Fastrundraum, der in der Mitte mit einem außerordentlich kleinen Taufbecken versehen war. Letzteres hat einen Durchmesser von 0,65 m und besaß einen geringfügig erhöhten Rand, ab dessen Oberkante die Tiefe des Beckens 0,40 m betrug. Eine Vollimmersion von erwachsenen Neophyten war bei diesen Maßen nicht durchführbar. Gleichwohl ist dieses Becken wie üblich mit einem Abflussrohr zu einer unterirdischen Sickergrube versehen, was den Zweck hat, eine Verunreinigung des geweihten Taufwassers zu vermeiden. An der Bestimmung dieses Beckens als Taufbecken kann daher kein Zweifel bestehen. Kooperationspartner: Christlich-Archäologisches Seminar der Universität Bonn • Leitung des Projekts: P. Grossmann • Mitarbeiter: J. Ko°ciuk • Abbildungsnachweis: P. Grossmann (Abb. 46–48). Oase Siwa, Ammoneion Die Grabungen am Ammoneion in der Oase Siwa wurden 1993/94 aufgenommen. Sie beinhalten die Erforschung der Archäologie, der Kultpraxis und des politischen Raumes einer der berühmtesten Orakelstätten der Antike, an der u. a. Alexander der Große seine Legitimierung als rechtmäßiger König Ägyptens empfing. Neben denkmalpflegerischen Maßnahmen zum Erhalt des absturzgefährdeten Orakeltempels liegt das Schwergewicht der Ausgrabungen auf der Akropolis von Agh´rm¥ sowie im Bereich des rund vierhundert Meter weiter südlich gelegenen Amun-/Totentempels (eines Oasenkönigs) von Umm UbaydŒ. Sondagen in dem Bereich zwischen diesen beiden Stätten sollen Aufschluss über den sie verbindenden heiligen Prozessionsweg (dromos) und seine Nebenanlagen erbringen. Schwerpunkt der diesjährigen Frühjahrskampagne am Ammoneion in der Oase Siwa war die Bergung der dekorierten Architekturtrümmer (Abb. 49) des noch Ende des 19. Jhs. als Steinbruch genutzten Umm UbaydŒ-Tempels (30. Dynastie) und deren Verbringung in das Grabungsmagazin, wo sie vor weiterem Vandalismus geschützt und einer Bearbeitung sowie konservatorischen Behandlung unterzogen werden können. Es handelt sich dabei um Kalksteinund Alabaster-Monolithen von z. T. beträchtlichem Ausmaß und Gewicht (bis zu 7 m lang; 2,5–10 t schwer). Sie bildeten ursprünglich Teile der Fassade, der Abb. 49 Oase Siwa, Grabungsarbeiter bergen einen dekorierten Alabasterblock AA-2008/1 Beiheft 154 Jahresbericht 2007 des DAI Abb. 50 Oase Siwa, Fassade und Teile des Tempelhauses von Umm Ubaydā 1820 (von Norden) Querwände und Deckenkonstruktion des oberirdischen Bauwerks sowie der unterirdischen Bestattungsanlage des Ammonier-Königs Wenamun. Auch die Grabungstätigkeit blieb auf den Bereich von Umm UbaydŒ beschränkt. Dabei ging es um eine Klärung der Frage, ob sich näherer Aufschluss zur recht ungewöhnlichen Gestalt des Eingangsbereiches des Tempelhauses und zum Verlauf der Umfassungsmauer gewinnen lässt. Tatsächlich ließen sich noch die untersten drei, aus großen Blöcken gefügten und auf einem Stylobat kleinerer Blöcke ruhenden Lagen der FassadenFundamentierung nachweisen, die in einen östlichen und westlichen Streifen geteilt ist. Einen Pronaos, wie ihn die Eingangstür mit durchbrochenem Sturz auf den ersten Blick nahelegt (Abb. 50), kann das Heiligtum nicht aufgewiesen haben. Der hervorragend gearbeitete Reliefschmuck (Abb. 51) rechts und links der Tür umfasste zwei (nachweisbare) Register, wobei das obere wenigstens auf Höhe der Oberkante der Türenhohlkehle abschloss, so dass hier nicht wie auf Agh´rm¥ eine niedere Pronaosmauer der etwas zurückversetzten Tempel- Abb. 51 Oase Siwa, der Ammonier-König Wenamun (mit Straußenfeder-Diadem) opfert vor dem criocephalen Amun/Ammon und der Göttin Mut/Hera. Von der Ostseite des Eingangs (vgl. Abb. 50) AA-2008/1 Beiheft Abteilung Kairo 155 hausfassade vorgelegt war. Angesichts der Tatsache, dass das Tempelhaus von Umm UbaydŒ breitenmäßig – gewiß nicht rein zufällig – in den Amasis-zeitlichen (6. Jh. v. Chr.) Orakeltempel auf Agh´rm¥ passt, sollte das weit prächtiger geschmückte und in einer erheblich weitläufigeren Anlage errichtete Heiligtum der 30. Dynastie den Orakeltempel in den äußeren Dimensionen wohl nicht übertreffen, womit hier (wie, aus anderen Gründen, schon dort) eine echte Pronaosarchitektur ausgeschlossen blieb. Es stellt sich die Frage, ob auf den ›ehrwürdigen‹ Orakeltempel nicht vielleicht auch hinsichtlich der beiden markantesten Fassadenelemente Rücksicht genommen worden sein könnte: die Tür mit durchbrochenem Sturz vor dem Tor in das Tempelhaus. Bei Deckenbalken von rund 7 m Länge sowie z. T. 1,28 m und 1,06 m Querschnittsmaß erscheint es völlig im Bereich des Möglichen, dass ähnlich dimensionierte und in die Seitenwände eingebundene Monolithen die ›Pronaos‹-Tür überspannten und als Türsturz ausgearbeitet gewesen sein könnten; darüber und dazwischen aufgehendes Mauerwerk bildeten Fassade und monumentales, ›hinter‹ dem ›Pronaos‹ liegendes Eingangstor des Tempelhauses. Der Verlauf der Umfassungsmauer südlich des Tempels ließ sich durch den Fund einer mutmaßlichen (beraubten) Gründungsgrube unter der ehemaligen Südostecke wahrscheinlich machen. Zwei Grabungsflächen deckten planierten Fels mit einer abgetieften Kante auf, deren Verlauf mit dem annehmbaren Verlauf der Umfassungsmauer korrespondiert. In der mutmaßlichen Südostecke springt eine kleine rechteckige Felsfläche aus der Flucht vor und enthält dort eine auf ca. eine halbe Elle (27 cm) bemessene quadratische Vertiefung mit einer kleineren Ausnehmung auf dem Boden, worin man ursprünglich eine Votivgabe annehmen darf. Die Bearbeitung der in den vergangenen Kampagnen auf Agh´rm¥ gefundenen griechischen Votivstelen von Seiten der Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik des DAI, erbrachte interessante neue Aufschlüsse über das Pantheon und die Verwaltungsorganisation des Ammoneion in hellenistischer Zeit. Kooperationspartner: Supreme Council of Antiquities • Leitung des Projekts: K. P. Kuhlmann • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: B. Böhm, A.-C. Escher, B. Fleischmann, S. Jansen, A. al-Tayyib, M. al-Tayyib sowie zeitweilig Ch. Schuler (AEK) • Abbildungsnachweis: DAI-KAI (Abb. 49. 51); DAI-KAI, nach H. Freiherr von Minutoli, Reise zum Tempel des Jupiter Ammon (1824) Taf. 7,1 (Abb. 50). Maadi, Sinai Im Rahmen des interdisziplinären Projekts zur Kupferversorgung Ägyptens im 4. Jt. v. Chr. in Kooperation mit der Orient-Abteilung (s. auch S. 250–252) sowie dem Deutschen Bergbau-Museum wurden in der prädynastischen Siedlung von Maadi Magnetometermessungen und Bohrungen durchgeführt, um mögliche Werkplätze einer vermuteten Kupferverhüttung bzw. -verarbeitung in der Siedlung zu lokalisieren. Die Arbeiten führten allerdings nicht zum gewünschten Erfolg, da oberflächlich nicht sichtbare Metallteile, offensichtlich Überbleibsel der modernen Nutzung des Platzes als Militärlager und Sendestation, die Untersuchungsergebnisse stark beeinträchtigten. Als weiterer Teil des Projekts fand eine Exkursion zu Kupferlagerstätten und Verhüttungsplätzen auf dem westlichen und südlichen Sinai statt, bei der verschiedene geologische und archäologische Fundorte besucht und Erz- und Schlackeproben gesammelt wurden. Die Proben wurden anschließend von einem ägyptischen Geologen während eines Forschungsaufenthalts am Bergbaumuseum Bochum chemisch, mineralogisch und bleiisotopisch untersucht. Die AA-2008/1 Beiheft 156 Jahresbericht 2007 des DAI Untersuchungsergebnisse ergänzen eine bereits für das Wadi Arabah (Timna/ Feinan in Israel bzw. Jordanien) und für Kupferlagerstätten im nordwestlichen Saudi-Arabien bestehende Datenbank, mit der archäologische Kupferobjekte verglichen und Angaben zu deren Herkunft gewonnen werden können. Im kommenden Jahr sollen weitere Kupfervorkommen im östlichen Sinai erkundet und die Untersuchungen auch auf die ägyptische Ostwüste ausgedehnt werden. Kooperationspartner: DAI, Orient-Abteilung (R. Eichmann, K. Pfeiffer); Deutsches Bergbaumuseum Bochum (A. Hauptmann); University of Cairo, Faculty of Science, Department of Geology (M. el-Aref, A. Abdelmotelib, A. El-Manawi) • Leitung des Projekts auf ägyptischer Seite: U. Hartung • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: A. Buszek, A.-C. Escher, R. Hartmann, S. Pietrzak. Wissenschaftliche Veranstaltungen und Öffentlichkeitsarbeit An den Veranstaltungen der »Langen Nacht der Wissenschaften« am 9. Juni in der Zentrale des DAI beteiligte sich die Abteilung mit einem Vortrag von Dietrich Raue über die Grabungen auf Elephantine (s. hier S. 130–132). Auf den Grabungen des Instituts, im Ägyptischen Museum Kairo und an verschiedenen antiken Stätten wurden zahlreiche Gruppen, Sponsoren und Einzelbesucher geführt, u. a. vom 20. bis 23. März Berthold Leibinger und Dieter Fritsch vom Board der German University Cairo (Giza, Museum, Alexandria, Alt Kairo), vom 27. bis 31. März Vizepräsident Herbert Matis und Mitglieder der Österreichischen Akademie der Wissenschaften/Wien (Elephantine, Dra‘ Abu el-Naga, Abydos), am 11. April Botschafter Horst Freitag, Beauftragter für Nah- und Mittelostpolitik des Auswärtigen Amts (Giza), am 8. Dezember eine Delegation der Bundestagsfraktion der Grünen mit Fritz Kuhn, Jerzy Montag sowie dem Referenten für Nahostfragen des Auswärtigen Amts René Wildangel (Giza), am 10. November Ministerialdirigent Klaus Luther vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und Vertreter des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (Museum) und am 17. November Staatssekretär Georg Boomgarden vom Auswärtigen Amt (Giza). Günter Dreyer, Ulrike Fauerbach, Daniel Polz und Dietrich Raue gaben Rundfunk und Presse zahlreiche Interviews und betreuten verschiedene internationale Fernsehteams. Veröffentlichungen Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Abteilung Kairo 62, 2006 Sonderschrift des Deutschen Archäologischen Instituts, Abteilung Kairo 31: D. Polz, Der Beginn des Neuen Reiches. Zur Vorgeschichte einer Zeitenwende Festschriften zur 100-Jahrfeier der Abteilung Kairo G. Dreyer – D. Polz (Hrsg.), Begegnung mit der Vergangenheit. 100 Jahre in Ägypten. Deutsches Archäologisches Institut Kairo 1907–2007 W. Mayer – Ph. Speiser, Der Vergangenheit eine Zukunft. Denkmalpflege in der Altstadt von Kairo 1973–2004 (Deutsch/Englisch) AA-2008/1 Beiheft Abteilung Kairo 157 D. Polz (Hrsg.), Für die Ewigkeit geschaffen. Die Särge des Imeni und der Geheset Katalog zur Sonderausstellung im Ägyptischen Museum: U. Rummel (Hrsg.), Begegnung mit der Vergangenheit. 100 Jahre in Ägypten. Deutsches Archäologisches Institut Kairo 1907–2007 (Deutsch/Englisch/ Arabisch) AA-2008/1 Beiheft Abteilung Istanbul Abteilung Istanbul Gümüşsuyu/Ayazpaşa Camii Sok. 46 TR-34437 İstanbul Tel.: +90-(0)212-252 34 90, 244 07 14 Fax: +90-(0)212-252 34 91, 251 37 21 E-Mail: [email protected] Direktoren PD Dr. Felix Pirson, Erster Direktor Dr.-Ing. Martin Bachmann, Wissenschaftlicher Direktor Wissenschaftliche Mitarbeiter Dr. Philipp Niewöhner, Dr. Richard Posamentir, PD Dr. Andreas Schachner, Dr. Jürgen Seeher Auslandsstipendiatin Dr. Beate Böhlendorf-Arslan (ab 1. 3.) Fortbildungsstipendiatin Dr. Soi Agelidis (ab 1. 12.) Wissenschaftliche Hilfskräfte Işıl Işıklıkaya M. A., Ute Kelp M. A., Torsten Zimmer M. A. Aus Drittmitteln finanzierte Stellen Dr. Güler Ateş (DFG, ab 1. 4.), Dr. Ulrich Mania (DFG), Dipl.-Ing. Corinna Brückener (DFG, 1. 11.), Dr. Ulf-Dietrich Schoop (DFG, bis 31. 8.) Abteilung Istanbul 161 Ausgrabungen und Forschungen Göbekli Tepe, südwestliche Hangkuppe Abb. 1 Das Relief auf der Rückseite des Pfeilerschafts zeigt eine Person in Frontalansicht. Die Arme erscheinen schräg und steif vom Körper abgespreizt, auch die etwa bis zum Kniebereich sichtbaren Beine sind in breitbeinig starrer Haltung wiedergegeben Abb. 2 Auf der linken Schaftseite des zerstörten Pfeilers ist die Armbeuge, die mit eingravierten Linien angegeben wurde, erkennbar. Am Oberarm befindet sich ein bandförmiger Fortsatz, der in dieser Art bislang nicht beobachtet wurde und der nicht gedeutet werden kann 1 AA-2008/1 Beiheft Göbekli Tepe Das frühneolithische Bergheiligtum von Göbekli Tepe liegt in der Südosttürkei, ca. 15 km nordöstlich der Stadt Urfa. Während der 13. Kampagne wurde erstmals die südwestliche Hügelkuppe des Ruinenhügels in die Arbeiten einbezogen. Der Hauptzweck der neuen Grabungsschnitte liegt darin abzuklären, ob die bisher festgestellte Schichtgliederung auch in diesem Hügelbereich ihre Gültigkeit besitzt. Als Schicht I waren die Hangfußsedimente bestimmt worden, die infolge von landwirtschaftlicher Nutzung und Erosion der Hügelkuppen mehrere Meter Mächtigkeit erreichen können. Als Schicht II wurden die rechteckigen Baubefunde bezeichnet, die in das 9. Jt. v. Chr. zu datieren sind. Sie überlagern die monumentalen Kreisanlagen der Schicht III (10. Jt.v. Chr.) mit bis zu 5 m hohen monolithischen T-Pfeilern, die mit einer Vielzahl verschiedenster Tierreliefs versehen sind. Auf der südwestlichen Hügelkuppe selbst und am Osthang wurden mehr oder weniger gut erhaltene T-Pfeiler der wesentlich kleineren Größe entdeckt, wie sie für Schicht II mit einer durchschnittlichen Höhe von 1,50 m charakteristisch sind. Auch sind die Pfeiler wie erwartet in rechteckige Raumstrukturen eingebunden. Zwei der entdeckten Pfeiler zeigen auf den Breitseiten der Pfeilerschäfte bandförmige Reliefs, die durch Vergleichsfunde als Arme zu identifizieren sind und uns die T-Pfeiler eindeutig als stilisierte Menschendarstellungen zu erkennen geben. Auf dem Westhang wurde eine ovale Baustruktur mit knapp 10 m Durchmesser und voraussichtlich 10 Pfeilern von der üblichen Höhe der Schicht II teilweise freigelegt. Zwar ist die seit 1998 bekannte Anlage B im Durchmesser kaum größer, doch erreichen die Pfeiler der Anlage B mit bis zu 4 m Höhe monumentale Dimensionen. Es handelt sich bei der neu entdeckten Anlage somit um eine in dieser Kombination – kleine T-Pfeiler in ovaler Anlage – neue Befundlage, deren Schichteinbindung und Datierung noch nicht festgelegt werden kann. Ein weiterer Sachverhalt vermehrt die Unterschiede zwischen der neu gefundenen ovalen Anlage und den Strukturen der Schicht II: Zwei der vier angetroffenen Pfeiler besitzen neben der Darstellung von Armen figürliche Reliefs, wie ein nicht näher bestimmbares vierfüßiges Tier. An einem zerbrochenen Pfeilerschaft konnte eine neue Variante der bereits mehrfach belegten ›Stola‹ beobachtet werden. Auf dessen Schaftrückseite ist eine Person in Frontalansicht abgebildet (Abb. 1). Ursprünglich über dieser Person positioniert war ein weiterer nur 10 cm langer Vierfüßler, wahrscheinlich ein Hund. Dies 2 162 Jahresbericht 2007 des DAI Abb. 3 Göbekli Tepe, nordwestliche Senke. Hier war im geomagnetischen Bild nur eine große Kreisanlage sichtbar. Mit Hilfe von Georadar wurden nun drei kleeblattförmig gruppierte Kreisanlagen sicher lokalisiert wäre eine bisher einmalige Darstellung von Mensch und Hund. Ein anderer Pfeiler, wiederum mit Armzeichnung (Abb. 2), zeigt im ›Brustbereich‹ ein schon mehrfach an dieser Stelle beobachtetes V-förmiges Motiv. Im alten Grabungsgebiet der Südsenke wurde ein bereits in den Vorjahren entdeckter Architekturbefund nordwestlich von Anlage D weiter untersucht, der einen rechteckigen, nach Südosten orientierten Raum mit zwei sich gegenüberstehenden Pfeilern beinhaltet, von denen einer die ›Stola‹ aufweist. Angesichts der schon bekannten Befundlage der Schicht II mit dem Löwenpfeilergebäude und einem sich südlich anschließenden weiteren ›Vierpfeilerraum‹ kann mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass auch das beschriebene Pfeilerpaar im Westen im bislang nicht geöffneten Nachbarareal eine ›Spiegelung‹ erfahren wird. Die in den Vorjahren unternommenen geophysikalischen Kartierungen konnten durch Detailuntersuchungen mit Georadar in der nordöstlichen und der südwestlichen Senke ergänzt und die Ergebnisse in wesentlichen Punkten erweitert werden (Abb. 3). Auch die 2005 begonnene 3D-Dokumentation der reliefierten Pfeiler mittels Laserscanning wurde in diesem Jahr fortgesetzt, ebenso die Untersuchung der Tierknochen. Als erwähnenswertestes Detailergebnis ist hier die Bestimmung eines weiteren Leopardenknochens anzuführen, denn Großkatzen erscheinen in der Archaeofauna von jungsteinzeitlichen Plätzen auffällig selten. Da insbesondere die Kreisanlagen der Schicht III, aber auch große Flächen der jüngeren Schicht II längst nicht vollständig ergraben sind, wird auch in Zukunft ein Schwerpunkt der Arbeiten in ihrer Freilegung liegen. Neben der Feldforschung wird derzeit damit begonnen, das Gelände des Göbekli Tepe als Archäologie-Park zu gestalten. Kooperationspartner: Museum in Şanlıurfa • Förderung: DFG; ArchaeNova e.V. Heidelberg • Leitung des Projekts: K. Schmidt (Orient-Abteilung) • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: A. Achterberg, C. Becker, T. Carter, L. Dietrich, O. Dietrich, R. Gerst, A. Grubert, Chr. Haas, Chr. Hübner, F. Jarecki, Ç. Köksal-Schmidt,T. Müller, A. Murgan, J. Notroff, J. Peters, M. Schaller, J. Schlichting, B. Seitz, M. Strubel, J.Thomalsky, A. von den Driesch, J.Wagner, F. Weigel; E.Yılmaz, N. Atalan (Vertreter der Generaldirektion für Altertümer in Ankara) • Abbildungsnachweis: K. Schmidt (Abb. 1–3). AA-2008/1 Beiheft Abteilung Istanbul 163 Abb. 4 Boğazköy-Expedition, Çamlıbel Tarlası von Westen. Die geringe Größe, die Höhe über dem Talgrund und die Lage in einiger Entfernung von der Hauptebene sind typisch für frühe Fundorte in Nordanatolien. Im Hintergrund ist Yerkapı zu sehen AA-2008/1 Beiheft Boğazköy-Expedition Traditionell verfolgt die Boğazköy-Expedition das Ziel, die kulturgeschichtliche Entwicklung der Siedlungskammer um die hethitische Hauptstadt ïattuša in Zentralanatolien in ihrer gesamten Tiefe zu erforschen. Dank des großzügigen Entgegenkommens der türkischen Antikenverwaltung war es möglich, diesem Ziel mit Ausgrabungen an dem etwa 1,5 km westlich der hethitischen Stadt gelegenen prähistorischen Siedlungsplatz Çamlıbel Tarlası neue Impulse zu verleihen. I. Çamlıbel Tarlası: Über die vorgeschichtlichen Epochen des Gebietes, das später zum Zentrum des hethitischen Reiches werden sollte, wissen wir bisher noch sehr wenig. Einiges deutet auf eine Kulturentwicklung hin, die sich von jener der umgebenden Gebiete sehr unterscheidet. Eine wichtige Rolle muss dabei das Vegetationskleid gespielt haben, denn die Region war damals stark bewaldet. Die großen offenen Flächen, die andernorts typisch sind, gibt es hier nicht. Noch fehlen uns aber weitgehend Informationen zur Chronologie, zur Wirtschaftsweise und zur antiken Umwelt. Aus diesem Grund wurde dieses Jahr als Teilprojekt der Boğazköy-Expedition des DAI ein neues Ausgrabungsprojekt begonnen, das die nähere Untersuchung eines Platzes annähernd aus der Zeit der Aufsiedlung des Gebietes zum Ziel hat. Was bewog die Menschen dazu, in dieses Waldgebiet einzudringen? Wie überlebten sie in der vergleichsweise schwierigen Umgebung? Der Fundplatz Çamlıbel Tarlası, etwa 2 km westlich von Boğazköy gelegen, wurde ausgewählt, weil er sehr typisch für diese Zeit und gleichzeitig der besterhaltene Fundplatz in der Umgebung der Hethiterhauptstadt zu sein schien. Es handelt sich um einen Weiler, der auf einem kleinen Plateau in einem Seitental der Budaközü-Ebene liegt (Abb. 4). Die Eigenschaften der Keramik deuten eine Datierung in das frühe 6. Jt. v. Chr. an, was Çamlıbel Tarlası zu einem Zeitgenossen von Çatalhöyük West und Hacılar im Süden 164 Jahresbericht 2007 des DAI der Türkei machen würde. Die Gewinnung erster früher Radiokarbondaten für das Gebiet, die chronologische Sicherheit bringen werden, ist eines der Projektziele. Die Ausgrabungen dieses Jahres haben gezeigt, dass es in Çamlıbel Tarlası zwei Siedlungsepisoden gab. Zwischen diesen lag ein längerer Zeitraum, innerhalb dessen der Platz verlassen war. Interessanterweise unterscheidet sich die Bauweise der beiden Siedlungsschichten, während andere Funde zeigen, dass die Menschen, die hier wohnten, der gleichen Tradition, vielleicht sogar der gleichen Gemeinschaft angehörten. Die Häuser der älteren Siedlungsschicht sind weitgehend quadratisch (ca. 5 m × 5 m). Die Grundmauern aus Lehm stehen direkt auf dem gewachsenen Boden. Bisher ist der erforschte Ausschnitt noch recht klein. Es scheint aber, als sei die Bebauung recht eng gewesen; mehrere Räume teilen sich sogar gemeinsame Wände. Auf den Fußböden wurden die Reste von großen Kuppelöfen nachgewiesen; unter den Böden lagen mehrere Kinderbestattungen in großen Keramikkrügen (s. AA 2008/1, 150). Die zerfallenen Reste des aufgehenden Mauerwerks deckten diese Befunde ab und haben offenbar für einige Zeit die Geländeoberfläche gebildet. Die folgenden Baureste weisen keinen Bezug zu den älteren auf. Als Erstes ist eine Terrassenmauer entlang der Hangkontur errichtet worden. Vor dieser lagen zwei lang gestreckte Gebäude (6 m × 7 m) mit Mauersockeln aus Stein (Abb. 5), eines von diesen ist verbrannt. Oberhalb der Terrassenmauer fand sich ein weiterer Bau mit einem Pflaster aus großen Steinplatten. Die Siedlung scheint zu dieser Zeit von einer Mauer umgeben gewesen zu sein, deren Verlauf noch weiter untersucht werden muss. Die Keramik beider Siedlungen ist sich recht ähnlich, nur in der jüngeren wurden Reste von ritzverzierten Gefäßen mit komplexen Rauten- und Hakenmotiven gefunden. Einige Scherben deuten Verbindungen in den Westen der Türkei an. Unter den Steinwerkzeugen ist eine Serie langer Silexklingen mit Kantenretusche und starkem ›Sichelglanz‹. Es scheint sich um nicht-lokale Erzeugnisse zu handeln, die Çamlıbel Tarlası durch Handel erreicht haben. Eine geringe Menge von Obsidianwerkzeugen muss ihren Weg aus Kappadokien, die Schale einer Kamm-Muschel sogar von der Mittelmeerküste, in das Landesinnere gefunden haben. Trotz der geringen Ausdehnung der Siedlung scheint Çamlıbel Tarlası recht gute Außenbeziehungen gepflegt zu haben, auch wenn die Objekte durch viele unterschiedliche Hände gegangen sein mögen. Außerdem trat eine Reihe von Objekten aus geschliffenem Stein zutage. Unerwartet war der Fund einer Reihe von Objekten aus Kupfer oder einer Legierung (Nadeln, Spitzen und Draht), aber noch erstaunlicher die Entdeckung durchaus umfangreicher Schlackereste. Der Ort ihrer Erzeugung ist noch nicht lokalisiert worden. In Hinblick auf eine Rekonstruktion der ökonomischen Rahmenbedingungen ist die Gewinnung umfangreicher Tierknochenreste wichtig. Als ein Glücksfall haben sich auch die günstigen Erhaltungsbedingungen für botanische Reste erwiesen, denn Untersuchungen zur prähistorischen Feldwirtschaft fehlen für dieses Gebiet bisher vollkommen. Die Ergebnisse der ersten Grabungskampagne in Çamlıbel Tarlası haben das Potential dieses Platzes klar erkennen lassen; er wird uns hoffentlich ein äußerst vielschichtiges Bild zu den ersten Phasen menschlicher Aktivitäten im Norden Anatoliens liefern. II. Boğazköy-ïattuša: Langfristiges Ziel der in der hethitischen Hauptstadt Boğazköy-ïattuša laufenden Arbeiten ist es, die einzelnen in der Stadt isoliert stehenden Ausgrabungsbereiche miteinander zu verknüpfen, um so einen Gesamteindruck der urbanen Struktur zu erreichen. Neben Ausgrabungen, die Abb. 5 Boğazköy-Expedition, Çamlıbel Tarlası. Im Vordergrund sind die gebogene Terrassenmauer und eines der großen Steingebäude der jüngeren Siedlungsepisode zu sehen. Im Hintergrund sind die Reste der älteren Lehmarchitektur sichtbar AA-2008/1 Beiheft Abteilung Istanbul 165 Abb. 6 Boğazköy-Hattuša, das Tal vor dem ˘ Felsmassiv von Sarıkale mit der zentralen Grabungsfläche Abb. 7 Boğazköy-Hattuša, Tal vor Sarıkale. ˘ Fragment einer hethitischen Tierfigurine (Ziege) mit roter Bemalung (M. 1 : 2) AA-2008/1 Beiheft sich wie in den Vorjahren auf das Tal westlich von Sarıkale konzentriert haben, unterstützen Surveys und geophysikalische Prospektionen dieses Ziel. Bei dem derzeitigen Stand der Arbeiten im Tal vor Sarıkale wird deutlich (Abb. 6), dass dieser Stadtbereich um ca. 1400 v. Chr. nicht nur grundlegend umgestaltet wurde, sondern auch seit dieser Zeit der Hang unterhalb des Felsens in eine umfassende Planung einbezogen war. Hangseitig wurden Reste monumentaler Architektur freigelegt, die zurzeit die Rekonstruktion einer großflächigen Terrassierung erlauben. In der Talsenke konnten nunmehr drei große, regelmäßige Gebäude nachgewiesen werden, die entlang rechtwinklig angelegter Gassen liegen. Die Gebäude weisen zahlreiche Erneuerungsphasen auf, die darauf zurückzuführen sind, dass ein Abwasserkanal unter einer der Gassen mehrfach geplatzt ist. Im Laufe der Lebensdauer der Gebäude, die aufgrund der Funde auf wenig mehr als ein Jahrhundert zu schätzen ist, ist diese Siedlungsfläche durch die andauernde Sedimentation um bis zu einen Meter angewachsen. In den eingeschwemmten Schichten wurden erneut mehrere bemerkenswerte Kleinfunde gemacht, die Rückschlüsse auf die Bedeutung des Areals zulassen (Abb. 7; s. AA 2008/1, 126–129). Eine vergleichsweise deutliche Veränderung der Topographie wurde bisher weder in der Stadt noch an einem anderen Fundort beobachtet. Sie vermittelt jedoch einen Eindruck von deren wechselvoller Entwicklung. An verschiedenen Stellen wurde unter das Niveau der beschriebenen Schicht gegraben und parallel zu den bereits 2003–2005 untersuchten Quadratgebäuden ein weiteres Bauwerk etwa zur Hälfte freigelegt (Abb. 8). Bemerkenswert ist, dass sich auch für diese älteste Bauschicht ein regelmäßiges Gassensystem erkennen lässt. Gleichzeitig weist das neu gefundene Gebäude, das in einen von Osten zur Senke nach Westen abfallenden Hang eingetieft wurde, die gleichen modulierten Grundrissformen auf wie die beiden Quadratgebäude. 166 Jahresbericht 2007 des DAI Abb. 8 Boğazköy-Hattuša, Tal vor Sarıkale. ˘ Reste eines Gebäudes der ältesten hethitischen Schicht in der zentralen Grabungsfläche Es wird somit bereits für diese älteste Schicht, die in das 16. Jh. v. Chr. datiert, eine vorgeplante Struktur erkennbar. Weitere Forschungen konzentrierten sich auf Yenicekale (Abb. 9). Dieser mit großformatigen Quaderblöcken umbaute Felsen ist einer von mehreren sehr markanten, hoch gelegenen Punkten in der Stadt, die mit monumentaler Architektur bebaut sind. Durch die Untersuchungen konnten Probleme des Grundrisses und des Aufweges geklärt werden. Geoelektrische Messungen im Umfeld zeigen, dass dieses exponierte Bauwerk in ein umfassend gestaltetes Stadtareal eingebunden war. Sowohl innerhalb der Stadt als auch nordöstlich von ihr, zwischen Büyükkale und dem Heiligtum von Yazılıkaya, wurden die geophysikalischen Prospektionen intensiv fortgesetzt. In der Oberstadt wurden Lücken zwischen Sarıkale und dem südlich gelegenen Tempelviertel geschlossen. In der Unterstadt konzentrierten sich die Arbeiten auf die Bereiche südlich der ausgegrabenen Areale bis zur Poternenmauer und auf einen Bereich nördlich der modernen Straße. An beiden Stellen konnte zum Teil ausgedehnte monumentale Architektur festgestellt werden. Bemerkenswert ist die Klärung des Anschlusses der Abschnittsmauer an die Poternenmauer. Von besonderer Bedeutung für das Verständnis von ïattuša als altorientalische Großstadt sind die Ergebnisse der geophysikalischen Untersuchungen in deren nördlichem Umfeld. Hier konnten in der Umgebung der in den 1960er Jahren untersuchten Nekropole von Osmankayası mindestens drei regelmäßige große Bauwerke nachgewiesen werden, während in einer Senke nordöstlich von Büyükkale zahlreiche unterschiedlich strukturierte Bauten liegen. Solche mit relativ breiten Mauern und regelmäßigen Grundrissformen gehören der hethitischen Zeit an, wohingegen unregelmäßige und kleinteilig strukturierte Bauten wahrscheinlich eher der byzantinischen Epoche zuzuweisen sind. Beide Perioden sind durch Keramikfunde an der Oberfläche belegt. Die Fortführung der Arbeiten im Osten ermöglichte – neben der Ortung von verschiedenen Bauwerken – vor allem den Nachweis von zwei WasserreserAA-2008/1 Beiheft Abteilung Istanbul 167 Abb. 9 Boğazköy-Hattuša, Yenicekale. Die ˘ hethitische Bauanlage von Yenicekale nach den Ausgrabungen AA-2008/1 Beiheft voiren westlich von Yazılıkaya, die den Abfluss von den Hängen der östlichen Begrenzung des Tales sammeln. Diese vorläufigen Ergebnisse zeigen, dass das unmittelbare Umland der hethitischen Stadt intensiv und für verschiedenste Funktionen genutzt wurde. Es wird so erstmals erkennbar, dass die Stadt in ein aktiv gestaltetes Umfeld eingebettet war. Kooperationspartner – Çamlıbel Tarlası: University of Edinburgh, Edinburgh • Leitung des Teilprojekts: U.-D. Schoop • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: Y. Özarslan, E. Schoop, Chr.Winkelmann • Abbildungsnachweis: Archiv der Boğazköy-Expedition (Abb. 4. 5). Kooperationspartner – Boğazköy-ïattuša: Generaldirektion für Kulturdenkmäler und Museen des Kultur- und Tourismusministeriums der Republik Türkei, Abteilung für Ausgrabungen und Museen; Generaldirektion für Kulturdenkmäler und Museen des Kultur- und Tourismusministeriums der Republik Türkei, Direktion für Denkmalschutz und Baudokumentation in der Region Ankara; Akademie der Wissenschaften und Literatur Mainz, Kommission für den Alten Orient; Institut für Altorientalistik der Bayerischen Julius-Maximilians-Universität Würzburg; Institut für Vorderasiatische Altertumskunde der Westfälischen-Wilhelms-Universtität Münster; Institut für Vorderasiatische Archäologie der Ludwig-Maximilians-Universität München; Institut für Geowissenschaften der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel; School of History, Classics and Archaeology, University of Edinburgh, Edinburgh • Förderung: Japan Tobacco International-Türkiye (Arbeiten im Gelände); Brennan Foundation (Fortführung der Arbeiten auf dem Plateau unterhalb des zentralen Tempelviertels) • Leitung des Projekts: A. Schachner • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: U. Schoop (Leitung der Ausgrabungen in Çamlıbel Tarlası), G. Wilhelm (Bearbeitung der Keilschrifttafeln), S. Herbordt (Bearbeitung der Siegel- und Bullaefunde); R. Dittmann (Innenstadtsurvey); für eine vollständige Liste der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen s. auch den Vorbericht im AA 2008/1, 133–161 • Abbildungsnachweis: Archiv der Boğazköy-Expedition (Abb. 6–9). 168 Jahresbericht 2007 des DAI Milet Die Miletgrabung setzte ihr Programm zur Erforschung des archaischen Milet fort und konzentrierte sich damit weiterhin auf die Glanzzeit der ostionischen Metropole an der Westküste der Türkei. Die Hauptaktivität lag in dieser Kampagne bei den Grabungsarbeiten in zwei archaischen Heiligtümern: dem Heiligtum der Aphrodite mit dem Beinamen ›von Oikus‹ und dem Heiligtum der Artemis, die hier an ihrem inschriftlich gesicherten Kultort den Beinamen ›Khitone‹ trug, ein Beiname, der in seiner ionischen Form auf den Chiton – das bekannte griechische Kleidungsstück – anspielt. Das Heiligtum der Aphrodite, das in der Nähe des in der antiken Literatur erwähnten milesischen Vororts Oikus und außerhalb der Stadtmauern lag, wird von dem alexandrinischen Dichter Theokrit erwähnt und gehört nach den bisher dort durchgeführten Grabungen und Forschungen zu den großen Aphroditeheiligtümern der antiken Welt. Die diesjährigen Grabungsarbeiten erstreckten sich auf drei Bereiche des Hügels (heute Zeytintepe), auf dem das Heiligtum lag, und untersuchten das südwestliche Ende der Westterrasse sowie die anschließende Hügelkante. Dabei stellte sich heraus, dass auch hier noch Weihgaben niedergelegt worden sind, wie z. B ein unterlebensgroßes marmornes Korenköpfchen mit Schleier (Abb. 10). Überraschend war die Freilegung von Mauerresten aus dem 4. Jh. v. Chr., die eine späte Nutzungsphase des Heiligtums belegen, bei der wohl aufgrund der in den Fels eingetieften Becken (Abb. 11) die landwirtschaftliche Produktion eine Rolle spielte. Eine Abb. 10 Milet, Aphroditeheiligtum. Marmorköpfchen aus der Zeit um 550–540 v. Chr. Abb. 11 Milet, Aphroditeheiligtum. Reste einer Presse aus dem 4. Jh. v. Chr. Flächengrabung auf der Hügelspitze führte zur vollständigen Freilegung der Felsoberfläche und zur Dokumentation der Standspuren des 494 v. Chr. von den Persern zerstörten spätarchaischen Tempels. Der dritte Grabungsbereich lag an den nordöstlichen sowie östlichen Hügelkanten, wo eine Vielzahl von Weihgaben des 7. Jhs. v. Chr. geborgen werden konnte (Abb. 12). Im Heiligtum der Artemis Khitone, die nach den schriftlichen Quellen zu den ältesten der im ionischen Milet verehrten Göttinnen gehörte, wurde unmittelbar nordöstlich des spätarchaischen Tempels eine im späten 8. Jh. AA-2008/1 Beiheft Abteilung Istanbul 169 Abb. 12 Milet, Aphroditeheiligtum. Weibliche dädalische Figur, 3. Viertel des 7. Jhs. v. Chr. (M. 1 : 1) entstandene Raumeinheit ausgegraben. Diese besteht aus einem oberen, quer liegenden und einem unteren, an den Hang gebauten Raum, dessen Bodenniveau um 3 m tiefer liegt. Der obere Raum verfügt über eine nach Süden offene Front, der eine Herdstelle gegenüberliegt, und einen im Norden abgetrennten schmalen Raum. Der untere Raum hat die für einen spätgeometrischen Bau ungewöhnliche Größe von 5,25 m × 3,85 m und ist mit einer Mauerhöhe von 2,55 m bis unmittelbar unter das Dach erhalten. Um die Spannweite des Daches zu verringern, waren vier durch Löcher im Boden verankerte Stützen eingezogen. Der Bau steht isoliert da und ist nicht in einen Wohnverband eingebunden, wie man es bei einem normalen Haus erwarten würde. Er ist in unmittelbarer Nähe des spätarchaischen Tempels errichtet und so über die Hangkante hinaus gebaut, dass er von der im Norden liegenden archaischen Stadt prominent gesehen werden konnte. Eine öffentliche oder sakrale Funktion kann also vermutet werden. Weitere Aktivitäten in Milet betreffen die jetzt im zweiten Jahr durchgeführten Grabungsarbeiten in der byzantinischen Friedhofsbasilika (s. S. 169 f.), ferner die Fortsetzung der Bau- und Skulpturenuntersuchungen in den Faustina-Thermen (s. hier S. 21 f.) sowie die Fortführung der Bauaufnahmen im Heiligtum des Apollon Delphinios. Über diese wissenschaftlich eigenständigen Projekte wird von den Projektleitern an anderer Stelle berichtet. Kooperationspartner: Ermitage St. Petersburg (S. Solovyov); Österreichisches Archäologisches Institut (M. Kerschner) • Zusammenarbeit mit der Zentrale des DAI (O. Dally, Faustina-Thermen) und den Abteilungen Istanbul (Ph. Niewöhner, Basilikagrabung) und Athen (W.-D. Niemeier, Projekt Athenatempel) des DAI • Förderung: DFG; Ruhr-Universität Bochum • Leitung des Projekts: V. von Graeve • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: K. Akıncı, I. Blum, I. A. Panteleon, S. Solovyov, R. Stoyanov (Grabung Aphroditeheiligtum), M. Kerschner, A. Vacek, A. Yaşar (Grabung Artemisheiligtum), A. Herda, E. Sauter, M. Taschner (Delphinionprojekt) • Abbildungsnachweis: Archiv der Miletgrabung (Abb. 10–12). Milet, byzantinische Friedhofskirche In byzantinischer Zeit baute man in Milet neue Befestigungsanlagen und aus der ausgedehnten antiken Polis wurde ein enges Kastron. Außerhalb dieser ›Festungsstadt‹ wurde bereits 2003 bei der geomagnetischen Kartierung einer Nekropole eine große Friedhofskirche entdeckt und danach auch geoelektrisch vermessen. In diesem Jahr herrschte in Milet große Trockenheit, so dass der Grundwasserspiegel nicht wie sonst auf frühbyzantinischem, sondern auf archaischem Niveau lag. Diese Gelegenheit wurde genutzt, um tiefer zu graben und eine Menge an stratigraphischen Informationen zu gewinnen, die in normalen Jahren unter Wasser verborgen sind. So wissen wir jetzt, dass die Friedhofskirche erst nach dem Ende der Regierungszeit Justinians († 565) gebaut wurde, also in einer Zeit, die man ansonsten eher mit dem Niedergang des anatolischen Städtewesens verbindet. Es stellte sich heraus, dass die Kirche auf einer älteren Platzanlage steht. Diese könnte ursprünglich als Markt gedient und mit einem benachbarten Hafen in Verbindung gestanden haben. Möglicherweise verlor der Platz seine merkantile Funktion, weil der Hafen versandete. Jedenfalls begann man noch vor dem Bau der Kirche damit, auf dem Platz und in benachbarten Gebäuden Gräber anzulegen. Der Bereich wurde Teil der Nekropole, die weiter landeinwärts schon lange bestand. Eines dieser Gräber scheint besondere Verehrung genossen zu haben und könnte der Anlass für den Bau der Friedhofskirche gewesen sein. Es erhielt eine AA-2008/1 Beiheft 170 Jahresbericht 2007 des DAI Milet, byzantinische Friedhofskirche Abb. 13 Fragment einer Schrankenplatte Abb. 14 Atrium Bemalter Wandverputz aus dem Abb. 15 Eine von zahlreichen Tonlampen, die sich bei einem Grabbau fanden und darauf schließen lassen könnten, dass dort ein Martyrion verehrt wurde 13 14 15 repräsentative architektonische Fassung mit prächtigen Mosaiken, Schrankenanlagen (Abb. 13) und Fresken (Abb. 14). Unter dem kirchenzeitlichen Fußboden fanden sich über hundert Lampen, viele von ihnen kaum benutzt und unzerstört (Abb. 15). Vielleicht handelt es sich um Votive, die bei dem verehrten Grab deponiert worden waren. Mit dem Bau der Kirche wurde schließlich auch die ältere Platzanlage rehabilitiert. Soweit sie nicht überbaut war, diente sie nun als südlicher Vorplatz von Kirche sowie Grab und erhielt zu diesem Zweck eine neue Portikus. Das Ensemble aus Grab, Friedhofskirche und Platzanlage ist typisch für Martyria, Gedächtniskirchen mit besonderem Publikumsaufkommen. Auch für Milet berichtet eine Inschrift von der Existenz eines solchen Martyrion für einen nicht sicher zu identifizierenden Heiligen namens Onesippos oder Onesimos. Möglicherweise handelt es sich also bei der Friedhofskirche um eben dieses Martyrion. Kooperationspartner: E. Erkul, H. Stümpel (Institut für Geowissenschaften, Abteilung Geophysik der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel) • Förderung: Gerda Henkel Stiftung • Leitung des Projekts: Ph. Niewöhner (Teilprojekt im Rahmen der Miletgrabung) • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: S. Giese (Dokumentation), J. Becker, A. Christe, I. Hassler, H. Möller (Fundbearbeitung) • Abbildungsnachweis: Ph. Niewöhner (Abb. 13–15). Didyma Das bedeutende Apollon-Orakelheiligtum von Didyma liegt unweit von Milet an der Westküste der Türkei nahe dem Grenzverlauf der antiken Landschaften Ionien und Karien. Es besaß bereits in archaischer Zeit überregionale Bedeutung. Die laufenden Projekte beziehen sich auf die HeiligtumstopograAA-2008/1 Beiheft Abteilung Istanbul 171 Abb. 16 Didyma, Fundamenttrasse der archaischen Hallen südlich des sog. jüngeren Didymaion phie und -baugeschichte im 7.–5. Jh. v. Chr. Die weiteren Schwerpunkte bilden die Tempelkonservierung und -konsolidierung sowie die bronzezeitliche Besiedlung der nah gelegenen Insel Tavşan Adası. Der imposante didymäische Apollontempel ist außergewöhnlich tief fundamentiert, was einen erheblichen Eingriff in die Landschaft bedeutete. Die damit verbundenen Aufschüttungsarbeiten und Planierungen auf rund 170 m Länge haben im 4. Jh. v. Chr. die topographische Situation im Kernheiligtum schlagartig verändert. Daher galt es, im Rahmen der Untersuchungen zur räumlichen Planung und Ausdehnung des Orakelheiligtums in archaischer Zeit (6. Jh. v. Chr.), unberührt gebliebene Bereiche am Rande des sog. jüngeren Didymaion zu sondieren. An der Südseite des Tempels, am Südrand der Überprüfungssondage A (Abb. 16), liegt in der Flucht der Südwesthallenrückwand ein langer Raub- Abb. 17 Didyma, Hallenantefix aus dem 6. Jh. v. Chr. (M. 1 : 5) graben, aus dem zahlreiche verbrannte archaische Dachziegel (darunter der bemalte Stirnziegel Abb. 17) und Lehmziegelschutt stammen. Der Graben steht im Zusammenhang mit dem Steinraub einer archaischen Stoarückwand, der in spätklassischer/frühhellenistischer Zeit stattgefunden haben muss. Die benachbarte Überprüfungssondage B (Abb. 16) wird durch einen Geländeeinbruch markiert, der sich sowohl unter dem Treppenfundament des jüngeren Didymaion als auch an der Absenkung eines aus drei Kalksteinschichten bestehenden 2 m langen Fundamentrestes manifestiert. Dieser liegt sehr genau auf der Trasse des Raubgrabens von Sondage A in östlicher Verlängerung. Die Länge dieser über Sondage A und B hinausreichenden Fundamenttrassenführung spricht zugunsten einer Hallenrückwand, die der Ausrichtung der Südwesthalle folgt. Daher liegt es nahe, an aneinander gereihte, höhenabgestufte, archaische Hallenbauten zu denken, die von West nach Ost das südliche Heiligtum begrenzten und uns so über die archaische Heiligtumsgestaltung ein ganz neues Bild vermitteln. Im Rahmen desselben Projekts wurden die geophysikalischen Untersuchungen (Georadar) der Fa. Eastern Atlas unter dem 2- und 12-Säulensaal des jüngeren Didymaion zum Abschluss gebracht. Hier konnten neue wichtige Anhaltspunkte zur ursprünglichen Geländemorphologie gewonnen werden, die im untersuchten Bereich einen noch anstehenden Felsrücken mit Abarbeitungsspuren ergaben. Ihre noch ausstehende, letztgültige Auswertung wird im Zusammenhang mit der Dokumentation der dem archaischen ›Tempel II‹ zuzuweisenden Architekturglieder erfolgen (s. auch hier S. 22–24). AA-2008/1 Beiheft 172 Jahresbericht 2007 des DAI Die Untersuchungen auf der Didyma nahe gelegenen Insel ›Tavşan Adası‹ (= TA) gewinnt zunehmend an Bedeutung (s. AA 2007/2, 263). Dank der klaren Abfolge der bronzezeitlichen Schichten, die unmittelbar unter dem Humus anstehen, und der Erweiterung der untersuchten Areale konnten für die Phase TA 4 (MM III/SM IA: spätes 17. Jh. – Anfang 16. Jh. v. Chr.) Magazinräume und Teile der ursprünglich mit dem Festland verbundenen Straße freigelegt werden (Abb. 18).Von Interesse ist die Tatsache, dass im archäologischen Material anatolische Elemente fast vollständig fehlen, wogegen minoische Keramik stark vertreten ist. Für die Periode TA 3 (MM I–II: 1. Hälfte des 19.–18. Jhs. v. Chr.) ließen sich mindestens zwei Bauphasen sowie Hinweise auf Lehmziegelarchitektur und verputzte Wände festhalten (Abb. 19). Auch sind Kamares-Scherben und das Tassen- und Schalenspektrum mit Funden der älteren Palastzeit auf Kreta zu verbinden. Der Nachweis von kykladischem Import in der darunter liegenden Schicht der Phase TA 2 (EBA II–III) deutet auf einen Siedlungsplatz hin, der im späteren 3. Jt. v. Chr. in ein weit gespanntes Kommu- Abb. 18 Didyma, Tavşan Adası. Grundrisse der Magazinräume aus dem späten 17. bis frühen 16. Jh. v. Chr. (M. 1 : 250) Abb. 19 Didyma, Grundriss eines Raumes aus mittelminoischer Zeit (19.–18. Jh. v. Chr.). Große Teile des Hauses sind in das Meer abgestürzt AA-2008/1 Beiheft Abteilung Istanbul 173 Abb. 20 Didyma, südlicher Labyrintheingang im 2-Säulensaal des sog. jüngeren Didymaion (4. Jh. v. Chr.). Geschmiedetes Eisentor (nach dem Entwurf des Architekten J. Eichorn) AA-2008/1 Beiheft nikationsnetzwerk eingebunden war. Mehrere Scherbenfunde der Phase TA I zeugen schließlich von einer ersten, spätchalkolithisch-frühbronzezeitlichen Besiedlung der Insel (frühes 3. Jt. v. Chr.). Wie in den vergangenen Jahren lag einer der Schwerpunkte der Kampagne auf Tempelkonsolidierungs- und Konservierungsmaßnahmen. Diese galten der Abschlusssanierung der Ostwand des 12-Säulensaales, der Nordlaibung der großen Erscheinungstür sowie dem südliche Labyrintheingang, der mit einem geschmiedeten Eisentor (Abb. 20) – in reversibler Technik – verschlossen wurde, um Vandalismus vorzubeugen. Leitung des Projekts: A. Furtwängler • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: F. Bertemes (Leitung der Untersuchungen auf Tavşan Adası), D. Mauermann (Didyma, Hallensondagen), A. Slawisch, U. Weber (Fundbearbeitung und -restaurierung), U. Dirschedl (Aufarbeitung der Architekturteile des archaischen Tempels), J. Eichhorn (Architektur und Vermessung), Ch. Kronewirth (Steinrestaurierung) • Abbildungsnachweis: Archiv der Didymagrabung (Abb. 16–20). Priene Priene liegt am Fuße des Mykale-Gebirges nördlich von Milet an der Westküste der Türkei. Die Stadt wurde im 4. Jh. v. Chr. mit einem gleichmäßig rechtwinkligen Straßenraster (›Hippodamisches System‹) in dem Mündungsgebiet des Mäander als Nachfolgerin einer frühgriechischen Siedlung angelegt, deren Lage bis jetzt nicht feststeht. Von grundsätzlicher Bedeutung für die Fortsetzung der wissenschaftlichen Arbeit in Priene war die Fertigstellung eines neuen Depotbaus nach langjährigen Planungs- und Bauarbeiten. Ein Schwerpunkt der diesjährigen Arbeitskampagne lag beim Heiligtum der ägyptischen Götter. In der im Vorjahr bereits teilweise ergrabenen mittelalterlichen Nekropole wurden weitere Gräber festgestellt, aber die wichtigsten Fortschritte waren in der Frage der Entwicklung des Heiligtums zu erzielen. Eine vorläufige Auswertung des Fundmaterials aus Baugruben und Auffüllschichten bestätigte die Annahme einer Datierung des zentralen Podiumtempels in das 1. Jh. v. Chr. Davon ist deutlich eine ältere Terrassierung des 3. Jhs. v. Chr. zu unterscheiden. Etwa zu dieser Zeit war – wie besonders die in diesem Jahr durchgeführten Bauuntersuchungen ergaben – der nördliche Teil des Areals und das westlich anschließende Gelände von einer Reihe großer Häuser im Prostasschema besetzt, wie sie in der ›Ausbauphase‹ Prienes im 3. Jh. v. Chr. häufiger vorkommen. Der später zu einer ebenen Terrasse aufgefüllte Hang wies zu dieser Zeit noch (mindestens) eine architektonisch gestaltete Abstufung zur Talseite auf. Ob diese Prostashäuser, deren Grundriss im Kern dem eines Antentempels entspricht, zur Frühphase des Heiligtums gehören oder dieser vorausgehen, steht noch nicht fest. Um ein anschauliches Bild von der Architektur des Podiumtempels herzustellen, wurden mehrere Sockelorthostaten an ihrem ursprünglichen Ort angebracht und Lücken im Mauerwerk ausgefüllt (Abb. 21). Am Fuße der nördlich des Wohngebietes innerhalb der Stadtmauern steil ansteigenden Felsen konnte mit der Untersuchung einer Zone begonnen werden, in der mehrere weitgehend natürlich belassene Kultplätze zu vermuten sind. Die ersten Grabungsschnitte wurden unterhalb zweier in den Felsen gehauener Nischen angesetzt (Abb. 22) und in der Tat fanden sich dort als einzige signifikante Funde Teile mehrerer Kybelestatuetten aus Terrakotta (Abb. 23), die den Kultplatz als Heiligtum dieser Göttin oder Teil eines solchen ausweisen. Eine zusätzliche Sondage unter einer weiteren Felsnische unterhalb des Demeterheiligtums förderte bis jetzt zwar noch kein ähnlich eindeutiges Indiz 174 Jahresbericht 2007 des DAI 21 22 für die dort verehrte Gottheit zutage, dafür aber Baureste, die eine architektonische Fassung dieses Areals bezeugen. Im Rahmen des Forschungsclusters 3 »Politische Räume« des DAI wurden verschiedene spät- und nachantike Baukomplexe erstmalig eingehend untersucht, woraus sich teils erhebliche Korrekturen am bisherigen Bild der Stadt im genannten Zeitraum ergaben. Dies gilt einmal für den Bereich des spätbyzantinischen Kastells östlich der Agora, das – wie sich jetzt zeigte – über einer wohl spätkaiserzeitlichen Badeanlage errichtet wurde. Zwischen ihrer Nutzungszeit und der Kastellphase liegen Baumaßnahmen, die eine repräsentative Gestaltung des gesamten Komplexes bezeugen, aber im Detail noch nicht interpretiert werden können. Sehr überraschend war die Identifizierung von einigen offensichtlich nachantiken Ruinen im Osten außerhalb der Stadtmauer als christliche Sakralbauten, darunter eine dreischiffige Basilika, und nicht weniger unerwartet war der Nachweis massiver Gebäude, wohl militärischen Charakters, auf dem innerhalb der Stadtbefestigung liegenden Gipfelplateau der Teloneia. Förderung: DFG; Theodor Wiegand Gesellschaft e. V.; Vereinigung von Freunden und Förderern der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt a. M. (Errichtung des Depotbaus) • Leitung des Projekts: W. Raeck (Grabungsleitung, Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt a. M.), W. Koenigs (Technische Universität München) • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: M. Dirschlmayer, N. Fenn, J. Fildhuth, A. Filges, B. Gossel-Raeck, L. Heinze, A. Hennemeyer, A. von Kienlin, U. Mandel, F. Rumscheid, J. Rumscheid, U. Ruppe, Z. Yılmaz • Abbildungsnachweis: Archiv der Prienegrabung (Abb. 21–23). 23 Priene Abb. 21 Restaurierungsarbeiten am Tempel der ägyptischen Götter Abb. 22 Neu entdecktes Kybeleheiligtum Abb. 23 Priene, Terrakottastatuette einer thronenden Kybele aus dem neu entdeckten Heiligtum (M. 1 : 5) Pergamon Die antike Metropole Pergamon liegt am Rande eines Flusstales unweit der Küste der türkischen Ägäis. Der Zugang zum Meer erfolgte in ca. 26 km Entfernung über die Hafenstadt Elaia. Den Forschungen deutscher Archäologen seit 1878 verdanken wir unsere gute Kenntnis der städtebaulichen Grundstruktur, einzelner Stadtquartiere und zahlreicher öffentlicher Monumente der Stadt. Große Wissenslücken bestehen hingegen immer noch auf dem Gebiet des urbanen Gesamtorganismus, d. h. der Gliederung der Stadt durch Straßensystem und Gebäudeensembles, ihrer Besiedlungsdichte und ihrer Abgrenzung bzw. Öffnung zum Umland. Seit 2005 wird diesen dringenden Desideraten durch ein neues Forschungsprogramm begegnet, das auch zwei Projekte im Umland der Metropole umfasst. AA-2008/1 Beiheft Abteilung Istanbul 175 Abb. 24 Pergamon, CAD-Modell des oberen Burgbergs Abb. 25 Pergamon, hellenistischer Tonstempel zur Herstellung von Applikenkeramik (M. 1 : 1) AA-2008/1 Beiheft Als erstes Ergebnis der Neuvermessung des Burgbergs kann in diesem Jahr ein 3D-Modell des oberen Burgbergs präsentiert werden (Abb. 24). Der archäologische Survey und die geophysikalischen Prospektionen am bislang unerforschten Südostabhang haben das völlig neue Bild vom Straßensystem der großen hellenistischen Stadterweiterung des 2. Jhs. v. Chr. weiter bestätigt. Erstmals können nun auch Angaben zur anzunehmenden Größe der insulae (Häuserblöcke) gemacht werden. Mit ca. 35 m × 45 m sind sie nicht eben großzügig bemessen, doch ermöglichten diese Maße eine flexible Erschließung des schwierigen Terrains. Grabungsschnitte haben weitere Einblicke in die Gestaltung der Straßen und in die angrenzende Bebauung geliefert. Dass dabei auch aufschlussreiche Fundstücke zutage kamen, illustriert der hier abgebildete hellenistische Formstempel (Abb. 25), der auf Töpfergewerbe innerhalb der Stadtmauer schließen lässt. Geländebegehungen und geophysikalische Prospektionen im Bereich der hellenistischen Vorstadt haben bereits im Vorjahr gezeigt, dass im Umfeld der großen suburbanen Monumente wie dem Asklepieion oder den Grabhügeln mit weiteren antiken Bauten zu rechnen ist. Bei einer gemeinsam mit dem Museum Bergama in diesem Frühjahr unmittelbar vor dem südöstlichen Stadtmauerabschnitt durchgeführten Ausgrabung wurden Reste hellenistischer Bebauung unterhalb eines römischen Friedhofes freigelegt. Die eigentliche Überraschung war jedoch die Entdeckung von mehreren Grabbauten und insgesamt 29 Bestattungen aus der römischen Kaiserzeit (Abb. 26). Diese Neu- 176 Jahresbericht 2007 des DAI Abb. 26 Pergamon, Grabbau in der neu entdeckten Nekropole der römischen Kaiserzeit funde tragen wesentlich zu unserem bisher noch ganz lückenhaften Wissen über Sepulkralarchitektur und Bestattungssitten in Pergamon bei. Im Rahmen des Projekts zur Erforschung der visuellen und funktionalen Gestaltung des hellenistischen Gymnasions konnte anhand von Grabungen und Bauuntersuchungen nachgewiesen werden, dass die für das Erscheinungsbild der Stadt so bedeutende Anlage bereits in hellenistischer Zeit Planänderungen und Umbauphasen durchlief. Die Arbeiten im Umland von Pergamon konzentrierten sich wieder auf das westliche Tal des Kaikos (Bakır Çay) mit dem antiken Atarneus sowie auf Elaia, den Haupthafen Pergamons. Dort hat die Untersuchung des bei Geländebegehungen gesammelten Fundmaterials ergeben, dass die Besiedlung des Platzes bis in das 3. Jt. v. Chr. zurückreicht. Kern der Siedlung war der Akropolishügel. Erst in der hellenistischen Epoche (3.–1. Jh. v. Chr.) dehnte sich die Siedlungsfläche deutlich aus. Dies geschah ganz offenkundig unter dem Einfluss Pergamons, das die Stadt zu einem gut befestigten maritimen Satelliten machte, der militärische, wirtschaftliche und kommunikationstechnische Auf- Abb. 27 Umland von Pergamon, Elaia. Baureste (Molen?) im Flachwasser AA-2008/1 Beiheft Abteilung Istanbul 177 Abb. 28 Umland von Pergamon, Elaia. Vorläufiger Übersichtsplan des Stadtgebietes und der verschiedenen Häfen (M. 1 : 25 000) AA-2008/1 Beiheft gaben für die Metropole übernahm. Von wesentlichem Interesse war dabei der Zugang zum Meer. Diesen Eindruck erwecken jedenfalls die Reste sehr ausgedehnter Hafenanlagen (Molen?), die in diesem Jahr auf einer Fläche von ca. 1 km × 2 km mit Hilfe lokaler Fischer im Flachwasser entdeckt wurden (Abb. 27. 28). Sollte sich die Datierung dieser Anlagen in hellenistische Zeit bestätigen, dann würden sie ein völlig neues Licht auf die Rolle Pergamons als Seemacht werfen. In Atarneus bestätigte sich hingegen das Bild einer in spätklassischer und frühhellenistischer Zeit bedeutenden Polis, die das frühe Pergamon an Größe deutlich übertraf. Insbesondere Keramikfunde zeigen aber auch, wie die Stadt unter dem Einfluss der erstarkenden Metropole ab hochhellenistischer Zeit spürbar an Bedeutung verlor. Für unsere Kenntnis des Verhältnisses zwischen alten Poleis und neuen Königsstädten im Hellenismus sind die Befunde aus Elaia und Atarneus von großer Bedeutung, weil sie zwei gegensätzliche Entwicklungsmodelle vertreten. Kooperationspartner: Generaldirektion für Kulturdenkmäler und Museen des Kultur- und Tourismusministeriums der Republik Türkei; DFG-Schwerpunktprogramm 1209 »Die hellenistische Polis als Lebensform. Urbane Strukturen und bürgerliche Identität zwischen Tradition und Wandel«; Ankara Üniversitesi, Başkent Meslek Yüksekokulu, Restorasyon ve Konservasyon Programı; Archäologisches Institut der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg; Geodätisches Institut der Universität Karlsruhe; Historisches Seminar der Abteilung für Alte Geschichte der Ludwig-Maximilians-Universität München; Institut für Geomatik der Hochschule Karlsruhe; Institut für Geowissenschaften der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel; Institut für Strahlenphysik der Uni- 178 Jahresbericht 2007 des DAI versität Bonn; Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik des DAI; Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: F. Pirson • Mitarbeiter: R. von den Hoff (Leitung DFG-Projekt Gymnasion), M. Zimmermann (Leitung DFG-Projekt Atarneus – Chora von Pergamon) (für eine vollständige Liste der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen s. auch den Vorbericht im AA 2008/2) • Abbildungsnachweis: CAD-Modell, S. Rolfes (Abb. 24); Archiv der Pergamongrabung (Abb. 25–28). Pergamon, Konservierungsprojekt Rote Halle Die Restaurierungsarbeiten in der Roten Halle – eine der größten römischen Bauanlagen in Kleinasien – richteten sich wieder auf den südöstlichen Bereich der großen Anlage mit dem Rundturm. Hier war im Vorjahr südlich des Turmes ein neues Depotgebäude errichtet worden. Die diesjährigen Arbeiten konzentrierten sich nun auf den Innenraum des Turmes und dessen Westfassade. Nach letzten Fertigstellungen am Depot, die vor allem die Anbringung eines vom Schlosser vorgefertigten Fassadensystems aus Stahllamellen beinhalteten (Abb. 29), war dieses bereit für die Aufnahme eines umfangreichen Lapidariums. Bislang hatte sich diese Sammlung von Bau- und Skulpturteilen unter denkbar schlechten konservatorischen Bedingungen im Inneren des Turmes befunden und war mit der übergroßen Belastung des antiken Bodens mitverantwortlich für dessen schlechten Erhaltungszustand. Die Umlagerung der Funde nahm viel Zeit in Anspruch, da für die Bewegung der schweren Marmorfragmente aufwendige Hilfskonstruktionen erforderlich waren. Doch nun ist es gelungen, den umfangreichen Bestand aus Steinfragmenten, der in Jahrzehnten archäologischer Arbeit in der Roten Halle angesammelt worden war, unter sachgerechten konservatorischen Bedingungen und in einer Systematik einzulagern, die seine wissenschaftliche Zugänglichkeit erheblich erleichtern wird (Abb. 30). Nach vollständiger Ausräumung und Reinigung des Turminnenraumes konnte der Bodenbereich mit seinen wichtigen antiken Befunden einer gründlichen Dokumentation unterzogen werden. Anschließend wurde über dem empfindlichen antiken Gewölbe eine neue Bodenebene als Stahlkonstruktion eingebracht. Diese trägt eine dünne Betonplatte mit geschliffener Oberfläche, die über dem originalen Boden zu schweben scheint und doch hohe Lasten zu tragen vermag (Abb. 31). Auf diese Weise kann der einzigartige Kuppelraum in seiner Wirkung erstmals für Besucher begehbar und erfahrbar gemacht werden. Ausgesuchte Fundstücke aus dem Lapidarium kehrten 29 Pergamon, Rote Halle Abb. 29 Das fertig gestellte Depotgebäude mit der Lamellenfassade von Nordosten, rechts im Anschluss der südliche Rundturm Abb. 30 Das Innere des neuen Depotgebäudes mit den eingeräumten Schwerlastregalen nach Umlagerung der Fundstücke 30 AA-2008/1 Beiheft Abteilung Istanbul 179 31 Pergamon, Rote Halle Abb. 31 Die neue Bodenkonstruktion im Inneren des Rundturmes mit der geschliffenen Betonoberfläche Abb. 32 Der südliche Rundturm von Westen mit dem rekonstruierten Bogen über der nun durch Stahllamellen geschlossenen Öffnung 32 bereits in das Innere des Turmes zurück und können nun in musealer Weise präsentiert werden. Der dritte Schwerpunkt der Arbeiten lag bei der Westfassade des Rundturmes, deren große Öffnung sich ebenso in prekärem Zustand befunden hatte. Der ausgebrochene Bogen war im 19. Jh. mit einer Ersatzkonstruktion geschlossen worden, die ihrerseits schon wieder baufällig geworden war und überdies dem antiken Vorgänger in keiner Hinsicht entsprach. Sie wurde entfernt und durch eine Rekonstruktion des antiken Bogens mit den originalen Ziegelmaßen ersetzt. Diese Ziegel waren eigens für diese Maßnahme in einer Keramikmanufaktur in Merzifon (Schwarzmeerregion) handgefertigt worden. Nach Abschluss der Maurerarbeiten wurde die große Öffnung unter dem Bogen mit einer Stahllamellenkonstruktion geschlossen (Abb. 32). Diese dient als Einbruchssicherung und sorgt für einen gleichmäßigen, gedämpften Lichteinfall. So dominiert im Inneren des Raumes wieder – wie in der Antike – der direkte Lichteinfall durch die große, kreisrunde Öffnung im Scheitel der römischen Kuppel. Neben den Arbeiten am Rundturm wurden die Restaurierungsmaßnahmen an der großen Stützwand, welche die Bauterrasse der Roten Halle zum Flussufer des Selinus hin abfängt, fortgesetzt. Hier konnte der das neue Depotgebäude abschließende Abschnitt fertig gestellt werden. Schließlich wurden die Restaurierungsarbeiten an den Fragmenten der großen Marmorstützfiguren aus den Seitenhöfen der Roten Halle mit kleineren Maßnahmen fortgeführt. Kooperationspartner: Ingenieurgruppe Bauen, Karlsruhe • Förderung: Studiosus-Foundation e. V.; Kulturstiftung der deutsch-türkischen Wirtschaft • Leitung des Projekts: M. Bachmann, F. Pirson • Mitarbeiter: J. Steiner, S. Yalcın, C. Kronewirth • Abbildungsnachweis: Archiv der Pergamongrabung (Abb. 29–32). AA-2008/1 Beiheft 180 Jahresbericht 2007 des DAI Aizanoi Aizanoi, das moderne Çavdarhisar (Provinz Kütahya), in ca. 250 km Entfernung von der türkischen Westküste am Übergang zum anatolischen Hochland gelegen, beherbergt die Ruine des am besten erhaltenen antiken Tempels der Türkei, des Zeus-Tempels aus dem späten 1. Jh. n. Chr. (Abb. 33). Er gehört zu einer griechisch-römischen Stadt an beiden Ufern des Flusses Penkalas, die zwischen dem 2. Jh. v. Chr. und dem 3./4. Jh. n. Chr. ausgebaut und besiedelt wurde. Die jüngere spätbyzantinische Siedlung war durch eine Festung gesichert. In den vergangenen Jahren stand die Erforschung der Urbanistik und der gut erhaltenen Gebäude der römischen Stadt im Mittelpunkt der Forschungen. In diesem Jahr konnten im Rahmen dessen die Untersuchung des TheaterStadion-Komplexes abgeschlossen und Maßnahmen zur Sicherung der Ruine unternommen werden. Es handelt sich um eine aufwendige architektonische Kombination eines Theaters mit einem Stadion, dessen Anlage im 1. Jh. n. Chr. am Rande der Stadt mit prachtvollen Schaufassaden (Abb. 34) das wachsende Bedürfnis nach Durchführung großer städtischer Feste dokumentiert. Zugleich Abb. 33 Aizanoi, Zeus-Tempel mit Tempelplateau und diesjährigen Sondagen von Süden Abb. 34 Aizanoi, Theater-Stadion. Rekonstruktion der Theaterfassade zum Stadion AA-2008/1 Beiheft Abteilung Istanbul 181 Abb. 35 Aizanoi, Bodenradarmessungen am Südrand des Tempelplateaus und der byzantinischen Befestigung (M. 1 : 2000) 36 37 Aizanoi Abb. 36 Spätbyzantinische Siedlungsreste innerhalb der Festung (Sondage 1) Abb. 37 Inschrift einer Ehrenstatuenbasis des 2./3. Jhs. n. Chr. AA-2008/1 Beiheft begann in diesem Jahr ein neues Arbeitsprogramm. Ausgangspunkt sind dabei die schon früher punktuell zutage getretenen Reste der frühbronzezeitlichen (4. Jt. v. Chr.) und vorrömisch-hellenistischen (5.–1. Jh. v. Chr.) Siedlung. Diese bilden den Kern des erst neuerdings identifizierten Siedlungshügels unter dem Plateau des Zeus-Tempels (Abb. 33). Durch gezielte Ausgrabungen sollen in den kommenden Jahren diese unzureichend erforschten Epochen der Stadtgeschichte untersucht werden. Da Aizanoi wohl seit dem 2. Jh. v. Chr. unter Einfluss aus Pergamon auch von makedonischen Siedlern bewohnt wurde, sind aufschlussreiche Ergebnisse zur kulturellen Prägung einer Kleinstadt im Hinterland des stark hellenisierten Westen Kleinasiens zu erwarten. Die Gestaltung des urbanen Raumes mit Wohnbebauung und öffentlichen Plätzen sowie das Verhältnis der Siedlung zu den Sakralanlagen an ihrem Westrand stehen im Zentrum des Interesses. Zudem ist eine Untersuchung der prähistorischen und früheisenzeitlichen Siedlungsschichten vorgesehen. Die Arbeiten der diesjährigen Kampagne bereiteten dieses neue Programm durch geophysikalische Untersuchungen vor (Abb. 35), die im kommenden Jahr fortgesetzt werden sollen. Erste Indizien ergaben sich dadurch für die Klärung der Siedlungsgrenzen Aizanois, denn von einer Befestigung fehlt bislang jede Spur. Messungen am Tempelplateau zeigen, dass die westliche Grenze antiker Besiedlung etwa in der Mitte der Südmauer des Tempelhofes anzunehmen ist. Ein bislang unbekannter Rechteckturm der mittelalterlichen Festung, die den römischen Tempelhofmauern aufsitzt, wurde dabei entdeckt. In drei Grabungsschnitten (Abb. 33. 