Deutsches Archäologisches Institut • Jahresbericht 2007

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Deutsches Archäologisches Institut • Jahresbericht 2007
Deutsches Archäologisches Institut • Jahresbericht 2007
Archäologischer Anzeiger 2008/1 Beiheft
Deutsches Archäologisches Institut
JAHRESBERICHT 2007
Hirmer Verlag · München
ARCHÄOLOGISCHER ANZEIGER • BEIHEFT
die Zeitschrift erscheint seit 1889, das Beiheft mit dem Jahresbericht des DAI seit 2008
AA 2008/1 Beih. • VI, 378 Seiten mit 497 Abbildungen
Herausgeber
Deutsches Archäologisches Institut
Zentrale
Podbielskiallee 69–71
D–14195 Berlin
www.dainst.org
© 2008 Deutsches Archäologisches Institut / Hirmer Verlag GmbH
ISSN: 0003-8105 · ISBN 978-3-7774-5015-5
Gesamtverantwortlich: Redaktion an der Wissenschaftlichen Abteilung des Deutschen Archäologischen Instituts in Berlin (www.dainst.org)
Redaktion, Layout und Satz: Dorothee Fillies, Berlin (www.redaktion-layout-satz.de),
nach Standard-Layout des Archäologischen Anzeigers von F217 Sailer/Sohn, Berlin (www.F217.de)
Bildbearbeitung und Umschlag: Catrin Gerlach, Deutsches Archäologisches Institut, Zentrale
Herstellung und Vertrieb: Hirmer Verlag GmbH, München (www.hirmerverlag.de)
Titelbilder: Nach Projekt-Bildern der Zentrale, 7 Abteilungen und 3 Kommissionen des DAI
Länderkarten: Weltkarte nach R. Stöckli, E. Vermote, N. Saleous, R. Simmon and D. Herring (2005). The Blue Marble Next Generation –
A true color earth dataset including seasonal dynamics from MODIS. Published by the NASA Earth Observatory. Corresponding author:
[email protected]. – Flüsse nach Global Runoff Data Centre (2007): GIS Layers of Major River Basins of the World. 1st edition.
GRDC in the Bundesanstalt für Gewässerkunde, 56068 Koblenz, Germany, http://grdc.bafg.de. – Ländergrenzen nach Environmental Systems
Research, Inc. (ESRI), 20050811, Countries: ESRI Data & Maps 2005, Environmental Systems Research Institute, Inc. (ESRI), Redlands, California, USA
Erscheint auch als digitale Version auf der Homepage des DAI (www.dainst.org)
Alle Rechte, insbesondere das Recht der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten.
Ohne ausdrückliche Genehmigung ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie,
Mikrokopie) zu vervielfältigen oder unter Verwendung elektronischer Systeme zu verarbeiten und zu verbreiten.
Printed and Bound in Italy
Inhalt
DEUTSCHES ARCHÄOLOGISCHES INSTITUT
JAHRESBERICHT 2007
1
Vorwort
2
Zentrale
61
Abteilung Rom
97
Abteilung Athen
108
Römisch-Germanische Kommission
127
Abteilung Kairo
159
Abteilung Istanbul
193
Abteilung Madrid
230
Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik
243
Orient-Abteilung
290
Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen
319
Eurasien-Abteilung
371
Forschungsstellen am Deutschen Evangelischen Institut
für Altertumswissenschaften des Heiligen Landes (DEI)
in Amman und Jerusalem
Berlin
Bonn
Frankfurt
München
Madrid
Rom
Istanbul
Athen
Damaskus
Jerusalem
Kairo Amman
Jahresbericht 2007
des Deutschen Archäologischen Instituts
Ulaanbaatar
Liebe Leserinnen und Leser, liebe Kolleginnen und Kollegen,
Teheran
Baghdad
Sana’a
Das Deutsche Archäologische Institut konnte im Jahr 2007 seine wissenschaftliche Arbeit erfolgreich fortsetzen. Der folgende Jahresbericht soll einen Überblick über die Fülle der Projekte und das breite Spektrum der Forschungsaktivitäten der Zentrale, der Abteilungen und Kommissionen geben.
Weitere Schwerpunkte der Institutsarbeit, wie die begonnene Umstrukturierung der internen Organisation des Instituts, konnten vorangebracht werden.
Herausragende Ereignisse des Jahres waren die 35. Internationale Konferenz
Computer Applications and Quantitative Methods in Archaeology (CAA) 2007
»Layers of Perception« im April, der Internationale Skythen-Kongress »Reiternomadische Eliten der eurasischen Steppe« in Verbindung mit der Ausstellung
»Im Zeichen des Goldenen Greifen. Königsgräber der Skythen« im MartinGropius-Bau ab Oktober sowie das 100jährige Institutsjubiläum der Abteilung
Kairo, das im November feierlich begangen wurde.
Leider hat das Institut in diesem Jahr den Tod seines ehemaligen Präsidenten Prof. Dr. Werner Krämer (1917–2007) zu betrauern, der das Institut in den
Jahren 1972 bis 1979 verdienstvoll leitete.
Der Dank des Instituts gilt der Bundesregierung und dem Bundestag für die
Bewilligung der Haushaltsmittel sowie besonders dem Auswärtigen Amt für
seine wohlwollende Begleitung und Unterstützung der Institutsarbeit. Zahlreiche Forschungsunternehmungen wurden auch in diesem Jahr wieder durch
die verschiedenen Institutionen der Wissenschaftsförderung unterstützt sowie
oft erst ermöglicht – insbesondere durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), die Gerda Henkel Stiftung, die Fritz Thyssen Stiftung, die MaxPlanck-Gesellschaft und die Volkswagenstiftung sowie die Gesellschaft der
Freunde des Deutschen Archäologischen Instituts/Theodor Wiegand Gesellschaft, denen wir an dieser Stelle dafür besonders danken möchten. Des Weiteren haben wir dankenswerterweise Unterstützung erfahren auch von anderen
privaten Stiftungen, Kooperationspartnern und Förderern aus dem Bereich
der Industrie, die in den einzelnen Projektdarstellungen gewürdigt werden.
Zu Dank verpflichtet sind wir insbesondere auch den Institutionen, Behörden
und Wissenschaftlern unserer Gastländer für die wunderbare Zusammenarbeit
und stete Unterstützung der Forschungsarbeit.
Hermann Parzinger
Präsident, Generalsekretär, Mitglieder der Zentraldirektion und des Direktoriums
Präsident
Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Hermann Parzinger
Generalsekretär
PD Dr. Ortwin Dally, Vertreter des Präsidenten
Mitglieder der Zentraldirektion
Der Präsident (Vorsitzender)
Borbein, Adolf H., Prof. Dr. Dr. h. c.
(Stellvertreter im Vorsitz)
Freie Universität Berlin
Institut für Klassische Archäologie
Otto-von-Simson-Straße 11
D-14195 Berlin
Eichmann, Ricardo, Prof. Dr.
(Vertreter des Direktoriums)
DAI, Orient-Abteilung
Podbielskiallee 69–71
D-14195 Berlin
Grolig, Wilfried, MD
(Vertreter des Auswärtigen Amts)
Auswärtiges Amt, Leiter der Kulturund Bildungsabteilung
Werderscher Markt 1
D-10117 Berlin
Bergmann, Marianne, Prof. Dr.
Georg-August-Universität
Archäologisches Institut
Nikolausberger Weg 15
D-37073 Göttingen
Daim, Falko, Prof. Dr.
Generaldirektor, Römisch-Germanisches Zentralmuseum
Ernst-Ludwig-Platz 2
D-55116 Mainz
Fless, Friederike, Prof. Dr.
Freie Universität
Institut für Klassische Archäologie
Otto-von-Simson-Str. 11 und 7
D-14195 Berlin
Gehrke, Hans-Joachim, Prof. Dr.
Albert-Ludwigs-Universität
Seminar für Alte Geschichte
Werthmannplatz
D-79098 Freiburg i. Br.
Hölscher, Tonio, Prof. Dr.
Ruprecht-Karls-Universität
Institut für Klassische Archäologie
Marstallhof 4
D-69117 Heidelberg
Käppel, Lutz, Prof. Dr.
Christian-Albrechts-Universität
Institut für Klassische Altertumskunde
Leibnizstr. 8
D-24118 Kiel
Koenigs, Wolf, Prof. Dr.-Ing.
Technische Universität
Baugeschichte und Bauforschung
Arcisstr. 21
D-80290 München
Maran, Joseph, Prof. Dr.
Ruprecht-Karls-Universität
Institut für Ur- und Frühgeschichte und
Vorderasiatische Archäologie
Marstallhof 4
D-69117 Heidelberg
Martini, Wolfram, Prof. Dr.
Justus-Liebig-Universität
Professur für Klassische Archäologie
Otto-Behaghel-Str. 10 D
D-35394 Gießen
Maul, Stefan, Prof. Dr.
Ruprecht-Karls-Universität
Seminar für Sprachen und Kulturen des
Vorderen Orients – Assyriologie
Hauptstr. 126
D-69117 Heidelberg
Nielsen, Inge, Prof. Dr.
Universität Hamburg
Archäologisches Institut
Edmund-Siemers-Allee 1, Flügel West
D-20148 Hamburg
Strube, Christine, Prof. Dr.
Ruprecht-Karls-Universität
Institut für Byzantinische Archäologie
und Kunstgeschichte
Marstallhof 4
D-69117 Heidelberg
Wildung, Dietrich, Prof. Dr.
Ägyptisches Museum und Papyrussammlung der Staatlichen Museen zu
Berlin PK
Bodestr. 1–3
D-10178 Berlin
Zimmermann, Konrad, Prof. Dr.
Universität Rostock
Heinrich-Schliemann-Institut für
Altertumswissenschaften
Universitätsplatz 1
D-18055 Rostock
Mitglieder des Direktoriums
Der Präsident (Vorsitzender)
Der Generalsekretär
(Vertreter des Präsidenten)
Dreyer, Günter, Prof. Dr.
DAI, Abteilung Kairo
31, Abu el-Feda
ET-11211 Kairo-Zamalek
Eichmann, Ricardo, Prof. Dr.
DAI, Orient-Abteilung
Podbielskiallee 69–71, D-14195 Berlin
Hansen, Svend, Prof. Dr.
DAI, Eurasien-Abteilung
Im Dol 2–6, Haus II, D-14195 Berlin
Hesberg, Henner von, Prof. Dr.
DAI, Abteilung Rom
Via Sardegna, 79, I-00187 Rom
Lüth, Friedrich, Dr.
Römisch-Germanische Kommission
des DAI,
Palmengartenstr. 10–12
D-60325 Frankfurt a. M.
Marzoli, Dirce, Prof. Dr.
DAI, Abteilung Madrid
Serrano 159, E-28002 Madrid
Niemeier, Wolf-Dietrich, Prof. Dr. Dr. h. c.
DAI, Abteilung Athen
Fidiou 1, GR-10678 Athen
Pirson, Felix, PD Dr.
DAI, Abteilung Istanbul
Gümüşsuyu/Ayazpaşa Camii Sok. 46
TR-34437 Istanbul
Schuler, Christof, PD Dr.
Kommission für Alte Geschichte und
Epigraphik des DAI
Amalienstr. 73b, D-80799 München
Vogt, Burkhard, Dr.
Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen des DAI
Endenicher Str. 41, D-53115 Bonn
Buchner, Edmund, Prof. Dr.
Präsident i. R., Nadistr. 14
D-80809 München (ohne Votum)
Kyrieleis, Helmut, Prof. Dr. Dr. h. c.
Präsident i. R., c/o DAI
Podbielskiallee 69–71
D-14195 Berlin (ohne Votum)
Zentrale
Zentrale
Podbielskiallee 69–71
D-14195 Berlin
Tel.: +49-(0)3018 7711-0
Fax: +49-(0)3018 7711-168/190/191
E-Mail: [email protected]
Präsident
Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Hermann Parzinger
Generalsekretär
PD Dr. Ortwin Dally, Vertreter des Präsidenten
Leiterin des Architekturreferats
Dr.-Ing. Ulrike Wulf-Rheidt
Leiter der Verwaltung
Hartmut Gerlach
Wissenschaftliche Mitarbeiter
Dr. Peter Baumeister (bis 31. 12.), Prof. Dr. Norbert Benecke, Dr. Uta Dirschedl,
Andreas Geißler M. A. (Projektschwerpunkte an der Universität zu Köln, Archäologisches
Institut) (ab 1. 1.), Dr. des. Frank Godthardt (ab 1. 11.), Dr. Jochen Görsdorf (bis 30. 9.),
Prof. Dr. Hans Rupprecht Goette, Dr. Joachim Heiden (bis 30. 6.), Dr. Karl-Uwe Heußner,
Rainer Komp M. A., Dr. Michael Krumme (ab 1. 8.), Dr. Monika Linder,
Dr. Susanne Moraw, Dr. Anatoli Nagler, Dr. rer. nat. Reinder Neef, Dr. des. Felix Schäfer
(Universität zu Köln, Archäologisches Institut, Projektschwerpunkte an der Zentrale),
Dr. des.-Ing. Peter Schneider, Dr. Florian Seiler, Dr. Simone Wolf,
Hauke Ziemssen M. A. (ab 17. 9.)
Fortbildungsstipendiaten
Dr. Dirk Brandherm, Dr. Georg Breitner, Dr. Martin Furholt, Dr. Christoph Gerber,
Dr. Frauke Heinrich, Dr. Oliver Hülden, Dipl.-Ing. Claudia Lacher,
Dipl.-Ing. Daniel Lohmann, Dipl.-Ing. Juren Meister (bis 30. 4.), Dr. Roland Oetjen,
Dr. Iken Paap, Dipl.-Ing. Timm Radt, Dr. Andrea Schmölder-Veit,
Dipl.-Ing.Verena Stappmanns
Wissenschaftliche Hilfskräfte
Dipl.-Ing. Janet Haberkorn,Veronica Hinterhuber M. A., Dipl.-Ing. Birgit Nennstiel (bis
31. 12.), Dipl.-Ing. Jens Pflug (bis 5.10.), Henny Piezonka M. A., Dr. des. Ulrich Sens,
Jennifer Wilde M. A., Dipl.-Ing. Claudia Winterstein
Aus Drittmitteln finanzierte Stellen
Dr.-Ing. Catherine Hof (DFG, ab 1. 12.), Dipl.-Ing. Juren Meister (DFG, ab 1. 5.),
Ulrike Nowotnick M. A. (DFG, ab 18. 11.), Dr. Andreas Oettel (DFG),
Hauke Ziemssen M. A. (DFG, bis 16. 9.)
Zentrale in Berlin 5
Ausgrabungen und Forschungen
Tartas (Russische Föderation), bronzezeitliches Gräberfeld
Abb. 1 Das Gräberfeld während der
Ausgrabung, Blick über die Südspitze des
Geländesporns zur Flussaue des Tartas
Tartas (Russische Föderation)
In der westsibirischen Waldsteppe ist der Übergang von der frühen zur mittleren Bronzezeit charakterisiert durch die Ablösung eines Mosaiks lokaler Kulturgruppen durch den großen, weiträumig bis ins südliche Uralvorland und
nach Mittelasien verbreiteten Andronovo-Kulturkomplex. Um Ablauf und
Mechanismen dieses Vorgangs genauer fassen zu können, wird seit 2003 ein
ausgedehntes Flachgräberfeld auf einem Ufersporn am Fluß Tartas archäologisch untersucht. Bei den Ausgrabungen kamen bisher mehr als zweihundert in
Reihen angeordnete Gräber zutage, die im Bestattungsritus verschiedene Stadien der Verschmelzung von Elementen der lokalen Krotovo- und der Andronovo-Kultur erkennen lassen.
Abb. 2 Birituelle Bestattung mit Skelett
eines Erwachsenen und verbrannten
Knochen einer zweiten Person, an der östlichen Grubenwand zwei Keramikgefäße
Abb. 3 Ovale Platte aus Elchgeweih mit
Fischresten und zerdrücktes Keramikgefäß
in Fundlage in einem Grab
1
2
3
AA-2008/1 Beiheft
In der diesjährigen fünften Grabungssaison wurde die Fläche des Vorjahres
nach Nordwesten erweitert, so dass inzwischen der gesamte südliche Bereich
des Bestattungsplatzes, dessen Ausdehnung durch geophysikalische Messungen
bestimmt werden konnte, ausgegraben ist (Abb. 1). Im freigelegten Areal setzen
sich die dichten Reihen Ost-West ausgerichteter Gräber fort, insgesamt wurden 75 neue Grabkomplexe aufgedeckt. Der höhere Anteil von Brandbestattungen in diesem Bereich des von Körpergräbern dominierten Gräberfeldes
deutet – zusammen mit einigen anderen Faktoren – darauf hin, dass dieser Teil
des Geländesporns in eine spätere Nutzungsphase gehört und dass die Belegung des Gräberfeldes demnach sukzessive von Südosten nach Nordwesten
erfolgte. In diesem Zusammenhang sehr interessant ist ein birituelles Grab, in
dem neben dem Körper eines Erwachsenen die verbrannten Knochen eines
zweiten Individuums niedergelegt worden waren (Abb. 2). Unter den diesjährigen Funden stellt ein aus Geweih gefertigtes ovales Tablett eine Besonderheit
dar, das neben einem verzierten Keramikgefäß in einem Grab stand und auf
dem noch Reste von Speisebeigaben lagen (Abb. 3). Ansonsten fügt sich das
Fundspektrum aus den Gräbern mit Keramikgefäßen, bronzenen Schmuckstücken, Dolchen und Pfriemen, Knochenpfeilspitzen und Spielsteinen gut in
das bereits bekannte Bild.