36) konnte am Südrand der mittelalterlichen Festung die mindestens dreiphasige spätantik-byzantinische Siedlung untersucht werden, die die antike Stadt überbaute. In den frühesten Phasen dieser Besiedlung wurden zum Bau der Häuser antike Spolien in größerer Zahl verwendet, so die Basis einer Ehrenstatue des 2./3. Jhs. n. Chr. (Abb. 37) und Fragmente kaiserzeitlicher Marmorstatuen. Nach einer Siedlungsunterbrechung folgte die spätbyzantinische Siedlung. Ihr Verhältnis zur byzantinischen Festung wird in Zukunft zu klären sein. Häuser mit größeren Räumen wurden in ihrer späteren Phase durch kleinteiligere Strukturen ersetzt (Abb. 36). Während der letzten Siedlungsphase wohl im 11./12. Jh. lagerte sich in der Festung in bereits ruinöse Häuser ein Handwerkerbetrieb ein. Unter den spätantik-byzantinischen Siedlungsresten liegen römische und vorrömische Befunde. Überraschend war die Freilegung der Reste einer kreis- 182 Jahresbericht 2007 des DAI förmigen Brunnenanlage (?). Bei der Errichtung des Tempelhofes im späteren 1. Jh. n. Chr. zerstört, bezeugt sie den prächtigen Ausbau des Areals bereits vor dem Neubau des Zeus-Tempels. Dies wird im kommenden Jahr weiter untersucht werden. Kooperationspartner: Archäologisches Institut der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg; Lehrstuhl für Baugeschichte der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus • Leitung des Projekts: K. Rheidt (Cottbus), R. von den Hoff (Freiburg) • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: E. Baylan, E. Kasubke, N. Möller, C. Rohn, S. Seiler, B. Sielhorst, H. Türk, C. Wilkening • Abbildungsnachweis: Aizanoigrabung (Abb. 33–37). Oinoanda Nach einer längeren Zäsur konnten in diesem Jahr die über viele Jahrzehnte betriebenen Forschungen in der antiken Stadt Oinoanda im Rahmen eines neuen Kooperationsprojekts unter Leitung des DAI wieder aufgenommen werden. Schon im 19. Jh. hatten sich die archäologischen Untersuchungen in der lykischen Bergsiedlung (Abb. 38), die sich etwa 80 km nordöstlich von Fethiye im Landesinneren befindet, auf deren außerordentlich reiche Inschriftenfunde gerichtet. Im Zentrum der älteren Untersuchungen, die vor allem vom British Institute at Ankara betrieben wurden, stand neben der gesamten Stadtanlage insbesondere die bereits im 19. Jh. entdeckte Inschrift des Philosophen Diogenes von Oinoanda. Der Epikureer hatte hier im 2. Jh. n. Chr, das als Blütezeit von Oinoanda gelten muss, sein geistiges Vermächtnis hinterlassen. Die Inschrift, die als längste der antiken Welt gilt, bedeckte einst die Quader einer großen Stoa an zentraler Stelle im Stadtgebiet, wurde nach der Aufgabe dieses Gebäudes jedoch schon in der Spätantike mit den wiederverwendeten Steinen über das gesamte Stadtgebiet verteilt (Abb. 39). Mehr als die Hälfte der Fragmente konnte bislang gefunden und damit weite Teile des philosophischen Textinhaltes erschlossen werden. Trotzdem gibt es noch viele offene Fragen zum Inhalt der Inschrift, besonders aber zu ihrem architektonischen Abb. 38 Oinoanda, Überblick über das Stadtgebiet von Süden. Im Vordergrund Reste eines Aquädukts, der auf einen gut erhaltenen Stadtmauerabschnitt zuläuft; dahinter erstreckt sich das Ruinengelände AA-2008/1 Beiheft Abteilung Istanbul 183 39 Oinoanda, Inschrift des Diogenes Abb. 39 In einer Türwange verbaute Fragmente im nordwestlichen Stadtgebiet Abb. 40 Neu entdecktes Fragment (YF 199), das in einer Mauer verbaut war Abb. 41 Oinoanda, Ergebnisse der Messungen mit dem Laserscanner auf einer Probefläche der ›Esplanade‹. Oben das Punktwolkenmodell, in der Mitte das von der Vegetation bereinigte Gelände und unten das erzeugte Oberflächenmodell AA-2008/1 Beiheft 40 Kontext und zur Rolle der Stoa sowie der Inschrift im Stadtgefüge und in der Stadtentwicklung von Oinoanda. Auf diese Fragen, aber auch auf eine ganzheitliche Neuuntersuchung des großen Stadtgebietes mit Hilfe moderner Methoden richtet sich das neue Forschungsprojekt, das in diesem Jahr mit einer kurzen Vorkampagne begonnen wurde. In deren Verlauf wurde die Situation der Fundstücke im Gelände eruiert, die sich dabei als außerordentlich unübersichtlich darstellte, denn die Ruinen sind stark überwachsen und immer wieder durch Raubgrabungen verändert worden. Neben vielen der bekannten Stücke konnten bei dieser Bestandsaufnahme auch fünf neue Fragmente der Diogenes-Inschrift entdeckt werden (Abb. 40). Eine zweite Untersuchung richtete sich auf den mutmaßlichen Standort der Stoa, die sog. Esplanade, wie der zentrale Platz von den französischen Entdeckern im 19. Jh. genannt wurde. Die Reste der Gebäude, die diesen Platz rahmten, können nur schwer dokumentiert werden, da es sich um ein sehr ausgedehntes und dicht bewaldetes Gelände handelt. Hier wurde auf einer Teilfläche mit dem Laserscanner gemessen, um die Eignung dieser Methode für die Dokumentationsarbeiten zu überprüfen. Die Ergebnisse auf dem Probefeld zeigen, dass sich die Bebauungsreste nach virtueller Entfernung des Bewuchses im dreidimensionalen Modell sehr genau abzeichnen (Abb. 41). In den kommenden Untersuchungen sollen die Messungen mit dem Laserscanner daher auf das gesamte Gebiet der ›Esplanade‹ und der sie umgebenden Bebauung ausgedehnt werden. Die Ergebnisse werden als Grundlage einer verformungsgetreuen Bauaufnahme und eines dreidimensionalen Rekonstruktionsmodells der antiken Bebauung dienen. Gleichzeitig sollen die weit verteilten Fragmente der Diogenes–Inschrift genau kartiert und anschließend mit dem Streifenlichtscanner dokumentiert werden, um einen einheitlichen und umfassenden Dokumentationsstand zu erhalten, der die epigraphischen und architektonischen Informationen gleichermaßen berücksichtigt. Diese Arbeiten werden in eine dreidimensionale Rekonstruktion der gesamten Inschrift einfließen. Kooperationspartner: Universität zu Köln (J. Hammerstaedt); Hacettepe Üniversitesi Ankara (V. Köse); British Institute at Ankara (N. Milner); M. Ferguson Smith; Fa. SEMA Ankara • Förderung: Universität zu Köln • Leitung des Projekts: M. Bachmann • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: P. Baumeister (Survey), E. İlter, V. İnan, G. Aras (Laserscanning) • Abbildungsnachweis: Oinoandasurvey, DAI, Abteilung Istanbul (Abb. 38–41). 184 Jahresbericht 2007 des DAI Anazarbos Die antike Stadt Anazarbos (Abb. 42) liegt neben und auf einem über 220 m hohen, schroffen Ausläufer des Taurusgebirges inmitten der fruchtbaren Çukurova-Ebene, ca. 60 km nordöstlich der heutigen Provinzhauptstadt Adana. Ziel der dort durchgeführten Surveyunternehmung war es, nicht nur eine nahezu unbekannte Großstadt des römischen Ostens zu untersuchen, sondern vor allem die urbanistische Entwicklung des Stadtorganismus über die verschiedenen Epochen hinweg (3. Jh. v. Chr. – 14. Jh. n. Chr.; danach nicht mehr überbaut) zu verfolgen und diese Veränderungen historisch zu interpretieren. Da von Anfang an geplant war, in diesem Jahr die vorerst letzte Surveykampagne in Anazarbos durchzuführen, stand die Fertigstellung begonnener Arbeiten im Vordergrund: Dies betraf z. B. die schwierige Vermessung der ausgedehnten, nachantiken Burganlagen (Abb. 43) und die zeitintensive Oberflächenfundanalyse. Bei der geophysikalischen Prospektion war stets klar gewesen, dass die lückenlose Untersuchung des gesamten Stadtgebietes nicht zu erreichen sein würde; deswegen wurden zumindest repräsentative Ausschnitte der verbleibenden Areale ausgewählt.Vor allem stand aber die nochmalige Untersuchung einzelner Monumente (spätantikes Bogenmonument, Säulenstraße, Apostelkirche und besonders der ›Arabische Mauerring‹; Abb. 44) unter z. T. sehr speziellen Fragestellungen auf dem Arbeitsprogramm. Bereits in der ersten Kampagne 2004 war eine genaue Aufnahme des über 3 km langen und mit 80 rechteckigen Türmen bestückten ›Arabischen Mauerringes‹ (bestehend aus Hauptmauer mit sehr eng gesetzten Rechtecktürmen, Vormauer mit Vorlagern und befestigtem Wassergraben) erfolgt, wodurch verblüffende Ähnlichkeiten mit den theodosianischen Landmauern von Konstantinopel offensichtlich geworden waren. Zudem war immer aufgefallen, dass so gut wie die gesamte antike Stadt als Steinmaterial in den Spoliensockel dieser Abb. 42 Anazarbos, Blick auf den Burgfelsen und das Stadtgebiet von Westen. Im Vordergrund Reste der monumentalen, kaiserzeitlichen Säulenstraße AA-2008/1 Beiheft Abteilung Istanbul 185 43 Anazarbos Abb. 43 Armenische Sperrmauer des 12. Jhs. auf dem südlichen Plateau des Burgfelsens, die eine Fortsetzung der (byzantinischen?) Ringmauer aus der Ebene überbaut Abb. 44 Verlauf der ›Arabischen Stadtmauer‹ im Norden mit Hauptmauer (links; die Rechtecktürme wurden sämtlich bis auf die Fundamente abgetragen), Vormauer samt Vorlagern und befestigtem Graben 44 Abb. 45 Anazarbos, kaiserzeitliches Bauglied mit Löwenkopfwasserspeier aus dem Graben der Ringmauer (ehemals in der Vormauer verbaut) AA-2008/1 Beiheft Befestigungsanlage gewandert war und nur drei Gebäude innerhalb des Mauerringes verschont blieben: Es handelt sich dabei um zwei Kirchen und ein spätantikes Bogenmonument mit zahlreichen christlichen Symbolen; alle anderen (wie etwa das Theater) wurden vollständig abgeräumt. Aus diesen Gründen bot es sich an, die Mauer noch einmal einer genauen Prüfung zu unterziehen und auf diagnostisches Material im gemörtelten Mauerkern hin zu untersuchen – wobei keiner der Funde eine Datierung nach dem 6. Jh. n. Chr. zwingend notwendig gemacht hätte. Außerdem deutete die Entdeckung eines Steines mit hervorstehendem Kreuzzeichen an, dass die Mauer tatsächlich – zumindest in ihrer Konzeption – noch in byzantinische Zeit gehören könnte. Gleichzeitig mit der Begehung der Befestigungsmauern wurde die Kartierung und Bestimmung der antiken und spätantiken Architekturglieder (Abb. 45) noch einmal intensiviert, um auch auf diesem Wege Anhaltspunkte für die historische Entwicklung der Stadt zu gewinnen. So zeigt sich relativ deutlich, dass jene beiden Perioden, die schriftlichen Quellen zufolge zu den Blütezeiten von Anazarbos gehört haben müssen (2./3. Jh. n. Chr. bzw. 5./6. Jh. n. Chr.), auch bei den bestimmbaren Architekturgliedern zahlenmäßig überproportional stark vertreten sind. Einige wenige Werkstücke des 1. Jhs. n. Chr. sowie des 4. Jhs. n. Chr. runden dieses Bild ab, wobei die späteren Phasen 7.–11. Jh. nahezu überhaupt nicht vertreten sind. Dies ist um so bemerkenswerter, als die riesige Befestigungsanlage – sollte sie aus der arabischen Periode stammen – damit eine ansonsten völlig leere oder nur mit Zelten oder Lehmziegelhütten bestandene Fläche geschützt hätte, was wenig wahrscheinlich anmutet. Aus mehreren Gründen wurde in diesem Jahr auch das weitere Umland in die Arbeiten einbezogen. Erstens bieten zahlreiche armenische Burgen in geringer Entfernung (Tumlu Kale, Yilan Kale, Sis Kale, Bodrum Kale) perfekte Vergleichsbeispiele in Gesamtanlage und Details für die Burganlagen von Anazarbos und zweitens rückten wegen der Besonderheiten der Apostelkirche von Anazarbos auch die Kirchen des unter der Kontrolle dieser Metropole stehenden Gebietes in den Mittelpunkt des Interesses. 186 Jahresbericht 2007 des DAI Kooperationspartner: Institut für Alte Geschichte der Universität Istanbul (M. H. Sayar); Institut für Geowissenschaften, Abteilung Geophysik der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (H. Stümpel) • Förderung: Fritz Thyssen Stiftung • Leitung des Projekts: R. Posamentir • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: H. Birk, A. Bischoff, D. Djuric, I. Engelmann, B. Kellner, U. Kelp, C. Klein, S. Lawrenz, K. Lölhöffel, C. Nowak, E. Özkap, A. Schanze, C. Siegmund • Abbildungsnachweis: R. Posamentir (Abb. 42–45). Kirse Yanı Die byzantinische Residenz Kirse Yanı liegt im karischen Bergland nördlich des Golfs von Gökova etwa auf halbem Weg zwischen Bodrum/Halikarnassos im Westen und Ören/Keramos im Osten. Im Zentrum eines kleinen Tales steht dort neben einem Bachlauf ein isoliertes Gebäude mit rechteckigem Grundriss und rund 350 m2 Grundfläche. Das Erdgeschoss ist mit 5 m ungewöhnlich hoch, aber die unteren beiden Meter sind heute mit Versturz gefüllt. Ursprünglich lagen die Fenster in 3 m Höhe, sie weisen deshalb schräge Sohlbänke für einen besseren Lichteinfall auf (Abb. 46). Über einer Balkendecke folgte das Obergeschoss. Beide Stockwerke haben repräsentativen Charakter. Die Wände waren freskiert, die Nischen mit Mar mor ausgekleidet und die größeren Räume boten jeweils einen architektonischen Blickfang. In einem Fall handelt es sich dabei um drei Bogenfenster 46 47 an der dem Haupteingang gegenüberliegenden Wand (Abb. 46), in einem anderen um drei gleichmäßig über die Wand verteilte Bogenöffnungen, von denen die äußeren Öffnungen Türen und die mittlere eine Rundnische aufnehmen (Abb. 47). Eine Inschrift weist das Gebäude als die Residenz eines kaiserlichen Würdenträgers des 6. Jhs. n. Chr. aus. In Anatolien residierten solche kaiserlichen Würdenträger traditionell in den Städten, wo sie bis um 400 n. Chr. zahlreiche prächtige Atriumhäuser bauten. Das änderte sich jedoch im 5./6. Jh. n. Chr. Die großen Stadthäuser verloren ihren repräsentativen Charakter, wurden in kleinere Wohneinheiten unterteilt oder ganz aufgegeben. Was mit ihren Bewohnern geschah, ist ein viel diskutiertes Rätsel. Manche zog es offenbar aufs Land, z. B. nach Kirse Yanı. Kooperationspartner: K. Konuk (Centre National de la Recherche Scientifique, Institut Ausonius, Bordeaux) • Leitung des Projekts: Ph. Niewöhner • Mitarbeiter: S. Giese • Abbildungsnachweis: Ph. Niewöhner (Abb. 46. 47). Kirse Yanı Abb. 46 Der Hauptraum der frühbyzantinischen Residenz ist 2 m hoch mit dem Versturz des Obergeschosses gefüllt. Die drei Bogenfenster lagen ursprünglich in 3 m Höhe und haben deshalb schräge Sohlbänke für einen besseren Lichteinfall Abb. 47 Ein 2 m hoch verschütteter Erdgeschossraum mit drei gleichmäßig über die Wand verteilten Bogenöffnungen, von denen die äußeren Öffnungen Türen und die mittlere eine Rundnische aufnehmen Istanbul, Holzhäuser Bis in das 20. Jh. hinein war Istanbul ganz überwiegend eine hölzerne Stadt, in der nur die großen Repräsentationsbauwerke aus Stein errichtet worden waren. In einem sich dramatisch beschleunigenden Prozess wurden im Verlauf AA-2008/1 Beiheft Abteilung Istanbul 187 Istanbul, Holzhäuser. Haus Altın Ordu Cad. 20 auf Büyükada, der größten der sog. Prinzeninseln bei Istanbul Abb. 48 Verformungsgetreue Bauaufnahme der Straßenfassade (M. 1 : 100) Abb. 49 Die schmale Straßenfassade des Gebäudes 49 48 AA-2008/1 Beiheft des 20. Jhs. die Holzhäuser der Stadt in großem Stil durch Massivbauten verdrängt, so dass das historische Stadtbild heute so gut wie nicht mehr ablesbar ist. Untersuchungen zu den Istanbuler Holzhäusern haben daher in der Vergangenheit immer wieder einen Schwerpunkt in der Forschungsarbeit der Abteilung gebildet. So wurden Ende der 1970er Jahre zwei der größten, damals noch zusammenhängenden Quartiere mit dieser Bauweise in der Altstadt von Istanbul umfassend dokumentiert, eine Arbeit, deren Wert nach dem weitgehenden Verlust dieser Gebäude in den letzten Jahrzehnten nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. In letzter Zeit richtete sich das Forschungsinteresse der Abteilung verstärkt auf die hölzernen Sommerpaläste am Bosporus aus dem 18. und 19. Jh. Diese sog.Yalıs bestimmten einst in großer Zahl die europäischen sowie asiatischen Ufer des Bosporus; heute sind allerdings nur noch wenige Exemplare vorhanden. Die bauhistorische Bedeutung dieser Gebäude ist sehr hoch, markieren sie doch den Endpunkt einer langen Entwicklung, in der sich die osmanischen Wohnhäuser zu kunstvollen Raumkompositionen herausbildeten. Eines der wichtigsten noch vorhandenen Gebäude ist das Sadullah Paşa Yalısı in Çengelköy aus dem 18. Jh. Dieses große Wohnhaus konnte 2004 in einer verformungsgetreuen Bauaufnahme dokumentiert werden (s. A. Hoffmann, AA 2005/2, 219–222). In diesem Jahr konnten die Untersuchungen zunächst an einem relativ bescheidenen Wohngebäude aus dem Ende des 19. Jhs. fortgeführt werden. Es handelt sich um das Sommerhaus Altın Ordu Cad. 20 auf Büyükada (Abb. 49), der größten der sog. Prinzeninseln südöstlich der Altstadt von Istanbul. Das schmale Gebäude zeigt gegenüber den großen Sommerpalästen am Bosporus die ganze Bandbreite dieser Bauweise aus Holz auf, in der letztlich eine sehr große Vielfalt an Gebäudetypen entstand. Es zeigt aber auch, wie gegen Ende des 19. Jhs. die alten, osmanischen Wohn- und Lebensformen zunehmend aus den Gebäuden gedrängt wurden und einer allgemein-europäischen Gebäudeorganisation Platz machten, in die nur noch wenige Zitate wie etwa der auskragende Erker Eingang fanden (Abb. 48). Das Gebäude wurde von Studierenden der Universität Karlsruhe in einer verformungsgetreuen Bauaufnahme dokumentiert. 188 Jahresbericht 2007 des DAI Aber auch die Dokumentation eines bei weitem prominenteren Objektes konnte in diesem Jahr in Angriff genommen werden. Das Amcazade Yalısı bei Anadolu Hısarı auf der asiatischen Seite des Bosporus ist ein viel zitiertes Beispiel der osmanischen Baukunst und gilt als ältestes Holzhaus Istanbuls; es wird allgemein in das ausgehende 17. Jh. datiert (Abb. 50). Der heutige Baubestand ist nur noch Fragment einer größeren Anlage, die aus den traditionellen Komponenten Haremlik (Wohnbereich) und Selamlik (Besucherbereich) sowie weiteren Nebengebäuden bestand. Während der Haremlik und große Teile der Nebengebäude seit langem verschwunden sind, bestand der Selamlik mit dem spektakulär über den Bosporus auskragenden Divanhane (Empfangszimmer) bis in die jüngste Vergangenheit. Infolge der Vernachlässigung des Bauunterhalts ging jedoch auch dieses Gebäude zu großen Teilen verloren. Allerdings blieb der bedeutendste Teil des Selamlik, der Divanhane mit reichen Wanddekorationen des 18. Jhs. und mit großen Teilen seines konstruktiven Gerüstes aus 50 51 starken Eichenbalken (Abb. 51), trotz starker Beschädigungen bis heute erhalten. Nun sollen Anstrengungen unternommen werden, dieses wichtige Baudenkmal zu bewahren und zu restaurieren. Die Abteilung Istanbul des DAI beteiligt sich an diesen Maßnahmen mit einer verformungsgetreuen Bauaufnahme des verbliebenen Baubestandes als Dokumentation und Grundlage einer Restaurierung. Durchgeführt wurde bereits eine Vermessung des Gebäudes mit Laserscanning. Die Ergebnisse dieses Punktwolkenmodells werden in einem zweiten Arbeitschritt durch Handaufmaß ergänzt und so zu einer umfassenden Dokumentation des stark beschädigten und verformten Gebäudes ausgearbeitet. Kooperationspartner: Istanbul Teknik Üniversitesi (Z. Kuban); Institut für Baugeschichte der Universität Karlsruhe (TH) (D. Roos, J. Böker); Fa. SEMA Ankara • Leitung des Projekts: M. Bachmann • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: B. Batdorj, D. Han, R. Kurt, Y. Akdağ, D. Sulaiman, A. Medved (Bauaufnahme Haus Altın Ordu Cad. 20), E. İlter, V. İnan (Laserscanning Amcazade Yalısı), S.Tezer, B. Ar, Ö. Özcan, D. Altıner, I. Şipal, P. Erdoğan (Bauaufnahme Amcazade Yalısı) • Abbildungsnachweis: DAI, Abteilung Istanbul (Abb. 48–51). Istanbul, Holzhäuser. Amcazade Yalısı Abb. 50 Ansicht des Baubestandes von Südosten mit der zweiten Bosporusbrücke im Hintergrund Abb. 51 Blick in den Wandaufbau des Holzhauses mit der inneren (rechts) und äußeren (links) Schale einer Schrankwand AA-2008/1 Beiheft Abteilung Istanbul 189 Wissenschaftliche Veranstaltungen Vorträge 18. Januar Aslı Özyar (Istanbul), Untersuchungen zum Siedlungshügel TarsusGözlükule, Kilikien, 2001–2006xxx1. Februar Felix Pirson (Istanbul), Pergamon: Neue Forschungen in Stadt und Landschaftxxx15. Februar Necmi Karul (Istanbul), Erste Bauern in der Nordwesttürkei: Die Entwicklung einer neuen Lebensweise am Beispiel Aktopraklıxxx22. Februar Martin Bachmann (Istanbul), Richtungswechsel und Ästhetik. Restaurierungsgeschichte in Ephesos und Pergamonxxx8. März Norbert Zimmermann (Wien), Leben mit Bildern. Neue Forschungen zur Wandmalerei in ephesischen Wohnhäusernxxx15. März Lutgarde Vandeput (Ankara), Pednelissos in Pisidien: Versuch einer Rekonstruktion der Stadtentwicklungxxx29. März Helga Bumke (Bonn), Ein neues archaisches Heiligtum in Didymaxxx19. April Geoffrey Summers (Ankara), Mighty Defences and Palatial Splendour: Research at the Iron Age Capital on the Kerkenes Dağ (Central Anatolia)xxx3. Mai Havva Işkan (Antalya), Der Leuchtturm von Pataraxxx13. Juni Jürgen Seeher (Istanbul), Wie bauten die Hethiter ihre Lehmziegel-Stadtmauern? Experimentelle Archäologie rekonstruiert bronzezeitliche Bautechnikenxxx18. Oktober Felix Pirson (Istanbul), Ansichten des Kriegs. Gedanken zur Kampfdarstellung klassischer und hellenistischer Zeitxxx8. November Hansgerd Hellenkemper (Köln), Die Sommerresidenzen der byzantinischen Kaiserxxx15. November Jürgen Seeher (Istanbul), Wohnen wie in der Steinzeit und segeln wie im Mittelalter. Die Rolle von Experimenten in der Archäologiexxx29. November Philipp Niewöhner (Istanbul), Aizanoi in byzantinischer Zeitxxx5. Dezember Ricardo Eichmann (Berlin), Archäologische Forschungen in Südwestasien. Streifzug durch ausgewählte Projekte der Orient-Abteilung des DAIxxx13. Dezember Christopher Lightfoot (New York), Recent Discoveries at the Byzantine City of Amorium (Emirdağ, Afyonkarahisar). Hauskolloquien 12. Februar Ingo Motzenbäcker (Berlin), Georgienxxx19. Februar Turgut Hacı Zeyrek (Istanbul),Wohnhäuser in Sidexxx2. April Uliana Treyner (Moskau), Hellenistic Ivory Rhyta from Arsacid’s Treasury in Old Nisa, Southern Turkmenistanxxx7. Mai Julia Orlamünde (Berlin), Die Obelisken und Orthostaten aus Assurxxx14. Mai Işıl Işıklıkaya (Istanbul), Die römischen Mosaiken in Pergexxx12. November Haluk Çetinkaya (Istanbul), Vefa Kilise Camii. Wissenschaftliches Netzwerk Seit 2006 besteht an der Abteilung Istanbul ein wissenschaftliches Netzwerk zum Thema »Manifestationen von Macht und Hierarchien in Stadtraum und Landschaft«. Hier werden Projekte von Mitarbeitern und Stipendiaten der Abteilung sowie von Kollegen und Kolleginnen, die im Rahmen von Abteilungsprojekten forschen, methodisch und inhaltlich zusammengeführt. Ziel ist es, das spezifische Profil der Abteilung für die Nachwuchsförderung zu nutzen und so wissenschaftliche Synergien auf dem Gebiet der archäologischen Raumforschung zu erzielen. Das erste Seminar wurde am 8. Februar zum Thema »Grenzen – Strukturierung von Raum durch Grenzziehungen« durchgeführt. Das zweite Seminar am 9. und 10. November beschäftigte sich mit dem Thema »Naturraum«. Das Netzwerk gehört als Teilprojekt zum Forschungscluster 3 »Politische Räume« des DAI. AA-2008/1 Beiheft 190 Jahresbericht 2007 des DAI Workshop 9./10. Februar Workshop »Aktuelle Forschungen zur Konstruktion, Funktion und Semantik antiker Stadtbefestigungen« (im Rahmen des oben genannten Netzwerks in Zusammenarbeit mit dem Architekturreferat der Zentrale des DAI; Organisation: Janet Haberkorn [Berlin], Peter I. Schneider [Berlin], Felix Pirson [Istanbul], Ulrike Wulf-Rheidt [Berlin], Torsten Zimmer [Istanbul]). – Es sprachen: Jürgen Seeher (Istanbul), Wie viele Türme braucht eine Stadt? – Überlegungen zum Aufwand der spätbronzezeitlichen Befestigungsanlagen in ïattuša; Mike Schnelle (Sana’a), Die Stadtmauer von Sirwah (Jemen) – Ein architektonisches Konvolut aus Jahrhunderten sabäischer Herrschaft; Peter I. Schneider (Berlin), Die Mauern von Tayma; Oliver Hülden (München), Überlegungen zur Funktion antiker Befestigungsanlagen; Alexander Sokolicek (Wien), Zum Phänomen des Diateichisma im griechischen Städtebau; Silke Müth – Jürgen Giese – Ute Schwertheim (Berlin/Bamberg), Die Stadtmauer von Messene – »Work in Progress«; Janet Haberkorn (Berlin), Die hellenistischen Stadtmauern von Pergamon; Timm Radt (Stuttgart), Formen und strategische Konzepte – Nicht urbane Wehranlagen in hellenistischer Zeit; Ulrich Ruppe (Frankfurt a. M.), Die Stadtmauer von Priene – Zweckbau, Identifikationsobjekt oder Symbol für Macht?; Judith Bartel (Aachen), Stadtbefestigungen als historische Quelle – Ein bauhistorischer Beitrag zur urbanen Entwicklungsgeschichte Akarnaniens (Griechenland); Christiane Brasse (Cottbus), Die Stadtmauer von Antiochia am Orontes; Eric Laufer (Köln), Mehr Schein als Sein? – ›Römische‹ Stadtmauern in Pamphylien und Südpisidien; Richard Posamentir (Istanbul), Die Mauern von Anazarbos – Erfindung, Übernahme oder von allem ein bisschen?; Philipp Niewöhner (Istanbul), Byzantinische Mauerringe in Anatolien – Vom Statussymbol zum Machtfaktor. Tagungen 8./9. Juni Kolloquium zum 70. Geburtstag von Paul Zanker »Kunst von unten? Stil und Gesellschaft in der Antiken Welt von der ›arte plebea‹ bis heute« (Veranstaltungsort: Rom; Organisation: Abteilung Istanbul des DAI, Abteilung Rom des DAI, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Albert-LudwigsUniversität Freiburg, Columbia University New York; s. auch hier S. 96). 13. bis 16. Juni Internationale Konferenz »Civil Engineering from Early Neolithic to Late Antique Period in Asia Minor«/»Bautechnik im antiken und vorantiken Kleinasien« (Organisation: Martin Bachmann [Istanbul]; Förderung: Spenden der Firmen Knauf, Bau-Streib, Torkret und der Ingenieurgruppe Bauen, Karlsruhe; Abb. 52). – Es sprachen: Martin Bachmann (Istanbul), Zum Abb. 52 Plakat zur internationalen Konferenz »Civil Engineering from Early Neolithic to Late Antique Period in Asia Minor«/»Bautechnik im antiken und vorantiken Kleinasien« AA-2008/1 Beiheft Abteilung Istanbul 191 Forschungsstand der Bautechnik in Kleinasien; Dietmar Kurapkat (Berlin), Das Wissen der neolithischen Bauleute. Zu den Anfängen der kleinasiatischen Bautechnik; Zeynep Eres (Istanbul), Erkenntnisse aus der ländlichen Architektur in Thrakien für das Verständnis der vorgeschichtlichen Flechtwerkbauweise; Bleda Düring (London), Exploring Building Continuity in the Central Anatolian Neolithic and Beyond; Functional and Symbolic Aspects; Maria Teresa Como (Neapel), The Architectural Investigation of the Protopalatial Site of Monastiraki, Crete; Andreas Hüser (Hamburg), Hethitische Staudämme – ›Ingenieur‹-Meisterleistungen in der späten Bronzezeit Anatoliens; Sema Onurlu (Ankara), Building Materials and Construction in Hittite Architecture; Jürgen Seeher (Istanbul),Vom ›Steinbruch‹ bis zur Mauer – Spuren und Rekonstruktionen hethitischer Steinbautechnik; Dirk Paul Mielke (Madrid), Alte Paradigmen und neue Erkenntnisse zur hethitischen Holz-LehmziegelArchitektur; Andreas Schachner (Istanbul), Vom Plan zur Durchführung: Gedanken zu den kulturhistorischen Hintergründen des hethitischen Bauens; Ömür Harmansah (Providence), New Urban Foundations and the Architectonic Culture in Urartu: Stone Masonry at Ayanis during the 7th Century BC; Elizabeth H. Riorden (Cincinnati), Dörpfeld’s Theory of Wood and Mudbrick Architecture: Implications and a Reassessment; Aenne Ohnesorg (München), Versatz und Verbindung von Bauteilen des archaischen Artemistempels von Ephesos – und ein rätselhafter Hebe-Mechanismus?; Alexander von Kienlin (München), Der Tumulus von Tatarlı. Eine bemalte hölzerne Grabkammer in Westphrygien;Timm Radt (Berlin), Bautechnische Eigenheiten im kilikischen Wehrbau am Beispiel des Karasis; William Aylward (Wisconsin-Madison), Lewises in Hellenistic and Roman Building at Pergamon; Hansgeorg Bankel (München), Versatzmarken am Propylon des Apollon Karneios Heiligtums von Knidos; Thekla Schulz-Brize (Regensburg), Bautechnik und Baukonstruktion kleinasiatischer Pseudodipteroi; Ulf Weber (Jena), Der hellenistische Naiskos von Didyma im Licht seiner Versatzmarken des 3. Jhs. v. und des 3. Jhs. n. Chr.; Felix Pirson (Istanbul), Akzidentelle Unfertigkeit oder Bossen-Stil? Überlegungen zur siebten Basis der Ostfront des Apollontempels von Didyma; Murat Durukan (Mersin), Chronology of the Temple Tombs in Rough Cilicia; Lynne Lancaster (Ohio), Early Examples of Pitched Brick Barrel Vaulting in Roman Asia Minor: A Question of Origin and Intention; Hilke Thür (Wien), Ziegelmauerwerk in Ephesos; Ulrike Wulf-Rheidt (Berlin),Warum konnte der römische Ziegelbau in Kleinasien keine Erfolgsgeschichte werden?; Corinna Brueckener (München), Ein Ziegelbau im römischen Osten – Die Rote Halle in Pergamon; Jürgen Hammerstaedt (Köln), Die Bedeutung inschriftlicher Zeugnisse für die Bauforschung; Georg Plattner (Wien), Zum Baubetrieb Kleinasiens in der römischen Kaiserzeit; Klaus Nohlen (Wiesbaden), Röhren im Scheitel. Zur Bautechnik römischer Gewölbe; Gudrun Styhler (Wien) – Hanna A. Liebich (Wien), Das Theater von Ephesos – Der Zuschauerraum in römischer Zeit; Corinna Rohn (Cottbus), Bautechnik am Theaterstadion in Aizanoi: Notwendigkeit oder Teil des Entwurfskonzeptes?; Ursula Quatember (Wien), Tabernakelfassaden des 2. Jhs n. Chr. in Ephesos – Technische Aspekte ihrer Gestaltung; Klaus Grewe (Bonn), Das Relief einer Marmorsäge aus Hierapolis (Phrygien); Dorothea Roos (Karlsruhe), »So bieten diese zerstückten Ruinen einen höchst seltsamen Anblick dar, einem riesigen Skelett vergleichbar.« Zum Steinfachwerkbau im antiken Kleinasien; Ina Eichner (München), Spätantike und byzantinische Bautechnik im südlichen Kleinasien. AA-2008/1 Beiheft 192 Jahresbericht 2007 des DAI Alumnitreffen Am 24. November fand mit großzügiger Unterstützung des DAAD das dritte Alumnitreffen statt, mit dem der Kontakt zwischen der Abteilung und türkischen Nachwuchswissenschaftlern, die Studienaufenthalte in Deutschland absolviert haben, gefördert werden soll. Zu den Themen der Gesprächsrunde mit 29 Teilnehmern gehörten insbesondere archäologische Organisationsformen im 21. Jh. sowie Möglichkeiten der Forschungsförderung und Studentenaustausch. Öffentlichkeitsarbeit Zwischen dem 1. April und dem 17. Juni fanden neun öffentliche Führungen in Stadtvierteln, Gebäuden und Museen in Istanbul durch Mitarbeiter der Abteilung statt. Presseinterviews für nationale und internationale Zeitungen und Zeitschriften sowie Funk- und Fernsehanstalten wurden vor allem im Rahmen der einzelnen Arbeitsprojekte gegeben. Im Institutsgebäude, auf den Grabungen des Instituts sowie an anderen archäologischen Stätten und in verschiedenen Museen wurden zahlreiche Gruppen und Einzelpersonen geführt. Ausstellungen 8. November Eröffnung der Plakatausstellung zum Thema »Fabelwesen und Masken in Byzanz« im Archäologischen Museum in Istanbul (Organisation: Ph. Niewöhner). Für die Dauerausstellung rund um den Alexandersarkophag wurde dem Archäologischen Museum eine weitere farbige Rekonstruktion eines Reliefs überreicht (Abb. 53). Abb. 53 Eine neue Rekonstruktion eines Reliefs des Alexandersarkophags im Archäologischen Museum Istanbul Veröffentlichungen Istanbuler Mitteilungen 56, 2006 Istanbuler Forschungen 49: W. Held, Gergakome – ein ›altehrwürdiges‹ Heiligtum im kaiserzeitlichen Karien Byzas 6: P. Baumeister, Der Fries des Hekateions von Lagina. Neue Untersuchungen zu Monument und Kontext Byzas 7: B. Böhlendorf-Arslan – A. Osman Uysal – J. Witte-Orr (Hrsg.), Çanak. Late Antique and Medieval Pottery and Tiles in Mediterranean Archaeological Contexts J. Seeher, Die Lehmziegel-Stadtmauer von ïattuša. Bericht über eine Rekonstruktion (Deutsch/Englisch/Türkisch) Sonstiges Im Auftrag der Zeitung Hürriyet hat eine aus Wissenschaftlern, Schriftstellern und Journalisten zusammengesetzte zehnköpfige Jury die öffentlichen Bibliotheken der Türkei unter die Lupe genommen. In der am 9. März veröffentlichten Liste nimmt die Bibliothek der Abteilung Istanbul als einzige ausländische Institution unter zehn Mitbewerbern Rang sechs ein. AA-2008/1 Beiheft Abteilung Madrid Abteilung Madrid Serrano 159 E-28002 Madrid Tel.: +34-(91) 561 09 04 Fax: +34-(91) 564 00 54 E-Mail: [email protected] Direktoren Prof. Dr. Dirce Marzoli, Erste Direktorin Prof. Dr. Thomas G. Schattner, Wissenschaftlicher Direktor Wissenschaftliche Mitarbeiter Dr.-Ing. Felix Arnold, PD Dr. Michael Kunst, PD Dr. Dirk P. Mielke Auslandsstipendiaten Dr.-Ing. Nicole Röring (ab 1. 2.) Wissenschaftliche Hilfskräfte Beate Brühlmann M. A., Nina Lutz M. A., Maria Joao Delgado Correia do Santos (ab 1. 2.) Aus Drittmitteln finanzierte Stellen PD Dr. Thomas X. Schuhmacher (DFG), Dr. Gert Goldenberg (DFG), Dr. Thorsten Schifer (DFG), Roland Müller M. A. (DFG) Abteilung Madrid 195 Ausgrabungen und Forschungen Zambujal (Portugal) Der Fundort Zambujal liegt etwa 14 km von der Atlantikküste entfernt im heutigen Concelho (Landkreis) von Torres Vedras (Distrikt Lissabon). Es handelt es sich um eine kupferzeitliche, befestigte Siedlung (Anfang 3. Jt. v. Chr. – 1. Hälfte 2. Jt. v. Chr.). Die Befestigungsmauern mit Türmen und Schießscharten sind teilweise noch 4 m hoch erhalten, eine Seltenheit für diese Epoche auf der Iberischen Halbinsel. Daher ermöglicht die komplexe Stratigraphie wie kaum an einem vergleichbaren Platz Untersuchungen einer fast tausendjährigen Besiedlungsabfolge, u. a. mit einem Glockenbecher-Horizont. Aus dieser gesamten Zeit ist auch Kupferverarbeitung nachgewiesen; damit gehört Zambujal zu den frühesten Belegen von Metallverarbeitung in Südwesteuropa. Bei den diesjährigen Ausgrabungen ging es vor allem um die Präzision der absoluten Chronologie von Zambujal, um die Frage nach der Technologie und dem Stellenwert der Metallurgie in der Kupferzeit sowie um die Baugeschichte der bisher äußeren (Linie IV) und der inneren (Linie I) Befestigungsmauer. Nach dem Kauf des umliegenden Geländes seitens der Stadt Torres Vedras war es in diesem Jahr erstmals möglich, die Grabungen nach Osten zu erweitern (Abb. 1), so dass die Türme der 1995 entdeckten, vierten Linie der Befestigungsmauern vollständig freigelegt werden konnten (Abb. 2). Außerdem wurde durch eine 14C-Daten-Serie (AMS) von 14 Proben kurzlebigen Mate- Zambujal (Portugal) Abb. 1 Blick von Nordosten über den bisher ausgegrabenen Bereich der kupferzeitlichen Siedlung Abb. 2 Blick von Norden über die Linie IV der Befestigungsanlagen am Ende der diesjährigen Grabungskampagne AA-2008/1 Beiheft 196 Jahresbericht 2007 des DAI Abb. 3 Zambujal (Portugal), Blick von Osten in den Schnitt 87 mit Mauerresten eines größeren Gebäudes, in dessen Innerem Funde dokumentiert werden rials (Tierknochen und Getreidekörner) die Chronologie dieser vierten Linie präzisiert. Fast alle Daten stammen aus der 1. Hälfte des 3. Jts. v. Chr., doch entspricht das jüngste Datum aus dem 18. Jh. v. Chr. einem Datum aus der Bauphase 5, das im Vorjahr von der zweiten Befestigungslinie veröffentlicht wurde (s. M. Kunst in: A. Harding – S. Sievers – N.Venclová, Enclosing the Past, Sheffield Archaeological Monographs 15, 84–87). Es stellt sich also die Frage, ob die vierte Linie um die Mitte des 3. Jts. v. Chr. aufgegeben wurde und sich damit die Befestigungsanlage verkleinerte oder ob die vierte Linie auch bis zum Ende der Besiedlung von Zambujal als Befestigungsmauer genutzt wurde. Die oberen Schichten sind hier im Gegensatz zum Zentrum der Anlage nämlich nicht mehr vorhanden. Die einzige Möglichkeit, diese Frage zu beantworten, wäre die Untersuchung des Versturzes der jüngsten Bauten an der vierten Linie, ein Vorhaben, das für die kommende Kampagne geplant ist. In der Osterweiterung der Grabung zeigte sich in der Tat ein solcher Versturz, der entgegen aller Vermutungen noch weiter in die Tiefe geht. Das bedeutet, dass es östlich vor der Mauer der vierten Linie eine Senke oder einen Graben gab, der heute völlig zusedimentiert ist. Ein weiterer Grabungsabschnitt lag zwischen der ersten und zweiten Befestigungsmauerlinie. Hier wurde ein 1 m breiter Streifen ausgegraben, um ein neues Profil zu erhalten, mit dem die absolute Chronologie der Anlage präzisiert werden soll. Daher wurden die gesamten Sedimente geschlämmt. Nördlich davor wurde ein Bereich mit verschiedenen Herdstellen ausgegraben, in denen sich Reste von Kupfermetallurgie fanden. Sedimentproben für spätere, im Labor durchzuführende Dünnschliffuntersuchungen sollen Anhaltspunkte für die erzielten Brenntemperaturen und die genauere Verwendung der Herde erbringen. Unter diesen Schichten konnte die Felskante freigelegt werden, im Bereich südwestlich davor erscheinen Schichten, die möglicherweise in die ersten Besiedlungsphasen zurückreichen. Ein weiteres Grabungsareal liegt im Zentrum der Anlage, im Bereich des Bauernhauses. Dort waren u. a. schon 2004 Reste eines größeren Gebäudes gefunden worden, in dessen Innerem in diesem Jahr minutiös begonnen wurde, Siedlungsschichten von maximal 5 cm Dicke abzutragen (Abb. 3). Genauso wie bei der Grabung zwischen Linie I und II wurde auch hier mit Einzelfundeinmessung dokumentiert. Die Innenfront der Befestigungsmauer von Linie I ist im Bereich des Bauernhauses noch nicht mit aller Sicherheit sichtbar, aber AA-2008/1 Beiheft Abteilung Madrid 197 einige Steinsetzungen und Erdverfärbungen scheinen erstmalig in dieser Grabungskampagne Teile dieser Mauerinnenfront anzudeuten. Kooperationspartner: Câmara Municipal de Torres Vedras • Förderung: Câmara Municipal de Torres Vedras • Leitung des Projekts: M. Kunst • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: N. Lutz, R. Müller, B. Wiedmann, H.-P. Stika (Paläobotanik), G. Casella, J. Fernández, F. Gonçalves (Zeichenarbeiten), G. Amaro, A. Breymeyr, S. Büttner, M. Heise, L. Hanemann (Restaurierung), C. Hernández, I. Hoffmann, L. Juez, A. Kokol, P. KujawinÏski, S. Matzerath, K. Nürnberger, P. Smedt, R.Villalobos • Abbildungsnachweis: D-DAI-MADDG-25-07-728, M. Kunst (Abb. 1); D-DAI-MAD-DG-25-07-766, M. Kunst (Abb. 2); D-DAI-MAD-DG-25-07-631, M. Kunst (Abb. 3). Sizandro-Alcabrichel (Portugal) Abb. 4 a Lokalisierung von Fundorten im Tal des Alcabrichel und deren Kartierung auf einem digitalen Höhenmodell Abb. 4 b Fundkartierung aufgrund von Prospektionen im Bereich der kupferzeitlichen Siedlung vom Pico Agudo, der auf der Südseite des Alcabrichel in der Nähe seiner Mündung in den Atlantik liegt 4a AA-2008/1 Beiheft Sizandro-Alcabrichel (Portugal) Die beiden Flüsse, der Río Sizandro und die Ríbeira de Alcabrichel, bilden im Concelho von Torres Vedras (Distrikt Lissabon) weitgehend parallel laufende Täler und münden etwa 5 km von einander entfernt in den Atlantischen Ozean. An einem Bach, der Ríbeira de Pedrulhos, der von Süden kommend in den Río Sizandro fließt, liegt die kupferzeitliche Befestigungsanlage von Zambujal (s. o.). Die Einzugsgebiete von Sizandro und Alcabrichel eignen sich deswegen hervorragend für die Untersuchung des Territoriums, das im 3. Jt. v. Chr. zu Zambujal gehörte. Andererseits haben Forschungen in den letzten 20 Jahren für die Kupferzeit im Sizandrotal eine Meeresbucht nachgewiesen, von der heute nichts mehr zu sehen ist. In dem Projekt soll nun den Faktoren nachgegangen werden, die das Siedlungsverhalten im Holozän – mit Schwerpunkt in der Kupferzeit – bestimmt haben, und darüber hinaus den klimatisch und anthropogen bedingten Ursachen, die den Landschaftswandel auslösten. I. Geoarchäologische Prospektionen des DAI: Archäologische Untersuchungen: In diesem Jahr wurden nach einer Bestandsaufnahme im Museum und Auswertung der Literatur gezielt vor allem schon bekannte Fundplätze aufgesucht und dort mittels Prospektionen und ihrer Auswertung in einem GIS Fundstreuungen kartiert, aufgrund derer die Lage (Abb. 4 a) und Größe der Siedlungsplätze neu bestimmt werden konnten (Abb. 4 b). Aus den Ergebnissen ließ sich eine erste Arbeitshypothese ableiten, dass nämlich in erster Linie der geologische 4b 198 Jahresbericht 2007 des DAI Untergrund und damit die Bodenqualität sowie der Zugriff auf verschiedene Ressourcen die Wahl der kupferzeitlichen Siedlungsplätze bestimmten (Abb. 5), erst in zweiter Linie strategische Gesichtspunkte. Bodenkundliche Untersuchungen: Aufbauend auf den bisherigen Erkenntnissen zur Bodenentwicklung im Tal des Río Sizandro wurde damit begonnen, die Bodenverhältnisse in Abhängigkeit von der Geologie und den Geländeformen zu dokumentieren. Dabei ergaben sich Hinweise darauf, dass die Bodennutzung durch die Geologie bedingt ist. Die Untergrenze des Bodens (ca. 50 cm Mächtigkeit) koinzidiert in etwa mit den horizontal angeordneten quaderförmigen Blöcken. II. Ausgrabungen in Bolóres, eine Kooperation mit der University of Iowa: 1986 waren an einer Geländeböschung am südlichen Abhang des Sizandrotales (Abb. 6), westlich von Torres Vedras, die Reste eines kupferzeitlichen Kollektivgrabs entdeckt worden. Bei einer ersten portugiesischen Sondierungsgrabung 1986 traten u. a. menschliche Knochen zutage, für deren Ausgrabung es Spezialisten bedurfte. So wurden in diesem Jahr neue Grabungen mit einer amerikanischen Forschergruppe aus Anthropologen und Geoarchäologen begonnen. Sie entnahmen zahlreiche Erdproben und führten Ausgrabungen durch mit dem Ziel, das Aussehen der näheren Umgebung in der Kupferzeit rekonstruieren zu können, die Größe der Fundstelle zu bestimmen und Knochen sowie andere Funde in gesicherten Kontexten zu bergen (Abb. 7). Erste Ergebnisse zeigten für den gefundenen Bestattungsplatz eine Größe von etwa 5 m × 3 m. AMS-Datierungen zweier unverkohlter menschlicher Knochenreste ergaben eine Zeitstellung von 2840–1750 cal BC (Endneolithikum bis Frühbronzezeit). Es wurden insgesamt 1041 menschliche Skelettreste Abb. 5 Kartierung der bisher bekannten Fundorte im Concelho von Torres Vedras (Portugal) im Einzugsgebiet der Flüsse Sizandro und Alcabrichel auf der geologischen Karte. Man erkennt, dass die Fundorte in überwiegender Mehrzahl auf jurasischem Untergrund liegen (M. 1 : 250 000) AA-2008/1 Beiheft Abteilung Madrid 199 Bolóres (Portugal) Abb. 6 Im Jahr 1986, Blick von Nordost auf die Böschung mit dem Kollektivgrab, dessen genaue Lage durch einen Pfeil gekennzeichnet ist Abb. 7 Blick von Norden über die Ausgrabung in dem Kollektivgrab Abb. 8 Bolóres (Portugal), Blick von Osten auf die Reste eines Hockergrabes eines 40–45 Jahre alten Mannes während der diesjährigen Grabungskampagne AA-2008/1 Beiheft geborgen, die sich mindestens vier Jugendlichen und fünf Adulten zuordnen lassen. Es kommen sowohl Primär- als auch Sekundärbestattungen vor, zu einigen gehörten Ockerfragmente bzw. Ockerfärbungen. Am besten erhalten war die Primärbestattung eines 40–45 Jahre alten Mannes (Abb. 8). Im Gegensatz zu den Ausgrabungen von 1986 konnten kaum Grabbeigaben gefunden werden, so sind nur wenige Keramikfragmente und Flintabschläge zu nennen. Eine sehr kleine durchlochte Muschel mit einem Durchmesser von 0,50 cm war zusammen mit einem menschlichen Unterkiefer und einem Lendenwirbel vergesellschaftet. Die AMS-Daten zeigen, dass Bolóres in dieselbe Zeit wie die nur 2 km entfernte Siedlung von Zambujal datiert. Kooperationspartner: Câmara Municipal de Torres Vedras; Department of Anthropology, University of Iowa • Förderung: Câmara Municipal de Torres Vedras; Social Science Funding Program der University of Iowa (für das Projekt Bolóres) • Leitung des Projekts »Geoarchäologische Prospektionen des DAI«: M. Kunst • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: N. Lutz (Prähistorie und GIS), H. Thiemeyer, R. Dambeck, N. Herrmann (Bodenkunde), H.-P. Stika (Archäobotanik), J. A. Kalis (Pollenanalyse), L. J. Trindade (Prospektionen) • 200 Jahresbericht 2007 des DAI Leitung des Projekts »Ausgrabungen in Bolóres«: K. Lillios (Iowa) • Mitarbeiter: J. A. Artz, B. Kendall (GIS, Geoarchäologie), J. Thomas (Prähistorie), A. Waterman, J. Willman (Anthropologie), L. J. Trindade • Abbildungsnachweis: Orthophotos, Câmara Municipal de Torres Vedras, DAI, Abteilung Madrid, N. Lutz (Abb. 4 a. b); Instituto Geológico de Portugal, Abteilung Madrid, N. Lutz (Abb. 5); D-DAI-MAD-KB-35-86-66, J. Patterson (Abb. 6 ); D-DAI-MAD-DG-25-07-308, M. Kunst (Abb. 7); K. Lillios (Abb. 8). Prähistorische Kupfermetallurgie in Zambujal (Portugal) – Von der Erzlagerstätte zum Fertigprodukt Dieses Projekt richtet sich auf die frühe Kupfermetallurgie in Portugal. Ausgehend von Zambujal und anderen kupferzeitlichen Siedlungsplätzen des 3. Jts. v. Chr. in der portugiesischen Estremadura, in denen Metallverarbeitung nachgewiesen ist, wird die Frage nach der Herkunft des Kupfers verfolgt. Ebenso stehen technologische Aspekte der Kupferproduktion im Fokus der interdisziplinären Forschungen. Anhand von archäometallurgischen Analysen an Prozessrückständen (Tiegelfragmente, Kupfer- und Schlackenreste) und an Erzproben verschiedener Kupfervorkommen sowie über montanarchäologische Ausgrabungen wird versucht, die metallurgische Produktionskette vom Ausgangserz bis zum gebrauchsfertigen Metall für die Kupferzeit zu rekonstruieren. Abb. 9 Prähistorische Kupfermetallurgie in Zambujal (Portugal), Karte von Südportugal mit Lage der prospektierten Kupfervorkommen (rote Punkte), der Fundorte von ›prähistorischen‹ Steingeräten (blaue Punkte) und der bislang durchgeführten montanarchäologischen Grabungen (grüne Kreise); M. 1 : 4 000 000 In den vergangenen zwei Jahren konnten hierzu im Rahmen des DFGProjekts zahlreiche Erzvorkommen (repräsentative Auswahl) in Portugal aufgesucht, beprobt und prospektiert werden, zunächst in der näheren Umgebung von Zambujal, dann in immer weiterer Entfernung (Abb. 9). Die Ergebnisse der montanarchäologischen Prospektion sowie von Bleiisotopenanalysen an Kupferartefakten und Kupfererzen lassen mittlerweile den Bereich der Ossa AA-2008/1 Beiheft Abteilung Madrid 201 10 Morena Zone als wahrscheinlichstes Herkunftsgebiet des in der Estremadura verwendeten Kupfers bestimmen (Forschungsstand 2007). In zahlreichen Bergbaurevieren waren hier ›prähistorische‹ Steingeräte (bergmännisches Werkzeug) auf den Halden zu finden. Drei dieser Plätze wurden für archäologische Sondierungsgrabungen ausgewählt (Abb. 9). Neben den bereits im Vorjahr erfolgten Grabungen in Mocissos (Alandroal) und Volta Ferreira (Barrancos), fand in der Nähe von Viana do Alentejo bei Évora (Portugal) eine dritte und vorerst letzte montanarchäologische Grabungskampagne statt. Ziel war die Untersuchung und Datierung einer ehemaligen Kupfermine bei Monte da Angerinha (Abb. 10). Als Ergebnis konnte auch hier ein mehrphasiger Abbau mit prähistorischer Komponente festgestellt werden. Ein verziertes Keramikfragment aus den Haldenschüttungen weist auf eine Nutzungsphase in der Kupfer-/Bronzezeit hin (Abb. 11). Die Datierung der Bergbauaktivitäten mittels 14C-Analysen zeigt, dass die Halden überwiegend in vorrömischer Eisenzeit/frührömischer Zeit entstanden sind, mit einer jüngeren, islamischen Komponente und einer kupferzeitlichen Frühphase: Zwei Daten aus dem Bereich eines ehemaligen Laufhorizontes, auf dem die stratigraphisch älteste Haldenschüttung lagert, belegen Aktivitäten in der 1. Hälfte des 3. Jts. v. Chr (Abb. 12). Der Befund zeigt auch hier, wie bereits in Mocissos im vorangegangenen Jahr, dass der kupferzeitliche Bergbau nur sehr geringe Spuren im Gelände hinterlassen hat, die zudem massiv durch jüngeren Bergbau überprägt und deshalb äußerst schwer nachzuweisen sind. Dort, wo dies gelingt, deuten die bisher dokumentierten archäologischen Reste zunächst auf einen nur kleinmaßstäblichen Bergbau hin, ver- 11 Prähistorische Kupfermetallurgie in Zambujal (Portugal), Angerinha Abb. 10 Ausgrabung über einem verstürzten Abbau, mit Verfüllschichten aus späteisenzeitlich/frührömischer sowie islamischer Zeit Abb. 11 Keramik mit kupferzeitlicher (?) Verzierung aus der Verfüllung des Abbaus (M. 1 : 1) Abb. 12 Haldenprofil mit ehemaligen Laufhorizonten; Schicht 3–4: späteisenzeitlich/frührömisch, Schicht 6–7: kupferzeitlich (belegt durch 14C-Datierungen) 12 glichen mit den sehr viel umfangreicheren Arbeiten der jüngeren (vor allem römischen) Bergbauphasen. Zum Abschluss der analytischen Arbeiten standen weitere Bleiisotopenund Spurenelementanalysen auf dem Programm, außerdem wurden erfolgreich Verhüttungsversuche in Tiegeln mit original portugiesischen Kupfererzen durchgeführt (Abb. 13. 14). AA-2008/1 Beiheft 202 Jahresbericht 2007 des DAI 13 14 Als wesentliche Ergebnisse der Forschungsarbeit dieses Jahres sind die weitere analytische Annäherung an die potentiellen Rohstoffquellen für die Kupferversorgung der portugiesischen Estremadura während der Kupferzeit sowie ein zusätzlicher archäologischer Nachweis kupferzeitlichen Bergbaus in der Ossa Morena Zone zu nennen. Kooperationspartner: A. Monge Soares, R. Mataloto, J. Matos; Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters und MineralogischGeochemisches Institut der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: H. Parzinger, M. Kunst, M. Bartelheim, E. Pernicka (Curt-Engelhorn-Zentrum für Archäometrie Mannheim) • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: G. Goldenberg (Leitung der Ausgrabungen in den Bergbaurevieren, Prospektion, mineralogische Analysen), R. Müller (Metallanalysen, Bleiisotopenanalysen), T. Schifer (NA-Analysen), E. Hanning (Grabungsassistenz, experimentelle Archäologie), M. Carvalho, D. Amaro, G. Amaro • Abbildungsnachweis: Zeichnung, G. Goldenberg (Abb. 9); G. Goldenberg (Abb. 10–12); E. Hanning (Abb. 13. 14). Prähistorische Kupfermetallurgie in Zambujal (Portugal) Abb. 13 Ergebnis eines erfolgreichen Verhüttungsversuches an der Universität Freiburg. Kupfer am Tiegelboden Abb. 14 Experimentelle Archäologie an der Universität Freiburg, Kupfergewinnung im Tiegel mit Blasrohren im offenen Herd Die Kontakte zwischen der Iberischen Halbinsel und dem Maghreb während des Chalkolithikums und der frühen Bronzezeit. Studien zum Austausch von Elfenbein Grundlage des Projekts ist die Erstellung eines möglichst vollständigen Kataloges aller Elfenbeinobjekte der Iberischen Halbinsel, die zwischen 3000 und 1650 v. Chr. (Chalkolithikum bis frühe Bronzezeit) zu datieren sind. Gleichzeitig werden von dem Institut für Geowissenschaften der Universität Mainz verschiedene zerstörungsfrei arbeitende spektroskopische Analysen an ausgewählten Elfenbeinobjekten durchgeführt. Hierdurch soll der genaue Rohmateriallieferant, d. h. Flusspferd, afrikanischer oder asiatischer Elefant, bestimmt und damit die Herkunft des Elfenbeins geklärt werden, welches während des Chalkolithikums und der frühen Bronzezeit auf der Iberischen Halbinsel und im Maghreb verwendet wurde. Letztlich wird eine Analyse des Austausches von Elfenbein im westlichen Mittelmeerraum unter besonderer Berücksichtigung der Beziehungen zwischen dem Maghreb und der Iberischen Halbinsel im 3. Jt. und der 1. Hälfte des 2. Jts. v. Chr. angestrebt. Hierbei sind die ausgetauschten Produkte, Art und Intensität der dahinterstehenden Kontakte und Interaktionen, ihre soziale Bedeutung und Auswirkungen, die beteiligten Partner und ihre soziale Stellung sowie die Routen des Austausches zu untersuchen. In diesem Jahr wurde die Aufnahme von Elfenbeinobjekten in verschiedenen Museen Portugals und Spaniens, besonders im Nationalmuseum in Lissabon und dem Museum von Granada, fortgesetzt. Außerdem sind Objekte aus den aktuell durchgeführten Grabungen Süd- und Zentralspaniens aufgenommen worden. Insgesamt konnten bislang 1100 Elfenbeinobjekte erfasst werden, AA-2008/1 Beiheft Abteilung Madrid 203 15 16 Studien zum Austausch von Elfenbein Abb. 15 Marcella (Portugal), Kuppelgrab mit langem Gang. Verzierter Kamm aus Elfenbein (M. 1 : 1) Abb. 16 Verdelha dos Ruivos (Portugal), Bestattungshöhle. Fragment eines Knopfes mit Appendices aus Elfenbein (M. 1 : 1) AA-2008/1 Beiheft von denen bereits 780 Objekte beschrieben, gezeichnet und photographiert wurden (Abb. 15. 16). Das Hauptaugenmerk lag in diesem Jahr auf den für die Iberische Halbinsel erstmalig durchgeführten Analysen des Elfenbeins. So wurden insgesamt 47 Elfenbeinobjekte bzw. -proben in Mainz untersucht. Dabei wurden verschiedene zerstörungsfreie Analysemethoden getestet. Letztlich lieferten jedoch nur die Fourier-Transformations-Infrarot- (FTIR) Spektroskopie und die Analyse der Schreger-Strukturen brauchbare Ergebnisse. Diese zeigten, dass bereits seit dem Beginn des 3. Jts. v. Chr. überwiegend Elfenbein vom asiatischen Elefanten (Elephas maximus) neben solchem des afrikanischen Steppenelefanten (Loxodonta africana africana) eine Verwendung fand. Zum ersten Mal wurden damit auf naturwissenschaftlichem Wege seit langem vermutete Kontakte zwischen dem östlichen und westlichen Mittelmeerraum belegt. Weitere Analysespektren zeigten jedoch eine große Übereinstimmung mit dem europäischen Waldelefanten (Elephas antiquus). Hier wird zu überprüfen sein, ob es sich tatsächlich um lokal verfügbares fossiles Elfenbein handelte. Erst zum Ende der frühen Bronzezeit erscheint sporadisch auch Flusspferd-Elfenbein. Gleichzeitig wurden die auf einigen Elfenbeinobjekten zu beobachtenden roten Farbspuren als Zinnober bestimmt. Dies bestätigt frühere Analysen, welche eine häufige Verwendung dieses Farbstoffes im Bestattungsbrauch nahelegten. Förderung: DFG • Leitung des Projekts: H. Parzinger,Th. X. Schuhmacher (Forschung) • Mitarbeiter: A. Banerjee (Gruppe INCENTIVS, Institut für Geowissenschaften der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz) • Abbildungsnachweis: Museu Nacional d’Arqueologia, Lissabon Inv. Nr. 985.47.30, Th. X. Schuhmacher (Abb. 15); Museu Nacional d’Arqueologia, Lissabon Inv. Nr. MNA 2839, Th. X. Schuhmacher (Abb. 16). Los Castillejos de Alcorrín (Spanien) Die befestigte Siedlung von Los Castillejos de Alcorrín liegt im unmittelbaren Hinterland der südspanischen Mittelmeerküste am Westrand der Provinz Málaga, nur 25 km westlich von Gibraltar. Hier, an der Nahtstelle zwischen dem afrikanischen und dem europäischen Kontinent, ist die lokale Geschichte von Beginn an durch überregionale Kontakte beeinflusst, die seit dem späten 9. Jh. v. Chr. durch das Wirken der Phönizier erstmals kontinuierlich wurden. Phönizische Niederlassungen in Form kleiner Faktoreien an den Flussmündungen und günstigen Anlegestellen wurden zu Hafen- und Umschlagplätzen, wo mediterrane Seerouten auf die Verbindungswege zum Hinterland trafen. In dem unmittelbaren Hinterland und damit im direkten Einflussbereich zu den phönizischen Siedlungskammern nimmt die einheimische, endbronzezeitliche Siedlung Alcorrín eine dominante Stellung ein. Ihre Lage und Größe sowie die Mächtigkeit ihrer Befestigung und nicht zuletzt auch die guten Erhaltungsbedingungen machen Alcorrín zu einem vielversprechenden Forschungsobjekt für Fragen nach den ersten Kontakten zwischen der einheimischen und der phönizischen Bevölkerung in dieser archäologisch bisher nicht ausreichend erforschten Region. Die 2005 hier begonnenen deutsch-spanischen Forschungen fügen sich in die neue Linie der Phönizierforschung der Abteilung, zu der ebenfalls das Projekt Mogador (s. hier S. 206–208) und öffentliche Veranstaltungen wie der internationale Kongress in Rom gehören (s. hier S. 95 f.) und an der auch die Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen und die Abteilung Rom des DAI beteiligt sind. Zu der diesjährigen Kampagne gehörten geophysikalische Prospektionen, paläogeographische Studien sowie eine Ausgrabung. Die Ergebnisse der geo- 204 Jahresbericht 2007 des DAI magnetischen Untersuchungen lassen den Verlauf der inneren Befestigung erkennen (Abb. 17): Ein 1,60 m tiefer Graben und eine anschließende Mauer ziehen an der Westfront des inneren Plateaus entlang. Zwei Unterbrechungen belegen Zugänge zu dem ›akropolenartig‹ abgesetzten Zentralareal; Strukturen, die in regelmäßigen Abständen und im rechten Winkel an die Innenseite der Mauer stoßen, erinnern an Kasematten. Zu den schon vor zwei Jahren festgestellten mehrräumigen Bauten auf dem Plateau sind zwei weitere erkannt worden, einer von ihnen liegt in unmittelbarer Nähe des südlichen Zuganges. Unter den anderen Ergebnissen der Geophysik ist ein rechteckiger Bau an der Nahtstelle der inneren mit der äußeren Befestigung. Erwähnt sei schließlich noch ein Graben, der außerhalb der mit Bastionen versehenen Westfront verläuft. Die Ergebnisse der archäologischen Sondagen betreffen zum einen das im Vorjahr bereits angeschnittene Gebäude (Schnitt A, D und E) mit dem prunkvollen, mit Muscheln gepflasterten Eingangsbereich (Abb. 18). Dem rechteckigen, dreigeteilten Bau schließen sich nach Osten hin weitere Räume an. Eine Zweiphasigkeit ist zu beobachten. Die Funde sind spärlich, doch aussagefähig: Vorratsgefäße, vor allem an der Außenseite des Gebäudes, sowie Schalen und Schüsseln belegen die Zugehörigkeit zu der letzten Phase der Endbronzezeit. Hervorzuheben, wegen seiner Bedeutung hinsichtlich des Ausmaßes der Beziehungen bzw. der Integration zwischen Einheimischen und Phöniziern, ist ein Fund aus dem Innenraum: Es handelt sich um das Fragment eines endbronzezeitlichen Gefäßes (wohl Vorratsgefäß) mit phönizischen Graffiti (Abb. 19). Den Aussagen der Experten zufolge sind es die ältesten aller bisher von der Iberischen Halbinsel bekannten Graffiti – ihre Vergleiche führen in das frühe 9. Jh. v. Chr. zurück. Mit Schnitt C wurde der innere Befestigungsgraben bis zu der Sohle ausgegraben und auch im Bereich der Mauer wurde tiefer gegraben, so dass sich zum anderen ein erstes Gesamtbild der Fortifikation zeigt. Mit Schnitt F wurde ein Bau untersucht, der die Nahtstelle zwischen der inneren und der äußeren Befestigungsmauer fortifikatorisch besonders hervorhebt, doch die Arbeiten beschränkten sich in diesem Bereich auf ein Anfangsstadium. Zu betonen sind erstmals für diesen Fundplatz vorliegende 14C-Daten, die an Holzkohlen und Tierknochen vorgenommen wurden. Sie liefern Anhalts- Abb. 17 Los Castillejos de Alcorrín (Spanien), innerer Graben der endbronzezeitlichen Befestigung AA-2008/1 Beiheft Abteilung Madrid 205 19 Los Castillejos de Alcorrín (Spanien) Abb. 18 Gebäude im Zentrum der befestigten Anlage Abb. 19 Fragment eines handgemachten, endbronzezeitlichen Vorratsgefäßes mit phönizischen Graffiti (M. 1 : 2) 18 punkte für den Beginn der Siedlungs- und Befestigungsanlage um die Wende des 9. zum 8. Jh. v. Chr. Kooperationspartner: Centro de Estudios Fenicios y Púnicos, Madrid; Gemeinde Manilva (Málaga) • Leitung des Projekts: D. Marzoli; Kodirektion: C. González Wagner; Subdirektion: J. Suárez Padilla • Mitarbeiter: C. León Martín (Manilva), F. López Pardo, E. López Rosendo, V. Peña Romo, M. Torres Ortiz (Centro de Estudios Fenicios y Púnicos, Madrid), E. A. Arjona Quintero, F. J. Paizal González (Universität Málaga), N. Beckmann (Römisch-Germanisches Zentralmuseum Mainz), N. M. Calle Loureiro (Universität Distancia Madrid), H. Domínguez del Triunfo, V. García Coca (Universität Complutense Madrid), D. Godoy Ruiz (Universität Granada), K. Thömel (Fachhochschule für Technik und Wirtschaft Berlin), J. Fernández (Zeichenarbeiten), D. Mielke, R. Neef (Archäobotanik), J. Patterson (Photographie), H.Thiemeyer (JohannWolfgang-Goethe-Universität Frankfurt a. M., Georgaphie) • Abbildungsnachweis: D. Mielke (Abb. 17–19). AA-2008/1 Beiheft 206 Jahresbericht 2007 des DAI Mogador (Marokko) Vor der südmarokkanischen Atlantikküste am Nordrand der großen Meeresbucht von Essaouira liegt die kleine Insel Mogador. Sie ist nach unseren heutigen Kenntnissen der entlegenste phönizische Außenposten. Auf ihr richteten phönizische Seefahrer um die Mitte des 7. Jhs. v. Chr. eine Faktorei ein. Sie nutzten damit an der wenig gegliederten marokkanischen Atlantikküste einen der wenigen Ankerplätze, wo zudem ein Fluss mündet, dessen Verlauf einen Handelsweg ins Innere dieses Kontinentes vorgab. Hier treffen Seehandelswege auf Karawanenrouten. Die heute unbewohnte Insel ist 500 m lang, 400 m breit und an ihrer höchsten Stelle 23 m hoch. Mogador zog schon früh das archäologische Interesse auf sich. Es ging dabei vor allem um den Versuch, dieses Eiland mit den von Plinius d. Ä. überlieferten Purpurinseln zu identifizieren. Seit den marokkanisch-französischen Ausgrabungen der 1950er Jahre haben sich die Methoden der archäologischen For- Abb. 20 Mogador (Marokko), neu erstellter Plan mit 1-Meter-Höhenlinien. Grün markiert sind die archäologisch untersuchten Areale (M. 1 : 7500) AA-2008/1 Beiheft Abteilung Madrid 207 Abb. 21 Mogador (Marokko), Profil des Schnittes F im Bereich des ›Tetre‹ im Südsektor der Insel Abb. 22 Mogador (Marokko), Keramikfunde aus den frühen Schichten der phönizischen Niederlassung. R1-Amphoren, Schalen und Teller der phönizischen sog. Roten Ware, handgemachte Gefäße AA-2008/1 Beiheft schung verfeinert und die Kenntnisse um die phönizisch-punische Geschichte erweitert, auch die Untersuchungsmöglichkeiten haben sich weiterentwickelt. Neue Ausgrabungen auf der Insel wurden damit zu einem Forschungsdesiderat. Mit dem neuen deutsch-marokkanischen Projekt und den thematisch eng verbundenen Arbeiten in Los Castillejos de Alcorrín (s. o.) startete die Abteilung Madrid des DAI 2005 einen Neubeginn der hier angesiedelten Phönizierforschung, die sinnvoll nun auch gemeinsam mit der Afrikaforschung der Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen des DAI durchgeführt wird (s. auch hier S. 303–306) und in das Forschungscluster 3 »Politische Räume« des DAI eingebunden ist. Das neue Projekt ist interdisziplinär angelegt und umfasst ein weites Territorium, das außer der Insel auch das Festland mit einschließt. Außer Archäologen sind u. a. Geographen, Archäobotaniker und Archäozoologen sowie Restauratoren daran beteiligt. Im letzten Jahr wurden mit interdisziplinären Methoden die Vorbereitungen der diesjährigen Grabungen auf der Insel begonnen. So konnten fünf Schnitte in dem südwestlichen Bereich der Insel angelegt werden, die geophysikalischen Messungen weiter ausgedehnt, die geoarchäologischen Untersuchungen fortgeführt, die Vermessung der Insel abgeschlossen und paläobotanische Studien begonnen werden (Abb. 20). Eine bedeutende Erkenntnis ist der durch die Geographen erbrachte Beleg, dass Mogador in phönizischer Zeit keine Insel, sondern eine Halbinsel war. Die Rekonstruktion der antiken Landschaft lässt eine Siedlungskammer erkennen, die für ›koloniale‹ Niederlassungen kennzeichnend ist. Während sich die Interpretation der geophysikalischen Ergebnisse der Kampagne im Vorjahr als falsch erwies und die Ausgrabung der Schnitte A–C keine antiken Strukturen erbrachte, verliefen die Ausgrabungen der Schnitte D–F erfolgreich (Abb. 21. 22). Es fanden sich bis zu 1,50 m starke intakte phönizischpunische Schichten: Über dem gewachsenen sandigen Boden ließen sich in einer bis zu 120 cm hohen Abfolge mehrere neben- und übereinander gelegene Feuerstellen beobachten, die aufgrund der phönizischen Keramikfunde um die Mitte des 7. Jhs. v. Chr. datiert sind. Für ihre genauere chronologische Zuordnung muss vor allem die Auswertung der zahlreichen Holzkohlereste abgewartet werden. Unmittelbar über diesem Horizont folgt eine kompakte, mit Kieseln durchsetzte Schicht mit phönizischer Keramik der 2. Hälfte des 7. Jhs. v. Chr. sowie mit zahlreichen Tierknochen, Muscheln und Schnecken. Bei der Keramik überwiegen phönizische R1-Amphoren, deren Herkunft nach Aussage der Magerung und Brandtechniken vor allem an der Meeresenge von Gi- 208 Jahresbericht 2007 des DAI braltar (›circulo del Estrecho‹) zu suchen ist. Handgemachte Gefäße begegnen in geringer Anzahl seit dem ältesten Horizont, wo sie mit phönizischer Keramik vergesellschaftet sind. Über den phönizischen Schichten folgen Störungen, die auf den Bau der prunkvollen Villa aus der Zeit Juba II. zurückzuführen sind. Für die phönizische Zeit belegen die neuen Ergebnisse, dass zu den ersten auf der Insel archäologisch nachweisbaren Einrichtungen offenbar ein sakraler Bereich zählte, in dem die Göttin Astarte verehrt wurde (Abb. 23). Die Befunde der diesjährigen Kampagne legen zudem nahe, dass die riskanten und nur mit einer gesicherten Infrastruktur durchführbaren Fernfahrten sowie die Gründung der Niederlassung, Erschließung und Nutzung dieses entfernten Raumes vermutlich von Gadir/Cádiz ausgingen. Die Funde bezeugen darüber hinaus phönizische Händler, spezialisierte Fischer, Handwerker, den Austausch mit den Einheimischen, die Einführung neuer Techniken und Sitten, neuer Handelsformen und Werteinheiten (eiserne Obeloi). Die Halbinsel selbst bot keine ausreichenden Ressourcen, es fehlte außerdem an Süßwasserquellen, sogar Zisternen sind für die phönizische Zeit nicht nachgewiesen. Die Existenz dieses Platzes hing damit von der Versorgung und dem Handel mit den Bewohnern des Festlandes ab. Der Sinn und Zweck der fernen phönizischen Niederlassung liegt im Kontakt und im Austausch mit der lokalen Bevölkerung dieser fernen Gegend. Daher sind die Untersuchungen nicht nur auf die Insel konzentriert, sondern umfassen auch das nahe Festland bzw. ein Areal, das in etwa der Provinz Essaouira entspricht (s. auch hier S. 303–306). Abb. 23 Mogador (Marokko), Lampe der ›Roten Ware‹ mit phönizischen Graffiti (M. 1 : 1) Abb. 24 Mogador (Marokko), Team der deutsch-marokkanischen Grabungsmannschaft. Ende November auf der Insel Mogador Kooperationspartner: Institut National des Sciences de l’Archéologie et du Patrimoine (INSAP), Rabat (A. Akerraz, A. El Khayari); DAI, Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen • Förderung: Landesmuseum Württemberg, Stuttgart • Leitung des Projekts: D. Marzoli, A. El Khayari • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: A. El Bertei, H. Hassini, A. Ichkahakh, O. Meddah, D. Mielke, C. Pohl Thiblet, R. Pozo, C.Tappert (Archäologie), H. Brückner, J. Lucas, D. Brill, L. Uncu (Geoarchäologie), R. Neef (Archäobotanik), C. Meyer, E. Schönherr (Geophysik), Chr. Hartl-Reiter (Vermessung), J. Fernández (Zeichenarbeiten), E. Sulzer, W. Bernhard (Restaurierung), H.