6 Jahresbericht 2007 des DAI
Wichtige neue Erkenntnisse zur kulturellen Abfolge konnten durch absolute Datierungen gewonnen werden: Eine Serie von elf 14C-Daten erbrachte
die überraschende Erkenntnis, dass diejenigen Gräber, die typischen Bestattungen der Andronovo-Kultur am deutlichsten entsprechen, in Tartas bereits in
der Zeit um 2000 v. Chr. angelegt wurden, während die Spätkrotovo-Elemente
aufweisenden Gräber jünger sind und ins 18. bis 16. Jh. v. Chr. datieren. Somit
stellt sich die bronzezeitliche Kulturentwicklung in der westsibirischen Waldsteppe weitaus komplizierter und weniger linear dar als bisher angenommen.
Darüber hinaus zeigen die neuen Daten, dass der Übergangshorizont von der
frühen zur mittleren Bronzezeit in dieser Region tatsächlich – wie von einigen
Forschern bereits vermutet – ein halbes Jahrtausend früher anzusetzen ist als
gemeinhin angenommen.
Kooperationspartner: Institut für Archäologie und Ethnographie der Sibirischen Abteilung der Russischen Akademie der Wissenschaften in Novosibirsk
• Leitung des Projekts: H. Parzinger, V. I. Molodin • Mitarbeiterin: H. Piezonka • Abbildungsnachweis: M. Dreesen (Abb. 1); A. E. Grišin (Abb. 2. 3).
Taganrog und Umgebung (Russische Föderation)
Die 2004 aufgenommenen Arbeiten in der frühgriechischen Siedlung von Taganrog nahe der Mündung des Don in das Asovsche Meer konnten in diesem
Jahr größtenteils abgeschlossen werden. Sie konzentrierten sich unvermindert
auf die Bucht und die Küstenregion, in der nach wie vor beständig Scherben
vorwiegend ostgriechischer Provenienz angespült werden.
Der Arbeitsbereich der Grabungen im Küstenbereich wurde in Kombination mit geoarchäologischen Bohrungen im Osten und Westen erweitert (Abb.
4) und bis zum Eindringen des Grundwassers in ca. 7 m Tiefe abgeteuft. In ca.
6 m Tiefe wurde das Umfeld einer Anlage zur Bronzeproduktion mit Schlacke
und Abfallprodukten der Bronzeherstellung aus der 1. Hälfte des 6. Jhs. v. Chr.
angetroffen. Die Anlage könnte zur Produktion von Pfeilspitzen gedient haben,
die in demselben Level aufgefunden wurden. Unter diesem Niveau wurde ein
Abb. 4 Taganrog (Russische Föderation),
Plan der Ausgrabungen
AA-2008/1 Beiheft
Zentrale in Berlin 7
Abb. 5 Taganrog und Umgebung (Russische Föderation), Levinsadovka. Höhenrelief
und geophysikalisches Messbild
AA-2008/1 Beiheft
weiterer Horizont angetroffen, der einheimische, handgemachte und griechische Ware enthielt. Dieser Befund könnte dafür sprechen, dass Griechen, die
zunächst nur in kleineren Gruppen zum Don-Delta gekommen sein dürften,
und Einheimische von vornherein zusammen siedelten. Unmittelbar nach der
Ankunft der Griechen muss der Erosionsprozess, der sich in der Folge über
viele hundert Jahre beobachten lässt, in Gang gesetzt worden sein, möglicherweise weil die Kolonisten eventuell vorhandenen hölzernen Bewuchs für den
Häuser- oder gar den Schiffsbau nutzten. Die Bucht von Taganrog wurde magnetometrisch untersucht, dabei erhärtete sich die schon früher gehegte Vermutung, dass die Scherben bei den jährlichen Aushubarbeiten für eine Schifffahrtrinne aufgebracht werden. Archäometrische Analysen der Keramik haben
deutlich gemacht, dass zunächst Importkeramik aus dem nordionischen Raum
dominierte.
In Verbindung mit dem Survey, der im Umland von Taganrog fortgesetzt
wurde, konnten vier der im letzten Jahr aufgenommenen Fundplätze mit Geomagnetometer und Georadar prospektiert werden.
In der Siedlung von Levinsadovka, die an dem strategisch bedeutsamen
Übergang vom Myus Liman in das Asovsche Meer gelegen ist, konnten im
Rahmen der Prospektion deutliche Anomalien ermittelt werden, die von
mindestens 14 Grubenhäusern (?) herrühren (Abb. 5). Zwei kleinere Schnitte
8 Jahresbericht 2007 des DAI
6
7
im Uferbereich und die Untersuchung von Keramik aus bereits erodierten
Parzellen der Siedlung machten deutlich, dass Levinsadovka erstmalig in der
späten Bronzezeit besiedelt war. Danach wurde der Platz intensiv im 5.–4. Jh.
v. Chr. genutzt, bevor er letztmalig im Mittelalter bewohnt war.
In Beglitzkaya – ebenfalls an der Südküste der Halbinsel am Myus Liman,
ca. 35 km westlich von Taganrog gelegen – hatte bereits in den 1950er Jahren
T. Prochorova gegraben und dabei partiell eine Nekropole mit zahlreichen
Bestattungen des 4.–2. Jhs. v. Chr. freigelegt. Die Funde, darunter zahlreiche
griechische Vasen (Abb. 6) und Bronzewaffen, werden heute im Museum von
Taganrog aufbewahrt. Der von T. Prochorova nicht freigelegte Teil der Nekropole mit schätzungsweise 100 Bestattungen wurde in diesem Jahr ebenfalls prospektiert. In der Folge wurde ein 10–20 m breiter Streifen entlang dem besonders erosionsgefährdeten Hangabbruch bis zu einer Tiefe von 1 m freigelegt.
Insgesamt fünf Bestattungen wurden dokumentiert. Hinzu kam die zeichnerische und photographische Dokumentation eines Teils der bislang unpublizierten Bestände der Altgrabungen im Museum von Taganrog. Deutlich wurde,
dass das reguläre Beigabenset von Bestattungen aus einem handgemachten
Kugeltopf (sog. Lipnaja) und einer Kanne (vermutlich aus dem Bosporanischen Reich) oder einem Kantharos (vermutlich aus Athen) bestand. Kinderbestattungen zeichnen sich durch die Beigabe von Ketten und Perlen aus Ton
mit Glaseinlagen aus. Männliche Bestattungen sind durch Lanzenspitzen und
Pfeilspitzen charakterisiert. Zwischen den Bestattungen wurden griechische
Amphoren offenbar rituell zerschlagen (Abb. 7).
Als Summe der Einzelbeobachtungen zeichnet sich ab, dass die Griechen,
die im späten 7. Jh. v. Chr. nach Taganrog kamen, sich möglicherweise gemeinsam mit Einheimischen in einer schon vorher existenten Siedlung niederließen. Vom kommenden Jahr an wird der Schwerpunkt der Unternehmungen
auf dem Umland liegen. Neue Perspektiven ergeben sich durch das von der
DFG bewilligte Exzellenzcluster »Topoi«.
Ziel der Arbeiten ist es zum einen, ein chronologisches Gerüst für die Zeitspanne zwischen später Bronzezeit und dem 3. Jh. v. Chr. aufzubauen, zum anderen die Frage zu verfolgen, inwiefern sich die Region in dieser Zeitspanne
kulturell und politisch verändert hat. Die Siedlung von Levinsadovka und die
Beglitzkij-Nekropole machen deutlich, dass sich spätestens im 4. Jh. v. Chr.
die Siedlungsaktivität im Don-Delta stark intensiviert haben muss. Ein besonderes Augenmerk gilt darüber hinaus der Markierung der Landschaft durch
Kurgane.
Taganrog und Umgebung (Russische
Föderation), Beglitzkij-Nekropole
Abb. 6
Schwarzgefirnister Kantharos
Abb. 7 Rituell zerschlagene Amphora
aus Herakleia (?)
AA-2008/1 Beiheft
Zentrale in Berlin 9
Kooperationspartner: Institut für Archäologie der Russischen Akademie der
Wissenschaften in Moskau (V. Kuznetsov); Don-Archäologische Gesellschaft
Rostov am Don (A. Zibrij,V. Zibrij, A. Isakov); Institut für Geowissenschaften,
Abteilung Geophysik der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (Ch. Klein,
Ch. Müller, S. Wölz); Fachbereich Geographie der Philipps-Universität Marburg (H. Brückner, D. Kelterbaum); Institut für Strahlenphysik der Universität Bonn (H. Mommsen) • Leitung des Projekts: O. Dally • Mitarbeiter
und Mitarbeiterinnen: R. Attula, V. Boecker, A. S. Flade, P. Grunwald, S. Huy,
U. Kapp, T. Schunke, H. Spieker, N. Ullrich • Abbildungsnachweis: M. Ullrich, J. Trenner, U. Kapp (Abb. 4); C. Klein, U. Kapp (Abb. 5); R. Attula (Abb.
6); P. Grunwald (Abb. 7).
Rom (Italien), Palatin
Die Arbeiten zu den Palästen der römischen Kaiser auf dem Palatin in Rom
wurden in diesem Jahr mit einer Bauaufnahmekampagne im Frühjahr und
einer Aufarbeitungskampagne im Herbst fortgesetzt. Die Untersuchungen
konzentrierten sich auf die Neuaufnahme und erstmalige, umfassende bauforscherische Analyse der Domus Augustana. Es konnte der Grundriss der
Räume um das große Peristyl mit dem Wasserbecken und der darin befindlichen Insel (Abb. 8, Peristyl) sowie des nordöstlich anschließenden Bereiches
bis zur Vigna Barberini aufgenommen und damit der gesamte Grundriss der
Hauptebene der Domus Augustana im M. 1 : 100 fertig gestellt werden (Abb.
8). Mit einem Längs- und einem Querschnitt durch diesen Bereich wurde
die Höhenentwicklung der noch erhaltenen Mauerreste dokumentiert. Das
Raumbuch, in dem alle relevanten Daten und Beobachtungen zu den einzelnen Räumen der Domus Augustana in Skizzen, Photographien und kurzen
Beschreibungen festgehalten sind, wurde fortgeführt. Die Untersuchung der
opus testaceum-Konstruktion der Domus Augustana und der Katalog aller noch
in situ befindlichen Ziegelstempel konnten auf diesen Bereich ausgedehnt und
weitgehend abgeschlossen werden.
Die ersten, vorläufigen Ergebnisse der Untersuchungen bestätigen die im
Rahmen der Bauanalyse des ›versenkten Peristyls‹ der Domus Augustana erzielten Schlüsse zur Phasenabfolge (s. AA 2007/2, 151 Abb. 22). Auch auf der
Hauptebene lässt sich nachweisen, dass dieser Palastteil nicht auf eine einheitliche Neuplanung unter Kaiser Domitian (81–96 n. Chr.) zurückgeht, wie dies
allgemein angenommen wird. Baufugen, unterschiedliche Mauercharakteristika und zahlreiche in situ befindliche Ziegelstempel sind eindeutige Hinweise
auf mehrere Umbauphasen. Im Bereich der Nahtstelle zwischen den Räumen
um das ›versenkte Peristyl‹ und den Räumen, die sich zum Peristyl mit dem
Wasserbecken in der Hauptebene (Abb. 8) orientieren, haben sich Mauern
einer Vorgängerbebauung erhalten, die bereits verschiedentlich in neronische
Zeit datiert wurden (Abb. 8, gelbe Phase). Die Ausrichtung dieser Mauern
zeigt, dass sich auch der flavische Neubau nach dieser vorgegebenen Orientierung richtet (Abb. 8, orange Phase). Mit großer Wahrscheinlichkeit haben
ausgedehnte Terrassierungsarbeiten der Vorgängerbebauung die Ausrichtung
des flavischen Palastes maßgeblich bestimmt.
Interessanterweise lässt sich die frühflavisch datierte Mauertechnik der
Räume um das ›versenkte Peristyl‹ der unteren Ebene, die als Charakteristikum keine Bipedalesschichten aufweisen, im Hauptgeschoss nicht nachweisen
(s. AA 2007/2, 151). Ob dies dafür spricht, dass mit den Räumen um das ›versenkte Peristyl‹ der unteren Ebene in frühflavischer Zeit (Mitte 1. Jh. n. Chr.)
begonnen wurde und die Räume der Hauptebene zwar zur gleichen Planungsphase gehören, aber erst in der flavisch 2-Phase (letztes Viertel 1. Jh. n. Chr.)
AA-2008/1 Beiheft
Abb. 8 Rom (Italien), Palatin. Bauaufnahmeplan des Hauptgeschosses der Domus Augustana mit den vorläufigen Überlegungen zu den Bauphasen (Stand 3/2008); Gelb = frühe Kaiserzeit, orange = flavisch
2 (domitianisch?), grün = Anfang 2. Jh. n. Chr., hellblau = severisch (Ende 2./Anfang 3. Jh. n. Chr.), dunkelblau = Ende 3./Anfang 4. Jh. n. Chr. Die vorläufigen Bauphasen zeigen, dass das Hauptgeschoss der
Domus Augustana nicht auf eine einheitliche flavische Bauphase zurückzuführen, sondern das Ergebnis zahlreicher Umbauten ist (M. 1 : 1000)
10 Jahresbericht 2007 des DAI
Zentrale in Berlin 11
Abb. 9 Rom (Italien), Palatin. Blick über
den Bereich zwischen der Vigna Barberini
und den Räumen am Peristyl mit dem
Wasserbecken, in das Ende des 3./Anfang
des 4. Jhs. n. Chr. eine Insel mit einem
tempelartigen Aufbau eingebaut wurde.
Im Vordergrund die extrem stark dimensionierten opus caemeticium-Fundamente,
in die Travertinblöcke als Fundamente für
Säulen oder Pfeiler eingelassen waren
AA-2008/1 Beiheft
fertig gestellt wurden, oder es sich um eine Umbauphase der frühflavischen
Anlage handelt, kann bisher nicht abschließend geklärt werden. In der vorläufig
domitianisch datierten Phase scheint der gesamte Bereich um das Peristyl mit
dem Wasserbecken erbaut worden zu sein (Abb. 8, orange Phase). Die in dem
Wasserbecken befindliche Insel mit dem tempelartigen Aufbau ist in ihrem erhaltenen Zustand allerdings nach einem in situ befindlichen Ziegelstempel frühestens in diokletianischer Zeit (Ende 3. Jh. n. Chr.) entstanden (Abb. 9), sie
wurde in einer späteren, eventuell in die Zeit des Maxentius zu datierenden Phase nochmals verbreitert. Ob diese Insel einen Vorgängerbau besaß oder das flavische Wasserbecken ohne Einbauten war, soll durch weitere Untersuchungen
geklärt werden. Sicher ist, dass in der flavischen Phase der Peristylhof im Nordosten einen geraden Abschluss besaß und vermutlich auch das Wasserbecken in
dieser Phase rechteckig war. Der gerundete nordöstliche Abschluss sowohl des
Wasserbeckens als auch des Peristylhofes geht auf einen Umbau zurück, der in
die 1. Hälfte des 2. Jhs. n. Chr. zu datieren ist (Abb. 8, grüne Phase).
Baufugen deuten darauf hin, dass nicht alle Räume im Obergeschoss des
›versenkten Peristyls‹ zu dieser Bauphase gehören, sondern einige erst später
errichtet wurden. Einem Ziegelstempel zufolge sind die beiden halbrunden
Höfe im Südwestflügel frühestens in hadrianischer Zeit entstanden (Abb. 8,
grüne Phase). Dies spricht für größere Umbaumaßnahmen in diesem Bereich.
Diese dürften im Zusammenhang mit dem Neubau der Exedra zu sehen sein,
die nach Ziegelstempeln nicht früher als am Anfang des 2. Jhs. n. Chr. entstanden sein kann. Ob zu diesen Umbaumaßnahmen auch der gesamte Nordostflügel dieses Bereiches gehört, der an die flavisch datierten Räume angesetzt
ist, muss durch weitere Untersuchungen geklärt werden.
Schwer interpretierbar sind die Reste im Bereich zwischen dem großen
Peristylhof mit dem Wasserbecken und der Vigna Barberini auf der Hauptebene. Er wurde aufgrund seiner wenigen, nicht eindeutig zu rekonstruierenden
Baureste von H. Finsen, der sich 1962 als erster intensiver mit diesem Bereich
12 Jahresbericht 2007 des DAI
beschäftigt hat, als »no man’s land« bezeichnet (Abb. 8). Zu einer ersten Phase,
die möglicherweise flavisch zu datieren ist, gehören die extrem stark dimensionierten opus caemeticium-Fundamente, deren Steinmaterial fast ausschließlich
aus schwarzem Basalt besteht (Abb. 8, orange Phase). In die Fundamente eingelassen waren an der Nordwest- und der Südostseite heute ausgeraubte bzw. in
einer Umbauphase entfernte Travertinblöcke, die als Fundamente für Säulen,
Pfeiler oder Statuensockel gedient haben könnten. In den längsrechteckigen
Hof der ersten Phase wurden nach zahlreichen Ziegelstempeln in der 1. Hälfte
des 2. Jhs. n. Chr. Räume eingebaut, die in großen, halbrunden Apsiden enden
(Abb. 8, grüne Phase), die in einer späteren Phase nochmals erneuert wurden.