-P. Wittersheim (Photographie) • Abbildungsnachweis: Chr. Hartl-Reiter (Abb. 20); Zeichnung, J. Fernández (Abb. 21–23); DAI, Abteilung Madrid (Abb. 24). AA-2008/1 Beiheft Abteilung Madrid 209 Zwischen Puig de Sant Andreu und Illa d’en Reixac (Spanien), der Grenzraum zwischen zwei iberischen Oppida Ziel dieser interdisziplinären Studie ist es, die paläogeographische Situation vor, während und nach der iberischen Besiedlung des Puig de Sant Andreu und der Illa d’en Reixac (Ullastret, Girona) zu rekonstruieren (Abb. 25). Dabei ist außerdem die Frage der Anbindung an das Meer zu klären. Schließlich wird die Genese, Gestalt und Nutzung des Raumes zwischen den beiden voneinander nur 500 m entfernten iberischen Oppida Puig de Sant Andreu und Illa d’en Reixac untersucht. In diesem Jahr konzentrierten sich die Arbeiten auf die geoarchäologische Studie im Umfeld der iberischen Siedlungen auf dem Puig de Sant Andreu sowie der Illa de’n Reixac. In der Senke zwischen dem Puig de Sant Andreu und der Illa d’en Reixac wurden neun Bohrungen abgeteuft. Als Orientierung dienten die Ergebnisse der im Vorjahr durchgeführten geophysikalischen Messungen. So liegt die Bohrung Ull 11 innerhalb der mittels Geomagnetik entdeckten, als Mauerreste interpretierten Strukturen. In einer Schicht direkt über dem Festgestein wurden iberische Siedlungsschichten erbohrt. Sie stützen die aufgrund der geophysikalischen Befunde geäußerte Vermutung, dass die Siedlung der Iberer weiter nach Osten reichte als bisher bekannt war. Die nordöstlich anschließenden Bohrungen Ull 12 und 13 erlauben Aufschluss über die schwankenden Ausdehnungen Abb. 25 Iberische Siedlungskammer bei Ullastret (Spanien) AA-2008/1 Beiheft 210 Jahresbericht 2007 des DAI Abb. 26 Ullastret (Spanien), Bohrung Ull 1 im Bereich der Illa d’en Reixac. Im Hintergrund ist der Puig de Sant Andreu zu sehen des ehemals vorhandenen Sees und der Siedlungsfläche. So enthielt auch Ull 12 zahlreiche iberische Keramik- und Bausteinfragmente. Eine genaue Charakterisierung der Ablagerungsmilieus kann erst erfolgen, wenn Ergebnisse der Mikrofossilanalyse vorliegen, da schluffige Ablagerungen im Siedlungsbereich sowohl von Überschwemmungen als auch von den zerflossenen Lehmziegeln der Häuser stammen können. Am südwestlichen Rand der Illa de’n Reixac wurde eine Bohrung innerhalb der bereits freigelegten Siedlungsreste aus iberischer Zeit abgeteuft. Weil die damaligen Ausgrabungen infolge des hohen Grundwasserstandes die Basis der südlichen Befestigungsmauer nicht erreichen konnten und nur bis 4 m unter Flur reichten, zielte die Bohrung Ull 4 darauf ab, die Sedimentschichten bis zum anstehenden Festgestein zu verfolgen. Von der Geländeoberfläche aus gemessen war das neogene Grundgestein in 6,18 m Tiefe zu erreichen, Artefakte sind bis 4,30 m unter der Geländeoberfläche zu finden. Sie können alle in die iberische Epoche datiert werden. Darunter schließen sich etwa 2 m mächtige Ablagerungen eines Sees an. Die Bohrungen Ull 1 und 6 befinden sich auf der bereits mit Georadar prospektierten Traverse zwischen Puig de Sant Andreu und Illa d’en Reixac (Abb. 26. 27). Ull 1 liegt auf einer geophysikalischen Anomalie, die als gröbere Sedimente einer Flussrinne gedeutet wurden. Damit konnte erstmals aufgrund se- Abb. 27 Ullastret (Spanien), Bohrkern von Ull 1 mit Interpretation der sedimentären Fazies AA-2008/1 Beiheft Abteilung Madrid 211 Abb. 28 Ullastret (Spanien), Profil der Bohrung Ull 4 am Südrand der Illa d’en Reixac dimentologischer Evidenz der See von Ullastret nachgewiesen werden. Ab ca. 5 m u. F. wird diese Schicht durch eine Wechsellagerung aus Hochflutlehmen, limnisch-sumpfigen und fluvialen Sedimenten überdeckt. Die fluvialen Sedimente deuten wegen ihrer Korngrößen auf eher kleine fluviale Rinnen hin; ihre geringe Tiefe spricht auch ohne vorliegende 14C-Daten für ein neuzeitliches Alter. Marine Ablagerungen eines möglichen Meeresvorstoßes während der maximalen holozänen Transgression vor etwa 6000 Jahren sind in der Senke von Ullastret nicht nachzuweisen. Die in Bohrung Ull 2 erreichte Tiefe von ca. 3 m unter dem heutigen Meeresspiegel sollte eigentlich für diesen Nachweis ausreichen. Allerdings steht die Mikrofossilanalyse noch aus. Offenbar kam die Transgression nördlich der Illa d’en Reixac zum Stillstand, eine Ansicht, die auch in der Literatur vertreten wird. Die geringe Tiefe der Oberfläche des Festgesteins in Bohrung Ull 9 weist darüber hinaus auf eine Schwelle im Untergrund nördlich der Illa d’en Reixac hin, die das Fehlen mariner Ablagerungen in der Senke von Ullastret erklärt. Zusammengefasst belegen die aktuellen geoarchäologischen Sondierungen im Umfeld von Ullastret eine größere Ausdehnung der iberischen Siedlungen auf dem Puig de Sant Andreu (weiter nach Osten) sowie der Illa d’en Reixac (weiter nach Südwesten) als aufgrund der bisherigen Ausgrabungen bekannt war (Abb. 28). Diese Randbereiche der Siedlungshügel konnten erst besiedelt werden, nachdem sich der vorher dort existierende See (in dessen obersten Sedimenten erste archäologische Materialien zu finden sind) zurückgezogen hatte. Größere antike Flussläufe konnten bislang nicht nachgewiesen werden, lediglich einige neuzeitliche Rinnen, die von Nebenflüssen des Daró stammen. Marine Ablagerungen wurden in der Senke von Ullastret nicht erbohrt. In der östlich angrenzenden Küstenebene zeigt sich dagegen die fazielle Abfolge (von unten nach oben): marine Sande, lagunäre und limnische Sedimente sowie Hochflutlehme. Das Ullastret-Projekt ist in das Forschungscluster 3 »Politische Räume« des DAI eingebunden. Kooperation: Ma. A. Martín i Ortega (Servei d’Arqueología Girona) • Leitung des Projekts: D. Marzoli • Mitarbeiter: H. Brückner, D. Brill, L. Uncu (Fachbereich Geographie Philipps-Universität Marburg) • Abbildungsnachweis: H. Brückner, D. Brill (Abb. 25–27). AA-2008/1 Beiheft 212 Jahresbericht 2007 des DAI Tharsis (Spanien) Wirtschaftsweise, Gesellschaft und Kultur in der Kontaktzone zwischen der Küste und dem Hinterland des hispanischen Südwestens zur mittleren Eisenzeit (5.–4. Jh. v. Chr.) sind Gegenstand dieses Projektes. Das vergleichend angelegte Projekt sieht Forschungen in Tharsis selbst und in zwei weiteren Siedlungen des Umlandes vor, Castro Cerquillo sowie Cerro de la Divisa, die alle in Sichtweite voneinander liegen. Es hat zum Ziel, das Minenzentrum Tharsis, als einzige der großen Minen des Iberischen Pyritgürtels, deren Zustand noch Untersuchungen am antiken Befund erlaubt, in seinem Verhältnis zum Umland zu untersuchen, wobei die Fragestellung mannigfaltige Aspekte enthält. Neben Aspekten der Technik gilt das Interesse vor allen Dingen der Problematik von Zentrum (Tharsis) und Peripherie (Castro Cerquillo, Cerro de la Divisa), zumal zwischen Tharsis und seinem Umland offensichtlich eine Kulturgrenze verläuft. Während nach dem Befund in Tharsis selbst ausschließlich punisch-turdetanische Keramik zutage kam, findet sich in den beiden Orten des Umlandes verhältnismäßig viel handgemachte Keramik, die gewöhnlich als ›keltisch‹ angesprochen wird. Inwiefern partizipiert das (keltische) Umland an dem Metallreichtum (Silber und Kupfer)? Welche Verbindungen bestehen? Welcher Art sind diese? Begonnen wurde im Vorjahr mit den Forschungen im Castro Cerquillo, wo sowohl der topographische Plan erstellt als auch die geophysikalische Untersuchung durchgeführt werden konnten. Auf dieser Grundlage wurden drei Schnitte abgesteckt (Abb. 29). Abb. 29 Tharsis (Spanien), Castro Cerquillo. Plan mit Angabe der diesjährigen Schnitte AA-2008/1 Beiheft Abteilung Madrid 213 31 Tharsis (Spanien), Castro Cerquillo Abb. 30 Blick auf die Grabung Abb. 31 Amphorenscherben in situ 30 Schnitt A (4 m × 10 m) liegt an höchster Stelle bei der Spitze des Hügels in einem Bereich, der nach den geophysikalischen Untersuchungen eher kleinteilige Bebauung zu zeigen schien. Die Anomalien großer dunkler Flecken wurden dem entsprechenden Bericht zufolge als mögliche Schlackenhaufen oder Öfen gedeutet. Die Grabung bestätigte die kleinteilige Bebauung: Rechteckbauten liegen dicht an dicht, netzartig überziehen die Mauern das recht steil abfallende Gelände und folgen überraschenderweise nicht unbedingt den Höhenlinien, wie man vorderhand vielleicht erwarten würde. Schnitt B (10 m × 30 m) liegt tiefer am Hauptabhang des Hügels. Mehrere Mauern ziehen parallel über den gesamten Schnitt, einigermaßen parallel zu den Mauern aus Schnitt A. Zwischen den Mauern liegen besonders oben am Hang Steinverstürze (Abb. 30). Ihre Menge erscheint gering, obwohl natürlich mit einem Schwund zu rechnen ist, da hier früher im Zuge der Beackerung des Grundstücks Steine beseitigt wurden. Aus den Beobachtungen ergibt sich, dass die Mauern aus den örtlich anstehenden Schieferplatten nur einen Sockel aus Stein hatten. Das Aufgehende bestand aus Lehm, der zerflossen ist und als gelbe Schicht allenthalben die Grabungsfläche bedeckt. An den Außenseiten dieser Mauerzüge, innen wie außen, haben sich gelegentlich noch verkeilte Steine erhalten, die sicher zur Aufnahme von Pfosten dienten, mit denen die Dächer der Gebäude gestützt wurden. Die Mauern gehören zu Gebäuden, dazwischen verläuft ein geführter Weg. Schnitt C (5 m × 17 m) wurde dort angelegt, wo die Geophysik einen halbrunden Mauerzug zeigte. Der Grundriss ist auffällig, weil unerwartet, Ergebnisse liegen aufgrund der noch andauernden Arbeiten bislang nicht vor. Die geschilderte Schlacke liegt im Bereich der Hügelspitze an der Oberfläche, in den Schnitten selbst hat sie sich bislang nicht gefunden. AA-2008/1 Beiheft 214 Jahresbericht 2007 des DAI Zusammenfassend erscheint die Regelmäßigkeit der Siedlungsanlage überraschend, die von einer lenkenden Hand bei der Planung der Siedlung Zeugnis zu geben scheint. Die Mauern sind recht einheitlich ausgerichtet – ungeachtet des Verlaufs der Höhenlinien. Die Funde, namentlich Keramik und Fibeln, deuten auf einen Zeitraum des späten 5. und 4. Jhs. v. Chr. Das Bild der Fundkeramik wird bestimmt von punischen Amphoren und sog. keltischer Keramik sowie handgemachten Gefäßen, die der Haushalts- und Kochkeramik zuzurechnen sind; sog. turdetanische Keramik ist selten. Zwei Begehungshorizonte, einer in Schnitt A und einer in Schnitt B, sind von Amphorenscherben übersät (Abb. 31), es handelt sich wohl um Lagerräume. Der Befund kann dahingehend verstanden werden, dass die Siedlung fluchtartig verlassen wurde. Kooperationspartner: Universität Huelva (J. A. Pérez Macías); Museo de Cerro de Andévalo • Leitung des Projekts: Th. G. Schattner • Mitarbeiter: Chr. Hartl-Reiter, J. Patterson • Abbildungsnachweis: DAI, Abteilung Madrid, Chr. Hartl-Reiter, B. Dziekan (Abb. 29); DAI, Abteilung Madrid, J. Patterson (Abb. 30. 31). Die Romanisierung einheimischer Heiligtümer im Westen der Iberischen Halbinsel Mit den beiden nachfolgenden Grabungsprojekten sollen den über 100jährigen Forschungen der Textwissenschaftler (Epigraphiker, Althistoriker, Religionswissenschaftler) Ergebnisse gegenübergestellt werden, die auf archäologischem Wege gewonnen worden sind. Auf diese Weise kann das bestehende Bild der einheimischen Heiligtümer, die nahezu ausschließlich in ihrer romanisierten Form auf uns gekommen sind, abgerundet, ergänzt und differenziert werden. Die Konzentration auf den Westen der Pyrenäenhalbinsel ergibt sich daraus, dass allein dort Inschriften in ausreichender Zahl erhalten sind, welche zu dieser Fragestellung befragt werden können. I. São Miguel da Mota (Portugal): Die Kampagne war die fünfte und letzte im Rahmen des ersten Projektantrags, der für den Zeitraum von 2002 bis 2007 genehmigt worden war. Die Grabung konzentrierte sich auf den oberen Nordostabhang des Hügels São Miguel da Mota, wo angesichts einer dünnen Erdschicht über dem anstehenden Fels ohne viel Aufwand große Flächen aufgedeckt werden konnten (Abb. 33). Das Ziel bestand zum einen in der Erkundung der Ausdehnung der area sacra und zum anderen darin, Fundamente von römischen Gebäuden und Anlagen festzustellen, die zum Heiligtum gehörten; denn diese waren bisher zwar durch Funde von Dachziegeln, nicht aber durch Fundamente oder andere Geländebefunde beobachtet worden. Wie vermutet wurde der anstehende Schiefergrund bereits nach maximal 20–30 cm Abtragung erreicht. In Anbetracht der geringen Dicke dieser Erdschicht waren großformatige Funde nicht zu erwarten. Gleichwohl ist auf den Fund eines Büstenfragments (Abb. 32) und auf andere Fragmente mehr zu verweisen, durch welche die Zahl der aus dem Heiligtum stammenden Werke der römischen Plastik auf annähernd 80 Katalognummern ansteigt. Bei den Funden handelt es sich insofern um Streufunde, als diese aus keinem Zusammenhang stammen, außer gelegentlich einem stratigraphischen, der jedoch in keinem Fall rein römisch ist. Signifikant nimmt die Funddichte ab, je weiter der Schnitt von der Spitze der Hügelkuppe entfernt liegt, wie anhand der Fundausbeute aus den Schnitten 10e–h deutlich wird, die annähernd fundleer waren. In Hinblick auf möglicherweise römische Anlagen konnte nur ein Bauwerk in Schnitt 10d teilweise festgestellt werden, von dem ein L-förmiger Mauerzug erhalten ist. Die übrigen baulichen Anlagen gehören zu dem kupferzeitlichen Castro, das bereits im vergangenen Jahr entdeckt worden war, seine spärlichen Reste liegen an den Abhängen unterhalb der Gipfelplattform. Es handelt sich offenbar Abb. 32 São Miguel da Mota (Portugal), Büstenfragment AA-2008/1 Beiheft Abteilung Madrid 215 33 34 São Miguel da Mota (Portugal) Abb. 33 Blick über die Grabung Abb. 34 Überblick über die kupferzeitlichen Maueranlagen AA-2008/1 Beiheft um die Überreste von zwei Mauerringen sowie einer rundlichen Bastion, die hangabwärts vor dem äußeren Mauerring liegen (Abb. 34). Drei im Bereich des Castros beobachtete Silos dürften zu diesem gehören. Dem keramischen Befund zufolge war das Castro nur kurzzeitig über einen Zeitraum von vielleicht zwei Jahrhunderten in der frühen Kupferzeit besiedelt (1. Hälfte des 3. Jts. v. Chr.). Mit dem römischen Heiligtum des Endovelicus besteht kein Zusammenhang. II. Cabeço das Fráguas (Portugal): Die Testkampagnen des vergangenen Jahres am Fuß des Bergs (Sektor A) und auf dem Gipfel (Sektor B) hatten durchaus unterschiedliche Ergebnisse erbracht. Während sich die Erwartungen im Sektor A, die auf 14 dort in den 1950er Jahren beobachteten Altären basierten, in keiner Weise erfüllten, da in den ausgedehnten Flächengrabungen so gut wie keine römischen Überreste angetroffen wurden, erwiesen sich die beiden Testschnitte im Sektor B als erheblich ergiebiger. Sie zeigten eine durchgehende Besiedlung des Gipfelplateaus ab der späten Bronzezeit (6. Jh. v. Chr.) sowie durch die Eisenzeit (6.–1. Jh. v. Chr.) hindurch an. Römische Zeugnisse fehlten jedoch, so dass sich in Hinblick auf das durch die Inschrift (s. AA 2007/2, 286 Abb. 16) belegte römische Sanktuarium zeitliche Konstellationen einerseits eines Heiligtums ohne Siedlung und andererseits einer Siedlung ohne Heiligtum ergaben. Diese Aporie konnte durch die diesjährige Kampagne durchbrochen werden.Wichtigstes Ergebnis ist die Feststellung einer durchgehenden Besiedlung des Plateaus bis in die römische Zeit hinein. Mehr als die Keramik bilden die Reste von Drehmühlen die Beweisstücke, welche bekanntlich erst ab römischer Zeit in Hispanien üblich werden (Abb. 35). Allerdings ist die Besiedlung nach Ausweis der Fundkeramik nicht gleichmäßig dicht, sondern geht im Laufe 216 Jahresbericht 2007 des DAI der Zeit zurück. So bilden die Scherben der späten Bronzezeit/frühen Eisenzeit (6. Jh. v. Chr.) den weitaus größten Anteil, während die Menge der jüngereisenzeitlichen Scherben geringer ist und diejenige der römischen sehr gering. Es ist nach derzeitigem Wissensstand damit zu rechnen, dass die Siedlung kaum bewohnt war in der Periode, in der das Heiligtum funktionierte. Sollte sich diese Beobachtung durch die Forschung auch in Zukunft bestätigen, läge mit dem Cabeço das Fráguas ein weiteres Beispiel für diesen Fall vor, der ja bereits durch unsere Arbeiten im Heiligtum des deus lar Berobreus auf dem Monte do Facho in Galicien begegnete (s. die Berichte der vergangenen Jahre): Römerzeitliche Heiligtümer des hispanischen Nordwestens und Westens werden in den Ruinen von aufgelassenen Siedlungen eingerichtet. Die Grabung wurde als Flächengrabung angelegt, insgesamt konnten während der Kampagne gut 150 m2 aufgedeckt werden (Abb. 36). Es zeigten sich zwei bauliche Phasen. Zuunterst (und damit älter) befinden sich Rundhäuser, von denen zwei in der Grabung teilweise zutage kamen. Eines der Häuser ist mit knapp 8 m Durchmesser auffallend groß und besitzt im Inneren, aber auch außen kleinere Konstruktionen, welche vermutlich Bänke und Anbauten darstellen. Das andere Rundhaus hat mit etwa 5 m Durchmesser Normalformat. An seiner südöstlichen Außenseite sind zwei der charakteristischen L-förmigen Mauerzüge zu erkennen, die als Anbauten für eisenzeitliche Häuser des hispanischen Nordwestens kennzeichnend sind. Allgemein ist die Beobachtung von Rundhäusern soweit südlich im Lande bemerkenswert, da das Rundhaus üblicherweise als eine Erscheinung des hispanischen Nordens gilt. Zwischen diesen Rundhäusern beherrschen Freiflächen das Bild, wobei Platten auffällig sind, welche in einigermaßen regelmäßigem Abstand liegen und eine Reihe bilden (Abb. 37). Bei den Platten handelt es sich sowohl um verlegte Platten wie auch um anstehende Felsen des Untergrundes, deren ebene Oberflächen wohl als Laufflächen genutzt wurden. Das Material ist der anstehende Granit, die Platten sind amorph und weisen eine durchschnittliche Größe von etwa 1 m2 auf. Interessant ist, dass die Platten eine in ihrem Verlauf möglicherweise abknickende Reihe zu bilden scheinen. Zu dieser Plattenreihe passt eine weitere Reihe von unterschiedlich großen Granitsteinen, welche in schiefem Winkel zu der Plattenreihe aufgestellt waren. Die meisten wurden in Schieflage Abb. 35 Cabeço das Fráguas (Portugal), römische Drehmühlen Abb. 36 Cabeço das Fráguas (Portugal), Sektor B. Steinplan AA-2008/1 Beiheft Abteilung Madrid 217 Abb. 37 Cabeço das Fráguas (Portugal), Sektor B. Gesamtansicht der Mauern AA-2008/1 Beiheft angetroffen, einige jedoch noch stehend. Diese Steinreihe befindet sich nun auf einem höheren Niveau über den geschilderten Rundhäusern, ist daher später und setzt die Abtragung dieser Häuser bis auf das erhaltene Fundamentniveau voraus. Wenn die Häuser aufgrund der großen Menge an Fundkeramik wohl spätbronzezeitlich bis eisenzeitlich datiert werden dürfen, muss die Datierung der erwähnten Steinreihe später sein. Ob auch die Plattenreihe entsprechend spät datiert werden muss, bleibt allerdings zu klären. Diese kann sehr wohl auch zeitgleich mit den Rundhäusern entstanden und in späterer Zeit weiterhin genutzt worden sein. Aufgrund der mehr oder minder genau auf die Inschrift weisenden Ausrichtung der beiden Reihen ergibt sich ein Zusammenhang mit dieser. Es könnte sich um eine Art Plattenweg handeln, der auf die Inschrift zuläuft und von einer Steinreihe gesäumt wird, welche aber nicht parallel zu den Platten gesetzt ist. Die weitergehende Aufdeckung wird möglicherweise weitere Klarheit erbringen. Kooperationspartner – São Miguel da Mota (Portugal): Universität Lissabon (C. Fabião, A. Guerra) • Förderung: Instituto Português de Arqueología (IPA), Lissabon • Leitung des Projekts: Th. G. Schattner • Mitarbeiter: A. Ferreira Rocha, S. Estrela (Lissabon), J. Patterson, G. Saraiva (Portobelo) • Abbildungsnachweis: DAI, Abteilung Madrid, J. Patterson (Abb. 32–34). Kooperationspartner – Cabeço das Fráguas (Portugal): Universität Lissabon (C. Fabião, A. Guerra) • Leitung des Projekts:Th. G. Schattner • Mitarbeiter: M. J. Santos, J. Patterson, J. Fernández • Abbildungsnachweis: DAI, Abteilung Madrid, J. Patterson (Abb. 35. 37); Zeichnung, DAI, Abteilung Madrid, J. Fernández (Abb. 36). 218 Jahresbericht 2007 des DAI Abb. 38 Munigua (Spanien), Steinbruch Mesa Verde mit Siedlung (M. 1 : 2000) Munigua (Spanien) Mit dieser Kampagne geht ein Forschungsprojekt dem Ende zu, das während der vergangenen Jahre der Wirtschaftsgrundlage der hispano-römischen Stadt Munigua in Andalusien gewidmet war. Eine ganze Reihe von Eigenheiten zeichnet diese Stadt aus, die sie von den Hunderten der anderen römischen Städte Hispaniens abgrenzt. Die Wirtschaft Muniguas, besonders die Minen (Kupfer und Eisen) sowie Steinbrüche (Kalkstein), aber auch die Landwirtschaft dürften in ihrer Wertschöpfung mitbestimmende Faktoren gewesen sein. Munigua war der größte Eisenproduzent der westlichen Baetica. Wie es scheint, finden die geschilderten Eigenheiten nicht zuletzt in der Wirtschaft dieser Stadt ihre Begründung. Im Rahmen der Forschung zur Wirtschaftsgrundlage der Stadt wurde die topographische Aufnahme von antiken Denkmälern fortgesetzt, namentlich der römischen Steinbrüche, der Wege, Brücken und Gebäude. Südöstlich von Munigua wurde in der Gemarkung Mesa Verde ein weiterer Steinbruch aufgemessen, der sich dadurch auszeichnet, dass Gebäudereste der entsprechenden Siedlung zutage liegen (Abb. 38). An der Gleichzeitigkeit und an dem ZusamAA-2008/1 Beiheft Abteilung Madrid 219 39 a 39 b Abb. 39 a. b Munigua (Spanien), römische Brücke im Gebiet der Steinbrüche von Mesa Herrera menhang besteht in jedem Fall kein Zweifel.Von einem Gebäude konnte der Grundriss gezeichnet werden, es handelt sich um ein Haus mit großem Innenhof und seitlichen, länglichen Räumen. Ähnliche Grundrisse zeigen als Werkstätten angesprochene Gebäude in Munigua. In dieser Gemarkung wurden, wie schon in den Vorjahren, eine ganze Menge an Mikrolithen wohl der mittleren bis späten Steinzeit aus Silex beobachtet, ein Gestein, das örtlich nicht ansteht. Im Tal des Puerco, des wasserreichsten Baches der Gegend, wurde eine gut erhaltene römische Brücke von 17 m Länge gefunden, die bislang völlig unbekannt war (Abb. 39). Nördlich von Munigua ist der Fund von Gebäuderesten bzw. einer Siedlung bei der Mine Navalázaro bemerkenswert, da aus dieser Mine das Eisenerz Muniguas stammt. Es handelt sich um einfache rechteckige Häuser. Kooperationspartner: Universität Huelva (J. A. Pérez Macías); Fa. Cobre Las Cruces, Sevilla (G. Ovejero) • Leitung des Projekts: Th. G. Schattner • Mitarbeiter: Chr. Hartl-Reiter • Abbildungsnachweis: DAI, Abteilung Madrid, Chr. Hartl-Reiter (Abb. 38. 39). Mérida (Spanien), Römisches Theater und ›Marmorforum‹ Die antike Hauptstadt Lusitaniens, Colonia Augusta Emerita, liegt in der spanischen Extremadura ca. 350 km westlich von Madrid. Hier befinden sich das bekannte römische Theater aus dem 1. Jh. v. Chr. sowie das sog. Marmorforum (1. Jh. n. Chr.) mit seiner am Vorbild des römischen Augustusforums orientierten reichen statuarischen Ausstattung, darunter die bisher einmalige Marmorkopie der Aeneas-Gruppe. Seit Frühjahr 2005 läuft ein Projekt zur Bauaufnahme und bauhistorischen Untersuchung des römischen Theaters in Mérida, welches in diesem Herbst durch die Erforschung des ›Marmorforums‹ erweitert werden konnte. Untersucht werden Fragen zur städtebaulichen Entwicklung und Monumentalisierung der Stadt Mérida im Allgemeinen sowie Fragen zu der baugeschichtlichen Entwicklung der beiden Bauwerke im Detail und im Vergleich untereinander, um jeweils eine relative Bauchronologie zu erarbeiten. Durch die Bauaufnahme beider Bauwerke werden einzelne Bauphasen dokumentiert und so eine Rekonstruktion der baulichen Entwicklung beider Anlagen ermöglicht. AA-2008/1 Beiheft 220 Jahresbericht 2007 des DAI Das römische Theater von Mérida ist seit den 1960er Jahren nahezu komplett wieder aufgebaut und gehört zu den am besten erhaltenen antiken Theatern auf der Iberischen Halbinsel (Abb. 40). Es handelt sich hierbei um einen Theater-Peristyl-Komplex mit den Hauptelementen cavea (Zuschauerraum), und Bühnengebäude mit reich dekorierter scaenae frons (Bühnenfassade) sowie gestalteter Rückwand mit zugehöriger porticus (Säulenhalle) wie auch einem sich dahinter anschließenden Peristyl und einem gestalteten Garten mit einer dreiseitig umlaufenden und einst überdachten Säulenhalle zum Flanieren während der Pausen. Trotz einer fast 100jährigen Forschungsgeschichte fehlt eine baugeschichtliche Untersuchung bis heute völlig. Aufgrund dieser neuen Untersuchungen können größere Bauphasen belegt werden, die hinsichtlich der unterschiedlichen Hauptelemente in ihrer Größe und Anordnung zueinander neue Erkenntnisse bringen. Aus dem bisherigen Befund lässt sich folgern, dass die mit grauen Marmorsäulen und weißem Marmordekor gestaltete scaenae frons in der ersten Bauphase komplett aus Granit aufgebaut gewesen sein muss. Ferner bieten Abarbeitungsspuren an den Seitenflächen unterhalb des Tonnengewölbes der beiden Eingänge zum Wandelgang der cavea ohne Zweifel den einzigen Hinweis auf eine spätere Veränderung an diesem Gebäude (Abb. 41). Dies deutet auf ein früheres, tiefer liegendes Tonnengewölbe hin. Daraus lässt sich schließen, dass die cavea erst in einer weiteren Baumaßnahme erhöht wurde. Im Peristyl sind mehrere Bauphasen zu erfassen. Für einen späteren Anbau des Peristyls sprechen vor allem die Granitstufen, die zwischen die Säulen der ursprünglich einzigen, direkt hinter das Bühnengebäude gelegten Säulenhalle gezwängt wurden. Daran zeigt sich, dass diese ursprüngliche Säulenhalle um drei weitere Flügel zu einer porticus post scaenam (Peristyl hinter der Bühne) mit einer gestalteten Gartenanlage im Inneren komplettiert wurde. Abb. 40 Mérida (Spanien), Ansicht von Osten auf das römische Theater und das dahinter liegende Peristyl Abb. 41 Mérida (Spanien), östlicher Eingang zum Wandelgang der ima cavea. Der rote Pfeil weist auf den Ansatz des ehemaligen Tonnengewölbes hin AA-2008/1 Beiheft Abteilung Madrid 221 Abb. 42 Mérida (Spanien), Ansicht nach Nordosten auf das ›Marmorforum‹ Während der ersten Bauaufnahmekampagne an dem ›Marmorforum‹ (Abb. 42) konnte die in der archäologischen Fachwelt in Mérida zur Zeit angezweifelte ›Granitphase‹ anhand der bauhistorischen Untersuchungen eindeutig belegt werden. Die in den 1980er Jahren freigelegte Ecke dieser Platzanlage weist eine für die römische Zeit typische Bauform in opus caementicium auf. Dieser ›Beton‹ ist mit einer äußeren Schalung aus Bruchsteinen und horizontalen Ausgleichsschichten aus Ziegeln gegen den bis zu 1,50 m hoch anstehenden Felsen aufgebracht. Der Sockel bestand einst aus profilierten Ziegelsteinen, die stuckiert waren, was anhand von Resten auf dem Ziegelsockel nachgewiesen werden konnte. Zu einer späteren Zeit wurde dieser Sockel mit einem Ziegelmörtel ›begradigt‹, um hier eine ebene Fläche für eine Marmorverkleidung zu erhalten. Ferner konnten akribische Untersuchungen belegen, dass der Raum Nr. 2 im Norden erst in einer späteren Bauphase eingebaut wurde. Der hier einst anstehende Felsen wurde nachträglich abgearbeitet, was die Außenschale zum südlich daran anschließenden, bereits bestehenden Raum Nr. 1 dieser Trennwand beweist. Darüber hinaus war zu beobachten, dass sich in diesem Raum Nr. 2 kein Ziegelsockel unter dem Marmorsockel befindet. Somit lassen sich hier eindeutig zwei Bauphasen unterscheiden, die ›Granitphase‹ und die ›Marmorphase‹, welche der von den spanischen Archäologen sog. Monumentalisierung von Emerita zuzuordnen ist. Weitere geplante Grabungen seitens der spanischen Kollegen, sowohl im Theater als auch im sog. Marmorforum, werden im Frühjahr und Herbst des kommenden Jahres in gemeinsamer Absprache durchgeführt. Diese sollen die abschließende Bauaufnahmekampagne mit weiteren Erkenntnissen zu den Gebäuden komplettieren. Zur Abschlussdokumentation des Theaters sind noch eine Bauaufnahme der Ansicht der scaenae frons sowie die Aufnahme ausgewählter Baudetails geplant, die über die bauliche Entwicklung hinaus auch Aufschluss über einen gesicherten Aufbau der Fassade liefern soll. Teilschnitte durch die vomitoria (Zugänge) der ima cavea (erster Rang) sollen die Vermutung einer Aufstockung des Zuschauerraumes während einer späteren Bauphase bestätigen. AA-2008/1 Beiheft 222 Jahresbericht 2007 des DAI Der Vergleich beider Bauwerke lässt schon jetzt erste chronologische Folgerungen zu, die anhand der gleichen verwendeten Baumaterialien gerade im Zuge von Erweiterungen und Umbauten übereinstimmen. Weitere Untersuchungen und Vergleiche beider Bauten sollen helfen, sich einer absoluten Bauchronologie zu nähern. Kooperationspartner: Consorcio Mérida Ciudad Monumental HistóricoArtística y Arqueológica (P. Mateos Cruz); Università degli Studi di Roma »La Sapienza« (C. Brianchini); Museo Nacional de Arte Romano (J. M. Álvarez Martínez, T. Nogales Basarrate) • Förderung: Gerda Henkel Stiftung; Junta de Extremadura • Leitung des Projekts: N. Röring • Mitarbeiter: B. Marr, J. Pflug • Abbildungsnachweis: D-DAI-MAD-JP-DG-38-07-085, J. Pflug (Abb. 40); D-DAI-MAD-JP-DG-38-07-147, J. Pflug (Abb. 41); D-DAI-MADNR-DG-38-07-191, N. Röring (Abb. 42). Römische Villen in Hispanien und Gallien – eine vergleichende Untersuchung zur Architektur, Ausstattung und Funktion römischer Prachtvillen im Westen des Römischen Reiches In diesem Dissertationsvorhaben werden diejenigen Villen der gallischen und hispanischen Provinzen untersucht, die der reichen und politisch führenden Schicht der römischen Gesellschaft zuzurechnen sind. Im Vordergrund steht der Vergleich der architektonischen Konzepte sowie der baugeschichtlichen Entwicklung. Ziel ist es, lokale Traditionen, die Kontakte zwischen den Provinzen sowie die überregionalen Konstanten im Villenbau zu beleuchten. Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich vom frühen 2. bis zum Ende des 4. Jhs. n. Chr., d. h. von der mittleren Kaiserzeit bis in die Spätantike. Diese Periode bildet gleichzeitig die Blütezeit des Villenbaus in den westlichen Provinzen. Die behandelten Villen sollen vorerst als Prachtvillen bezeichnet werden. Zur Bestimmung und Abgrenzung einer ›Prachtvilla‹ von anderen ländlichen Anwesen werden verschiedene Parameter herangezogen. Architektonisch sind das vor allem die Gesamtgröße der Anlage, die Fassadengestaltung der Villa sowie Größe und Form bestimmter repräsentativer Räume und Raumgruppen, wie die Triklinien (Speisesäle), Empfangshallen, Badeanlagen, Portiken (Säulenhallen) und Peristylhöfe (von Säulenhallen umgebene Höfe); außerdem das Auftreten besonderer Raumformen, z. B. von Apsiden, und das Überwiegen repräsentativer Räume im Vergleich zu kleineren Arbeits- und Wirtschaftsräumen. Auch aufwendige Grab- oder Sakralbauten, die mit einer Villa in direktem Zusammenhang stehen, spielen eine wichtige Rolle und können Aufschlüsse über die Bedeutung der Villa geben. Ein Vergleich der auf einen einheitlichen Maßstab von 1 : 1000 gebrachten Villengrundrisse zeigt, dass sich die Villen innerhalb der einzelnen Typen zu Gruppen von recht einheitlichen Größen zusammenschließen lassen. In Nordgallien herrscht der Typus der Portikusvilla vor, bei der die Räume hinter einer vorgelagerten Säulenhalle liegen. Die Fassade wird über eine Portikus hinaus an den Seiten meist zusätzlich durch hervorspringende Gebäudeblöcke (Eckrisalite) betont. Diese charakteristische, die gesamte Villenfront einnehmende Fassadengestaltung aus Portikus und Eckrisaliten eignet sich als Vergleichsgröße dieser Villen. Dabei zeigt sich, dass die größten Anlagen recht einheitliche Fassadenlängen von ca. 100 m besitzen. Allein durch den reinen Größenvergleich lässt sich eine Villa jedoch noch nicht den ›Prachtvillen‹ zuordnen, da die Größe auch mit naturräumlichen Gegebenheiten in Zusammenhang stehen kann. Auffällig ist zum Beispiel, dass die in den weiten, fruchtbaren Ebenen der Picardie (Nordfrankreich) errichteten Villen insgesamt deutlich größer sind (bis zu 100 m Fassadenlänge) AA-2008/1 Beiheft Abteilung Madrid 223 als in kleinräumlichen Regionen (mit durchschnittlichen Fassadenlängen von 30–40 m). Dennoch sind diese Villen in der Picardie jedoch meistens nicht als Prachtvillen zu interpretieren, sondern sie funktionierten hauptsächlich als landwirtschaftliche Betriebe. Um eine Villa zu den Prachtvillen rechnen zu können, müssen neben der Größe auch die anderen oben genannten Faktoren mit berücksichtigt werden. In den hispanischen Provinzen kommen überwiegend Villen vor, die um Peristylhöfe angeordnet sind. Nimmt man bei diesen Anlagen die Peristylhofflächen als Vergleichsgröße, lassen sich auch hier Villengruppen bilden. Diese Vergleichsbeispiele ergeben, dass eine Gruppe etwas kleinerer Villen mit 10– 20 m Seitenlänge und eine Gruppe größerer Anlagen mit Peristylseitenlängen von 30–40 m zusammengefasst werden können. Auch hier kann die Größe nur als Ausgangspunkt genommen werden, während die Villen im Einzelnen auf die aufgestellten Vergleichsparameter hin zu untersuchen sind. Daneben gibt es auf der Iberischen Halbinsel auch einige wenige Beispiele für Portikusvillen, oder aber Peristylvillen, die ebenfalls die charakteristischen Portikus-Eckrisalit-Fassaden der Portikusvillen als Gestaltungselement ihrer Eingangsfronten verwenden. Hier wird der Frage nachzugehen sein, ob die Verwendung dieses Architekturzitates auf einen direkten, interprovinzialen Austausch zurückgeführt werden kann. Darüber hinaus werden einige Villen Galliens und Hispaniens wegen ihrer enormen Ausmaße und/oder der verwendeten Bauformen, wie beispielsweise aus der Sakralarchitektur, in der Literatur als kaiserliche Villen angesprochen oder als Villen interpretiert, die sekundär in kaiserlichen Besitz kamen. Dazu gehören u. a. die Villen von Els Munts (Provinz Tarragona), Centcelles (Provinz Tarragona), Cercadilla (Provinz Córdoba), Chirigan (Département HauteGaronne) und Konz (Rheinland-Pfalz). Es soll in dieser Arbeit deshalb auch der Versuch unternommen werden, eine Antwort auf die Frage zu finden, ob und nach welchen Kriterien es möglich ist, innerhalb der Gruppe der Prachtvillen eine weitere Differenzierung vorzunehmen und ob zwischen aristokratischen und kaiserlichen Anlagen unterschieden werden kann. Gerade auch hierbei ist das gewählte großräumige Untersuchungsgebiet unabdingbar. Projektbearbeiterin: B. Brühlmann. Die islamischen Villen von Córdoba (Spanien) Als Beispiel eines herrschaftlichen Landsitzes im Umfeld des islamischen Córdoba wird im Rahmen des Forschungsclusters 3 »Politische Räume« des DAI der Gartenpalast ar-Ruman¥ya dokumentiert. Bei dem Gebäudekomplex, der einstigen Sommerresidenz (al-munya) eines Finanzministers des Kalifen alHakam II. (961–976 n. Chr.), handelt es sich um die großflächigste islamische Villa, die bislang auf der Iberischen Halbinsel bekannt geworden ist. Die Villa, an den Hängen der Sierra Morena gelegen, umfasst auf einer Gesamtfläche von 4,5 ha einen großen Wohntrakt und ausgedehnte Gärten auf vier Terrassen. Die Untersuchung der Anlage soll einerseits zur Klärung der Frühgeschichte der andalusischen Palastarchitektur beitragen, andererseits die Grundlage für einen Vergleich zwischen römischer und islamischer Villenarchitektur schaffen (Abb. 43). In diesem Jahr konnte die Bauaufnahme der heute sichtbaren Reste von arRuman¥ya weitgehend abgeschlossen werden. Zu den wichtigsten Ergebnissen zählen Erkenntnisse zur Wegeführung, zum Bewässerungssystem sowie zum Aussehen der repräsentativen Räume des Landsitzes. Für das kommende Jahr sind punktuelle Grabungen zur Klärung ausstehender Fragen geplant. AA-2008/1 Beiheft 224 Jahresbericht 2007 des DAI An der Südostecke dieser Anlage wurde ein bislang unbekannter Torbau entdeckt, der aus einer Torpassage und Nebenräumen bestand. In der Verlängerung seiner Achse führten Rampen entlang der östlichen Außenmauer auf die oberen Terrassen der Villa. Entgegen der bisherigen Meinung erfolgte die Erschließung der Gärten somit nicht von oben – von den Wohngebäuden aus –, sondern von unten. Indem Gäste die Gärten durchquerten bevor sie das Hauptgebäude erreichten, waren die Gartenterrassen weniger privat als bislang angenommen und damit integraler Teil der Inszenierung öffentlicher Empfänge. Die Wasserversorgung der Villa wurde auf vielfältige Weise gesichert. Bekannt waren bereits eine Quellfassung, eine Sickergalerie sowie ein Bach, der allerdings nur nach Starkregen Wasser führt. Zusätzlich wurde dieses Jahr ein Kanal entdeckt, der offenbar Wasser aus den Bergen zur Villa leitete. Neu identifiziert werden konnten auch Reste des Bewässerungssystems der Gartenterrassen. Auf jeder Terrasse lag demnach ein Wasserbecken, von dem aus das Wasser über einen Verteilerkanal in kleinere Bewässerungskanäle geleitet wurde (Abb. 44). Zumindest auf der mittleren Gartenterrasse waren diese Kanäle in einem regelmäßigen Abstand von 8,50 m angelegt. Für das kommende Jahr sind archäobotanische Untersuchungen geplant, die zur Rekonstruktion der ehemaligen Bepflanzung der Gärten beitragen sollen. Bereits im vergangenen Jahr konnten die Reste der Südfassade eines repräsentativen Saales dokumentiert werden, der über dem Staudamm des großen Abb. 43 Córdoba (Spanien), isometrische Rekonstruktion der Villa ar-Rumanīya Abb. 44 Córdoba (Spanien), das große Wasserbecken von ar-Rumanīya AA-2008/1 Beiheft Abteilung Madrid 225 Abb. 45 Córdoba (Spanien), Gazellenkopf auf einem Marmorbecken im archäologischen Museum von Córdoba, das 1926 in ar-Rumanīya entdeckt wurde Wasserbeckens der Villa gelegen hatte. In diesem Jahr wurden Reste der rückwärtigen Nordfassade des Saales entdeckt. Sie war ebenso wie die Südfassade in ihrer Mitte durch eine Arkade dominiert, die seitlich kleinere Öffnungen flankierten. Die Maueröffnungen erlaubten einerseits einen Ausblick auf den Garten, andererseits auf das große Wasserbecken und machten den Saal weitgehend transparent. Neben ihrer ästhetischen Funktion waren die Öffnungen insofern von raumklimatischer Bedeutung, als sie im Sommer für Durchzug sorgten. Im Winter wurden die Öffnungen der Südfassade durch große Holzflügel verschlossen. Außerdem konnten in diesem Jahr mehrere Bauteile aus ar-Ruman¥ya dokumentiert werden, die heute im archäologischen Museum von Córdoba aufbewahrt werden. Darunter befinden sich zwei Marmorbecken, die mit Löwen, Gazellen und Steinböcken dekoriert sind (Abb. 45). Auf dem Fragment eines dritten Beckens haben sich Reste einer Inschrift mit dem Datum [35]5 (965/66 n. Chr.) erhalten. Auf der Volute eines Säulenkapitells sind Vögel dargestellt sowie der Kopf eines Löwen. Die für das islamische Córdoba ungewöhnliche Fülle an Tiermotiven kann als ein Verweis auf den Paradiesgarten interpretiert werden. Ein weiteres Teilprojekt ist der Untersuchung des Sommersitzes gewidmet, den sich J. M. de Olivares, Marqués de Murrieta und Bruder des kubistischen Malers A. de Olivares, 1926 auf dem Gelände der mittelalterlichen Villa errichten ließ. Der Bau war ein Frühwerk der Architekten C. Arniches und M. Domínguez und galt bis zu seinem Abriss 1999 als Beispiel des Übergangs vom Regionalismus zur frühen Moderne in Spanien. Kooperationspartner: Colegio de Arquitectos de Córdoba (R. Obrero); Conjunto Arqueológico de Madinat al-Zahra (A. Vallejo Triano); Fachhochschule Lübeck (H. Fahlbusch); Universidad Autónoma de Madrid (A. Canto García); Universidad de Jaén (O. Rodríguez Ariza) • Leitung des Projekts: F. Arnold • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: S. Arnold, M. Beiersdorf, J. Forné León, F. Giese-Vögeli, K. Glomb, M. Hofmann, Th. Köberle, A. Kreisel, J. Patterson, A. Waldmann • Abbildungsnachweis: F. Arnold (Abb. 43); DAI-MAD-DG-32-07-221, J. Patterson (Abb. 44); DAI-MAD-R25-07-16, J. Patterson (Abb. 45). Wissenschaftliche Veranstaltungen Hauskolloquien 27. Februar Veranstaltung für Freunde des Hauses und Sponsoren. – Es sprachen: Botschafter Wolf-Ruthart Born (Madrid) – Frank Abegg (Madrid), Grußworte; Gobain Ovejero (Sevilla)‚ Metal en la Península, ayer y hoy; Dirce Marzoli (Madrid), Präsentation einer Übersicht der wissenschaftlichen Forschungen und Grabungen der Abteilung Madridxxx28. Februar Emilio Martín Córdoba (Vélez Málaga)‚ Nuevas investigaciones fenicias en la costa de VélezMálagaxxx29. Mai Beate Brühlmann (Madrid)‚ Die römischen Villen in Hispanien und Gallien – Stand der Arbeitxxx21. Juni Dirce Marzoli (Madrid)‚ Die bisherigen Ergebnisse der Forschungen zu Mogadorxxx10. Oktober »Elfenbeinforschungen auf der Iberischen Halbinsel«. – Es sprachen: Arun Banerjee (Mainz), Spectroscopic Investigation of Archaeological Ivory Objects; Thomas X. Schuhmacher (Madrid), Procedencia, manufactura y intercambio de marfil en el Calcolítico y Bronce Antiguo de la Península Ibérica; Juan Antonio López Padilla (Alicante), Producción y consumo de objetos de marfil en los yacimientos alicantinos de la Illeta dels Banyets (El Campello) y Cabezo Redondo AA-2008/1 Beiheft 226 Jahresbericht 2007 des DAI (Villena)xxx15. November Valeria Mordvintseva (Simferopol), Silberne Phaleren des Pferdegeschirrs und das ›Sarmatische Paradigma‹;Yuri Zaytsev (Simferopol), Importierte und einheimische Helme im Schwarzmeerraum vom 5. zum 1. Jh. v. Chr. Tagungen und Workshops 21. bis 23. Februar Internationaler Kongress »Phönizisches und Punisches Städtewesen« (Gemeinschaftsprojekt der Abteilungen Madrid und Rom im Rahmen des Forschungsclusters 3 »Politische Räume«; Leitung: Dirce Marzoli [Madrid] und Sophie Helas [Rom]; s. auch hier S. 95 f.). 20. April Workshop »Die Entwicklungsstufen der Metallurgie, basierend auf einem Schema von C. Strahm (Universität Freiburg)« der Metall-AG des Forschungsclusters 2 »Innovationen: technisch, sozial« des DAI (Organisation: Michael Kunst [Madrid]). – Es nahmen teil: Dirce Marzoli (Madrid), Grußworte; Josef Eiwanger (Bonn), Gert Goldenberg (Freiburg), Svend Hansen (Berlin), Erica Hanning (Freiburg), Ulrich Hartung (Kairo), Andreas Hauptmann (Bochum), Barbara Helwing (Berlin), Roland Müller (Tübingen), Peter Rothenhöfer (München); als Gäste von der Iberischen Halbinsel: António Monge-Soares (Sacavém), Juan Aurelio Pérez Macías (Huelva). 4. Juni Tagung zu Ehren von Christian Ewert »Von Damaskus nach Córdoba. Die orientalischen Wurzeln der westislamischen Architektur« (Koordination: Felix Arnold [Madrid]). – Es sprachen: Dirce Marzoli (Madrid), Begrüßung; Felix Arnold (Madrid), Einführung; Karl-Heinz Golzio (Bonn), Christian Ewert und die westislamische Architektur; Alberto León Muñoz (Córdoba), El palacio visigodo en el Alcázar de Córdoba; Dorothée Sack (Berlin), Die Residenz des Kalifen HišŒm in ar-RusŒfa (Syrien); Juan Francisco Murillo Redondo (Córdoba), El conjunto de al-Rusafa en Córdoba; Francine Giese-Vögeli (Bern), Die Große Moschee von Córdoba zwischen Ost und West; Fernando Valdés Fernández (Madrid), La embajada de Otón I a cAbd alRahmŒn III y la influencia cultural de Constantinopla sobre Córdoba; Ulrike Siegel (Berlin), Die Residenz des Kalifen HŒr´n ar-Raš¥d in ar-Raqqa (Syrien); Alastair Northedge (Paris), The Palace of the Caliph in SŒmŒrra (Iraq); Felix Arnold (Madrid), Kalifale Villen- und Palastarchitektur in Córdoba. 11. bis 16. Juni Workshop für Junge Wissenschaftler »Formas de contacto y modelos de asentamientos griegos y fenicio-púnicos en el Mediterráneo Occidental« (Leitung: Dirce Marzoli [Madrid], Pierre Moret [Toulouse]; Tutoren: Dirce Marzoli [Madrid], Pierre Moret [Toulouse], Dirk Brandherm [Bochum], Paloma Cabrera [Madrid], Fernando González de Canales [Huelva], Javier de Hoz [Madrid], Hélène Le Meaux [Amiens], Alessandro Naso [Isernia], Pierre Rouillard [Nanterre], Marta Santos [Empúries] und Stephan Vergere [Sorbonne, Paris]). – Es sprachen: Jesús Bermejo Tirado (Madrid), La decoración arquitectónica en el mundo ibérico y las raíces mediterráneas; Dina Frangié (Paris), Beyrouth à l’époque hellénistique; Carmen García Morillo (Sevilla), La imagen de Astarté: Estudio iconográfico de la morfología de la diosa en el Med. O.; Raimon Graells Fabregat (Lleida), Análisis de las manifestaciones funerarias en Cataluña (ss.VII–VI a. C.); Francesca Guarneri (Napoli), Trasferimento dei culti e movimento dei fedeli in Fenicia e nelle colonie d’Occidente; Michal Krueger (Barcelona), Bienes de prestigio’ de procedencia oriental en Tartessos; Marianna Louka (Athen/Paris), La parure féminine de l’époque archaïque en Grèce et dans les Balkans; Marcos Antonio Martelo Fernández (Cádiz), Fenicios e indígenas en Andalucía Occidental. Un análisis del proceso de interacción; Rafaela Ordóez Fernández (Oviedo), Las colonias fenicias del sur peninsular en el siglo VI a. C. Crisis económica; Martin Perron (Montréal/Paris), Les AA-2008/1 Beiheft Abteilung Madrid 227 Abb. 46 Workshop für Junge Wissenschaftler, Teilnehmer und Teilnehmerinnen während einer Pause im Garten der Abteilung Madrid céramiques de la Grèce de l’Est et leurs imitations en Thrace et en Macédoine; Rosa María Puig Moragón (Valencia), Paisaje rural púnico en Ibiza; Laura Puritani (Marburg), Produktion und Rezeption in Spannungsfeld zwischen Attika und Etrurien; Raquel Rodríguez Muñoz (Valencia), Las necrópolis feniciopúnicas de la Península Ibérica; Jose Ángel Salgado Carmona (Mérida), Influencia mediterránea en la cuenca del Tajo durante la protohistoria; Samuel Sardà Seuma (Tarragona), Estudio de los intercambios comerciales en el curso inferior del Ebro a través de la evolución del repertorio cerámico (ss.VIII–V an E); Gabriella Sciortino (Barcelona), Fenicios en la Sicilia oriental. Una hipótesis de convivencia de los grupos coloniale (Abb. 46). Abbildungsnachweis: J. Patterson (Abb. 46). 28. Juni Tagung zur Geschichte der Abteilung Madrid des DAI »Historia del Instituto Arqueológico Alemán de Madrid, La recepción de la escuela arqueológica alemana y la fundación del Instituto. Antecedentes y fundación del Instituto« (Koordination: Jorge Maier [Madrid], D. Marzoli [Madrid], Th. G. Schattner [Madrid]). – Es sprachen: Dirce Marzoli (Madrid), Begrüßung und Einführung; José María Blázquez (Madrid), Introducción de la arqueología alemana en España; Michael Blech (Freiburg) – José María Luzón (Madrid), Diskussionsleitung; Dietrich Briesemeister (Wolffenbüttel), La cultura y ciencia alemana en España; Javier de Hoz (Madrid), Wilhelm von Humboldt; Helena Gimeno (Alcalá de Henares), Emil Hübner; Martín Almagro-Gorbea (Madrid), Hugo Obermaier; Jaime Alvar (Madrid), Adolf Schulten; Maria Cruz Villalón (Cáceres), Helmuth Schlunk; Jorge Maier (Madrid), Fundación del Instituto; Frank Abegg (Madrid), Panorama económico hispano-alemán de los años 1930–1950. 11. Oktober Podiumsdiskussion »Gegenseitiges Interesse. Zum Stand der deutsch-spanischen Kulturbeziehungen in den Geisteswissenschaften« auf der Frankfurter Buchmesse (Organisation: Thomas G. Schattner [Madrid], Mitarbeit: Beate Brühlmann [Madrid]). – Es nahmen teil: Santiago García Echeverría (Universidad de Alcalá de Henares), José Remesal Rodríguez (Universitat de Barcelona), Javier Salinas (Università degli Studi di Roma »La Sapienza«), Staatssekretär Georg Boomgaarden (Auswärtiges Amt, Berlin), Präsidentin der Goethe-Institute Jutta Limbach (München), Thomas G. Schattner (Abteilung Madrid des DAI); Gesprächsleitung: Kersten Knipp (Köln). AA-2008/1 Beiheft 228 Jahresbericht 2007 des DAI Öffentlichkeitsarbeit Ausstellungen Photoausstellung »Blick – Mira!« (Koordination: Dirce Marzoli, Michael Kunst, Pilar Sada, Francesc Tarrats) 7. Februar Eröffnung der Photoausstellung »Blick – Mira!« im Museum für Vor- und Frühgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Schloss Charlottenburg, Berlin (Ende: 20. Mai). – Es sprachen: Wilfried Menghin (Berlin) – Francesc Tarrats (Madrid) – Dirce Marzoli (Madrid) – Manfred Nawroth (Berlin), Grußworte. Die Ausstellung wurde von 9014 Erwachsenen und 2367 Schülern besucht. Abb. 47 Ankündigung der Photoausstellung »Blick – Mira!« in Murcia 5. Juli Eröffnung der Photoausstellung »Blick – Mira!« im Archäologischen Museum, Murcia (Abb. 47). – Es sprachen: José Miguel Noguera Celdran (Murcia) – Francesc Tarrats (Madrid) – Dirce Marzoli (Madrid), Einführung. 14. November Eröffnung der Photoausstellung »Blick – Mira!« im Archäologischen Museum in Valencia (Abb. 48). Ausstellung »Projet de coopération archéologique maroco-allemand sur l’île de Mogador et sa région« (Konzeption: Dirce Marzoli, Josef Eiwanger, Abdelaziz El Khayari und Abderrahim El Bertei; Gestaltung: Eva Sulzer, Rafael Pozo, Christian Hartl-Reiter) 23. November Eröffnung der Ausstellung »Projet de coopération archéologique maroco-allemand sur l’île de Mogador et sa région« im Palast Dar Souiri AA-2008/1 Beiheft Abteilung Madrid 229 in Essaouira (Marokko) (Ende: 31. Dezember). – Es sprachen: Abdelaziz El Khayari (Rabat) – Abderrahim El Bertei (Rabat) – Dirce Marzoli (Madrid), Begrüßung. Vorträge der Mitarbeiter der Abteilung Madrid für eine breitere Öffentlichkeit 18. Januar Dirce Marzoli, Phönizier an den Küsten Hispaniens und Marokkos (Ruhr-Universität Bochum)xxx7. Februar Michael Kunst, Einführungsvortrag in die Photoausstellung Blick-Mira! (Museum für Vor- und Frühgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Schloss Charlottenburg, Berlin)xxx2. März Michael Kunst, Zambujal: De los objetos de cobre a las minas. Estudios de procedencia y tecnología metalúrgica extractiva durante los inicios de la Edad de los Metales en Portugal (Universidad Autónoma Madrid)xxx7. Mai Dirce Marzoli, Zur Geschichte, den Projekten und der Bedeutung des Photoarchivs der Abteilung Madrid des Deutschen Archäologischen Instituts (Rahmenprogramm der Ausstellung Blick-Mira! im Museum für Vor- und Frühgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Schloss Charlottenburg, Berlin)xxx25. September Dirce Marzoli‚ Die Geschichte und die Tätigkeiten der Madrider Abteilung des Deutschen Archäologischen Instituts (vor der Theodor Wiegand Gesellschaft e. V.,Wissenschaftszentrum, Bonn)xxx27. September Dirce Marzoli, Resultados preliminares de las excavaciones alemano-hispanas en Los Castillejos de Alcorrín; campañas 2006 y 2007 (Festsaal der Gemeinde Manilva [Málaga])xxx2. Oktober Thomas X. Schuhmacher, Procedencia, manufactura y intercambio de marfil en el Calcolítico y Bronce Antiguo de la Península Ibérica (Museu Nacional de Arqueologia Lissabon)xxx19. Dezember Dirce Marzoli, Phönizierforschung auf der Iberischen Halbinsel und in Marokko (Archäologische Institute der Universität Innsbruck im Raiffeisensaal). Winckelmannfeier 12. Dezember Markus Reindel (Bonn), »Die Geoglyphen der Nasca-Kultur in Palpa, Peru: Archäologische Forschung mit modernster Technologie«. – Dirce Marzoli berichtete über die Forschungen, Grabungen und Veranstaltungen der Abteilung im Jahr 2007 und verlieh den neugewählten Korrespondierenden Mitgliedern des Deutschen Archäologischen Instituts ihre Urkunden. Zu den 130 Besuchern der Veranstaltung zählten als Ehrengäste der Deutsche Botschafter Wolf-Ruthart Born, der Kulturattaché Hans-Günter Löffler und die Kanzlerin der Botschaft Maria Theresia Larretgère. Veröffentlichungen Madrider Mitteilungen 48, 2007 Iberia Archaeologica 10: A. Heidenreich, Islamische Importkeramik des hohen Mittelalters auf der Iberischen Halbinsel Madrider Forschungen 6, 2: H. Schubart – G. Maaß-Lindemann u. a., Toscanos. Die phönizische Niederlassung an der Mündung des Río de Vélez. Grabungskampagnen in der Siedlung von Toscanos (1967 und 1978), an den Befestigungen des Alarcón (1967, 1971 und 1984) und in der Nekropole Jardín (1967–1976) Blick – Mira! El archivo fotográfico del Instituto Arqueológico Alemán de Madrid. Ausstellungskatalog Murcia 2007 Abb. 48 Ankündigung der Photoausstellung »Blick – Mira!« in Valencia AA-2008/1 Beiheft Mitglieder der Kommission der AEK Die Direktoren der AEK Der Präsident Grolig, Wilfried, MD Auswärtiges Amt, Leiter der Kulturund Bildungsabteilung Werderscher Markt 1 D-10117 Berlin Dietz, Karlheinz, Prof. Dr. Julius-Maximilians-Universität Lehrstuhl für Alte Geschichte Residenzplatz 2, Tor A D-97070 Würzburg Eck, Werner, Prof. Dr. Universität zu Köln, Institut für Altertumskunde, Alte Geschichte Albertus-Magnus-Platz D-50923 Köln Funke, Peter, Prof. Dr. Westfälische-Wilhelms-Universität Seminar für Alte Geschichte, FB 7 Domplatz 20–22 D-48143 Münster Jehne, Martin, Prof. Dr. Technische Universität, Lehrstuhl für Alte Geschichte Mommsenstr. 13 D-01069 Dresden Leppin, Hartmut, Prof. Dr. Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Abteilung für Alte Geschichte, Historisches Seminar, FB 08 Grüneburgplatz 1 D-60323 Frankfurt a. M. Palme, Bernhard, Prof. Dr. Universität Wien, Institut für Alte Geschichte und Altertumskunde, Papyrologie und Epigraphik Dr. Karl-Lueger-Ring 1 A-1010 Wien Rebenich, Stefan, Prof. Dr. Universität Bern, Historisches Institut Unitobler Länggasstr. 49 CH-3000 Bern 9 Schmitz, Winfried, Prof. Dr. Rheinische Friedrich-WilhelmsUniversität, Philosophische Fakultät, Seminar für Alte Geschichte Am Hof 1e D-53113 Bonn Weiß, Peter, Prof. Dr. Christian-Albrechts-Universität Abteilung Alte Geschichte, Institut für Klassische Altertumskunde Leibnizstr. 8 D-24118 Kiel Zimmermann, Martin, Prof. Dr. Ludwig-Maximilians-Universität Abteilung Alte Geschichte, Historisches Seminar Geschwister-Scholl-Platz 1 D-80539 München Buchner, Edmund, Prof. Dr. Präsident i. R. Nadistr. 14 D-80809 München (ohne Votum) Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik Direktoren PD Dr. Christof Schuler, Erster Direktor PD Dr. Rudolf Haensch, Wissenschaftlicher Direktor Amalienstr. 73b D-80799 München Tel.: +49-(0)89-28 67 67-60 Fax: +49-(0)89-28 67 67-80 E-Mail: [email protected] Wissenschaftliche Mitarbeiter Dr. Hans Roland Baldus (bis 31. 10.), Dr. Claudia Kreuzsaler (bis 28. 2.), PD Dr. Helmut Müller, Prof. Dr. Johannes Nollé, Dr. Peter Rothenhöfer Wissenschaftliche Hilfskräfte Mag. phil. Roland Färber, Simone Killen M. A., Katja Kröss M. A. (bis 31. 3.), Sandra Scheuble M. A. (ab 1. 11.), Nele Schröder M. A. (bis 30. 9.) Aus Drittmitteln finanzierte Stellen Dr. Andreas V. Walser (DFG), Dirk Koßmann M. A. (DFG, 1. 6. bis 31. 8.) Das Römische Reich unter Hadrian Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik 233 Forschungen Parasema, offizielle Zeichen griechischer Poleis Die Eule war im Athen des 4. Jhs. v. Chr. allgegenwärtig: Wer auf dem Markt einkaufen ging, bezahlte mit Münzen, auf deren Rückseite sich ein Bild der Eule befand (Abb. 1), und er fand sie gleichfalls als Stempel auf der eben gekauften Amphore oder dem Messgefäß, mit dem der Händler das Getreide abmaß. Auch im politisch-administrativen Bereich begegnete die Eule häufig, beispielsweise auf den Siegeln der Dokumente in den Archiven und auf den Täfelchen, mit denen Richter für die einzelnen Gerichte ausgelost wurden (Abb. 2). Kurz, die Eule von Athen war ein Emblem, das auf Gegenständen aus verschiedenen Bereichen des alltäglichen Lebens als Garantiezeichen der staatlichen Autorität fungierte. Die Kontrolle und Herausgabe dieser Gegenstände fiel in den Aufgabenbereich der Magistrate. Für viele weitere Poleis sind uns wie im Falle Athens Gegenstände mit Stadtemblemen aus klassischer und hellenistischer Zeit überliefert. Das Verbreitungsgebiet dieser Parasema erstreckt sich vom griechischen Kernland und den ägäischen Inseln über das westliche Kleinasien bis hin zur Schwarzmeerküste. Die Vielfalt der Artefakte (Abb. 3) und ihre weite Verbreitung zeugen von der Bedeutung dieser Embleme: Zum einen spielten sie eine zentrale Rolle beim Warenaustausch und bei administrativen Vorgängen der öffentlichen Organe einer Polis. Zum anderen gibt die Wahl des Bildthemas Aufschluss über 1 2 Parasema, offizielle Zeichen griechischer Poleis Abb. 1 Rückseite einer Tetradrachme, ca. 390–295 v. Chr. Die Tetradrachme zeigt eine der vielen Eulendarstellungen auf athenischen Münzen. Münzen sind die am häufigsten erhaltenen Artefakte mit Parasema, denn ihr Wert und ihre Echtheit mussten in besonderer Weise garantiert werden (M. 2 : 1) Abb. 2 Athen, Richtertäfelchen aus Bronze, ca. 378/7–370 v. Chr. Solche Täfelchen spielten eine wichtige Rolle beim Auslosungsverfahren der Richter. Sie waren mit verschiedenen Stempeln markiert, darunter auch solche der Eule Abb. 3 Korkyra, Urkundenrelief aus Bronze (Umzeichnung), Ende des 4. Jhs. v. Chr. Stelen mit Proxeniedekreten – Ehrungen einer Polis für auswärtige Gastfreunde – konnten mit dem Parasemon der Heimatpolis des Geehrten versehen werden. Da die Inschrift den Athener Dionysios als Gastfreund der Korkyrer ehren sollte, wurde die Eule als Emblem gewählt 3 AA-2008/1 Beiheft 234 Jahresbericht 2007 des DAI das Selbstverständnis der jeweiligen Bürgergemeinschaft und ihrer Identität. Die angesprochenen Fragen stehen im Mittelpunkt eines bereits weit fortgeschrittenen Dissertationsprojekts. Ansprechpartnerin: S. Killen • Abbildungsnachweis: SNG München 91 Taf. 3, Staatliche Münzsammlung München (Abb. 1); nach J. H. Kroll, Athenian Bronze Allotment Plates (Cambridge 1972) Nr. 16 Abb. 31 (Abb. 2); nach C. T. Newton, The Collection of Ancient Greek Inscriptions in the British Museum II (Oxford 1883) Nr. 166 Taf. 3 (Abb. 3). Sympolitien und Synoikismen in hellenistischer Zeit »Keos hatte einst vier Poleis. Davon sind noch zwei übrig, Ioulis und Karthaia, in die die übrigen eingemeindet worden sind, Poiessa in Karthaia und Koresia in Ioulis.« Mit diesen knappen Worten beschreibt der griechische Geograph Strabon die Entwicklung der politischen Organisationsstruktur der Kykladeninsel Keos im Hellenismus. Sie ist Teil eines tiefgreifenden Wandels, der die politische Landschaft in der griechischen Welt in hellenistischer Zeit entscheidend veränderte. In klassischer Zeit hatten sich noch zahllose Poleis als unabhängige und weitgehend selbstbestimmte politische Einheiten behauptet, die häufig nur winzige Territorien kontrollierten und über kein eigentlich urbanes Siedlungszentrum verfügten. Ab dem 4. Jh. v. Chr. setzten jedoch Konzentrationsprozesse ein, in deren Verlauf viele dieser Kleinpoleis ihre Eigenständigkeit einbüßten und von der politischen Landkarte verschwanden. Diese Entwicklungen sind Gegenstand eines Projekts, in dem insbesondere jene Fälle untersucht werden, in denen sich mehrere Poleis zu einer sympoliteia, einem gemeinsamen Staat, zusammenschlossen. Dabei bildeten Kleinpoleis zusammen mit anderen eine neue, größere Polis oder wurden – wie auf Keos – in größere Nachbarn eingemeindet. Solche Konzentrationsprozesse beziehen sich zunächst allein auf die politische Struktur der Gemeinden.Wie sich der politische Zusammenschluss auf die beteiligten Partner als Siedlungen auswirkte, ist dabei zunächst eine offene Frage, die sich – wie die Untersuchung des Zusammenhanges zwischen dem Eingehen einer Sympolitie und der Siedlungsentwicklung erwies – keineswegs allgemeingültig beantworten lässt. Schon bei den Gemeinden der Kykladeninsel Keos zeigen epigraphische Quellen und vor allem archäologische Befunde ein weit komplexeres Bild, als es der Bericht Strabons erahnen lässt. Koresia verlor mit der Eingemeindung in Ioulis nicht nur seinen Status als eigenständige Polis, sondern erlebte auch als Siedlung einen Niedergang und war am Ende der hellenistischen Zeit weitgehend verlassen. Obschon Poiessa politisch das Schicksal von Koresia teilte, erlebte es als Siedlung keinen vergleichbaren Niedergang, sondern existierte bis in römische und byzantinische Zeit fort. Nach einer städtischen Infrastruktur, etwa einem Theater oder einem Gymnasion, sucht man freilich auch hier vergeblich. Lenkt man den Blick auf weitere sympolitische Zusammenschlüsse, werden noch zusätzliche mögliche Entwicklungslinien erkennbar. Als sich beispielsweise die karische Kleinpolis Pidasa zu Beginn des 2. Jhs. v. Chr. mit Milet zusammenschloss, bot die große Nachbarin immerhin 390 Bürgern von Pidasa Unterkünfte in Milet an. Hier ging mit dem Zusammenschluss zur Sympolitie also auch ein synoikismos, eine Zusammensiedelung von Teilen der Bürgerschaft einher. Als Siedlung verschwand jedoch auch Pidasa nicht völlig, es sollte fortan als Standort einer milesischen Garnison dienen. Rund hundert Jahre früher war eine Sympolitie Pidasas mit einer anderen Nachbarpolis, Latmos, die ebenfalls mit einer Umsiedelung der Bürger von Pidasa einhergehen sollte, noch am Widerstand der Beteiligten gescheitert. Die Initiative für dieAA-2008/1 Beiheft Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik 235 sen früheren Zusammenschluss ging von einem hellenistischen Machthaber aus, während die Sympolitie mit Milet auf Ansuchen der Bürger von Pidasa zustande kam. Damit rücken die Interessen der jeweiligen an einer Sympolitie beteiligten Partner in den Mittelpunkt. Vielleicht war es die Aussicht auf das urbane Leben in der Großstadt Milet, das die Bürger von Pidasa so anzog, dass sie zur Aufgabe ihrer Eigenstaatlichkeit bereit waren. Bei Bürgern anderer Poleis war dies anders: Ähnlich wie Pidasa im Falle der Sympolitie mit Latmos leistete etwa auch das ionische Lebedos Widerstand, als hellenistische Herrscher versuchten, die Polis zunächst Teos, später dem neugegründeten Ephesos einzugemeinden. Die Lebedier nutzten die sich jeweils bietenden Gelegenheiten, um wieder Eigenstaatlichkeit als Polis zu gewinnen. Dass Lebedos später etwa einem Horaz als »ödes Dorf« galt, war für seine Bürger offenbar zweitrangig. Auffallend oft sind es nicht die beteiligten Partner, sondern die hellenistischen Machthaber, die den Anstoß zu einem sympolitischen Zusammenschluss geben, nicht selten in der Form von dynastischen Neugründungen, in die bestehende Poleis einer gesamten Region integriert wurden, wie etwa im Falle von Demetrias in Magnesia oder Alexandreia in der Troas. In diesen Fällen ergaben sich ebenso wie dort, wo es einer mittelgroßen Polis gelang, eine ganze Reihe kleinerer Nachbarn einzugemeinden, aus diesen Zentralisationsprozessen politische Kräfteverschiebungen von überregionaler Bedeutung. Der Zusammenschluss zur Sympolitie ist nicht der einzige Zentralisationsprozess, der die politische Landschaft in hellenistischer Zeit veränderte. Eine an der Kommission veranstaltete Arbeitstagung (s. hier S. 241) gab außerdem die Gelegenheit, die im Rahmen des Projekts untersuchten Fragen einerseits mit Spezialisten für einzelne Regionen und andererseits mit Forschern, die etwa mit den Bundesstaaten oder königlichen Neugründungen andere Prozesse der Zentralisation und Machtkonzentration in den Blick nehmen, zu diskutieren. Förderung: DFG-Schwerpunktprogramm 1209: »Die hellenistische Polis als Lebensform. Urbane Strukturen und bürgerliche Identität zwischen Tradition und Wandel« • Leitung des Projekts: Ch. Schuler • Ansprechpartner: A.V. Walser. Abb. 4 Lokale Münzprägung Kleinasiens, Kupferstich von Joseph Stöber. Apollon befiehlt seinen zwei Helfern die Schindung des Marsyas AA-2008/1 Beiheft Forschungen zur lokalen Münzprägung Kleinasiens Unter den antiken Mythen hat die schaurige Erzählung von dem phrygischen Naturgeist Marsyas die Phantasie der Menschen ganz besonders angeregt. Dieser hatte Apollon, den göttlichen Patron der Künste, zu einem musikalischen Wettkampf herausgefordert. Nachdem Marsyas von dem griechischen Gott mit einer List besiegt worden war, ließ Apollon ihn an einem Baum aufhängen und grausam die Haut abziehen (Abb. 4). Dieser Mythos spielt seit der Renaissance im Abendland eine große Rolle und hat zu immer neuen Erklärungen und Ausdeutungen angeregt. Die vielen neuzeitlichen Interpretationen haben sich jedoch von der ursprünglichen Verwendung und der originären Intention dieses Mythos weit entfernt. Im Rahmen der numismatischen Forschungen zu den Städten im kaiserzeitlichen Kleinasien wurde nun den Ursprüngen des Marsyas in Kleinasien nachgespürt und versucht, dieser Sagengestalt wieder ihr lokales Kolorit zurückzugeben. Durch Zusammentragen der für diesen Mythos nur sehr fragmentarischen literarischen Überlieferung und vor allem der städtischen Münzen konnte gezeigt werden, dass es sich bei Marsyas ursprünglich um einen lokalen phrygischen Fels- und Wassergeist handelt. Er war der Herr eines gleichnamigen, über weite Strecken unterirdisch verlaufenden Karstflusses, der die phrygische Stadt Kelainai/Apameia (das heutige türkische Dinar) mit Wasser versorgte. Von seinem ungestörten Fließen hing das Schicksal der Menschen dieser Stadt ab. Da Kelainai – seit hellenistischer Zeit hieß die Stadt 236 Jahresbericht 2007 des DAI Abb. 5 Lokale Münzprägung Kleinasiens. Aus dem hinter der Stadt Kelainai/Apameia gelegenen Berg (Kibotos) tritt noch heute der Karstfluss Marsyas aus, in der Antike gab es dort eine große Höhle, heute befindet sich ebenda ein Vergnügungspark Apameia – in einer von Vulkanismus gestalteten und immer wieder von Erdbeben heimgesuchten Region lag, bestand tagtäglich die Gefahr, dass die unterirdischen Wasserströme durch Verschiebungen des Untergrunds unterbrochen wurden und der Stadt das Wasser ausging. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass sich viele Münzen der Stadt auf den Flussgott Marsyas und andere göttliche Garanten für die Wasserversorgung von Apameia beziehen. Einer dieser ›Wasserpatrone‹ war ein Heros namens Kelainos, der auch als namengebender Stadtgründer verehrt wurde. Er galt als ein Sohn des Erdbebengottes Poseidon und wachte über die unterirdischen Wasserläufe Kelainais. Eine Münze zeigt, wie er Wasser in den Stadtberg gießt (Abb. 6), aus dem der Marsyasfluss hervorbricht (Abb. 5). Andere Geldstücke zeigen den Flussgott Marsyas in seiner nach verheerenden Erdbeben zusammengebrochenen Karsthöhle (Abb. 7). Das Schinden des Marsyas dürfte ursprünglich eine Metapher für das Herausschälen des Flusses aus dem Fels gewesen sein. Mehrmals in der Geschichte müssen die Bewohner der Stadt nach schweren Erdbeben den Fluss aus seiner Felshaut freigelegt haben, um die Wasserversorgung wiederherzustellen. Ein weiterer Mythos unterstreicht, wie wichtig für Kelainai/Apameia die Wasserversorgung war: Ihm zufolge hatte bereits in alter Zeit der bekannte phrygische König Midas wie ein Zauberer in der Stadt eine Quelle mit Trinkwasser aus dem AA-2008/1 Beiheft Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik 237 6 7 Lokale Münzprägung Kleinasiens Boden hervorbrechen lassen. Die verborgenen Wasser und Karstschlünde um Kelainai/Apameia haben die Phantasie der Menschen in Gang gesetzt. Aus den unterirdischen Kanälen konnte nicht nur Wasser hervorkommen; durch sie konnte es auch in den Untergrund abfließen. Insofern braucht es nicht zu wundern, dass griechisch-römische Traditionen den Ablauf der heidnischen Sintflut in die Umgebung Kelainai/Apameias verlegen, eine jüdische Diasporatradition sogar die Landung der Arche des Stammvaters Noah nicht auf dem armenischen Ararat, sondern im phrygischen Apameia ansiedelt: Prächtige Münzen der Stadt zeigen Noah und seine Frau in einer Kiste – der Arche (von lat. arca, d. h. Kiste) –, die auf einem Hügel bei Apameia auf festem Land aufgesetzt hat (Abb. 8). Es ist der einzige Fall, dass eine Szene des Alten Testamentes auf einer antiken Münze dargestellt ist. Ansprechpartner: J. Nollé • Abbildungsnachweis: Kupferstich von Joseph Stöber aus: Publius Ovidius Naso,Verwandlungen. In Kupfern vorgestellt, und mit nöthigen Erläuterungen versehen (Wien: Ignaz Alberti 1791) II (hinter 122) (Abb. 4); Photographie, J. Nollé (Abb. 5); Auktion Egger 46, 1914, Nr. 1646 (Abb. 6); Katalog Weber 495 Nr. 7036 (Abb. 7); SNG von Aulock Nr. 3506 (Abb. 8). Abb. 6 Der Heros Kelainos gießt Wasser in den Stadtberg von Apameia Abb. 7 Der Flussgott Marsyas in seiner eingestürzten Quellhöhle, von rechteckigen Felsformationen umgeben Abb. 8 Noah und seine Frau in der Arche (rechts) und dann nach ihrer Landung in Kelainai/Apameia (links), mit einem antiken Gebetsgestus Gott für ihre Rettung dankend 8 Corpus der Urkunden der Römischen Herrschaft Das Corpus will die auf Papyrus oder als Inschrift erhaltenen Edikte und Episteln der Kaiser und Statthalter der sog. Hohen Kaiserzeit – also die amtlichen Verlautbarungen dieser Herrscher über das Römische Weltreich in den ersten drei nachchristlichen Jahrhunderten – erstmals geschlossen und durch Übersetzung und umfangreichen Kommentar leicht zugänglich vorlegen. Es beabsichtigt weiterhin die Interpretation des einzelnen Dokumentes durch Neulesungen und den zum ersten Mal in diesem Maße möglichen Vergleich mit ähnlichen Dokumenten voranzutreiben. Darauf aufbauend soll anhand dieser zentralen Gruppe von Dokumenten die Entwicklung und Struktur der Herrschaftsausübung Roms untersucht werden. Durch die Kombination und Gegenüberstellung von epigraphischen und papyrologischen Dokumenten und die Serienbildung gewinnt man indirekt neue Einblicke in Phänomene wie z. B. die Organisation und das Ausmaß von Schriftlichkeit im Rahmen der Reichsverwaltung, für die direkte Quellenaussagen aufgrund unserer immer partiellen Kenntnisse der antiken Realität fehlen. So ist z. B. nur eine einzige originale Ausfertigung eines Statthalterschreibens erhalten und nur ein – zudem sehr fragmentarischer – Rest des Aushanges eines Edikts eines Gouverneurs. Viele Fragen, die für das Mittelalter angesichts zahlreicher Originalurkunden von der sog. Diplomatik intensiv erforscht AA-2008/1 Beiheft 238 Jahresbericht 2007 des DAI Abb. 9 Urkunden der Römischen Herrschaft, I. Pergamon 274. Der Versuch, die Position des Ausgabevermerks links vom eigentlichen Text eines Schreibens Hadrians an Pergamon auf einer Inschrift wiederzugeben wurden, lassen sich daher für die Antike nur schwer oder gar nicht klären. Allerdings gibt es immer wieder aufschlussreiche Ausnahmen: So hat man z. B. nur sehr selten die Ausgabevermerke kaiserlicher Schreiben – also die Angaben, wann und wo das jeweilige Schreiben erlassen wurde – mitkopiert. Zwei dieser drei Belege (Abb. 9) datieren aber fast in die gleiche Zeit – nämlich in die ersten Jahre Hadrians bzw. exakt in das Jahr 117 –, wobei es sich zudem um Kopien aus dem Bereich zweier unterschiedlicher Medien, nämlich Papyrus und Inschrift, handelt. Wenn aber zu annährend dem gleichen Zeitpunkt in zwei weit entfernten Reichsteilen, den Provinzen Asia (also der heutigen Westtürkei) und Aegyptus, ein solches Bemühen um Genauigkeit bis ins Detail festzustellen ist, dann dürfte dahinter eine uns direkt nicht überlieferte, reichsweit gültige Entscheidung stehen – also eine des Kaisers, die die entsprechende Sorgfalt bei den Abschriften eingeschärft hatte. Welche Einblicke in die historische Realität auch geringe Korrekturen der Lesung eines schon bekannten Textes gewähren können, machte die Neuinterpretation von P. Mich. IX 522 (Abb. 10) deutlich. Ein wichtiges Element in der Beurteilung römischer Kaiser durch die senatorische Geschichtsschreibung ist immer wieder die Frage, wie diese mit anonymen Anzeigen umgingen. Ein guter Herrscher nimmt diese Anzeigen nicht zur Kenntnis, während AA-2008/1 Beiheft Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik 239 Abb. 10 Urkunden der Römischen Herrschaft, P. Mich. IX 522. Ein Edikt eines praefectus Aegypti zur Frage, wie er mit anonymen Anzeigen umgehen wolle ein schlechter ihnen blindlings vertraut. Der erwähnte Papyrus bietet nun neben einem Brief des Plinius (10, 96, 5) den ersten Beleg dafür, wie in der alltäglichen Realität mit solchen Anzeigen umgegangen wurde. Danach wollte der entsprechende Statthalter Ägyptens C. Valerius Eudaemon, der nach allem, was wir wissen, ein typischer Vertreter Roms war, anonyme Anzeigen keineswegs gänzlich unbeachtet lassen, allerdings auf ihrer Basis nur dann handeln, wenn überzeugende Beweismittel beigefügt waren. Die alltägliche Realität sah also anders aus, als es die senatorische Historiographie als Verhaltensregel vorschreiben wollte. Ansprechpartner: R. Haensch, S. Scheuble • Mitarbeiterin: C. Kreuzaler • Abbildungsnachweis: nach Max Fränkel, Die Inschriften von Pergamon 2. Römische Zeit (Berlin 1895) 212 f. Nr. 274 (Abb. 9); P. Mich. Inv. 4694 = P. Mich. IX 522 (Abbildung unter: http://quod.lib.umich.edu/cgi/i/image/image-idx ?q1=Mich.%20522;rgn1=ic_all;op2=And;rgn2=ic_all;op3=And;rgn3=ic_all; size=50;c=apis;back=back1205489603;subview=detail;resnum=5;view=entr y;lastview=reslist;lasttype=boolean;cc=apis;entryid=x-2264;viewid=4694R. BMP), digitally reproduced with the permission of the Papyrus Collection, Graduate Library, University of Michigan, Traianos Gagos (Abb. 10). Die Übernahme römischer Kulte und Kultformen im Westen der Iberischen Halbinsel Der Geograph Strabon wusste etwas für die Antike Welt Außergewöhnliches über den Nordwesten der Iberischen Halbinsel zu berichten: Es gebe dort Völkerschaften, die keine Götter besäßen (3, 4, 16). Nach der modernen Forschung saßen Strabon bzw. seine Gewährsleute einem groben Missverständnis auf. Denn zieht man andere Quellengattungen heran, zeigt sich für die genannten Regionen ein buntes Bild verschiedenster einheimischer Götter und Kulte. Nichtsdestotrotz lässt die Stelle erkennen, dass religiöse Vorstellungen und Rituale wie andere Sitten und Gebräuche der indigenen Stämme aus dem Nordwesten und Westen der Iberischen Halbinsel den Römern zum Teil sehr fremd gewesen sein müssen. Mit der Integration der genannten Regionen in das Römische Reich setzten dort gerade auch im Bereich des Religiösen Austausch- und DiffusionsAA-2008/1 Beiheft 240 Jahresbericht 2007 des DAI prozesse ein. Zentren römischer Kultur in Lusitanien waren die römischen Kolonien, allen voran die 25 v. Chr. von Augustus deduzierte Veteranenkolonie und Provinzmetropole Augusta Emerita/Mérida (Spanien). Angesichts der Tatsache, dass in der antiken Vorstellung das Wohl einer Gemeinde auf das Engste mit der gebührenden Achtung und der angemessenen Verehrung ihrer Götter verknüpft war, erscheint es nur natürlich, dass das religiöse Panorama dieser Kolonie weitgehend durch römische Kulte geprägt ist. Doch strahlte Emerita nicht nur auf das Umland aus, sondern empfing in einem komplexen Austauschprozess auch indigene Einflüsse. Diese wechselseitigen Einflüsse wurden im Rahmen eines Projekts zu den einheimisch-keltischen und römischen Kulten und Kultformen in Lusitanien untersucht. Schon der Umstand, dass einige dieser einheimischen Kulte in der zuweilen als römische Musterkolonie charakterisierten Stadt belegt sind, spricht für die Stärke entsprechender Traditionen auch unter bereits romanisierten Einheimischen. Als Dedikanten erscheinen aber nicht nur Personen mit einheimischem Hintergrund, sondern selbst zumindest im Einzelfall solche, die aus anderen Provinzen zugewandert waren, und auch Sklaven, deren griechische Namen eine östliche Herkunft möglich erscheinen lassen (Abb. 12). Dass Zugewanderte wie das Brüderpaar Valerius Vitulus und Valerius Proculus die regionale Gottheit Lacipea anriefen und dieser sogar ein Bauwerk stifteten, ist nur vorstellbar, wenn indigene Kulte im Alltagsleben der Bevölkerung eine große Vitalität besaßen. Aufgrund nur vereinzelt überlieferter epigraphischer Zeugnisse sah man in der Verehrung indigener Götter in Emerita lediglich eine Randerscheinung. Dies wird den antiken Verhältnissen jedoch nicht gerecht. Vielmehr manifestiert sich in der Unterbewertung entsprechender Zeugnisse ein Quellen- und Überlieferungsproblem, das ganz allgemein für weite Bereiche der privaten Religiosität des Altertums zu konstatieren ist. Immer wieder ist festzustellen, dass eine unkritische Gleichsetzung des heute verfügbaren Quellenbestandes mit der antiken Realität zu einem verzerrten Bild führt. Ähnliche Untersuchungen sollen für ganz Lusitanien durchgeführt werden. Ansprechpartner: P. Rothenhöfer • Abbildungsnachweis: P. Rothenhöfer (Abb. 12). Abb. 12 Römische Kulte und Kultformen im Westen der Iberischen Halbinsel, Mérida (Spanien). Kleiner Weihaltar des Sklaven (?) Trophimus an Edigenius Wissenschaftliche Veranstaltungen Vorträge 2. Februar Kurt Raaflaub (Providence), Das politische Denken der Griechen im interkulturellen Zusammenhang des Mittelmeerraumesxxx9. Februar Ségolène Demougin (Paris), Ius guberno remque fungor Caesarum. L’établissement de l’adminstration équestre au 1er siècle aprés J. C.xxx18. Mai Pierre-Louis Gatier (Lyon), La présence romaine à Gérasa: Nouvelles inscriptionsxxx29. Juni Johannes Hahn (Münster), Die Christianisierung der spätantiken Stadt: Parameter und Problemexxx20. Juli Véronique Chankowski (Athen), Marché, commerce et stockage à Délos: Retour sur la loi délienne sur la vente du bois et du charbon (ID 509)xxx9. November Dominic Rathbone (London), Pompeius and Herennia: A Family History from Roman Egyptxxx23. November Zwei Vorträge aus Anlass der Verabschiedung von Hans Roland Baldus. – Es sprachen: Bernhard Weisser (Berlin), Baalbek – Priene – Olympia. Fundmünzen und Münzfunde in Berlin; David Wigg-Wolf (Frankfurt a. M.), Corpus oder Kontext? Herausforderungen und Perspektiven in der Fundnumismatik. AA-2008/1 Beiheft Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik 241 Internationales Kolloquium 25./26. Oktober Teilkolloquium des DFG-Schwerpunktprogramms 1209 »Die hellenistische Polis als Lebensform. Urbane Strukturen und bürgerliche Identität zwischen Tradition und Wandel«. – Es sprachen: Christof Schuler (München), Einführung; Klaus Freitag (Münster), Zentralisierungs- und Dezentralisierungsprozesse in den hellenistischen Bundesstaaten; Roland Oetjen (Bremen/München), Peripherie und Zentrum in Attika; Joachim Heiden (Athen) – Corinna Rohn (Cottbus), Zentralisierung und Dezentralisierung in Triphylien; Andreas Victor Walser (München), Zentralisationsprozesse in Nordgriechenland; Gary Reger (Connecticut), Reconfiguring the Political Geography of Karia; Christian Mileta (Halle), Polisneugründungen im hellenistischen Kleinasien – Zentralisierung oder Dezentralisierung?; Christof Schuler (München), Sympolitien im kaiserzeitlichen Lykien; Robert Malcolm Errington (Marburg), Schlusswort. Öffentlichkeitsarbeit Vorträge von Angehörigen der Kommission für eine breitere Öffentlichkeit 17. Januar Johannes Nollé, Der Mäander – Münzen griechischer Städte und der große Fluss (vor dem Circulus Numismaticus Basiliensis, Basel)xxx16. März Johannes Nollé, Geld für ein Imperium: Die Weltwährung des römischen Kaiserreiches (vor der Dante Alighieri-Gesellschaft, München)xxx10. Oktober Johannes Nollé, Heilige Bäume (vor dem Starnberger Kunstkreis Buzentaur, Starnberg)xxx19. Oktober Johannes Nollé, Ostia, der Hafen Roms. Seine historische Entwicklung (vor der Dante Alighieri-Gesellschaft, München) 20. November Johannes Nollé, Überlegungen zur Geldwertentwicklung in der Römischen Kaiserzeit (vor der Bayerisch-Numismatischen Gesellschaft, München)xxx23. November Johannes Nollé, Das Grabmal des Eurysaces und die staatliche Brotproduktion in Rom (vor der Dante Alighieri-Gesellschaft, München). Beiträge für öffentliche Medien Eine Mitarbeiterbesprechung der Kommission wurde von der Deutschen Welle im Rahmen ihres Berichtes über den Präsidenten des DAI mitgeschnitten. Veröffentlichungen Chiron 37, 2007 Sylloge Nummorum Graecorum, Deutschland: K. Liampi, Heft München 12 (Thessalien bis Korkyra) Vestigia 56: M. Haake, Der Philosoph in der Stadt Vestigia 57: J. Nollé, Kleinasiatische Losorakel AA-2008/1 Beiheft Orient-Abteilung Orient-Abteilung Podbielskiallee 69–71 D-14195 Berlin Tel.: +49-(0)3018 7711-0 Fax: +49-(0)3018 7711-189 E-Mail: [email protected] Direktoren Prof. Dr. Ricardo Eichmann, Erster Direktor Dr. Margarete van Ess, Wissenschaftliche Direktorin Wissenschaftliche Mitarbeiter Dr. Claudia Bührig, Prof. Dr. Klaus Schmidt, Frank Voigt M. A. (ab 9. 7.) Wissenschaftliche Hilfskräfte Sandra Feix M. A. (ab 1. 10.), Miriam Kühn M. A., Kristina Pfeiffer M. A. (ab 1. 2.) Aus Drittmitteln finanzierte Stellen Dr. des. Claudia Beuger (DFG), Dipl.-Ing. Dorothea Bodenmüller (DFG), Anja Dreiser M. A. (DFG, bis 14. 8.), Dr. Bettina Fischer-Genz (DFG), Dr. Thomas Götzelt (DFG), Dr. Arnulf Hausleiter (DFG), Dr. Andrea Intilia (DFG, ab 15. 8.), Florian Klimscha M. A. (DFG), Dipl.-Ing. Jan Krumnow (DFG), Dr. Bernd Liesen (DFG, bis 4. 7.), Dipl.-Ing. Ulrike Siegel (DFG), Jürgen Schreiber M. A. (DFG, bis 15. 6.), Judith Thomalsky M. A. (DFG), Holger Wienholz M. A. (DFG) Außenstellen der Orient-Abteilung Außenstelle Baghdad Podbielskiallee 69–71 D-14195 Berlin Tel.: +49-(0)3018 7711-0 Fax: +49-(0)3018 7711-189 E-Mail: [email protected] Außenstelle Baghdad zur Zeit nicht besetzt, daher vorübergehende Postadresse und Kontaktdaten über die Orient-Abteilung in Berlin wie nebenstehend Außenstelle Damaskus 8, Malki Street POB 11870 Damaskus/Syrien Tel.: +963-(0)11-374 98 12-0, 374 98 13-0 Fax: +963-(0)11-374 98 12-9, -374 98 13-9 E-Mail: [email protected] Leiterin PD Dr. Karin Bartl Außenstelle Sana’a c/o Embassy of the Federal Republic of Germany POB 2562 Sana’a/Republik Jemen Tel.: +967-(0)1-287 175/177-0 Fax: +967-(0)1-485 213 E-Mail: [email protected] Leiterin Dr. Iris Gerlach Wissenschaftliche Mitarbeiter Dr. des. Franziska Bloch (ab. 1. 11.), Dr. Markus Gschwind (bis 28. 2.) Wissenschaftliche Hilfskräfte Dr. des. Matthias Grawehr (bis 30. 11.), Dörte Rokitta-Krumnow M. A. Auslandsstipendiatin Dr. Sarah Japp (bis 30. 4.) Aus Drittmitteln finanzierte Stellen Dr. Sarah Japp (DFG, ab 1. 5.), Dipl.-Ing. Mike Schnelle (DFG, ab 1. 2.) Orient-Abteilung 245 Ausgrabungen und Forschungen Baalbek (Libanon) Seit 2001 werden in Baalbek, dem in der Hochebene der nordlibanesischen Beqaa gelegenen antiken Heliopolis, archäologische und bauhistorische Untersuchungen in verschiedenen Bereichen der antiken und modernen Stadt durchgeführt. Nachdem die Feldforschungsarbeiten im Vorjahr aufgrund des Krieges mit Israel ausgesetzt werden mussten, wurde in diesem Jahr sowohl im Frühjahr als auch im Herbst vor Ort gearbeitet. Mehrere bauhistorische Dokumentationsprojekte und die Aufarbeitung der aus begleitenden Sondagen stammenden Fundobjekte wurden fortgesetzt oder abgeschlossen. Im monumentalen Jupiter-Heiligtum wurden dessen Substruktionen erstmals seit ihrer Freilegung am Anfang des 20. Jhs. einer erneuten bauhistorischen Untersuchung unterzogen. Ergänzende Freilegungen von Räumen in den Substruktionen und zusätzliche Ausgrabungen im ›Großen Altarhof‹, im Tempelbereich selbst sowie an den Außenseiten des Heiligtums, die durch die libanesische Antikenverwaltung in den 1950–1970er Jahren durchgeführt worden waren, ließen eine neue Architekturstudie lohnend erscheinen.Vorläufiges Ergebnis ist die detaillierte typologische Gliederung diverser Architekturbereiche und eine begründete Abfolge der verschiedenen Bauzustände seit der Auflassung des prähellenistischen Siedlungshügels unter dem Heiligtum, die sich an mehreren Bereichen des Heiligtums aufzeigen lässt. Mehrere Mauerringe sind an die erhaltene östliche Hügelflanke angelehnt (Abb. 1), sie gehören mög- Abb. 1 Baalbek (Libanon), sog. großer Altarhof des Jupiter-Heiligtums. Geometrie und Bauphasen der vorrömischen Baureste östlich des ›Großen Altars‹ AA-2008/1 Beiheft 246 Jahresbericht 2007 des DAI licherweise zu der Eingangskonstruktion eines vorrömischen Heiligtums. Das römische Kernheiligtum, bestehend aus einem Tempel auf hohem Podium und dem davor gelagerten Hof des ›Großen Altars‹, wurde in zwei klar trennbaren Baustadien errichtet. Ein erstes kaiserzeitliches Propylon (1. Jh. n. Chr.) lag nach derzeitigem Kenntnisstand an der Ostseite des Altarhofes, während es sich bei dem heute östlich anschließenden Hexagonalhof und dem Propylon um jüngere Bauaktivitäten der römischen Kaiserzeit handelt. Im Bereich des Temenos des sog. Venus-Tempels wurden die bauhistorischen Untersuchungen mit weiteren Reinigungsarbeiten am ›Musen-Tempel‹ abgeschlossen.Verschiedene Nutzungsniveaus und Fußböden belegen die lange Nutzung und leichte bauliche Veränderung dieses Tempels, eines tetrastylen Pseudoperipteros korinthischer Ordnung, dessen Bauform auf italische Vorbilder zurückgehen mag. Das Adyton des Tempels muss als nicht erhöht und ohne Kryptaanlage rekonstruiert werden. Der Tempel erwies sich als die älteste römische Baumaßnahme der Stadt. In dem Bustan el Khan genannten Stadtbereich im Süden der antiken Stadt Baalbek wurden die Dokumentationsarbeiten am sog. Peristylgebäude, einem monumentalen Bankettsaal, um eine bauhistorische Detailanalyse eingebauter, jüngerer Baustrukturen sowie um die archäologische Untersuchung eines im Süden an das Gebäude anschließenden Annexes ergänzt. Hier war 2004 eine Treppe freigelegt worden, die zu einem überwölbten Durchgang wohl eines Vorratskellers führt (Abb. 2). Die Treppe wurde am Anfang des 4. Jhs. n. Chr. intentionell mit Gefäßscherben und Baukeramik verschüttet. Das Ziel der Untersuchung, eine stratigraphische Verbindung zwischen Peristylgebäude und Treppenanlage nachzuweisen, konnte nicht erreicht werden, da bei den Ausgrabungen der 1960er Jahre offensichtlich entscheidende Befunde abgetragen worden waren. In Verbindung mit einem neu erstellten Vertikalbild ist nun aber die jüngere Umnutzung des Gebäudes präziser als zuvor zu fassen, so dass klarere Rückschlüsse auf den ursprünglichen Baubestand des Bankettsaales gezogen werden können. Mit der Bestandsaufnahme osmanischer und mittelalterlicher Bauwerke sowie von Spolien in der Altstadt von Baalbek wird versucht, eventuell seit der Antike tradierte Stadtstrukturen zu extrahieren (Abb. 3). Die Feldarbeiten des Teilprojekts konnten abgeschlossen und die Ergebnisse in den photogramme- Abb. 2 Baalbek (Libanon), Bustan el Khan. Peristylgebäude, Profilzeichnung des aus Backsteinen gesetzten Türgewölbes zum Keller Abb. 3 Baalbek (Libanon), Beit Nassif. Das osmanische Haus integriert Teile der spätantiken und mittelalterlichen Stadtmauer. Das mittelalterliche ›Damaskus-Tor‹ ist an der Südwestseite des Hauses erhalten AA-2008/1 Beiheft Orient-Abteilung 247 Abb. 4 Baalbek (Libanon), Aufarbeitung von Grabungsbefunden. Die typische ›Baalbek-Amphora‹ wurde erstmals anhand der Keramikbefunde aus einer aufgelassenen Treppe im Peristylgebäude (Bustan el-Khan) definiert (M. 1 : 4) trisch neu erstellten Stadtplan eingebunden werden. Baudetails und -techniken der osmanischen Häuser werden typologisch gegliedert sowie chronologisch geordnet und sollen in Beziehung zu vergleichbaren Architekturresten in den Ausgrabungsbereichen gesetzt werden. Dendrochronologische Untersuchungen der verwendeten Bauhölzer ergaben Datierungen zwischen dem 15. und 19. Jh n. Chr. Die begleitende Aufarbeitung aller Funde aus den Untersuchungsbereichen führte zu einer Detailstudie spätantiker Keramik, im Rahmen derer erstmals für die Region das typische lokale Formenspektrum definiert (Abb. 4) sowie Anhaltspunkte für die Verbreitung baalbekischer Keramikwaren herausgearbeitet werden konnten. Auch wenn für Baalbek selbst bislang keine Produktionsstätte nachgewiesen werden kann, muss eine solche in der Umgebung angenommen werden. Die für Baalbek spezifische Tonzusammensetzung wird derzeit archäometrisch analysiert. Kooperationspartner: Brandenburgische Technische Universität Cottbus; Direction Générale des Antiquités du Liban • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: M. van Ess, K. Rheidt • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: J. Binaszkiewicz, B. Genz, H. Hamel, H. Wienholz (Durchsicht der Funddepots), H. Burwitz, F. Hoebel, D. Lohmann (Baugeschichte), S. Feix, N. Mathyschok, J. Nador (Archäologie), U. Heußner (Dendrochronologie), I.Wagner (Photographie) • Abbildungsnachweis: D. Lohmann (Abb. 1); H. Burwitz, DAI, OrientAbteilung, I. Wagner (Abb. 2. 3); DAI, Orient-Abteilung, H. Hamel (Abb. 4). Gadara/Umm Qais (Jordanien) Die antike Stadt Gadara (Umm Qais) liegt am Rande einer fruchtbaren Hochebene auf einer Hügelkuppe im Nordwesten des heutigen Jordanien, unmittelbar an der Grenze zu Israel und Syrien. Die heute das Erscheinungsbild des Siedlungshügels bestimmende Befestigungsanlage wurde vermutlich um 200 v. Chr. als Grenzfeste zwischen dem Ptolemäerreich im Süden und dem Seleukidenreich im Norden angelegt. Bereits ab der 1. Hälfte des 2. Jhs. v. Chr. weitete sich die Kuppensiedlung auf eine nordöstlich vorgelagerte Geländeterrasse aus. Hier – extra muros – entstand zwischen der 1. Hälfte des 2. Jhs. und dem Anfang des 1. Jhs. v. Chr. ein Tempelbezirk mit einem nach Süden orientierten, frei stehenden Podientempel I, der vermutlich dem Zeus Olympios geweiht war. Mit dem Bau des Nordtheaters zu Beginn des 1. Jhs. n. Chr. – nahezu in einer Achse mit dem Hauptheiligtum und südlich daran angrenzend – fing man an, das Areal am ›Östlichen Stadteingang‹ neu zu definieren und zu gestalten (Abb. 5). Die diesjährigen Ausgrabungen konzentrierten sich auf den Bereich außerhalb des Nordtheaters, d. h. zwischen Bühnengebäude und einer vorgelagerten, AA-2008/1 Beiheft 248 Jahresbericht 2007 des DAI gleichfalls Ost-West orientierten Nischenwand sowie dem nördlich des Theaters anschließenden, exakt in der Mittelachse gelegenen und vermutlich kaiserzeitlich zu datierenden Podientempel II (Abb. 5). Erstmals sind durch diese Grabungen die Voraussetzungen geschaffen worden, anhand der archäologischen Hinterlassenschaften die Siedlungskontinuität von hellenistischer bis in byzantinische Zeit zu verfolgen. Die Sondagen am Podientempel II sollten zum einen die Frage nach dem Zerstörungsdatum dieses jüngeren Baus beantworten; zum anderen galt es, Hinweise auf die Datierung und die Funktion der bereits in der Kampagne des Vorjahres ausgegrabenen Vorgängerbebauung zu finden (Abb. 6). Diese hellenistisch zu datierenden Baustrukturen belegen erstmals eine Profanbebauung außerhalb der hellenistischen Kuppenfestung und dem extra muros gelegenen städtischen Heiligtum. Anknüpfend an die wasserwirtschaftlichen Untersuchungen der Kampagnen 2005 und 2006 lag erneut ein Fokus auf der Klärung von Fragen nach der Wasserversorgung und -haushaltung des Areals, insbesondere im Nordtheater und im Bereich der westlichen Stadterweiterung. So wurde das Zuleitungssystem (Tunnel) zum Nordtheater detailliert dokumentiert und im topographischen Bestandsplan kartiert. Die Auswertung eines Grabungsschnittes ab einer unmittelbar an Podientempel II angrenzenden Zisterne ergab, dass sie schon vor der Errichtung des Tempels II betrieben und kontinuierlich genutzt wurde. Für die Beantwortung wirtschafts- und sozialgeschichtlicher Fragen wurde das umfangreiche Keramikmaterial – insbesondere aus Auffüllschichten nördlich des Bühnengebäudes – untersucht. Dabei wurde deutlich, dass die geregelte Nutzung des Geländes im 2. Jh. v. Chr. einsetzt und Importkeramik anfänglich nur in geringen Mengen auftrat. Erst im Laufe des 1. Jhs. v. Chr. erreichte Eastern Sigillata A, wie an allen Fundplätzen des Vorderen Orients, einen beträchtlichen Marktanteil. Bei den zahlreich gefundenen Lampen und figürlichen Terrakotten zeichnet sich eine Belieferung durch nur wenige Werkstätten ab, deren Standort noch unbekannt ist. Byzantinische und spätere Keramik wurde nur in geringem Umfang geborgen, so dass keine neuen Hinweise auf die siedlungsgeschichtlichen Abläufe in dieser Zeit gewonnen werden konnten. Abb. 5 Gadara/Umm Qais (Jordanien), Areal am ›Östlichen Stadteingang‹ mit Nordtheater, Podientempel II und im Vordergrund Podientempel I. Blick von Norden AA-2008/1 Beiheft Orient-Abteilung 249 Gadara/Umm Qais (Jordanien) Abb. 6 Baureste der hellenistischen Vorgängerbebauung und Zisterne unter dem Fundament von Podientempel II, Blick von Westen Abb. 7 Fragmente der opus sectile-Dekorationen aus den Sondagen am Podientempel II 6 7 Aus der Menge der nichtkeramischen Funde seien hier die zahlreichen Reste von opus sectile-Dekorationen hervorgehoben, die – obgleich überwiegend in modernen Kontexten angetroffen – wohl dem Podientempel II zuzuordnen sind. Sie vermitteln nicht nur einen Eindruck von der Innenausstattung des Sakralbaus, sondern sind auch handelsgeschichtlich aufschlussreich: So sind lebhaft gemusterte Steinsorten nur sehr schwach repräsentiert, die Brekzie ›Marmo di Caria‹ aus dem weiß gebänderten Marmor – wohl sog. Cippolino aus Euböa – war dagegen sehr beliebt, obwohl dieser über eine große Entfernung transportiert werden musste und daher vergleichsweise kostspielig gewesen sein dürfte (Abb. 7). Alle bisherigen Grabungsbefunde vermitteln folgendes Bild: Während das Areal am ›Östlichen Stadteingang‹ als Kultplatz eine Nutzungskontinuität aufweist, unterliegt es in städtebaulicher Hinsicht einem fortwährenden Wandlungsprozess. Unklar ist, ob die Gesamtplanung des Areals mit dem Heiligtum bereits auf ältere Planungen, etwa aus der Zeit der Errichtung der hellenistischen Stadtbefestigung, zurückgreift. Betrachtet man die Stadtentwicklung von Gadara insgesamt, so tritt deutlich die Bedeutung des Kultplatzes sowie seiner räumlichen Festlegung im Stadtgefüge hervor, die vergleichbar ist mit der des Zeusheiligtums in Gerasa. Denn trotz vielfältiger urbanistischer Veränderungen im Areal am ›Östlichen Stadteingang‹ blieb, nach unseren bisherigen Erkenntnissen, das Zeusheiligtum in Gadara auch in der Kaiserzeit von großer Bedeutung. Kooperationspartner: Generaldirektion, Staatliche Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz Berlin (SMB SPK) • Förderung: Deutsche Wasserhistorische Gesellschaft e. V. • Leitung des Projekts: C. Bührig, G. Schauerte • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: B. Liesen (Fundbearbeitung), Chr. Hartl-Reiter (Geodäsie), H.-Ch. Noeske (Fundmünzen), N. Benecke (Archäozoologie), H. H. Hirth, A. Prust, A. Brauchle, J. Krobbach, P. Keilholz, B. Abert, J. Hidalgo • Abbildungsnachweis: DAI, Orient-Abteilung, C. Bührig (Abb. 5. 6); DAI, Orient-Abteilung B. Liesen, A. Prust (Abb. 7). AA-2008/1 Beiheft 250 Jahresbericht 2007 des DAI Aqaba (Jordanien) Der an der nördlichen Peripherie der modernen Stadt Aqaba gelegene prähistorische Siedlungsort Tall HujayrŒt al-GhuzlŒn (4100–3600 v. Chr.) repräsentiert eine kulturgeschichtlich bedeutende Entwicklungsphase, die durch technische Innovationen auf den Gebieten Kupfermetallurgie und Wasserbau gekennzeichnet ist. Die seit 2000 unternommenen Ausgrabungen konnten u. a. Einblicke in frühe Formen der Kupferverhüttung und des Bewässerungsfeldbaus sowie den Nachweis von Kulturbeziehungen zwischen Ägypten und Vorderasien im 4. Jt. v. Chr. erbringen. In diesem Jahr beschränkten sich die Projektarbeiten auf die Vorbereitung einer umfassenden Grabungspublikation sowie eine damit zusammenhängende zweimonatige Fundaufnahmekampagne in Amman, die in den Räumlichkeiten der University of Jordan und dem Deutschen Evangelischen Institut durchgeführt wurde. Parallel dazu wurde mit der jordanischen Antikenbehörde ein Konzept zur Präsentation der Forschungsergebnisse im archäologischen Museum von Aqaba (Abb. 8) erarbeitet. Kooperationspartner: University of Jordan • Leitung des Aufarbeitungsprojekts: K. Schmidt, L. Khalil • Abbildungsnachweis: DAI, Orient-Abteilung, U. Siegel (Abb. 8). Archäometallurgie des Sinai (Ägypten) Zu Beginn des Jahres hat die Orient-Abteilung in Kooperation mit der Abteilung Kairo des DAI (s. auch hier S. 155 f.) sowie dem Deutschen BergbauMuseum ein neues interdisziplinäres Projekt ins Leben gerufen, das sich mit der Archäometallurgie des Sinai beschäftigt. Ziel des Projekts ist es, die Bedeutung des sinaitischen Kupfers im 4./3. Jt. v. Chr. zu erfassen. Dazu werden Beprobungen von metallurgischem Material, die Sichtung von Fundmaterial der Altgrabungen und Begehungen bzw. Ausgrabungen von ausgewählten Plätzen durchgeführt. Die Forschungen sollen dazu beitragen, das gegenwärtig eher vernachlässigte archäologische Potential im Sinai neu zu bewerten und die Forschungen der überregionalen Kontakte zu intensivieren. Um Handelsrouten, kulturellem Austausch und Ursprüngen von verhandelten Materialien auf die Spur zu kom- 9 Abb. 8 Aqaba (Jordanien), Zweigstelle der jordanischen Antikenbehörde in Aqaba und archäologisches Museum Archäometallurgie des Sinai (Ägypten), Serabît el-Khadim Abb. 9 Spätchalkolithische mauerartige Steinstruktur Abb. 10 Spuren des chalkolithischen Bergbaus 10 AA-2008/1 Beiheft Orient-Abteilung 251 men, sind anhand von Bleiisotopenuntersuchungen Provenienzanalysen durchzuführen. Es sollen des Weiteren sowohl Überreste von Siedlungsplätzen des 4. Jts. v. Chr. erfasst (Abb. 9) als auch deren einstige Funktion im Erzabbau beleuchtet werden (Abb. 10). Montanarchäologische und archäometallurgische Untersuchungen sind hier von Bedeutung, denn im Sinai finden sich zahlreiche, in prähistorische Zeit zu datierende Schmelzplätze, von denen ein Großteil bisher undatiert ist. Der Sinai liegt als Landbrücke zwischen zwei großen, sich überschneidenden Kulturgebieten, die in der Kupfermetallurgie einen unterschiedlichen Entwicklungsstand aufweisen. Da für Unterägypten zu Beginn des 4. Jts. v. Chr. bisher keine entwickelten Metallurgietechnologien nachzuweisen sind, gelangten die technologischen Kenntnisse vermutlich aus dem Ostmittelmeerraum Archäometallurgie des Sinai (Ägypten), Wadi Riqeita Abb. 11 Antike Grubenhalden entlang der Erzader (nicht datiert) Abb. 12 Chrysokollbrocken aus der Kupfererzader 11 12 AA-2008/1 Beiheft in den Sinai. Denn in der südlichen Levante zeigt sich anhand einer häufig nachweisbaren Kupferverarbeitung ein hoher Technologiestandard. Bei einer ersten Begehung im Vorjahr auf dem westlichen und südlichen Sinai wurden Schmelzplätze und Erzlagerstätten aufgesucht (Abb. 11), von denen für insgesamt 27 Erz-, Schlacke- und Metallproben chemische und mineralogische Untersuchungen sowie Messungen der Bleiisotopenverhältnisse erfolgten. Mit diesen Analysen liegen erstmals Messergebnisse aus dem Sinai vor, die mit Probenserien von Fundkomplexen anderer Regionen verglichen wurden (Lagerstätten in Jordanien, Israel sowie Saudi-Arabien, Fundplätze Maadi [Unterägypten],Tell Magass und Tall HujayrŒt al-GhuzlŒn in Südjordanien). Das Bleiisotopendiagramm konnte veranschaulichen, dass der Sinai als Rohstoffquelle für einige Metallfunde u. a. in Maadi (Material aus den Neugrabungen) nicht ausgeschlossen werden kann (Abb. 12). Dies würde bedeuten, dass Maadi – wo bisher keine Spuren extraktiver Metallurgie gefunden wurden – zu Teilen mit aus Sinai-Erzen gefertigtem Kupfer versorgt worden war. Im weiteren Verlauf des Jahres konnten zahlreiche neue Proben für die Messungen herangezogen werden: neun Proben aus dem unterägyptischen Maadi und mehr als 20 aus Israel eingeführte Proben von ausgegrabenen Plätzen im Sinai. 252 Jahresbericht 2007 des DAI Zur Konsolidierung der Arbeiten konnten weitere Ergebnisse zur Besiedlung, der Chronologie und den Verbindungsrouten erzielt werden. Ältere Datierungen von Fundplätzen früherer Surveys erbrachten überdurchschnittlich viele Einordnungen in die Frühe Bronzezeit II, während noch ältere Perioden trotz passendem Fundmaterial nicht erwähnt wurden (Abb. 11). Dies bot die Möglichkeit zur Korrektur der Chronologie, die sich zunächst am Fundmaterial orientiert (Lithik, Muschelartefakte, Felsgesteingeräte). Daraus resultierte, dass mindestens 30 Plätze bereits vor der Frühen Bronzezeit II bestanden und bis in die Mitte des 5. Jts. v. Chr. zurückreichen. Eine bisher lange Zeit angenommene These der Einphasigkeit der meisten Fundorte kann zunehmend entkräftet werden, denn Fundmaterial aus unterschiedlichen Perioden sowie stratigraphische Beobachtungen indizieren häufig eine mehrphasige Besiedlung und ein wiederholtes Aufsuchen der Siedlungen. Einige der steinernen Wohnanlagen können sogar in das akeramische Neolithikum (Pre-Pottery Neolithic B, 9200–7800 BP) datiert werden. Sie sind durch architektonische Formen gekennzeichnet, die bis in die Spätbronzezeit unverändert geblieben sind, und beinhalten Funde aus unterschiedlichen Perioden. Die lokale Bevölkerung des Sinai bestand in der Prähistorie aus Hirtennomaden, die höchstwahrscheinlich im frühen Kupferbergbau und -handel aktiv waren. Anhand von Brunnen, Wasserstellen, Oasen und Quellen lässt sich ein Wegnetz rekonstruieren, das nicht nur die gesamte Halbinsel abdeckt, sondern auch den Überlandweg in kurze Streckenabschnitte gliedert. Kooperationspartner: DAI, Abteilung Kairo; Deutsches Bergbaumuseum Bochum; University of Cairo, Faculty of Science, Department of Geology • Leitung des Projekts: R. Eichmann, U. Hartung, K. Pfeiffer • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: A. Hauptmann, M. Bode (Bleiisotopie), R. Hartmann (Keramik), M. el-Aref, A. Abdel-Motelib, A. H. El-Manawi (Geologie) • Abbildungsnachweis: DAI, Orient-Abteilung, K. Pfeiffer (Abb. 9–12). Tayma (Saudi-Arabien) Der aus der Bibel und der keilschriftlichen Literatur bekannte, im Nordwesten Saudi-Arabiens gelegene Siedlungsort Tayma entwickelte sich aufgrund seiner geographischen Lage und Wasserressourcen im 2. und 1. Jt. v. Chr. zu einer ausgedehnten Oasensiedlung und Handelsstation an der Weihrauchstraße. Die seit 2004 unternommenen archäologischen Untersuchungen wurden im Frühjahr und im Herbst des Jahres im Siedlungszentrum (Qraya) fortgesetzt, um weitere Erkenntnisse über die Besiedlungsabfolge und -verteilung zu gewinnen. Inzwischen konnten insgesamt vier Besiedlungsperioden mit bis zu neun Bauschichten festgestellt werden, die einen Zeitraum vom frühen 2. Jt. bis in die frühislamische Zeit (8./9. Jh. n. Chr.) repräsentieren. Im Tempel E-b1 (Besiedlungsperiode 3, Bauschichten 2 und 3; post-nabatäische, nabatäische und lihyanische Zeit) konnten weitere baustratigraphische Untersuchungen durchgeführt und im Inneren Reste von insgesamt vier Steinplattenfußböden aus der Zeit des 3. Jhs. v. Chr. bis zum 3. Jh. n. Chr. festgestellt werden. Der Zugang zum Gebäude erfolgte auf der südlichen Schmalseite über ein mittels zweier Treppen betretbares Podium. Der epigraphische Befund im Tempel wirft ein neues Licht auf die Beziehungen zwischen Tayma und Dedan (modern Khuraybah) im letzten Drittel des 1. Jts. v. Chr.: Als Baumaterial wiederverwendete Pfeilerschäfte der Tempelhalle trugen aramäische Inschriften aus dem 30. und 40. Regierungsjahr des TLMY von Lihyan (Abb. 13). 2005 war bereits eine Inschrift desselben Königs aus dem 20. Regierungsjahr gefunden worden (s. AA 2006/2, 269 Abb. 22). Abb. 13 Tayma (Saudi-Arabien), Inschrift des TLMY von Lihyan (30. Regierungsjahr) aus dem Tempel E-b1 AA-2008/1 Beiheft Orient-Abteilung 253 Abb. 14 Tayma (Saudi-Arabien), Plan der ausgedehnten Anlage E-b6 (oben Mitte) aus der Besiedlungsperiode 3 AA-2008/1 Beiheft Ein nördlich des Tempels gelegener Gebäudekomplex E-b6 (etwa 1,8 ha Ausdehnung) wurde in einer Sondage untersucht (Abb. 14). Stratigraphisch ist diese Anlage durch die Umschließungsmauer mit Resten der Bauschicht 2 (Besiedlungsperiode 3) verbunden, die in einen Zeitraum nach dem frühen 4. Jh. n. Chr. datiert werden konnte. Das einphasige Bauwerk ist auf einer Gründungsplattform aus Bruchsteinen errichtet, die auf dem gewachsenen Fels aufsitzt. Seine Mauern stehen bis zu 2,65 m hoch an. Südlich des Tempels E-b1 erbrachten die Untersuchungen in Areal F neue Erkenntnisse über das hier teilweise freigelegte Wohngebiet, das ebenfalls der Bauschicht 2 (Besiedlungsperiode 3) zuzuweisen ist. Das Quartier zeichnet 254 Jahresbericht 2007 des DAI sich durch eine dichte, regelmäßige Bebauung aus: Die Gebäude sind einander in Dimension (ca. 11 m × 11 m), konstruktiven Details und Binnengliederung ähnlich (Abb. 15). Im Areal O (südwestlich des zentralen Siedlungshügels, zwischen innerer und äußerer Stadtmauer) wurde ein rechteckiges Gebäude (7,50 m × 10,50 m) der früheisenzeitlichen Besiedlungsperiode 4 (12.–10. Jh. v. Chr.) freigelegt, das auf dem Fels gründet. In seinen Räumen wurden Prestigeobjekte aus Holz und Elfenbein sowie eine signifikante, polychrom bemalte Keramik mit geometrischen Mustern und zoo- wie auch anthropomorphen Darstellungen angetroffen. Hinzukommen einige ägyptische Fayencefiguren mit Götterdarstellungen (Abb. 16). Eine jüngere Bauschicht ist durch Gräber gekennzeichnet, die das Gebäude stören und in den anstehenden Fels eingelassen sind. Sie waren mit Steinplatten abgedeckt. Eine der Verschlussplatten des Grabes O-g3 ist eine sekundär verwendete Grabstele mit aramäischer Namensinschrift (Abb. 17), die in die Mitte des 1. Jts. v. Chr. datiert werden kann und eine ältere Belegungszeit des Friedhofes repräsentiert. An der Stadtmauer wurden die Bauaufnahme der frei stehenden Mauerabschnitte fortgesetzt und weitere Sondagen durchgeführt (s. auch hier S. 34 f.). Für die Datierung der äußeren Stadtmauer in die mittlere Bronzezeit liefern neben stratigraphischen Argumenten (Areal A) nun auch naturwissenschaftliche Untersuchungen gesicherte Hinweise: Die Akkumulation von Wehsand an der Mauergründung fällt demzufolge in die 1. Hälfte des 2. Jts. v. Chr., was durch optisch stimulierte Lumineszenz (OSL) nachgewiesen werden konnte. Die Oase von Tayma grenzt im Norden an einen ausgetrockneten See, der heute durch eine Salztonfläche gekennzeichnet wird (sebkha). Reste des Spülsaums alter Strände bezeugen, dass der Wasserspiegel des Sees vor über 10 000 Jahren ca. 13 m über dem heutigen Niveau der Salztonfläche lag und dicht an das spätere Siedlungszentrum heranreichte. Unklar ist noch, wann genau der Abb. 15 Tayma (Saudi-Arabien), Areal F. Wohnbebauung des 3.–4. Jh. n. Chr. (Besiedlungsperiode 3) Abb. 16 Tayma (Saudi-Arabien), Areal O. Fayencefigur der Göttin Isis (M. 2 : 1) AA-2008/1 Beiheft Orient-Abteilung 255 Abb. 17 Tayma (Saudi-Arabien), Areal O. Aramäisch beschriftete Grabstele des 1. Jts. v. Chr. (M. 1 : 10) AA-2008/1 Beiheft See entstand, wie lange er existierte und wie sich dessen Salzgehalt im Laufe der Jahrtausende veränderte. Die Salztonfläche und die angrenzenden landwirtschaftlichen Zonen der Oase wurden daher in mehreren Bohrlochtranssekten geoarchäologisch untersucht, die ein reichhaltiges Probenmaterial für die Altersbestimmung und Pollenanalysen erbrachten. Anhand dieser Untersuchungen sollen die ökologischen Veränderungen in der Oase von Tayma rekonstruiert werden. Im Rahmen hydrologischer Untersuchungen zur antiken Wasserwirtschaft wurden an verschiedenen Stellen geoelektrische Schnitte angelegt, um das Grundwasservorkommen und mögliche Brunnenstellen zu erforschen. Kooperationspartner: Deputy Ministry of Antiquities and Museums, Riad • Leitung des Projekts: R. Eichmann • Mitarbeiter: A. Hausleiter (Grabungsleitung vor Ort), Th. Götzelt (Dokumentation, GIS), M. al-Najem (Vertreter der Antikenbehörde), M. al-Anizy, Kh. al-Dayel, A. Intilia, A. Kose, M. Möhle, A. Nette, Ch. Purschwitz, N. al-Qanur (Archäologie), H. Hanisch-Gräfe (Archäologie, Photogrammetrie), J. Krumnow (tachymetrische Bauaufnahme), S. Lora (Archäologie, Anthropologie), M. Cusin (Photographie), H. Wirsing (Zeichnung), G. Lindlar (Restaurierung), F. Deinert (Informatik), M. Giannetta, Cl. Mazzoli (Mineralogie, Universität Padua), P. I. Schneider, O. Conradt, Th. Pusinelli (Bauforschung Stadtmauer, DAI, Zentrale, Architekturreferat, Brandenburgische Technische Universität Cottbus), H. Jantzen, G. Sperveslage (Archäologie Stadtmauer), J. Bosch, H. Brückner, M. Engel (Geoarchäologie, Universität Marburg), D. Fauter, M. Grottker, M. Hamann, B. Heemeier, P. Keilholz (Hydrologie, Fachhochschule Lübeck), A. Patzelt (Geoelektrik) • Abbildungsnachweis: DAI, Orient-Abteilung, M. Cusin (Abb. 13. 16. 17); DAI, Orient-Abteilung, J. Krumnow (Abb. 14); DAI, Orient-Abteilung, Chr. Purchwitz (Abb. 15). Uruk (Irak) Feldforschungen im Irak sind seit Beginn des Krieges 2003 nicht mehr durchführbar. Die weit vorangeschrittene Aufarbeitung der Befunde und Ergebnisse der langjährigen Ausgrabungen sowie die Auswertung von Fernerkundungsund Luftbilddaten im Jahr 2005 bieten jedoch neue Möglichkeiten, die Befunddaten zusammenzuführen. Das Projekt »Visualisierung der antiken Stadt Uruk« hat zum Ziel, die in einer Vielzahl von Plänen dokumentierten und zahlreichen historischen Bauschichten zuweisbaren Architekturbefunde digital zu erfassen und in wesentlichen Teilen in Vektordaten umzuwandeln sowie für mehrere, historisch besonders bedeutsame Bauschichten 3D-Rekonstruktionen anzufertigen. Die 3D-Rekonstruktionen sollen zum einen die tatsächlich ergrabene Bausubstanz visualisieren und zum anderen Gebäude-Rekonstruktionen bieten. Sie werden in das bereits existierende digitale Geländemodell eingebunden und können so einen Eindruck der damaligen Stadtstruktur vermitteln. Mit der Einbeziehung der dritten Dimension, sowohl hinsichtlich des Geländemodells als auch der Bauwerke, werden der mesopotamischen Bauforschung Mittel an die Hand gegeben, die zu einer Neubewertung der urbanistischen Bezüge zwischen Tempel- und Palastbereichen, Wohnvierteln sowie Handwerks- bzw. Gartenarealen führen können. Darüber hinaus soll der interessierten Öffentlichkeit die Möglichkeit geboten werden, einen verständlichen und fundierten Einblick in die wissenschaftlich herausragenden, aber fragmentarisch erhaltenen und daher schwer erläuterbaren Hinterlassenschaften der Stadt Uruk zu gewinnen. Im Zuge des Projekts wurden in diesem Jahr mehrere hundert relevante, zum großen Teil einige Jahrzehnte alte und dadurch fragile Architekturpläne 256 Jahresbericht 2007 des DAI Abb. 18 Uruk (Irak), Planarchiv. Die ca. 1956 entstandene schematische Umzeichnung der Befunde aus dem neubabylonischen Eanna-Heiligtum steht nun als Digitalisat zur Verfügung digitalisiert (Abb. 18). Um die sinnvolle Ablage der Digitalisate sowie eine darauf abgestimmte Archivordnung für die Originalpläne zu erreichen, wurde das Planarchiv des Forschungsprojekts neu systematisiert und das bisherige Archivverzeichnis in eine Datenbank überführt. Die schematischen Architekturpläne, in denen zur besseren Darstellung der architektonischen Gesamtstruktur und der historischen Entwicklung von Gebäuden in der Regel mehrere Bauphasen, eventuell auch Bauschichten, gleichzeitig eingezeichnet worden waren, wurden systematisch in einzelne Layer aufgegliedert und deren Eigenschaften definiert. Dies ermöglicht eine parallele Vektorisierung der relevanten Pläne durch Dritte, die nicht mit den archäologischen Spezifika des Uruk-Projekts vertraut sind. Vorbereitend für den nächsten Arbeitsschritt, die 3D-Rekonstruktion, wurden alle bislang erarbeiteten Rekonstruktionszeichnungen zusammengetragen und gleichfalls digitalisiert. Sie werden nun auf ihre wissenschaftliche Relevanz für das Projekt überprüft (Abb. 19). Abb. 19 Uruk (Irak), Planarchiv. Rekonstruktionszeichnung der AnuZikkurrat aus dem Jahr 1937. Wissenschaftlich begründete Rekonstruktionsvorschläge werden in die derzeit laufende 3D-Visualisierung von Architektur aus Uruk einbezogen AA-2008/1 Beiheft Orient-Abteilung 257 Leitung des Projekts: M. van Ess • Mitarbeiter: F. Theurer (Archiv), F. Voigt (Digitalisierung) • Abbildungsnachweis: DAI, Orient-Abteilung, Uruk-Archiv (Abb. 18. 19). Transformationsprozesse in Oasensiedlungen (Oman) Oasensiedlungen bieten die optimal angepasste, sesshafte Lebensweise an höchst schwierige ökologische Bedingungen. Im Sultanat Oman existiert diese Form der Siedlungen, die auf einem ausgeklügelten Bewässerungssystem beruht, seit 5000 Jahren. Seit der Erschließung der Ölquellen in den 1970er Jahren unterliegen sie allerdings einem rapiden Wandel. Um die traditionelle Lebensweise zu dokumentieren, trat 1998 eine interdisziplinäre Forschergruppe zusammen. Sie besteht aus Orientalisten, Architekten, Stadtplanern, Agrarwissenschaftlern und Archäologen der Universitäten Tübingen, Stuttgart, Kassel und Muscat sowie dem DAI. Die Arbeiten im Projekt standen in diesem Jahr gänzlich im Zeichen der Auswertung und Zusammenschau der Ergebnisse: J. Schreiber schloss seine Dissertation »Tansformationsprozesse in Oasensiedlungen Omans. Die vorislamische Zeit am Beispiel von Izki, Nizwa und dem Jebel Akhdar« ab. Sie ist als digitale Publikation unter <http://edoc.ub.uni-muenchen.de/7548/> im Internet publiziert. Abb. 20 Führung von Repräsentanten der Sultan Qaboos University in Muscat durch die Ausstellung des Projekts »Tansformationsprozesse in Oasensiedlungen in Oman« Im März veranstaltete die Universität Muscat ein dreitägiges Symposium, auf dem alle deutschen und omanischen Teilnehmer die Ergebnisse ihrer Forschungen vorstellten. Begleitet wurde die Konferenz von einer Posterausstellung, die in der Universität und in der Fine Arts Society Hall in Muscat gezeigt wurde (Abb. 20). Ein weiteres Element der Zusammenschau bildet die neu eingerichtete Projekthomepage, die unter <http://www.oases-of-oman.org> abrufbar ist. Hier stellen die beteiligten Disziplinen die angewandten Methoden und Ergebnisse ihrer Forschungen dar. Ein Teilbereich der archäologischen Untersuchungen – die naturwissenschaftliche Analyse der Keramik – konnte ebenfalls abgeschlossen werden. Hierbei wurde zudem ein neues Verfahren der Makroanalyse erprobt und auf einem Kongress in Budapest vorgestellt. Leitung des Projekts: J. Häser, R. Eichmann • Abbildungsnachweis: DAI, Orient-Abteilung (Abb. 20). AA-2008/1 Beiheft 258 Jahresbericht 2007 des DAI Wissenschaftliche Veranstaltungen Vorträge 24. Januar Lutfi Khalil (Amman), Roman Stone Quarries at Khirbet Yajuz, Jordanxxx19. Juni Giovanni Mazzini (Pisa), The Qatabanic Homicide Edict CSAI I, 204=R 3878. Some New Historical and Juridical Suggestions. Kolloquium 25./26. Juni Forschungskolloquium »Neue Forschungen in Tayma – Projektgespräch 2007«. – Es sprachen: Jan Bosch (Marburg) – M. Engel (Marburg), Geoarchäologie von Tayma: Neue Forschungen und Perspektiven; Ricardo Eichmann (Berlin), Architektur in Tayma; Thomas Götzelt (Berlin), Skizzen zur Oasen- und extensiven Weidewirtschaft auf der vormodernen Arabischen Halbinsel; Arnulf Hausleiter (Berlin), Produktionsstätten; Benjamin Heemeier (Lübeck), Zur Hydrologie und Wasserwirtschaft der Oase von Tayma; Andrea Intilia (Arta Terme), Area O: Spatial, Functional and Chronological Aspects of Interpretaion; Arno Kose (Berlin) – Sebastiano Lora (Padua), Stratigraphie und Chronologie des Gebäudes E-b1; Christoph Purschwitz (Berlin), Nichtöffentliche Bauten im Zentrum; Gunnar Sperveslage (Berlin), Handel und andere Beziehungen nach Ägypten; Peter Stein (Jena), Neue Inschriften in Tayma. Workshop Vom 20. bis 25. März veranstaltete Ricardo Eichmann in Zusammenarbeit mit Khairy el-Malt (Kairo) einen Musikinstrumentenbau-Workshop für Teilnehmer des Graduate Diploma of Ancient Egyptian Music (Helwan University, Kairo). Ziel des Workshops war, Musikinstrumente in historischer Bauweise nach alten Konstruktionsprinzipien nachzubauen (Abb. 21). Hierfür wurden zwei unterschiedliche Lautentypen ausgewählt: 1. Schalenspießlaute von Deir el Medina, Grab 1389 (18. Dynastie); 2. Schalenhalslaute von Antinoë (3. Jh. n. Chr.). Unter der Leitung von Ricardo Eichmann und unterstützt durch Jon Letcher (Musikinstrumentenbauer, Shropshire/England; »The Lyre of Ur Project«), wurden drei funktionstüchtige Lauten nachgebaut. Besondere Musikinstrumentenbau-Workshop Abb. 21 Nachbauten zweier Schalenspießlauten (rechts) des Typs ›Deir el Medina‹ (Grab 1389, 18. Dynastie) und einer Schalenhalslaute (links) des Typs ›Antinoë‹ (3. Jh. n. Chr.) Abb. 22 3D-Graphik einer Schalenhalslaute des Typs ›Antinoë‹ (3. Jh. n. Chr.) 21 22 AA-2008/1 Beiheft Orient-Abteilung 259 Aufmerksamkeit galt u. a. der Holzauswahl, der Anwendung der Werkzeuge, der Befestigung von Bünden und Saiten. Der Workshop erbrachte wertvolle experimentell-archäologisch gewonnene Erkenntnisse zur Feinstimmung von Schalenspießlauten. Parallel dazu wurde mit der Herstellung von 3D-Graphiken (Abb. 22) begonnen, die für eine geplante interaktive Präsentation altägyptischer Musikinstrumente vorgesehen sind. Abbildungsnachweis: DAI, Orient-Abteilung, R. Eichmann (Abb. 21); DAI, Orient-Abteilung, S. Eichmann (Abb. 22). Öffentlichkeitsarbeit Abb. 23 Titelblatt einer Posterausstellung des saudi-arabischen/deutschen Ausgrabungsprojekts in Tayma (Saudi-Arabien) Abb. 24 Filmaufnahmen für die Sendereihe »Schliemanns Erben« (ZDF) in der Oase von Tayma (Saudi-Arabien) AA-2008/1 Beiheft Posterausstellung »Tayma – Archäologie einer Oase«. Anlässlich des Besuchs des Königs von Saudi-Arabien in der saudischen Provinzhauptstadt Tabuk im Mai bereitete die Abteilung auf Wunsch der lokalen Antikenbehörde eine Posterausstellung über die Forschungen in Tayma in deutscher und arabischer Sprache vor. Auf 20 Postern im bewährten Format und Design des DAI wurden archäologische und naturräumliche Sachverhalte thematisiert und mit eindrucksvollem Bildmaterial illustriert (Abb. 23). Abbildungsnachweis: DAI, Orient-Abteilung, A. Hausleiter (Abb. 23). Für Aufnahmen, Interviews und wissenschaftliche Betreuung im Rahmen von Filmprojekten (Abb. 24) standen folgende Mitarbeiter der Abteilung zur Verfügung: Margarete van Ess für ZDF, Arte (»Das Phantom von Uruk. Fahndung nach König Gilgamesch«); Ricardo Eichmann, Arnulf Hausleiter für ZDF (Schliemanns Erben: »Flucht aus Babylon«); Klaus Schmidt für Kanadisches TV (Ausstellung Karlsruhe); Ricardo Eichmann für Ägyptisches TV (Musikarchäologie); Klaus Schmidt gab darüber hinaus zahlreiche Hörfunk- und Presseinterviews über die Forschungen am Göbekli Tepe (Türkei). Auch in diesem Jahr beteiligte sich die Orient-Abteilung des DAI wieder mit diversen Angeboten an der »Langen Nacht der Wissenschaften« am 9. Juni (s. auch hier S. 54 f.). Auf dem Gelände der Orient-Abteilung konnten sich Besucher über Weihrauch informieren, orientalischen Tee und Kaffee trinken oder eine Wasserpfeife rauchen. Besonders großen Anklang fanden die Angebote für Kinder wie die Herstellung von Rollsiegel-Abdrücken und das Malen zum Thema Weihrauchstraße. 260 Jahresbericht 2007 des DAI Am 26. August vertraten Kristina Pfeiffer und Frank Voigt die OrientAbteilung beim »Tag der offenen Tür« der Bundesregierung im Auswärtigen Amt. Sie betreuten den Stand des DAI und informierten interessierte Besucher über die Tätigkeiten und aktuellen Projekte des Instituts. Des Weiteren demonstrierten sie die praktische Verwendung altorientalischer Rollsiegel und erläuterten deren Gebrauch im entsprechenden geschichtlichen Kontext. Auf Wunsch konnten Besucher Siegelabrollungen selbst anfertigen und zur Erinnerung mitnehmen. Abbildungsnachweis: DAI, Orient-Abteilung, R. Eichmann (Abb. 24). Veröffentlichungen Baghdader Mitteilungen 37, 2006 Ausgrabungen in Uruk-Warka, Endberichte 14: R. Eichmann, Architektur I Sonstiges Kulturerhalt im Irak Frau van Ess war weiterhin mit verschiedenen Projekten zum Kulturerhalt im Irak befasst. Neben Information und Begutachtung für das Bundeskriminalamt, Interpol und internationale Institutionen setzte sie die bilaterale Zusammenarbeit mit der irakischen Antikenverwaltung und irakischen Universitäten fort. Sowohl wissenschaftliche als auch Fortbildungsprogramme befinden sich in der Vorbereitung. Erneut werden mehrwöchige Aufenthalte mehrerer irakischer Wissenschaftler über Stipendien des DAI in Deutschland vorbereitet, um den Kollegen die Teilnahme an wissenschaftlichen und kulturpolitisch ausgerichteten Konferenzen und Workshops in Deutschland zu ermöglichen. Die Spendenwerbung für die Beschaffung von archäologisch-wissenschaftlicher Literatur zugunsten verschiedener Wissenschaftsinstitutionen im Irak wird regelmäßig fortgesetzt. Kultureller Dialog, Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen in Saudi-Arabien Marta Luciani (Berlin/Wien) hielt sich im Auftrag der Orient-Abteilung vom 28. November bis 7. Dezember in Riad auf, um die während des Frühjahres konzipierten Trainings- und Weiterbildungsmaßnahmen für weibliche Angestellte des dortigen Nationalmuseums (Abb. 25) mit dem Beratungskomitee und der Direktion des Museums abschließend zu besprechen. Vorgesehen ist die Fortbildung von etwa 20 Museumsangestellten in den Bereichen Archäologie, Restaurierung (mit Schwerpunkt Stein und Metall) sowie Museologie durch Expertinnen aus Deutschland. Abbildungsnachweis: DAI, Orient-Abteilung, R. Eichmann (Abb. 25). Die Außenstelle Baghdad blieb aufgrund der politisch unsicheren Lage im Irak auch in diesem Jahr unbesetzt. Wie in den Vorjahren wurde die Aufarbeitung der Funde und Befunde von Uruk/Warka fortgesetzt. Margarete van Ess, kommissarische Leiterin der Außenstelle, übernahm wiederum in enger Abstimmung mit dem Auswärtigen Amt die deutsche Koordination von Krisenmaßnahmen für den Bereich der archäologischen Kulturarbeit. Abb. 25 Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen in Saudi-Arabien, Nationalmuseum in Riad Außenstelle Baghdad AA-2008/1 Beiheft Orient-Abteilung, Außenstelle Damaskus 261 Sie war an der Strukturierung verschiedener Projekte zum Kulturerhalt im Irak beteiligt und unterstützte irakische Kollegen bei der Aufarbeitung älterer Ausgrabungsprojekte. Im Rahmen des International Coordination Committee for the Safeguarding of the Cultural Heritage of Iraq der UNESCO übernahm sie weiterhin die Aufgabe der Rapporteurin und vertrat darüber hinaus das Institut in internationalen Veranstaltungen zum Kulturerhalt. In Unterstützung der irakischen Antikenverwaltung wurde in Zusammenarbeit mit internationalen Kollegen die Observierung des irakischen Kulturerbes über Fernerkundungsdaten fortgesetzt. Außenstelle Damaskus Ausgrabungen und Forschungen Š¥r Die 2005 entdeckte spätneolithische Siedlung Š¥r bei der Provinzhauptstadt Hama in Westsyrien gehört zu den wenigen bisher bekannten Orten aus dem 7. Jt. v. Chr. in der nördlichen Levante. Die Ausgrabungsarbeiten haben neben der Ermittlung der stratigraphischen Sequenz die Erfassung der Gesamtbesiedlungsstruktur des Ortes und seiner Funktionsbereiche zum Ziel. Die in diesem Jahr durchgeführten Arbeiten dienten vorrangig der Erfassung der Bebauung im südlichen Grabungsbereich K/L/M7–8 (Abb. 1). Daneben wurden Sondierungen in einigen ausgewählten Arealen des zentralen und nördlichen Siedlungsgebietes durchgeführt sowie die geophysikalischen Untersuchungen abgeschlossen. Die Flächengrabungen in Areal K/L/M7–8 konzentrierten sich auf die jüngeren Bauschichten ab Schicht 4, die von den älteren, im Vorjahr in der Stratigraphiesondage K/L7 erfassten Schichten 1–3 durch ein umfangreiches, aus zahlreichen Erd- und Aschestraten bestehendes Schichtenpaket getrennt sind. Wie sowohl die Bebauungsstruktur als auch die neuen 14C-Daten zeigen, entstammen die jüngeren Schichten 4–6 mit ihren verschiedenen Subphasen einem vergleichsweise kurzen Zeitabschnitt zwischen ca. 6600 und 6400 v. Chr. (kalibrierte Daten). Abb. 1 Šīr, neolithischer Siedlungsplatz. Blick auf das Grabungsareal K/L/M7–8 von Westen AA-2008/1 Beiheft 262 Jahresbericht 2007 des DAI Abb. 2 Šīr, neolithischer Siedlungsplatz. Testgrabung N/O20: Georadardaten (oben) und Grabungsbefund (Mitte), Hausecke mit Vorratsgefäß (unten) Die Bauschichten 4 und 5 weisen jeweils mehrräumige Häuser in südwestlich-nordöstlicher Ausrichtung auf. Die Raumgrößen liegen zwischen 20 m2 und 30 m2. In Schicht 5 ließ sich eine schmale Gasse zwischen den Gebäuden erkennen. Die Fundamentmauern wurden aus unbearbeiteten Feldsteinen konstruiert, das aufgehende Mauerwerk bestand möglicherweise aus Stampflehm oder Lehmziegeln. In fast allen Räumen fanden sich Fußböden aus weißem Gips- oder Kalkmörtelverputz. Zahlreiche Installationen deuten auf häusliche Wirtschaftsbereiche. In beiden Bauschichten wurden unter und neben Mauern zahlreiche Säuglingsbestattungen entdeckt. Insgesamt konnten 12 Individuen ohne Beigaben in unterschiedlichem Erhaltungszustand geborgen werden. Aussagen zur genaueren Datierung und zu den Todesursachen sind bislang noch nicht möglich. Hausinterne Säuglingsbestattungen, oft mit Beigaben, sind jedoch z. B. auch aus dem zeitgleichen Fundort Çatal Höyük in AA-2008/1 Beiheft Orient-Abteilung, Außenstelle Damaskus 263 3 4 Šīr, neolithischer Siedlungsplatz Abb. 3 Kalksteinplatte mit runden Eintiefungen (Spielbrett? L 30 cm) Abb. 4 AA-2008/1 Beiheft Weibliche Terrakottafigurine Anatolien bekannt. Die jüngste Bauschicht 6 ist ebenfalls durch mehrräumige Gebäude charakterisiert. Neben dem bereits im vergangenen Jahr erfassten südlichen Haus in den Arealen L7/M7 konnte in dieser Kampagne ein weiterer Gebäudeteil in dem nördlich gelegenen Areal M8 angeschnitten werden, während die westliche Fortsetzung dieses Hauses starke Störungen durch neolithische Gruben aufwies. Den domestikalen Charakter auch dieses Bereiches belegt jedoch hier ein wohl der Vorratshaltung dienendes Rundsilo. Kleinere Testgrabungen wurden in folgenden Bereichen angelegt: N/O20, H10 und K12. In N/O20 hatten 2006 Geomagnetik- und Georadaruntersuchungen eine östlich des Siedlungskerns gelegene Haus- oder Raumreihe von etwa 30 m Länge ermittelt. In der Testsondage konnte die südöstliche Ecke dieser Anlage freigelegt und zudem ein vollständiges Vorratsgefäß von etwa 80 cm Höhe erfasst werden (Abb. 2). In Areal K12 war durch die geomagnetischen Untersuchungen ein Gebäude mit vier Räumen festgestellt worden. Die Grabungen konnten diese Befunde bestätigen und zeigten direkt unter der Oberfläche gut gesetzte und erhaltene Steinmauern sowie östlich davon eine Bestattung. Die vorläufige Datierung der Baustrukturen in N/O20 und K12, die in den kommenden Kampagnen vollständig untersucht werden sollen, deutet auf einen Zeitraum um oder nach 6400 v. Chr. Die in der diesjährigen Kampagne durchgeführten geophysikalischen Prospektionen (Georadar und Geomagnetik) im östlichen Siedlungsgebiet dienten der Komplettierung des Gesamtplanes, der neben einer halbkreisförmigen Bebauung im Westen einige Einzelbauten im Nordosten und Südosten zeigt. Innerhalb des Fundspektrums konnte in der Lithik das bereits in den vergangenen Kampagnen festgestellte Formenspektrum der Abschlagsindustrie um einige Sonderformen ergänzt werden. Chemische Analysen belegen Obsidianimporte aus Zentralanatolien. Die Keramikfunde der jüngeren Schichten weisen eine große Varianz grober, unverzierter Waren (coarse ware) auf, deren Formenspektrum auch verschiedene pithosartige Vorratsgefäße umfasst. Die älteste Keramik in Š¥r, die durch die sog. dark-faced burnished ware (DFBW) charakterisiert wird, stammt nach Ausweis von 14C-Daten aus dem Zeitraum um 7000 v. Chr. und gehört damit zur frühesten Keramikproduktion in der Levante. Unklar ist bislang der Ursprung der Keramiktechnologie, weil die DFBW bereits eine sehr ausgefeilte Technik aufweist und ein Experimentierstadium mit entsprechend einfacher Technologie bisher an keinem Ort nachgewiesen wurde. Unter den weiteren Fundgruppen sind einige Sammelfunde von Knochennadeln, einzelne Schmetterlingsperlen aus Obsidian, Steinobjekte wie Siegel, Füße und spielbrettartige Platten (Abb. 3) sowie eine weibliche Terrakottafigurine (Abb. 4) hervorzuheben. Parallelen zum Fundmaterial stammen neben den Fundorten im ca. 100 km nördlich von Š¥r gelegenen Rouj-Becken, Tell el-Kerkh und Ain el-Kerkh, auch aus Tall Ramad in der Damaszene, dessen zeitgleiche Schichten jedoch noch keinerlei Keramik aufweisen. Untersuchungen zu Art und Umfang des Technologietransfers zwischen Nord- und Südlevante werden daher ein wichtiges zukünftiges Forschungsfeld im Rahmen der Ausgrabungen in Š¥r bilden. Kooperationspartner: Direction Générale des Antiquités et des Musées de la Syrie (DGAM) • Leitung des Projekts: K. Bartl, M. Hijazi, J. Ramadan • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: E. Bayirli, S. S. Seren (Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik [ZAMG] Wien), A. Gubisch, J. Krumnow, R. Neef, O. Nieuwenhuyse, K. Pfeiffer, D. Rokitta-Krumnow, J. Uqla, Th. Urban, S. Wittmann, I. Wagner • Abbildungsnachweis: DAI, Orient-Abteilung, Th. Urban (Abb. 1. 2. 4); DAI, Orient-Abteilung, K. Bartl (Abb. 3). 264 Jahresbericht 2007 des DAI Hama-Altstadt-Survey, Bauhistorische Untersuchungen am Qa§r al-cA½m Im Herbst dieses Jahres konnte die Bauaufnahme des osmanischen Gouverneurspalastes Qa§r al-cA½m (gegr. 1740) in Hama – einer der größten und bedeutendsten Repräsentations- und Wohnbauten der osmanischen Zeit in Syrien – abgeschlossen werden (Abb. 5). Die mehr als siebzig Räume des Palastes gruppieren sich um drei Höfe und weisen zahlreiche charakteristische Baudetails auf. Ziel der Arbeiten ist die exemplarische Dokumentation dieser sowohl öffentlich als auch privat genutzten Anlage des 18./19. Jhs., die Einflüsse verschiedener regionaler Bautraditionen aufweist. Die digitale Aufnahme des Palastes (Abb. 6), die detaillierte Baubeschreibung einschließlich eines Raumbuches sowie die umfassende photographische Dokumentation von Fassaden, Innenräumen und Details (Abb. 7. 