Die ersten Ergebnisse zur Bauuntersuchung des Hauptgeschosses der Domus
Augustana, die in den geplanten Kampagnen im kommenden Jahr weiter verifiziert bzw. überprüft werden müssen, machen deutlich, dass auch die Hauptebene dieses Palastteils nicht einheitlich entstanden, sondern das Ergebnis zahlreicher Umbaumaßnahmen ist. Diese deuten darauf hin, dass bis zum Anfang
des 2. Jhs. n. Chr. offensichtlich um die richtige Form und Ausprägung des
Kaiserpalastes gerungen wurde – ein Ringen, das augenscheinlich auch großflächige Umbauten implizierte. Dieses Suchen nach der geeigneten Form umfasst ebenfalls die Außenwirkung und die stadträumliche Inszenierung. Dazu
gehört die räumliche Verschränkung zwischen Palast und Circus Maximus in
Form der monumentalen zweigeschossigen Exedra, die zu Anfang des 2. Jhs.
n. Chr. dem flavischen Palast vorgeblendet wurde.
Die Fortführung der Aufarbeitung der Bauphasen der ›Domus Severiana‹
hat auch hierfür neue, interessante Anhaltspunkte ergeben. Mit einem vor-
Abb. 10 Rom (Italien), Palatin. ›Domus
Severiana‹, hypothetische Rekonstruktion
der Umbauphase im 2. Jh. n. Chr. Der
flavische Palastbereich mit den Aussichtsräumen im Hauptgeschoss wurde in dieser
Phase durch einen vorspringenden Gebäudeteil in Richtung Circus Maximus erweitert.
Als vorläufige Arbeitshypothese werden
Mauern im Bereich zwischen der ›Domus
Severiana‹ und dem Gartenstadium als
Reste einer Brücke gedeutet, über die der
Palast direkt mit dem Pulvinar verbunden
ist, einem zweigeschossigen Einbau im
Circus, der dem Kaiser und seinem Hof
vorbehalten war
AA-2008/1 Beiheft
Zentrale in Berlin 13
springenden Gebäudeteil wurde in einer Zwischenphase, die bisher nur sehr
pauschal ins 2. Jh. n. Chr. datiert werden kann, dieser flavische Palastbereich so
in Richtung Circus Maximus erweitert, dass eine engere räumliche Anbindung
möglich war. Mauerreste im Westen der ›Domus Severiana‹ könnten dafür
sprechen, dass es eine Brücke zwischen dem vorgelagerten Bereich vor dem
Gartenstadium und dem Pulvinar im Circus Maximus gegeben hat. Über eine
solche Verbindung wäre vom Palast aus der zweistöckige Einbau im Circus,
der dem Kaiser und seinem Hof vorbehalten war, direkt zu erreichen gewesen
(Abb. 10). Sollte sich die Arbeitshypothese bestätigen, dann wäre diese enge
räumliche Verbindung im Zusammenhang mit der intensiven Rekonstruktions- und Umbautätigkeit im Circus Maximus unter Kaiser Trajan zu sehen.
Dies würde ein neues Licht auf den Stellenwert des Circus in Verbindung mit
der Außendarstellung der Kaiserpaläste sowie der Rolle des Circus innerhalb
der kaiserlichen Propaganda ab dem 2. Jh. n. Chr. werfen.
Diese Arbeitshypothesen werden im kommenden Jahr weiter überprüft
sowie durch 3D-Rekonstruktionsmodelle räumlich kontrolliert. Die Bauaufnahme und die darauf aufbauende Bauanalyse sollen auf den Bereich der
Domus Flavia ausgedehnt werden. Es soll geklärt werden, ob sich dieser Palastteil mit den großen Repräsentationsräumen auf eine einheitliche flavische
Bauphase zurückführen lässt oder ob auch hier erst nach mehreren Umbauphasen die endgültige Form für die den Kaiserpalast so prägenden Repräsentationsräume gefunden wurde.
Kooperationspartner: Lehrstuhl für Baugeschichte und Lehrstuhl für Vermessungskunde der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus;
Seminar für Klassische Archäologie der Bayerischen Julius-Maximilians-Universität Würzburg (N. Sojc); Seminar für Alte Geschichte der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg (A. Winterling) • Förderung: Soprintendenza
Archeologica di Roma; Fritz Thyssen Stiftung (Bauwerksinformationsmodell);
Gerda Henkel Stiftung (Forschungsprojekt: »Palast und Stadt im severischen
Rom«) • Leitung des Projekts: U.Wulf-Rheidt (Bauforschung) • Mitarbeiter:
J. Denkinger, U. Kapp, A. Müller, J. Pflug • Abbildungsnachweis: DAI, Zentrale, Architekturreferat (Abb. 8); U. Wulf-Rheidt (Abb. 9); J. Denkinger auf
der Grundlage eines 3D-Computermodells von A. Müller nach Angaben von
U. Wulf-Rheidt (Abb. 10).
Sarno-Ebene (Italien)
Das im Vorjahr begonnene geoarchäologische Forschungsprojekt in der Ebene
des Sarno in Kampanien konnte nach vorbereitenden Arbeiten für den Aufbau
einer GIS-Datenbank und nach Abschluss weiterer Kooperationsabkommen
mit Instituten und Partnern in Italien, Großbritannien und Deutschland im
Herbst 2007 die ersten Felduntersuchungen unternehmen. Da das Gebiet der
Sarno-Ebene (Abb. 11), die sich am Golf von Neapel südlich des landschaftlich dominierenden Vesuv-Massivs auf rund 200 km2 Fläche ausbreitet, allein
von der Größe her, aber auch wegen der dichten modernen Besiedlung nicht
flächendeckend geoarchäologisch erforscht werden kann, wurden zunächst
geeignete Gebiete ausgewählt, in denen gezielte Pilotuntersuchungen durchgeführt werden können. Diese Gebiete schließen die landschaftliche Vielfalt
des Sarno-Beckens ein, einerseits mit dem Flussambiente, der Schwemmebene
und dem Küstenstreifen, andererseits mit Hügel- und Hangfussgeländen am
Vesuv-Massiv und an den Rändern der Apenninkette (Abb. 12).
Ziel der Untersuchungen ist es, mit Unterstützung einer interdisziplinär
zusammengesetzten Arbeitsgruppe aus Geowissenschaftlern, Archäobotanikern, Dendrochronologen und Altertumswissenschaftlern zum einen die naAA-2008/1 Beiheft
14 Jahresbericht 2007 des DAI
turräumlichen Gegebenheiten in der Sarno-Ebene für bestimmte prähistorische und historische Zeitabschnitte zu rekonstruieren und zum anderen den
anthropogenen Einfluss auf die Landschaft und ihre Nutzung durch den Menschen unter ökologischen und wirtschaftlich-politischen Fragestellungen zu
untersuchen. Die im Mittelpunkt stehenden siedlungsgeschichtlichen Fragen
sollen vor allem Hinweise über die bisher unzureichend erforschte ländliche
Besiedlung in Form von Gehöften (villae rusticae) und deren räumliche Strukturierung bringen, die erstmals in ihrer Gesamtheit und in ihrem Verhältnis
zu den städtischen Siedlungen Pompeji, Nuceria Alfaterna und Stabiae in den
Blick genommen werden. Der zeitliche Rahmen der Untersuchungen ist zunächst auf die letzte, samnitisch-römische Epoche der Siedlungsgeschichte vor
dem vernichtenden Vesuvausbruch 79 n. Chr. fokussiert, umfasst aber grundsätzlich auch den Zeithorizont bis zu den spätbronze- und eisenzeitlichen Niederlassungen im Flussgebiet von Poggiomarino (ca. 1400–700 v. Chr.) und auf
dem Siedlungshügel von Pompeji, um die siedlungsgeschichtliche Dynamik
im Verlauf der räumlichen Erschließung der Sarno-Ebene verfolgen zu können. Diese Fragestellungen werden in thematisierten Teilprojekten von einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern behandelt, die bereits grundlegende
Vorarbeiten zu folgenden Themen leisteten: zur territorialen Erschließung des
Gebietes, zu Fragen der Wegenetze, der Wasserwege, der Landeinteilung, zur
Verteilung und räumlichen Beziehungen der Siedlungen, zu den ökologischen
Bedingungen, den natürlichen Ressourcen und ihrer Nutzung, den Gehöften
und landwirtschaftlichen Fragen speziell unter bodenkundlichen Aspekten.
Im Mittelpunkt der diesjährigen Feldarbeiten standen 15 Kernbohrungen,
die auch als Testserie für spätere im größeren Rahmen geplante systematische
Untersuchungen dienen. Aufgrund der mehrere Meter mächtigen Eruptionsund Sediment-Ablagerungen, die die antiken Kulturhorizonte in der Ebene
größtenteils flächendeckend versiegeln, stellen Kernbohrungen die primäre
Methode dar, um die antike Geomorphologie, landschaftliche Zustände und
Kulturhorizonte in der Sarno-Ebene zu rekonstruieren. Darüber hinaus erlaubt die Abfolge von einschneidenden datierbaren Eruptionsereignissen und
Kulturhorizonten unter Umständen deren chronologische Einordnung. Insbesondere ist die Eruption 79 n. Chr. immer eindeutig in der Stratigraphie der
Bohrkerne zu identifizieren (vgl. Abb. 13).
Für die Bohrungen wurden zwei Gebiete in der näheren Umgebung im
Süden und Norden von Pompeji ausgewählt. Im Süden des Siedlungshügels
breitet sich ein ebenes, rund 10 ha großes Gebiet aus, in dem das ehemalige
Mündungsgebiet des im 19. Jh. in ein entferntes Kanalbett verlegten SarnoFlusses lag. Dieses Gebiet war im Osten durch den längs der antiken Küstenlinie verlaufenden Dünengürtel der Gemarkung Bottaro begrenzt und besaß
im Westen in der Gemarkung S. Abbondio in einem erloschenen Vulkankegel
Abb. 11 Sarno-Ebene (Italien), Panorama.
Blick von Süden, die Lage Pompejis ist an
der dunklen Vegetationsfläche am südöstlichen Hangfuß des Vesuvs zu erkennen
AA-2008/1 Beiheft
Zentrale in Berlin 15
Abb. 12 Sarno-Ebene (Italien), aus den
Daten des Höhenmodells generierte
geomorphologische Karte des Untersuchungsgebiets, in dem die Gebiete der
verschiedenen Landschaftsformen gekennzeichnet sind. Die Punktwolke im Bereich
Pompejis verdeutlicht die bisher gesammelten Bohrdaten (schwarz) und die in
diesem Jahr neu durchgeführten Kernbohrungen (rot)
AA-2008/1 Beiheft
eine dem pompejanischen Lavamassiv vorgelagerte markante Erhebung, deren
topographische Bedeutung schon in der Bronzezeit durch eine Nekropole und
im 2. Jh. v. Chr. durch ein Dionysosheiligtum deutlich wird. In dem Gebiet sind
zahlreiche römische Bauwerke festgestellt, die auf eine gemischte Nutzung des
Suburbium von Pompeji durch villae rusticae, Luxusgebäude und Zweckbauten
im Zusammenhang mit dem bei Bottaro vermuteten Hafen hinweisen. Heute
ist das Gebiet weitgehend durch moderne Wohnsiedlungen und Gewerbeanlagen versiegelt und nur noch teilweise landwirtschaftlich genutzt, so dass sich
die antike Topographie und Morphologie völlig der Vorstellung entziehen.
Trotz der örtlichen Einschränkung konnten die Bohrungen in zwei sich
kreuzenden Nord-Süd- und Ost-West-Transekten planmäßig angelegt werden. Sie decken einerseits den Bereich von der antiken südlichen Ausfallstraße
Pompejis am Stabianer Tor bis zu dem römischen Baukomplex von Moregine
und andererseits den Abschnitt von S. Abbondio bis Bottaro ab. Die teilweise
bis in eine Tiefe von 18 m abgeteuften Bohrungen (12, 13; Abb. 14) im Bereich
vor dem Stabianer Tor stießen auf den Lavasockel des Hügels von Pompeji, der
durch marine Abrasion verursachte terrassenförmige Abstufungen aufweist, in
denen sich pleistozäne Ablagerungen einer paralischen, d. h. abwechselnd marinen und fluvialen Umgebung gesammelt haben. Auf der oberen Terrasse liegt
unmittelbar auf der Lava hingegen der Paläoboden des Jungpaläolithikums
(Pedomarker A), getrennt von einer dünnen Schicht mit Bimssteinen des Vulkanausbruchs von Mercato (ca. 6000 v. Chr.), die auf eine lange Ruheperiode
dieses Bereiches bis zum Ende des Neolithikums hinweist. Diese Vorgänge
bezeugen im Pleistozän ein Vordringen des Meeres bis in den unmittelbaren
Bereich des Lavasockels von Pompeji und abwechselnde Phasen, in denen der
16 Jahresbericht 2007 des DAI
Paläo-Sarno oder sein Hochwasserbett hier tätig war. Am Ende des Neolithikums scheint sich die Flussterrasse des Sarno weiter meerwärts verlagert zu haben und wurde nur selten überschwemmt. Möglicherweise hängt diese Veränderung mit dem Wiederaufleben der vulkanischen Aktivität des Vesuvs in
der Frühbronzezeit (sog. Ausbruch von Avellino, ca. 1800 v. Chr.) zusammen.
Mit dem Eintreten des protohistorischen Eruptionszyklus am Beginn des 1. Jts.
v. Chr. verschwindet der fluviale Terrassenrand, indem sich eine beachtliche
Decke vulkanoklastischen Materials ablagerte, die typischerweise besonders
mächtig an der Basis des Hügels von Pompeji ist.
Den bisherigen Auswertungen zufolge scheinen die neuen Bohrungen die
Hypothese zu stützen, dass ein in der nacheisenzeitlichen Periode (ab etwa
7./6. Jh. v. Chr.) bis auf etwa 60 m noch sehr nahe an das Siedlungsgebiet
Pompejis heranreichender Flussarm des Sarno in der Phase kurz vor 79 n. Chr.
plötzlich verschwand bzw. weiter seewärts verlagert wurde. Über die Ursachen
dieses Phänomens ist ohne weitere Bohrungen momentan noch keine Klarheit
zu gewinnen. Hier können bradyseismische Ereignisse im Zusammenhang mit
dem großen Erdbeben 62 n. Chr. eine Rolle gespielt haben. Die Ergebnisse der
Bohrungen (6, 8, 9) im südlichen Bereich des untersuchten Gebietes weisen
auf eine abwechselnde Fluss-Sumpflandschaft hin, die für das Mündungsgebiet
des Sarno charakteristisch gewesen zu sein scheint.
Die mit den Bohrungen erzielten Ergebnisse haben letztlich auch Konsequenzen bei der Beurteilung von zentralen Fragen der antiken Topographie, zu
13
14
Sarno-Ebene (Italien)
Abb. 13 Aufbewahrung des Bohrkerns Nr. 4 (Teil), das eruptive Material des Ausbruchs
79 n. Chr. (1,40–4,80 m) ist an der hellen Farbe der Lapilli gut zu erkennen, im Bereich
6,30–7,30 m eine mächtige dunkle Schicht eines prähistorischen Paläobodens
Abb. 14 Stratigraphie des 15 m Länge messenden Bohrkerns Nr. 12 mit Erläuterungen der
vier vulkanischen Hauptereignisse von ca. 6000 v. Chr. (Mercato-Eruption) bis 79 n. Chr. und
der eingeschlossenen Kulturhorizonte
AA-2008/1 Beiheft
Zentrale in Berlin 17
der in erster Linie die Lokalisierung des Hafens von Pompeji, die damit zusammenhängenden Fragen der Schiffbarkeit des Sarno und der vorstädtischen Infrastruktur gehören. In einzelnen Bohrungen angetroffene römische und ältere
Straßenhorizonte geben in diesem Zusammenhang wertvolle Hinweise auf die
Verkehrserschließung im südlichen Suburbium Pompejis. Dazwischen weisen
mächtige Paläoböden auf die landwirtschaftliche Nutzung größerer Flächen
im Vorstadtgebiet, in dem auch vereinzelte villae rusticae nachgewiesen sind.
Diesen Problemen soll in nächster Zeit im Rahmen der zuständigen Teilprojekte gezielt durch weitere geoarchäologische Untersuchungen in dem Gebiet
nachgegangen werden.
In den meisten der Bohrkerne wurden Paläoböden des Horizonts vor 79
n. Chr. zutage gefördert, von denen für die bodenkundliche Analyse insgesamt
35 Proben entnommen wurden (Abb. 13). Die Paläoböden befinden sich in
einer Tiefe zwischen 5,50 m und 6,40 m unter Flur, sind zwischen 20 cm und
60 cm mächtig und überwiegend sehr dunkel grau gefärbt. Ziel der in einem
Berliner Labor durchgeführten Analysen ist die physikalische und chemische
Charakterisierung der Böden, um darauf aufbauend in einem nächsten Schritt
Probleme der Bodengüte und landwirtschaftlichen Nutzbarkeit angehen zu
können. Auf dieser Grundlage sollen neue Anhaltspunkte zu der Frage der
landwirtschaftlichen Produktionspotentiale der römischen Gutshöfe gewonnen
werden, die in einem archäologisch-naturwissenschaftlich ausgerichteten Teilprojekt großräumig untersucht werden.