8) bilden die Basis für die Interpretation von Raumfunktionen und Gebäudeentwicklung, die bislang in weiten Teilen unklar waren. Weitere bisher unbekannte Daten zur Baugeschichte sind darüber hinaus aus den in diesem Jahr in Damaszener Archiven aufgenommenen Akten zur Bautätigkeit der Familie cA½m in Hama zu erwarten, diese werden gegenwärtig ausgewertet.Wie sich bereits jetzt abzeichnet, lassen sich diesen Quellen zahlreiche Einzelheiten zur Rekonstruktion der komplexen Entstehungsgeschichte des Palastes, der angrenzenden Bauten sowie des gesamten Viertels a -TÿawafirŒ im 18. Jh. entnehmen. Diese werden die aus der Architekturanalyse ermittelte Entwicklung des Gebäudes ergänzen, das durch zahlreiche, den jeweils veränderten Bedürfnissen angepasste Umbau- und Erneuerungsphasen gekennzeichnet ist. Abb. 5 Hama, spätosmanischer Gouverneurspalast Qasr al-cAzm. ˙ ˙ Blick in den Hof III von Südwesten AA-2008/1 Beiheft Orient-Abteilung, Außenstelle Damaskus 265 6 7 8 Hama, spätosmanischer Gouverneurspalast Qasr al-cAzm ˙ ˙ Kooperationspartner: Direction Générale des Antiquités et des Musées de la Syrie (DGAM) • Leitung des Projekts: K. Bartl, J. Ramadan • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: A. Ahmad, J. Reilly, Th. Urban, I. Wagner • Abbildungsnachweis: DAI, Orient-Abteilung, I. Wagner (Abb. 5. 7. 8); DAI, OrientAbteilung, Th. Urban (Abb. 6). Abb. 6 Digitale Bauaufnahme des Palastes, Rohdaten Abb. 7 Fenster mit Steinschnitt in Hof II Abb. 8 Brunnen mit Marmorinkrustationen im Hof II AA-2008/1 Beiheft Raphaneae Im Zuge der diesjährigen Arbeitskampagne in der in Mittelsyrien gelegenen römisch-byzantinischen Stadt und dem Legionslager Raphaneae wurden erstmals umfangreichere geophysikalische Untersuchungen durchgeführt. Angesichts der erfolgreichen Testmessungen des Vorjahres war dabei Georadar die 266 Jahresbericht 2007 des DAI Methode der Wahl, da Probemessungen mit Geomagnetik aufgrund des Baumaterials Basalt erwartungsgemäß zu keinem befriedigenden Ergebnis geführt hatten. Insgesamt wurde eine Fläche von 3,5 ha mit Georadar prospektiert. Die Georadarmessflächen wurden alle in jenem Bereich angelegt, in dem das antike Siedlungsgebiet die größte Ost-West-Ausdehnung besitzt und in dem auf der Basis der Surveyergebnisse der Jahre 2005 und 2006 das Legionslager vermutet werden konnte. Bei der Anlage der Flächen wurde darauf geachtet, einen repräsentativen Einblick in die antike Bebauung von der ehemaligen Siedlungsgrenze im Westen (Abb. 9) bis zu den modernen Häusern des Ortes Bacr¥n im Osten zu erhalten, die über der östlichen Siedlungsgrenze der antiken Stadt errichtet wurden. Direkt westlich dieser Häuser liegt Fläche DEF. Hier war erstmals die im Kern sicherlich antike, massive Steinbebauung des ›zentralen Ruinenareals‹ in einer größeren Fläche zu erfassen, die in Form einzelner Kalksteinblöcke bis heute oberflächlich sichtbar ist. Die Visualisierung der Georadarmessergebnisse zeigt drei von Ladenreihen begleitete Straßen sowie dazwischen liegende teils massive Steinbauten (Abb. 10). Der Befund entspricht damit einem Bild, das aus spätantik-frühislamischen Städten der Region Abb. 9 Raphaneae, Blick über die im Westen des antiken Siedlungsbereiches gelegene Georadarmessfläche BC_L–T nach Ostnordosten auf den Ğabal an-Nabī Hāyā (Mitte) und die Kreuzritterburg Montferrand/Qalcat Bacrīn (rechts) Abb. 10 Raphaneae, Visualisierung der Georadarmessergebnisse in Fläche DEF. Zu sehen ist die massive, wohl spätantikfrühislamische Steinbebauung im Süden des ›zentralen Ruinenareals‹ (M. 1 : 1000) AA-2008/1 Beiheft Orient-Abteilung, Außenstelle Damaskus 267 Abb. 11 Raphaneae, Wandscherbe einer reliefverzierten Bilderschüssel der Form Drag. 37, die im Zuge der Georadarmessungen aufgesammelt wurde. Anhand des Dekors lässt sich der Fund dem südgallischen Töpfereizentrum La Graufesenque zuweisen und – unter Berücksichtigung der Gefäßform – in neronisch-frühflavische Zeit (ca. 55–80 n. Chr.) datieren (M. 1 : 2) Abb. 12 Shayzar/Larissa, Blick auf Brücke, Burg und Tell von Nordwesten AA-2008/1 Beiheft bekannt ist. Soweit dies anhand der geophysikalischen Prospektionsergebnisse und der vorwiegend aus glasierter Quarzfritte und Sgraffiato-Keramik des 12. und 13. Jhs. n. Chr. bestehenden Oberflächenkeramik zu beurteilen ist, wurde der spätantik-frühislamische Baubestand bis in das Hochmittelalter hinein weitgehend unverändert genutzt. Die westliche Siedlungsausdehnung konnte mittels der Oberflächenfunde nur schwer bestimmt werden. Die Visualisierung der Georadarmessergebnisse der ausgedehnten Messfläche BC_L–T (Abb. 9) schafft in dieser Frage Klarheit. Neben zwei Reihen barackenähnlicher Bauten zeigt sie eine deutliche Bebauungsgrenze, mit der sehr wahrscheinlich die westliche Umwehrung des Legionslagers von Raphaneae gefunden ist. Die Innenbebauung des Legionslagers ist am klarsten in der zentral gelegenen Fläche UV zu fassen. Hier konnten durch die Georadarprospektion Teile der sechs Mannschaftsunterkünfte eines Kohortenblockes sichtbar gemacht werden. Das Standlager der legio III Gallica, in dem der erst 14 Jahre alte Varius Avitus Bassianus in der Nacht vom 15. auf den 16. Mai 218 zu dem als Elagabal bekannten römischen Kaiser M. Aurelius Antoninus ausgerufen wurde, ist damit erstmals im Befund zu fassen. Der Fundbestand aus Raphaneae wurde durch mehrere gestempelte Ziegel sowie ein Fragment eines reliefverzierten Sigillatagefäßes aus Südgallien (Abb. 11) vergrößert. Kooperationspartner: Direction Générale des Antiquités et des Musées de la Syrie (DGAM) • Leitung des Projekts: M. Gschwind, H. Hasan (DGAM) • Mitarbeiter: E. Bayirli, S. S. Seren (Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik [ZAMG] Wien), M. Stephani • Abbildungsnachweis: DAI, OrientAbteilung, M. Gschwind (Abb. 9); DAI, Orient-Abteilung, ZAMG, S. S. Seren, A. Eder-Hinterleitner (Abb. 10) unter Verwendung einer Plangrundlage von N. Koch und Th. Kerraschk; DAI, Orient-Abteilung, M. Gschwind (Abb. 11). Shayzar/Larissa In Shayzar, einer Kleinstadt 20 km nordwestlich von Hama am Orontes (Abb. 12), konnten in diesem Jahr die Arbeiten an einem neuen deutsch-syrischen Kooperationsprojekt zur Untersuchung des Stadtgebietes unterhalb der Burg aufgenommen werden. Ziel der Arbeiten war es, einen ersten Überblick über den Zustand der archäologischen Hinterlassenschaft am Ort des antiken Sizara bzw. Larissa zu gewinnen, das zwar durch zahlreiche Quellen belegt werden kann, archäologisch aber bislang völlig unbekannt blieb und heute zu weiten Teilen überbaut ist. 268 Jahresbericht 2007 des DAI Die Quellen zur Topographie und Geschichte des Ortes reichen von der Spätbronzezeit bis hin zu modernen Reiseberichten. Die wichtigsten Etappen der Stadtgeschichte sind das in den Amarna-Briefen genannte Kleinkönigtum Sinzara der späten Bronzezeit, die Neugründung der Stadt unter Seleukos I., der hier Veteranen eines Reiterregimentes aus Larissa in Thessalien ansiedelte, sowie die Blüte der Stadt unter dem Adelsgeschlecht der Munqidhiten zwischen 1081 und 1157 n. Chr. Um erste Informationen zur Archäologie der Stadt zu gewinnen, wurden Vermessungsarbeiten, Keramikprospektionen und geophysikalische Testmessungen durchgeführt. Darüber hinaus konnte ein Spolieninventar angelegt werden. Während der zweiwöchigen Vermessungsarbeiten wurden ein Polygonzug von Fixpunkten über den Siedlungshügel gelegt und ein Rasternetz für die Keramikprospektion und eventuelle spätere Grabungen eingemessen. Anhand bestehender Luft- und Satellitenbilder sowie einer Karte von 1961 war es möglich, den heutigen Bestand der Siedlung kartographisch zu erfassen sowie einen archäologischen Plan zu zeichnen. Während der Keramikprospektion wurde sämtliche Oberflächenkeramik aus 375 Quadraten zu je 10 m × 10 m gesammelt, womit die gesamte noch unbebaute bzw. überformte Oberfläche des Siedlungshügels erfasst werden konnte. In der statistischen Dokumentation der Scherben wurden auch Daten zu ihrer Fragmentierung und Verrollung erhoben, welche helfen sollen, den jeweils vorliegenden Oberflächenbefund zu beurteilen. Die detaillierte Auswertung des Keramikmaterials steht noch aus. Im Spoliensurvey konnten alle auf öffentlichen Räumen und Straßen liegenden antiken Bauteile erfasst sowie zahlreiche in privaten Gärten und Häusern verbaute Stücke dokumentiert werden. Dabei waren insgesamt 162 Bauteile aufzunehmen, die zwischen dem 2. und 6. Jh. n. Chr. zu datieren sind. Bemerkenswert ist ein korinthisches Kapitell des 5. Jhs. n. Chr. mit der Inschrift βοηθων – der Helfende –, einer in der Region gängigen christlichen Akklamation (Abb. 13). Die geophysikalischen Testmessungen fanden auf dem Fußballfeld von Shayzar statt und erbrachten sowohl mit Geomagnetik als auch mit Georadar gute Ergebnisse. Deutlich ließen sich die dichte, nach einem rechtwinkligen Grundraster ausgerichtete Wohnbebauung der antiken Stadt und die Ecke einer Stadtmauer, vermutlich des 12. Jhs., fassen (Abb. 14). Auf der Grundlage aller erhobenen Daten kann somit erstmals eine archäologisch kommentierte Karte der Stadt und eine Skizze zu ihrer Geschichte erstellt werden. Kooperationspartner: Direction Générale des Antiquités et des Musées de la Syrie (DGAM) • Förderung: Basler Stiftung für klassische Archäologie • Leitung des Projekts: M. Grawehr, J. Ramadan • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: G. Ackermann, A. Bucher, N. Eliky, K. Ernst, L. Ernst, K. Hunziker, N. Lada’a, C. Rüdiger, S. Sommerer • Abbildungsnachweis: DAI, OrientAbteilung, M. Grawehr (Abb. 12); DAI, Orient-Abteilung, L. Ernst (Abb. 13); G. Ackermann (Abb. 14). Abb. 13 Shayzar/Larissa, korinthisches Kapitell des 5. Jhs. n. Chr. Abb. 14 Shayzar/Larissa, im Vordergrund sind die Reste einer vermutlich aus dem 12. Jh. stammenden Stadtmauer sichtbar Resafa Resafa liegt im nördlichen Syrien, etwa 50 km südwestlich von Raqqa und 25 km vom Euphrat entfernt. Der bei Resafa erlittene Märtyrertod des römischen Offiziers Sergius um das Jahr 300 n. Chr., seine zunehmende Verehrung als Heiliger und die bald darauf einsetzende Pilgerbewegung zu seinem Grab führten im 5. und 6. Jh. zu der Entwicklung und dem Ausbau der Stadt sowie ihrer Umbenennung in Resafa-Sergiupolis. Ihre überregionale Bedeutung lässt sich bis heute an der Monumentalität der erhaltenen Bauten ablesen. Resafa AA-2008/1 Beiheft Orient-Abteilung, Außenstelle Damaskus 269 blieb auch nach der islamischen Eroberung eine bedeutende Pilgerstadt, bis sie in Folge eines Mongoleneinfalls im 13. Jh. aufgegeben wurde. Im Zentrum der seit dem Vorjahr angelegten Projektstruktur, die sich in fünf Teilprojekte gliedert, steht eine ganzheitliche Betrachtung Resafas als zusammenhängender Siedlungsraum von Stadt und Umland (Abb. 15. 16). In der diesjährigen Frühjahrskampagne konzentrierten sich die Arbeiten auf das Teilprojekt 2 »Archäologie und Prospektionen«, das sich im Umland der ummauerten Stadt hauptsächlich der Untersuchung der Residenz des Kalifen Resafa Abb. 15 Lageplan mit Eintragung der modernen Strukturen Abb. 16 Luftbild von Süden aus dem Jahr 1999, im Vordergrund der sog. Palastkomplex VI (PK VI) und im Hintergrund die ummauerte Stadtanlage AA-2008/1 Beiheft 270 Jahresbericht 2007 des DAI HišŒm b. cAbd al-Malik (reg. 105/724–125/743) widmet. Hier begannen Grabungen am Fundpunkt (FP) 220, dem Hauptbau des im Süden gelegenen sog. Palastkomplexes VI. Die bedeutenden Stuckfunde weisen jetzt schon auf eine ungewöhnlich reiche Ausstattung hin (Abb. 17). Die günstigen Witterungsbedingungen ermöglichten es zudem, die sich durch Bodenverfärbungen und Putzkanten an der Oberfläche abzeichnenden Gebäudegrundrisse aufzunehmen. Im Norden der Stadt wurde zusätzlich das an die Ringstraße angrenzende Gebiet durch eine geomagnetische Prospektion erfasst. In diesem Gebiet befinden sich neben dem al-Mundir-Bau, dem benachbarten Khan und einigen spätantiken Gärten vor allem Nekropolen. Zusätzlich wurde ein Lageplan der modernen Strukturen innerhalb der archäologischen Schutzzone erstellt. Neben der Aufnahme des gegenwärtigen Zustandes dient der Plan als Grundlage, um die Schutzzone in der Landschaft zu vermarken und um den Anwohnern die genauen Grenzen des geschützten Gebietes zu visualisieren. In der Herbstkampagne konnte die Bearbeitung aller Teilprojekte fortgesetzt werden. Im Teilprojekt 1 »Archäologische Karte« wurde im Bereich des Stadtgebietes mit der Georeferenzierung der vorliegenden Planunterlagen begonnen. Für den Komplex Basilika A, Vier-Stützen-Bau, Nordhof und Große Moschee war ein zusammenhängender Zeitschichtenplan zu erarbeiten. Im Teilprojekt 2 »Archäologie und Prospektionen« wurde die Grabung an dem FP 220 weitergeführt. Dabei konnte u. a. der Eingangsbereich identifiziert und die Anlage des Hofes sowie die äußere Form geklärt werden. Im Bereich Mitte (FP 142/164) wurden im Rahmen einer Abschlussarbeit des Masterstudiums Denkmalpflege (MSD) der Technischen Universität Berlin zwei kleinere Gebäude bearbeitet. Die Auswertung der bei den Grabungen geborgenen Keramik und Kleinfunde bestätigt die Datierung der Residenz in die umaiyadische Zeit. Auch Teilprojekt 3 »Untersuchung der Stadtmauer von Resafa« wurde weiter verfolgt. Inzwischen können erste Aussagen zu den Arbeitsabläufen und der Einteilung in Baulose bei ihrer Errichtung getroffen werden. Zudem entstanden zwei Masterarbeiten (MSD,TU Berlin): eine bauforscherische Untersuchung an drei Türmen der Stadtmauer sowie die Dokumentation der durch die Direction Générale des Antiquités et des Musées de la Syrie (DGAM) seit den 1970er Jahren durchgeführten Konservierungsmaßnahmen. Das Teilprojekt 4 »Vorbereitende Untersuchungen zur Planung von Konservierungs- und Restaurierungsmaßnahmen« wurde neben den Arbeiten an der Basilika A durch Untersuchungen am Zentralbau erweitert. Hierbei geht es um die Begutachtung der Standsicherheit der Bauten in Resafa, in erster Linie zur Beurteilung des Handlungsbedarfes an der Basilika A. Die Präzisionsmessungen an der Basilika A wurden durch eine weitere Diplomarbeit fortgeführt, die Laserscan-Daten und photogrammetrische Aufnahmen in einem digitalen Modell verknüpft. Neben dem Einsatz für Visualisierungen lassen sich hiermit über einen größeren Zeitraum auch Veränderungen des Bauwerks nachweisen. Im Rahmen einer Masterarbeit des MSD zum Zentralbau wurde einerseits bauforscherischen Fragen zur Bautechnik, Steinbearbeitung und Innenausstattung nachgegangen und andererseits eine Schadenskartierung für die gefährdeten Bereiche des Nordostturmes erstellt. Dem Teilprojekt 5 »Touristische Erschließung – site management« kommt eine besondere Bedeutung zu. Neben den vergleichenden Untersuchungen an anderen archäologischen Stätten Syriens und ihres site management, wurde der seit 2006 geplante Weg der Besucherführung abgesteckt und mitsamt der zu beseitigenden Hindernisse aufgenommen. Eine Masterarbeit des MSD widmete sich der Erschließung des Turmes 1, von dem aus die Sicht in das Umland Abb. 17 Resafa, vier Bruch an Bruch passende Fragmente eines bogenförmigen Stuckpaneels mit Lorbeerkranz- und Rankendekor, das vor der nördlichen Außenmauer des Hauptbaus des sog. Palastkomplexes VI (FP 220) gefunden wurde AA-2008/1 Beiheft Orient-Abteilung, Außenstelle Damaskus 271 und damit das Verständnis der Residenz des Kalifen HišŒm und ihrer räumlichen Ausdehnung besonders gut möglich ist. Die Integration des Gesamtprojekts in das Exzellenzcluster »Topoi« der Berliner Universitäten ermöglicht die Untersuchung der frühislamischen Palastanlagen und ihres Umfeldes, um Fragen zur Veränderung des Landschaftsbildes in frühislamischer Zeit zu ergänzen. Kooperationspartner: Direction Générale des Antiquités et des Musées de la Syrie (DGAM) • Beteiligte Institutionen: Institut für Geomatik der Hochschule für Wirtschaft und Technik Karlsruhe; Institut für Orient- und Asienwissenschaften, Abteilung für Asiatische und Islamische Kunstgeschichte der Universität Bonn; Geodätisches Labor der Universität der Bundeswehr München-Neubiberg • Förderung: Fritz Thyssen Stiftung; Fachgebiet Historische Bauforschung, Masterstudium Denkmalpflege (MSD) der Technischen Universität Berlin • Leitung des Projekts: D. Sack, A. al-Khabur • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: H. Becker, L. Böwe, K. Dierks, K. Eberle, J. Giese, M. Gussone, H. Heister, G. Hell, D. Henker, C. Hof, Th. Horn, Y. Khoury, Ch. Konrad, D. Kurapkat, T. Lopens, A. Mollenhauer, M. Müller-Wiener, A. al-Saeed, B. Sattes, H. Saleh, I. Salman, A. Schumann, U. Siegel, D. Spiegel • Abbildungsnachweis: DAI, Orient-Abteilung, D. Sack, M. Gussone, J. Giese, D. Spiegel (Abb. 15); DAI, Orient-Abteilung, M. Stephani (Abb. 16); DAI, Orient-Abteilung, Ch. Konrad (Abb. 17). Palmyra Die diesjährigen Arbeiten der deutsch/österreichisch-syrischen Mission im Areal der ›hellenistischen‹ Siedlung in Palmyra richteten sich auf drei Ziele: Die Vervollständigung des Grundrisses des ›Karawanenbaus‹ (Abb. 18), die Klärung der Bauphasen dieser Anlage einschließlich eventueller Vorgängerbauten sowie die weitere Bearbeitung von Fundmaterial. Die Untersuchungen haben ergeben, dass der ›Karawanenbau‹ um die Mitte des 1. Jhs. v. Chr., also kurz nach der Einrichtung der römischen Provinz Syria 64 v. Chr., über älteren Baustrukturen errichtet und gegen Ende des 3. Jhs. n. Chr. – also möglicherweise im Zusammenhang mit der Eroberung Palmyras durch Aurelian 272/273 n. Chr. – aufgegeben bzw. zerstört wurde. Das Fundspektrum der Keramik belegt erneut weitreichende Handelsverbindungen Palmyras, insbesondere für das 1. Jh. v. Chr. und das 1. Jh. n. Chr. Im 2. und 3. Jh. nehmen Formenvielfalt und Fernimporte Abb. 18 Palmyra, Areal der ›hellenistischen‹ Stadt. Sondage II (›Karawanenbau‹) von Süden AA-2008/1 Beiheft 272 Jahresbericht 2007 des DAI 20 Palmyra Abb. 19 Ton-Tessera (130/131 n. Chr.; ca. 2,40 cm × 2,40 cm) Abb. 20 Spielsteine (ca. 1,50 cm × 2 cm) Abb. 21 Gemme mit sitzendem Zeus (ca. 1,50 cm × 1,20 cm) 19 besonders aus dem Westen deutlich ab, was möglicherweise in einem Zusammenhang mit dem zunehmenden militärischen Engagement Roms im Osten zu verstehen ist. Unter den Kleinfunden sind eine datierte Tessera (Abb. 19), mehrere Spielsteine (Abb. 20) und eine Gemme mit thronendem Zeus (Abb. 21) hervorzuheben. Kooperationspartner: Direction Générale des Antiquités et des Musées de la Syrie (DGAM); Universität Wien • Förderung: Österreichischer Wissenschaftsfonds (FWF) • Leitung des Projekts: A. Schmidt-Colinet, W. al-As’ad • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: O. al-As’ad, S. Bortenschlager, U. Egger, Ch. Ertel, K. Herold, N. High, H. Jom‘a, F. Laubenheimer, R. Ployer, Ch. Römer-Strehl, W. Szaivert, L. Zabrana, St. Zink • Abbildungsnachweis: A. Schmidt-Colinet (Abb. 18–21). 21 Wissenschaftliche Veranstaltungen Vorträge 14. Februar Markus Gschwind (Damaskus), Wo Elagabal zum Kaiser ausgerufen wurde. Erste archäologische Untersuchungen in der römisch-byzantinischen Stadt Raphaneaexxx25. April Dorothée Sack (Berlin), Resafa – Sergiupolis/Rusafat Hisham. Pilgerstadt und Kalifenresidenz in der syrischen Wüste 14. November Matthias Grawehr (Damaskus),Vergessen und wiederentdeckt. Prospektionen in Shayzar, der antiken Stadt Larissa am Orontesxxx28. November Uwe Finkbeiner (Tübingen), Wenn im Orient die Erde bebt – Das EUProjekt APAME zur Geschichte der Erdbeben in Syrien und Palästina. Öffentlichkeitsarbeit In Zusammenarbeit mit der Zentrale des DAI fand vom 12. bis 21. Oktober der fachwissenschaftliche Kurs »Der Hauran. Formation und Organisation städtischer und dörflicher Gemeinwesen im Hauran von der Antike bis in die islamische Zeit« statt. AA-2008/1 Beiheft Orient-Abteilung, Außenstelle Sana’a 273 Außenstelle Sana’a Ausgrabungen und Forschungen Oase von Marib, Bewässerungsstrategien und gesellschaftspolitische Organisationsprinzipien als Voraussetzung für die Entstehung und Entwicklung der sabäischen Kultur In den ariden Wüstenrandgebieten Südarabiens ist Marib die größte Oasenlandschaft, die in der Antike künstlich geschaffen und spätestes ab dem 3. Jt. v. Chr. bis zur heutigen Zeit kontinuierlich bewirtschaftet wurde. Hier entstand am Ende des 2. Jts. v. Chr. das Reich von Saba, das durch eine optimale Nutzung der Umweltbedingungen die ökonomischen Voraussetzungen schuf, nicht nur die ortsansässige Bevölkerung zu ernähren, sondern auch die Versorgung der Karawanen als Knotenpunkt der Weihrauchstraße zu gewährleisten. Ziel der Forschungs- und Surveytätigkeit ist die Dokumentation und Rekonstruktion der verschiedenen Bewässerungssysteme sowie deren Entwicklung. Dies erfolgt in enger Zusammenarbeit von archäologischen und naturwissenschaftlichen Forschungszweigen. Archäologische Befunde werden dabei in einen direkten Zusammenhang mit identifizierten mittel- und spätholozänen Landoberflächen und Phänomenen der Bodenbildung gesetzt. Ausgehend von kleinen einfachen Bewässerungsanlagen bis hin zu großen übergreifenden Systemen ist nicht nur deren technische Entwicklung über mehr als 3000 Jahre Abb. 1 Marib, Oase. Feuerstelle in den Sedimentschichten der Südoase aus der frühen Bronzezeit (3800–3600 v. Chr.) herauszuarbeiten, sondern auch ihre direkten Auswirkungen auf die antike Gesellschaft dieser Region. Gerade die Perfektionierung der künstlichen Bewässerung steht in engem Zusammenhang mit der Entstehung und Entwicklung der sabäischen Hochkultur. Die Geländebegehungen konzentrierten sich in diesem Jahr auf zentrale Bereiche der Nord- und Südoase sowie auf das angrenzende Bergland des Jabal Balaq al-Awsat und das Wadi Jufainah. Die bodenkundlichen Untersuchungen belegen, dass die Sedimente oberhalb der relikten Bodenbildungen im Umfeld der Oase wesentlich älter sind als die Bewässerungssedimente in der Oase sowie die Bodensedimente in Marib Stadt. In einem Zeitraum von 5000–4000 v. Chr. ist in der Region von einer Feuchtphase auszugehen, die aufgrund höherer Niederschläge als heute zu einer intensiven Bodenbildung führte. Eine Nutzung dieser natürlichen Böden für die Landwirtschaft in der Bronzezeit lässt sich derzeit nicht nachweisen, obwohl menschliche Aktivitäten anhand einer Feuerstelle in der Südoase bereits für die frühe Bronzezeit (3800–3600 v. Chr.) belegt werden konnten (Abb. 1). Die sog. bronzezeitlichen AA-2008/1 Beiheft 274 Jahresbericht 2007 des DAI 2 3 Rundgräber, die sich häufig direkt auf den natürlichen Böden der Oasenrandgebiete befinden, belegen, dass ein Teil der fruchtbaren Flächen nicht für den Ackerbau genutzt wurde – eine nomadische Lebensweise der Erbauer dieser Strukturen ist zu vermuten. Der früheste Feldbau in Marib setzte nach den bisherigen Ergebnissen erst in der späten Bronzezeit bzw. in protosabäischer Zeit (2. Hälfte 2. Jt. v. Chr.) ein. Bezeichnenderweise fiel dies mit klimatisch wesentlich ungünstigeren Faktoren zusammen, die eine künstliche Bewässerung unabdingbar machten. Im Oberlauf des Wadi Jufainah finden sich dabei zwei kleinteilige Bewässerungssysteme unterschiedlicher Technik: Zum einen handelt es sich um ein vereinfachtes Terrassensystem, bei dem das Wasser jeweils von einem Feld auf ein entsprechend niedrigeres Feld geleitet wird (Abb. 2), zum anderen um einen einfachen Ablenkdamm (Abb. 3), der das Wasser zu den Feldern führt. Das große Bewässerungssystem im Hauptwadi mit maximal 9600 ha bewässertem Land etablierte sich erst in der 1. Hälfte des 1. Jts. v. Chr. und gipfelte in der Vollsperrung des Hauptwadis, wie es die Bauten des ›Großen Dammes‹ repräsentieren. Die geomorphologisch-bodenkundlichen Untersuchungen an den Stauraumsedimenten weisen darauf hin, dass eine Vollsperrung bereits im 7./6. Jh. v. Chr. bestand. Das System der Vollsperrung wurde bis zur Aufgabe der großflächigen Bewässerung in Marib im 6. Jh. n. Chr. beibehalten (Abb. 4). Dies belegen zwei klar identifizierte und höhenmäßig voneinander getrennte Bewässerungssysteme, die etwa in das 1./2. Jh. bzw. das 5./6. Jh. n. Chr. datieren: Die sog. Auslassbauwerke der verschiedenen Nutzungsphasen, die zur Weiterleitung des Wassers in Kanäle unterer Ordnung sowie zur Bewässerung der Felder dienten, unterscheiden sich zwar in ihren verwendeten Baumaterialien, kaum aber in der Form. Funktional zeigen diese Systeme keine Unterschiede in der Lage und Verlaufsrichtung der Felder und Kanäle. Der jüngeren Phase lassen sich zudem als Lager- und Wohnhäuser zu deutende Bauwerke zuordnen. Die bisherigen Ergebnisse bestätigen die These einer zentralen Organisation und Verwaltung der Oase von Marib durch die Hauptstadt während ihrer Blüte in klassisch-sabäischer Zeit. In mittelsabäischer Zeit (1. Jh. v. Chr. bis 3. Jh. n. Chr.) hingegen, im Verlauf ständigen Machtverlustes, erfolgte eine Dezentralisierung. Verteilt über die Oase kam es zur Gründung kleinerer Siedlungseinheiten, die vermutlich eigenständig bestimmte Bereiche der Oase nutzten. Marib, Oase Abb. 2 Felder aus der frühsabäischen Zeit (Beginn des 1. Jts. v. Chr.), das Wasser wurde jeweils von dem höher gelegenen Feld auf ein niedrigeres geleitet Abb. 3 Bronzezeitlicher oder frühsabäischer Ablenkdamm im Oberlauf des Wadi Jufainah, der über ein Verteilersystem die einzelnen Felder bewässerte AA-2008/1 Beiheft Orient-Abteilung, Außenstelle Sana’a 275 Abb. 4 Marib, Oase. Blick von der Nordschleuse des ›Großen Dammes‹ von Marib über die Sedimente zur Südschleuse (6. Jh. n. Chr.) Von besonderem Interesse für die Entstehung und Entwicklung künstlicher Bewässerungssysteme in der Region Marib waren erneut geomorphologischbodenkundliche Untersuchungen im unteren sowie im oberen Bereich des Wadi Jufainah. Bisher zeigt ein Teil der Flächenreste unter äolischen Sedimenten und/oder Schwemmsanden fossile Leithorizonte. Für mehrere Bereiche in den heute weitgehend völlig unfruchtbaren Nebenwadis in Marib erfolgte damit der Nachweis für eine natürliche Bodenbildung spätestens in der Bronzezeit und einen anschließenden Klimawandel. Es sind gerade diese flächenmäßig kleinen Bereiche, die als Standorte für erste künstliche Bewässerungssysteme gedient haben. Diese Nutzung muss bereits in die ausgehende Bronzezeit fallen, da sich an manchen Stellen nahezu direkt auf den fossilen Leithorizonten mutmaßlich eisenzeitliche Gräber befinden. Kooperationspartner: Lehrstuhl für Semitische Philologie und Islamwissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Sprachen und Kulturen des Vorderen Orients (N. Nebes); Geographisches Institut, Physische Geographie der Eberhard-Karls-Universität Tübingen (P. Kühn, D. Pietsch, Th. Scholten); Paläontologisches Institut der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen (R. Koch, Ch. Weiß); Department Geomatik, Labor für Instrumentenkunde der HafenCity Universität Hamburg (Th. Kersten, K. Mechelke); General Organization for Antiquities and Museums (A. Bawazir) • Leitung des Projekts: I. Gerlach • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: U. Brunner, H. Hitgen, S. Japp, J. Kramer, P. Kühn, M. Manda, K. Mechelke, D. Pietsch, Ch. Weiß, J. Zech • Abbildungsnachweis: DAI, D. Pietsch (Abb. 1. 2); DAI, I. Gerlach (Abb. 3. 4). Oase von Marib, Archäologischer Survey Eine systematische Dokumentation aller antiken Strukturen und ihre Einordnung in einen zeitlichen wie funktionalen Kontext mit Hilfe von unterschiedlichen geoarchäologischen Methoden bilden den Inhalt der seit mehreren Jahren durchgeführten intensiven Geländebegehungen in der Oase von Marib. Diese stehen in direktem Zusammenhang mit den Fragen nach der Entstehung und dem Untergang der altsüdarabischen Hochkultur Sabas sowie nach der technologischen Entwicklung der lokalen Bewässerungssysteme vom 3. Jt. v. Chr. bis zum Islam. Abhängig davon sind die Siedlungsprozesse im Oasengebiet, die sich an den jeweils entstandenen Wasserbautechniken orientieren. AA-2008/1 Beiheft 276 Jahresbericht 2007 des DAI Abb. 5 Region Marib (Sirwah), lange Mauerzüge, die sich von den Wadis auf die angrenzenden Berghänge erstrecken, dienten der Treibjagd von Tieren Bei den bisherigen Surveys konnten etwa 600 Fundstellen dokumentiert werden, die chronologisch von der Bronzezeit bis in die Spätantike reichen. Es handelt sich um Grabanlagen, Siedlungen, Tierfanganlagen (Abb. 5), Steinbrüche, Wege, Wasserwirtschaftsbauten sowie bislang nicht näher zu deutende einzelne Gebäudestrukturen. In diesem Jahr konzentrierte sich der Survey auf zentrale Bereiche der Südoase, auf die unmittelbare Umgebung von Marib Stadt, auf eine direkt an den ›Großen Damm‹ von Marib anschließende Fläche der Nordoase sowie auf die Oasenrandzonen. In der heute wieder intensiv landwirtschaftlich genutzten Südoase wurde in den letzten Jahrzehnten ein Großteil der oberflächig anstehenden Strukturen abgetragen und zerstört. Nur vereinzelt waren noch Brunnenanlagen,Wasserverteiler und Gebäudestrukturen zu identifizieren. Die wenigen erhaltenen Befunde erlauben die Vermutung, dass sich hier auch in der Antike mehrheitlich landwirtschaftliche Einheiten befanden, die aus einem Komplex von Häusern mit einem Brunnen und mehreren Feldern bestanden. Konstruktionsweise und Lage der Strukturen in den oberen Bereichen der Bewässerungssedimente lassen auf eine späte Nutzung der Oase in mittel- und 6 Marib, Oase Abb. 6 Ein sehr gut erhaltener Wasserverteiler aus der Mitte des 1. Jts. v. Chr. diente der Bewässerung von Palmenhainen, im Laufe der Jahrhunderte wurde er von Sedimenten überdeckt Abb. 7 Bewässerungsanlage aus der mittelsabäischen Zeit (1. Jh. v. Chr. bis 3. Jh. n. Chr.) mit langen Mauerzügen, die mit dem sabäischen Mörtel Qadad verputzt sind 7 AA-2008/1 Beiheft Orient-Abteilung, Außenstelle Sana’a 277 spätsabäischer Zeit schließen. Lediglich ein sehr gut erhaltener großer Wasserverteiler, der mehrere Meter tief in den Sedimenten gründet, datiert in die Mitte des 1. Jts. v. Chr. (Abb. 6). Nicht nur die Konstruktionsweise aus sorgfältig gesetzten Kalkstein- und Vulkangesteinsquadern belegt diese Datierung, sondern ebenso die Bauinschrift des Verteilers. Auch im Gebiet nordöstlich der antiken Stadt Marib haben sich aufgrund rezenter Siedlungstätigkeit nur wenige antike Strukturen erhalten. Zu diesen Befunden zählen vor allem kleinere Wasserverteiler aus mittelsabäischer Zeit (1. Jh. v. Chr. bis 3. Jh. n. Chr.). Eine Bewässerungsanlage setzt sich aus mehreren rechteckigen Flügelbauten unterschiedlicher Höhe zusammen, die auf einer Seite in einer langen, leicht gebogenen Mauer auslaufen (Abb. 7). Wasserverteiler charakterisieren außerdem die Bereiche östlich der Nordschleuse des ›Großen Dammes‹. Sie setzen sich zumeist aus zwei rechteckigen Flügeln auf einer hohen Basis zusammen, die den mittigen Auslass aussparen und zumeist in Gruppen von drei oder vier Anlagen zusammenstehen. Diese Bauten bilden an einigen Stellen Knotenpunkte für Kanäle, von denen aus sich das Wasser in unterschiedliche Richtungen weiterverteilte. Zwischen den Verteilern sind an drei Stellen Reste von Siedlungen erhalten, die sich vor allem durch einen dichten Scherbenteppich auf der Oberfläche abzeichnen. Aufgrund der Keramik können die Siedlungen in die mittel- bis spätsabäische Zeit (1. Jh. v. Chr. bis 6. Jh. n. Chr.) datiert werden. Den landwirtschaftlichen Charakter der Anlagen verdeutlichen etliche Reibsteine und -schalen sowie einige Mahlsteine. Neben den zentralen Flächen der Oase von Marib galt das Interesse auch den Oasenrandbereichen. Hier konnten zum einen die frühesten sabäischen Bewässerungssysteme identifiziert werden, zum anderen fanden sich dort die einzigen Baureste bronzezeitlicher Kulturen in der Region. Der nördliche Abschnitt des Wadi Jufainah ist durch Kalksteinausläufer des Jabal Balaq al-Qibli sowie Vulkankegel gekennzeichnet. Dieses Gebiet weist nur äußerst wenige, schlecht zu datierende und zu deutende Überreste menschlicher Siedlungen auf. An den Berghängen befinden sich dagegen zahlreiche gut erhaltene Grabstätten in Form von turmartigen Bauten mit kleinen Öffnungen im Südwesten (Abb. 8). Die meisten Gräber sind mit einem aus Steinhaufen gesetzten sog. Abb. 8 Marib, Oase. Bronzezeitliches Turmgrab mit fensterartiger Öffnung und einem aus Steinhaufen gesetzten ›Kistenschwanz‹ AA-2008/1 Beiheft 278 Jahresbericht 2007 des DAI Kistenschwanz ausgestattet. Die Funktion der ›Kistenschwänze‹ ist nach wie vor ungeklärt: Möglicherweise stellen sie ein Zeichen der sozialen Stellung der Bestatteten oder Landmarken bzw. Abgrenzungen unterschiedlicher Territorien dar. Für die Datierung bietet sich gegenwärtig lediglich ein Vergleich mit den bronzezeitlichen Rundgräbern an. Allerdings weisen jüngste Grabungen in al-Mahdarah und im westlichen Jol darauf hin, dass die Verwendung solcher Grabanlagen bis weit in das 1. Jt. v. Chr. üblich war. Anthropologische Untersuchungen legen bei diesen Ausgrabungsplätzen die Vermutung nahe, dass es sich bei den dort Bestatteten um Mitglieder einer indigenen Bevölkerungsgruppe handelt, die noch nicht die Sitten der am Ende des 2. Jts. v. Chr. vermutlich aus der Levante einwandernden Bevölkerungsgruppen übernommen hatte, sondern sich an frühere, bronzezeitliche Traditionen anlehnte. Kooperationspartner: Lehrstuhl für Semitische Philologie und Islamwissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Sprachen und Kulturen des Vorderen Orients (N. Nebes); Geographisches Institut, Physische Geographie der Eberhard-Karls-Universität Tübingen (P. Kühn, D. Pietsch, Th. Scholten); Paläontologisches Institut der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen (R. Koch, Ch. Weiß); Department Geomatik, Labor für Instrumentenkunde der HafenCity Universität Hamburg (Th. Kersten, K. Mechelke); General Organization for Antiquities and Museums (A. Bawazir) • Leitung des Projekts: I. Gerlach • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: U. Brunner, H. Hitgen, S. Japp, J. Kramer, P. Kühn, M. Manda, K. Mechelke, D. Pietsch, Ch. Weiß, J. Zech • Abbildungsnachweis: DAI AR20020209_047, I. Gerlach (Abb. 5); DAI MaO20070874, J. Kramer (Abb. 6); DAI MaO20070898, H. Hitgen (Abb. 7); MaO200700304, H. Hitgen (Abb. 8). Marib Stadt Marib, die Hauptstadt des Reiches von Saba, bildet mit 110 ha die größte antike Stadtanlage Südarabiens (ca. 12. Jh. v. Chr. – 7. Chr. n. Chr.) und gilt als eine der bedeutendsten Fundstätten auf der Arabischen Halbinsel. Fragen nach der Organisation und Raumgestaltung der Stadt, nach der Bedeutung und Abb. 9 Marib Stadt, Luftbild der Stadtanlage mit der Angabe der Stadtmauer und den mit Pfeilen markierten Toranlagen AA-2008/1 Beiheft Orient-Abteilung, Außenstelle Sana’a 279 Abb. 10 Marib Stadt, Blick über die Sedimentpakete auf den islamischen Hügel mit neuzeitlicher Lehmziegelbebauung im Hintergrund AA-2008/1 Beiheft Chronologie der materiellen Kultur, den Wechselbeziehungen von Stadt und Umland sowie den weiträumigen Kontakten sollen durch die archäologische und epigraphische Erforschung Maribs umfassend beantwortet werden. Dieser Fundplatz bietet für Südarabien die einmalige Chance, ein fundiertes chronologisches Gerüst für die Entwicklung des sabäischen Reiches von seiner Formierung im späten 2. Jt. v. Chr. bis zu seinem Ende zu erstellen. Vor den geplanten Ausgrabungen wurden in diesem Jahr die Surveys intra muros intensiviert sowie geomorphologische Untersuchungen durchgeführt (Abb. 9). Dabei konnte eine intensive Besiedlung über die islamische Zeit bis in die Gegenwart nachgewiesen werden. Ein in der Forschung immer wieder postulierter Bruch in der Siedlungskontinuität etwa zu Lebzeiten Mohammeds lässt sich nicht belegen. Stattdessen wurde neben dem zentralen Siedlungshügel von Marib gerade das westliche und nördliche Stadtgebiet in islamischer Zeit intensiv genutzt. Dicht beieinander stehende Lehmziegelhäuser, die auf Bruchsteinfundamenten gründeten, finden sich in all diesen Bereichen. Die frühislamischen Bauten sind durchgängig unter Verwendung antiker Spolien errichtet worden und weisen eine einfache Konstruktionsweise auf. Marib war in dieser Zeit kein städtisches Zentrum mehr, sondern eine Ansammlung landwirtschaftlich orientierter Siedlungsplätze, die nur noch bedingt als Handelsplatz fungierten. Keramikfunde mit einem bisher unbekannten Formenrepertoire im westlichen Stadtgebiet deuten auf eine Nutzung Maribs in der Spätantike hin, die bislang nur über epigraphische Quellen erschlossen werden konnte. Zieht man alle mittels Surveys und Bohrungen gewonnenen Ergebnisse heran, deutet sich eine kontinuierliche Nutzung Maribs von der ausgehenden Bronzezeit bis in die Gegenwart an. Darüber hinaus konzentrierten sich die Forschungen auf den südlichen Bereich der Stadtanlage, wo sich in tiefen Erosionsrinnen ein ungewöhnlicher Befund abzeichnet: Innerhalb eines doppelten Mauerringes lagern teilweise über 10 m hohe Sedimentpakete (Abb. 10).Während an der Oberfläche dieser 280 Jahresbericht 2007 des DAI Sedimente zahlreiche Baustrukturen mittelsabäischer Zeit (1. Jh. v. Chr. – 3. Jh. n. Chr.) zutage treten, sind die unteren Bereiche nahezu fundleer und frei von Bauresten. Geomorphologisch-bodenkundliche Untersuchungen haben ergeben, dass sich diese Sedimente deutlich unterscheiden: Während die fehlende Schichtung und Struktur der Sedimente im südwestlichen Stadtgebiet für eine landwirtschaftliche Nutzung möglicherweise als Gärten oder Felder intra muros sprechen, sind andere Gebiete mit Sedimentablagerungen nie genutzt worden. In diesen Bereichen weisen die Sedimente eine z. T. ungleichmäßige Schichtung sowie zahlreiche Diskordanzen auf. Dies bedeutet, dass sie zwar durch regelmäßige Überflutungen entstanden, dieses Gelände jedoch weder als Gartenland noch als Bauland genutzt wurde. Ähnlich ist die Situation jenseits der südlichen Stadtmauer. Hier befinden sich nahe dem Wadi Dhana Sedimente, die ebenfalls nie eine landwirtschaftliche Nutzung erfuhren. Bei dem nördlichen Stadtmauerabschnitt reichten Wasserwirtschaftsbauten und Reste von Kanälen dicht an die Mauer heran. Die Ergebnisse der geomorphologisch-bodenkundlichen Untersuchungen der Sedimente in Marib verändern das Bild der Metropole maßgeblich. Obwohl die Stadtanlage von mächtigen Mauern umgeben war, scheinen große Gebiete intra muros nie genutzt worden zu sein. Lediglich kleine Bereiche dienten als Gartenanlagen, andere vielleicht als unbebaute Lagerflächen für die durchreisenden Kamelkarawanen. 14C-Datierungen bezeugen bereits ab 1000 v. Chr. eine landwirtschaftliche Nutzung der Sedimente (Abb. 11). Diese mächtigen Sedimentpakete sind nur dann verständlich, wenn man von regelmäßigen Überflutungen mit Hilfe eines Kanalsystems innerhalb der Stadt ausgeht. Der Verlauf der Kanäle, vor allem in der Nähe der Stadtmauern, ist allerdings noch nicht erkennbar. Die antike Stadt mit ihren Verwaltungsbauten, Tempelanlagen, Wohn- und Handwerksbereichen scheint sich nach jetzigem Kenntnisstand nur auf etwa die Hälfte des Stadtgebietes, und zwar im zentralen und östlichen Bereich, erstreckt zu haben. Der Verlauf der Stadtmauer spricht zudem dafür, dass es sich bei diesem Gebiet auch um den ältesten Teil der Siedlung handelt. Kooperationspartner: Lehrstuhl für Semitische Philologie und Islamwissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Sprachen und Kulturen des Vorderen Orients (N. Nebes); Geographisches Institut, Physische Geographie der Eberhard-Karls-Universität Tübingen (P. Kühn, D. Pietsch, Th. Scholten); Paläontologisches Institut der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen (R. Koch, Ch. Weiß); Department Geomatik, Labor für Instrumentenkunde der HafenCity Universität Hamburg (Th. Kersten, K. Mechelke); General Organization for Antiquities and Museums (A. Bawazir) • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: I. Gerlach, N. Nebes • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: U. Brunner, H. Hitgen, S. Japp, J. Kramer, P. Kühn, A. Ludwig, M. Manda, K. Mechelke, D. Petzold, D. Pietsch, B. Schäfer, M. Schnelle, Ch. Weiß, J. Zech • Abbildungsnachweis: DAI, Luftbild der Royal Airforce (Abb. 9); DAI MaS 200700235, J. Kramer (Abb. 10); DAI, D. Pietsch (Abb. 11). Abb. 11 Marib Stadt, Profil der islamischen Schichten und eines Gartenbodens aus dem 1. Jt. v. Chr. Sirwah, archäologisch-baugeschichtliche Forschungen in der sabäischen Stadtanlage Die Stadtanlage und Oase von Sirwah, ca. 40 km westlich der antiken Hauptstadt Marib gelegen, bildet im 1. Jt. v. Chr. das zweite große Zentrum des sabäischen Reiches. Bei dem Forschungsprojekt stehen Fragen nach der Funktion der Stadt ebenso im Vordergrund wie nach deren Einbindung in das sabäische Handelsnetz und die Wirtschaft dieses Reiches. Mit Surveys und Ausgrabungen wird eine umfassende Rekonstruktion der antiken Kultur und Umwelt angestrebt. Die archäologischen Untersuchungen in Sirwah konzentrieren sich AA-2008/1 Beiheft Orient-Abteilung, Außenstelle Sana’a 281 Abb. 12 Sirwah, Blick in einen kleinen Sakralbau des Almaqah-Heiligtums aus der mittelsabäischen Zeit (1. Jh. v. Chr. bis 3. Jh. n. Chr.). Im Vordergrund ein Opferstein mit Ablaufrinne für Opferblut oder Libationen vorerst auf die innerstädtischen Sakralkomplexe, die Fortifikation sowie die Infrastruktur. Der Schwerpunkt der Arbeiten lag in diesem Jahr vor allem auf der Untersuchung von Gebäudekomplexen nördlich des großen Almaqah-Tempels, um Form und Funktion der an den Tempel anschließenden Gebäudestrukturen zu klären. Weitere Ausgrabungen an der Stadtmauer nordöstlich des Heiligtums hatten den Verlauf der Befestigung und die Erforschung von Eingangstoren im östlichen Stadtgebiet zum Ziel. In dem nördlich an die sog. Bronzewerkstatt des Almaqah-Tempels angrenzenden Areal kam ein kleiner Sakralbau mit Lehmziegelaltar aus der mittelsabäischen Zeit zutage (1. Jh. v. Chr. – 3. Jh. n. Chr.). Der Kultgemeinschaft dienten Bänke unter einer von Pfeilern gestützten Galerie als Sitzplätze. Im hypäthralen Mittelteil des Raumes befanden sich eine trapezförmige Basis mit Löchern für Einlasszapfen, die möglicherweise zur Aufnahme eines bronzenen Tisches oder für Weihgaben diente, sowie ein Opferstein mit Auffangbecken und Ablaufrinne für Opferblut oder Libationen (Abb. 12). In einem Nebenraum des Tempels fanden sich Achatperlen, Goldschmuck, Intarsien, Öllampen, mehrere bronzene Dolche, Statuetten und zwei Inschriftentafeln. Diese Objekte spiegeln das reiche und vielseitige Repertoire mittelsabäischer Votivgaben wider (Abb. 13). Abb. 13 Sirwah, Goldfunde aus dem Almaqah-Heiligtum der mittelsabäischen Zeit (1. Jh. v. Chr. bis 3. Jh. n. Chr.) AA-2008/1 Beiheft 282 Jahresbericht 2007 des DAI Ebenfalls zum Heiligtum des Almaqah zählt ein im Norden des Tempelvorhofes anschließender kleiner Podiumtempel. Trotz massiver Zerstörungen und Steinraub ist ein langrechteckiger Raum und ein zum Tempelhof ausgerichtetes Podium erhalten, auf dem sich Pfeiler erhoben, wie Photoaufnahmen aus den 1950er Jahren beweisen. Bereits kurz nach Fertigstellung im 8./7. Jh. v. Chr. erfuhr das Gebäude verschiedene Umbaumaßnahmen, die vor allem die Zugangssituation zur Kammer betrafen. Der nördliche Teil des Gebäudes wurde in der Spätzeit als Wirtschaftsbereich genutzt, wie u. a. drei Lehmöfen (Tannure) zeigen. Nordwestlich des Almaqah-Tempels – ebenso wohl noch zum Komplex des Heiligtums gehörend – wurde ein fast vollständig zerstörtes, langrechtecki- Abb. 14 Sirwah, Kultgebäude des Almaqah-Heiligtums aus der mittelsabäischen Zeit (1. Jh. v. Chr. bis 3. Jh. n. Chr.), welches vielleicht als Versammlungsraum diente ges Gebäude freigelegt, dessen Zugang sich in der Mitte der östlichen Schmalseite befindet (Abb. 14). Das in mittelsabäische Zeit zu datierende und vermutlich als Versammlungsraum zu deutende Gebäude weist einen Grundriss mit einem Mittelschiff und zwei identischen Seitenschiffen auf. Den Boden bedeckten Alabasterplatten, von denen sich aber – bis auf eine – nur die Negativabdrücke im Gipsbett erhalten haben. Eine durchgehende Kalksteinstufe grenzt die Seitenschiffe vom Mittelschiff ab, in die in regelmäßigen Abständen je vier Pfeilerbasen eingefügt waren. Zudem standen hier Skulpturen, worauf Einlassungen hinweisen. Das westliche Ende des Innenraumes wird von einer hohen Stufe aus Kalksteinquadern eingenommen, die wohl den vorderen Teil einer Bank bildete.Vielleicht handelte es sich dabei um eine Sitzbank oder ein Bema für Weihgeschenke. Mit der archäologischen Erforschung dieser Kultbauten lassen sich dem Almaqah-Heiligtum jetzt neben dem Haupttempel insgesamt vier weitere Sakralbauten zuordnen. Deutlich abgesetzt vom Almaqah-Heiligtum erhebt sich im nördlichen Stadtgebiet der sog. Fünfpfeilertempel, in dem in diesem Jahr mit Ausgrabungen begonnen wurde. Trotz rezenter Zerstörungen, die vor allem den Eingangsbereich mit der vollständigen Abtragung der Pfeiler betreffen, verspricht der Tempel, wichtige Hinweise auf die Entwicklung sabäischer Sakralbauten zu geben (Abb. 15 a. b). AA-2008/1 Beiheft Orient-Abteilung, Außenstelle Sana’a 283 Abb. 15 a. b Sirwah, Photographie des sog. Fünfpfeilertempels aus der Mitte des 20. Jhs. und Zustand des Sakralbaus im Propylonbereich kurz nach dem Beginn der Ausgrabungen im Jahr 2007 Bei der Freilegung des Eingangs zeigten sich die Reste der fünf Pfeilerbasen, dahinter ein dreistufiger Treppenaufgang, der zwischen zwei fragmentierten monolithischen Laibungssteinen in das Tempelinnere führte. Der Eingangsbereich im Inneren wurde durch einen heute noch in situ stehenden Pfeiler gestützt. Dieser hat sich zwar nicht in voller Höhe erhalten, trägt aber dennoch als oberen Abschlussbereich die Reste einer Namensinschrift, die paläographisch in die frühsabäische Zeit datiert (8./7. Jh. v. Chr.). Nach Entfernung rezenter Verbauung konnten der Grundriss und die Baukonstruktion des Gebäudes zumindest im Ansatz geklärt werden: Es handelt sich um ein fast quadratisches in Holz-Stein-Fachwerk errichtetes Gebäude, das an den Ecken und mittig an jeder Seite vorspringende Risalite aufweist. Dieser Grundriss ist bisher in Südarabien vor allem für Karawansereien aus spätsabäischer Zeit belegt, nicht aber für Tempelbauten früherer Zeitstufen. 14CDatierungen für eine zeitliche Einordnung des Bauwerks stehen noch aus. Nach der Dokumentation der wenigen islamischen Baureste auf dem Tempel konnten in zwei Grabungsschnitten die verkohlten Deckenbalken des ursprünglichen Tempeldaches und die fast bis zur Decke erhaltene sabäische Architektur freigelegt werden. Bislang lässt sich ein axial von dem Tempeleingang verlaufender Korridor rekonstruieren, über den sich links und rechts symmetrisch angeordnete Räume erschließen. Die Wände des Korridors waren mit kleinen sorgfältig geglätteten Kalksteinen sowie in Nischen sitzenden HolzbalAA-2008/1 Beiheft 284 Jahresbericht 2007 des DAI ken verkleidet. Die Wände der einzelnen Räume wurden aus mit Lehm verputztem Bruchsteinmauerwerk errichtet und ebenfalls durch Nischen mit eingesetzten Holzbalken gegliedert. Das hoch anstehende Mauerwerk sowie die noch vorhandenen Deckenbalken des Tempeldaches lassen vermuten, dass sich zumindest die Innenarchitektur und möglicherweise auch Reste des Kultinventars erhalten haben. Kooperationspartner: Lehrstuhl für Semitische Philologie und Islamwissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Sprachen und Kulturen des Vorderen Orients (N. Nebes); Geographisches Institut, Physische Geographie der Eberhard-Karls-Universität Tübingen (P. Kühn, D. Pietsch, Th. Scholten); Paläontologisches Institut der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen (R. Koch, Ch. Weiß); Department Geomatik, Labor für Instrumentenkunde der HafenCity Universität Hamburg (Th. Kersten, K. Mechelke); General Organization for Antiquities and Museums (A. Bawazir) • Leitung des Projekts: I. Gerlach • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: W. Brettschneider, U. Brunner, T. Buchholz, S. Gehrke, M. Götting, R. Heiden, P. Hoffmann, S. Japp, I. Joerder, J. Kramer, M. Kinzel, P. Kühn, J. Malsch, M. Manda, D. Pietsch, K. Mechelke, B. Schäfer, M. Schnelle, M. Skorupka, R. Sobott, I. Wagner, Ch. Weiss, J. Zech • Abbildungsnachweis: DAI Sir200700850, J. Kramer (Abb. 12); DAI, I. Wagner (Abb. 13); DAI Sir20082880, J. Kramer (Abb. 14); nach A. Fakhry, An Archaeological Journey to Yemen (March–May 1947) III (1952) Taf. 10 A (Abb. 15 a); DAI, J. Kramer (Abb. 15 b). Sabäische Sakralarchitektur, Gestalt, Ausstattung und Rekonstruktionsversuch der Kultpraktiken Im Vordergrund des Projekts steht die archäologische Untersuchung sabäischer Sakralbauten in den beiden städtischen Zentren Marib und Sirwah. Eine systematische Erforschung der Kultpraktiken, Rituale und Votive anhand archäologischer Funde und Befunde in Abhängigkeit zur architektonischen Gestalt der Heiligtümer hat zum Ziel, typisch südarabische Phänomene zu benennen und eine vergleichende Gegenüberstellung zu anderen antiken Kulturen vor allem des vorderasiatischen und ägyptischen Raumes vorzunehmen. Wie und in welchem Ausmaß die soziale Ordnung der sabäischen Gesellschaft mit ihren sich wandelnden religiösen Vorstellungen die Gestaltung des sakralen Raumes prägte, sind zentrale Fragestellungen des Projekts. Der Übergang vom Polytheismus zum Monotheismus im 4. Jh. n. Chr. und die Auswirkungen auf die Sakralarchitektur und den Kult spielen dabei eine herausragende Rolle. Die Forschungen zur sabäischen Sakralarchitektur wurden mit Ausgrabungen in Sirwah und einem Survey in der sabäischen Hauptstadt Marib fortgesetzt. Ähnlich wie in allen anderen südarabischen Karawanenstädten befinden sich auch in Marib mehrere, teilweise inschriftlich bezeugte Heiligtümer im Stadtgebiet. Als eines der berühmtesten gilt der epigraphisch mehrfach belegte Almaqah-Tempel von Harunum. Möglicherweise handelt es sich bei dem monumentalen Achtpfeilertempel, der sich am Fuße des Stadthügels von Marib befindet und zum Teil von einer halb zerfallenen und in das 11. Jh. datierenden Moschee überlagert ist, um diesen Bau (Abb. 16). Sichtbar sind von dem sabäischen Tempel acht monolithische Eingangspfeiler und weitere kleine Pfeiler einer Hofgalerie. Die Monumentalität sowie die Anzahl der Eingangspfeiler weisen auf die außergewöhnliche Bedeutung dieses Heiligtums hin. Vorläufige Untersuchungen deuten darauf hin, dass dieser Tempel von Freiflächen eingefasst war. Im weiteren Stadtgebiet konnten oberirdisch anstehende Strukturen sakraler Bauten, die sich als Podien im Stadtgebiet abheben (Abb. 17), dokumentiert AA-2008/1 Beiheft Orient-Abteilung, Außenstelle Sana’a 285 Abb. 16 Marib Stadt, Blick auf die in das 11. Jh. datierende Moschee, in die auf der rechten Seite die Pfeiler eines Tempels der 1. Hälfte des 1. Jts. v. Chr. verbaut sind Abb. 17 Marib Stadt, Reste eines Podiumtempels bei der südwestlichen Toranlage der Stadt. Erhalten hat sich lediglich das Podium, welches einen Kern aus Tuff- und Basaltblöcken besitzt AA-2008/1 Beiheft und Fundmaterial gesammelt werden. Dabei zeichnet sich eine Konzentration von Tempelanlagen entlang dem postulierten Wegesystem, bei einem Stadttor und an einer als möglicher Karawanenlagerplatz interpretierten Freifläche ab. Ohne archäologische Ausgrabungen lassen sich zunächst keine Identifizierungen dieser Anlagen mit den in den Inschriften genannten Heiligtümern vornehmen. Die Forschungen in Sirwah konzentrierten sich vornehmlich auf die dem Almaqah-Tempel angeschlossenen Bauten. Ziel der Arbeiten war es, die Funktion und Gestalt aller zu dem Komplex des Heiligtums zählenden Gebäude zu erfassen sowie zeitlich einzuordnen. Nach 14C-Datierungen wurde die Felskuppe des späteren Haupttempels bereits in der Bronzezeit (ab 1600 v. Chr.) genutzt, ob als Heiligtum oder Siedlungsplatz muss vorerst offen bleiben. In frühsabäischer Zeit, zu Beginn des 1. Jts. v. Chr., lässt sich ein Tempel mit ovoider Umfassungsmauer nachweisen, die im Grundriss derjenigen des späteren Sakralbaus aus dem 7. Jh. v. Chr. entspricht. 286 Jahresbericht 2007 des DAI Sirwah Abb. 18 Blick auf das Almaqah-Heiligtum mit verschiedenen, diesem Komplex angegliederten Kultbauten im Vordergrund Abb. 19 Blick über die beiden Inschriftensteine mit den Tatenberichten sabäischer Herrscher in den Almaqah-Tempel aus der Mitte des 7. Jhs. v. Chr. Gleichfalls während der Formierung des sabäischen Reiches entstanden weitere an das Hauptheiligtum angeschlossene Sakralbauten, die während der langen Nutzung zu einem regelrechten Ensemble unterschiedlicher Kultplätze zusammenwuchsen (Abb. 18). Deren architektonische Gestaltung und Größe variiert erheblich und reicht von einem Podiumtempel bis zu einem kapellenartigen Gebäude sowie einer als Kultbau angesprochenen Struktur mittelsabäischer Zeit (1. Jh. v. Chr. – 3. Jh. n. Chr.). Diese Unterschiede spiegeln sicherlich nicht nur einen sich wandelnden Zeitstil wider, sondern auch eine differierende Funktionalität, die sich u. a. in der Verehrung verschiedener Gottheiten bzw. der Nutzung durch eine andere Kultgemeinschaft ausdrückt. Von einem charakteristischen ›sabäischen‹ Tempeltypus, wie lange in der Forschung postuliert, kann nach den neusten Untersuchungen nicht ausgegangen werden. Offensichtlich grenzte sich das Heiligtum durch die räumliche Ausrichtung klar vom Gebiet extra muros ab. Auch innerhalb des Stadtgebietes bildet der Sakralkomplex einen separaten, sich allerdings nach allen Seiten öffnenden Bereich (Abb. 19). Verbindendes Element von Umland, Stadt und Heiligtum bildet der große Vorhof, der sowohl von außen als auch vom Stadtgebiet aus betreten werden konnte. Sollte dieser Sakralbezirk bereits in der Bronzezeit als Kultplatz genutzt worden sein, so spiegelt sich an diesem Ort eine 2000 Jahre alte Kulttradition wider. Kooperationspartner: Lehrstuhl für Semitische Philologie und Islamwissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Sprachen und Kulturen des Vorderen Orients (N. Nebes); Geographisches Institut, Physische Geographie der Eberhard-Karls-Universität Tübingen (P. Kühn, D. Pietsch, Th. Scholten); Paläontologisches Institut der Friedrich-Alexander-Universität AA-2008/1 Beiheft Orient-Abteilung, Außenstelle Sana’a 287 Erlangen (R. Koch, Ch. Weiß); Department Geomatik, Labor für Instrumentenkunde der HafenCity Universität Hamburg (Th. Kersten, K. Mechelke); General Organization for Antiquities and Museums (A. Bawazir) • Leitung des Projekts: I. Gerlach • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: U. Brunner, H. Hitgen, S. Japp, J. Kramer, P. Kühn, M. Manda, K. Mechelke, N. Nebes, D. Pietsch, M. Schnelle, Ch.Weiß, J. Zech • Abbildungsnachweis: DAI, S. Japp (Abb. 16); DAI MaS200700060, H. Hitgen (Abb. 17); DAI, S. Japp (Abb. 18); DAI, J. Kramer (Abb. 19). Sirwah, Almaqah-Tempel Abb. 20 Restaurierungsmaßnahmen, Wiederaufrichtung von Pfeilern im Bankettbereich des Tempelinneren Abb. 21 Niederlegung von Pfeilern des stadtseitigen Propylons mit Hilfe eines Krans 20 21 AA-2008/1 Beiheft Sirwah, Heiligtum des Almaqah Neben der wissenschaftlichen Erforschung der Oase und Stadtanlage von Sirwah sind Konsolidierungs- und Restaurierungsmaßnahmen an den wichtigsten Monumenten des Fundplatzes durchgeführt worden. Abhängig von ihrem Erhaltungszustand mussten beschädigte Bauelemente instand gesetzt und zerstörte Architekturelemente partiell rekonstruiert werden. Ziel der Arbeiten ist nicht nur der Erhalt des jemenitischen Kulturerbes, sondern auch die Erschließung der Ruine für den Tourismus. Zum Schutz wurde außerdem die gesamte Anlage eingezäunt. Außer der Anfertigung von Abgüssen bedrohter sowie teilweise schon abgeplatzter Inschriften im Kalksteinplattenboden bildete im Almaqah-Tempel der Austausch von zerstörten und stark rückverwitterten Steinen im Bankettbereich, an der Außenschale der Tempelumfassungsmauer und im Fußboden des Tempelinneren gleichfalls eine wichtige restauratorische Maßnahme. Spolien, die im Zuge des Abbaus der rezenten Bebauung freigelegt wurden und dem Bauwerk nicht mehr zuzuordnen waren, dienten als Ersatzgesteine. Parallel dazu wurden Schadstellen mit Epoxidharz geklebt. Eine Festigung der Inschriften an den Treppen des Banketts erfolgte mit dispergiertem Weißkalkhydrat und Mörtel. Die Oberfläche des Kassettenmauerwerks der Tempelumfassung wurde vollständig mit dem traditionellen Mörtel Qadad abgedichtet, um das Eindringen von Wasser zu verhindern und den Salztransport an die Maueraußenseite zu stoppen. Die beiden großen Inschriftensteine der sabäischen Herrscher Karib’il Watar und Yithar’ amar Watar bin Yakrubmalik wurden überdacht. Die provisorischen Dächer dienen in erster Linie dem Schutz vor Regenwasser, sollen aber auch ein Erhitzen der Steine in der Sonne verhindern. Um einen besseren Wasserabfluss aus dem Tempel zu ermöglichen, wurde eine Drainage unter der Tempelumfassung hindurch ins Wadi verlegt. Darüber hinaus verhindern mehrere Sickerschächte, dass sich über längere Zeit stehendes Wasser bilden kann. Unter den Spolien des Heiligtums befinden sich zahlreiche Pfeilerbruchstücke, die teilweise aufgrund der Maße und Steinstruktur ihrem ursprünglichen Standort zugeordnet werden konnten. So ließen sich einige Galeriepfeiler im Eingangsbereich des Tempels mit Hilfe eines erhöhten Portalkranes wieder aufrichten (Abb. 20). An den großen Pfeilern der beiden Propyla wurden Ultraschallmessungen durchgeführt, um die Steine auf ihre Beschaffenheit und mögliche Fehlstellen zu prüfen. Anhand der Untersuchungsergebnisse konnten die Pfeiler des ersten Propylon mittels eines Kranes in einem Holzstahlkorsett angehoben und zur Festigung auf einer ebenen Betonplattform abgelegt werden (Abb. 21). Hier wurden die Pfeiler mit Edelstahlstangen verdübelt und zusätzlich mit Epoxidharz verklebt. Die Wiederaufrichtung ist für das kommende Frühjahr geplant. Kooperationspartner: Paläontologisches Institut der Friedrich-AlexanderUniversität Erlangen (R. Koch, Ch. Weiß); Department Geomatik, Labor für 288 Jahresbericht 2007 des DAI Instrumentenkunde der HafenCity Universität Hamburg (Th. Kersten, K. Mechelke); Dombauhütte Xanten (J. Schubert); General Organization for Antiquities and Museums (A. Bawazir) • Förderung: Jemenitischer Social Fund of Development (SFD) • Leitung des Projekts: I. Gerlach • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: W. Brettschneider, W. Fischer-Ohl, P. Frömming, P. Hoffmann, M. Kinzel, J. Kramer, J. Malsch, A. Rentmeister, M. Schnelle, R. Sobott, I. Wagner, Ch. Weiss • Abbildungsnachweis: DAI, Ch. Weiss (Abb. 20); DAI Sir20072825, J. Kramer (Abb. 21). Marib, Planung eines Provinzmuseums Die Provinz Marib mit ihren zahlreichen antiken Fundplätzen, zu der u. a. die Hauptstadt des sabäischen Reiches Marib, das Kultzentrum Sirwah und die berühmten Bewässerungsbauwerke gehören, besitzt bis heute kein eigenes Museum. Nicht nur um einen weiteren touristischen Anziehungspunkt in der Region zu schaffen, sondern auch um einen adäquaten Standort für Tausende von antiken Fundstücken sowie einen Forschungsstandort zu etablieren, hat die jemenitische Regierung den Bau eines Provinzmuseums vorgesehen. Die Planung, Ausstellungskonzeption und beratende Aufgaben werden vom DAI durchgeführt. Der Ausbau des neuen Magazingebäudes sowie der Bau eines Wächterhauses auf dem Museumsgelände wurden in diesem Jahr abgeschlossen. Ebenso konnte die Sichtung und Auswahl der Fundobjekte bis auf die Funde der amerikanischen Grabung im Awam-Tempel von Marib, zu denen das Team keinen Zutritt erhielt, beendet werden. Ein detailliertes Ausstellungskonzept geordnet nach verschiedenen Themengruppen bildet die Grundlage für den Vorentwurf eines Raumplans. Neben den archäologischen Schwerpunkten beinhaltet die Konzeption auch einen Ausstellungsentwurf zur Geologie und Geographie der Region Marib sowie zur islamischen Kunst des Jemen. Die Planung eines ethnologischen Ausstellungsteils ist in Arbeit. Für die museologischen Studien wurde eine Besucherumfrage im Nationalmuseum Sana’a durchgeführt. Alle Ergebnisse flossen in die »Terms of Reference« für den Architekturentwurf ein, der vom jemenitischen Social Fund for Development öffentlich ausgeschrieben wird. Kooperationspartner: Lehrstuhl für Semitische Philologie und Islamwissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Sprachen und Kulturen des Vorderen Orients (N. Nebes); Geographisches Institut, Physische Geographie der Eberhard-Karls-Universität Tübingen (P. Kühn, D. Pietsch, Th. Scholten); Paläontologisches Institut der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen (R. Koch, Ch. Weiß); General Organization for Antiquities and Museums (A. Bawazir); Staatliche Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz (Vorderasiatisches Museum, Museum für Islamische Kunst, Institut für Museumsforschung) • Förderung: Jemenitischer Social Fund of Development (SFD); USAID • Leitung des Projekts: I. Gerlach • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: R. Arndt, M. Bruex, U. Brunner, R. Crassard, P. Frömming, A. Al-Gaish, Ch. Gerbich, D. Heiden, S. Japp, S. Kamel, N. Nebes, A. Shamsan, M. al-Qubati, W.-D. Thonhofer, M. Wachowski, Ch. Weiß. Entwicklungs- und kulturpolitische Maßnahmen, Projekt zum Erhalt des jemenitischen handschriftlichen Erbes Im Rahmen des aus Mitteln des Kulturerhalt-Programmes des Auswärtigen Amts finanzierten Projekts zur Digitalisierung und Konservierung islamischer Manuskripte aus dem Jemen wurden weitere Manuskripteditionen vom Französischen ins Arabische übersetzt sowie zwei Bände der gemeinsam mit dem AA-2008/1 Beiheft Orient-Abteilung, Außenstelle Sana’a 289 Centre Français d’Archéologie et de Sciences Sociales de Sana’a herausgegebenen Reihe »Die jemenitische Bibliothek« publiziert. Kooperationspartner: Centre Français d’Archéologie et de Sciences Sociales de Sana’a (J. Lambert); Französische Botschaft Sana’a (A. Joly), Deutsche Botschaft Sana’a (F. Werner); Centre Culturel et de Coopération Linguistique; Ministerium für Kultur und Tourismus der Republik Jemen (A. Roweishan); General Organization for Antiquities and Museums (A. Bawazir); Allgemeine Organisation für Handschriften des Jemen; Ministerium für Religiöse Stiftungen des Jemen • Förderung: Kulturerhalt-Programm des Auswärtigen Amts • Leitung des Projekts: I. Gerlach, J. Lambert • Mitarbeiter: M. Arbach, T. Klaric, E. Vallet Wissenschaftliche Veranstaltungen Vortrag 29. Oktober Iris Gerlach (Sana’a),The Kingdom of Saba: New Archaeological Research in the Province of Marib Öffentlichkeitsarbeit Frau Gerlach gab mehrere Zeitungs- und Radiointerviews, z. B. für eine deutsche Journalistengruppe, und verfasste mehrere Pressemitteilungen. Sie führte verschiedene Besucher, u. a. Mitarbeiter der Deutschen Botschaft Sana’a sowie die Reisestipendiaten und Reisestipendiatinnen des DAI, durch die Ausgrabungen der Außenstelle in Marib und Sirwah. Veröffentlichungen Archäologische Berichte aus dem Yemen XI und XII, 2007 Hefte zur Kulturgeschichte des Jemen 4: Botschaft der Bundesrepublik Deutschland, Sana’a – Deutsches Archäologisches Institut, Orient-Abteilung, Außenstelle Sana’a (Hrsg.), Neugier trieb mich um die Welt. Hans Helfritz’ Reisen in den Jemen 1931–1935. Eine photographische und musikethnologische Spurensuche (Deutsch/Englisch) Deutsches Archäologisches Institut Sana’a – Centre Français d’Archéologie et de Sciences Sociales de Sana’a (Hrsg.), The Virtues of Qahtân and Yemen from al-Hamdânî‘s Kitâb al-Iklîl/Mafâkhir Qahtân wa-l-Yaman min Kitâb al-Iklîl li-l-Hamdânî, edited by Mounir Arbach and Muhammad Jazim, Sana’a, Die jemenitische Bibliothek 2 (Sana’a 2007) Deutsches Archäologisches Institut Sana’a – Centre Français d’Archéologie et de Sciences Sociales de Sana’a (Hrsg.), The Book of the Revenues of the Sultan al-Mu’ayyad Dâwûd (d. 1320)/Irtifâ’ al-dawla al-rasûliyya, edited by Muhammad Jazim, Sana’a, King Fahd National Library, Die jemenitische Bibliothek 3 (Sana’a 2007) Sonstiges Am 8. Februar wurde das neue Institutsgebäude der Außenstelle in der Altstadt von Sana’a mit einem Empfang offiziell eröffnet. AA-2008/1 Beiheft Mitglieder der Kommission der KAAK Die Direktoren der KAAK Der Präsident Grolig, Wilfried, MD Auswärtiges Amt, Leiter der Kulturund Bildungsabteilung Werderscher Markt 1 D-10117 Berlin Bemmann, Jan, Prof. Dr. Rheinische-Friedrich-WilhelmsUniversität, Institut für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie Regina-Pacis-Weg 7 D-53113 Bonn Breunig, Peter, Prof. Dr. Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Seminar für Vor- und Frühgeschichte, Archäologie Afrikas Postfach 11 19 32 D-60054 Frankfurt a. M. Daim, Falko, Prof. Dr. Generaldirektor, Römisch-Germanisches Zentralmuseum Ernst-Ludwig-Platz 2 D-55116 Mainz Fischer, Eberhard, Dr. Generalsekretär, Schweizerisch-Liechtensteinische Stiftung für Archäologische Forschungen im Ausland Museum Rietberg Gablerstr. 15 CH-8002 Zürich Grube, Nikolai, Prof. Dr. Rheinische-Friedrich-WilhelmsUniversität, Institut für Altamerikanistik und Ethnologie Römerstr. 164 D-53117 Bonn Höllmann, Thomas O., Prof. Dr. Ludwig-Maximilians-Universität Institut für Sinologie Kaulbachstr. 51 A D-80539 München Kaulicke, Peter, Dr. Pontifícia Universidad Católica del Peru, Departamento de Humanidades Apartado 1761 PE-100 Lima Mielsch, Harald, Prof. Dr. Rheinische-Friedrich-WilhelmsUniversität, Archäologisches Institut Am Hofgarten 21 D-53113 Bonn Reisch, Ludwig, Prof. Dr. Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Institut für Urund Frühgeschichte Kochstr. 4 (18) D-91054 Erlangen Sack, Dorothée, Prof. Dr.-Ing. Technische Universität, Fakultät VII – Architektur. Umwelt. Gesellschaft, Fachgebiet Historische Bauforschung Straße des 17. Juni 152 D-10623 Berlin Schier, Wolfram, Prof. Dr. Dr. h. c. Freie Universität Berlin Institut für Prähistorische Archäologie (Ur- und Frühgeschichte) Altensteinstr. 15 D-14195 Berlin Stöllner, Thomas Robert, Prof. Dr. Deutsches Bergbau-Museum Fachbereich Montanarchäologie Herner Str. 45 D-44787 Bochum Wagner, Günther, Prof. Dr. Ruprecht-Karls-Universität Geographisches Institut Im Neuenheimer Feld 348 D-69120 Heidelberg Müller-Karpe, Hermann, Prof. Dr. Erster Direktor i. R. Am Limperichsberg 30 D-53639 Königswinter (ohne Votum) Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen Direktoren Dr. Burkhard Vogt, Erster Direktor Dr. Josef Eiwanger, Wissenschaftlicher Direktor Dürenstr. 35–37 D-53173 Bonn Tel.: +49-(0)22899 7712-0 Fax: +49-(0)22899 7712-49 E-Mail: [email protected] Wissenschaftliche Mitarbeiter Prof. Dr. Hans-Georg Hüttel, Dr. Heiko Prümers, Dr. Markus Reindel, Dr. Andreas Reinecke, Dr. Hans Joachim Weisshaar Fortbildungsstipendiaten Dr. Renate Heckendorf-Salih, Dr. Jörg Holzkämper, Dr. Sonja Magnavita Wissenschaftliche Hilfskräfte Carolina Hohmann M. A., Denise Kupferschmidt M. A. Aus Drittmitteln finanzierte Stellen Christina Franken M. A. (DFG), Niels Hecht M. A. (BMBF), Uta Karrer (BMBF, ab 1. 3.), Dr. Karsten Lambers (BMBF), Susanne Schlegel M. A. (BMBF) Forschungsstelle der KAAK Forschungsstelle Ulaanbaatar, Mongolei Dürenstr. 35–37 D-53173 Bonn Tel.: +49-(0)22899 7712-0 Fax: +49-(0)22899 7712-49 E-Mail: [email protected] Ansprechpartner: Prof. Dr. Hans-Georg Hüttel Postadresse und Kontaktdaten über die Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen in Bonn wie nebenstehend Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen 293 Ausgrabungen und Forschungen Osterinsel (Isla de Pascua/Rapa Nui), Chile Mit ihrem diesjährigen Forschungsaufenthalt auf der zu Chile gehörenden Osterinsel war die Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen erstmals im pazifisch-polynesischen Raum tätig. Die Osterinsel, etwa 3800 km westlich der südamerikanischen Küste im Südpazifik gelegen, gilt als der geographisch isolierteste Siedlungsplatz weltweit. Er wurde wahrscheinlich um 1000 n. Chr. von Bevölkerungsgruppen aus dem Westen Polynesiens besiedelt. Der Kontakt zu ihrem Ursprungsgebiet 1 2 Rapa Nui (Osterinsel) Abb. 1 Der Zeremonialkomplex von Tahai mit dem rekonstruierten Ahu Ko Te Riku Abb. 2 Der Ahu Hanga Te’e mit umgestürzten Moai AA-2008/1 Beiheft hörte im 15. Jh. gänzlich auf, so dass erst mit der Ankunft europäischer Seeleute 1722 die Isolation durchbrochen wurde. Während der gut 700jährigen vormodernen Besiedlung entwickelte die Inselbevölkerung als auffälligste Ausdrucksform eine dem Ahnenkult dienende Plattformarchitektur (Ahu), die Grabkammern und Krematorien einschließt und die häufig durch anthropomorphe Monumentalplastiken (Moai) ergänzt wird (Abb. 1). Über 800 derartige Figuren sind bekannt, viele von ihnen stehen im Steinbruch am Vulkan Rano Raraku bzw. liegen umgestürzt in der Nähe ihrer ursprünglichen Aufstellungsorte (Abb. 2). Die meist aus weichem Tuff hergestellten Moai sind 294 Jahresbericht 2007 des DAI Abb. 3 Rapa Nui (Osterinsel), geophysikalische Prospektionen am Ahu Akivi stark von Erosion und anderen Schäden bedroht, die durch Weidevieh sowie Menschen verursacht werden. Ein wesentliches Anliegen des Projekts ist deshalb, sich neben der Ausgrabung von Siedlungen, Staudämmen, Höhlen etc. auch an der Dokumentation des obertägigen Denkmalbestandes zu beteiligen. Die dafür exemplarisch ausgewählten Monumente waren der Moai von Vaihu und die Ahu von Akivi, Ko Te Riku und Hanga Te’e. Die jeweiligen Standor te repräsentieren unterschiedliche Umwelt- und Erhaltungsbedingungen in Küstennähe und im Inselinneren. Die Zielsetzung war zunächst, den Einsatz hochauflösender, berührungsfreier Dokumentationstechniken auf seine technische Machbarkeit zu testen und durch langfristig angelegte Wiederholungsmessungen für die Statuen erste Daten zur Ermittlung eines durchschnittlichen jährlichen Erosionskoeffizienten zu gewinnen. Das von der HafenCity Universität Hamburg durchgeführte terrestrische 3D-Laserscanning wurde ergänzt durch eine photogrammetrische Dokumentation zwecks Texturierung der gescannten Oberflächen und durch GPS-Messungen zur Integration von Scan- und geophysikalischen Daten in das lokale Messkoordinatensystem. Bislang war nur in Ausnahmefällen das Vorfeld der Ahu Gegenstand archäologischer Untersuchungen gewesen. Zur Feststellung nicht sichtbarer unterirdischer Strukturen sollten deswegen hier geophysikalische Prospektionsmethoden (Caesium-Magnetometeruntersuchungen/Geoelektrik) auf ihre Anwendbarkeit geprüft werden. Obwohl die Insel Rapa Nui rein vulkanischen Ursprungs und deshalb der Magnetitanteil sehr hoch ist, waren gerade die Magnetometermessungen sehr erfolgreich. Als Beispiel mag hier Ahu Akivi dienen (Abb. 3): In seinem Graustufen-Magnetogramm zeigen sich mehrere parallele, rechtwinklig von der Plattform fortführende Anomalien, die unschwer als Testgrabungen aus dem Jahr 1960 identifizierbar sind. Teilweise von diesen Suchschnitten gequert wird eine zuvor unbekannte, konzentrisch-halbkreisförmige Struktur von fast 50 m Durchmesser. Hatten sich diese in den Grabungsprofilen noch als Gruben dargestellt, so können wir sie nun als mehrfache ringförmige Gräben interpretieren, die wegen ihrer Regelmäßigkeit als künstlich anzusehen sind. Sie liegen mittig vor der Figurengruppe der Plattform und stehen wahrscheinlich in einem funktionalen Kontext mit ihr oder einem Vorgängerbau. AA-2008/1 Beiheft Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen 295 Kooperationspartner: Consejo de Monumentos Nacionales (Santiago de Chile); Verwaltung des Nationalparks Rapa Nui; Restaurierungsfirma Maar Denkmalpflege GmbH • Leitung des Projekts: B. Vogt, J. Moser • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: Th. Kersten, M. Lindstaedt (Geomatik, HafenCity Universität Hamburg), J. Fassbinder (Geophysik, Bayrisches Landesamt für Denkmalpflege München), R. Gallegos, P. Tepano (Verwaltung des Nationalparks Rapa Nui) • Abbildungsnachweis: B. Vogt (Abb. 1–3). Bajo Río Grande (Peru) Die diesjährige Feldkampagne des Proyecto Arqueológico Bajo Río Grande galt der Fortsetzung der Oberflächenbegehungen sowie der Aufnahme erster Reinigungsarbeiten und Sondagen an zwei ausgewählten Fundstätten. Die Oberflächenbegehungen, bei denen etwa 140 neue Fundplätze erfasst wurden, konzentrierten sich auf den Talboden nördlich des Dorfes Coyungo und die höheren Geländestufen (bis zu 600 m ü. NN) östlich von Las Salinas und Las Brujas (Abb. 4). Hier fällt vor allem die große Zahl jener Fundplätze auf, die bisweilen in beträchtlicher Entfernung zum Río Grande liegen. Neben Abb. 4 Bajo Río Grande (Peru), geometrische Geoglyphe auf den Hochflächen östlich des Río Grande zahlreichen Siedlungen, Friedhöfen und Geoglyphen der keramischen Perioden sind gleichermaßen Wasserwirtschaftsbauten, akeramische Schlagplätze und mehrere im Tagebau ausgebeutete Quarzitvorkommen belegt. Erstmals liegen damit auch in größerer Zahl Fundorte vor, die in die Initialzeit oder das Archaikum (vor 1800 v. Chr.) datieren. Das Gros der Keramik führenden Fundorte ist der Übergangsphase von der Paracas- zur Nasca-Zeit zuzuschreiben, als das Einzugsgebiet am Unterlauf des Río Grande eine besonders wichtige Siedlungskammer bildete. Die Nasca-Zeit ihrerseits ist mit mehreren Fundplätzen bzw. Nachbesiedlungen älterer Fundplätze vertreten. Einen letzten Siedlungshöhepunkt hat es dann während der Späten Zwischenperiode (1000–1400 n. Chr.) gegeben. Frühparacaszeitliche Oberflächenkeramik (800–550 v. Chr.), die bisher früheste im Arbeitsgebiet, gab den Anstoß für die Reinigung von vier stark geplünderten Gräbern in dem Friedhof BRiG 3117 (Abb. 5). Das größte und am besten erhaltene, ca. 1,70 m tiefe Grab 1 besitzt einen quadratischen Grundriss (3,40 m × 3,30 m Innenmaße) mit einem kurzen, dreifach gestuften EingangsAA-2008/1 Beiheft 296 Jahresbericht 2007 des DAI schacht an der Nordseite (Abb. 6). In den Ecken und jeweils mittig stehen noch die Stümpfe von dicken hölzernen Stützen, die einst die Holzdecke trugen. Die Schachtwände sind mit konischen Lehmziegeln und Lehmziegelbruch verkleidet. Auf dem Lehmboden lagen die verstreuten Skelettreste von mindestens 4–5 Individuen. Der Aushub enthielt als wichtigste Funde 250 Textilfragmente bisweilen mit Resten von Bemalung.Trotz der starken Plünderungen ergaben die Gräber insgesamt repräsentative Inventare, dazu gehörten u. a. Keramik, einige Perlen, Korbflechtarbeiten, Fragmente von pyrogravierten Kürbisgefäßen und druckretuschierte Obsidian-Pfeilspitzen. Der zuvor gemachte Datierungsvorschlag in die beginnende Paracas-Zeit konnte bestätigt werden. Am südlichen Ausgang des Coyungo-Tales – an einem ehemaligen Prallufer des Río Grande und verdeckt durch eine etwa 9 m hohe Sanddüne – liegt Abb. 5 Bajo Río Grande (Peru), der Friedhof BRiG 3117 während der Reinigungsarbeiten Abb. 6 Bajo Río Grande (Peru), Grab 1 im Friedhof BRiG 3117 nach Beendigung der Reinigungsarbeiten AA-2008/1 Beiheft Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen 297 7 Bajo Río Grande (Peru), Abri BRiG 3131 Abb. 7 Der Abri mit vorgelagerter Sanddüne sowie regalartigem Rücksprung an der Rückwand vor Aufnahme der Grabungen Abb. 8 Der Abri mit Suchschnitt zu Beginn der Arbeiten 8 der Abri BRiG 3131, der einzige seiner Art in dem Untersuchungsgebiet (Abb. 7. 8). An der Rückwand des gut 10 m vorkragenden Felsüberhanges lagen auf einem regalartigen Rücksprung von 30–40 cm Tiefe gut 150 faustgroße Flusskiesel, die Zeichen einer vorbereitenden Steingeräteherstellung zeigen. In die Rückwand und Decke ist zudem eine Handvoll von anthropomorphen Petroglyphen geritzt, deren Stil in die Paracas-Zeit weist. In einem Suchschnitt von bisher 2 m Tiefe zeigten die Profile eine Folge von horizontalen Schichten eingewehten Sandes und Kulturschichten, deren Stratigraphie durch mehrere Feuerstellen, Schlagplätze sowie Fundkonzentrationen sichtbar wird. Die Funde umfassen einige Tonscherben, vereinzelte Tierknochen, eine Großzahl von Muscheln, Textilreste und Ähnliches mehr. Den Hauptteil machen Steinartefakte aus. Sie entsprechen den auf dem Regal deponierten Artefakten. Bislang deutet das Fundgut auf eine kontinuierliche Nutzung des Abris als Werkstatt mit allen Stadien der Lithikproduktion während der Paracas-Zeit hin. Damit liegt erstmals eine größere Sammlung von Steingeräten der keramischen Perioden Südperus vor, die über die leicht zu identifizierenden Obsidiangerätschaften hinausgeht. Unklar ist noch, ob im Abri die Kulturschichten bis auf das Niveau der davorliegenden Talebene hinabreichen und gar in die Initialzeit oder das Archaikum zurückreichen. Bereits jetzt aber ist anzunehmen, dass die Füllung dieses Abris, sei sie nun durch anthropogene und/oder geogene Einwirkung entstanden, ein für die südperuanische Küstenregion bisher einmaliges Geoarchiv beherbergt. Kooperationspartner: Instituto Nacional de Cultura (Lima); Pontifícia Universidad Católica del Peru (Lima) • Leitung des Projekts: B. Vogt, P. Kaulicke • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: G. Ferrando (Lima), Chr. HartlReiter, O. Loyola Azáldegui (Lima), J. Moser, N. Schlüter • Abbildungsnachweis: B. Vogt (Abb. 4–8). Andentranssekt 1 (Peru) Die Anden Perus sind ein tropisches Hochgebirge. Von der Pazifikküste bis zu den höchsten Gipfeln auf nahezu 7000 m Höhe finden sich klar ausgeprägte Höhenstufen mit jeweils spezifischen ökologischen Merkmalen, an die sich die AA-2008/1 Beiheft 298 Jahresbericht 2007 des DAI Menschen mit jeweils besonderen Lebensformen und Wirtschaftsweisen angepasst haben. Im Rahmen des Forschungsclusters 1 »Von der Sesshaftigkeit zur komplexen Gesellschaft: Siedlung, Wirtschaft, Umwelt« des DAI erforscht das Projekt »Andentranssekt Peru – Siedlungsdynamik zwischen Meeresküste und Altiplano«, welche Strategien menschliche Gemeinschaften zur Nutzung dieser ökologischen Lebensräume entwickelten, wie sie die Vielfalt der Ressourcen unterschiedlicher Gebiete durch den Austausch von Gütern, aber auch durch Migration nutzten und welchen Einfluss die Veränderungen von Umweltbedingungen auf kulturelle Umbrüche im Verlauf der Siedlungsgeschichte in den Anden hatten. Als Untersuchungsregion wurde das Einzugsgebiet der nördlichen Zuflüsse des Río Grande, in Südperu, definiert. Diese Flüsse durchqueren auf ihrem Weg vom Quellgebiet an der Westseite der peruanischen Anden bis zur Mündung in den Pazifischen Ozean eine Vielzahl von Landschaften, von den eisigen Hochgebirgssteppen bis zu der heißen Atacama-Wüste. Die Feldforschungen konzentrierten sich in diesem Jahr auf die bisher archäologisch unerforschten Quellgebiete der Flüsse Río Viscas und Río Palpa in den Gebirgsregionen zwischen 2000 und 4500 m Höhe (Abb. 9). Mit Hilfe von hochauflösenden Satellitenbildern und aufwendigen Geländeprospektionen konnten inzwischen 81 archäologische Siedlungsplätze entdeckt werden. Das Fundortinventar ist zwar noch nicht vollständig, erlaubt aber bereits erste Aussagen über die Siedlungsstruktur dieser Hochlandregion in der vorspanischen Zeit. Bislang konnten Siedlungen aus der Formativzeit (Paracas-Kultur, 800–200 v. Chr.), der Frühen Zwischenperiode (Nasca-Kultur, 200 v. Chr. – 600 n. Chr.), dem Mittleren Horizont (Huari-Kultur, 600–1000 n. Chr.) und der Späten Zwischenperiode (1000–1500 n. Chr.) nachgewiesen werden. Auffällig ist die deutliche Verteilung besonderer Siedlungstypen auf unterschiedliche Höhenstufen und charakteristische topographische Lagen. In Höhen über 3300 m bis zum Rand der Puna des zentralen Hochlandes von Peru befinden sich unzählige ausgedehnte Einfriedungen mit angrenzenden Gebäudeeinheiten, die einmal als Weide-,Wirtschafts- und Siedlungsplätze von Kamelidenhirten (Lamas, Alpacas) dienten. Die darunterliegende Höhenstufe bis 2800 m ist geprägt von ausgedehnten Hängen, die in relativ ebenen Schulterbereichen aus- Abb. 9 Andentranssekt 1 (Peru), das Untersuchungsgebiet in der Gebirgsregion des Projekts »Andentranssekt Peru – Siedlungsdynamik zwischen Meeresküste und Altiplano« zwischen 2000 und 4500 m Höhe. In der archäologisch unerforschten Region wurden bisher 81 Fundplätze aus Siedlungsepochen zwischen dem Formativum (um 800 v. Chr.) bis zur Späten Zwischenperiode (15. Jh. n. Chr.) registriert, die ein erstes Bild von der Siedlungsgeschichte zeichnen lassen AA-2008/1 Beiheft Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen 299 Abb. 10 Andentranssekt 1 (Peru), hochauflösende Satellitenaufnahme (Quickbird) von der paracaszeitlichen Siedlung Cutamalla (600–200 v. Chr., Höhe 3300 m ü. M). Die obertägig sichtbaren Mauerreste von Steingebäuden und Ackerbauterrassen sind gelb markiert. In der oberen Bildhälfte sind sog. Blumenstrukturen zu erkennen: Um einen kreisförmigen, vertieften Platz sind D-förmige Mauereinschlüsse angeordnet. Der 26 m lange Testschnitt durch eine der ›Blumenstrukturen‹ ist rot markiert. In der unteren rechten Bildhälfte sind Teile einer zweiten Gebäudegruppe zu sehen laufen, bevor sie wieder mit einem starken Knick zu den tief eingeschnittenen Tälern der Flüsse abfallen. Auf den Berghängen finden sich Ackerbauterrassen mit kleinen Siedlungseinheiten, in den Schulterbereichen komplexe Siedlungsgefüge, die zumeist in ausgedehnte Terrassenanlagen eingebettet sind (Abb. 10). Im Gegensatz zu der Viehzucht der hohen Lagen stand hier also die Landwirtschaft im Mittelpunkt der Aktivitäten. Besonders ausgeprägte Siedlungen der Formativzeit, insbesondere die sog. Blumensiedlungen (s. u.), liegen häufig auf Spornlagen mit sehr guter Rundumsicht, während sich Siedlungen der Frühen Zwischenperiode bevorzugt auf Bergkuppen dieser Höhenstufe befinden, wo von den dicht agglutinierten Rundbauten aus Stein eine ebenso gute Sicht in die umliegenden Täler möglich war. Auffällig sind weiterhin dichte Siedlungskomplexe in strategischer Lage und mit Wall- und Grabenanlagen in einer fest umgrenzten Region, die auf einen erheblichen Bevölkerungsdruck und Konflikte in bestimmten Zeiten hindeuten. Dies ist erstaunlich, ist das Gebiet doch heute sehr dünn besiedelt und aufgrund der großen Trockenheit nur begrenzt landwirtschaftlich nutzbar. Andere Umweltbedingungen in der Vergangenheit müssen wohl die Grundlage für ein wesentlich größeres wirtschaftliches PotenAA-2008/1 Beiheft 300 Jahresbericht 2007 des DAI Abb. 11 Andentranssekt 1 (Peru), in einem Testschnitt wurden die wichtigsten Gebäudekomponenten einer der sog. Blumenstrukturen von Cutamalla freigelegt: Im Hintergrund ist der vertiefte runde Platz zu sehen, der von einer Terrasse umgeben ist. Im Inneren einer der D-förmigen Einfriedungen sowie im Boden des runden Platzes befanden sich aus Stein gemauerte Speicher. Die ›Blumenstrukturen‹ dienten wahrscheinlich landwirtschaftlichen Aktivitäten im Zusammenhang mit den umliegenden Ackerbauterrassen tial der Region gewesen sein. Auch die Tatsache, dass ein Großteil der Siedlungen der Späten Zwischenperiode in Höhen unterhalb von 2800 m liegt, deutet darauf hin, dass die jeweiligen Umweltverhältnisse einen entscheidenden Einfluss auf das Siedlungsverhalten hatten. Eine besondere Siedlungsform sind die ›Blumensiedlungen‹ in ca. 3200 m Höhe, ihr architektonisches Gestaltungselement sind vertiefte runde Plätze von ca. 20 m Durchmesser mit umlaufender Terrasse und umgebenden D-förmigen Gebäudeeinheiten (Abb. 10. 11). Mehrere solcher Einheiten bilden Bestandteile eines ausgedehnten Siedlungssystemes. Erste Testgrabungen in einer dieser Rundstrukturen ergaben, dass es sich um Anlagen aus der mittleren bis späten Paracas-Zeit (600–200 v. Chr.) handelt, die wohl als Speicheranlagen für die Erträge aus den umliegenden Anbauterrassen dienten (Abb. 12). Die eigentlichen Wohnsiedlungen befanden sich in separaten Siedlungsbereichen. In den nächsten Feldkampagnen sollen die Siedlungsprospektion im Bereich des Andentranssektes vervollständigt und weitere, insbesondere frühe Fundplätze im Hochland ergraben werden. In einem interdisziplinären Projektverbund mit Förderung vom Bundesministerium für Bildung und Forschung sollen die komplexen Wechselwirkungen zwischen der Natur- und Kulturentwicklung in den unterschiedlichen Lebenszonen im Untersuchungsgebiet im Detail erforscht werden. Kooperationspartner: Instituto Andino de Estudios Arqueológicos (Lima); Geographisches Institut der Universität Heidelberg; Institut für Historische Anthropologie und Humanökologie der Universität Göttingen; Deutsches Bergbau-Museum Bochum; Forschungsstelle Radiometrie der Heidelberger Akademie der Wissenschaften • Leitung des Projekts: M. Reindel • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: C. Hohmann, J. Isla, D. Kupferschmidt,Y. Llimpe, S. Schlegel • Abbildungsnachweis: C. Hohmann,V. Soßna (Abb. 9); QuickbirdSatellitenaufnahme, ergänzt mit Vermessungsdaten DAI (Abb. 10); J. Isla (Abb. 11); C. Hohmann (Abb. 12). Abb. 12 Andentranssekt 1 (Peru), Gruppe von Obsidianspitzen, die in der ansonsten nahezu fundleeren Füllung einer der Speichergruben von Cutamalla niedergelegt worden waren. Obsidian kommt nur in Lagerstätten im Hochland der Anden vor und wurde von dort als Rohstoff, als Halbfertigprodukt oder als Fertigprodukt in die Küstenregion verhandelt Llanos de Moxos (Bolivien) In diesem Frühjahr fiel die Regenzeit im nördlichen Tiefland Boliviens besonders kräftig aus. Der Mamoré, die zentrale Wasserader der Region, trat so stark über die Ufer, dass nach Westen hin ein rund 30 km breiter Landstreifen unter AA-2008/1 Beiheft Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen 301 13 a Abb. 13 a. b Llanos de Moxos (Bolivien), Puerto Almacén; a: während der Überschwemmungen am Ende der Regenzeit (März 2007); b: während der Trockenzeit (September 2007) Abb. 14 Llanos de Moxos (Bolivien), Loma Salvatierra. Unterkiefer mit Wurzelentzündung und verödetem Backenzahn (M. 1 : 2) AA-2008/1 Beiheft 13 b Wasser stand und im Osten Trinidad – die Hauptstadt des Departement Beni – Gefahr lief, geflutet zu werden. Am Ende lag die Krone des Dammes, der Trinidad vor den alljährlichen Hochwassern schützt, aber doch um wenige Zentimeter über dem höchsten Pegel. Die im Umland liegenden, kleineren Dörfer hingegen waren ungeschützt.Viele von ihnen verschwanden bis zu den Dachgipfeln im Wasser (Abb. 13). Andere Orte, die auf natürlichen Anhöhen oder vorspanischen Siedlungshügeln erbaut waren, fanden sich von der Versorgung mit Lebensmitteln abgeschnitten. Die Frühjahrskampagne fiel mit dem Ende der extrem kräftigen Regenzeit zusammen. Deren Auswirkungen vor Ort zu erleben, war für ein Verständnis des vorspanischen Siedlungsmusters sehr aufschlussreich. So zeigte sich beispielsweise, dass selbst in einem regenreichen Jahr die Region, in der sich die größten und höchsten Siedlungshügel finden, nicht von den Überschwemmungen betroffen war. Dieses steht in Widerspruch zu der in der Literatur vorherrschenden Idee, wonach die Siedlungshügel Aufschüttungen darstellen, die dazu dienten, im Trockenen zu wohnen. Die heute zu Hügeln verwaschenen Plattform- und Pyramidenbauten wurden also bevorzugt dort errichtet und über lange Zeit genutzt, wo dauerhaftes Siedeln möglich war. Gebiete, die alljährlichen Überschwemmungen ausgesetzt waren, zählten nicht dazu. Überraschende Ergebnisse erbrachte auch die anthropologische Untersuchung der Skelettreste aus den Grabungen in der Loma Salvatierra. Das zu über 120 Individuen gehörende Material ist bisher einzigartig für das gesamte Amazonastiefland, aus dem wegen der zumeist sehr schlechten Erhaltungsbedingungen für organisches Material kaum anthropologisch bearbeitbare Funde vorliegen. Auffällig war die hohe Anzahl von Pathologien. So weist z. B. ein Großteil der Individuen schwerwiegende kariöse Defekte auf (Abb. 14) und gut ein Viertel der Toten zeigt Spuren einer Treponema-Infektion (Syphilis). Im Sommer wurde die Materialbearbeitung mit Schwerpunkten auf den Knochenwerkzeugen und der Keramik fortgesetzt. Parallel dazu vorgenommene Prospektionen führten uns in weiter entfernte Regionen der Llanos de Moxos, für die zuvor alle verfügbaren Satelliten- und Luftbilder ausgewertet worden waren. Hierbei hatte sich bereits gezeigt, dass jene Regionen andere Siedlungsmuster aufweisen als unsere bisherige Untersuchungsregion östlich von Trinidad. So sind die Siedlungsplätze westlich des Flusses Mamoré, rund um den Ort San Ignacio de Moxos, deutlich kleiner und waren in keinem Fall auf den Satelliten- und Luftbildphotos auszumachen. Lediglich die zumeist in der Nähe liegenden Hügelbeetanlagen boten einen Hinweis darauf, dass sich dort ein Siedlungsplatz befinden musste. Insgesamt konnten in einem ca. 6000 km2 großen Gebiet 25 neue Siedlungsplätze erfasst werden. Oberflächenfunde waren 302 Jahresbericht 2007 des DAI meist nur sehr spärlich vorhanden und bestanden durchweg aus sehr klein zerscherbter Keramik. Die dekorierten Stücke gehörten durchweg einem neuen Typus mit sehr feinen, inzisierten Dekors an (Abb. 15). Über die Zeitstellung der Siedlungsplätze ist bislang nichts bekannt. In der nördlichen Region von Santa Ana de Yacuma sind Hügelbeetanlagen besonders häufig und mangels Baumbewuchses auch gut auf Satellitenbildern zu erkennen. Deshalb wurden Quickbird-Aufnahmen einer etwa 400 km2 großen Fläche in jener Region systematisch auf Anzeichen vorspanischer Siedlungsplätze und Hügelbeetanlagen ausgewertet. Es zeigte sich, dass die Hügelbeete über 6 % der untersuchten Fläche bedecken (etwa 2600 ha) und durchweg auf leicht erhöhtem Gelände lokalisiert sind. Die gleichfalls leicht erhöhten amorphen Flächen zwischen den Feldern stellen sehr wahrscheinlich Siedlungsplätze dar. Die Region ist praktisch unerschlossen und die wenigen Wege waren infolge der starken Regenfälle in einem äußerst schlechten Zustand. Deswegen wurde nur eine Fahrt in jene Region unternommen. Diese führte zur Entdeckung eines rund 20 m hohen Felssporns inmitten des alluvialen Schwemmlandes. Auf diesem Felssporn konnten Mauerreste ausgemacht werden, deren Zeitstellung jedoch noch offen ist. Abb. 15 Llanos de Moxos (Bolivien), Estancia Abularach, San Ignacio de Moxos. Oberflächenfunde einer mit feinen inzisierten geometrischen Mustern verzierten Keramik (M. 1 : 1) Abb. 16 Llanos de Moxos (Bolivien), Loma Alta de Casarabe. Plan der vorspanischen Anlage. Die etwa 12 m hohe Pyramide mit L-förmigem Anbau nimmt die südliche Hälfte der rechteckigen Terrasse ein, die das Zentrum des Fundortes beherrscht AA-2008/1 Beiheft Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen 303 Als Abschluss der Arbeiten in der Region von Trinidad wurde ein topographischer Plan der Loma Alta de Casarabe erstellt (Abb. 16). In den 1970er Jahren waren in jenem Plattformbau, Grabungen von einem argentinisch-bolivianischen Team durchgeführt worden, ohne dass damals ein genauer Fundortplan angelegt worden wäre. Die Loma Alta de Casarabe und die von der Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen untersuchte Loma Salvatierra sind nur rund 3 km voneinander entfernt. Nachdem nun beide Anlagen kartiert sind, können erstmals Vergleiche hinsichtlich Aufbau, Raumnutzung, Orientierung etc. angestellt werden. Kooperationspartner: Dirección Nacional de Arqueología (La Paz) • Leitung des Projekts: H. Prümers • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: M. Bruno, A. Hirdes, C. Jaimes Betancourt, U. Lombardo, E. Machicado, M. Menninger (Physische Anthropologie, Universität Tübingen), R. Torrico • Abbildungsnachweis: H. Prümers (Abb. 13–16). Forschungen im Umland von Mogador (Marokko) In diesem Jahr fand die zweite Feldkampagne des im Zusammenwirken der Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen, der Abteilung Madrid sowie des Institut National des Scienes de l’Archéologie et du Patrimoine konzipierten Projekts zur phönizischen Besiedlung der Insel Mogador und zur einheimischen Besiedlung des Umlandes von Essaouira statt. Die Verlegung der Arbeiten aus dem Frühjahr in die Herbstmonate hat infrastrukturelle, vor allem jedoch klimatische Gründe. Im Flachwasser der Bucht von Essaouira herrscht von Frühjahr bis Herbst eine außerordentlich starke Brandung, die das Übersetzen zur Insel sehr erschwert. Auf der Insel fanden nun erste Ausgrabungen seitens der Abteilung Madrid des DAI (s. auch hier S. 206–208) statt, nachdem im letzten Jahr geophysikalische Messungen durchgeführt wurden. Der Anteil der KAAK an dem gemeinsamen Projekt erstreckt sich in erster Linie auf das Umland von Essaouira. Im Vorfeld der Kampagne wurde das Surveygebiet auf den Küstenraum von Jebel Hadid im Norden (Abb. 17) bis zum Mündungsbereich des Oued Tidzi im Süden definiert. Ins Landesinnere erstreckt sich die Konzession bis in den Raum Ounara/Tlata Hanchene. Ihre Fläche beträgt etwa 1800–2000 km2. Bei der Größe dieses Gebietes werden intensive Begehungen vor allem im unmittelbaren Umfeld der Mogador gegenüberliegenden Küste durchgeführt. An erster Stelle betrifft dieses den etwas südlich der Insel mündenden Oued Abb. 17 Umland von Mogador (Marokko), Salzquelle mit rezenten Salinen am Fuß des Jebel Hadid AA-2008/1 Beiheft 304 Jahresbericht 2007 des DAI Abb. 18 Umland von Mogador (Marokko), Prallhang des Oued Tidzi. Prospektion metallzeitlicher Siedlungshorizonte Ksob und den daran anschließenden Bereich um Dyabat. Unmittelbar östlich und nördlich von Essaouira befinden sich große, erst im frühen 20. Jh. durch Bepflanzung fixierte Dünenfelder, die nun, da der äolische Einfluss abnimmt, zunehmend verflachen und die alten Dünentäler zusedimentieren. Südlich von Essaouira, zwischen dem Fischerdorf Dyabat und Cap Sim, sind immense Bauarbeiten im Gange. Unter anderem entsteht ein großflächiger Touristenkomplex mit mehreren Hotels und Golfplätzen. Auf Cap Sim ist innerhalb eines Jahres ein Windpark mit 60 Megawatt Leistung und mehreren Dutzend Windkraftanlagen sowie zugehöriger Infrastruktur errichtet worden. Hier wie in der südlich anschließenden Bucht von Sidi Kaouki mit der rapiden Entwicklung touristischer Bebauung ist archäologische Forschung inzwischen fast unmöglich. Dasselbe wird in naher Zukunft auf den Oued Tidzi zutreffen, ein perennierendes Gewässer, das die südliche Begrenzung der Konzession bildet. Hier wird industriell Bausand extrahiert mit tiefgreifenden Folgen für Verlauf und Sedimentation des im Unterlauf tief eingeschnittenen Wasserlaufs. Am Oued Tidzi fanden intensive Begehungen statt, da er als ganzjährige Süßwasserversorgung auch für nomadisierende Gruppen von Bedeutung ist. In der Tat finden sich auf den begleitenden Höhenzügen zahlreiche Grabhügel, jedoch bis dato keine vorislamischen Siedlungsspuren. Im breiten, trogartigen Unterlauf oberhalb der Mündung konnten auf einer Strecke von mehreren hundert Metern, eingebettet in das alluviale Sediment der Oued-Profile, zahlreiche Siedlungsspuren gesichert werden (Abb. 18). Vor allem in dem unteren Drittel der bis zu 7 m hohen Profile fanden sich eine Reihe von Feuerstellen, Aschebänder und Escargotières. Sie enthielten u. a. unverzierte Keramik, aber auch eine lange Klinge aus Hornstein, der aus Lagerstätten am Oued Ksob gegenüber Mogador stammt. Auch in dem oberen Bereich des Profils finden sich, wenn auch spärlicher, Spuren menschlicher Aktivität. Nichts deutet auf längere Verweildauer hin, auch sind keine Bodeneingriffe wie Gruben oder Pfostenlöcher zu beobachten. Dagegen weist alles – die lockere räumliche Verteilung der Befunde, der geringe Fundanfall sowie das Fehlen von Produktionsabfällen – auf eine nomadische Struktur hin. Der Fund eines Mahlsteins im Kontext einer Feuerstelle widerspricht dieser Annahme nicht, er kann zum mobilen Inventar gehört haben. Eine nähere Untersuchung des Ensembles am Oued Tidzi ist für das kommende Jahr vorgesehen. Surveys im tieferen Hinterland von Essaouira, vor allem im Bereich der ursprünglichen, agrikulturell kaum genutzten Arganeraie mit ihren alten Baumbeständen förderten eine stattliche Anzahl von Grabhügeln zutage. Häufig liegen sie in Passagelagen und auf Spornen mit weiter Sicht über Weidegründe. AA-2008/1 Beiheft Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen 305 Abb. 19 Umland von Mogador (Marokko), steinzeitlich besiedelte Höhle am Mittellauf des Oued Ksob Wie andere Elemente unterstreichen sie die nomadische Struktur der Bevölkerung. Die Höhlen und Abris des Raumes um Essaouira (Abb. 19) folgen wie in Nordmarokko einem Besiedlungszyklus, der im Paläolithikum beginnt, im Neolithikum endet und erst in der Frühneuzeit wieder einsetzt. Metallzeitliche Funde liegen nicht vor, die Besiedlung hat sich ins Freiland verlagert. Wesentliche Ergebnisse zur Gestalt des Lebensraumes um Essaouira in alter Zeit haben besonders die geomorphologischen Studien beigetragen. Unsere anfängliche Vorstellung, Mogador und die Dschesirat Pharaoun hätten mit dem höher liegenden Stadtgebiet des alten Essaouira eine Inselgruppe gebildet, müssen wir revidieren. Der Sedimenteintrag des ursprünglich weiter südlich mündenden Oued Ksob hat zumindest zeitweise einen begehbaren Isthmus zwischen Mogador und dem Festland geschaffen. Über eine ähnliche Verbindung war wohl auch das (spätere) Stadtgebiet von Essaouira erreichbar, das man sich in der Tat als eine Insellage vorstellen sollte, durch eine Lagune oder eine versumpfte Niederung vom Festland getrennt. Diese Morphologie stützt sich auf zahlreiche Bohrungen östlich und südlich Essaouiras, die Datierungen der hierbei gewonnenen Bohrkerne sollten ergeben, in welchem Zeitablauf wir uns die Entstehung und das Verschwinden des komplexen, für die phönikischen Siedlungsansprüche sehr günstigen Ensembles vorstellen müssen. Die Geomorphologie rückt geophysikalische Untersuchungen in dem dicht bebauten Stadtgebiet der Medina in den Vordergrund. An mehreren Freiflächen der Altstadt wurden Messungen durchgeführt (Abb. 20), die aber wegen Abb. 20 Umland von Mogador (Marokko), geophysikalische Untersuchungen in der Medina von Essaouira AA-2008/1 Beiheft 306 Jahresbericht 2007 des DAI der Dichte des mittelalterlichen Baubestandes keine eindeutig interpretierbaren Ergebnisse erbrachten. Deutlichere Befunde ergeben sich auf dem inmitten der Passage zwischen alter Lagune und Oued Ksob liegenden Hügel von Sidi Mogdoul. Auch hier werden Bohrkerne die Datierung geophysikalisch gesicherter Rechteckstrukturen ermöglichen und vielleicht zu einer Grabung anregen. Kooperationspartner: Institut National des Sciences de l’Archéologie et du Patrimoine (INSAP), Rabat; DAI, Abteilung Madrid • Leitung des Gesamtprojekts: D. Marzoli, A. El Khayari • Leitung des Teilprojekts: J. Eiwanger • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: C. Pohl-Thiblet, H.-P. Wittersheim • Abbildungsnachweis: H.-P. Wittersheim (Abb. 17); C. Pohl-Thiblet (Abb. 18. 19); J. Eiwanger (Abb. 20). Tissamaharama (Sri Lanka) Die frühhistorische Zitadelle des antiken Königreiches Ruhuna liegt am Ufer eines antiken Stausees im Südosten der Insel. Das aktuelle Grabungsareal von nahezu 800 m2 zeigt zur Zeit für das 2. Jh. v. Chr. eine Besiedlung durch vornehme Familien. Im Bereich der Grabungsflächen treffen zwei enge Gassen aufeinander. Lange Umfassungsmauern grenzen quadratische oder rechteckige Grundstücke ein. Die schmutzig grauen Straßen und die rötlich braunen Siedlungsflächen waren gut zu unterscheiden (Abb. 21). Die Gassen hatten ein niedrigeres Niveau als die angrenzenden Wohnareale und dienten nicht nur als Verkehrswege, sondern entsorgten auch das Brauchwasser, das von Sickerschächten nicht aufgenommen werden konnte. Die engen Straßen müssen daher bisweilen recht matschig gewesen sein; um sich ungehindert bewegen zu können, wurde zwischen den Grundstücksmauern eine große Zahl von Trittsteinen verteilt. Dort, wo die zwei Straßen aufeinander treffen, ist auch heute noch ein modriger und unangenehmer Geruch an einem feuchten Tag wahrzunehmen. Obwohl die Siedlungsareale in alter Zeit höher waren als die Straßen, wurden sie vom Wasser in Mitleidenschaft gezogen. Dass dieses ein häufiges Ereignis war, zeigt an mehreren Stellen eine Sedimentation in dünnen, fast fluvialen Schichten. Wenn durch diese Sedimentation das Niveau der Höfe angehoben Abb. 21 Tissamaharama (Sri Lanka), Wohnbereiche des 2. Jhs. v. Chr. beiderseits einer schmalen Gasse AA-2008/1 Beiheft Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen 307 22 23 Tissamaharama (Sri Lanka) Abb. 22 Toilettengegenstände (kleine Bronzeflaschen und Augenbrauenstifte) des 2. Jhs. v. Chr. Abb. 23 Plombe mit Siegelabdrücken (›Vase des Überflusses‹) aus einem Haus des 2. Jhs. v. Chr. AA-2008/1 Beiheft worden war, dann wurden die Mauern ergänzt.Von Zeit zu Zeit wuchsen daher die alten Mauern durch neue Lagen von Ziegelsteinen, bis sie schließlich eher als Terrassenbefestigungen dienten denn als Grundstücksgrenzen. Diese über längere Zeiträume unveränderten und unterhaltenen Grundstücke legen nahe, dass ein Besitz als privates Eigentum über mehrere Generationen in der Familie weitergegeben wurde. Mehrere Schächte, gefüllt mit großen Bachkieseln oder Ziegelbruch, waren über das Grabungsareal verstreut. Sie dienten als Drainage und sorgten dafür, dass Regenwasser schneller versickern konnte. Kleine gedeckte Kanäle leiteten überschüssiges Wasser von den privaten Grundstücken in die Gassen. Das Wasser hatte in den Straßen eine beträchtliche Fließgeschwindigkeit und gelegentlich wurden Mauern unterspült. Die Bewohner versuchten, Vorkehrungen zu treffen und bauten zunächst aus Ziegelsteinen schmale Rinnen in Fließrichtung entlang den Mauern. Später stellten sie an gefährdeten Abschnitten große Ziegel, aber auch dünne Dachziegel senkrecht vor die Fundamente. Doch auch dieses Vorblenden half nur einige Zeit. Schließlich gab der Untergrund nach, zu beiden Seiten einer Gasse rutschten die Fundamente ab und die Mauern neigten sich einander zu. Häufig wurden sie repariert, doch als schließlich die Strukturen zu stark beschädigt wurden und die Widrigkeiten Überhand nahmen, verließen die Familien den Platz und siedelten an anderer Stelle. Dieser Abzug muss in aller Hast geschehen sein, denn einer Dame geschah ein Missgeschick. Sie verlor ihr Toilettenbesteck aus Bronzefläschchen sowie Augenbrauenstiften (Abb. 22) und darüber hinaus auch ihren Bronzespiegel. Nicht weit entfernt lag der dazugehörige geschnitzte Ständer aus Elfenbein. Eines der Häuser hatte eine verschlossene und versiegelte Tür oder große Kiste. Gefunden wurde eine Plombe mit mehreren Abdrücken von demselben Siegel (Abb. 23). Es zeigt eine Blumenvase, die sog.Vase des Überflusses (p´rnÿagha‹a). Sie war als Glück verheißendes Symbol um die Zeitenwende ein häufig gebrauchtes Motiv, das bisher im Königreich Ruhuna mehrfach auf Siegeln oder Siegelabdrücken erscheint, aber auch als Reliefschmuck in der Architektur, etwa auf Wächtersteinen bei Treppenaufgängen von Klöstern. Die gezeigte Plombe reiht sich in eine recht große Zahl von ähnlichen Funden mit unterschiedlichen Motiven. Allein von der Zitadelle sind bisher 65 Siegel und Plomben mit Abdrücken gefunden worden und sehr viel mehr noch gibt es in Privatsammlungen oder im lokalen Kunsthandel. Für südasiatische Fundorte ist dies eine ungewöhnlich große Anzahl, die von einer funktionierenden Administration, einer hierarchischen Gesellschaft und vom Wohlstand der Bewohner kündet. Kooperationspartner: Archaeological Department of Sri Lanka • Leitung des Projekts: H.-J. Weisshaar, S. Dissanayake • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auf deutscher Seite: H. Falk, I. Fehr, J. Goldhammer, T. Nestmann, H. Schenk, M. Wesuls, H.-P. Wittersheim • Abbildungsnachweis: H.-P. Wittersheim (Abb. 21–23). Mekong-Delta (Vietnam/Kambodscha) Über Landschaft, Besiedlung und archäologische Kultur der Prä-Funan-Periode (vor dem 3. Jh. n. Chr.) im Mekong-Delta war bis zum Beginn des deutschvietnamesischen Grabungsprojekts im Jahr 2003 in Go O Chua (Südvietnam) kaum etwas bekannt. Und auch zu den Bestattungssitten der nachfolgenden Funan-(Oc Eo-)Zeit (3. Jh. – Anfang 7. Jh. n. Chr.), der Chenla- (7./8. Jh. n. Chr.) und Angkor-Periode (9.–15. Jh. n. Chr.) fehlten klare Befunde aus dem Süden Vietnams. 308 Jahresbericht 2007 des DAI Abb. 24 Mekong-Delta (Vietnam/Kambodscha), Karte von Südvietnam. Vorgeschichtliche Fundplätze nach Fundaufnahmen in diesem Jahr: A – Fundplätze mit Tonstützen; B – sonstige Fundplätze älter als 2. Jh. n. Chr. Die gelbe und braune Punktlinie zeigt jeweils eine Variante des gegenwärtig umstrittenen Küstenverlaufs vor 3000 Jahren (M. 1 : 4 000 000) Nach drei deutsch-vietnamesischen Ausgrabungskampagnen auf dem Hügel von Go O Chua in den Jahren 2003–2006 und weiträumigen Surveys im Mekong-Delta und im Süden Kambodschas in diesem Frühjahr zeichnet sich ein interessantes Bild zu der frühen Besiedlung und Kulturentwicklung dieser Region ab. Die bisherige Auswertung der Funde von Go O Chua legt nahe, dass hier vom 9.–2. Jh. v. Chr. Salz, vermutlich aus Meerwassersole, gewonnen wurde. Davon zeugen ausgedehnte Lagen mit mehreren Millionen Fragmenten von Tonstützen. Sie wurden offenbar luftgetrocknet in Siedeöfen verbaut, zerbrachen schon nach wenigen Siedeprozessen und wurden vornehmlich am Hügelrand in Schuttdeponien entsorgt. Der ursprünglich kaum die Umgebung überragende Platz von Go O Chua wuchs so auf seine heutige Ausdehnung von 450 m × 150 m und bis zu einer Höhe von etwa 4 m. Die Siedegefäße waren – nach schriftlichen Quellen dieser Region aus späterer Zeit – sicherlich aus organischem Material. Im Mittelpunkt der weiteren Auswertung stehen die große Menge an Siedlungskeramik und die Funde aus insgesamt 48 Gräbern, die vornehmlich einer Khmer-Population des 7.–13. Jhs. n. Chr. zuzuweisen sind. Gemeinsam mit Geologen der Universität Bremen fand in diesem Jahr der zweite archäologisch-geologische Survey statt (Abb. 24. 25). Dabei wurde die Suche nach dem Verlauf der spätholozänen Küstenlinie in größerer Entfernung zu Go O Chua als im Jahr 2004 fortgesetzt. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass dieser Salzsiedeplatz vor 2500 Jahren nicht unmittelbar am Meer gelegen haben muss, sondern die Sole auf dem Wasserweg zu den Siedestellen transportiert worden sein kann, so wie es in einer chinesischen Quelle des 14. Jhs. für Salinen an der ostchinesischen Küste beschrieben wird. Das Gelände wurde auf Kanälen und Flüssen über den ganzen grenznahen Bereich der Provinz Long An vom Tan Hung-Distrikt im Westen bis zum Duc Hoa-Distrikt im Osten auf einer Länge von 80 km breit gefächert abgefahren. Systematisch wurde nach geologisch aufschlussreichen Profilen, holozäAA-2008/1 Beiheft Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen 309 25 Mekong-Delta (Vietnam/Kambodscha), Provinz Long An (Südvietnam) Abb. 25 Go Dung, ein 4 m langer Bohrkern wird gezogen Abb. 26 Go Gao Mieu, keramikreiche Fundschicht im Profil beiderseits des Kanals Abb. 27 Mekong-Delta (Vietnam/Kambodscha), Go Gao Mieu (Provinz Long An, Südvietnam). Tonstützen vom Go O Chua-Typus aus der ausgebaggerten Kanalerde (M. 1 : 5) AA-2008/1 Beiheft 26 nen Strandwällen und archäologischen Funden gesucht. Die meisten der ca. 20 Bohrungen wurden dabei in der Nähe dieser Strandwälle platziert und erbrachten 200 Sedimentproben zur Untersuchung in Bremen (Abb. 25). Die geologischen Feldarbeiten sind im Rahmen einer Dissertation in Auswertung. Gegenwärtig ist festzustellen, dass für die Entstehung des Mekong-Deltas ein sehr dynamisches Modell zugrunde gelegt werden muss. Die Verlagerung der Küstenlinie während der Meeresspiegelregression zeichnet sich an den verschiedenen Bohrlokalitäten recht differenziert ab. Die in der Literatur kartierten alten Küstenverläufe zeigen stark vereinfachte, frontartig gerade Linien, sind teilweise nicht ausreichend oder ungenau beprobt und mit veralteten Einzeldatierungen nicht referenzierter Laborwerte versehen. Nach den neuen Untersuchungen ist mit einem sehr wechselvollen Verlauf der Küste zu rechnen, der von Buchten und Flussläufen geprägt und sicherlich auch durch davor gelagerte Inseln gekennzeichnet war. Anhand der Optimierung der Datenmenge soll eine höhere Detailgenauigkeit des Küstenverlaufs vor allem in der Provinz Long An erreicht werden. Während des Surveys gelang es, die Zahl der Fundstellen mit Tonstützen auf 13 eng beieinander liegende Fundplätze zu erhöhen, wobei der Tonstützen-Typus von Go O Chua auf insgesamt 12 Fundplätzen nachgewiesen ist (Abb. 24). Zu den neu entdeckten Fundplätzen gehört beispielsweise Go Gao Mieu, knapp 30 km südlich von Go O Chua gelegen. In einer Kanalwand wurde eine kompakte Kulturschicht voller Keramik entdeckt. An der Oberfläche fanden sich in der ausgebaggerten Kanalerde zahlreiche unverzierte Tonstützen mit drei Zipfeln vom Go O Chua-Typus (Abb. 26. 27). 310 Jahresbericht 2007 des DAI Die in den vergangenen Jahren ausschließlich auf die Provinz Long An konzentrierten Arbeiten wurden in diesem Jahr auf ganz Südvietnam ausgedehnt. In allen 11 Provinzmuseen war es möglich, nach vorgeschichtlichen Funden zu recherchieren und ausgewählte Fundstellen aufzusuchen. Das vorliegende Verbreitungsbild aller Fundplätze mit einer Datierung vor das 2. Jh. n. Chr. zeigt, dass Südvietnam in den letzten Jahrtausenden v. Chr. nur an einer Nordflanke besiedelbar war und bisherige geologische Küstenrekonstruktionen auch von archäologischer Seite in Frage gestellt werden müssen (Abb. 24). Vom Beginn der Besiedlung dieser Region bis zur Expansion der Vietnamesen, die im 17. Jh. das Mekong-Delta und Anfang des 18. Jhs. die Südspitze Vietnams erreichten, war dieses Gebiet eng mit Kulturen des Hinterlandes, also des heutigen Kambodschas, verbunden. Die kulturellen Hinterlassenschaften in dieser Region sind spätestens ab dem 7. Jh. n. Chr. ethnisch den Khmer zuzuordnen. So war es nahe liegend, die Untersuchungen nach Südkambodscha auszudehnen. In diesem Frühjahr fand erstmals ein Survey mit den kambodschanischen Archäologen vom Memot-Centre für Archäologie – Phnom Penh statt (Abb. 28). Dabei wurde ein Gebiet erfasst, das unmittelbar nördlich Abb. 28 Mekong-Delta (Vietnam/Kambodscha), Toul Narey am Vai-Kou-Fluss (Provinz Svay Rieng, Südkambodscha). Deutschkambodschanischer Survey, Kambodschaner mit Detektor auf Metallsuche von Go O Chua im Svay Chrum-Distrikt der Provinz Svay Rieng (›MangoRegen‹) liegt. Von hier stammen auch die bisher einzigen beiden bekannten Fundplätze der Provinz mit vorgeschichtlichem Fundmaterial (Toul Narey und Toul Prasat Kro Houm). Die meisten der neu entdeckten Keramikfragmente sind frühgeschichtlich, also angkorzeitlich und jünger. Tonstützen vom Typus Go O Chua wurden nicht entdeckt und waren in dieser Region auch nicht bekannt. Nach Abschluss des Surveys in Kambodscha wurden Arbeitsmöglichkeiten in den südchinesischen Provinzen Yunnan und Guangxi sondiert. Konkreter Anlass sind die engen kulturgeschichtlichen Verbindungen beider Provinzen mit Vietnam, die sich besonders in den Bronzeobjekten der Ausgrabung des DAI in Lai Nghi (2002–2004) widerspiegeln. Angesichts der zahlreichen frappierenden Parallelen zwischen diesen Grabbeigaben in Mittelvietnam und der Grabausstattung hanzeitlicher Gräber im Küstendistrikt Hepu ist das Institut für Archäologie in Nanning an einer gemeinsamen Bearbeitung der Kulturkontakte in den Jahrhunderten um den Beginn der Zeitrechnung interessiert. Kooperationspartner: Hochschule für Gesellschafts- und Humanwissenschaften der Staatlichen Universität Hanoi; Provinzmuseum Long An; Memot-Centre Phnom Penh • Leitung des Projekts: A. Reinecke • Abbildungsnachweis: A. Reinecke (Abb. 24. 25. 27. 28); Nguyen Thi Thanh Luyen (Abb. 26). AA-2008/1 Beiheft Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen 311 Karabal\assun (Mongolei) Im Sommer 2007 konstituierte sich die Mongolisch-Deutsche Orchon-Expedition (MONDOrEx). Ein entsprechender Kooperationsvertrag wurde anlässlich der feierlichen Eröffnung der neuen Forschungsstelle Ulaanbaatar durch die Präsidenten der Mongolischen Akademie der Wissenschaften und des DAI gezeichnet. Aufgabe der Orchon-Expedition ist die archäologisch-historische Erforschung frühgeschichtlicher Stadtsiedlungen im Orchon-Tal. Schwerpunkt der Untersuchungen ist die frühuighurische Hauptstadt Karabal\assun (Ordu Balık), die größte mittelalterliche Stadt im östlichen Zentralasien. Sie liegt auf dem linken Ufer des Orchon, ca. 35 km nord-nordwestlich der altmongolischen Hauptstadt Karakorum (Abb. 29). Gezielte Ausgrabungen in Karabal\assun, unterstützt von Surveys und der Dokumentation von Geländedenkmälern im Umland, sollen sich Fragen der Stadtentwicklung und Stadtgliederung widmen unter besonderer Berücksichtigung der nach Ethnien und Religionen, wie auch funktional, differenzierten Stadtviertel. In Frage steht auch hier wie schon im Falle der altmongolischen Abb. 29 Karabalġassun (Mongolei), sog. Palaststadt (von Südosten) AA-2008/1 Beiheft Hauptstadt Karakorum die Adaption fremder Stadtmodelle, seien es chinesische oder ostiranische (sogdische) Vorbilder. Weitere Fragen zielen auf die Bedeutung der Stadt als politischer, wirtschaftlicher sowie religiöser Zentralort, die Bedeutung von Zentralorten wiederum für die Gliederung nomadischer Herrschafts- und Lebensräume. Was aus uighurischer Innensicht primär ein politisch-administrativer Zentralort ist – die Stadt als Herrschaftsinstrument – stellt sich in der Außensicht, etwa der ostiranischen Sogder, eher als ein zentraler Warenumschlagplatz mit Anschluss an die Seidenstraße dar. Welchen Einfluss hat die Stadt auf die Veränderung des Umlandes, welche spezifischen Eigenheiten des Stadtbildes und der Stadtentwicklung sind topographischen und siedlungsökölogischen Zwängen unterworfen und inwieweit erhalten sich in der Stadt selbst noch Züge des Nomadentums? Ein wichtiges Thema ist auch die logistische Problematik: Inwieweit war diese Stadt in der Grassteppe auf eine Versorgung von außen angewiesen, inwieweit war sie autark? Welche Rolle spielte die Einführung von Wasserbautechniken für die Entwicklung und Aufrechterhaltung der Landwirtschaft und welche Irrigationstechniken wurden vorzugsweise adaptiert? Ziel ist neben der komplexen Dokumentation einer einzigartigen Stadtsiedlung im östlichen Zentralasien die Darstellung von Karabal\assun als ein Modell für eine frühstaatliche nomadische Stadtgründung, die dauerhaft die uighurische Kultur und Lebensweise tiefgreifend verändert hat: Ein Nomadenvolk 312 Jahresbericht 2007 des DAI entwickelt sich zu einem Stadtvolk mit dominant agrarischer Grundlage. Diese Transformation bildete eine wesentliche Voraussetzung für das Überleben der uighurischen Kultur und ihre Hochzeit in den späteren Gründungen stabiler uighurischer Stadtstaaten in den Oasen Ostturkestans. Das obere Orchon-Tal ist ein Kernraum der spätnomadischen Herrschaftsbildungen, Wiege sowie Herzstück bedeutender spätnomadischer Reiche. Im Ötükän-Wald, im alten geheiligten Reichszentrum der Hsiung-nu und Türken, im Orchon-Tal errichteten um 745 n. Chr. die Uighuren ihre Hauptstadt Ordu Balık, Karabal\assun, und gründete Tschinggis Qan 1220 n. Chr. Karakorum, die erste Hauptstadt des mongolischen Weltreichs. Nach der Ermordung des letzten bedeutenden osttürkischen Herrschers Bilgä Ka\an (734) zerfällt das zweite (ost-)türkische Reich. 742 n. Chr. vernichtet eine vereinte Streitmacht der Uighuren, Basmıl und Karluken die Reste des osttürkischen Heeres. Mit der Flucht der osttürkischen Königssippe der A-shina nach China endet die Geschichte des osttürkischen Reiches. An seine Stelle tritt das Reich der Uighuren. 744 wird ihr Anführer aus dem Ya\lakar-Clan von dem chinesischen Kaiser als Kutlug Bilgä Ka\an anerkannt. Wenig später um 745 gründet er Ordu Balık, Karabal\assun. Der Araber Tam¥m ibn Bahr alMuttawwi’¥ nennt Karabal\assun um 821 die »Stadt des Königs«, beschreibt sie als eine prachtvolle, »große Stadt, reich an Landwirtschaft«. Um 840 wird die Stadt von den Jenissei-Kirgisen erobert und partiell zerstört. Archäologische Indizien für einen Wiederaufbau oder eine spätere Besiedlung sind bisher nicht bekannt. Historische Zeugnisse, die eine mongolische Nachnutzung zur Zeit Ögedei Qa’ans indizieren, sind zweifelhaft und mehrdeutig. Mit dem Angriff der Jenissei-Kirgisen endet das Uighurenreich, die zweite große Reichsbildung auf mongolischem Boden. Die Reste der Uighuren wenden sich nach Westen, nach Sinkiang (Ostturkestan), gründen dort neue Kleinkönigtümer und Stadtstaaten wie z. B. Qočo. Die in der Steppe noch heute weithin sichtbare ›Palaststadt‹ (Tempelstadt?) von Karabal\assun – ein Geviert von 360 m × 404 m – bildet mit dem mächtigen Stupa sowie den noch bis zu 12 m hochragenden Wällen eines der eindrucksvollsten Denkmäler der Orchon-Steppe. Die Stadt wurde in der älteren Forschung auf etwa 25 km2 geschätzt, dürfte nach den Ergebnissen des 2007 durchgeführten Airborne Laserscannings aber min. 32 km2 groß gewesen sein. Die erste Projektphase beschränkt sich weitgehend auf Bestandsdokumentationen und Surveys und konzentriert sich auf Karabal\assun und seine Umgebung. Der erste und bisher einzige topographische Plan dieser Stadt, die auf der mongolischen Antragsliste der »World Heritage Sites« hinter dem Kloster Erdene joo und Karakorum rangiert, wurde 1891 von der russischen OrchonExpedition unter dem Berliner Turkologen W. Radloff gefertigt und stellt angesichts der primitiven technischen und äußeren Bedingungen eine vorzügliche Arbeit dar, die allerdings durch neuere Erkenntnisse, etwa auf der Grundlage von Luftbildern, überholt ist. Die Peripherie der Stadtwüstung wurde in mandschurischer Zeit durch intensiven Ackerbau stark eingeebnet und ist im Bodenrelief darum nicht mehr sehr ausgeprägt. Da für ein urbanistisch-archäologisches Forschungsprojekt in einer derart bedeutenden und großen Stadtanlage präzise und aussagekräftige topographische Grundlagen unbedingt erforderlich sind, kam die KAAK nach Voruntersuchungen im Sommer 2006 mit der Mongolischen Akademie der Wissenschaften überein, das Stadtgebiet mit modernsten technischen Mitteln neu aufzumessen und zu dokumentieren. Eine neue umfassende topographisch-archäologische Dokumentation dient nicht allein archäologischem Erkenntnisinteresse. Sie ist vor allem auch unter dem Gesichtspunkt Denkmalschutz und Denkmalpflege äußerst dringend geboten AA-2008/1 Beiheft Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen 313 und bildet zugleich eine der von der UNESCO zu Recht geforderten Voraussetzungen zur Anerkennung als »Stätte des Weltkulturerbes«. Historisch-topographische Dokumentationen in dem vorgesehenen Umfang von Gesamtaufnahmen ganzer Städte und auf hohem technischen Niveau erfordern nicht zuletzt auch aus ökonomischen Gründen den Einsatz der modernsten effizienten Techniken. Für die Grassteppe der zentralen Mongolei bot sich ein flugzeuggetragenes oder Airborne Laserscanning (ALS), auch LiDAR (Light Detection and Ranging) genannt, als günstigste Option an. Beflogen und dokumentiert wurde ein etwa 43 km2 großes Gebiet, das in jedem Fall nach Osten, Norden und Süden hin die Stadt vollständig erfasst haben dürfte. Vereinzelte erst im Scan, nicht aber im Luftbild und durch Begehungen erfasste fragliche Bauten sowie Strukturen der Stadt jenseits der westlichen Befliegungsgrenze können unter qualitativen wie quantitativen Gesichtspunkten zunächst vernachlässigt und im Einzelfall noch in der nächsten Sommerkampagne terrestrisch nachgemessen werden. Wegen der idealen Geländebedingungen – keine Bebauung, keine Baumoder Strauchvegetation – konnten auch durch Georeferenzierung über eine GPS-Bodenstation in jeder Hinsicht sehr gute bis optimale Ergebnisse erzielt werden. Auf der Grundlage von 548 Millionen gemessenen Punkten konnte dank einer hohen Punktdichte ein in der Oberflächenzeichnung und im Relief sehr detailliertes Geländemodell (DTM = Digital Terrain Model) erstellt werden, das zumindest in der subtilen Ausdifferenzierung und plastischen Abbildung des Reliefs bei großer lokaler Höhengenauigkeit von keinem derzeit bekannten Messverfahren an Präzision und Deutlichkeit der Darstellung übertroffen wird (Abb. 30). Abb. 30 Karabalġassun (Mongolei), sog. Palaststadt. 1 km × 1 km großer Ausschnitt aus dem digitalen Geländemodell (DTM) der Stadt in fünffacher Überhöhung AA-2008/1 Beiheft 314 Jahresbericht 2007 des DAI Im Ergebnis dokumentiert das Verfahren in einer einzigartigen Weise und Anschaulichkeit den Zustand der Anlage im August dieses Jahres, zu einer Zeit also, in der Karabal\assun in seinem Bestand durch wieder zunehmenden Bodenbau, Tourismus sowie durch anstehende Straßenbaumaßnahmen stark gefährdet und zunehmend bedroht ist. Für den inneren Bereich (Palast- oder Tempelstadt) wurde das ALS durch ein terrestrisches Laserscanning (3D) ergänzt. Dabei wurden 3D-Objekte wie die Mauern der Palaststadt oder wie der große Stupa von Karabal\assun mit einem Laserscanner (Leica HDS 3000) gemessen (Abb. 31). Dem Projekt kommt für die Mongolei eine Pilot-Funktion zu. Die umfassende topographisch-archäologische Dokumentation von Karabal\assun sowie weiterer Stadtsiedlungen im Orchon-Tal soll in der Mongolei ein Beispiel für Möglichkeiten multidisziplinärer Grundlagenforschung geben. Archäologische Ausgrabungen sind frühestens für 2009 vorgesehen, in keinem Fall aber vor Abschluss der topographischen Dokumentation, die zusammen mit den bereits erstellten Plänen von Erdene joo sowie Karakorum die Grundlage für einen neuen historisch-archäologischen Atlas der Siedlungen im Orchon-Tal bilden soll. Kooperationspartner: Archäologisches Institut der Mongolischen Akademie der Wissenschaften; Fakultät für Geomatik an der Hochschule für Technik Karlsruhe • Leitung des Projekts: H.-G. Hüttel, U. Erdenebat • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: A. Rieger, J. Kollowa, S. Lareya, T. Müller (Hochschule für Technik Karlsruhe), D. Hannusch (Fa. Milan-Flug GmbH, Kamenz), M. Schaich (ArcTron 3D GmbH, Altenthann), S. Solongo (Ulaanbaatar) • Abbildungsnachweis: KAAK, Abb. 29. 30; A. Rieger (Abb. 31). Abb. 31 Karabalġassun (Mongolei), sog. Palaststadt. Laserscanning an dem großen Stupa (von Süden) Karakorum (Mongolei) Im Herzen der Mongolei, im Tal des Orchon, liegt Karakorum, die Stadt des Tschinggis Qan, 1220 zur ersten Hauptstadt des Mongolischen Weltreiches bestimmt, 1235 von Tschinggis Qans Nachfolger Ögedei zu einer festen umwallten Stadt ausgebaut. Im Norden dieser Stadt lebten der Tradition nach die ›Gemeinen‹, die Andersgläubigen, die Fremden und lebten mutmaßlich auch AA-2008/1 Beiheft Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen 315 Abb. 32 Karakorum (Mongolei), Grabung Nordstadt (von Ost-Südost) Kriegsgefangene wie der französische Silberschmied Guillaume Boucher. Eine Grabung in einem West-Ost ausgerichteten Bauensemble der Nordstadt – die Mongolen bevorzugten dagegen Nord-Süd-Orientierungen – sollte diesen ›Fremdelementen‹ nachspüren und an einem repräsentativen Beispiel die Besiedlungsverhältnisse im traditionell minder angesehenen Norden erhellen. Die 2006 initiierten Grabungen in der Nordstadt konnten in diesem Jahr fortgesetzt, indes wegen schwerer Unwetter nicht wie geplant beendet werden (Abb. 32). Lediglich die Ausgrabung im Nordhaus konnte vorläufig abgeschlossen und damit erstmalig ein Haus in der Mongolei komplett ausgegraben werden. Die regelhaften Maßverhältnisse im Nordhaus begründeten die Annahme, dass der Grundriss des Hauses keineswegs – wie noch im Vorjahr vermutet – vollständig erschlossen worden war. Berechnungen auf der Grundlage der erkannten Maßeinheiten ließen vielmehr einen weiteren Raum im Westen des Hauses annehmen. Die Ausgrabungen bestätigten Berechnung und Hypothese: Tatsächlich fand sich im Westen ein weiterer Raum von einem Joch Breite. Dieser Raum war zwar wie der Rest des Hauses überdacht, wie aber weder im Süden noch im Norden traten Wand- oder Mauerreste auf. Nach dem aktuellen Befund handelt es sich beim Nordhaus um einen ca. 16 m breiten und ca. 7 m tiefen Bau, gegliedert in 5 Joche/Zwischenräume von je 3,20 m. Das Haus ist in vier jeweils 7 m tiefe Räume unterteilt, davon 2 Räume von je einem Joch Breite im Westen, an die sich ein Zentralraum von 2 Joch Breite anschließt. Nach Osten schließt das Haus mit einem weiteren Raum von einem Joch Breite ab. Demnach findet sich der nach Süden weisende Hauseingang zwar nicht in der Mittelachse des Zentralraums, wohl aber zwischen dem dritten und vierten Pfostenstein mittig zum Haus. Die Funktion des Hauses ist nach wie vor ungeklärt. Die zahlreichen Deponierungen von Rinderhornzapfen innerhalb und entlang des Hauses, die nicht als Werkabfall einer Hornschnitzerei gedeutet werden können, lassen nach wie vor einen Kultbau annehmen. Gegen eine Wohnnutzung spricht, dass weder Hinweise auf Heizungen noch – sehen wir ab von einigen Scherben von Vorratsgefäßen – ein für Wohnhäuser charakteristisches Inventar zu finden waren. Mit Ausnahme der Hornzapfen, traten auch kaum Tierknochen zutage. Östlich des Eingangs hat sich vor der AA-2008/1 Beiheft 316 Jahresbericht 2007 des DAI Karakorum (Mongolei), Grabung Nordstadt. Osthaus Abb. 33 Podiumskonstruktion (Altarpodium?) im Zentrum des Hauses (von Westen) Abb. 34 Traufziegel mit Drachenmotiv Abb. 35 Löwengestaltiger Gefäßfuß, Qingbai-Ware (Steinzeug, sog. Südliche Song-Dynastie, 13. Jh. n. Chr.) 33 Außenmauer des Hauses eine kreisförmige Setzung aus Mauerziegeln erhalten, darunter die Deponierung eines ›Troges‹ aus Granit. Ob es sich tatsächlich um ein Gefäß oder wahrscheinlicher noch um einen Pfosten oder Türangelstein handelt, ist offen. Lage und Fundumstände sprechen für ein Gründungsopfer oder -votiv. Allein aufgrund der Lage der Wohnhügel zueinander war zu vermuten, dass Nord- und Osthaus die Glieder eines Ensembles aus mindestens drei größeren Bauten im Süden, Norden und Osten sowie einem ›Torhaus‹ (?) im Westen bilden. In diesem Jahr ergrabene Pflasterwege zwischen den Häusern sichern diese Annahme: Ein gepflasterter Weg, der vom Eingang des Nordhauses auf das gegenüberliegende Südhaus zuführt, wird in der Zentralachse des Osthauses gekreuzt von einem entsprechenden Wegpflaster, das Ost- und Westhaus miteinander verbindet. Die Ausgrabungen im Osthaus deuten darauf hin, dass die in einigen Profilen unterschiedenen ›Bauhorizonte‹ keineswegs eine Schichtenfolge darstellen, sondern in einigen Fällen nachweislich nur verschiedene Laufebenen eines langgestreckten, in sich stufenförmig gegliederten Baus anzeigen. Ein gleichzeitig von der Expedition freigelegter Tempel des 18. Jhs. in Erdene joo – der während des stalinistischen Terrors zerstörte Tempel des Zurkhaich Aimak – lieferte anschaulich Beispiel und Bestätigung für diese Interpretation. Auch das Osthaus kann in seiner Funktion noch nicht sicher bestimmt werden. Einige Funde, ebenso wie einige charakteristische Bauelemente, deuten auf ein buddhistisches Heiligtum (Abb. 33). In der Ausstattung hebt sich das Osthaus in Aufwand und Qualität deutlich vom Nordhaus ab. Vor allem zahlreiche Reste von Wandmalerei, darunter auch solche mit altmongolischer Schrift, relativ qualitätvolle chinesische Keramik sowie nicht zuletzt grün glasierte Dachreiter und weiterer Bauschmuck lassen auf eine besondere Bedeutung des Osthauses schließen (Abb. 34–36). Im Sommer 2009 soll das Osthaus komplett ergraben werden, zusätzlich sind Grabungen im mutmaßlichen Torhaus sowie im Südhaus vorgesehen. Im Rahmen des Karakorum-Projekts konnten 2007 die Vermessungsarbeiten im Norden Karakorums sowie in Erdene joo fortgeführt und mit der Fertigstellung eines topographischen Gesamtplans der Stadt abgeschlossen werden. 34 35 Abb. 36 Karakorum (Mongolei), Grabung Nordstadt. Nordhaus, Dachreiter, sog. Löwendrache, gebrannter Ton AA-2008/1 Beiheft Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen 317 Kooperationspartner: Archäologisches Institut der Mongolischen Akademie der Wissenschaften • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: H.-G. Hüttel, D. Bayar, U. Erdenebat • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: C. Brun (Zürich), B. Daehne (Bamberg), A. R. Dreiser (Bamberg), Ch. Hüttel (Bonn) C. Kropp (Heidelberg), A. Rieger (Leitung der Vermessung, Karlsruhe), J. Kollowa, S. Lareya (Vermessung, Karlsruhe) sowie Amartuvshin, Batbayar, Maratkhan, Ochirpurev, Uurintuya (alle Ulaanbaatar) • Abbildungsnachweis: KAAK, Abb. 32–36). Wissenschaftliche Veranstaltungen Vorträge 25. Januar Andreas Reinecke (Bonn), »Durch Kochen von Meerwasser entsteht Salz weiß wie Schnee« – DAI-Ausgrabungen in Vietnam. Kongresse 14./15. Juni Abschlusskonferenz »Neue Technologien für die Archäologie: Der BMBF-Projektverbund Nasca« des seit 2002 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in seinem Förderschwerpunkt »Neue Naturwissenschaftliche Methoden und Technologien für die Geisteswissenschaften (NTG)« geförderten Projektverbundes »Nasca – Entwicklung und Adaption archäometrischer Techniken zur Erforschung der Kulturgeschichte« Abb. 37. 