Kooperationspartner: Soprintendenza Archeologica di Pompei (P. Guzzo);
Soprintendenza per i Beni Archeologici delle Province di Salerno, Avellino
e Benevento (M. L. Nava, L. Rota); Autorità di Bacino del Sarno, Neapel
(G. Cannata); Università Napoli Federico II, Dipartimento delle Scienze di
Terra (G. Balassone); Landesamt für Bergbau, Geologie und Rohstoffe Brandenburg (W. Stackebrandt); Forschungsstelle »The role of culture in the early
expansions of humans« der Heidelberger Akademie der Wissenschaften am
Geographischen Institut der Eberhard-Karls-Universität Tübingen (M. Märker); Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät der Heinrich-Heine
Universität Düsseldorf (W. Linder, V. Heck); Oxford University Museum of
Natural History (M. Robinson) • Leitung des Projekts: F. Seiler • Mitarbeiter
und Mitarbeiterinnen: P. Kastenmeier (Koordination vor Ort), S.Vogel (Berlin),
G. Di Maio (Scafati), G. Patricelli (Boscoreale) • Abbildungsnachweis: F. Seiler
(Abb. 11. 13); S.Vogel (Abb. 12); G. Di Maio, Geomed (Abb. 14).
Hamadab und Meroë (Sudan)
Die in Meroë laufenden Untersuchungen zu dem außergewöhnlichen Gebäude
der sog. Königlichen Bäder sind seit diesem Jahr Teil einer größeren Studie, mit
der Siedlungsstrukturen und Lebensformen im Mittleren Niltal zwischen dem
5. und 6. Katarakt in der meroitischen Zeit des Reiches von Kusch (3. Jh. v. Chr.
bis 4. Jh. n. Chr.) erforscht werden. Neben den Bädern in Meroë steht dabei
insbesondere der nahegelegene Ort Hamadab im Mittelpunkt der Studie: Mit
Hamadab lässt sich eine größere meroitische Stadt mit ihrer Infrastruktur und
den Lebensverhältnissen vollständig erfassen, während Meroë als Residenzstadt
des kuschitischen Königshauses komplementär dazu Einblicke in das Leben
im königlichen Umfeld bietet.
Das Besondere an Hamadab ist, dass sich nur wenige Zentimeter unter der
heutigen Oberfläche Gebäudestrukturen aus Ziegelmauerwerk durch ältere
Grabungen oder moderne Überbauung kaum gestört und insofern erstaunlich
gut erhalten haben. Somit sind die vollständige Dokumentation der letzten
Besiedlungsphase der Stadt in spätmeroitischer Zeit und die Erstellung eines
AA-2008/1 Beiheft
18 Jahresbericht 2007 des DAI
Abb. 15 Hamadab (Sudan), magnetische Prospektion des Nordhügels mit der ›Oberstadt‹. Die bisher freigelegten und dokumentierten
Gebäudestrukturen sind darübergelegt (M. 1 : 1000)
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Zentrale in Berlin 19
16
17
Hamadab (Sudan)
Stadtplans möglich (Abb. 15): Bislang zeichnet sich ab, dass der nördliche Teil
des Siedlungshügels mit einer Stadtmauer über nahezu quadratischem Grundriss von etwa 106 m × 106 m Achsmaß befestigt und als eine Art ›Oberstadt‹
zu verstehen ist. Innerhalb der Stadtmauer grenzen Wohn- und Wirtschaftsquartiere aus streng parzellierten, insulae-artigen Gebäudeblöcken mit kleinteiligen Raumstrukturen und einfacher Bauausführung direkt an einen Sakralbau
an, auf den eine breite Straße zuläuft. Auch südlich außerhalb der ›Oberstadt‹
setzt sich die Stadtsiedlung bis zum Rand des Nordhügels fort. Darüber hinaus
befinden sich an der Ost- und Westecke der Stadtmauer große Abfallhügel mit
starken Eisenschlackeanteilen.
Der Stadtplan von Hamadab wird durch die Kombination verschiedener
Arbeitsmethoden erstellt: Vor der Ausgrabung erfolgt eine magnetische Prospektion (Abb. 16), die Anomalien ergeben erste Hinweise auf Baustrukturen
(Abb. 15). Etwa 80 % des Nordhügels von Hamadab, eine Fläche von etwa
36 000 m2, sind inzwischen prospektiert – Hamadab ist damit der erste Grabungsort im Sudan, der vor seiner Freilegung annähernd vollständig durch
geophysische Sondagen untersucht wurde. Gestützt auf die Auswertung dieses
magnetischen Surveys werden im nächsten Schritt gezielt großflächige Oberflächensondagen durchgeführt (Abb. 17). Dabei trägt man lediglich 5–10 cm
Bodenmaterial ab, bis die Oberseiten von Mauerzügen zutage kommen, die
zeichnerisch und photographisch dokumentiert werden. Darüber hinaus gibt
es schließlich Tiefensondagen, um sowohl die zeitliche Dimension der Siedlung als auch die Funktion der einzelnen Gebäude zu erfassen.
In Meroë im Areal der ›Königlichen Bäder‹ erbrachten die Grabungen der
Saison wesentliche Aufschlüsse zur Hydrotechnik im Zusammenhang mit dem
großen zentralen Wasserbecken: In dem westlich des Beckens in Richtung
Stadtmauer und Nil 2005 bereits geöffneten Schnitt kam ein überraschend
intakter und aufwendig konstruierter Wasserkanal zutage (Abb. 18. 19). In
Qualität und Massivität der Ausführung ist er bislang beispiellos für das kuschitische Reich: Die Schalung des Kanalbetts besteht aus zwei Lagen großer Sandsteinblöcke, auf denen eine Aufmauerung aus Brandziegeln mit unkonventionell ausgeführter Überwölbung lastet. Über dieses Gewölbe hinaus wurden
die Seitenwangen um weitere 50 cm aufgemauert und darüber kam schließlich
Abb. 16
Magnetische Prospektion
Abb. 17
Oberflächensondagen
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20 Jahresbericht 2007 des DAI
19
Meroë (Sudan), Wasserkanal der sog. Königlichen Bäder
Abb. 18
Ansicht des Kanals von Westen
Abb. 19 Leitung aus ineinander gesteckten Tonröhren
18
noch eine Abdeckung aus Holzbalken, von denen sich allerdings lediglich Abdrücke im Lehmmörtel erhalten haben. Die gesamte Konstruktion hat eine
Höhe von knapp 1,50 m, das lichte Maß des Kanals beträgt in der Breite etwa
0,40 m und in der Höhe 1 m; die Kanalsohle liegt etwa 3 m unterhalb der heutigen Oberfläche. Eine Wasserleitung aus ineinandergesteckten Tonröhren
(Durchmesser 22 cm) ist im Kanalbett verlegt, das Gefälle weist Richtung Nil.
Neben den Grabungen waren Konservierungsmaßnahmen im Areal der
Bäder ein weiterer Schwerpunkt der Saison, dieses Mal an den Überresten der
nahe des Wasserbeckens gelegenen Exedra (Abb. 20): Sie besteht aus vier im
Viertelkreis angeordneten Sitzen, die von stilisierten Greifenfiguren aus Sandstein flankiert werden. Die Oberflächen waren mit Kalkputz überzogen und
teilweise bemalt. Die Anlage sollte einstmals wohl prachtvoll gestaltete Throne
in einem von Wasser umspielten Ambiente evozieren. Trotz eines Schutzbaus
über dem antiken Bestand ist dieser aufgrund der Witterungseinflüsse stark
gefährdet, konnte nun jedoch konsolidiert werden: Nach vollständiger Reinigung der Sitze von einer starken Schlammkruste wurden die Putzfragmente
wieder mit dem Ziegelmauerwerk verbunden, außerdem die Farbfassungen
sowie die Reste der Sandsteinskulpturen gefestigt.
Eine für die gemeinsame Erforschung der Städte Meroë und Hamadab wesentliche Voraussetzung konnte außerdem geschaffen werden: Hamadab wurde
an das für Meroë bereits vor zwei Jahren etablierte georeferenzierte Messnetz
(in Bezug zum Weltkoordinatensystem UTM WGS-84, s. AA 2006/2, 134 f.)
angebunden. Damit existiert ein einheitliches Messnetz für das Gesamtgebiet
der beiden Städte, das sich über die Distanz von etwa 3 km entlang des Nils erstreckt.
Abb. 20 Meroë (Sudan), Konservierung
einer Sandsteinskulptur in der Exedra der
sog. Königlichen Bäder
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Zentrale in Berlin 21
Kooperationspartner: National Corporation for Antiquities and Museums,
Khartoum; außerdem für das Teilprojekt Hamadab: Humboldt-Universität zu
Berlin; Fachhochschule für Technik und Wirtschaft Berlin; Institut für Technologie und Umweltschutz e.V. Berlin (INTUS); Universität Shendi (Sudan) •
Förderung: DFG (WO 1515/1-1, seit 11/2007); Kulturerhalt-Programm des
Auswärtigen Amtes (Konservierung Exedra) • Leitung des Projekts: S. Wolf;
Leitung des Teilprojekts Hamadab: P. Wolf • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: D. Baginska, M. Boesendörfer,T. Goldmann, C. Hof, U. Kapp, B. Nekiffer,
U. Nowotnick, H.-U. Onasch, M. Schmitz, A. Schulz, F. Wöss • Abbildungsnachweis: P. Wolf, T. Goldmann (Abb. 15); P. Wolf (Abb. 16. 17); H.-U. Onasch
(Abb. 18); S. Wolf (Abb. 19. 20).
Milet (Türkei), Faustina-Thermen
Seit dem Vorjahr führen die Antikensammlung der Staatlichen Museen zu
Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz und die Zentrale des DAI gemeinsam Forschungen in Milet durch, die sich dem Übergang von Kaiserzeit zu
Spätantike im städtischen Kontext in Kleinasien widmen. Im Zentrum des
Interesses steht der spätantike Umgang mit Statuen und öffentlichen Räumen
in Milet, dem zuerst mit der Untersuchung der Faustina-Thermen und ihrer
Ausstattung nachgegangen wird.
In der diesjährigen Kampagne wurde der Thermenbau im Grundriss neu
aufgenommen (Abb. 21). Im Zuge der Bauuntersuchung wurde die Anlage in
den ersten Abschnitten gereinigt. Dabei konnten in Teilen die oberflächlich
sichtbaren Reste der Wasserinstallationen erfasst werden. Gereinigt wurden
auch Becken und Nischen, die als Aufstellungsplätze von Skulpturen dienten.
Deutlich wurde nach der Reinigung die Wasserführung in die Becken und die
enge Verbindung von Skulpturenaufstellung und Wasserspielen. So zeigte sich
etwa im Apodyterium/Tepidarium (Raum 6) die Aufstellungssituation der
bereits im Jahresbericht 2006 (s. AA 2007/2, 157 Abb. 30) erwähnten Dionysos-Satyr-Gruppe, die sich im Berliner Pergamonmuseum befindet und
für deren Postament eine senkrecht zur Skulptur hinaufgeführte Wasserleitung rekonstruiert werden konnte (Abb. 21). Mit Blick auf die Fassung des
Beckenrandes zum Raum hin wurde anhand der Anbindung an die seitlichen
Apsiden und deren früher angebrachte Wandverkleidung deutlich, dass Becken
und Skulpturenaufstellung darin frühestens mit einer dritten Nutzungsphase
des Raumes zu belegen sind. In dem benachbarten kleinen Übergangsraum
(Raum 5) zum großen Caldarium (Raum 9) wurde die Führung der Wasserlei-
Abb. 21 Milet (Türkei), Faustina-Thermen.
Die Dokumentation und Untersuchung
der sonstigen Ausstattungselemente der
Thermenanlage wie Böden, Wandverkleidung und Baudekor erlauben eine differenziertere Beurteilung der Veränderungen in
den Arrangements. In den zentralen Kaltbaderäumen der Anlage, Frigidarium (4),
Übergangsraum (5), Apodyterium/Tepidarium (6), Caldarium (9), Ambulacrum (1),
konnten dabei bis zu vier Umbauphasen
identifiziert werden. Die Farben von blau,
grün über gelb bis rot geben die relative
Reihenfolge zum angrenzenden Bauteil an
AA-2008/1 Beiheft
22 Jahresbericht 2007 des DAI
tung sichtbar, die in einem hochgelegenen Auslass in der Mitte der Beckenapsis endet. Demnach ist auch hier an eine mit fließendem Wasser verbundene
Aufstellung von Skulpturen zu denken. Das Studium der Skulpturen und Basen wurde fortgeführt. Dabei ergaben sich neuerliche Hinweise auf eine langfristige Nutzung. Die Statue des wasserspeienden Löwen, die sekundär in das
Frigidarium (Raum 4) verbracht worden sein muss, wurde offenbar in der
Spätantike mit einem Kreuzeszeichen auf dem Rücken versehen (Abb. 22). Im
Verlauf der Bauuntersuchung wurden auch lose Bauglieder, Inschriften und
Graffiti, Statuenbasen und Ritzzeichnungen systematisch erfasst. Interessant ist
die Ritzung einer Frauenbüste auf der Schwelle zwischen dem Ambulacrum
(Raum 1) und dem Apodyterium/Tepidarium (Raum 6). Die bereits in der
Erstpublikation, allerdings nur unzureichend, abgebildete Zeichnung kann
aufgrund der Frisur in severische Zeit (Ende 2. Jh. n. Chr.) datiert und mithin
wohl mit der ersten Nutzungsphase in Verbindung gebracht werden. Deutlich
später ist eine zweite, größere Ritzzeichnung, die auf einem mittelgroßen Steinblock in einer der seitlichen Kammern des Ambulacrums registriert wurde. Zu
sehen ist auf dem Quader, der vermutlich zum gleichen Durchgang wie die
erste Ritzzeichnung gehört, die Darstellung eines Mannes mit Umhang, der
mit einem noch nicht gedeuteten Werkzeug zum Schlag oder Fang ausholt.
Im Verlauf der Reinigungsarbeiten kamen an mehreren Stellen Steinablagen zum Vorschein, die von der Altgrabung zu Beginn des 20. Jhs. dort
zusammengetragen und mit Erde bedeckt worden sein müssen. Unter den so
überraschend entdeckten Blöcken befanden sich dekorierte Bauglieder verschiedenster Funktion und Gestalt, unzählige Fragmente von Marmorplatten
und Profilleisten, die mit den Wandverkleidungen in Verbindung gebracht
werden können (Abb. 23). Die Zuordnung der übrigen Bauglieder und Dekorelemente zum Thermenbau ist noch nicht zu klären.
Für das kommende Jahr ist mit einer größeren Sondage in den beiden bislang noch nicht ergrabenen Räumen im Südwesten der Anlage der Beginn der
archäologischen Grabung am Thermenbau geplant. Die erforderlichen Vorbereitungen hierfür wurden ebenfalls in der diesjährigen Kampagne geleistet.
Kooperationspartner: Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin
Stiftung Preußischer Kulturbesitz (A. Scholl, M. Maischberger) • Förderung:
DFG • Leitung des Projekts: O. Dally • Mitarbeiter: P. Schneider (Bauforschung) • Abbildungsnachweis: P. Schneider (Abb. 21. 23); O. Dally (Abb. 22).
Didyma (Türkei), Archaischer Apollontempel
Das Apollonheiligtum in Didyma hatte bereits in der 1. Hälfte des 6. Jhs. als
Orakelstätte überregionale Bedeutung, wie die Weihungen des Pharao Necho
und des Lyderkönigs Kroisos in das Heiligtum (Herodot 2, 159; 1, 92) verdeutlichen. Bald nach der Mitte des 6. Jhs. v. Chr. ersetzte man den spätgeometrisch/
früharchaischen Bau, den ›Sekos I‹, und errichtete den monumentalen archaischen Apollontempel (›Tempel II‹) – eines der bemerkenswertesten Bauwerke
des 6. Jhs. im kleinasiatischen Ionien. Neben den Fundamenten der Hofmauer,
der ›Adytonmauer‹, die bereits in der sog. Alten Grabung unter T. Wiegand
und H. Knackfuß am Beginn des 20. Jhs. im Hof des hellenistischen Nachfolgers freigelegt werden konnten, sind von dessen Architektur und bedeutender
Bauskulptur zahlreiche Fragmente in der Alten Grabung zutage gekommen,
von denen die prominenteren Stücke heute in den Magazinen des Pergamonmuseums aufbewahrt bzw. in der Ausstellung gezeigt werden. Der aus
Marmor und Kalkstein/Mergel errichtete Tempel, der in den Perserkriegen
nach der Niederschlagung des sog. Ionischen Aufstandes in Milet 494 v. Chr.,
wie die jüngsten Untersuchungen zeigen, beschädigt und nicht, wie Herodot
Abb. 22 Milet (Türkei), Faustina-Thermen.
Statue eines wasserspeienden Löwen aus
dem Frigidarium mit Kreuzeszeichen auf
dem Rücken
Abb. 23 Milet (Türkei), Faustina-Thermen.
Ambulacrum, Kammer 7 Ost mit Steinablage der Erstgrabung vom Beginn des
20. Jhs.
AA-2008/1 Beiheft
Zentrale in Berlin 23
Didyma (Türkei)
Abb. 24 Werkhof des Grabungshauses,
Architects at Work 2007
Abb. 25 a. b Archaischer Apollontempel,
Zeichnung eines in der ›Alten Grabung‹
zutage gekommenen facettierten Torus aus
Mergel, der als Basis einer der ›Porossäulen‹
des archaischen Tempels diente
Abb. 26 Grabungshaus, ein Regal der
neuen Schausammlung im Lapidarium
mit Baugliedern des archaischen Tempels
(Quader-, Kyma-, Torus- und Spirafragmente
aus Marmor, Kalkstein und Mergel)
überliefert, zerstört wurde (Herodot 6, 19), war erst beim Neubau des heute
sichtbaren hellenistischen Tempels im späten 4. oder frühen 3. Jh. v. Chr. systematisch zerschlagen und zu großen Teilen in dessen rasterförmigen Fundamenten verbaut bzw. verfüllt worden. Zwar wurden die in der Alten Grabung
gewonnenen Ergebnisse bezüglich des archaischen Tempels im Rahmen der
aufwendigen dreibändigen Publikation des hellenistischen Tempels 1941 von
H. Knackfuß kurz dargelegt und dann 1964 auf der Grundlage der wenigen bekannten marmornen Architekturfragmente von G. Gruben in einem
umfangreichen Aufsatz um Grund- und Aufriss sowie Detail-Rekonstruktionen ergänzt, doch hat diese für den frühen ionischen Tempelbau so wichtige
Architektur bis heute keine angemessene Publikation auf der Grundlage einer
möglichst vollständigen Materialaufnahme erfahren.
Seit 2003 werden die bei den Grabungen im 20. Jh. entdeckten und durch
die Grabungen der letzten Jahre im Tempelareal (vor allem durch Sondagen in
den Fundamenten des hellenistischen Tempels) stetig zahlreicher werdenden
Bauglieder – deren Anzahl mittlerweile auf mehr als ca. 550 Architekturfragmente angewachsen ist – in alljährlichen sechswöchigen Aufarbeitungskampagnen systematisch untersucht. Mittlerweile konnten rund 330 Säulentrommelfragmente aus Mergel und Kalkstein sowie 40 aus Marmor, 50 Bruchstücke
ionischer Kymata, 40 Fragmente von Säulenbasen aus Marmor und Mergel,
90 Quaderfragmente aus Mergel und Kalkstein sowie aus Marmor identifi-
25 a. b
24
26
AA-2008/1 Beiheft
ziert und dem Tempel zugewiesen werden. Für die katalogmäßige Erfassung
wurden sie von der Projektleiterin eingehend untersucht und vermessen, ihre
Form, ihr Material, ihre Werkspuren, ggf. Farbreste etc. detailliert beschrieben.
Darüber hinaus wurden von ihr und jeweils einem Team von Studenten und
Architekten in den alljährlichen Aufarbeitungskampagnen bislang ca. 130 Bauglieder – eine Auswahl signifikanter, für die Rekonstruktion und typologische
Einordnung etc. besonders wichtiger Architekturfragmente – zeichnerisch
aufgenommen. Begleitend führte 2004 P. Schneider mit Architekturstudenten
an den archaischen Fundamenten eine Bauaufnahme durch, die 2005 durch
Sondagen von A. Furtwängler im Adyton des Tempels ergänzt wurde; die Dokumentation der architektonischen Reste führte die Projektleiterin stellvertretend mit Architekturstudenten durch. Des Weiteren begann sie 2005 in
den Magazinen des Pergamonmuseums die zeichnerische Aufnahme der Bauskulptur, der sog. columnae caelatae-Fragmente. In den Kampagnen 2006 und
2007 konnte jeweils mit einem fünf- bis sechsköpfigen Zeichenteam von
Architektur- und Archäologiestudenten/Architekten (Abb. 24) die zeichnerische Aufnahme intensiv fortgesetzt werden (Abb. 25). Mit der systematischen
Erfassung der dem archaischen Tempel zuweisbaren Bauglieder wurde auch
eine Neuordnung der Steinmagazine in Angriff genommen und im Lapidarium des Grabungshauses in Didyma eine Art Schausammlung zu den Baugliedern des Tempels II eingerichtet (Abb. 26).
24 Jahresbericht 2007 des DAI
27 a. b
Da bei den Ausgrabungen im Vorjahr in einer Sondage im Fundament des
hellenistischen Tempels ein sehr ungewöhnlicher Neufund zutage kam, galt
dessen detaillierter photographischer und insbesondere zeichnerischer Dokumentation durch die Projektleiterin ein besonderes Augenmerk. Es handelt sich
um ein Fragment einer im Flachrelief ausgeführten Darstellung eines Mannes
(Abb. 27; vgl. AA 2007/2, 263 Abb. 11), dessen Kopf im Profil sowie Oberkörper und Arme in Dreiviertelansicht zu großen Teilen erhalten sind; seine Haltung mit vorgestreckten Armen sowie die Zügel in seiner rechten Faust weisen
ihn als Wagenlenker aus. Stilistisch steht das Fragment aus Mergel dem bekannten, heute im Pergamonmuseum in Berlin aufbewahrten ›Wagenlenkerfries‹ aus
dem benachbarten Myus auffallend nahe und datiert wohl ebenfalls etwa in die
Mitte des 6. Jhs. Ungewöhnlich ist allerdings, dass es sich nicht um ein Wandoder Gebälkfriesfragment handelt, sondern um ein reliefiertes Säulentrommelfragment, eine sog. columna caelata. Abmessungen, Material, Werktechnik und
Zeitstellung sprechen für eine Zuweisung zu den Kalkstein-/Mergelsäulen des
archaischen Tempels, zu deren Halsschmuck auch die beiden bereits in der
Alten Grabung entdeckten Säulentrommeln aus Kalkstein sowie Mergel mit
Schiffsdarstellungen im Relief ursprünglich offenbar gehörten – anders als die
bekannten marmornen columnae caelatae-Fragmente des Tempels, die zum Fuß
der Säule gehörten.
Kooperationspartner: Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (A. Furtwängler, Grabungsleitung); Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz (V. Kästner); Lehrstuhl für Baugeschichte
und Bauforschung der Technischen Universität München (A. Ohnesorg) •
Leitung des Projekts: U. Dirschedl • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen:
F. Aydın (Mimar Sinan Universität Istanbul), C. von Bargen (Technische Universität Berlin), D. Cybulska (Technische Universität Berlin), F. Hanke (Fachhochschule Erfurt), J. Hanke (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg),
N. Şen (Hochbauamt Stuttgart) • Abbildungsnachweis: J. Hanke (Abb. 24);
Zeichnung, F. Aydın (Abb. 25); J. Hanke (Abb. 26); Zeichnung, U. Dirschedl
(Abb. 27).
Abb. 27 a. b Didyma (Türkei), archaischer
Apollontempel. Zeichnung eines reliefierten
Säulentrommelfragments aus Mergel mit
Darstellung eines Wagenlenkers – Neufund
einer sog. columna caelata
Die hellenistischen Stadtmauern von Pergamon (Türkei)
Die diesjährigen Arbeiten konzentrierten sich auf den Mauerring der ›Eumenischen‹ Stadterweiterung, der neben der ›Philetairischen‹ Stadtmauer und bestimmten Abschnitten der Akropolisummauerung zu den Stadtmauern hellenistischer Zeit in Pergamon gezählt wird. Nachdem im Vorjahr in einer ersten
Kampagne ein Lageplan (Abb. 28) der gesamten Stadtmauern fertig gestellt worden war, wurden nun detaillierte Untersuchungen in Form von verformungsgetreuen Bauaufnahmen, Beschreibungen und Photographien fortgesetzt. Bei
AA-2008/1 Beiheft
Zentrale in Berlin 25
Abb. 28 Die hellenistischen Stadtmauern
von Pergamon (Türkei), Lageplan mit
Angabe aller vor Ort und in alten Plänen
verifizierbarer Abschnitte der hellenistischen Stadtmauern sowie deren Tore und
Pforten (M. 1 : 10 000)
AA-2008/1 Beiheft
diesen Untersuchungen wird der gesamte Mauerring beschreibend und photographisch dokumentiert. Einzelne, aussagekräftige Abschnitte werden darüber hinaus zeichnerisch aufgenommen: so z. B. die Reste von zwei Öffnungen
oberhalb des ›Oberen Nordwesttores‹, wobei von der nördlichen lediglich ein
monumentaler Rinnstein vorhanden ist, wie man ihn auch noch an anderen
Stellen der Mauer finden kann (Abb. 29). Einen besonderen Fund stellen die
Reste eines vorher nicht bekannten Turmes dar, der zwischen dem sog. Oberen (Abb. 30) und Unteren Nordwesttor aufgedeckt werden konnte. Bei der
Aufnahme des Lageplans hatten sich an dieser Stelle Anomalien gezeigt, die
eine Reinigung des Bereiches sinnvoll erscheinen ließen. Obwohl der Grund-
26 Jahresbericht 2007 des DAI
riss nicht vollständig erhalten ist, zeigt sich in der Bauaufnahme deutlich, dass
der Turm eine andere Form als die bisher bekannten Türme hat. Er ist rechteckig angelegt und steht im Grundriss auf beiden Seiten über die Mauer vor,
so dass er sich auch auf der stadtseitigen Maueransicht abzeichnet (Abb. 31).
Alle anderen bekannten Türme sind dagegen eher quadratisch und liegen
landseitig vor der Mauer. Mit der Aufdeckung des Turmes wird ferner deutlich, dass man insgesamt sicher mit weiteren als den bisher bekannten Türmen
zu rechnen hat, so dass die von früheren Bearbeitern als überdehnt und nicht
flankierbar bezeichneten Kurtinen wahrscheinlich besser geschützt waren als
angenommen.
Da die Stadtmauern bereits zu Ende des 19. bzw. Anfang des 20. Jhs. ausgegraben und untersucht worden sind, ist neben der Feldforschungsarbeit die
Auswertung der alten Grabungsunterlagen, die in den Archiven des DAI in
Berlin und Istanbul sowie im Archiv des Pergamonmuseums liegen, ein wichtiger Arbeitsschritt; dieser ist von besonderem Interesse, da bestimmte Abschnit-
Abb. 29 Die hellenistischen Stadtmauern
von Pergamon (Türkei), monumentaler
Rinnstein oberhalb des ›Oberen Nordwesttores‹
Die hellenistischen Stadtmauern von
Pergamon (Türkei)
Abb. 30
›Oberes Nordwesttor‹
Abb. 31 Grundriss des Turmes zwischen
dem sog. Oberen und Unteren Nordwesttor
(M. 1 : 200)
AA-2008/1 Beiheft
Zentrale in Berlin 27
te der Mauer aufgrund von Steinraub und durch den Bau der Asphaltstraße auf
den Burgberg oder durch die Straße zum Staudamm nicht mehr erhalten sind.
So fanden sich z. B. Hinweise auf den hellenistischen Abschluß der Akropolisnordseite und auf ein Tor im Nordosten der Stadt, das für deren Erschließung besondere Bedeutung gehabt haben muss, da man sich mit diesem Tor
den beschwerlichen Weg zur Akropolis durch die Stadt ersparen konnte. Dieses
Tor vor Ort zu verifizieren, wird in der nächsten Kampagne einen der Arbeitsschwerpunkte bilden.
Zur Verknüpfung der Ergebnisse der Archivarbeit und der Feldforschungen
wurde eine Datenbank angelegt; Grundlage hierfür ist der 2006 neu aufgenommene Lageplan (Abb. 28), in dem jeder Mauerabschnitt mit einer Befundnummer versehen ist, über welche in der Datenbank alle alten Zeichnungen, historischen Photographien, Tagebucheinträge der ersten Ausgräber oder publizierte Bemerkungen dem jeweiligen Abschnitt zugeordnet und zusammen mit
den neuen Aufnahmen und Beschreibungen ausgewertet werden können.
Für das kommende Jahr ist geplant, die Arbeiten an der sog. Eumenischen
Stadtmauer abzuschließen und mit der Ummauerung der Akropolis sowie der
›Philetairischen‹ Stadtmauer fortzufahren.
Leitung des Projekts: J. Haberkorn (Bauforschung; Teilprojekt »Hellenistische Stadtmauern« ), F. Pirson (DAI, Abteilung Istanbul, Leiter der Pergamongrabung) • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: M. Baur (Bauforschung,Technische Universität Darmstadt), M. Muhler, C. Steiner (Geodätisches Institut
der Technischen Universität Karlsruhe) • Abbildungsnachweis: J. Haberkorn
auf Grundlage der Topographischen Karte von K. Nohlen und B. Schlüter
von 1973 (Abb. 28); D-DAI-IST-PE07 Architektur 4191, J. Haberkorn (Abb.
29); Archiv der Pergamongrabung, E. Lissel (Abb. 30); Bauaufnahme M. Baur,
Zeichnung J. Haberkorn (Abb. 31).
Selinus (Türkei)
An der türkischen Südküste liegt etwa 50 km östlich von Alanya die antike
Stadtanlage Selinus. Seit 2005 widmet sich das Projekt der Untersuchung eines
Gebäudekomplexes, des sog. Şekerhane Köşkü. Die Anlage besteht aus einem
etwa 5 m hoch anstehenden Zentralbau, der in einer von umlaufenden Portiken umgebenen, 84 m × 84 m messenden Hofanlage liegt. Der Şekerhane
Köşkü wurde im 13. Jh. n. Chr. von den Seldschuken zu einer Jagd- und Gartenanlage umgebaut, stammt ursprünglich aber aus der römischen Kaiserzeit.
Dies wird durch erhaltene Bauteile im Zentralbau und den Säulenhallen sowie
durch Fragmente der Bauornamentik und der vermutlich zugehörigen reichen
Bauskulptur in Form von flach reliefierten Figurenfriesen belegt. Der in seiner
Umgebung im westlichen ›Rauen Kilikien‹ durch Größe, Form, Ausstattung,
Materialität und Ausführungsqualität herausragende Baukomplex wurde möglicherweise als Kenotaph für Kaiser Trajan errichtet, der – wie von Cassius Dio
überliefert – im August des Jahres 117 n. Chr. in Selinus verstarb.
Neben der Dokumentation des Şekerhane Köşkü und der Aufschlüsselung
seiner einzelnen Bauphasen ist das Ziel des Forschungsprojekts die Klärung seiner Zweckbestimmung zur Erbauungszeit sowie gegebenenfalls seiner städtebaulichen Einordnung.
Während der diesjährigen Kampagne konnte die bauforscherische Dokumentation zum Abschluss gebracht werden. Vom ehemals zweigeschossigen
Zentralbau, der aus dem heute noch erhaltenen hohen Podium und einem tempelartigen, in Marmor ausgeführten Aufbau mit Vorhalle und Cella bestand,
liegen nun Grundrisse, Schnitte und Ansichten im M. 1 : 20 vor.Von den Säulenreihen der Portiken gibt es keine obertägig erhaltenen Überreste. Ihre das
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28 Jahresbericht 2007 des DAI
33
Selinus (Türkei), Şekerhane Köşkü
Abb. 32 Bauaufnahme des Grundrisses des Zentralbaus in
der Ebene des Podiums mit den auskragenden kaiserzeitlichen
Fundamenten im Außenbereich, Aufnahmemaßstab 1 : 20
(M. 1 : 250)
Abb. 33 Eckausbildung zwischen südwestlicher und südöstlicher Säulenhalle
32
Temenos begrenzenden Rückwände sind jedoch zum großen Teil noch im
Gelände sichtbar bzw. unter einer neuzeitlichen Aufmauerung auszumachen.
Die Bauaufnahme erfolgte hier im M. 1 : 50.
Ferner konnten einige Sondagen durchgeführt werden, die zur Klärung baulicher Zusammenhänge beitrugen und vertiefende Kenntnisse zur Bauanlage
erbrachten. Die Sondagen vor der Eingangsfassade des zentralen Baukörpers
zeigten, dass die römische Fundamentplatte, die an den Gebäudelängsseiten
deutlich vor die seldschukische Ummantelung des kaiserzeitlichen Kerns ragt,
an der nordöstlichen Ecke in einem breiten Streifen einige Meter vor die Gebäudefront fortgeführt ist (Abb. 32). An der nordwestlichen Ecke ist der Ansatz
dieses Streifens ebenfalls zu sehen. Hier wurde er allerdings in einer späteren
Nutzungsphase abgearbeitet. Der Befund deutet darauf hin, dass am kaiserzeitlichen Ursprungsbau möglicherweise eine breite Freitreppe, deren Last
über diese Fundamentstreifen abgetragen worden wäre, vom Hofniveau aus
in die mit vier Frontsäulen ausgestattete Vorhalle des Gebäudes führte. Durch
eine Sondage im südlichen Bereich des Temenos konnten die Eckausbildung
zwischen südwestlicher und südöstlicher Säulenhalle sowie der Übergang vom
Hof in die Hallen gefasst werden (Abb. 33). Demnach vermittelten drei Stufen
zwischen Hof und Hallen. Die untere besteht aus Kalksteinblöcken, die mit
einer der Entwässerung dienenden tiefen Rinne ausgestattet sind. Die Plinthen
der Säulen sind direkt aus dem oberen Stufenblock, dem Stylobat, herausgearbeitet. An der freigelegten Rückwand der Säulenhalle befanden sich noch
zahlreiche Fragmente der Marmorinkrustation und ihrer Befestigung in situ.
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Zentrale in Berlin 29
Abb. 34 Außenansicht des in die Anlage
führenden Eingangstores mit Schwelle und
flankierenden Postamenten
Abb. 35 Selinus (Türkei), Şekerhane Köşkü.
Aus den Portiken stammende Fragmente
einer profilierten Leiste aus farbigem
Marmor
AA-2008/1 Beiheft
Eine weitere Sondage an der Rückwand der nordöstlichen Säulenhalle brachte
die Überreste des in das Temenos führenden Eingangstores zutage (Abb. 34).