38 Abschlusskongress »Neue Technologien für die Archäologie: Der BMBF-Projektverbund Nasca« am 14. und 15. Juni im Wissenschaftszentrum Bonn im Wissenschaftszentrum Bonn mit etwa 150 Teilnehmern und 24 Vorträgen (Abb. 37. 38). Abbildungsnachweis: Graphik, J. Tomkowitz (Abb. 37); H. Prümers (Abb. 38). Workshop 30. November Status-Workshop des Projektverbundes »Nasca – Entwicklung und Adaption archäometrischer Techniken zur Erforschung der Kulturgeschichte« in Rhodt unter Rietburg zur Präsentation und Diskussion abschließender wissenschaftlicher Ergebnisse und Koordination der Abschlusspublikation mit etwa 30 Teilnehmern. AA-2008/1 Beiheft 318 Jahresbericht 2007 des DAI Öffentlichkeitsarbeit Ausstellung »Projet de coopération archéologique maroco-allemand sur l’île de Mogador et sa région« (Konzeption: Dirce Marzoli, Josef Eiwanger, Abdelaziz El Khayari und Abderrahim El Bertei; Gestaltung: Eva Sulzer, Rafael Pozo, Christian Hartl-Reiter) 23. November Eröffnung der Ausstellung »Projet de coopération archéologique maroco-allemand sur l’île de Mogador et sa région« im Palast Dar Souiri in Essaouira (Marokko) in Anwesenheit des Gouverneurs (Ende: 31. Dezember, s. auch hier S. 228 f.). Während dieses Projekts wurden mehrere Interviews zur Arbeit gegeben. Zahlreiche Besucher wurden geführt, darunter der deutsche Botschafter und André Azoulay, der aus Essaouira stammende Finanzberater des marokkanischen Königshauses. Über das Nasca-Projekt wurde in Focus Online und im General-Anzeiger aus Bonn berichtet. Im Zusammenhang mit der Konferenz am 14. und 15. Juni wurden Berichte und Interviews in der Sendung »Leonardo« von WDR 5, dem Bayerischen Rundfunk und dem Deutschlandfunk ausgestrahlt. Der Deutschlandfunk veröffentlichte auch einen ausführlichen Beitrag im Internet, ebenso wie die Deutsche Welle und die Internetseite »Planet Erde«. Zum Bolivien-Projekt wurden vor Ort Interviews für das lokale Fernsehen gegeben. Ein japanisches Fernsehteam, das eine Dokumentation über neue archäologische Forschungen im Amazonasgebiet erstellt, wurde während mehrerer Tage betreut. Herr Reinecke hielt Vorträge in Hongkong (28. Februar), Phnom Penh (4. Mai), Saigon (10. Mai), Berlin (7. Juni), Gotha (4. Oktober), Stralsund (8. Oktober). Am 23. März gab er ein Interview für die vietnamesische Tageszeitung »Lao Dong« über die Arbeiten des DAI in Vietnam. Veröffentlichungen Forschungen zur Archäologie Außereuropäischer Kulturen 4: M. Prüch – A. Kieser, Tradition und Wandel. Untersuchungen zu Gräberfeldern der Westlichen Han-Zeit AA-2008/1 Beiheft Eurasien-Abteilung Eurasien-Abteilung Im Dol 2–6 D-14195 Berlin Tel.: +49-(0)3018 7711-311 Fax: +49-(0)3018 7711-313 E-Mail: [email protected] Direktoren Prof. Dr. Svend Hansen, Erster Direktor PD Dr. Mayke Wagner, Wissenschaftliche Direktorin Wissenschaftliche Mitarbeiter PD Dr. Ute Franke, Dr. Ingo Motzenbäcker, Dr. Udo Schlotzhauer, Dr. Erdmute Schultze Fortbildungsstipendiat Dr. Mike Teufer Wissenschaftliche Hilfskräfte Katrin Bastert-Lamprichs M. A., Kirsten Hellström M. A. (ab 1. 5.), Ellen Kühnelt M. A. (bis 30. 4.) Aus Drittmitteln finanzierte Stellen Dr. Raiko Krauß (DFG, bis 28. 2.), Stephanie Langer M. A. (DFG), Dr. Gunvor Lindström (DFG), Dr. Agathe Reingruber (DFG), Dr. Sabine Reinhold (DFG) Freier Mitarbeiter Dr. Nikolaus Boroffka (Projekt Bandixon) Außenstelle der Eurasien-Abteilung Außenstelle Teheran 9, Khiaban-e Shahid Akbari POB 3894 Teheran-Elahiyeh/Iran Leiterin Dr. Barbara Helwing Eurasien-Abteilung 321 Ausgrabungen und Forschungen Pietrele (Rumänien) Die Ausgrabungen in der kupferzeitlichen Siedlung Pietrele an der Unteren Donau (Abb. 1) haben in den letzten Jahren wichtige neue Ergebnisse zur sozialen Organisation der kupferzeitlichen Gesellschaft in Südosteuropa erbracht. Der eigentliche Siedlungshügel ist relativ klein, nach geomagnetischen Messungen haben auf ihm einst ca. 25 Häuser gestanden. Die Messungen erbrachten aber im Umfeld des Hügels Hinweise auf möglicherweise bis zu 100 weitere Häuser. Noch lässt sich nicht abschätzen, wie viele dieser Häuser gleichzeitig bestanden haben. Klar ist jedoch, dass die Siedlung ursprünglich wesentlich größer war und dass dies auch für andere Tellsiedlungen zutreffen dürfte, wo noch keine entsprechenden Prospektionen durchgeführt wurden. Zu den bislang unbekannten architektonischen Elementen dieser großen Siedlung gehört auch eine etwa 600 m entfernte Kreisgrabenanlage, die in diesem Jahr durch eine geomagnetische Prospektion untersucht werden konnte und drei parallele Gräben aufwies, die vor allem im Westen noch gut erhalten zu sein scheinen (Abb. 2). Für diese Anlage kommen sowohl eine fortifikatorische Funktion als auch die Nutzung als (religiöser) Versammlungsplatz in Frage. Abb. 1 Der Tell Măgura Gorgana bei Pietrele (Rumänien) von Norden Abb. 2 Pietrele (Rumänien), Kreisgrabenanlage auf der oberen Donauterrasse (M. 1 : 7500) AA-2008/1 Beiheft 322 Jahresbericht 2007 des DAI 3 4 Die auf dem Tell befindlichen Hauseinheiten lassen erkennen, dass in ihnen unterschiedliche Tätigkeiten ausgeübt wurden. Die Häuser in Fläche F sind durch Jagd- und Fischfangaktivitäten gekennzeichnet, während in den Häusern der Fläche B das Weben von Stoffen im Vordergrund stand. In Fläche F konnten in diesem Jahr in dem verbrannten Haus weitere Hinweise für ein zweites Geschoss dokumentiert werden. Unter dem Ofen, der im Obergeschoss installiert war, wurde die Substruktion des Fußbodens freigelegt. Es handelt sich um die verziegelten Lehmfüllungen zwischen den Holzbalken der Geschossdecke (Abb. 3). Nach der vorläufigen Untersuchung der menschlichen Skelettreste fanden in diesem verbrannten Haus neun Individuen den Tod. In Fläche B konnten wiederum die Überreste eines Webstuhls aufgedeckt werden. In einer schmalen Lehminstallation fanden sich 12 ungebrannte Webgewichte und zwischen ihnen ein Knochengerät (Abb. 4). Der Befund ist insofern von Bedeutung, als er zu den ältesten Nachweisen des Webstuhls zu rechnen ist und vermutlich den bislang einzigen Befund mit unverbrannten Webgewichten darstellt. Zu den besonderen Funden aus diesem Jahr gehört eine Statuette mit einem Mädchen auf dem Arm (Abb. 5) und eine komplette Statuette aus hellem Gestein (Abb. 6). Erwähnenswert ist auch eine lange Doppelspiralnadel (Abb. 7). Etwa 80 Kupferobjekte wurden beprobt. Die Spurenelement- und Blei- 5 6 Pietrele (Rumänien) Abb. 3 Verziegelte Lehmfüllungen zwischen verbrannten Holzbalken der Geschossdecke Abb. 4 Reste eines Webstuhls mit ungebrannten Webgewichten Pietrele (Rumänien) Abb. 5 Tonfigur Abb. 6 Steinfigur (H 5,80 cm) Abb. 7 Kupfernadeln (L bis zu 19,50 cm) 7 AA-2008/1 Beiheft Eurasien-Abteilung 323 Abb. 8 Pietrele (Rumänien), Schale mit komplexer Graphitbemalung isotopenuntersuchungen zeigen, dass das Kupfer aus mindestens zwei Quellen stammt. Eine Schale (Abb. 8) gehört zu den aufwendig verzierten Keramik^ gefäßen der Gumelnita-Kultur. Anhand von Bohrungen bis in 17 m Tiefe und geoelektrischen Messungen konnte der Aufbau der bis an den Tellfuß reichenden Überschwemmungsebene der Donau erfasst werden. Die Basis der feinkörnigen Hochflutsedimente, die bis zur Trockenlegung der Aue (ab ca. 1950) durch ein anastomosierendes Flusssystem (Bereiche mit geringer Strömung) abgelagert wurden, liegt etwa 10 m unter der heutigen Oberfläche. Sandige und schluffige Einschaltungen deuten auf die Verlagerung von Rinnen hin. Der Beginn der Sedimentation der Hochflutsedimente lässt sich auf der Basis von 14C-Datierungen auf etwa 4000 v. Chr. festlegen. Es konnten Gerinnebettstrukturen identifiziert werden, die auf einen noch nicht zu datierenden Donauarm in unmittelbarer Nähe des Tells hindeuten. Kooperationspartner: Archäologisches Institut der Rumänischen Akademie der Wissenschaften (A.Vulpe, M. Toderaş) • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: S. Hansen • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: N. Becker (Löffel), N. Benecke (Archäozoologie), I. Gatsov (Silexgeräte), J. Görsdorf (14C-Altersbestimmung), F. Klimscha (Beile und Äxte), U. Koprivc (Mahlsteine), P. Nedelčeva (Silexgeräte), R. Neef (Botanik), M. Toderaş, M. Prange (Kupfergeräte), T. D. Price (Isotopie), A. Reingruber (DFG, Keramik), J. Wahl (Anthropologie), J. Wunderlich, T. Hoppe (Holozäne Landschaftsrekonstruktion) • Abbildungsnachweis: S. Hansen (Abb. 1. 3–7; 8 a); C. Hübner (Abb. 2); W. Rust (Abb. 8 b). Ovčarovo-gorata, Kreis T‡rgovište (Bulgarien) Die Aufarbeitung der Altgrabung »Ovčarovo-gorata« steht vor dem Abschluss. Der frühneolithische Siedlungsplatz liegt an den nördlichen Ausläufern des Balkangebirges und bietet ein einzigartiges Inventar für den Horizont Karanovo II, benannt nach der bekannten Siedlung von Karanovo in Thrakien (Abb. 9). Das Projekt ist eingebunden in das Forschungscluster 1 »Von der Sesshaftigkeit zur komplexen Gesellschaft: Siedlung, Wirtschaft, Umwelt« des DAI und trägt wichtige Erkenntnisse zur Dynamik der Neolithisierung Europas in der 1. Hälfte des 6. Jts. v. Chr. bei. Erfasst wird damit die Zeitstufe, in der sich die produzierende Wirtschaftsweise im Südosten des Kontinents bereits weitgehend durchgesetzt hat und allmählich nach Mitteleuropa ausgreift. Um die ökonomischen Hintergründe dieses Prozesses zu verstehen, wurden ausgewählte Tierknochen aus den Schlachtabfällen der Siedlung molekulargenetisch untersucht. Diese Arbeiten stehen im Zusammenhang mit dem Projekt »Zucht- und NutzungsAA-2008/1 Beiheft 324 Jahresbericht 2007 des DAI Abb. 9 Ovčarovo-gorata (Bulgarien), Lage von Ovčarovo-gorata und weiterer Fundplätze der Karanovo-II-Zeit in Südosteuropa geschichte der ältesten Wirtschaftshaustiere im zirkumpontischen Raum« des Naturwissenschaftlichen Referats der Zentrale des DAI. Erste Ergebnisse zeigen enge Verbindungen zu den Haustierrassen des Vorderen Orients und Anatoliens auf. Diese enge ökonomische Bindung an Anatolien spiegelt sich teilweise auch im archäologischen Fundmaterial wider. Impulse aus dem Südosten sind etwa im Hausbau, aber auch im Fundmaterial greifbar. Zwei Anhänger aus Nephrit in Form eines Miniaturbeiles und einer stark stilisierten anthropomorphen Gestalt (Abb. 10) lassen sich sowohl über das verwendete grüne Gesteinsrohmaterial als auch über ihre Form mit zahlreichen weiteren amulettartigen Gegenständen in Anatolien und Griechenland verbinden. Auf Kontakte nach Süden und Südosten verweisen auch die zahlreichen Knochengeräte (Abb. 11). Die Keramik zeigt enge Verbindungen über das Balkangebirge nach Thrakien, aber auch nach Norden über die Donau hinweg. Der Übergang zum frühneolithischen Criş-III-Komplex ist hier fließend. Gleichwohl ist das unmittelbar nördlich gelegene Muntenien bisher fundleer, weshalb der Siedlung von Ovčarovo-gorata zusätzliche Bedeutung als Referenzfundplatz für den gesamten Großraum am Unterlauf der Donau im Frühneolithikum zukommt. Naturwissenschaftliche Untersuchungen der Keramik konnten zunächst eine große Vielfalt in der Tonzusammensetzung der einzelnen Keramikwaren aufzeigen. Die chemische Analyse der verwendeten Tone sowie Magerungsbestandteile zeigt dennoch große Übereinstimmungen, so dass von einer einheitlichen, sprich lokalen Keramikproduktion ausgegangen werden kann. Selbst Stücke, die typologisch fremd wirken, sind offenbar vor Ort produziert worden. Unter den keramischen Formen finden sich zahlreiche aufwendig mit Ritzmustern verzierte mehreckige Gefäße, die in der archäologischen Literatur als ›Kulttischchen‹ angesprochen werden (Abb. 12). Im Rahmen einer weiteren Reisekampagne konnten auch diese Gegenstände im Museum T‡rgovište neu gezeichnet und photographisch dokumentiert werden. Die Silexgeräte dieser Siedlung wurden bereits 1985 im Rahmen einer Dissertation am Archäologi- 10 11 Ovčarovo-gorata (Bulgarien) Abb. 10 Amulette aus Nephrit (M. 1 : 1) Abb. 11 Knochengeräte, eine Sichel, zwei Löffel, eine Ahle und ein längs durchbohrter Gegenstand unbekannter Funktion (von links nach rechts); M. 1 : 3 AA-2008/1 Beiheft Eurasien-Abteilung 325 schen Institut in Sofia bearbeitet, deren Ergebnisse jetzt in die Publikation der Grabung einfließen werden. Kooperationspartner: Historisches Museum T‡rgovište (I. Angelova, M. Žečeva); Bulgarisches Archäologisches Institut Sofia (I. Vajsov); Neue Bulgarische Universität Sofia (I. Gatsov); Arbeitsgruppe Archäometrie der Freien Universität Berlin (G. Schneider); ARCHEA (ARCHEometric Analysis and Research) Warszawa (M. Daszkiewicz) • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: R. Krauß • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: N. Benecke (Archäozoologie), N. Van Binh (Silexgeräte), I. Vajsov (Idolplastik), P. Zidarov (Knochengeräte), Ch. Rütze, A. Scheu (Molekulargenetik) • Abbildungsnachweis: R. Krauß (Abb. 9–11); J. Weschenfelder (Abb. 12). Abb. 12 Ovčarovo-gorata (Bulgarien), Kulttischchen Abb. 13 Nordwestliches Schwarzmeergebiet während des 4. Jts. v. Chr. (Ukraine/ Moldavien), Fundorte der Cernavodă-IKultur (rote Punkte) und der UsatovoKultur (schwarze Punkte) AA-2008/1 Beiheft Nordwestliches Schwarzmeergebiet während des 4. Jts. v. Chr. (Ukraine/Moldavien) Das neue Gemeinschaftsprojekt des DAI und der Freien Universität Berlin unter Zusammenarbeit mit moldawischen sowie ukrainischen Archäologen widmet sich den Denkmälern des sog. Hadžider-Typus der Cernavod‡-I- und Usatovo-Kultur im nordwestlichen Schwarzmeergebiet (Abb. 13). Das Ziel des Forschungsvorhabens ist es, die noch wenig behandelten Fundmaterialien bezüglich der Chronologie, Stratigraphie und Ökonomie dieser Kulturen zu sammeln, um ihre Entstehung und Entwicklung sowie weitere wichtige Aspekte umfassend untersuchen zu können. Dabei sollen auch Prozesse, die zum Zer^ Karanofall der klassischen, kupferzeitlichen Kulturen von Varna, Gumelnita, vo VI u. a. geführt haben, beurteilt werden. Diese erbrachten die Entstehung der nachfolgenden, wenig entwickelten Cernavod‡-I-Kultur. In dieser Hinsicht ist das Zusammenwirken von sozialen und natürlichen Faktoren besonders zu beachten. Der zweite Forschungsaspekt betrifft die kulturelle und chronologische Kontinuität zwischen den Kulturen Cernavod‡-I und Usatovo, d. h. die Verschmelzung der Cucuteni- und Cernavod‡-I-Tradition, die zur Entstehung der Usatovo-Kultur und dem damit verbundenen kulturellen Neuanfang im Gebiet geführt haben. Darüber hinaus stehen die weitreichenden Beziehungen der Usatovo-Kultur im Mittelpunkt, die zur Ausbreitung des Hauspferdes, zum Aufstieg der Arsenkupfermetallurgie und damit zum allgemeinen Aufschwung der Ost-West-Beziehungen beigetragen haben. 326 Jahresbericht 2007 des DAI 14 Nordwestliches Schwarzmeergebiet während des 4. Jts. v. Chr. (Ukraine/Moldavien), Orlovka (Ukraine) Abb. 14 Hausgrundriss der Cernavodă-I-Kultur Abb. 15 Grab der Cernavodă-I-Kultur 15 Im Forschungsprogramm sind sowohl Gelände- als auch Museumsarbeiten geplant. Die Geländearbeiten schließen geophysikalische und archäologische Prospektionen auf ausgewählten Fundplätzen ein, um ihre Siedlungsstruktur zu erfassen. Außerdem wird an den laufenden Ausgrabungen in Orlovka bei Reni (Ukraine) teilgenommen (Abb. 14. 15). Die Museumsarbeiten umfassen die Materialaufnahme in archäologischen Institutionen von Rumänien, der Ukraine und der Republik Moldau. Insgesamt baut das Forschungsvorhaben vor allem auf Prospektionen und der Erfassung des bestehenden archäologischen Materials auf, während auf neue großflächige Ausgrabungen bewusst verzichtet wird. Dadurch soll ressourcenschonend – sowohl in finanzieller Hinsicht als auch bezüglich der Denkmalsubstanz – das Informationspotential der bekannten Fundstellen ausgeschöpft werden. Seit Beginn der Forschungsarbeiten in diesem Frühjahr wurden Geländebegehungen im südmoldawischen Dnestr-Gebiet sowie im Tilgulskij Liman am Ostrand des Bezirkes Odessa durchgeführt. Bei der Geländebegehung am Tilgulskij Liman wurde im Dorf Košary eine neue Siedlung entdeckt, die den Oberflächenfunden zufolge der Cernavod‡-I-Kultur angehört. Die diesjährigen Ausgrabungen in Orlovka wurden im Bereich der Vorburg durchgeführt, wobei erstmals typologische sowie stratigraphische Beweise einer ununterbrochenen Kulturentwicklung von der Gumelnita^ über die Cernavod‡-I- zu der Usatovo-Kultur freigelegt werden konnten. In diesem Rahmen wurden neben archäologischem Material auch Proben für archäobotanische und archäozoologische Untersuchungen sowie 14C-Datierungen gewonnen. Zudem konnte die Materialaufnahme in archäologischen Institutionen in Kiev und Chişin‡u abgeschlossen werden (Abb. 16–18). Im Archäologischen Institut in Kiev sind die Siedlungs- und Grabfunde aus den alten Grabungen in Majaki, Usatovo sowie Untere Michailovka photographisch und zeichnerisch aufgenommen worden. Im Archäologischen Museum in Chişin‡u konnten die zahlreichen Funde Abb. 16 Nordwestliches Schwarzmeergebiet während des 4. Jts. v. Chr. (Ukraine/ Moldavien), Majaki (Ukraine). Hügel 5, Grab 2, Tonfigurine der Usatovo-Kultur (M. 1 : 1) AA-2008/1 Beiheft Eurasien-Abteilung 327 17 18 Nordwestliches Schwarzmeergebiet während des 4. Jts. v. Chr. (Ukraine/Moldavien), Purkari (Moldavien). Hügel 1, Grab 9 Abb. 17 Gefäß mit Deckel der UsatovoKultur (H insgesamt ca. 20 cm) Abb. 18 Metallfunde der Usatovo-Kultur (M. 1 : 2) aus den moldawischen Cernavod‡-I- und Usatovo-Fundorten zeichnerisch dokumentiert werden. Kooperationspartner: Institut für Prähistorische Archäologie der Freien Universität Berlin; Higher Anthropological School Chişin‡u, Moldavien; Archäologisches Museum der Nationalen Akademie der Wissenschaften der Ukraine in Odessa; Archäologisches Institut der Nationalen Akademie der Wissenschaften der Ukraine • Leitung des Projekts: B. Hänsel, S. Hansen • Mitarbeiter: B. Govedarica • Abbildungsnachweis: B. Govedarica (Abb. 13–18). Alma Kermen, Krim (Ukraine) In der spätskythischen Nekropole und Siedlung Alma Kermen im Südwesten der Halbinsel Krim wurde in diesem Jahr planmäßig die letzte der insgesamt vier Grabungskampagnen durchgeführt. Die Zielsetzung des Forschungsvorhabens ist es, anhand verschiedener Fundmaterialien die Frage einer römischen Militärpräsenz im 2./3. Jh. n. Chr. an diesem Ort zu klären. Der Fundplatz liegt tief im Hinterland von Chersonesos und war in den ersten drei Jahrhunderten n. Chr. von spätskythisch-sarmatischen Volksgruppen bewohnt. Mit den diesjährigen Grabungen in der befestigten Siedlung konnten die Umfassungsmauer, mehrere Baustrukturen sowie zwei Zerstörungshorizonte dokumentiert werden, darunter war ein Dachversturz, in dem mehr als 120 mit dem Stempel der Legio XI Claudia (LEXICL) versehene Dachziegel gezählt wurden. Nennenswerte Kleinfunde, die die vermutete physische Anwesenheit von Römern beweisen könnten – Münzen, Militaria etc. – fehlen weiterhin. Eine abschließende Interpretation des Befundes steht noch aus. Das in der Eurasien-Abteilung durchgeführte Teilvorhaben, die Untersuchung der Terra Sigillata aus der Nekropole von Alma Kermen, wurde intensiv fortgesetzt (Abb. 19. 20). Hier haben u. a. die umfangreichen chemischen Analysen wichtige Ergebnisse erbracht: Für die pontischen Gefäße wurden vier chemische Rohstoffgruppen (Waren) unterschieden (PS I–IV), die z. T. den archäologisch differenzierten pontischen Keramikgruppen – PS A, B, C, Chersonesische und Bosporanische Sigillata – zugeordnet werden konnten (PS I/II = PS A, PS III = PS C, PS IV = Chersonesische Sigillata). Durch die AA-2008/1 Beiheft 328 Jahresbericht 2007 des DAI Aufarbeitung der Fundkontexte konnte zudem der chronologische Rahmen für einzelne Gefäßtypen erarbeitet, die periodische Nutzung von Nekropolenarealen fixiert sowie Zusammenhänge zwischen Grabform, Inventar, Zeitstellung und Gefäßbeigabe herausgestellt werden (Abb. 21. 22). Auf dieser Basis ist nunmehr die Nutzung bestimmter pontischer Gefäßformen als Datierungsmittel möglich. Auch die Waren (Rohstoffgruppen) wurden zeitlich innerhalb der ersten drei Jahrhunderte n. Chr. verankert.Weiterhin war der Vergleich mit dem Gefäßespektrum in anderen spätskythischen Nekropolen aufschlussreich. Da sich mancher pontische Gefäßtypus mit Bestimmtheit einer Rohstoffgruppe zuordnen lässt, hat sich z. B. herausgestellt, dass die chemisch durch hohe Chrom-/Nickel-Werte auffällige Gruppe PS III/C in der unweit von Chersonesos gelegenen Nekropole Bel’bek IV weitaus zahlreicher vorkommt als in Alma Kermen, desgleichen die aus Kleinasien importierte Eastern Sigillata B. In Alma Kermen aber überwiegen Importe von der Levante-Küste (Eastern Sigillata A) und aus Çandarlı/Pergamon (Eastern Sigillata C) sowie die im Südwesten der Krim gefertigte PS-IV-Ware. Das kann auf eine unterschiedliche Gewichtung der Bezugsquellen an beiden Orten, aber auch auf verschiedene ›Blütezeiten‹ der Siedlungen hinweisen. Diese wirtschaftsgeschichtlich sehr interessanten Ergebnisse geben zur Fragestellung des Gesamtprojekts – den Formen der römischen Präsenz in Alma Kermen – jedoch keine weiterführende Auskunft. Die Gefäßbeigaben folgen einem in hellenistischer Tradition wurzelnden spätskythischen Grabritus, der sich homogen durch die gesamte weitläufige Nekropole und durch alle drei Jahrhunderte ihrer Nutzung zieht. 19 20 Alma Kermen (Ukraine), sog. Pontische Sigillata (PS) 21 22 Kooperationspartner: Institut für Klassische Archäologie der Freien Universität Berlin; Krim-Abteilung des Archäologischen Instituts der Akademie der Wissenschaften der Ukraine in Simferopol; Institut für Anorganische und Analytische Chemie, Arbeitsgruppe Archäometrie der Freien Universität Berlin (G. Schneider); ARCHEA (ARCHEometric Analysis and Research) Warszawa (M. Daszkiewicz) • Förderung: Fritz Thyssen Stiftung • Leitung des Projekts: F. Fless (Freie Universität Berlin), J. P. Zajcev (Grabungsleitung, Simferopol) • Mitarbeiterin: E. Kühnelt (DAI, Eurasien-Abteilung, Bearbeitung der Terra-Sigillata-Gefäße) • Abbildungsnachweis: DAI, EurasienAbteilung, E. Kühnelt (19–22). Abb. 19 PS III, Teller (Anfang 2. Jh. n. Chr.) Abb. 20 PS IV, Amphora (2. Jh. n. Chr.) Abb. 21 PS I, Rosettenstempel auf dem Innenboden eines Schälchens (Anfang 1. Jh. n. Chr.) Abb. 22 PS I, Kerbrouletting und Sandalenstempel auf dem Innenboden eines Steilrandtellers (Ende 1. Jh. n. Chr., münzdatiertes Grab) Fibeln und Fibeltracht im Nordschwarzmeerraum (Ukraine) Das Nordpontikum erstreckt sich über die durch mehrere Ströme gegliederte osteuropäische Ebene und ist geprägt von den Eigenheiten des eurasischen Steppengürtels. Es gilt als Schmelztiegel verschiedener europäischer und asiatischer Kulturen und folglich als Korridor für Migration sowie Kulturtransfer zwischen Ost und West. In den letzten beiden Jahrhunderten v. Chr. und der AA-2008/1 Beiheft Eurasien-Abteilung 329 Abb. 23 Fibeln und Fibeltracht im Nordschwarzmeerraum (Ukraine), Nižnegorsk, Krim. Fibel aus dem Nogajčik Kurgan. Griechische Arbeit des 1. Jhs. v./ 1. Jhs. n. Chr. (L 7,80 cm) Abb. 24 Fibeln und Fibeltracht im Nordschwarzmeerraum (Ukraine), oben: Vladimirovka, Oblast Cherson. Fibel aus Kurgan 1, Grab 8. Import aus den westlich angrenzenden Gebieten (2./1. Jh. v. Chr.); unten: Arpačin, Oblast Rostov am Don (Russische Föderation). Fibel aus Kurgan 40, Grab 10. Nordschwarzmeertypus mit charakteristischer Bügelumwicklung (1. Jh. v. Chr.) AA-2008/1 Beiheft anschließenden römischen Kaiserzeit wird die nordpontische Steppe von nomadischen und auch sesshaften Völkern bewohnt. Historische Quellen nennen die einheimischen Völker »Sarmaten« sowie »späte Skythen«. Bereits seit dem 7./6. Jh. v. Chr. existierten außerdem von Griechen gegründete Stadtstaaten am Nordufer des Schwarzen Meeres. Im 1. Jh. n. Chr. wird das Bosporanische Reich, eine Vereinigung griechischer Städte um den Kimmerischen Bosporus, von den Römern besiegt. Infolgedessen geriet insbesondere die Krim in Abhängigkeit Roms, wogegen der nördlich angrenzende Raum weitgehend seine politische Unabhängigkeit bewahrte. Das Nordpontikum stand aber nicht nur unter dem kulturellen Einfluss der Griechen und Römer. Im 2. Jh. v. Chr., noch vor der römischen Expansion, grenzt das Gebiet der Sarmaten im Westen an die Geto-Dakischen Stämme und die Poineşti-Lukaševka-Kultur sowie im Norden und Nordwesten an die Zarubincy-Kultur. Auch aus diesen Gebieten sind deutliche Einflüsse in der materiellen Kultur der Sarmaten spürbar. Die Vielfalt der kulturellen Einflüsse im Nordpontikum ist archäologisch besonders anhand der Trachtentwicklung nachvollziehbar. Die Dissertation beschäftigt sich deshalb mit dem Auftreten und der eigenständigen Weiterentwicklung der Fibeln und der Fibeltracht zwischen dem 2./1. Jh. v. Chr. und dem 3. Jh. n. Chr. (Abb. 23). Der Einfluss der westlichen und nördlichen Nachbarn wird insbesondere mit der Verwendung dieser Gewandspange durch die einheimische und auch griechische Bevölkerung deutlich. Nach einer ersten Durchsicht des archäologischen Materials wird klar, dass im 2./1. Jh. v. Chr. wenige typische Drahtfibeln vom Mittellatèneschema auftauchen, die zumeist in den Bestattungen der Barbaren gefunden wurden (Abb. 24 oben). Ihre große Ähnlichkeit mit südosteuropäischen Stücken und ihre verhältnismäßig geringe Anzahl auf dem Gebiet der heutigen Ukraine lassen darauf schließen, dass sie als Tauschware verhandelt wurden. Danach scheint eine intensive lokale Fibelproduktion und Entwicklung nach den Vorbildern der importierten Drahtfibeln einzusetzen (Abb. 24 unten). Zu welchem Zeitpunkt die eigene Herstellung genau begann, ist umstritten. Fest steht, dass die Fibel in dem gesamten sarmatischen Gebiet im 2./1. Jh. v. Chr. in die lokale Tracht aufgenommen wurde. Das zunächst einfache Formenspektrum der Drahtfibeln wird besonders ab dem 1. Jh. n. Chr. durch den Import von provinzialrömischen Typen und die Nachahmung einiger Formen erweitert. Im Nordpontikum sind Fibeln in dieser Zeit ein verlässlicher Anhaltspunkt für eine Datierung von Fundkomplexen. Seit dem 1. Jh. n. Chr. intensiviert sich der Zustrom solcher Gewandspangen und anderer eingeführter Güter aus den 330 Jahresbericht 2007 des DAI Abb. 25 Fibeln und Fibeltracht im Nordschwarzmeerraum (Ukraine), Ust´Al´ma, Krim. Römisch emaillierte Fibel aus Nischengrab 14 (2./3. Jh. n. Chr., L 4,50 cm) römischen Gebieten (Abb. 25). Wahrscheinlich wurden zudem Stücke in den nord- und ostpontischen Städten selbst angefertigt (Abb. 23). Das Auftreten von Import in sarmatischen Komplexen ermöglicht eine Verknüpfung mit den vergleichsweise gut abgesicherten Chronologiesystemen der römischen Provinzen und kann zur Weiterentwicklung des regionalen Systems genutzt werden. Mitte der 1960er Jahre erarbeitete der russische Archäologe A. K. Ambroz eine grundlegende Übersicht zur räumlichen und zeitlichen Verbreitung der nordpontischen Fibeln. Seither hat sich der Kenntnisstand zur Formenvielfalt, Verwendung und zeitlichen Stellung durch eine große Zahl neuer Fundkomplexe erweitert. Die aktuelle Zusammenstellung des Fundstoffes, die sich neben publizierten Materialvorlagen auf nichtpublizierte Komplexe gründet, erforderte eine umfassende Recherche in Bibliotheken, Museen und Archiven der Ukraine. Die nun folgende Analyse der Fibeln in ihrem Fundkontext, soll die Aufnahme der Gewandschließe in die Tracht der nordpontischen Völker unter dem Aspekt des Austausches mit den benachbarten Kulturen und dem damit verbundenen Einfluss auf die lokale Tracht beschreiben und bewerten. Leitung des Projekts: K. Hellström • Abbildungsnachweis: nach R. Rolle (Hrsg.), Gold der Steppe. Archäologie der Ukraine, Ausstellungskatalog Schleswig (Neumünster 1991) (Abb. 23); nach A.V. Simonenko, Sarmaty Tavrii (Kiev 1993); B. A. Raev, Sarmatskoe pogrebenie iz kurgana u chutora Arpačin. Sovetskaja archeologija 1979, H. 1, 260–262 (Abb. 24); K. Hellström (Abb. 25). Drehscheibenkeramik der Černjachov-Kultur in Vojtenki (Ukraine) Die im Osten der heutigen Ukraine gelegene Siedlung von Vojtenki bestand vor allem im 4. Jh. n. Chr. Das ausgedehnte Gelände wird durch eine Expedition der Universität Charkov untersucht (Abb. 26). Unter der Leitung von M. Ljubičev konnte neben den Siedlungsbefunden auch ein dazugehöriges Gräberfeld entdeckt werden (Abb. 27). Das Fundmaterial ist der ČernjachovKultur zuzuweisen, für die auf der schnell rotierenden Drehscheibe hergestellte Keramik charakteristisch war. Die Auswertung dieser Keramik im Rahmen eines deutsch-ukrainischen Gemeinschaftsprojekts umfasst die Funde der Grabungskampagnen 2004–2007. Dabei stehen neben der Fundbearbeitung Fragen zu der Keramikherstellung, dem Umfang der Produktion und der regionalen Verteilung der Drehscheibenkeramik im Mittelpunkt. AA-2008/1 Beiheft Eurasien-Abteilung 331 Vojtenki (Ukraine) Abb. 26 Fundplatz der Černjachov-Kultur (4. Jh. n. Chr.). Blick auf den Bereich A der Siedlung von Nordosten, davor die archäologische Station Abb. 27 Körperbestattung mit mehreren Gefäßen und anderen Beigaben Die Materialaufnahme konnte weitgehend abgeschlossen und ein Überblick über das Gefäßspektrum erreicht werden.Vorherrschend sind unterschiedlich profilierte Töpfe (Abb. 28), die oft eine raue Oberfläche aufweisen und dem Küchengeschirr zugeordnet werden, sowie verschiedene, z. T. dünnwandige Schalenformen (Abb. 29). Andere Gefäßtypen wie Kannen oder großflächig verzierte Becher treten dagegen nur selten auf (Abb. 30). Hinzukommen einzelne 28 Vojtenki (Ukraine) Abb. 28 Zwei der typischen Töpfe (H 11,60 cm bzw. 12,90 cm) Abb. 29 Schalen mit unterschiedlich gestaltetem Profil (Dm Mündung 10,40 cm bzw. 22,20 cm) Abb. 30 Becher mit Rädchenverzierung (H rund 6 cm) 29 AA-2008/1 Beiheft 30 332 Jahresbericht 2007 des DAI freihandgeformte Gefäße bzw. Gefäßfragmente, außerdem Scherben importierter Amphoren. Der Vergleich des Materials von Gräberfeld und Siedlung zeigt Unterschiede im Keramikspektrum, die nach Abschluss der Datenerfassung genau quantifiziert werden können. Für das Verbreitungsgebiet der Černjachov-Kultur östlich des Dnepr lassen sich damit erstmals auf breiterer Basis die Spezifika der Keramik darstellen. Von ausgewählten Gefäßformen wurden insgesamt 179 Proben genommen und mittels archäometrischer Methoden wie Nachbrennen (MGR-Analysis), chemische Analysen und Dünnschliffe untersucht. Die Auswertung der ersten Nachbrennserie ergab eine große Variation der Tonwaren, die bisher wenigen chemischen Analysen zeigen jedoch eine eher einheitliche Zusammensetzung des Tonmaterials. Die Drehscheibenkeramik wurde demnach wohl überwiegend in der Siedlung hergestellt und in dem bereits vor drei Jahren entdeckten Töpferofen gebrannt. In Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Geologie der Universität Charkov konnte in der Umgebung der Siedlungsstelle die Suche nach möglichen Tonlagerstätten, aus denen das Rohmaterial dafür stammte, begonnen werden. Um der Frage nachzugehen, ob und in welchem Maße die in der Siedlung von Vojtenki gefertigte Keramik etwa als Tauschobjekt auch in andere Siedlungen gelangte, wurden Funde kleinerer Grabungen auf Černjachov-Siedlungen der Region bzw. des Bezirks Charkov in die Materialaufnahme einbezogen und von dort ebenfalls einige Proben für naturwissenschaftliche Analysen entnommen. Kooperationspartner: Historische Fakultät der V. N. Karazin-Universität Charkov; Institut für Anorganische und Analytische Chemie, Arbeitsgruppe Archäometrie der Freien Universität Berlin (G. Schneider); ARCHEA (ARCHEometric Analysis and Research) Warszawa (M. Daszkiewicz) • Leitung des Projekts: M. Ljubičev, E. Schultze • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: K. Myzgin, X.Varačeva • Abbildungsnachweis: M. Ljubičev (Abb. 26. 27); DAI, Eurasien-Abteilung, E. Schultze (Abb. 28–30). Taman-Halbinsel (Russische Föderation) Durch den Kimmerischen Bosporus – die Meerenge zwischen Krim und Taman-Halbinsel – verläuft die heutige ukrainisch-russische Staatsgrenze. Die Region beiderseits des Bosporus stellte dagegen zu Beginn des 5. Jhs. v. Chr. mit dem Zusammenschluss der freien griechischen Stadtstaaten, die aus den hier im Zuge der großen Kolonisation von ostgriechischen Poleis angelegten Pflanzstädten hervorgegangen waren (seit dem frühen 6. Jh. v. Chr.), eine politische Einheit dar. Im 4. Jh. v. Chr. war das Bosporanische Reich der wichtigste Getreidelieferant Griechenlands und dehnte die Machtsphäre über Völker wie Maioten und Sinder aus, die am Fuße des Kaukasus ansässig waren. Die Meerenge ermöglicht die wichtige Schiffsverbindung vom Schwarzen in das Asovsche Meer und zur Mündung des Don, der weit in die russische Steppe – dem damaligen Lebensraum der Skythen – hineinreicht. Das im letzten Jahr begonnene russisch-deutsche Gemeinschaftsprojekt auf der nördlichen Taman-Halbinsel zeichnet den Verlauf von der frühen Landnahme durch die Griechen bis zu der Konsolidierung des Bosporanischen Reiches nach. Unter landschafts- und siedlungsarchäologischen Fragestellungen werden politische und kulturelle Verschiebungen auf ihre Auswirkung im Raum untersucht. Zu unterschiedlichen Zeiten und Situationen waren nämlich wehrhafte Siedlungen gegründet oder aufgegeben, Räume von Heiligtümern und Nekropolen besetzt worden, wodurch Machtansprüche ausgedrückt oder Plätze symbolisch eingenommen wurden. AA-2008/1 Beiheft Eurasien-Abteilung 333 Abb. 31 Taman-Halbinsel (Russische Föderation), Überblick über die während der diesjährigen Frühjahrskampagne unternommenen Rammbohrkernuntersuchungen auf der nördlichen TamanHalbinsel. Geologische Schichten von 5 m bis 15 m wurden freigelegt (M. 1 : 750 000) AA-2008/1 Beiheft Grundlegend für alle weiteren Überlegungen und Untersuchungen war die interdisziplinäre Zusammenarbeit zur Rekonstruktion des sich verändernden Landschaftsraumes. Die Geoarchäologie konnte bereits in weiten Teilen die Küstenverläufe für verschiedene Zeithorizonte wiedergewinnen. Auf diese Weise ließ sich auch die Nachricht antiker Schriftsteller verifizieren, die einzelne Inseln an Stelle der heutigen Halbinsel überlieferten. Allerdings herrscht in der Wissenschaft Uneinigkeit über die Rekonstruktion dieses ehemaligen Archipels. Aufgrund der noch andauernden Untersuchungen lässt sich aber bereits feststellen, dass es nur eine Hauptinsel, auf der wohl auch die wichtigsten Griechenstädte lagen, mit wenigen kleinen Nebeninseln gab (Abb. 31). Daneben wurden längst verlandete Meeresverbindungen, ehemalige tiefe Buchten und ihre jeweiligen Wassertiefen sowie mögliche Hafensituationen, die in der Antike existierten, erforscht. Durch diese Rekonstruktion der Küstenverläufe erweisen sich jetzt erstmals untersuchte Siedlungen wie Achtanisovskaja 4 und Golubickaja 2 an der West- und Ostküste einer heute verlandeten, ehedem schiffbaren Meerenge (Abb. 32) als strategische Orte in einem größeren Siedlungskonzept der gegenwärtigen Taman-Halbinsel. Diese Orte kontrollierten den Zugang zu einem heutigen Liman, an dessen Küsten weitere Siedlungen lagen und sich ein Heiligtum auf einem Vulkan einer weit in die Bucht vorgeschobenen Halbinsel erhob (Abb. 33). Die Siedlungen an der Meerenge waren von wehrhaften Verteidigungsanlagen umschlossen. Eine solche aus dem späten 334 Jahresbericht 2007 des DAI Abb. 32 Taman-Halbinsel (Russische Föderation), Synopse von drei Bohrungen, die eine ehemals bis zu 7–8 m tiefe Schifffahrtsrinne zwischen den antiken Orten Achtanisovskaja 4 und Golubickaja 2 nachweist 6. oder frühen 5. Jh. v. Chr. konnte für Golubickaja 2 durch geophysikalische Untersuchung und archäologische Grabung (Abb. 34. 35) nachgewiesen werden. Die Funde aus Surveys (Oberflächenbegehungen) und Grabungen deuten für beide Orte sogar auf einen Siedlungsbeginn in der 1. Hälfte des 6. Jhs. v. Chr. hin. Die Siedlung Golubickaja 2 scheint aber spätestens in der Mitte des 2. Jhs. v. Chr. aufgegeben worden zu sein (Abb. 36). Für das erstmals großflächig untersuchte Hinterland der bekannten milesischen Kolonie Kepoi, deren Altgrabungen ebenfalls innerhalb des Projekts zur Publikation aufgearbeitet werden, lassen sich Siedlungskonzepte verschiedener Zeithorizonte rekonstruieren. Dabei sind Fundplätze und Monumente (Siedlungen, Gehöfte, Heiligtümer sowie Kurgane und Friedhöfe) unterschiedlicher Zeitstellung in Beziehung zueinander und zur Landschaft zu setzen, was für eine Untersuchung zum politischen Raum der nördlichen Taman-Halbinsel ausgewertet wird. Kooperationspartner: Staatliches Historisches Museum Moskau (D. Žuravlev); Fachbereich Geographie der Philipps-Universität Marburg (H. Brück- Abb. 33 Taman-Halbinsel (Russische Föderation), Golubickaja 2 (Hinterland von Kepoi). Blick von der Anhöhe eines Schlammvulkans bei Golubickaja 2 in den Achtanisovskaja-Liman mit dem Schlammvulkan Boris und Gleb, auf dem sich ein Heiligtum der Artemis befand AA-2008/1 Beiheft Eurasien-Abteilung 335 Taman-Halbinsel (Russische Föderation), Golubickaja 2 (Hinterland von Kepoi) Abb. 34 Geophysikalische Prospektion auf Luftbild montiert, die Anomalie der Befestigung ist grün hervorgehoben. Die roten Punkte geben die Bohrkernuntersuchung im Siedlungsareal wieder, gelb sind die Versuchsgrabungen des Vorjahres und schwarz ist das diesjährige Grabungsareal dargestellt Abb. 35 Transekt der Bohrkernuntersuchungen im Siedlungsareal, die Kulturschichten reichen ca. 1,50 m, lediglich der Verteidigungsgraben über 3 m, unter das heutige Geländeniveau hinab Abb. 36 Scherbe eines sog. Megarischen Bechers aus der Grabung im Verteidigungsgraben (um die Mitte des 2. Jhs. v. Chr.), dies ist der jüngste Fund, der bisher im Survey (Oberflächenbegehung) und in der Grabung gemacht wurde (M. 1 : 1) 34 35 36 AA-2008/1 Beiheft ner, D. Kelterbaum); Institut für Geowissenschaften, Abteilung Geophysik der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (H. Stümpel, Ch. Klein); Studiengang Restaurierung und Grabungstechnik der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (K. Kohlmeyer, M. Block) • Förderung: BMBF • Leitung des Projekts: U. Schlotzhauer • Abbildungsnachweis: D. Kelterbaum (Abb. 31. 32. 35); I. Seden’kov (Abb. 33. 36); H. Stümpel, M. Block (Abb. 34). 336 Jahresbericht 2007 des DAI Kislovodsk (Russische Föderation), Siedlungen mit symmetrischem Grundriss als Phänomen einer komplexen Landschaftsnutzung während der Spätbronze- und Früheisenzeit im Nordkaukasus Mit der Entdeckung eines bislang völlig unbekannten Siedlungstypus der Spätbronze- und Früheisenzeit im Nordkaukasus eröffnete sich 2004 eine grundsätzlich neue Perspektive in der Siedlungsarchäologie dieser Region. Seit dem Vorjahr werden hier im Rahmen eines Kooperationsprojekts Siedlungen mit symmetrischem Grundriss als Phänomen einer komplexen Landschaftsnutzung untersucht. Der Nordkaukasus ist die nach Eurasien gewandte Seite des Großen Kaukasus und erstreckt sich vom Kaspischen bis zum Schwarzen Meer. Die untersuchten Fundplätze liegen zwischen 1400 m und 2400 m Höhe auf einer Plateauzone zwischen dem Kurbad Kislovodsk und dem El’brus-Massiv, dem mit 5642 m höchsten Berg Europas. Durch den Einsatz moderner Fernerkundungsdaten war es möglich, erstmals eine gesamte archäologische Landschaft mit inzwischen rund 200 verschiedenartigen Fundstellen zu erfassen. Dazu zählen Siedlungen mit einem ovalen Grundriss, in dessen Zentrum ein großer Platz liegt, Siedlungen aus Gebäudereihen sowie Kreis- und Wallanlagen, aber auch Menhire und eine große Zahl an Grabhügelfeldern gehören zu den Fundstellen, die in den letzen Jahren entdeckt wurden. In diesem Jahr konnten über 100 dieser Fundorte im Rahmen einer Geländeprospektion aufgesucht und als archäologische Fundstellen verifiziert werden (Abb. 37. 38). Erste Kartierungen zeigen eine sehr hohe Siedlungsdichte mit nur etwa 2 km Abstand zwischen den Siedlungsarealen und eine hohe Konformität in der Siedlungsplanung sowie Territorialnutzung. Daher steht im Zentrum der Untersuchung die Frage nach der Funktionalität der Siedlungen in einer Region, die heute ausgesprochen siedlungsfeindlich ist. Abb. 37 Kislovodsk (Russische Föderation), Karte der bis Ende des Jahres nachgewiesenen archäologischen Fundstellen AA-2008/1 Beiheft Eurasien-Abteilung 337 Abb. 38 Kislovodsk (Russische Föderation), Überprüfung einer Fundstelle Die Untersuchung ist auf verschiedenen Ebenen angesiedelt und schließt ein breites, interdisziplinäres Spektrum an naturwissenschaftlichen Methoden ein. Neben dem Grabungsareal wurden systematisch Bodenproben in drei Arealen am Ausgrabungsort Kabardinka 2 sowie über einem einzelnen Gebäude im benachbarten Kabardinka 3 entnommen. Die Kombination der geophysikalischen Messungen des vorangegangenen Jahres mit bodenkundlichen Untersuchungen belegt unterschiedliche Nutzungsareale in den Siedlungen, was auch bereits durch Ausgrabungen bestätigt werden konnte. So wurde der im letzten Jahr zur Hälfte freigelegte Hausgrundriss nun vollständig ausgegraben (Abb. 39). Er besitzt eine Grundfläche von rund 220 m2. Hier war eine Stratigraphie aus zwei Kulturschichten und einem Steinplattenboden (?) zu erfassen. Aus allen Schichten stammt viel Keramik und Knochenmaterial. Bereits publizierte 14C-Datierungen weisen den Bau sicher dem 13. bis 11. Jh. v. Chr. zu, vermutlich wurde das Gebäude aber noch bis ins frühe 9. Jh. v. Chr. genutzt. Bemerkenswerterweise führten die Grabungen zum Nachweis eines apsidenförmigen Abschlusses des Hauses nach außen. Die Apsis ist aus monumentalen, weißen Kalksteinblöcken gebaut, die durchaus als Schaufassade angesprochen werden können (Abb. 40). In ihrem Zentrum liegt ein großes, tief in den Abb. 39 Kislovodsk (Russische Föderation), Kabardinka 2. Orthophotoplan des ausgegrabenen Hausgrundrisses Abb. 40 Kislovodsk (Russische Föderation), Kabardinka 2. Außenfassade der aus großen Kalksteinblöcken gemauerten Apsis AA-2008/1 Beiheft 338 Jahresbericht 2007 des DAI Fels geschlagenes Pfostenloch. Der Eingang zum Haus befindet sich nahezu im Zentrum der halbrunden Wand. Er wird durch zwei lange Kalksteinblöcke flankiert. Apsidiale oder abgerundete Außenmauern sind häufig schon auf den Luftbildern zu erkennen. Sie finden nun eine Bestätigung in dem Grabungsbefund. Die Kombination von naturwissenschaftlichen Methoden und Grabungsergebnissen erlaubt es, die ökonomische Situation und damit die Funktion dieser Siedlungen, näher zu beleuchten. So gelang mit einem in der Archäologie neuartigen bodenkundlichen Analyseverfahren der Nachweis von aufgestalltem Vieh auf den zentralen Plätzen der Siedlungen über die Reaktivierung von keratinzersetzenden Mikropilzen (Abb. 41). Abb. 41 Kislovodsk (Russische Föderation), Kabardinka 2. Keratinzersetzende Mikropilze belegen die Anwesenheit von Vieh im Siedlungsareal Kooperationspartner: Archäologisches Institut der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau (D. S. Korobov); Denkmalpflegeorganisation »Nasledie«, Stavropol’ (A. B. Belinskij) • Förderung: DFG; Russische Stiftung für Geisteswissenschaften • Leitung des Projekts: S. Reinhold, D. S. Korobov • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: A. V. Borisov, S. Peters (Bodenkunde), E. Antipina (Archäozoologie), E. Lebedeva (Archäobotanik), J. Fassbinder (Magnetik), S. V. Merkulov (Georadar) • Abbildungsnachweis: S. Reinhold (Abb. 37–40); A. Borisov (Abb. 41). Das Kurgangräberfeld Ergeninskij,Teilrepublik Kalmykien (Russische Föderation) Die Teilrepublik Kalmykien liegt im Bereich des südosteuropäischen Steppengürtels. Geringe industrielle Tätigkeit, sporadischer Ackerbau zusammen mit einer dünnen Besiedlung führten zu der hervorragenden Erhaltung von Kurganen, die sich hauptsächlich entlang den Abhängen der Ergeni-Erhebung in langen Ketten erstrecken. Das Kurgangräberfeld Ergeninskij befindet sich etwa 90 km nördlich der ˙ Hauptstadt Elista. Die Kurgane ziehen sich, nahezu der Nord-Süd-Richtung folgend, an einem der Ausläufer der Ergeni-Erhebung hoch. Aufgrund ihrer Anlage wird das Gräberfeld in drei Bereiche – einen südlichen, einen mittleren und einen nördlichen Bereich – gegliedert. In den 1980er Jahren fanden bereits archäologische Untersuchungen von 12 Kurganen im mittleren Bereich statt, sie erbrachten eine bis zu diesem Zeitpunkt nicht bekannte hohe Dichte von Primärgräbern der Katakombengrabkultur. Unsere Ausgrabungen setzten an den alten Forschungen mit dem Ziel an, mehrere Kurgane mit modernsten Techniken sowie Methoden zu untersuchen. AA-2008/1 Beiheft Eurasien-Abteilung 339 Direkt südlich an den Altgrabungen im mittleren Bereich liegen die Kurgane Nr. 13 und 14, von denen Nr. 14 bereits letztes Jahr vollständig untersucht worden ist. Der Kurgan Nr. 13 enthält insgesamt 10 Gräber, wobei zwei nicht zur Katakombengrabkultur gehören. Alle katakombengrabzeitlichen Gräber wurden in den anstehenden Boden eingetieft, die Hügelaufschüttung erfolgte dabei in zwei Phasen. Im Westschnitt sind zwei Gräber untersucht worden, die beide der zweiten Aufschüttungsphase zuzuordnen sind. Das Grab 2 erwies sich als Doppelgrabanlage, bestehend aus einer Mehrfachbestattung sowie einem Kenotaph, zu denen ein Eingangsschacht hinabführte (Abb. 42). In der linken Grabkammer lagen nebeneinander ein großes Abb. 42 Ergeninskij (Russische Föderation), Kurgan 13. Grab 2, Eingangsschacht. Links: Kammer 1; rechts: Kammer 2 und ein kleines Individuum, in Hocklage ist der Schädel jeweils nach Süden orientiert. Auf und um das große Individuum fanden sich zahlreiche Perlen unterschiedlicher Größe und Form aus verschiedenen Materialien, darunter Karneol. Auf der rechten Schläfe lagen zwei einfache, miteinander verbackene Schläfenringe aus Silber (Abb. 43). Zum weiteren Inventar des Grabes gehörten ein großes kürbisförmiges Gefäß mit Gießspuren sowie ein blattförmiger Dolch. In der rechten Grabkammer wurden mittig Tierknochen und die Reste eines Holzgefäßes vorgefunden. Daneben lag ein kleineres kürbisförmiges Gefäß (Abb. 44). Ein bronzener Pfriem und eine Pfeilspitze ergänzten das Fundspektrum. Menschliche Überreste konnten in der rechten Grabkammer nicht nachgewiesen werden. Ergeninskij (Russische Föderation), Kurgan 13. Grab 2 Abb. 43 Schläfenringe, die auf dem Schädel des Toten gefunden wurden Abb. 44 Kürbisförmiges Gefäß aus Kammer 2 43 AA-2008/1 Beiheft 44 340 Jahresbericht 2007 des DAI 46 Ergeninskij (Russische Föderation), Kurgan 13. Grab 3 Abb. 45 Detail eines Rades und Wagenkastenfragment Abb. 46 Rückseite des südwestlichen Rades mit Nabe nach Blockbergung 45 Im Eingangsschacht des Grabes 3 wurden die Überreste eines vierrädrigen Wagens angetroffen. Erhalten haben sich drei Räder, Reste des Wagenkastens und in bzw. auf ihm eine mächtige Schilfschicht (Abb. 45).Teilweise nicht entrindetes Holz mit groben Bearbeitungsspuren und Naben ohne ein Achsenloch (Abb. 46) deuten hier auf ein rituelles Gefährt. In der Grabkammer lag auf der linken Seite ein Individuum mit dem Schädel im Süden (Abb. 47). Auf und um das Skelett herum befanden sich zahlreiche, farbige Stoffreste. Besonders interessant war der Fund von drei Perlenreihen aus Glaspaste- und Bronze- 48 Ergeninskij (Russische Föderation), Kurgan 13. Grab 3 Abb. 47 Eingangsschacht nach Entnahme der Wagenreste und die Grabkammer Abb. 48 Schädel mit Stoffresten und drei Perlenreihen in situ 47 AA-2008/1 Beiheft Eurasien-Abteilung 341 Abb. 49 Ergeninskij (Russische Föderation), Kurgan 13. Grab 3. Bronzedolch mit typischer gestufter Klinge perlen in situ entlang den Schläfen, die bis zum Kammerboden reichten (Abb. 48). Zu den Beigaben zählen ein großes kürbisförmiges Gefäß mit Gießspuren, Reste eines Holztabletts und eines kleinen Holzbechers. Ein Dolch aus Bronze (Abb. 49) lag dabei auf dem Holztablett. Nach den bisherigen Ergebnissen der 14C-Datierungen lassen sich die Gräber der Katakombengrabkultur, deren regionale Ausprägung als Ost-ManyčKultur bezeichnet wird, in die 2. Hälfte des 3. Jts. v. Chr. einordnen. Kooperationspartner: Kalmykisches Institut für Geisteswissenschaften der ˙ Russischen Akademie der Wissenschaften in Elista (M. A. Očir-Gorjaeva) • Förderung: BMBF • Leitung des Projekts: K. B. Malek, S. Hansen • Abbildungsnachweis: K. B. Malek (Abb. 42–49). Aruchlo (Georgien) Im Verlauf des 6. Jts. v. Chr. breitete sich die bäuerliche Lebensweise bis in die Kaukasusregion aus. Auf welchem Wege dies geschah und wie die Bauern ihre wirtschaftlichen Strategien an die spezifischen Umweltbedingungen anpassten, wird seit zwei Jahren durch die Grabungen in dem Siedlungshügel Aruchlo (ca. 50 km südwestlich von Tbilisi) erforscht. Besonderes Augenmerk ist dabei auf die Hausarchitektur gerichtet. Der Siedlungsplan lässt zahlreiche sich überlappende Rundbauten erkennen, die unterschiedlichen Bauphasen angehören. Die Klärung der zeitlichen Abfolge und der zu den jeweiligen Gebäuden gehörenden Fundinventare ist die Voraussetzung für die Untersuchung der einzelnen Haushalte als Wirtschaftseinheiten. In diesem Jahr konnte zusätzlich zu den vier bestehenden in vier weiteren Flächen gearbeitet werden. Für die Herstellung der unterschiedlich großen Lehmziegel wurde sowohl ein heller gelber als auch ein dunkler brauner Lehm verwendet (Abb. 50. 51), 50 Aruchlo (Georgien) Abb. 50 Fläche L, dunkle Lehmziegelmauer mit Erneuerung (linker Bildrand) Abb. 51 Fläche M, kleiner und großer zusammengehöriger Rundbau 51 AA-2008/1 Beiheft 342 Jahresbericht 2007 des DAI der direkt am Ort abgebaut werden konnte. Insbesondere die dunkelbraunen Ziegel sind im umgebenden dunklen Sediment nur sehr schwer zu erkennen. Umso erfreulicher ist es, dass mehrere dunkle Mauern nachgewiesen werden konnten, welche häufig auch Erneuerungsmaßnahmen erkennen lassen (Abb. 50). In Fläche M wurde in der Nordwestecke ein Teil eines kleinen Rundbaus erfasst. Dieser besteht aus dunklen Ziegeln, die in ein helles Bindemittel verlegt wurden. Über einer annähernd kreisrunden, ›pylonartigen‹ Verdickung ist ein größerer Mauerring angeschlossen, der zu einem im Durchmesser ca. 6 m großen Bau gehört haben dürfte (Abb. 51). Er bindet – wie von Osten aus anhand der durchlaufenden Horizontalfugen zu erkennen ist – in den kleineren Rundbau ein, so dass er zusammen mit diesem angelegt wurde. Bereits im Vorjahr wurde ein aus einem kleineren (Durchmesser ca. 2 m) und aus einem größeren Rundbau bestehender Gebäudekomplex freigelegt. Möglicherweise ist hier erstmals ein Gebäudetypus fassbar, der aus mindestens zwei funktional 52 Aruchlo (Georgien) Abb. 52 Fläche L, großer Mauerring Abb. 53 Fläche K, Reste des Mauerrings und Verfüllung des Gebäudes mit großen Arbeitssteinen 53 unterschiedlichen Einheiten bestand. Auch in einem anderen Fall dürfte der erhaltene Mauerring zu einem Gebäude gehört haben, das eine Größe von bis zu sechs Metern aufweist (Abb. 52). In Fläche K konnte der Rest eines zusätzlichen größeren Mauerringes freigelegt werden, innerhalb dessen eine Vielzahl von Mühlen sowie weitere Steine, die im neolithischen Haushalt eine Rolle spielten, gefunden wurden. Da die Unterleger der Mühlen mit der Arbeitsfläche nach unten lagen, waren sie nicht mehr in Gebrauch, sondern wurden bei der Verfüllung des Gebäudes hier abgelegt (Abb. 53). In der gesamten Siedlung sind natürliche Flussgerölle, die aber aufgrund ihrer Form bewusst ausgewählt wurden, für verschiedene Tätigkeiten verwendet worden, wie die polierten sowie teilweise glänzenden Oberflächen erkennen lassen (Abb. 54). Zu den herausragenden Funden zählt ein Keulenkopf, der im Zwickel zweier Mauern gefunden wurde und bislang keine Parallelen in vergleichbaren Siedlungen der ›Šulaveri-Šomutepe-Gruppe‹ besitzt (Abb. 55). Der gesamte von der Grabung erfasste Bereich ist durch große, vermutlich eisenzeitliche Vorratsgruben gestört. In den Gruben finden sich eine lockere, stellenweise stark aschehaltige Füllung sowie wenige Gefäßfragmente und Tierknochen. Bemerkenswert ist ein Steingegenstand in Form eines einschneidigen Messers, allerdings mit stumpfer ›Schneide‹ (Abb. 56). AA-2008/1 Beiheft Eurasien-Abteilung 343 Aruchlo (Georgien) Abb. 54 Flussgerölle, die als Werkzeuge verwendet wurden (M. 1 : 4) Abb. 55 Keulenkopf (M. 1 : 2) Abb. 56 Steinobjekt in Form eines Hiebmessers (M. 1 : 4) 54 55 56 Kooperationspartner: »Otar-Lordkipanidze-Institut für Archäologische Forschung« des Staatlichen Historischen Museums von Georgien, Tbilisi (G. Mirzchulava) • Leitung des Projekts: S. Hansen • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: K. Bastert (Keramik), N. Benecke (Archäozoologie), I. Gatsov, P. Nedelcheva (Steingeräte), R. Neef (Archäobotanik) • Abbildungsnachweis: S. Hansen (Abb. 50–56). Tachti Perda (Georgien) Kachetien, der östlichste Landesteil Georgiens, bildet eine große, von den Flusssystemen Iori im Süden und Alazani im Norden gegliederte, an fruchtbaren Böden und Rohstoffen sowie archäologischen Quellen reiche Siedlungskammer, durch die wichtige Verkehrswege verlaufen, welche die eurasischen Steppen nördlich des großen Kaukasusgebirges mit den Ländern Klein- und Mittelasiens verbinden. Somit ist diese Landschaft für übergreifende archäologische Fragestellungen, wie z. B. die nach Ausnutzung und Verteilung der in Kaukasien reichlich vorhandenen Rohstoffe (Metallerze sowie Obsidian) oder nach den Wechselbeziehungen zwischen den kaukasischen Völkern und ihren Nachbarn im Altertum, besonders während der Bronze- und frühen Eisenzeit (3.–1. Jt. v. Chr.), geradezu prädestiniert. Die archäologische Erforschung des Siedlungsplatzes Tachti Perda nahe der Kreisstadt Dedopliscqaro diente daher neben der Klärung chronologischer Probleme auch dieser Fragestellung. Die bisherigen mittels Ausgrabung, Prospektion und geophysikalischer Messungen gewonnenen Informationen erweisen den Siedlungsplatz als – zumindest während der älteren Eisenzeit (ca. 1. Drittel des 1. Jts. v. Chr.) – in eine Ober- und Untersiedlung gegliedert. Außerdem konnte an dem nordwestlichen Rand des SiedAA-2008/1 Beiheft 344 Jahresbericht 2007 des DAI lungsareals das zur Siedlung gehörende Gräberfeld lokalisiert werden. Nach einer Vorkampagne im Frühjahr, die neben der Fundaufnahme insbesondere einer weiteren geomagnetischen Vermessung in einem Areal östlich des Gräberfeldes und nördlich der Siedlung diente, wurde in der Sommerkampagne an mehreren Abschnitten gleichzeitig gearbeitet. Infolge neuerer erheblicher Zerstörungen sowie Beraubungen im Bereich des Gräberfeldes wurde in einem noch ungestörten Areal der Nekropole ein Grabungsschnitt angelegt (Abb. 57). Dadurch konnten einerseits die geomagnetischen Vermessungen verifiziert, andererseits 36 Grabbefunde in situ beobAbb. 57 Tachti Perda (Georgien), mehrschichtiger Siedlungsplatz der Bronzeund Eisenzeit. Rechts unten der Bereich des Gräberfeldes unmittelbar beim Dorf Tavcqaro achtet und dokumentiert werden. Es handelte sich um teilweise schon im Altertum gestörte Körperbestattungen, die als Rechts- bzw. Linkshocker beigesetzt worden waren. In dem von uns untersuchten Bereich war ein auffällig hoher Anteil an reich mit Keramik, Bronze- und Karneolschmuck etc. ausgestatteten Kinderbestattungen festzustellen (Abb. 58). Aufgrund der vorgefundenen Grabkeramik lässt sich dieser Teil der Nekropole in das 7./6. Jh. v. Chr. datieren (Abb. 59). 58 Tachti Perda (Georgien), Gräberfeld Tavcqaro Abb. 58 Kindergrab mit reichen Beigaben an Keramik und Schmuck Abb. 59 Beispiele für die Grabkeramik des 7. Jhs. v. Chr. 59 AA-2008/1 Beiheft Eurasien-Abteilung 345 In dem nordöstlich des Hügels vorgelagerten Terrain wurden mehrere Sondagen angelegt, um die nach der geophysikalischen Prospektion vermuteten baulichen Strukturen zu überprüfen. Dabei konnten eine Kulturschicht, ein Grubenhaus sowie mehrere Gruben erfasst werden, die aufgrund ihrer Funde – insbesondere der rottonigen Keramik – gleichfalls in das 7./6. Jh. v. Chr. zu datieren waren. Auf dem Siedlungshügel wurde im Nordwesten eine gut erhaltene Steinmauer beobachtet, die im rechten Winkel zur eigentlichen Umfassungsmauer steht (Abb. 60). Da sich an dieser Stelle zudem eine Erhebung befindet, könnte es sich um die Fundamentierung eines Turmes Abb. 60 Tachti Perda (Georgien), Mauer und Mauerversturz an der Westkante des Siedlungshügels oder einer Aussichtsplattform handeln. Dies ist ebenso wie die genaue Datierung dieser Architektur jedoch noch zu klären. Im Bereich der Hauptfläche auf dem Hügel wurde ein weiterer lehmziegelartiger, sekundär verbrannter Versturz im rückwärtigen Bereich der bronzezeitlichen Mauer nachgewiesen. Zudem zeigte sich hier in einem Zwischenprofil eine Verwerfung innerhalb eines bronzezeitlichen Schichtenpaketes, die wohl auf abgerutschte hangseitige Bauten oder ein seismisches Ereignis zurückzuführen ist. Die archäozoologische Untersuchung der Tierknochenfunde zeitigte als vorläufiges Ergebnis die Dominanz von Haustieren (kleine und große Wiederkäuer), wodurch die bisherigen Forschungsannahmen einer stärker viehzüchterisch orientierten Lebensweise während der Bronzezeit und älteren Eisenzeit gestützt werden. Die Auswertung der Luftbilder sowie Prospektionen im Gelände scheint auch zu bestätigen, dass Tachti Perda während der Spätbronzezeit eine bedeutende, wenn nicht die zentrale Siedlung in dieser Mikroregion gewesen ist. Kooperationspartner: »Otar-Lordkipanidze-Institut für Archäologische Forschung« des Staatlichen Historischen Museums von Georgien (K. P’ic’xelauri) • Leitung des Projekts: I. Motzenbäcker • Mitarbeiter: M. Ullrich (DAI, Eurasien-Abteilung); M. Hochmuth (DAI, Zentrale, Naturwissenschaftliches Referat) • Abbildungsnachweis: B. Song (Abb. 57); DAI, Eurasien-Abteilung, I. Motzenbäcker (Abb. 58–60). ArismŒn (Iran) Seit dem Abschluss der ersten Phase der Feldarbeiten in dem Projekt »Früher Bergbau und Metallurgie auf dem zentraliranischen Plateau« im Jahr 2004, bei AA-2008/1 Beiheft 346 Jahresbericht 2007 des DAI denen Untersuchungen zur Verarbeitung von Kupfer und Silber im 4. bis 3. Jt. v. Chr. im Umkreis der prähistorischen Metallhandwerkeransiedlung ArismŒn in der Provinz Isfahan stattfanden, werden die Ergebnisse dieser Forschungen ausgewertet und zur abschließenden Publikation vorbereitet. Die Auswertungen erlauben es nun, die Entwicklung der Kupferverarbeitung seit der Mitte des 4. Jts. v. Chr. genauer nachzuzeichnen. Dabei ist insbesondere der Übergang von der Tiegelverhüttung von Kupfer, die noch in der Mitte des 4. Jts. v. Chr. üblich war, zur Verhüttung in geschlossenen Öfen ab dem Beginn des 3. Jts. v. Chr. deutlich zu fassen. Damit ist die technologische Entwicklung in ArismŒn klar mit zeitgleichen Neuerungen in Jordanien zu parallelisieren. Aus den überregionalen Vergleichen wird zudem ersichtlich, dass die seit der Mitte des 4. Jts. v. Chr. bestehende Einbindung von ArismŒn in ein auf Khuzestan sowie Mesopotamien orientiertes Handelsnetz mit Beginn des 3. Jts. v. Chr. eine Neuorientierung erfährt, in der die intermontanen Täler des Zagros und das Vorgebirge (piedmont-Zone) sich als wichtigste Interaktionsbereiche etablieren (Abb. 61). Kooperationspartner: Iranische Behörde für kulturelles Erbe, traditionelles Handwerk und Tourismus (ICHTTO), Abteilungen: Forschungszentrum für die Konservierung von Kulturgütern (RCCCR), Iranisches Zentrum für Archäologische Forschung (ICAR); Geologischer Survey des Iran (GSI); CurtEngelhorn-Zentrum für Archäometrie Mannheim (E. Pernicka); Deutsches Bergbau-Museum Bochum (T. Stöllner) • Leitung des Projekts: B. Helwing, A. Vatandoust. Abb. 61 Arismān (Iran), Gussformen für Schaftlochäxte (rechts, Mitte 4. Jt. v. Chr.) und Flachäxte (links, um 3000 v. Chr.) Herat (Afghanistan), Areia Antiqua Die Provinz Herat im Westen Afghanistans und ihre Hauptstadt haben eine lange, von politischen Turbulenzen und Blütezeiten geprägte Geschichte. Die Region ist bereits in achämenidischen Keilschrifttexten als Satrapie erwähnt, Alexander der Große hatte auf seinem Indienfeldzug die Stadt erobert und wiederaufgebaut. Später immer wieder belagert und zerstört, war sie seit dem 11. Jh. n. Chr. aber auch Sitz von Statthaltern und nach 1409 Residenz der Timuriden. Das Projekt widmet sich der archäologischen Erforschung dieser Geschichte und leistet einen Beitrag zum Erhalt des Kulturerbes in der Region; ein weiteres Anliegen ist die Ausbildung afghanischer Kollegen in diesem Arbeitsgebiet. Seit dem Abschluss der von 2004 bis 2006 durchgeführten Dokumentation von Fundorten und Denkmalen in der Provinz konzentrierten sich die Untersuchungen in diesem Jahr auf die Zitadelle, in der das DAI seit 2005 arbeitet. Die fast 20 m hohe Befestigung Qala’ e Ikhtyaruddin liegt am nördlichen Ende der Altstadt (Abb. 62). Die von 1976–1979 restaurierte Anlage mit 16 m hohen Befestigungsmauern und 18 Türmen verlor erst zu Beginn des 20. Jhs. ihre herausragende militärische Bedeutung. Die heutige Form geht in das 17./18. und 15. Jh. zurück, sie gilt jedoch auch als Gründung Alexanders des Großen. Die Arbeiten in Schnitt 1 im oberen Hof wurden fortgesetzt. In 5 m Tiefe kamen dabei in dem Lehmmassiv erstmals vereinzelte Fugen zutage. Etwas tiefer zeichneten sich in dem sehr kompakten Substrat zwei breite Lehmziegelmauern sowie einige Ascheschichten, eine Feuerstelle und ein Fußboden ab (Abb. 63). Das Stampflehmmassiv (C) setzte sich darunter fort, jedoch wurden nun große Lehmziegel (60–62 cm × 30 cm × 8 cm) verwendet. Die mehrfach ausgebesserte und erweiterte Struktur wurde bis zu einer Tiefe von 6,50 m unter der Oberfläche (925,10 m ü. NN) verfolgt. Aus den Ascheschichten stammen zahlreiche Funde, darunter eine Pfeilspitze aus Bronze. Typische KeramikforAA-2008/1 Beiheft Eurasien-Abteilung 347 Abb. 62 Herat (Afghanistan), Areia Antiqua. Qala’ e Ikhtyaruddin, Ansicht von Westen, mit Unter- und Oberburg Herat (Afghanistan), Areia Antiqua. Schnitt 1 Abb. 63 Sondage mit Schuttschichten, Lehmmassiv und Ziegelmauern. Blick nach Osten Abb. 64 Achämenidischer Topf aus den Ascheschichten 63 64 AA-2008/1 Beiheft men sind s-förmige Schalen und Becher (Abb. 64). Vergleichsfunde datieren in die achämenidische bis parthische Zeit. Diese Datierung wird durch drei AMS-Messungen, die in das 8.–6. Jh. v. Chr. (cal) fallen, bestätigt. Damit konnte erstmals der Nachweis für eine prähistorische Besiedlung erbracht werden. 348 Jahresbericht 2007 des DAI Am Nordhang der Zitadelle wurden zwei neue Areale eröffnet, um dort die Baufolge und Gestaltung der Anlage und möglicher Vorgängerbauten zu untersuchen. Terminus ante quem ist ein um die ganze Zitadelle verlegtes Steinglacis, das wie Teile der Mauer und Türme in die Timuridenzeit datiert wurde. Die Säuberung und Absenkung eines alten Schnittes auf 4,50 m unter der Oberfläche (mit einer Profilhöhe von 12 m) hat gezeigt, dass dieses Glacis auf 1 m mächtigen, nach Süden hin ansteigenden Geröllschichten gründet. Diese ruhen auf einer Lehmmauer, die Bau B in Schnitt 1 entspricht und ebenfalls in das 12./13. Jh. datiert. Sie ist somit als Teil des äußeren Befestigungswalls zu verstehen, steht jedoch nur 2,50 m hoch an, darunter folgen weitgehend sterile Sand- und Lehmbänder, die auf Bewässerung zurückzuführen sind. Damit ist nachgewiesen, dass eine aus Lehm errichtete Wallanlage aus vortimuridischer Zeit bestand, die zumindest im Norden annähernd gleiche Dimensionen besaß. Alle älteren Bauten waren kleiner, zudem zeigt die Schichtung, dass die Festung nicht auf einer natürlichen Erhebung steht. Hinsichtlich der Gestaltung des anschließend aus gebrannten Ziegeln errichteten Baus liefern die Arbeiten im Bereich des Nordtores neue Erkennt- Abb. 65 Herat (Afghanistan), Areia Antiqua, Schnitt 3, Blick über den Turm mit Ziegeldekor und Steinglacis nach Osten AA-2008/1 Beiheft Eurasien-Abteilung 349 Abb. 66 Herat (Afghanistan), Areia Antiqua, Schnitt 3. Chinesisches Porzellan (oben rechts) und Imitationen, 14.–15. Jh. (M. 1 : 3) nisse (Schnitt 3). Hier kamen ein der Mauer vorgelagerter (Ost-)Turm sowie zahlreiche Funde ans Tageslicht (Abb. 65. 