Die Schwelle des nur etwa 2,60 m breiten Durchgangs besteht ebenfalls aus
Kalkstein. Sie bildet zwei Stufen aus und wird an der Wandaußenseite von zwei
mit halbierten Spiegeln geschmückten Postamenten flankiert, die Dreiviertelsäulen trugen. Entlang der gesamten Außenwand der Eingangsseite verläuft ein
breiter befestigter Bereich, dessen Vorderkante aufgrund der Beackerung des
Geländes jedoch stark zerstört ist. Im Zusammenspiel mit einer einige Meter
entfernt liegenden parallel verlaufenden Mauer, die eventuell als Staumauer
gegen den Fluss oder Hafen gesetzt war, ergibt sich eine der Bauanlage des
Şekerhane Köşkü vorgelagerte Terrasse bzw. eine Art Vorplatz.
Die Sondagen erbrachten zusätzlich zahlreiche Bauteilfunde, bei denen es
sich hauptsächlich um Ausstattungsstücke aus den Portiken handelt (Abb. 35).
Im Museum Alanya schließlich wurde die Katalogisierung der zum Şekerhane
Köşkü gehörenden Architekturfragmente abgeschlossen. Einige für die Rekonstruktion des kaiserzeitlichen Gebäudes aussagekräftige Stücke wurden detailliert gezeichnet. Trotz der meist geringen Größe und des schlechten Erhaltungszustandes der Architekturteile konnten wichtige Erkenntnisse zur
ursprünglichen Gestalt der antiken Bauanlage gewonnen werden.
Neben der wissenschaftlichen Arbeit haben die Projektmitarbeiter in beratender Funktion auch zu Schutz und Erhalt des Şekerhane Köşkü beigetragen.
Vor allem das offen liegende antike Treppenhaus wird stark durch Niederschläge und uneingeschränkten Zugang gefährdet. Ein temporäres, reversibel
aufgebrachtes Dach sowie eine Gittertür schützen diesen Bereich nun bis zur
Umsetzung eines langfristigen Schutz- und Präsentationskonzepts, bei dessen
Erarbeitung ebenfalls mitgewirkt wird.
30 Jahresbericht 2007 des DAI
Kooperationspartner: Museum Alanya (S.Türkmen); DAI, Abteilung Istanbul • Leitung des Projekts: A. Hoffmann, C. Winterstein • Mitarbeiter:
N. Koch, J. von Geymüller • Abbildungsnachweis: DAI, Zentrale, Architekturreferat (Abb. 32); C. Winterstein (Abb. 33–35).
Romuliana-Gamzigrad (Serbien)
Die im Rahmen eines serbisch-deutschen Kooperationsprojekts zur Erforschung des spätantiken Kaiserpalastes Felix Romuliana bei Gamzigrad in
Ostserbien durchgeführte bauforscherische Dokumentation konnte mit der
diesjährigen Kampagne abgeschlossen werden (zu den von der Römisch-Germanischen Kommission des DAI durchgeführten archäologischen Arbeiten s.
auch hier S. 117 f.). Der gut erhaltene Eckturm im Südwesten der zweiten Umfassungsmauer wurde in einem Grundriss- und einem Schnittplan im M. 1 : 50
dokumentiert. Der im Vorjahr begonnene Schnitt durch den Palast 1 wurde bis
zur westlichen Umfassungsmauer weitergeführt, so dass auch der noch hoch
anstehende viereckige Turm der ersten Ummauerung als Ansicht dokumentiert ist. Zusammen mit den bereits 2005 angefertigten Bauaufnahmen des Ostund des Westtores existiert nun von allen vorkommenden Turmformen beider
Umfassungsmauern exemplarisch eine detaillierte Dokumentation. Vom großen Tempel wurden zwei Schnitte im M. 1 : 100 erstellt. Der AutoCAD-Plan
der Gesamtanlage, der neben den Umfassungsmauern und den Innenbauten
auch die Umgebung des Palastes mit den Sondagen und die Grabanlagen auf
dem ca. 1000 m östlich des Palastes gelegenen Hügel Magura umfasst, konnte
ebenfalls fertig gestellt werden (Abb. 36). Darauf aufbauend wurde ein generalisiertes 3D-CAD-Modell angefertigt, das den Baubestand umfasst und die
Grundlage für dreidimensionale Rekonstruktionsüberlegungen der einzelnen
Bauphasen bildet (Abb. 37).
Der AutoCAD-Plan dient gleichzeitig als Grundlage für ein GIS, in das
neben der topographischen Karte und den Informationen zum Messnetz alle
georeferenzierten Bauaufnahme- und Sondagepläne sowie die Pläne der Geoprospektion integriert wurden (Abb. 36).
Die bisher nur außerhalb der Palastanlage durchgeführte Geoprospektion
konnte auf die noch nicht ausgegrabenen Bereiche im Inneren des Palastes
ausgedehnt werden. Besonders die Geomagnetik brachte wichtige Hinweise
Abb. 36 Romuliana-Gamzigrad (Serbien),
der spätantike Kaiserpalast. Palast und
Umfeld, AutoCAD-Plan auf der Grundlage
der topographischen Neuvermessung und
der Bauaufnahmepläne. Grau unterlegt
sind die Ergebnisse der geomagnetischen
Vermessung (M. 1 : 10 000)
AA-2008/1 Beiheft
Zentrale in Berlin 31
für die Rekonstruktion der gesamten Palastanlage. Sie erlauben auch ohne Grabung schon weitreichende Aussagen zur Gestalt der Palastanlage in ihrer Hauptausbauphase, die zusammen mit dem fest datierten Bau der zweiten Mauerphase in das 1. Jahrzehnt des 4. Jhs. n. Chr. zu setzen ist. So kann durch das
Messbild nachgewiesen werden, dass der große Tempel in einem Temenos lag,
das an der Süd- und an der Nordseite von Portiken eingefasst wurde (Abb. 38).
Ebenso zeigt sich deutlich, dass sich vom Osttor, dem antiken Hauptzugang,
aus ein Platz bis zum Eingang zum Palast 1 trapezförmig aufweitet, der im
Norden von einer möglicherweise zweireihigen Portikus begleitet wird. Damit
lösen sich gleich mehrere Fragen: Es wurde schon öfters gerätselt, warum die
Fortsetzung der Straße, die durch das Osttor führte, im Palastinneren nicht zu
finden ist. Nach den Ergebnissen der Geoprospektion gab es keine Straßen zwischen den beiden Toren, sondern der antike Palastbesucher wurde nach dem
Betreten durch das Osttor auf einen sich aufweitenden Platz geführt. Gerahmt
durch die Portiken wurde so der Blick in der Ferne auf den Zugang zu den
Abb. 37 Romuliana-Gamzigrad (Serbien),
der spätantike Kaiserpalast. Palastareal,
Ausschnitt aus dem 3D-Bestandsmodell. Im
Bereich des Palastes 1 wurde das Bestandsmodell mit dem vorläufigen, stark vereinfachten Rekonstruktionsmodell überlagert
AA-2008/1 Beiheft
Haupträumen des Palastes gelenkt. Hierin ergibt sich eine auffallende Parallele
zur Palastanlage in Split, die sich Kaiser Diokletian als Alterssitz nach seiner
Abdankung am 1. Mai 305 n. Chr. erbauen ließ. Auch hier ist dem eigentlichen Residenzbereich mit dem monumentalen Eingang ein fünf Stufen tiefer
liegender, platzähnlicher Bereich vorgelagert (Abb. 38 b). Als Vorbild für diese
den Hauptzugängen vorgelagerten Plätze könnte der Kaiserpalast auf dem
Palatin gedient haben (Abb. 38 a).Vor den Repräsentationsräumen gab es auch
hier eine erhöhte Portikus, die sich zu einem vorgelagerten Platz hin öffnete.
Es ist demnach wahrscheinlich, dass beim Palast in Felix Romuliana der langgestreckte, korridorähnliche Bereich, der sich im Norden an den Hauptzugang
zu Palast 1 hin anschließt, ebenfalls als eine Portikus zu rekonstruieren ist, die
in Verbindung mit dem vorgelagerten, trapezförmig sich aufweitenden Platz
zu sehen ist (Abb. 38 c, Portikus?).
Interessante Hinweise für die Ausrichtung der einzelnen Palastbereiche
ergaben die im Vorjahr erzielten Ergebnisse der Geoprospektion im Norden
der umwehrten Palastanlage. Es sind deutlich Spuren einer dichten Bebauung
abzulesen, die vermutlich als Vorgängerbebauung zu interpretieren ist. Hier
könnte sich eine villa rustica, ein landwirtschaftlich genutzter Gutshof, befunden haben, der später dann als Palast ausgebaut wurde (Abb. 38 c,Vorgänger-
32 Jahresbericht 2007 des DAI
bebauung?). Offensichtlich wurden zumindest Teile des Gutshofes weiterbenutzt und haben so zu dem unregelmäßigen Verlauf der Nordwand der ersten
Ummauerung geführt, die auch in der zweiten Ausbauphase nicht begradigt
wurde. Eine Pforte im zweiten Mauerring könnte sogar dafür sprechen, dass
auch Anfang des 4. Jhs. n. Chr. dieser außerhalb gelegene Bereich noch in
Benutzung war und in einer Verbindung zum Palast stand (Abb. 38 c, Pforte).
Gleichzeitig zeigt das Messbild, dass der innere Bereich nicht großflächig
von einer spätantiken/mittelalterlichen Bebauung überzogen ist, sondern sich
diese offensichtlich auf begrenzte Bereiche um die Kirchen und den Bereich
der ehemaligen Therme beschränkte.
Die im letzten Jahr begonnene Katalogisierung der dekorierten Bauglieder wurde fortgesetzt, dabei konnten ca. 270 von ihnen bildlich und textlich
erfasst werden. Bei Begehungen im Gelände geborgene dekorierte Fragmente,
darunter nahezu vollständig erhaltene Platten der Nischendekoration des Osttores, wurden in das Magazin verbracht.
Die Sichtung der dekorierten Bauglieder ergibt bereits jetzt zahlreiche
neue Fragestellungen, die für die Gesamtbetrachtung der Palastanlage des
Galerius interessante neue Aspekte aufwerfen. Der vorwiegende Anteil an dekorierten Baugliedern stammt von der Architekturdekoration des Ost- und
Westtores der jüngeren Umfassungsmauer und dem Bereich des großen Tempels. Sie zeigen ein stilistisch einheitliches Bild, variieren jedoch in Motivwahl
und typologischen Merkmalen deutlich voneinander. Interessanterweise lassen die dekorierten Bauglieder des kleinen wie auch großen Tempels, die aus
unterschiedlichen Materialien (Andesit und Marmor) gefertigt sind, einen
gleichen Formenapparat und Zeitstil erkennen. Dies könnte entweder für eine
zeitgleiche Anlage beider Tempel oder für eine Renovierung des altertümlich wirkenden kleinen Tempels zur Zeit der Errichtung des großen Tempels
sprechen. Da zahlreiche Bauglieder des großen Tempels in einem unfertigen
Zustand sind, stellt sich die Frage, ob dieser nie vollständig fertig gestellt worden ist oder der Tempelbau rasch hochgezogen und die Bauornamentik dann
Abb. 38 Romuliana-Gamzigrad (Serbien),
spätantiker Kaiserpalast. Vergleich der
Hauptausbauphase (Anfang 4. Jh. n. Chr.)
von Felix Romuliana (c) mit der severischen
Phase (Anfang 3. Jh. n. Chr.) des Kaiserpalastes auf dem Palatin in Rom (a) und dem
Altersruhesitz von Kaiser Diokletian in Split
(b). Die Ergebnisse der Geophysik im Palastinnern in Felix Romuliana (gelb) zeigen,
dass auch hier – vergleichbar mit den
Palastanlagen in Rom und Split – den Repräsentationsräumen ein Platz vorgelagert war
AA-2008/1 Beiheft
Zentrale in Berlin 33
Abb. 39 Romuliana-Gamzigrad (Serbien),
spätantiker Kaiserpalast. Hadrianisches
Kapitell, das von einer Vorgängerbebauung
im Umfeld des Palastes stammen muss
und offensichtlich im tetrarchischen Palast
wiederverwendet worden ist
AA-2008/1 Beiheft
in einem unfertigen Zustand belassen wurde. Dies ließe sich möglicherweise
mit dem Tod von Kaiser Galerius in Verbindung bringen, der schwerkrank im
Jahr 311 n. Chr. vor seiner geplanten Abdankung verstorben ist, so dass der
Palast nie als Altersruhesitz genutzt wurde.
Im Gegensatz zu den Bauteilen des großen Tempels zeigen die Bauglieder
aus dem Bereich des Palastes 1 keine einheitliche Ausführung. Sie weisen vielfach Spuren der Wiederverwendung auf. Daneben treten vereinzelt auch frühere, hadrianisch zu datierende Kapitelle auf, bei denen sich die Frage stellt,
welchem Vorgängerbau sie zuzuordnen sind (Abb. 39). Für die nachgalerische
Baugeschichte sind auch die theodosianischen Datierungen zweier Figuralkapitelle von Bedeutung, die bislang der ersten Bauphase zugeschrieben wurden.
Diese Beobachtungen, die eine lange Bau- und Nutzungsgeschichte des
Areals erkennen lassen, müssen im kommenden Jahr auf ihre Aussagekraft für
die bauhistorische Entwicklung des Gesamtpalastes hin überprüft werden, um
so weitere Aussagen zur Vorgängerbebauung, Renovierungsphasen und der
Nachnutzung des Palastes treffen zu können.
Mit der Bewilligung des Exzellenzclusters »Topoi« der Berliner Universitäten, an dem auch das DAI als Kooperationspartner beteiligt ist und in das das
Forschungsprojekt integriert werden konnte, eröffnen sich für 2008 Perspektiven für eine Ausweitung des Forschungsprogramms. Unter der übergeordneten Fragestellung »Central Places« soll am Beispiel Felix Romuliana exemplarisch aufgezeigt werden, in welchem Maß ein solcher Palast zentralörtliche
Funktionen einnahm, welcher Art diese Funktionen waren und wie groß ihre
Reichweite war. Dabei wird von der Hypothese ausgegangen, dass über eine
gezielte Ansiedlung neuer, sozial abgestufter Personengruppen im Umfeld
solcher neu angelegten Residenzen auch der umgebende Raum neuartig hierarchisiert wurde. Es ist daher zu fragen, inwieweit solche Palastneugründungen
Peripherisierungsprozesse auslösten, indem hier wirtschaftliche Produktivität
und Infrastrukturfunktionen gebündelt und so der übrigen Region entzogen
wurden sowie lokale Eliten sich gezielt in der Nähe des Palastes ansiedelten.
Durch einen großräumigen Umlandsurvey soll ab dem nächsten Jahr mit
archäologischen und geophysikalischen Methoden geklärt werden, ob es Siedlungen im Umfeld des Palastes gab, ob sich eine Verlagerung von Siedlungstätigkeit von der Prähistorie bis ins Mittelalter feststellen lässt und nach welchen
Modellen die landwirtschaftliche Nutzung der Ebene in den unterschiedlichen
Zeiten erfolgte.Von besonderem Interesse ist hierbei auch eine Untersuchung
des Wegesystems im weiteren Umfeld des Palastes. Es soll geklärt werden, wie
dieser an die bevorzugten Residenzstädte von Kaiser Galerius in Thessaloniki
und Serdica (das heutige Sofia) angebunden war, wie weitere spätantike, kaiserliche Palast- und Villenanlagen in der Umgebung, wie z. B. Mediana (Niş)
oder Şarkamen, in dieses System eingebunden und ob ältere Wegebezüge sogar
ausschlaggebend für die Wahl der Lage des Palastes waren.
Kooperationspartner: DAI, Römisch-Germanische Kommission (G. Sommer von Bülow); Lehrstuhl für Vermessungskunde der Brandenburgischen
Technischen Universität Cottbus; Archäologisches Institut der Akademie Belgrad; Archäologisches Institut der Philosophischen Fakultät Belgrad; Institute
for the Protection of Cultural Monuments of Serbia; Museum Zaječar •
Leitung des Projekts: U. Wulf-Rheidt (Bauforschung), G. Sommer von Bülow
(Archäologie); Leitung des Teilprojekts Bauornamentik: G. Breitner • Abbildungsnachweis: DAI, Zentrale, Architekturreferat, A. Pfützner (Abb. 36. 37;
38 c ); nach N. André u. a. aus: A. Hoffmann – U. Wulf (Hrsg.) Die Kaiserpaläste auf dem Palatin in Rom (2004) 168 (Abb. 38 a); nach S. Ćurčić, Ars
Orientalis 23, 1993, Abb. 3 (Abb. 38 b); G. Breitner (Abb. 39).
34 Jahresbericht 2007 des DAI
Tayma (Saudi-Arabien)
Auch in der heutigen Oasenstadt Tayma im Nordwesten Saudi-Arabiens prägen die Mauerzüge der antiken Stadtmaueranlage noch immer das Erscheinungsbild der modernen Siedlung. Beiderseits bis zur Mauerkrone hoch von
Sand eingeweht, muss der älteste Teil der Anlage so bereits schon in der späten Bronzezeit Anfang des 2. Jts. v. Chr. bestanden haben. Die differenzierte
Maueranlage, die mit unterschiedlichen Mauerzügen nicht nur den zentralen
Siedlungsbereich umfasst, sondern in großem Umfang alle für die Subsistenz
relevanten Areale miteinschließt (s. AA 2007/2, 168 Abb. 47), ist typisch für die
räumliche Organisation der Oasen in der Region. Mit dem archäologischen
Engagement des deutsch-saudischen Forschungsunternehmens (zum DFGProjekt Tayma an der Orient-Abteilung des DAI, s. auch S. 252–256) ist die
Möglichkeit gegeben, die Maueranlage dieser Oase exemplarisch und eingehend zu untersuchen.
Das Forschungsprojekt hat zum Ziel, die Maueranlage in ihrer zeitlichen
Entstehung zu verstehen, den Verlauf und den Aufbau der einzelnen Mauerzüge zu klären sowie konstruktive Besonderheiten und funktionale Zusammenhänge herauszuarbeiten.
Nachdem bereits im vergangenen Jahr die Mauern in einem Messsurvey
in Großteilen aufgemessen werden konnten, konzentrierten sich die Arbeiten
in der diesjährigen Kampagne auf die Untersuchung der Lehmmauern, die
Erstellung einer Typologie der unterschiedlichen Mauerwerksarten sowie die
Untersuchung der 2006 identifizierten turmartigen Anbauten.
In Bezug auf diese Anbauten wurden an zwei verschiedenen Stellen Sondagen durchgeführt, um in exemplarischer Weise Aufbau und zeitliches Verhältnis dieser Anbauten zu der Mauer zu klären. An der südlichen Begrenzung
des ›Compound W‹ (Abb. 40), einem abgegrenzten Bereich im Nordwesten
von Tayma, zeigte sich nach Freilegung ein bruchsteinerner Bau, der zu den
Seiten hin offen, stumpf an die Außenseite der Mauer gesetzt ist (Abb. 41).
Während der Anbau auf angewehtem Sand steht, reicht die Mauer tiefer und
muss also mit einigem zeitlichen Abstand vorher errichtet worden sein. Im
Falle des zweiten untersuchten Anbaus zeigte sich ebenso, dass diese Strukturen, die sich in ähnlichem Aufbau entlang den meisten Abschnitten der Maueranlage finden, an der Außenseite deutlich nach dem Bau der Mauer erst angefügt worden sind. Die funktionale Deutung dieser Anbauten bleibt nach wie
Abb. 40 Tayma (Saudi-Arabien), Mauerabschnitt im Nordwesten der Oase. Der
turmartige Anbau an der südlichen Begrenzung von ›Compound W‹ ist mit offenem
Querschnitt auf einer Sandanwehung
errichtet worden
AA-2008/1 Beiheft
Zentrale in Berlin 35
Abb. 41 Tayma (Saudi-Arabien), südliche
Begrenzung des ›Compound W‹. Freigelegter bruchsteinerner Bau
vor schwierig, denn ihre Gründungssituation, ihr offener Grundriss sowie ihre
mangelnde konstruktive Einbindung in das angrenzende Mauerwerk lassen
die Bauten, die möglicherweise ursprünglich eine Plattform getragen haben,
wenig wehrhaft erscheinen.
Kooperationspartner: Lehrstuhl Baugeschichte der Brandenburgischen
Technischen Universität Cottbus (K. Rheidt); DAI, Orient-Abteilung, DFGProjekt Tayma (R. Eichmann, A. Hausleiter, Th. Götzelt) • Förderung:
Fritz Thyssen Stiftung • Leitung des Projekts: P. Schneider • Mitarbeiter:
O. Conradt, T. Pusinelli (Brandenburgische Technische Universität Cottbus),
H. Jantzen (Freie Universität Berlin), G. Sperveslage (Humboldt-Universität
zu Berlin) • Abbildungsnachweis: P. Schneider (Abb. 40); G. Sperveslage
(Abb. 41).
Tripoli (Libanon), Handelsgroßbauten im Bazar der Altstadt
Tripoli – die zweitgrößte Stadt des Libanon – ist an der Mittelmeerküste im
Norden des Landes gelegen. Es weist eine lebendige Altstadt mit zahlreichen
bedeutenden Baumonumenten auf, die aus der mamlukischen (1289–1516
n. Chr.) und der osmanischen Periode (1516–1918 n. Chr.) stammen. Zusammen mit einem ungewöhnlich vollständig erhaltenen Korpus osmanischer
Gerichtsakten (1666–1918 n. Chr.) bietet die Stadt eine dichte Quellenlage
für Sozial- und Bauforschungsstudien. Das interdisziplinäre Stadtforschungsprojekt »Akteure und ihre Lebenswelten: Die Transformation der Stadt Tripoli
(Libanon) während des ›langen‹ 19. Jahrhunderts.« rekonstruiert und analysiert auf der genannten Quellengrundlage die tripolitanische Gesellschaft
und ihre Lebenswelten »Wohnen«, »Arbeiten« und »öffentliche Sphäre« in
einer Phase des Umbruchs und der Neuordnung im Osmanischen Reich.
Der Forschungsschwerpunkt »Arbeiten« konzentriert sich dabei zunächst auf
die Transformation der Handelsgroßbauten, primär ïŒnbauten, im Bazar von
Tripoli.
Im ïŒn al-ïayyŒ ¥n (Karawanserei der Schneider) wurde dieses Jahr eine
Bauuntersuchung durchgeführt, da das Gebäude zum Zeitpunkt der geplanten
Arbeiten einer Restaurierung unterzogen wurde. Es war daher zu erwarten,
AA-2008/1 Beiheft
36 Jahresbericht 2007 des DAI
Abb. 42 Tripoli (Libanon), Hān al-Hayyātīn.
˘
˘
˙
Heutige westliche Zugangssituation, deren
Gestalt auf eine Restaurierung zu Beginn
der 1990er Jahre zurückzuführen ist
dass die Struktur vieler Räume zugänglich sein würde, die normalerweise von
Einbauten oder Wandverkleidungen verdeckt ist.
Dieser Bau stellt im Gegensatz zu den anderen ïŒnŒt (Plur.) der Stadt, die
den Grundtypus der verschließbaren Hofanlage mit Pfeilerhalle und angegliederten Räumen variieren, eine teilüberdachte, langgestreckte Ladenpassage dar,
die im Obergeschoss Wohn- sowie Lagerräume aufweist. Auf seiner östlichen
Schmalseite wird das Gebäude über einen Torbau erschlossen, während im
Bereich seines westlichen Zugangs keine entsprechende Baustruktur erhalten
ist. Die dortige Eingangssituation wurde im Laufe der Zeit stark überformt und
vermittelt heute zwischen der Hauptrichtung des Gebäudes und der schräg
dazu verlaufenden Bazarstraße, S´q al-BazarkŒn, über die der ïŒn erschlossen
wird (Abb. 42) und die laut S. Weber im 19. Jh. ausgebaut wurde. Im Inneren
des Gebäudes deutet die Baustruktur der beiden gassenbegleitenden Ladenzeilen im Erdgeschoss auf eine sukzessive Erweiterung der Verkaufsflächen
zu Ungunsten des gemeinschaftlich genutzten Raumes. Um den Transformationsprozess des ïŒn rekonstruieren und seine Ursachen ermitteln zu können,
wurde eine Bauuntersuchung/ -dokumentation durchgeführt. Mit Hilfe eines
Laserdistometers wurden Maßskizzen zu Grund- und Aufriss des ïŒn angefertigt, die ergänzt durch das freundlicherweise zur Verfügung gestellte Aufmaß des ausführenden Architektur- und Restaurierungsbüros »TARMIM« in
digitale Pläne umgesetzt werden. Darüber hinaus wurden Baubefunde verbal
beschrieben, photographiert und gegebenenfalls in Skizzenform festgehalten.
Ein Ergebnis der Untersuchungen ist die Rekonstruktion von mehreren
Hauptphasen im Prozess der sukzessiven Vereinnahmung des Gassenraumes
durch die Ladenbesitzer (Abb. 43). Eine entscheidende Phase war dabei die
Demontage der erhöht gelegenen Bodenaufbauten in den Ladenkammern sowie der als »Darawand« bezeichneten vertikal klappbaren Holzflügel, die nach
Bedarf als Ladentore bzw. als überdachte, pritschenartige Ladenerweiterung
eingesetzt werden konnten. Stattdessen wurden niedrige Podeste aus Beton
vor den einzelnen Ladenkammern errichtet, die als temporäre Stellflächen für
die schweren mechanischen Nähmaschinen dienten. Diese neu eingeführten
Maschinen aus Europa machten die Umgestaltung der traditionellen Raumanordnung im Schneider-ïŒn erforderlich.
AA-2008/1 Beiheft
Zentrale in Berlin 37
43
Tripoli (Libanon)
Abb. 43 Hān al-Hayyātīn, Ladenzeilen im
˘ von Ost.
˘ Im˙ Zuge der aktuellen
Erdgeschoss
Restaurierungsmaßnahmen erfolgte eine
einheitliche Zurücksetzung der Ladentore,
die zuvor die Säulenarchitektur verdeckten.
Die einstmaligen, individuell gestalteten
Betonpodeste vor den Läden wurden
entfernt
Abb. 44 Hān al-Hāyyatīn (unten rechts),
˘
˘
˙
heutiger westlicher Zugang
von Innen mit
Blick auf den gegenüberliegenden Hān
˘
al-Misriyīn, der die Richtung des Sūq al˙
Bazarkān widerspiegelt
44
Eine weitere Feldforschungskampagne im kommenden Jahr widmet sich
dem Ausbau des S´q al-BazarkŒn im 19. Jh. und der Frage, ob bzw. inwieweit dabei die angrenzenden Handelsbauten ïŒn al-ïayyŒ ¥n sowie ïŒn alMi§riy¥n (Abb. 44) miteinbezogen wurden. Darüber hinaus wird angestrebt,
innerstädtische Verdichtungsmaßnahmen im 19. Jh. anhand des ïŒn aš-ŠŒw¥š,
dessen ursprüngliche Baustruktur stark überformt und durch Wohngeschosse
aufgestockt wurde, zu untersuchen und zu analysieren.
Kooperationspartner: Institut für Islamwissenschaft der Freien Universität
Berlin (G. Krämer); Fachgebiet Historische Bauforschung der Technischen
Universität Berlin (D. Sack); Institute for the Study of Muslim Civilisations of
The Aga Khan University (International) in the United Kingdom (S. Weber);
Orient-Institut Beirut; Lebanese University, Centre de Restauration et Conservation (R. Majzoub) • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: J. Meister (Bauforschung Handelsgroßbauten, Forschungsschwerpunkt »Arbeiten« ),
S. Weber (Leitung des übergeordneten Projekts) • Mitarbeiter: H. Ehrig •
Abbildungsnachweis: J. Meister (Abb. 42); H. Ehrig (Abb. 43); J. Meister (Abb.
44).
Lissos (Albanien)
Die im Vorjahr begonnenen deutsch-albanischen Ausgrabungen zur Erforschung des hellenistischen Lissos sowie die geoarchäologischen Untersuchungen in der nordalbanischen Küstenebene zur antiken Umwelt dieser illyrischen
Stadt wurden in der zweiten Kampagne fortgesetzt, in deren Mittelpunkt Flächengrabungen zur Klärung der Stadtgeschichte sowie die Bauaufnahme der
Stadtmauer mit auf ihre chronologische Einordnung abzielenden Sondagen
standen.
AA-2008/1 Beiheft
38 Jahresbericht 2007 des DAI
Abb. 45 Lissos (Albanien), die Toranlage
des Diateichisma, das die Ober- von der
Unterstadt trennt. Die neuen Grabungsergebnisse deuten darauf, dass diese Mauer
nicht erst in caesarischer Zeit entstand, sondern bereits gegen Ende des 3. Jhs. v. Chr.
im Zusammenhang mit der makedonischen
Eroberung im Jahr 213 v. Chr.
Die detaillierte Bauaufnahme des Diateichisma, der Trennmauer zwischen
der Ober- und Unterstadt (Abb. 45), ergab, dass es aufgrund seiner Werktechnik in engem Zusammenhang zu einem nachträglich errichteten Turm der
Akropolis-Ummauerung steht und damit wahrscheinlich zu einer nachträglichen groß angelegten Verstärkung der wohl bereits im 4. Jh. v. Chr. entstandenen Stadtmauern von Lissos gehört. Aufgrund seiner differierenden Werktechnik wurde es bisher häufig der caesarischen Zeit zugeordnet, zumal durch
Caesar initiierte Arbeiten an der Stadtmauer belegt sind (Caes. civ. 3, 29). Die
in einer Sondage gefundene Keramik legt jedoch eine Datierung bereits in
die 2. Hälfte des 3. Jhs. v. Chr. nahe; das Diateichisma und der Akropolis-Turm
gehören daher wahrscheinlich in den Kontext der Eroberung des illyrischen
Lissos durch Philipp V. von Makedonien im Jahre 213 v. Chr. Zur Bestätigung
dieses Befundes sind weitere Sondagen in der nächsten Kampagne geplant.
In der Unterstadt konnten in mehreren Grabungsbereichen Dachversturzschichten freigelegt werden, die auf mehrere großflächige Zerstörungen der
Stadt Lissos hindeuten (Abb. 46). Die früheste bisher nachgewiesene kann in
die 1. Hälfte des 2. Jhs. v. Chr. datiert werden und steht möglicherweise mit
Abb. 46 Lissos (Albanien), im Grabungsbereich A konnten mehrere Zerstörungsschichten freigelegt werden, die belegen,
dass Teile der Stadt mindestens zweimal
neu errichtet wurden
AA-2008/1 Beiheft
Zentrale in Berlin 39
Abb. 47 Lissos (Albanien), das Gebäude
in der Oberstadt wurde, wie die Grabungsbefunde zeigen, im 1. Jh. v. Chr. errichtet,
nachdem das Niveau der Terrasse durch
Auffüllen mit älterem Siedlungsschutt
erhöht worden war
Abb. 48 Lissos (Albanien), das spätantike
Baptisterium westlich der als Gedenkstätte des albanischen Nationalhelden
Skanderbeg restaurierten mittelalterlichen
Nikolaus-Kirche wurde in eine jüngere
Architektur integriert und blieb so weitgehend erhalten
AA-2008/1 Beiheft
den illyrisch-römischen Auseinandersetzungen im Zusammenhang, die 168
v. Chr. zur Errichtung eines römischen Protektorats führten. Auf die Zerstörung folgte eine Neuerrichtung der Stadt, wobei die Mauern mit Spolien
fundamentiert wurden, die offensichtlich durch das Abtragen der Stadtmauer
im Bereich des Südtores gewonnen wurden. Auch diese Architektur wurde
zerstört – wahrscheinlich gegen Mitte des 1. Jhs. v. Chr., als Lissos als wichtiger
Versorgungshafen in den römischen Bürgerkrieg einbezogen wurde. Für die
Neuerrichtung der Stadt wurden Teile der Unterstadt um ca. 2 m aufgeschüttet, wobei die alten Mauern als Fundamente weitergenutzt wurden.
Ein entsprechender Befund konnte auch in der Oberstadt von Lissos festgestellt werden, wo im Bereich eines Gebäudes gearbeitet wurde, das wegen der
sehr sorgfältigen Bearbeitung seiner Steinquader eine besondere Bedeutung
(Sepulkral-/Memorialbau?) gehabt haben muss (Abb. 47). Mehrere Sondagen
zeigten, dass das Fundament erst im 1. Jh. v. Chr. errichtet worden war, da sich
darunter mehrere Erdlagen mit vermischtem Keramikmaterial aus dem 3. bis
1. Jh. v. Chr. fanden – auch hier war also im 1. Jh. v. Chr. das Gelände im Zuge
einer Neuplanung aufgeschüttet worden.
Unsere Kenntnis von der späten Geschichte der Stadt wurde durch einen
Zufallsfund bereichert: Bei einer Sondage in der Unterstadt zur Überprüfung
von Strukturen des Georadarbildes des letzten Jahres wurde ein spätantikes
Baptisterium entdeckt, das in eine spätere – wohl mittelalterliche – Bebauung
einbezogen und, wie umliegende Becken nahe legen, in osmanischer Zeit in
einem nichtsakralen Kontext weitergenutzt wurde (Abb. 48).
Ergänzt wurden diese Arbeiten durch die Neuvermessung der Reste der zu
Lissos gehörenden Festung auf dem 410 m hohen Berg Mali Shelbuëmit und
durch naturwissenschaftliche Untersuchungen zur antiken Umwelt von Lissos.
Die geomorphologischen Untersuchungen wurden mit Bohrungen in Lissos
sowie in der nordalbanischen Küstenebene fortgesetzt; dabei zeichnet sich ab,
dass Lissos in illyrisch-römischer Zeit deutlich näher als bisher vermutet an
der Adria lag: Der in antiken Quellen erwähnte Hafen von Lissos war sehr
wahrscheinlich sogar ein Seehafen.
Kooperationspartner: Albanisches Archäologisches Institut, Tirana; Labor
für Geodäsie der Technischen Fachhochschule Berlin; Fachbereich Geographie der Philipps-Universität Marburg • Förderung: Lissos: DFG-Schwerpunktprogramm 1209: »Die hellenistische Polis als Lebensform. Urbane Struk-
40 Jahresbericht 2007 des DAI
turen und bürgerliche Identität zwischen Tradition und Wandel« • Leitung des
Projekts: G. Hoxha, O. Dally, A. Oettel • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen:
B. Lahi (Grabung und Keramik), H. C. Haas, S. Rudolph (Bauforschung),
M. Fiedler, G. Döhner (Keramik), R. Breuer, D. Hoxha, A. Kasa, G. Kosturi,
H. Kühne, E. Laçi, M. Lackner, J. Mueller von der Haegen, S. Oaie, G. Rrugia,
E. Shehi, B. Shkodra,W. Streblow, U.Tota, P.Wodtke (Archäologie), U. Rübens,
D. Hein (Geodäsie), H. Brückner, L. Uncu, K. Boldt (Geographie), S. Jahns
(Archäobotanik) • Abbildungsnachweis: A. Oettel (Abb. 45–48).