66). Der Turm ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Im Zentrum ist das in Ringschichten verlegte Ziegelwerk bis zum Boden des Innenraumes erhalten und die Außenmauern stehen noch bis zu 2 m hoch an. Der Turm besitzt ein 3 m hohes Fundament, welches nachträglich mit großen Steinen verkleidet wurde. An der Ostseite sind eine Fassadenverkleidung aus blau, türkis oder weiß glasierten und unglasierten Ziegeln sowie ein Sandsteinfries als unterer Abschluss dieser Dekorzone erhalten. Neben dem restaurierten ›Timuridenturm‹ ist dies die einzige Stelle mit Fassadendekor im Originalzustand. Abdrücke im Stuck zeigen, dass auch eine kleine Quermauer, welche die beiden Türme verbindet, im oberen Bereich verziert war. Diese und eine zweite Mauer im Norden werden als Widerlager einer Brücke, die einen Wassergraben überspannte, interpretiert. Die Baufolge lässt sich jetzt wie folgt rekonstruieren: Der Turm und die Brücke bestanden gleichzeitig, aber die Verkleidung des Turmfundaments erfolgte später. Das Steinglacis verdeckt erhebliche Teile der Fliesenverkleidung und ist deutlich jüngeren Datums. Auch die Frage nach dem Zeitpunkt des Neubaus der Festung mit gebrannten Ziegeln und Ziegeldekor konnte geklärt werden, denn im Turm verbaute Hölzer datieren diesen eindeutig in das frühe 15. Jh., also in die Zeit Shah Rukhs. Das Steinglacis ist daher posttimuridisch. Möglicherweise wurde es bei einem Ausbau der Zitadelle mit Neubau der Türme und Befestigungsmauer im späten 17. oder im 18. Jh. verlegt. Zu dieser Zeit wurde auch der Eingang nach Westen verlagert, das alte Tor zugesetzt und der Vorbereich verschüttet. Bis dahin waren die zwei den Eingang flankierenden Türme und der Zugang mit Brücke und Wassergraben repräsentative Bauelemente der Nordfassade. Im kommenden Jahr soll das Areal vollständig geräumt und die Architektur konserviert werden, um den monumentalen Charakter wiederherzustellen. Kooperationspartner: National Institute of Archaeology in Afghanistan, Ministerium für Information und Kultur, Kabul; Department of Monuments and Sites Herat, Ministerium für Information und Kultur, Kabul; Institut für Orient- und Asienwissenschaften der Friedrich-Wilhelm-Universität Bonn • Förderung: Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland • Leitung des Projekts: U. Franke • Mitarbeiter: A. Ayomuddin, Th. Urban, A. Lange, N. Mohammad, N. Siddiqui, M. Yoshida • Abbildungsnachweis: D-DAIEA-Hr01 QI HE06_09_08 P, U. Franke (Abb. 62); D-DAI-EA-Hr01 QI 1a HE07_08_22 P08, U. Franke (Abb. 63); D-DAI-EA-Hr01 QI 1a_090 HE06 P02, A. Lange (Abb. 64); D-DAI-EA-Hr01 QI 3 HE07_09_08 P74,Th. Urban (Abb. 65); D-DAI-EA-Hr01 QI 3_3020 HE07 P45, Th. Urban (Abb. 66). Džarkutan (Uzbekistan) Der aus einem ca 50 ha großen Siedlungsbereich und mehreren Nekropolen bestehende Fundplatz Džarkutan befindet sich in der süduzbekischen Surchandar’japrovinz. Zusammen mit den beiden ebenfalls in der Surchandar’jarprovinz liegenden Fundplätzen Sapalli-Tepe und Pašchurt ist er in der älteren Besiedlungsphase (Spätbronzezeit I, ca. 20.–18. Jh. v. Chr.) eng mit den bronzezeitlichen Kulturen Turkmenistans sowie Nordafghanistans verbunden. Für diese auch unter dem Sammelbegriff Baktro-Margiania Archäologischer Komplex (BMAC) zusammengefassten spätbronzezeitlichen Kulturen des südlichen Zentralasiens sind enge Beziehungen nach Süden nachgewiesen. Dies belegen entsprechende Funde zentralasiatischer Provenienz im südlichen Afghanistan, Nordostiran, Kerman, Balučistan und in der Golfregion. In der anschließenden bis etwa zur Mitte des 2. Jts. v. Chr. reichenden jüngeren Besiedlungsphase AA-2008/1 Beiheft 350 Jahresbericht 2007 des DAI Abb. 67 Džarkutan (Uzbekistan), scheibengedrehte Keramik der Siedlung 68 69 (Spätbronzezeit II) verstärken sich dagegen die Verbindungen in das östlich anschließende südtadžikische Gebiet, während Kontakte nach Süden kaum noch nachzuweisen sind. Džarkutan ist damit einer der wenigen Fundplätze im südlichen Zentralasien, der eine ununterbrochene Sequenz dieses spätbronzezeitlichen Zeitabschnittes liefert und eine Klammer zwischen den erwähnten Regionen bildet. Die chronologische Abfolge beruhte dabei bislang vorwiegend auf Grabfunden. Auf der Basis einer repräsentativen, stratifizierten Keramikdatenmenge der Siedlung wird eine solche Abfolge nun parallel für die Siedlung erstellt. In der Kombination von Siedlung und Gräberfeldern bietet Džarkutan zudem die Möglichkeit des direkten Materialvergleiches dieser beiden Quellengruppen. Dabei zeigt sich, dass ein Großteil der auf der Töpferscheibe gedrehten Keramikformen sowohl in der Siedlung als auch in den Gräbern vertreten ist (Abb. 67). Die für die Gräber der Spätbronzezeit I charakteristischen konischen Becher und Standfußschalen sind auch die am häufigsten in der Siedlung nachgewiesenen Formen dieser Zeit. Einige Formen sind jedoch ausschließlich im Siedlungsbereich anzutreffen und gelangten nicht in die Gräber. Dies gilt etwa für die ritzverzierten und mit fensterartigen Wanddurchbrüchen versehenen Gefäßständer (Abb. 68), die in den jüngeren Abschnitt der Spätbronzezeit datieren und bislang nur in der Siedlung gefunden wurden. Nicht auf der Töpferscheibe gedrehte, sondern mit der Hand geformte grobe Gefäße, die als Kochgeschirr dienten, sowie die ebenfalls handgeformten Räuchergefäße (Abb. 69) erscheinen ebenfalls nur in der Siedlung. Auch bestimmte Formen der Verzierung, wie die mit einem kammartigen Instrument ausgeführten Stempelreihen, sind bislang – wenn auch sehr selten – nur auf 70 Džarkutan (Uzbekistan) Abb. 68 Gefäßständer, diese Objekte ohne Boden und mit durchbrochener Wandung dienten als Untergestell für andere bauchige Gefäße (H 20 cm) Abb. 69 Räuchergefäß (Bodendurchmesser 9,50 cm), das grobe Gefäß weist im unteren Bereich runde Wanddurchlochungen auf. Da sich im Inneren dieser Gefäße Brandspuren fanden, wurden sie bisher als Kultgefäße im Rahmen von ›Feuerzeremonien‹ angesprochen Abb. 70 Keramikscherbe mit Stempelzier AA-2008/1 Beiheft Eurasien-Abteilung 351 Siedlungskeramik nachgewiesen (Abb. 70). Da diese Art der Verzierung typisch für die Tazabag’jab-Kultur des nördlichen Uzbekistans ist, ergeben sich hier auch Verbindungen nach Norden, die sich anhand der Grabkeramik bislang nicht nachweisen ließen. Interessant ist, dass sich diese Zier auf Gefäßen lokaler Produktion findet. Daneben erscheint aber auch handgemachte, verzierte Keramik direkt aus dem Umfeld des Andronovokreises. Allerdings ist deren Anteil sehr gering. Kooperationspartner: Academy of Sciences of Uzbekistan, Institute of Archaeology • Leitung des Projekts: D. Huff, Š. Šaidullaev (Samarkand) • Mitarbeiter: M. Teufer (Bearbeitung der Siedlungskeramik) • Abbildungsnachweis: DAI, Eurasien-Abteilung, D. Huff (Abb. 67–70). Bandixon, Provinz Surchandar´ja (Uzbekistan) Abb. 71 Bemalter Pokal der Jaz-I-Zeit (2. Jt. v. Chr.) vom Majdatepa Abb. 72 Auswahl an Miniaturgefäßen der Jaz-I-Zeit (2. Jt. v. Chr.) vom Majdatepa 71 AA-2008/1 Beiheft Bandixon, Provinz Surchandar´ja (Uzbekistan) Seit 2005 werden um Bandixon Untersuchungen an mehreren Siedlungshügeln fortgeführt, die in den 1970er Jahren begonnen wurden. In diesem Jahr konnte die Arbeit am Majdatepa, Kindyktepa und Kaxramontepa fortgesetzt werden. Es handelt sich um Fundorte des 2. Jts. v. Chr. bis zum 1. Jt. n. Chr., die innerhalb dieses Zeitraumes jeweils nur in einer begrenzten Phase genutzt wurden und daher eine Klärung von zeitspezifischen architektonischen Befunden sowie Fundensembles erlauben. Die Grabungen waren in den vorangegangenen zwei Jahren am Majdatepa, Bektepa, Gazimullahtepa, Kindyktepa, Jalangtuštepa und Kaxramontepa wieder aufgenommen worden, so dass jetzt ein genereller Überblick besteht. Während der verschiedenen Zeitabschnitte verlagerten sich die Siedlungsschwerpunkte innerhalb des Gebietes. Die Grabungen auf dem Majdatepa am rechten Ufer des Urgul-Saj wurden fortgesetzt. Bekannt sind nunmehr Architekturschichten der Jaz-I-Zeit (2. Jt. v. Chr.) mit fünf (Um-)Bauphasen. Die Architektur ist durchgehend planmäßig angelegt. Am wichtigsten ist die Erfassung einer größeren Anlage, die mit der Wasserwirtschaft zusammenhängen dürfte. Es handelt sich um einen großen Graben, der über die gesamte Schnittbreite (10 m) und in einer quer dazu verlaufenden Ausdehnung von ca. 6 m bis in eine Tiefe von ca. 3,50 m erfasst werden konnte. Durch einen kleineren Kanal ist diese Struktur direkt mit den Lehmbauten verbunden. Im Repertoire der Keramik herrschen weiterhin die drei Hauptkategorien vor (1a. handgemachte Töpfe, Schalen, Deckel und Miniaturgefäße, 1b. handgemachte Gefäße mit Bemalung [Abb. 71. 72], 72 352 Jahresbericht 2007 des DAI Abb. 73 Bandixon, Provinz Surchandar´ja (Uzbekistan), abstrakte Statuetten der Jaz-IZeit (2. Jt. v. Chr.) vom Majdatepa 2. Drehscheibenware, 3. handgemachte grobe Kessel). Bronzeobjekte und Steinartefakte gehören zum Inventar. Zu den wichtigsten neuen Funden zählen stark abstrahierte Statuetten von Menschen (Abb. 73) sowie Perlen aus Glaspaste, die beide erstmals für die Jaz-I-Zeit dokumentiert werden konnten. Die Arbeiten am großflächig freigelegten Kindyktepa bestätigten einen gut erhaltenen Repräsentationsbau der späten Jaz-III-Zeit (späte Achämenidenzeit, 4. Jh. v. Chr.; Abb. 74). Die Außenmauer ist 2,80 m dick und umschließt einen Zentralraum von mindestens 14 m × 8 m Innenfläche, mit einem daneben liegenden schmalen Raum (Breite 2 m), der zahlreiche Gruben enthält. Im zentralen Raum verläuft eine Rampe entlang der Südwand, die innerhalb der Ecke zur Westwand in Stufen übergeht. An der Westwand, nach Norden an die Rampe anschließend, befand sich ein erhöhter Bereich. Zur Raummitte hin standen – teils auf dem Podest, teils davor – vier Säulen aus Lehmziegeln. In ihrer Mitte lag eine große zentrale Feuerstelle. Analogien hierzu sind derzeit nicht bekannt, so dass noch keine Angaben zum Zweck des Baues (Sitz Abb. 74 Bandixon, Provinz Surchandar´ja (Uzbekistan), Blick von Osten in den Zentralraum des Repräsentationsgebäudes vom Kindyktepa (späte Achämenidenzeit, ca. 4. Jh. v. Chr.) AA-2008/1 Beiheft Eurasien-Abteilung 353 eines Lokalfürsten oder Tempel?) gemacht werden können. Geringe Spuren von Zerstörung und vereinzelte Menschenknochen weisen eventuell auf ein gewaltsames Ende hin, das auf innere Auseinandersetzungen im Achämenidenreich oder aber auf die Feldzüge Alexanders des Großen in Asien zurückzuführen wäre. Das gesamte Gebäude wurde jedenfalls am Ende seiner Nutzung durch sehr harten Stampflehm verfüllt – regelrecht ›versiegelt‹. An der kleinen frühmittelalterlichen (4.–5. Jh. n. Chr.) Festung des Kaxramontepa war 2005 eine Sondage durchgeführt worden. Nunmehr wurde nahezu das ganze Südwestviertel untersucht. Es ergab sich eine sorgfältig geplante Anlage mit kleinen länglichen Räumen (derzeit sind acht ganz oder teilweise freigelegt, jeweils mit einer Fläche von 3–4 m × 2 m), die beiderseits einer Gasse angeordnet nicht direkt gegenüberliegende, sondern versetzte Eingänge aufweisen (Abb. 75). Die Räume sind unmittelbar an die Umfassungsmauer gesetzt worden.Von der Gasse führen Stufen auf die Festungsmauer hinauf, die ansonsten keine Durchbrüche besitzt. Die karg eingerichteten Räume hatten Decken aus Tonnengewölben aus schräg gesetzten Lehmziegeln, deren untere Abb. 75 Bandixon, Provinz Surchandar´ja (Uzbekistan), Blick von Osten in die Räume des Kaxramontepa (4.–5. Jh. n. Chr.) Ansätze noch gut erhalten sind. Die ursprünglich sehr strenge Planung wurde später durch Umbauten den Bedürfnissen angepasst. Jeder Raum enthielt bloß wenige Funde, zumeist nur zwei bis drei Gefäße, was zusammen mit fehlenden Anzeichen von Zerstörung für eine friedliche Aufgabe der Anlage spricht. Kooperationspartner: O´zbekistan Badiiy Akademiyasi. San´atshunoslik Ilmiy-Tadqiqot Instituti/Academy of Sciences of Uzbekistan, Fine Arts Scientific Research Institute, Taškent; Madaniyat va san´atni qo´llab-quvvatlash jamg´armasi »Boysun«/The Culture and Art Support Fund »Boysun«, Taškent • Leitung des Projekts: N. Boroffka, L. Sverčkov • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: M.-R. Boroffka, N. Narzikulov, V. Mokroborobov • Abbildungsnachweis: N. Boroffka (Abb. 71–75). Votivpraxis im hellenistischen und kušanzeitlichen Baktrien (Tadžikistan/Afghanistan/Uzbekistan) Das antike Land Baktrien schließt den Süden des heutigen Tadžikistan sowie Uzbekistan und den Norden Afghanistans ein. Es erstreckt sich in den Ebenen des Oxus (heute Amudarja) sowie seiner nördlichen und südlichen Zuflüsse AA-2008/1 Beiheft 354 Jahresbericht 2007 des DAI (Abb. 76). Nach der Eroberung durch Alexander den Großen gehörte Baktrien zur hellenistischen Welt. Es war in der Antike dicht besiedelt und weist eine bemerkenswerte Anzahl an Heiligtümern aus hellenistischer Zeit (3.–2. Jh. v. Chr.) und der Kušanzeit (1.–3. Jh. n. Chr.) auf. Diese Heiligtümer und die dort gefundenen Votive (Weihgaben) spielen eine große Rolle für die Frage, ob es im hellenistischen Osten auch auf religiösem Gebiet zu Verschmelzungsprozessen zwischen der einheimischen und der griechischen Kultur gekommen ist. In dem Forschungsprojekt zur Votivpraxis im hellenistischen und kušanzeitlichen Baktrien werden die in den Tempeln gefundenen Weihgaben sowie die Art ihrer Niederlegung analysiert, um so Aufschluss über die dort wirksamen religiösen Traditionen zu gewinnen. Damit verbunden ist eine diachrone, die verschiedenen Zeitstufen überblickende Untersuchung der Zusammensetzung der Votive.Was für Gaben wurden geweiht? Lassen sich Hinweise auf die in den baktrischen Heiligtümern verehrten Gottheiten gewinnen? Verändert sich der Charakter der Weihgaben von der hellenistischen Zeit bis in die Kušanzeit? Zur Beantwortung dieser Fragen eignen sich besonders die Funde aus dem Oxus-Tempel, der im heutigen Tadžikistan liegt. Im Zuge sowjetischer Ausgrabungen von 1976 bis 1991 waren dort mehrere Tausend Weihgaben entdeckt worden, die teils bereits publiziert, teils im Rahmen des Projekts erstmals dokumentiert und katalogisiert wurden (Abb. 77–79). Ihre Untersuchung berücksichtigt nun auch die jeweiligen Fundkontexte, wodurch festgestellt werden konnte, dass zahlreiche der nach Form und Stil noch in graeco-baktrische Zeit zu datierenden Weihgaben erst in der Kušanzeit im Heiligtum niedergelegt wurden. Dies zeigt, dass selbst nach der Eroberung Baktriens durch die nomadischen Yüeh-chi um 130 v. Chr. und der Etablierung der von den Nomaden abstammenden Kušan-Fürsten als Herren des Landes der Tempel sowie die darin enthaltenen Weihgaben nicht geplündert und zerstört worden sind. Abb. 76 Votivpraxis im hellenistischen und kušanzeitlichen Baktrien (Tadžikistan/ Afghanistan/Uzbekistan), Blick in das Tal des Kafirnighan, der in den Oxus (heute Amudarja) mündet (Tadžikistan). Die Flussebenen des Oxus und seiner Zuflüsse sind sehr fruchtbar und trugen zum einstigen Reichtum Baktriens bei AA-2008/1 Beiheft Eurasien-Abteilung 355 77 78 Votivpraxis im hellenistischen und kušanzeitlichen Baktrien (Tadžikistan/Afghanistan/Uzbekistan), Oxus-Tempel (Tadžikistan) Abb. 77 Pfeilspitzen aus Eisen. In den Votivgruben wurden mehrere Hundert Pfeil- und Lanzenspitzen sowie andere Waffen gefunden Abb. 78 Dolchscheidenbeschlag aus Elfenbein mit einer Kampfszene (späthellenistisch). Aus dem Heiligtum stammen zahlreiche Objekte aus Elfenbein, darunter auch viel Rüstungszubehör Abb. 79 Bronzene Armreifen und andere Weihgaben. Sie wurden vor ihrer endgültigen Deponierung offenbar mit Absicht verbogen und zerbrochen. Vergleichbare absichtsvolle Zerstörungen von Votiven waren auch in Olympia und anderen griechischen Heiligtümern nachzuweisen 79 Offenbar wurde die Heiligkeit des Ortes über die Zeiten hinweg gewahrt und die Autorität der verehrten Gottheit akzeptiert. Altfunde, die aus bereits abgeschlossenen und – zumindest teilweise – publizierten Ausgrabungen stammen, werden unter neuen Fragestellungen betrachtet und ausgewertet, zudem wird für die Überprüfung der Arbeitshypothesen mit vor Ort arbeitenden Kollegen kooperiert. So wurde bei den jüngsten, unter tadžikischer Leitung durchgeführten Grabungen im Oxus-Tempel eine große Grube mit zahlreichen Votiven und anderen aus dem Heiligtum stammenden Objekten freigelegt, deren Inventar nun in die Untersuchung einbezogen wird und dazu dienen kann, die bisherigen Ergebnisse zu überprüfen. Kooperationspartner: Achmadi-Doniš-Institut für Geschichte, Archäologie und Ethnographie der Akademie der Wissenschaften Tadžikistans in Dušanbe (A. Družinina) • Leitung des Projekts: G. Lindström • Abbildungsnachweis: Ph. Rott (Abb. 76); DAI, Eurasien-Abteilung, G. Lindström (Abb. 77–79). Sohr Damb/Nal, Balučistan (Pakistan) Der Siedlungshügel Sohr Damb/Nal – der Leitfundort der vorgeschichtlichen Nal-Kultur – liegt im Hochland von Balučistan. Seit 2001 wurden ein Friedhof aus Periode I und Wohnbereiche aus den Perioden II und III freigelegt, sie datieren in die Zeit von etwa 3800–2000 v. Chr. Der Ort wurde mehrfach verlassen und zerstört, die Grab- und Rauminventare sind teilweise sehr gut erhalten, nur die vierte und letzte Periode ist stark erodiert. Die Grabungen vermitteln nicht nur Einblicke in Jenseitsvorstellungen, Lebensstandard, Technologie und Umwelt, sondern sind aufgrund weitreichender Beziehungen auch AA-2008/1 Beiheft 356 Jahresbericht 2007 des DAI für die Rekonstruktion der Wirtschafts- und Kulturgeschichte des indo-iranischen Grenzgebietes von Bedeutung. In diesem Jahr konzentrierten sich die Arbeiten auf die Untersuchung der Baustratigraphie. Zu diesem Zweck wurden alle Grabungsflächen gesäubert, gegebenenfalls durch kleinere Sondagen nachuntersucht, noch nicht erfasste Flächen aufgenommen, der Bauplan vervollständigt und die zu Periode III gehörige Architektur der Nordfläche mehreren Bauphasen zugeordnet. Darüber hinaus konnten Luftaufnahmen des Tells und der Grabungsareale angefertigt und die an der Oberfläche sichtbaren Mauerkronen kartiert werden (Abb. 80). Die Auswertung der Baubefunde war mit einer Überprüfung und Vereinheitlichung der seit 2001 erstellten Profil- und Planazeichnungen sowie der Befunde verbunden. Problematisch ist trotz der Erweiterung der Grabungsflächen nach wie vor die Korrelation der Nordfläche mit Schnitt I, weil die beiden Areale aufgrund der Erosion und der Aschepakete baustratigraphisch nicht verbunden sind. Da die Schichten der Periode II aber direkt unter der Bebauung der Periode III liegen, ist eine Zuordnung zu Periode III Phase 1 oder 2 wahrscheinlich. Diese Annahme wird durch bautechnische Indizien sowie die Keramikanalyse untermauert. Typisch sind dicht aneinander gebaute Häuserreihen mit – teils gepflasterten – Gassen und Wirtschaftsflächen (Abb. 81). Die Gebäude bestehen aus zwei bis drei großen Räumen. Die sorgfältig gesetzten Herdstellen, ähnlich auch aus Mundigak, Shahr-e Sokhta und Nausharo bekannt, sind aufgrund der Befunde eher häuslichen als rituellen Aktivitäten zuzuweisen. Weitere Schwerpunkte lagen bei der Dokumentation und Restaurierung der Funde; alle noch im Grabungshaus befindlichen Kleinfunde sind nun vollständig erfasst. Die Keramikbearbeitung konzentrierte sich auf die umfangreichen Rauminventare der Periode III aus der Nordfläche. Die sehr gut erhalte- Abb. 80 Sohr Damb/Nal, (Pakistan). Luftaufnahme des Tells von Westen AA-2008/1 Beiheft Eurasien-Abteilung 357 Abb. 81 Sohr Damb/Nal, (Pakistan). Schematischer Architekturplan, Schnitt I und Nordfläche (M. 1 : 500) nen Gefäße umfassen ein weites funktionales sowie typologisches Spektrum und belegen die Vergesellschaftung unterschiedlicher Typen, für die Parallelen im gesamten indo-iranischen Grenzgebiet zu finden sind. Bemerkenswert ist eine Versiegelung aus Ton mit Textilabdrücken und Faserresten, wobei es sich um den ersten Fund dieser Art aus Balučistan handelt – selbst im Industal sind diese Objekte sehr selten (Abb. 82). Auch die Oberflächenbegehung in der Umgebung konnte weitergeführt werden. Sechs Fundorte aus der Zeit 3200–2600 v. Chr. und zwei Plätze aus dem 1. Jt. (Abb. 83) wurden neu aufgenommen, alle sind durch Raubgrabun- 82 Sohr Damb/Nal, (Pakistan) Abb. 82 Schnitt IX, Periode III. Gefäß-Versiegelung aus Ton (M. 1 : 1) Abb. 83 Garrukh Dap (N34–2), Keramik aus Raubgrabungen im Friedhof (2. Hälfte 1. Jt. v. Chr.) 83 AA-2008/1 Beiheft 358 Jahresbericht 2007 des DAI gen gestört. Damit erhöht sich die Zahl der Siedlungsplätze auf 40, es bleibt jedoch bei einer 1500jährigen Lücke in der Besiedlungsgeschichte nach etwa 1900 v. Chr. Kooperationspartner: Department of Archaeology & Museums, Government of Pakistan, Islamabad • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: H. Parzinger, U. Franke • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: St. Langer, K. Schmidtner, A. Gubisch, A. Lange, I. Mitrofanow, C. Buquet (Anthropologie, CNRS Paris), N. Benecke, R. Neef (Archäozoologie, Archäobotanik, DAI, Zentrale, Naturwissenschaftliches Referat) • Abbildungsnachweis: D-DAI-EA-SD07 DrPh P01, U. Franke (Abb. 80); D-DAI-EA, Plan (Abb. 81); D-DAI-EA-SD06 4142 06_73 P07, A. Lange (Abb. 82); D-DAI-EA-N34-2 Garrukh Dap P21, K. Schmidtner (Abb. 83). Traditionelles Bauen und Wohnen der Salar (VR China) Eine Besonderheit Eurasiens besteht in seinem außergewöhnlichen Reichtum an traditionellem Wissen in lokalen Kontexten, das durch Kontakt und Migration verbreitet und durch prähistorische wie historische Perioden teilweise bis auf den heutigen Tag tradiert wird. Die Siedlungsgeschichte der Salar – ein kleines Turkvolk in Ost-Zentralasien – bietet besonders gute Bedingungen für eine Fallstudie von Akkulturationsphänomenen mit Fokus auf Wohnarchitektur und Alltagstechniken. Denn es ist historisch belegt, dass die Salar im 13. Jh. n. Chr. im Gefolge Tschinggis Qans ihre Heimat um Samarkand verließen und sich am Oberlauf des Gelben Flusses in Nordtibet und später an dem Fluss Ili in Xinjiang ansiedelten (Abb. 84). In einer einzigartigen Kooperation von Archä- Abb. 84 Lage des Dorfes Dazhuang, am Oberlauf des Gelben Flusses, des Dorfes Salar am Fluss Ili und der Stadt Samarkand (VR China) ologen, Bauforschern,Technik-Ethnologen und Dendrochronologen ist es gelungen, zwischen 2004 und 2006 fünf Gehöfte zu untersuchen (s. AA 2006/2, 348 Abb. 66). Die Studien sollten erstens zeigen, worin die Spezifika salarischer Wohnbauten aus unterschiedlichen Bauphasen bestehen, außerdem ob zweigeschossige Holzbauten als typisch gelten können. Aus diesem Grund wurde besonderer Wert darauf gelegt, Bau- und Nutzungsgeschichte der jeweiligen Gehöfte zu rekonstruieren und die einzelnen Baukörper zu datieren. Details zu Baukonstruktion sowie Nutzungsphasen wurden ausführlich im M. 1 : 50 oder 1 : 100 mit allen festen Installationen unter Angabe der unterschiedlichen verwendeten Materialien aufgenommen. Die Altersbestimmung von Bauten und Umbauphasen erfolgte einerseits dadurch, dass ein Bezug zwischen Ereignissen der Familien- und der Baugeschichte hergestellt wurde. Andererseits konnte AA-2008/1 Beiheft Eurasien-Abteilung 359 Abb. 85 Dazhuang (VR China), Gehöft II. Alter der untersuchten Holzproben, jüngstes Fälldatum 1865 der Dendrochronologe für einzelne Holzbauteile genaue Fälldaten ermitteln (Abb. 85). Zweitens sollte geprüft werden, wie stark sich die traditionelle Familienstruktur der Salar auf Konzept und Raumnutzung in ihren Wohnbauten auswirkt. Die fünf Gehöfteigentümer und ihre Familien repräsentieren unterschiedliche soziale Konstellationen innerhalb der Salargesellschaft. Entstanden sind synthetische Gehöftbiographien und umfassende Bilddokumentationen, die einen Ausschnitt salarischer Kulturgeschichte konservieren. Die älteste im Dorf Dazhuang, Provinz Qinghai, festgestellte Bausubstanz bilden mit Fälldaten von 1816 (Gehöft I), 1865 (Gehöft II, Abb. 86. 87) sowie 86 Dazhuang (VR China), Gehöft II Abb. 86 Bauaufnahmeplan, Schnitt (M. 1 : 200) Abb. 87 Nordhaus, Galerie im Obergeschoss 87 AA-2008/1 Beiheft 360 Jahresbericht 2007 des DAI 1819 (Gehöfte III und IV) ausnahmslos die zweistöckigen Holzhäuser dieser Gehöfte. Erst aufgrund der Untersuchung der Gebäudestruktur in dem Gehöft in Xinjiang fiel die Ähnlichkeit der älteren, aus Holz errichteten Gebäudeteile der Gehöfte in Dazhuang mit zentralasiatischen Vorhallenhäusern vom Typus des sog. B¥t HilŒni auf. Elemente dieses Vorhallenhauses, wie die durch die gesamte Gebäudetiefe durchbindenden Seitenräume, die eine Veranda flankieren und über diese erschlossen werden, sind in einzelnen Räumen oder Raumgruppen zu erkennen. Die in den späten 1980er und 1990er Jahren errichteten modernen Wohnräume in allen Gehöften in Dazhuang sind einstöckig und stehen auf Betonpodesten. Auf den ersten Blick sind diese Salarhäuser nicht mehr von denen chinesischer Bauern zu unterscheiden. Generell ist in Dazhuang am Ende des 20. Jhs. eine Abkehr von den großen mehrräumigen und um die Gehöftecke geführten komplexen Gebäuden sowie eine Hinwendung zu Einraumhäusern zu beobachten. Die zweigeschossige Bauweise der Salargehöfte in Dazhuang, bei denen die Hauptwohnräume in der Regel im Obergeschoss liegen, ist also in erster Linie chronologisch signifikant. Zu einer lokalen Besonderheit sind sie nur deshalb geworden, weil so alte Bausubstanz sonst an keinem anderen Ort mehr erhalten ist. Zäsuren in einer Familiengeschichte wirken sich formend auf die architektonische Entwicklung des zugehörigen Gehöftes aus, denn Veränderungen der Familienstruktur ziehen häufig unmittelbar Umgestaltungen der Baukörper nach sich. Genau wie die Entwicklung und Verzweigung einer jeden Familie über mehrere Generationen hinweg einzigartig ist, so individuell ist auch jede mit der Familie gewachsene Architektur (Abb. 88). Das Raumnutzungskonzept ist bis heute der traditionellen Familienhierarchie unterworfen. Abb. 88 Dazhuang (VR China), Gehöft II. Unsere Bezugsperson für die Familiengeschichte von Gehöft II ist der sog. Imker (Nr. 5). Er hatte vor 20 Jahren als einer der ersten im Dorf mit der Imkerei begonnen und war 2004 im Alter von 71 Jahren verstorben. Mit Hilfe der Informationen seines zweiten Sohnes (Nr. 13) wurde ein Familiendiagramm mit vier Generationen (I–IV) rekonstruiert. Die Mutter des Imkers (Nr. 4), die dritte Frau seines Vaters, lebte bis zu ihrem Tode 2003 im Hauptraum des Gehöftes. Auch der Imker selbst war dreimal verheiratet (Nr. 6–8), aber bauliche Spuren im Gehöft haben nur seine jüngste Frau (Nr. 8) und seine sechs Kinder (Nr. 12, 13, 15–17, 20) hinterlassen. Der vierte und jüngste Sohn des Imkers (Nr. 20) wurde zum Ahong (religiöser Würdenträger) ausgebildet und trat nach dem Tode seines Vaters die Nachfolge als Familienoberhaupt an. Im Jahr 2000 heiratete er, seine Frau (Nr. 21) und seine 2003 geborene Tochter (Nr. 27) leben im ersten Wohnraum des Seitengebäudes AA-2008/1 Beiheft Eurasien-Abteilung 361 Die exemplarisch durchgeführte Aufnahme von Salargehöften in zwei Regionen der Volksrepublik China zeigt, dass die aus Zentralasien in den chinesischen Raum eingewanderten Salar für ihre Bauten im Verlauf der Jahrhunderte traditionelle Elemente der Einwanderungsgebiete assimiliert und zu lokaltypischen Salarbauten entwickelt haben. Aus den Beobachtungen zu Konstruktionsweisen, Baumaterialien, Baudekor, Raumnutzungen und Bauprozessen in Verbindung mit der Individualgeschichte ihrer Bewohner lässt sich schlussfolgern, dass es kein stereotypes Salargehöft gibt, sondern Akkulturationsprozesse zu regionalspezifischen Formen von Salarbauten geführt haben. Kooperationspartner: Archäologisches Institut der Provinz Qinghai (Ren X. Y., Xiao Y. M., Cai L. H.); DAI, Zentrale, Architekturreferat (U. WulfRheidt, C.Winterstein); DAI, Zentrale, Naturwissenschaftliches Referat, Dendrochronologie (K.-U. Heußner); Technische Universität Berlin, Arbeitsstelle Geschichte und Philosophie der Chinesischen Wissenschaft und Technik (M. Flitsch) • Leitung des Projekts: M. Wagner • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: H. Lehmann, M. Longo, P. Tarasov, A. Dwyer • Abbildungsnachweis: N. Gorban’ (Abb. 84); H. Lehmann (Abb. 85); H. Lehmann, M. Longo, C. Winterstein (Abb. 86); M. Flitsch; A. Reuter (Abb. 87), K.-U. Heußner, P. Tarasov (Abb. 88). Paläopathologisch-anthropologische Untersuchung der menschlichen Skelettfunde aus Liushui (VR China) Archäologische Skelettfunde sind die Basis der bioarchäologisch-paläopathologischen Forschung, da sie biohistorische Urkunden repräsentieren. Sie informieren wie keine andere archäologische Materialgruppe über damalige Lebensbedingungen und Umweltfaktoren (z. B. Krankheiten, Ernährung,Wohn- und Arbeitsverhältnisse, klimatisch-geographische Gegebenheiten, sanitäre und hygienische Einrichtungen). Die Göttinger Arbeitsgruppe Paläopathologie hat im Laufe der letzten Jahre – mit denselben Methoden und Techniken – mehrere bronze- und eisenzeitliche Populationen in Zentral-, Süd- und Osteuropa, im Vorderen Orient sowie im eurasischen Steppengürtel (z. B. Ukraine, Kazachstan, Sibirien, Mongolei) gegenüberstellend untersucht. Das Ziel dieser Studien besteht darin, in vergleichender Perspektive die Lebensweise (hauptsächliche physische Beanspruchung, Ernährung, Gesundheitsstatus) der Völker des eurasischen Steppengürtels im 2. und 1. Jt. v. Chr. aufzuklären. Seit diesem Jahr werden Untersuchungen mit makroskopischen und lupenmikroskopischen Techniken an menschlichen Skelettfunden aus der Grabung Liushui, einem bronzezeitlichen Bestattungsplatz (um 800 v. Chr.) im Kunlun-Gebirge in der Autonomen Region der Uyghuren Xinjiang vorgenommen. Nach der anthropologischen Lebensalter- und Geschlechtsbestimmung wurden die Körperhöhen anhand der Langknochenlängen errechnet. Der Erhaltungszustand der meisten Skelette aus Liushui ist als außergewöhnlich gut zu bezeichnen. In Grab 26 wurden sechs nahezu vollständig erhaltene Skelette – eines älteren Kindes (Ind. 26/1), dreier erwachsener Männer (Ind. 26/2, 26/3 und 26/5) und zweier Frauen (Ind. 26/4, 26/6) – nachgewiesen. Nur einer der Männer (Ind. 26/2) erreichte das mature Lebensalter, während die beiden anderen Männer im frühadulten Alter verstarben. Beide Frauen wurden nicht alt: Eine der Frauen starb im juvenilen (Ind. 26/4), die andere (Ind. 26/6) im frühadulten Alter. Der Knochenfund eines Fetus (Ind. 26/6A) bei der frühadulten Frau (Ind. 26/6) lässt die Vermutung zu, dass diese Frau schwanger gewesen sein könnte. Zahlreiche Befunde zeigen, dass im bronzezeitlichen Liushui offenbar das Pferd als Reittier intensiv genutzt wurde. Bei einem Individuum (Ind. 26/5) AA-2008/1 Beiheft 362 Jahresbericht 2007 des DAI 89 a 89 b besteht der Verdacht, dass dieser jungerwachsene Mann seit seiner Kindheit intensives Bogenschießen betrieben haben könnte. Das Fehlen von Karies und die relativ geringgradige Abrasion der Kauflächen sowie die relativ häufige und intensive Ausbildung von Zahnfleischentzündungen sprechen dafür, dass die in Grab 26 Bestatteten keine Ackerbauern waren, sondern eher einer Population angehörten, die sich häufig von Fleisch ernährte. Spuren zwischenmenschlicher Beziehungen in Form von Hieb- und Schussverletzungen waren in zwei Fällen nachzuweisen (Ind. 26/2, 26/3). Für den Stand der damaligen medizinischen Versorgung ist es interessant zu wissen, dass die Schussverletzung im Gesicht des älteren Mannes (Ind. 26/2) möglicherweise chirurgisch versorgt wurde (Abb. 89 a. b). Kooperationspartner: Archäologisches Institut der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften (Wu X. H.); Zentrum Anatomie der Georg-AugustUniversität Göttingen (M. Schultz) • Leitung des Projekts: M. Wagner • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: T. Schmidt-Schultz, J. Gresky, H. Sydow, A. Aisha, Zheng Y. G., Guo W. • Abbildungsnachweis: M. Schultz (Abb. 89 a. b). Abb. 89 a. b Liushui (VR China), Grab 26. Individuum 2, 45–55 (59)jähriger Mann, mit kurzfristig überlebtem Gesichtstrauma; a: Perforation im linken Oberkiefer mit porösen Auflagerungen (Pfeile) aufgrund einer heftigen Knochenhautreaktion; b: Eröffnung erfolgte wohl infolge einer Pfeilschussverletzung CHIME: Chinese Early Metal: Database – Analyses – Applications (VR China) In diesem Projekt wird die Frage nach Aufkommen und Verbreitung von Metallen sowie deren Auswirkungen auf Sozialstrukturen und Landschaftshaushalte in China umfassend bearbeitet. Die Bronzemetallurgie trug in China im 3. Jt. v. Chr. maßgeblich zum Umbau aller Sozialstrukturen bei. Schon mit den ersten zentralchinesischen Königsdynastien nahmen Herrschaftsmechanismen ihren Anfang, deren Überleben von der zuverlässigen Versorgung mit enormen Mengen an Metall abhing. Im Vergleich des Metallgebrauchs bei den sesshaften Chinesen und den Hirtenvölkern in den sie umgebenden Steppengebieten zeigen sich sowohl Übereinstimmungen als auch prägnante Unterschiede, die beide hochinteressante Schlüsse erlauben. Das bronzezeitliche China ist damit besonders gut für Fallstudien zum Kausalzusammenhang von technischen und sozialen Innovationen geeignet. Im Zentrum der Arbeiten stand in diesem Jahr die qualitative und quantitative Datenerfassung. Alle publizierten Metallfunde und Metallanalysen aus der Grabung Baoji bei Xi’an, des am weitesten westlich gelegenen Großfriedhofes der Zhou-Dynastie (1046–771 v. Chr.), wurden digital erfasst und in das Deutsche übertragen. Damit liegen statistisch auswertbare Daten zu Qualität sowie Quantität von Metallbeigaben in Aristokratengräbern des frühen 1. Jts. im Kerngebiet des chinesischen Reiches vor. Mit der Antikenverwaltung der Autonomen Region der Uyghuren Xinjiang wurde eine Kooperationsvereinbarung geschlossen, welche die Dokumentation AA-2008/1 Beiheft Eurasien-Abteilung 363 Abb. 90 CHIME: Chinese Early Metal (VR China), Bronzespiegel mit Griff in Gestalt eines Widders (3.–2. Jh. v. Chr.) aus der Autonomen Region der Uyghuren Xinjiang von Bronzefunden als erstes konkretes Projekt vorsah. Auf dieser Grundlage wurden in verschiedenen Museen und Sammlungen in Xinjiang ca. 350 Objekte von ca. 50 Fundplätzen photographisch erfasst (Abb. 90). Die angestrebte Vermessung der Objekte war in vielen, aber nicht allen Fällen möglich. Zusammen mit den bereits in der Eurasien-Abteilung vorliegenden, umfangreichen archäologischen Informationen, die aus chinesischen Publikationen übertragen und systematisiert wurden, gehen diese neuen Daten in eine für das Projekt angelegte MySQL-Datenbank ein. Sie ist einerseits vor allem auf eine Kartierung von Merkmalen und Merkmalsgruppen wie Fundplätze, Gerätetypen und Metalllegierungen auf digitalen Kartengrundlagen ausgerichtet und bietet damit Schnittstellen zu Kartierungsprojekten wie »China Historical GIS« (Harvard University) und »CHINA – GIS: Mapping Technological Endeavor in Premodern China« (Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte). Andererseits werden mit der Datenbank zukünftig Text- und Bildinformationen zur Archäologie der Bronzezeit in China im Rahmen des Forschungsclusters 2 »Innovationen: technisch, sozial« des DAI und in Teilen auch einem weiteren Interessentenkreis zugänglich gemacht. Kooperationspartner: Archäologisches Institut der Autonomen Region der Uyghuren Xinjiang; Antikenverwaltung Turfan; University of Science and Technology Peking (Mei J. J.); Archäologisches Institut der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften • Leitung des Projekts: M. Wagner • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: B. Grieß, G. Leube • Abbildungsnachweis: G. Leube (Abb. 90). Wissenschaftliche Veranstaltungen Vorträge 25. Januar Melanie Vetters (Athen), Heras ›heilige Kühe‹, Spielzeug oder Idole mit apotropäischer Funktion? Interpretationen mykenischer Figurinen im Siedlungskontext am Beispiel Tirynsxxx15. Februar Sergej Rassadin (Minsk), Die unbekannte Stadt Kazimir in Weißrußland, Entdeckung und erste Ausgrabungenxxx22. Februar Irina Arzhantseva (Moskau), Alanian Fortresses of the 1st Millenium A.D. in the Northern Caucasusxxx29. März Irina Zaytseva (Moskau), The Medieval Rus’ Rural Archaeological Complex near Minino. Field Investigations and Non-ferrous Metalworkingxxx26. April Sergej Korenevskij (Moskau), Majkop Culture: New Investigationsxxx21. November Natalja Šišlina (Moskau), The Archaeology of Culture and Ethnic Identity: A Case Study from the Eurasian Steppesxxx28. November Julia Gresky (Göttingen), Alltagsstress in Liushui – Orthopädische Krankheitsbilder im bronzezeitlichen Westchina. Am 25. November wurde die 2. Thomsen-Vorlesung gehalten: GerdChristian Weniger (Mettmann), Wie modern waren Neanderthaler? Konferenzen 1. bis 3. Februar Konferenz der Regionalgruppe »RG 12: Western Iran« des von der European Science Foundation geförderten Internationalen Projekts »ARCANE: Associated Regional Chronologies for the Ancient Near East and the Eastern Mediterranean« in Berlin (Organisation: B. Helwing). – Es sprachen: Hassan Fazeli Nashli (Tehran), Karim Alizadeh (Tehran), John Alden (Michigan), Jacob Dahl (Berlin), Ernie Haerinck (Ghent), Barbara Helwing (Berlin), Stephan Kroll (München), Roger Matthews (London) und Bruno Overlaet (Brüssel). AA-2008/1 Beiheft 364 Jahresbericht 2007 des DAI 26./27. Februar Kolloquium »Leben auf dem Tell als soziale Praxis«. – Es sprachen: Mehmet Özdoğan (Istanbul), Reading the Mounds: Problems, Alternative Trajectories and Biases; Eva Rosenstock (Berlin), Entstehen Tells ›von selbst‹? Naturräumliche Determinierung und menschliche Intention; Marc Verhoeven (Turnhout), Burning Down the House: Neolithic Ritual Practice at Tell Sabi Abyad I, Northern Syria; Klaus Schmidt (Berlin), Göbekli Tepe – Ein Tell ohne Siedlung?; Peter F. Biehl (Cambridge) – Arkadiusz Marciniak (PoznanÏ), One Community in Two Tells: Rethinking the Relationship between Çatal Höyük East and West; Hermann Parzinger (Berlin), Neolithische Siedlungsentwicklung und Siedlungsgestaltung am Beispiel Aşağı Pınar bei Kırklareli; Nikos Efstratiou (Thessaloniki), Neolithic Tells and Archaeological Narratives: Uncovering 6th millennium Makri in Greek Thrace; Tsoi Tsirtsoni (Lyon) – Pascal Darcque (Nanterre), Evidence from Dikili Tash (Eastern Macedonia, Greece) and the Tell Issue; Raiko Krauß (Berlin), Tellsiedlungen entlang der Jantra (Nordbulgarien); Svend Hansen (Berlin), Pietrele in der Walachei. Neue Dimensionen einer kupferzeitlichen Tellsiedlung; Meda Toderaş (Bukarest), Copper Objects in Pietrele; Agathe Reingruber (Berlin), Wohnen und Wirtschaften auf dem Tell M‡gura Gorgana bei Pietrele; Wolfram Schier (Berlin), Uivar – Architektur, Gesellschaft und Rituale eines Zentralorts an der Wende zur Kupferzeit; Florin Draşovean (Timişoara), The Tells from Parta^ and Uivar. Similarities and Differences in the Structure of the Social and Ritual Spaces; Pál Raczky (Budapest), Loci of Activities and Data for Spatial Division in a Late Neolithic Site-complex (A Case Study of Polgár Csoszhalom); Johannes Müller (Kiel) – Knut Rassmann (Frankfurt a. M.), Sied˝ lungshügel, Bevölkerungsgrößen, Landschaftsgestaltung: Perspektiven aus dem Projekt Okolište (Bosnien); Robert Hofmann (Kiel) – Nils Müller-Scheeßel (Frankfurt a. M.), Leben und Sterben in Okolište: Von Hausgenerationen und Aktivitätszonen in einem spätneolithischen Tell in Bosnien. 15. bis 18. Oktober Internationale Tagung »Sozialarchäologische Perspektiven: Gesellschaftlicher Wandel 5000–1500 v. Chr. zwischen Atlantik und Kaukasus« in Kiel (Organisation: Eurasien-Abteilung, Institut für Ur- und Frühgeschichte der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel; Förderung: DFG). – Es sprachen: Christian Jeunesse (Strasbourg), Sozialstrukturen der Linienbandkeramik; Andreas Zimmermann (Köln), Bandkeramik: Populationsgrößen und Zentralorte; Lutz Klassen (Århus) – Serge Cassen (Nantes) – Pierre Petrequin (Besançon), Jadeitbeile als sozialer Marker westeuropäischer Gesellschaften des 5. und 4. Jts. v. Chr.; Jean-P. Demoule (Paris), Varna; Agathe Reingruber (Berlin), Soziale Differenzierung in Pietrele; Robert Hofmann (Kiel) – Nils Müller-Scheeßel (Frankfurt a. M.), Haushalte und zentrale Institutionen des spätneolithischen Visoko Beckens (Bosnien); Pál Raczky (Budapest), Monumentale Erdwerke: Csoszhalom; Slawomir Kadrow (Kraków), Kupferzeitliche Sozialstrukturen; Magdalena Midgley (Edinburgh), Monumentalität und soziale Differenzierung in Südengland im 4. vorchristlichen Jahrtausend; KarlGöran Sjögren (Göteborg), Soziale Konstanten monumentaler Landschaften in Schweden; Johannes Müller (Kiel), Soziale Veränderungen in den Trichterbechergesellschaften; Svend Hansen (Berlin), Zum Innovationsbündel in der 2. Hälfte des 4. vorchristlichen Jahrtausends; Elke Kaiser (Berlin), Soziale Differenzierung in den Kulturen des nördlichen Schwarzmeergebietes im 3. Jt. v. Chr.; Stefan Burmeister (Hamburg), Rad und Wagen: Kommunikation und Sozialstruktur. Veränderte Perspektiven (3500–2200 v. Chr.); Marzena Szmyt (Poznan) – Janusz Czebreszuk (Poznan), Macht und Differenzierung in der Kugelamphorenkultur und den ostmitteleuropäischen Becherkulturen; Martin Furholt (Kiel), Räumliche Strukturen von Zeichensystemen und der RepräAA-2008/1 Beiheft Eurasien-Abteilung 365 sentation sozialer Identität im 4. und 3. Jahrtausend in Mitteleuropa; François Bertemes (Halle/Saale), Soziale Perspektiven der Glockenbecherentwicklung; Rüdiger Krause (Frankfurt a. M.), Siedlungshierarchien, Burgenbau und Erzgewinnung in den Alpen; Knut Rassmann (Frankfurt a. M.), Metall/Materialverbrauch und die Konsequenzen für den Stand der gesellschaftlichen Arbeitsteilung in der Frühen Bronzezeit; Joszef Bátora (Nitra) – Frank Falkenstein (Bamberg), Befestigte Siedlungen und Perspektiven sozialgeschichtlicher Forschungen; Harald Meller (Halle), Nebra und Kosmologie: Soziale Perspektiven; Jutta Kneisel (Kiel), Bruszczewo – Einblick in ein Machtzentrum der Aunjetitzer Gesellschaft; Helle Vandkilde (Århus), Spätneolithikum und beginnende ältere Bronzezeit in Südskandinavien: Fragen der Kriegerideologie; Roberto Risch (Barcelona), El Argar und die entstehende Klassengesellschaft; Thomas X. Schuhmacher (Madrid), Fernkontakte im westlichen Mittelmeerraum; David Fontijn (Leiden), Ritual Landscapes; Heidi Peter-Röcher (Berlin), Gewalt und Sozialstruktur: Wann beginnen institutionalisierte Konfliktlösungsstrategien; Stephan J. Seidlmayer (Berlin), Archäologische Perspektiven auf die Entstehung des pharaonischen Staates; Kristian Kristiansen (Göteborg), Transeuropäische Hierarchien und Perspektiven neolithischer und bronzezeitlicher Gesellschaften. Workshops 22. Juni Workshop »Votiv und Ritual« des gleichnamigen Forschungsfeldes 4 im Forschungscluster 4 »Heiligtümer: Gestalt und Ritual. Kontinuität und Veränderung« des DAI (Organisation: Gunvor Lindström, Dietrich Raue, Thomas G. Schattner). – Es sprachen: Gunvor Lindström (Berlin) – Dietrich Raue (Kairo) – Thomas G. Schattner (Madrid), Einführung; Helga Bumke (Bonn), ›Heiligtumsschutt‹ vom Taxiarchis in Didyma; Nicole Alexanian (Berlin), Weihgaben und Ritualrelikte aus Dahschur; Gabriel Zuchtriegel (Rom), Votivdepots im Ostheiligtum von Gabii; Svend Hansen (Berlin), Bronzezeitliche Votivdeponierungen als soziale Praxis; Uta Kron (Jena), Opfer und Kultmahl im archäologischen Befund; Michael Koch (Stolberg),Votiv und Ritual in der vorrömischen und römischen Religiosität Hispaniens; Ulrich Demmer (München), Performanz, Rhetorik und Poetik: Aspekte der jüngeren ethnologischen Ritualtheorie am Beispiel einer südindischen Stammesregion; Lidia Guzy (Berlin), Religiöse Rituale im transkulturellen Vergleich; Diskussion. Am 29. November waren die Teilnehmer des von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Turfanforschung, veranstalteten »Workshops Sogdiana« zu Gast an der Eurasien-Abteilung. Sie wurden dort in kurzen Vorträgen über die Projekte der Abteilung in Zentralasien unterrichtet und diskutierten anschließend mit den verschiedenen in der Region tätigen Kollegen und Kolleginnen. Öffentlichkeitsarbeit Der deutsche Botschafter Roland Lohkamp in Rumänien und der Kulturattaché sowie weitere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Botschaft informierten sich über den Fortgang der Grabungen in Pietrele (Abb. 91). Ein Team von National Geographic begleitete mehrere Tage die Arbeiten in Pietrele. Ein Besuch von General Bruno Kasdorf, dem deutschen Oberkommandierenden der NATO-Truppen in Afghanistan, und General Fausto Marcor, dem Oberkommandeur des ISAF Kontingentes West, bot die Gelegenheit, die Forschungen des DAI in Herat zu präsentieren. Am 2. November führte Frau AA-2008/1 Beiheft 366 Jahresbericht 2007 des DAI Abb. 91 Am 31. Juli besuchte der deutsche Botschafter in Rumänien, R. Lohkamp, die Grabung Pietrele Lindström die Mitarbeiter der Deutschen Botschaft in Tadžikistan durch das Tadžikische Nationalmuseum der Antike in Dušanbe. Mehrere georgische Fernsehsender brachten Berichte über die Grabung in Aruchlo (Georgien) in den Abendnachrichten. Für die ZDF-Reihe »Schliemanns Erben« begleitete Herr Schlotzhauer ein Fernsehteam unter der Leitung von Peter Prestel zu verschiedenen Drehorten auf der Taman-Halbinsel. Frau Helwing wurde von der Stuttgarter Zeitung zur Situation der Weltkulturerbestätte Pasargadae angesichts der aktuellen Staudammflutungen interviewt. Am 19. Mai leitete Herr Motzenbäcker eine Exkursion der Tagung des Humboldt-Kollegs »Der Schwarzmeerraum vom Äneolithikum bis in die Früheisenzeit (5000–500 v. Chr.). Kommunikationsebenen zwischen Kaukasien und Karpaten« in Tbilisi nach Tachti Perda. In Zusammenarbeit mit der Deutschen Botschaft Taškent hielt Herr Boroffka am Goethe-Institut Taškent vor zahlreichen Zuhörern einen Vortrag über die »Ausgrabungen des DAI in Bandixon«. Abbildungsnachweis: M. Toderaş (Abb. 91). Ausstellung 12. Oktober Eröffnung der Ausstellung »Ursprünge der Seidenstraße: Sensationelle Neufunde aus Xinjiang, China« (in Zusammenarbeit mit den ReissEngelhorn-Museen, Mannheim; Ende: 14. Januar 2008) im Martin-GropiusBau Berlin im Beisein von Staatsminister Gernot Erler. Veröffentlichungen Eurasia Antiqua 12, 2006 Archäologische Mitteilungen aus Iran und Turan 37, 2005 Archäologie in Eurasien 22: S. Hansen, Bilder vom Menschen der Steinzeit. Untersuchungen zur anthropomorphen Plastik der Jungsteinzeit und Kupferzeit in Südosteuropa Archäologie in Eurasien 23: M. Wagner – H. Rutz, Nomadenkunst. Ordosbronzen der Ostasiatischen Kunstsammlung Museum für Asiatische Kunst, Staatliche Museen zu Berlin Archäologie in Iran und Turan 5: K. Kaniuth, Metallobjekte der Bronzezeit aus Nordbaktrien (2006) AA-2008/1 Beiheft Eurasien-Abteilung, Außenstelle Teheran 367 Außenstelle Teheran Abb. 1 Marvast (Iran), Staudammgebiet. Fundstelle Šahābād AA-2008/1 Beiheft Ausgrabungen und Forschungen Eine archäologische Reise in Westiran – Vorstudien für ein neues Grabungsprojekt der Außenstelle Teheran Nach dem erfolgreichen Abschluss der Rettungsgrabungen im Stauseegebiet von Darre-ye BolŒghi trat die Iranische Behörde für kulturelles Erbe, traditionelles Handwerk und Tourismus (ICHTTO) an das DAI heran und bat um eine Mitarbeit bei weiteren Rettungsgrabungen im Rahmen von Großbauprojekten. Die Projektleiterin reiste deshalb zusammen mit den örtlichen Vertretern der Iranischen Kulturerbebehörde in die Provinzen Fars, Lorestan und West-Azerbaidjan, um in einem dieser drei Gebiete einen Ort für ein neues Grabungsprojekt auszuwählen. Das erste Ziel der Reise war das Überflutungsgebiet im Marvast-Damm, auf der Grenze der Provinzen Fars und Yazd, am Rand der zentralen Wüste Dašt-e Kavir, wo der Bavanat-Fluss gestaut werden soll. Hier war aus vorangehenden Oberflächenbegehungen die bŒkunzeitliche Fundstelle ŠahŒbŒd bekannt (Abb. 1), die als eine der am weitesten im Nordosten gelegenen Fundstellen gelten kann, was für die bereits in den Grabungen in Darre-ye BolŒghi angesprochene Frage zum Beginn des Hirtenwandertums eine interessante Perspektive eröffnen könnte. Diese Fundstelle wurde begangen und ihre Ausdehnung anhand von Bohruntersuchungen festgestellt, außerdem konnten weitere Fundstellen besucht oder neu registriert werden. Insgesamt ist die Fundstellenerhaltung jedoch aufgrund der starken Erosion und Sedimentation im Einzugsbereich des Flusses schlecht und es sind in der Regel nur einige Dezimeter Kulturschichten erhalten. 368 Jahresbericht 2007 des DAI Abb. 2 Seimareh (Iran), Staudammgebiet. Blick auf die Fundstelle Čigā Sabz, akeramisch-neolithische Schichten sind grau im Abbruchprofil sichtbar Das zweite Staudammprojekt soll den Seimareh-Fluss, der die Grenze zwischen den Provinzen Ilam und Lorestan bildet, auf einer Länge von 40 km aufstauen. In diesem Flussabschnitt sind zahlreiche sasanidische und jüngere Fundstellen belegt. Auf dem nördlichen Flussufer gibt es außerdem auch prähistorische Fundplätze, die im Rahmen der Fragestellungen des DAI von Interesse sind. Der wichtigste dieser Orte wird lokal »ČigŒ Sabz« genannt, ist allerdings nicht mit dem von E. Schmidt untersuchten ČigŒ Sabz identisch (Abb. 2). Er liegt auf einem Felssattel zwischen einem Felssporn und einem kleinen Berg oberhalb einer Karstquelle am nördlichen Flussufer und war im akeramischen Neolithikum, in der Bronzezeit und in der sasanidischen bis frühislamischen Periode in Benutzung. Dabei scheint es sich bei der jüngsten Nutzungsphase um eine Burganlage zu handeln. Raubgrabungen auf dem Sattel und in der Burganlage haben die zugehörigen Befunde schwer geschädigt. Unterhalb des Sattels – und damit abseits der gestörten Bereiche – liegt auf der ersten Flussterrasse eine Schicht mit lithischen Funden aus dem akeramischen Neolithikum (Mohammad Jafar/Ali Koš-Phase, Abb. 3). Die Kulturschicht wird von einer 2–3 m starken Schicht sterilen Bodens überdeckt, Funde konzentrieren sich in einem Trockental und entlang der Hangkante. Ein zweiter interessanter Fundort ist ein flacher Siedlungshügel etwa 5 km flussaufwärts, wo Keramik der Mittelsusiana-Tradition gesammelt wurde. Abb. 3 Seimareh (Iran), Staudammgebiet. Fundstelle Čigā Sabz, Steingeräte (M. 1 : 1) AA-2008/1 Beiheft Eurasien-Abteilung, Außenstelle Teheran 369 Abb. 4 Simineh (Iran), Staudammgebiet. Fundstelle Qaregeoz 1, Blick auf den Siedlungshügel von Osten In West-Azerbaidjan werden in einem Stausee am Simineh-Fluss insgesamt sieben archäologische Fundstellen untergehen, dabei zwei mehrphasige Siedlungshügel. Von diesen liegt der größere, Qaregeoz 2, inmitten des gleichnamigen Dorfes. Der Hügel ist zur Hälfte zerstört, die erhaltene Hälfte ist überbaut. Er weist eine mit Geoy Tappe vergleichbare Siedlungssequenz auf. Der zweite Hügel, Qaregeoz 1, ist ein kleiner Hügel mit ausschließlich prähistorischen Schichten. Er liegt etwa 1 km westlich des Dorfes Qaregeoz, auf der ersten Flussterrasse nördlich oberhalb des Simineh-Flusses (Abb. 4). Auf seiner Nordseite hat die moderne Straße ein Profil in den Hügel geschnitten. Dort sind Reste von Feuerstellen und Aschelagen sichtbar. Die Keramik aus Qaregeoz 1 umfasst Material in der Tradition der neolithischen Hajji Firuz- und der chalkolithischen Dalmaware (Abb. 5). Der Hügel ist weitgehend ungestört. Eine Untersuchung könnte die Kenntnis der neolithischen sowie chalkolithischen Kulturentwicklung in Nordwestiran, die derzeit maßgeblich durch die Ausgrabungen in Hajji Firuz umschrieben sind, nachhaltig verbessern. Kooperationspartner: Iranische Behörde für kulturelles Erbe, traditionelles Handwerk und Tourismus (ICHTTO), Iranisches Zentrum für archäologische Forschung (ICAR); in Marvast: S. Abdollahi, M. Hassan Paknejad (ICHTTO Shiraz); M. Khodabande (Ershat Office Bavanat); in Seimareh: S. Rasoul Seyedein Boroujeni (ICAR), H. Dehghanifard (ICHTTO Khorramabad); in Simineh: R. Heydari, E. Kharazi (ICHTTO Orumiyeh) • Leitung des Projekts: B. Helwing. Abb. 5 Simineh (Iran), Staudammgebiet. Fundstelle Qaregeoz 1, Auswahl an chalkolithischer und neolithischer Keramik (M. 1 : 3) AA-2008/1 Beiheft Forschungsstellen am Deutschen Evangelischen Institut für Altertumswissenschaften des Heiligen Landes (DEI) in Amman und Jerusalem Forschungsstelle Amman c/o Deutsches Evangelisches Institut für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes POB 183 11118 Amman/Jordanien Tel.: +962-(0)6-53 46 924 Fax: +962-(0)6-53 36 924 E-Mail: [email protected] Forschungsstelle Jerusalem c/o Deutsches Evangelisches Institut für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes Auguste-Victoria-Compound POB 184 63 91184 Jerusalem/Israel Leitender Direktor des DEI in Amman und Jerusalem Prof. Dr. Dr. Dieter Vieweger Direktorin des DEI in Amman Dr. Jutta Häser Wissenschaftliche Hilfskraft Matthias Kolbe M. A. Leitender Direktor des DEI in Amman und Jerusalem Prof. Dr. Dr. Dieter Vieweger Wissenschaftliche Hilfskraft Constanze Röhl M. A. (ab 1. 5.) Forschungsstellen am DEI in Amman und Jerusalem 373 Im Jahr 2007 wurde das Deutsche Evangelische Institut (DEI) mit seinen Standorten in Amman und Jerusalem in einem würdigen Festakt im Auswärtigen Amt als Forschungsstelle in das DAI kooptiert. Damit wurde die wissenschaftliche Zusammenarbeit beider Institutionen ausgeweitet. Bereits seit 20 Jahren kooperiert das DAI mit dem DEI Amman besonders bei archäologischen Projekten in Jordanien, z. B. in Gadara und Aqaba. Die langjährige Unterstützung durch eine vom DAI bezahlte Hilfskraft am Ammaner Institut wurde im Mai dieses Jahres auf das DEI Jerusalem ausgeweitet. Damit können die Ressourcen des DAI und des DEI bei einer gleichzeitigen engen Kooperation mit den jeweiligen Gastländern für die Altertumsforschung nun noch effektiver genutzt werden. Abb. 1 Tall Zirā‘a (Jordanien), Blick von Norden. Im Zentrum des Talls sieht man die artesische Quelle, vorne links (Nordnordost) Areal II (repräsentative Bebauung) und vorne rechts (Nordwest) Areal I (Wohn- und Handwerksbereich). Oben rechts (Südsüdwest) das Areal III (villa rustica) AA-2008/1 Beiheft Tall ZirŒ‘a (Jordanien) Das »Gadara-Region Project« wurde im Jahr 2001 vom Biblisch-Archäologischen Institut Wuppertal (BAI) initiiert. Die ersten beiden Jahre dienten der intensiven Surveyarbeit auf dem 5,88 ha großen Tall ZirŒ‘a sowie in dessen weiterem Umfeld (Abb. 1). Im Jahr 2003 begannen die ersten großflächigen Ausgrabungen auf dem Tall. Dabei berechtigten die erzielten Ergebnisse zu so großem Optimismus, dass das »Gadara-Region Project« im Jahr 2004 auf einen Zeitraum von 20 Jahren als ein gemeinsames Projekt des BAI und des DEI ausgelegt und geplant wurde. Das Projekt untersucht einen topographischen und geopolitischen Schlüsselbereich Palästinas. Es gibt kaum ein Gebiet in Palästina, in dem die Geschichte dieser Region derart konzentriert erforscht werden kann wie im Wadi al‘Arab. Am Übergang zwischen Palästina und dem syrisch-mesopotamischen 374 Jahresbericht 2007 des DAI Kulturraum gelegen, wurde das Gebiet von beiden Regionen politisch sowie kulturell beeinflusst. Daher nimmt es eine Schlüsselfunktion für Palästina ein. Hier lassen sich kulturelle Entwicklungen und politische Umbrüche – wie sie in Palästina häufig von den Kulturgebieten im Norden angestoßen wurden – besonders gut nachvollziehen. Das etwa 5 km südwestlich der antiken Stadt Gadara (heute Umm Qais) gelegene, tief eingeschnittene Tal ist in seiner Vielgestaltigkeit ein Glücksfall für die Archäologie. Zahlreiche Quellen, fruchtbarer Boden und ein gemäßigtes Klima bieten hervorragende Lebensbedingungen. Auf dem alles beherrschenden Tall ZirŒ‘a entspringt eine artesische Quelle und bietet beste Siedlungsmöglichkeiten. Außerdem durchzieht ein bedeutender Handelsweg das Tal, der Ägypten mit dem syrisch-mesopotamischen Raum verbindet. Der wirtschaftliche Erfolg und der Fleiß der Bewohner haben durch die Jahrtausende im Wadi reichlich Spuren hinterlassen. Mehr als hundert Siedlungsplätze und Wirtschaftsanlagen von dem Beginn der Sesshaftwerdung bis in die islamische Zeit legen beredtes Zeugnis von der bedeutenden Geschichte dieser Region ab. Neben den Ausgrabungen und Geländeuntersuchungen wird im »GadaraRegion Project« auch ein technikgeschichtliches Vorhaben durchgeführt. Archäometrische Untersuchungen an Keramik vom Tall ZirŒ‘a und umliegenden Fundplätzen sollen Auskunft über die Art der lokalen Produktion und Importe geben. Experimente – wie der Bau eines Brotbackofens oder Keramikbrennofens – setzen die theoretischen Ergebnisse in die Praxis um und prüfen sie so auf ihre praktische Durchführbarkeit. In diesem Jahr wurden die Ausgrabungen auf dem Tall ZirŒ‘a in drei Arealen durchgeführt: Die Ausgrabungen in Areal I im Westen des Talls dienen insbesondere der Klärung der Stratigraphie des Talls (Abb. 2). Am Ende der Frühjahrskampagne wurde in diesem Bereich eine Fläche von ca. 1175 m2 geöffnet. In den Jahren 2003–2006 wurden dort Siedlungsreste der umayyadischen Zeit bis zur späten Bronzezeit freigelegt. Die früheren Schichten, die bis in die frühe Bronzezeit (Mitte 4. Jt. v. Chr.) zurückreichen, wurden bislang nur an wenigen Stellen am Hang angetastet. Das Ziel der Ausgrabungen war in diesem Jahr die Freilegung des gesamten Areals bis auf die jüngste spätbronzezeitliche Schicht. Abb. 2 Tall Zirā‘a (Jordanien), im Areal I wurde auf einer Fläche von 1100 m2 die spätbronzezeitliche Bebauung freigelegt. Der westlich davon angelegte Stufenschnitt (75 m2) führt 8 m unterhalb dieses Stratums bis zur frühen Bronzezeit AA-2008/1 Beiheft Forschungsstellen am DEI in Amman und Jerusalem 375 Das markanteste Bauwerk dieses Stratums ist derzeit eine gewaltige Kasemattenmauer, welche die Siedlung an der Nordwestflanke schützte. Dabei wurden sechs Kasemattenräume ausgegraben. Im südlichen Bereich mündete die Kasemattenmauer in einen stadtwärts ausgerichteten, großen Turm. Der Turm war zweigeteilt und wies im südlichen Teil einen Langraum auf. Der besondere Charakter dieses unterteilten Langraumes erinnert an ein Torheiligtum. Ein an der Standfläche behauener, nach oben hin spitz zulaufender gewaltiger Kalkstein, der neben zwei Säulenbasen im umgekippten Zustand aufgefunden wurde, könnte im Kontext vergleichbarer Funde aus Palästina als Mazzebe (Kultstein) interpretiert werden. Doch fehlen bisher eindeutige Befunde zur Bestätigung dieser Interpretation. Südlich des ›Torheiligtums‹ wurde ein 2,75 m breiter Tordurchgang festgestellt, der durch vier Treppenstufen erkennbar ist. Hier befindet sich die kürzestmögliche begehbare Verbindung zwischen den Unterstädten im Norden und Westen der befestigten Stadt. Gleichfalls noch nicht vollständig erforscht ist eine äußerst interessante Entdeckung südlich des Tores. Hier wurde ein Raum mit einer sorgfältigen Pflasterung und einer (bisher) halbkugelförmigen ›Grube‹ freigelegt. Die im Querschnitt kreisrunde ›Grube‹ war äußerst sorgfältig mit Feldsteinen im Trockenmauerprinzip konstruiert sowie unverputzt. Ihre Öffnung wurde von einem sorgfältig gearbeiteten und kreisrunden, 1 m im Durchmesser messenden Stein verschlossen, der in der Mitte ein etwa 15 cm großes Loch aufwies. Im Umkreis des Decksteines wurden bereits im Jahr 2005 über 150 Scherben eines rot und schwarz (bi-chrome) auf beige-braunem Grund bemalten, zweihenkligen Kruges gefunden, der mit seinen figürlichen Darstellungen einmalig für diese Epoche im palästinischen Bereich ist. In diesem Frühjahr wurden im angrenzenden Quadranten weitere Scherben dieses Kruges gefunden, so dass nun auch der Hals- und Bodenbereich zweifelsfrei zu rekonstruieren ist. Hinter der Kasemattenmauer wurde Ende der Frühjahrsgrabung 2006 zum ersten Mal Hausarchitektur der späten Bronzezeit entdeckt. In diesem Jahr gelang in einem der Häuser im Norden des Ausgrabungsareals ein ganz besonderer Fund: In einem ca. 1,50 m × 1,50 m großen Bereich traten 23 Rollsiegel verschiedener Qualität und Gravierung zutage. Sie waren vermutlich zusammen mit einem Silberanhänger, der mit einer stehenden Figur verziert ist, einem Skarabäus sowie Dutzenden Perlen während der Zerstörung des Hauses von einem erhöhten Ort (von einem Tisch, einem Schrank oder einem Regal) auf den Boden gefallen und hatten sich dort unregelmäßig über dem ehemaligen Fußboden verteilt. Die massive Architektur, die besonderen Funde und der hohe Prozentsatz an Importkeramik aus Zypern und dem mykenischen Griechenland (ca. 5 %) sprechen für die Bedeutung dieser spätbronzezeitlichen Stadt. Es ist deshalb sehr wahrscheinlich, dass wir es hier mit dem Zentrum eines palästinischen Stadtstaates zu tun haben.Weitere spätbronzezeitliche Strata wurden an einigen Stellen bereits nachgewiesen. Sie werden in den nächsten Jahren Gegenstand der Untersuchung sein. Gegen 1200 v. Chr. fand die spätbronzezeitliche Siedlung ein plötzliches Ende, was eine mächtige Brandschicht dokumentiert. Die Erbauer der eisen-I-zeitlichen Siedlung erreichten diesen kulturellen Stand ihrer Vorgänger nicht mehr. Anstelle einer bemerkenswerten städtischen Anlage entstand nun ein offenes, nicht mehr durch eine Mauer geschütztes Dorf, bewohnt von Ackerbauern und Viehzüchtern. Besonders auffällig ist, dass die Bewohner der frühen Eisenzeit kein eigenes Siedlungsmuster schufen, sondern die Mauerreste der spätbronzezeitlichen Siedlung nutzten. AA-2008/1 Beiheft 376 Jahresbericht 2007 des DAI In der klassisch-alttestamentlichen Zeit war unser Ort zwischen den Königen Israels (Hauptstadt Samaria) und den aramäischen Damaszenern heftig umstritten. Die Architektur dieser Zeit (10.–8. Jh. v. Chr.) lässt eine Zunahme der Bevölkerung auf dem Tall vermuten und deutet auf einen urbanen Charakter der Siedlung hin. Wenn auch die Verteidigungsanlagen denen aus der späten Bronzezeit an Solidität deutlich nachstanden, so war die eisen-II-zeitliche Siedlung doch wiederum von einer zick-zack-förmigen Ummauerung geschützt. Generell vermittelt die Architektur der Eisenzeit II den Eindruck einer dichten Agglomeratbauweise. Sie ist nach dem Ausgrabungsbefund nicht allein als Wohnbebauung zu interpretieren.Vielmehr ist ein Nebeneinander von Wohngebäuden und öffentlichen Bauten (besonders im zentralen Bereich) festzustellen. In den von Agglomeratbauweise geprägten Bereichen binden die Außenmauern der Häuser direkt in die für diese Periode typische ›Zick-Zack‹-Siedlungsmauer ein. Markante Doppelmauern helfen, die eng aneinander gefügten Häuser zu unterscheiden. Das Areal II birgt aufgrund seiner hervorragenden, weithin sichtbaren Lage im Norden des Talls und angesichts der dort vorhandenen Schicht aus Kulturschutt die besten Voraussetzungen, repräsentative Strukturen (administrativ oder kultisch genutzte Gebäude) zu erkunden (Abb. 3). Tatsächlich konnten hier großflächig angelegte Baustrukturen aus der römisch-byzantinischen Periode gefunden werden, die eine Nachnutzung in islamischer Zeit aufweisen. Abb. 3 Tall Zirā‘a (Jordanien), Areal II (825 m2) mit römisch-byzantinischer Bebauung AA-2008/1 Beiheft Forschungsstellen am DEI in Amman und Jerusalem 377 In diesem Jahr wurde das letztjährig geöffnete Areal von 100 m2 im Norden und Osten um 300 m2 erweitert, um die Ausdehnung des entdeckten großen Hofes und des im Süden angrenzenden Raumes zu erkunden. Dabei kamen im Osten ein an den Hof angrenzender, gepflasterter Weg und ein parallel ausgerichtetes Gebäude mit mindestens drei Räumen zutage. Im Norden konnte der Abschluss des Hofes und ein ost-westlich ausgerichteter Raum ausgemacht werden. Unter diesem Gebäude wurden drei Bauphasen einer völlig anders gearteten Bebauung festgestellt, die nordwest-südöstlich ausgerichtet ist. Sie besteht aus kleineren Räumen. Die Gesamtstruktur dieser Besiedlung ist jedoch nicht mehr festzustellen, da sie zu stark durch das darüberliegende, tief fundamentierte, große Gebäude zerstört ist. Eine von Osten nach Westen verlaufende, 2,20 m starke und 17 m lange Mauer bildete das unterste erreichte Stratum. Da bisher nur die oberste Steinlage dieser Mauer freigelegt werden konnte, sind im Augenblick weder Aussagen zur Funktion noch zur Datierung zu treffen. Das Areal III liegt im Südwesten des Talls. An der Oberfläche ist ein großer Bau aus behauenen Steinen zu erkennen. In dessen Hofbereich befindet sich der sorgfältig gesetzte Abgang zu einer Zisterne (12 m × 6 m × 5,75 m lichte Höhe) mit Tonnengewölbe. Ein erster Testschnitt bestätigt die Vermutung der Datierung in römisch-byzantinische Zeit. Im Sommer des nächsten Jahres soll das Gebäude großflächig freigelegt werden. Im Vordergrund steht dabei die Frage, ob es sich hier um ein typisches römisches Landhaus oder einen semitischen Typus der Landhausbauten in römischer Zeit handelt. Leitung des Projekts: D. Vieweger, J. Häser • Abbildungsnachweis: DAI/ DEI (Abb. 1–3). AA-2008/1 Beiheft