Naturwissenschaftliche Forschungen – Archäozoologie
In diesem Jahr wurden Untersuchungen an Tierresten auf verschiedenen Ausgrabungen des DAI sowie anderer Institutionen im In- und Ausland durchgeführt. Sie betrafen u. a. Fundmaterialien folgender Orte/Projekte: Okolište
(Bosnien-Herzegowina), Pietrele (Rumänien), Kırklareli (Türkei), Baalbek
(Libanon) und Darre-ye BolŒghi (Iran). Darüber hinaus wurden die archäozoologischen und molekulargenetischen Untersuchungen an den Pferdeskeletten aus Aržan 2 (Russische Föderation) zum Abschluss gebracht.
Über dieses Projekt soll nun näher berichtet werden: In den Jahren 2000–
2002 fanden gemeinsame russisch-deutsche Ausgrabungen am skythischen
Grabhügel Aržan 2 (Tuva, Westsibirien) statt. Der spektakulärste Fund war
das reich ausgestattete Fürstengrab (Grab 5). Im südöstlichen Teil der Anlage
stieß man auf ein Grab mit 14 Pferdeskeletten (Grab 16). Bei den Skeletten
handelt es sich um die Überreste von einst bäuchlings mit untergeschlagenen
Beinen und dicht nebeneinander niedergelegten Pferdekörpern (Abb. 49).
Die Ausführung der Bestattung legt nahe, dass die 14 Tiere gleichzeitig in das
Grab gelangt sind.
Abb. 49 Naturwissenschaftliche
Forschungen – Archäozoologie, Aržan 2
(Russische Föderation). Grab 16, Blick auf
die freigelegten Pferdeskelette. Im Hintergrund sind weitere Großkurgane zu sehen
AA-2008/1 Beiheft
Zentrale in Berlin 41
Das Alter der Pferde zum Zeitpunkt des Todes konnte nach dem Entwicklungsstand des Gebisses bzw. der Stärke der Zahnabnutzung bestimmt werden.
Referenzdaten heutiger spätreifer Kleinpferde bildeten die Grundlage für die
Altersschätzung. Nach den durchgeführten Untersuchungen stammen die Skelette von Tieren im Alter zwischen 8 und 20 Jahren. Allgemein ist bei Kleinpferden mit beständig hohen Leistungen zwischen dem 8. und 18. Lebensjahr
zu rechnen. Zu dieser Altersgruppe gehören die meisten der Pferde aus Aržan 2,
d. h. es handelt sich überwiegend um Tiere im besten Nutzungsalter. Das Geschlecht der Tiere konnte an den Beckenknochen nach der Gestalt des Schambeins ermittelt werden. Danach lassen sich alle 14 Pferde als männlich einstufen. Bei acht Pferden fanden sich Merkmalsausprägungen am Becken, die auf
kastrierte Tiere (Wallache) hindeuten. Von den 14 Skeletten weisen sieben
Erkrankungen im Bereich der Wirbelsäule auf. Dabei handelt es sich um Frakturen der Wirbelendplatten – und zwar ausschließlich an den Wirbeln aus dem
Bereich der Sitz- bzw. Sattelregion – bzw. nachfolgende Verwachsungen von
Wirbeln dieser Region. Derartige Veränderungen sind als Reaktion auf eine zu
starke und länger andauernde unphysiologische Belastung der Rückenpartie
der Pferde anzusehen. Sie dokumentieren indirekt die intensive Reitnutzung
der Tiere zu Lebzeiten.
Die Größe von Pferden wird am besten durch die Widerristhöhe wiedergegeben. Dieser Größenparameter kann bei Skelettfunden anhand der Länge
der großen Extremitätenknochen berechnet werden. Nach den Messwerten
der Skelette ergeben sich für die Pferde aus Aržan 2 Widerristhöhen zwischen
135 cm und 145 cm. Im Vergleich zu skythischen Pferden aus Gräbern im
Altaj-Gebirge waren die Tiere aus Aržan 2 relativ großwüchsig. Sie liegen im
oberen Variationsbereich der Pferde aus dem Altaj (Abb. 50). Vielleicht handelt es sich bei den Tieren aus Grab 16 um eine Auswahl von im Größenwuchs
besonders stattlichen Tieren. Die teilweise komplett erhaltenen Schädel der
Pferde aus Aržan 2 erlauben einige Hinweise auf die Kopfform der Tiere. Im
Verhältnis zur Körperhöhe erscheint der Kopf relativ groß, er ist kastenförmig
gestreckt. Der Nasenrücken selbst ist gerade, das vordere Ende scheint ramsnasig gestaltet gewesen zu sein. Wie Vergleiche verschiedener Schädelproportionen mit Schädeln rezenter Pferde zeigen, waren die Pferde aus Aržan in der
Kopfform heutigen Przewalskipferden ähnlich.
Die molekulargenetische Analyse von Knochenproben sämtlicher Pferdeskelette aus Aržan 2 erfolgte in der Arbeitsgruppe Paläogenetik am Institut für
Anthropologie der Universität Mainz sowie am Institut für Zoo- und Wild-
Abb. 50 Naturwissenschaftliche
Forschungen – Archäozoologie, Größenvariabilität der Pferde von Aržan 2 (Russische
Föderation) und der skythenzeitlichen
Pferde aus Gräbern im Altaj-Gebirge
nach der Länge des Mittelhandknochens
(Metacarpus)
AA-2008/1 Beiheft
42 Jahresbericht 2007 des DAI
tierforschung in Berlin. Alle Proben lieferten auswertbare Mengen an mitochondrialer und nuklearer DNA. Die Analyse der mitochondrialen DNASequenzen ergab ein überraschendes Ergebnis: Die 14 Hengste bzw. Wallache
aus Grab 16 von Aržan 2 repräsentieren 10 verschiedene Haplotypen oder genetische Varianten und zeigen somit eine nicht erwartete hohe Variabilität.
Eine Erklärung dafür könnte sein, dass die Pferde nicht aus einer gemeinsamen Herde stammen, andernfalls wäre eine deutlich schwächere Diversität zu
erwarten. Möglicherweise sind die Tiere aus mehreren Herden ausgewählt und
nur zusammen bestattet worden.
Ein Vergleich mit Sequenzmustern rezenter Pferderassen zeigt Übereinstimmungen bzw. Ähnlichkeiten mit verschiedenen Rassegruppen, z. B. mit
nordeuropäischen Ponyrassen oder Pferden von der Iberischen Halbinsel.Viele
der heutigen Haplotypen haben offenbar schon zur Zeit der Skythen existiert
bzw. sind aus diesen hervorgegangen. Dies stützt die Annahme einer polytopen
Domestikation des Pferdes im weiten Verbreitungsgebiet des Wildpferdes. Wie
die Analysen weiter zeigen, hatten die östlichen Wildpferde (u. a. Przewalskipferde) – entgegen einer weit verbreiteten Annahme – offenbar keinen Anteil
an der Herausbildung der frühen Hauspferde Sibiriens bzw. der skythischen
Pferde. Zwischen ihnen besteht nämlich eine große genetische Distanz.
Für die 14 Pferde aus Aržan 2 konnte mit Hilfe der molekulargenetischen
Analyse auch die Fellfarbe bestimmt werden. Es ließen sich vier Farbvarianten
nachweisen: braun, kastanienbraun, braun-weiß-gescheckt und schwarz (Tab.
1). Eine schwarze Fellfarbe tritt bei sieben Tieren auf und ist damit am häufigsten. Da es sich bei Schwarz um ein rezessives Farbmerkmal handelt, könnte es
sich bei diesen Pferden um eine besondere Zuchtvariante handeln.
Pferd
Farbe
Pferd
Farbe
1
schwarz
8
schwarz
2
braun
9
schwarz
3
kastanien-braun
10
braun-weiß-gescheckt
4
schwarz
11
kastanien-braun
5
kastanien-braun
12
kastanien-braun
6
schwarz
13
kastanien-braun
7
schwarz
14
schwarz
Tab. 1 Naturwissenschaftliche
Forschungen – Archäozoologie, Aržan 2
(Russische Föderation). Grab 16, Verteilung
der Fellfarben
Kooperationspartner: Arbeitsgruppe Paläogenetik am Institut für Anthropologie der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz; Institut für Zoo- und
Wildtierforschung Berlin; Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie Leipzig • Leitung der Projekte: N. Benecke • Abbildungsnachweis: DAI,
Zentrale, Naturwissenschaftliches Referat, M. Hochmuth (Abb. 49).
Naturwissenschaftliche Forschungen – 14C-Labor
Im Berliner 14C-Labor zur Altersbestimmung wird eine konventionelle Datierung mit Zählrohren vom Houtermans-Oeschger-Typ sowie mit den FlüssigSzintillationszählern Quantulus und ICELS durchgeführt. Die Datierungsgenauigkeit konnte auch in diesem Jahr gewährleistet werden.
Die 14C-Altersbestimmungen wurden mit großem Aufwand in der Probenchemie und der kernphysikalischen Messtechnik weitergeführt. Präzisionsdatierungen konnten durch Sicherung der Langzeitstabilität der 14C-Apparatur
und durch aufwendige Analysen zur Fehlererkennung ermöglicht werden.
AA-2008/1 Beiheft
Zentrale in Berlin 43
Die Datierungsergebnisse des Berliner 14C-Labors haben die zeitliche
Einordnung zahlreicher Fundplätze möglich gemacht und einen Beitrag beim
Aufbau von Chronologiesystemen in vielen Ländern geleistet. In diesem
Jahr wurden Datierungen für Projekte in den Ländern Bolivien, Georgien,
Mongolei, Rumänien, Saudi-Arabien, Syrien, Türkei, und Uzbekistan durchgeführt.
Die Analyse von Datenserien ist von immer größerer Bedeutung. Die umfangreiche Datenbank des Berliner 14C-Labors ermöglicht eine schnelle Einordnung der Datierungsergebnisse in die vorhandene Datenbasis. Die Datierungsergebnisse sind aber nur Wahrscheinlichkeitsverteilungen entlang der
realen Zeitachse. Sie müssen interpretiert werden, um zu schlüssigen Aussagen
zu gelangen. Dabei können Modellrechnungen hilfreich sein, die archäologische Informationen mit den Wahrscheinlichkeitsverteilungen entlang der
realen Zeitachse verknüpfen. Im Ergebnis gelangt man zu präziseren zeitlichen
Aussagen.
Ein Beispiel soll die Datierungsarbeit demonstrieren: Eine Serie von Datierungen ermöglichte die zeitliche Einstufung der kupferzeitlichen Tellsiedlung
M‡gura Gorgana bei Pietrele (Rumänien, s. hier S. 321–323). Mehrere Modellrechnungen erfolgten zur Auswertung und Interpretation der Datierungsergebnisse. Es wurden weitere Analysen zur Einordnung der Radiokohlenstoff^
datierungen Pietrele in die Datenbasis der Gumelnita-Kultur
durchgeführt.
Das Projekt zur Verbesserung der Flüssig-Szintillationszähltechnik mit
P.Theodorsson (Science Institute, University of Iceland) wurde bis zur Jahresmitte fortgesetzt. Das Ziel ist die Entwicklung einer neuen Generation von
preiswerten LSC-Spektrometern. Hierbei war es möglich, die Erfahrungen in
der LSC-Probenchemie und der Messtechnik einzubringen. In Zusammenhang mit diesem Projekt wurde die Leistungsfähigkeit des neu entwickelten
Gerätes getestet. Die bisher erreichten Ergebnisse sind sehr erfolgversprechend
und eröffnen neue Möglichkeiten für die 14C-Datierungsmethode.
Auch wurden Benzolproben des Labors aus den 1970er Jahren getestet, die
für Kontrolldatierungen verwendet werden können.
Leitung des Labors: J. Görsdorf.
Abb. 51 Naturwissenschaftliche
Forschungen – Dendrochronologie, Baalbek
(Libanon). Bohren eines Sturzholzes
AA-2008/1 Beiheft
Naturwissenschaftliche Forschungen – Dendrochronologie
In diesem Jahr konnte die Untersuchung von 2908 Proben erfolgreich abgeschlossen werden. Hinzu kommt der vorläufige Abschluss der Arbeiten an dem
bronzezeitlichen Komplex von Poggiomarino (Italien) mit einem Umfang von
fast 3000 Hölzern.
Das regionale Spektrum der Untersuchungen reicht von der Mongolei
(Grab in Noin-Ula/Han-zeitlich) über spätneolithische und sarmatische Grabfunde der Krim bzw. Ukraine bis hin zu mittelalterlichen Hölzern aus Amsterdam und deutschen Stadtkernen.
Anhand eines Beispiels soll die Datierungsarbeit demonstriert werden: Im
Rahmen ihrer Dissertation untersucht H. Lehmann (Brandenburgische Technische Universität Cottbus) die historische Bausubstanz in Baalbek (Libanon).
Im Zuge dieser Studie bot sich die dendrochronologische Untersuchung der
Wohnhäuser an, um damit einen Überblick über die zeitliche Struktur des
Stadtausbaues und der Wohnbebauung selbst zu erhalten. In den Häusern
finden sich massiv in Holz ausgeführte Decken, aber auch häufig kleinere
Sturzbalken über den Fenstern und Türen. Da die Häuser teilweise noch
bewohnt sind, wurden die Proben überwiegend mit sehr feinen Hohlbohrern
(5 mm Kern/7 mm Loch) bei minimalem Eingriff in die Bausubstanz gezogen,
hierbei wurden insgesamt 217 Proben gewonnen (Abb. 51).
44 Jahresbericht 2007 des DAI
52
53
Zur großen Überraschung besteht der überwiegende Teil des Bauholzes
nicht wie eigentlich zu erwarten aus Zedernholz, sondern aus Baumwacholder, der im Grenzgebiet zu Syrien auch noch heute anzutreffen ist. Jüngere
Bauphasen sind leider in der Regel mit sehr weitringigem Pappelholz ausgeführt, das sich wegen zu wenigen Jahrringen nicht für eine dendrochronologische Datierung eignet. Einige Proben bestehen auch aus Walnuss, Feige und
anderen Hölzern. Baumwacholder bildet sehr feine Jahrringe aus, neigt aber
bei ungünstigen Umweltbedingungen auch zu unvollständig oder gar nicht
ausgebildeten Jahrringen bzw. kann völlig unauflösbar enge Bereiche zeigen.
Die längsten Proben zeigen 240 Jahrringe. Es konnten 96 Proben untereinander synchronisiert werden. Der sich daraus ergebende Mittelwert lässt sich mit
dem Mittelwert der verfügbaren Zedernchronologien (1382–2002) aus dem
Libanon eindeutig synchronisieren (t-Wert 7,6) und überdeckt mit 1278 bis
1893 n. Chr. sogar einen etwas längeren Zeitraum (Abb. 52).
Die Daten belegen, dass die meisten Häuser in der 1. Hälfte des 19. Jhs.
errichtet worden sind (Abb. 53). Es gibt jedoch auch die Wiederverwendung
älterer Architekturteile in jüngeren Gebäuden.
Mit diesen Daten lässt sich die jüngere Entwicklung der Stadt recht gut
nachzeichnen und auch die Beziehung zu Neubauten und Zerstörung durch
die relativ häufigen Erdbeben herausarbeiten. In den wenigen Fällen der
schriftlichen Überlieferung stützen sich dendrochronologischer Befund und
Überlieferung gegenseitig, sofern bei den Proben wirklich Waldkanten (letzter
Ring unter der Rinde) vorliegen. Leider sind viele Hölzer im Außenbereich
jedoch mehr oder weniger stark bearbeitet und bei dem vorliegenden sehr
feinen Jahrringaufbau bewirkt schon eine kleine Abarbeitung des Außenbereiches den Verlust einer größeren Anzahl von Ringen, wodurch schnell eine
beträchtliche Differenz zum tatsächlichen Fälldatum entsteht. Dies lässt sich
nur durch gezielte Probenentnahme und genaue Dokumentation vor Ort eingrenzen.
Die bisherigen Ergebnisse erweitern die Basis zur möglichen Datierung
von Hölzern in dieser Region erheblich. Für das kommende Jahr sind der
weitere Ausbau der Chronologien und eine Ausdehnung der Untersuchung
auf weitere Gebäude vorgesehen.
Leitung des Projekts in Baalbek: M. van Ess (DAI, Orient-Abteilung) •
Leitung des Labors: K.-U. Heußner • Abbildungsnachweis: K.-U. Heußner
(Abb. 51–53).
Naturwissenschaftliche Forschungen –
Dendrochronologie, Baalbek (Libanon)
Abb. 52 Vergleich Zeder Libanon (rot)
gegen Wacholder Baalbek (grün)
Abb. 53 Grundsätzliche Lage der Daten
aus Wohnhäusern
AA-2008/1 Beiheft
Zentrale in Berlin 45
Naturwissenschaftliche Forschungen – Archäobotanik
Von mehreren Ausgrabungen des DAI sowie anderer Institutionen wurde in
diesem Jahr botanisches Material im Labor für Archäobotanik des DAI bearbeitet. Dies betrifft u. a. botanische Proben aus Pietrele (Rumänien), Aruchlo
(Georgien), Sohr Damb (Pakistan), Mogador (Marokko), Tayma (Saudi-Arabien), Tall HujayrŒt al-GhuzlŒn (Jordanien), Qreiye/cAyyŒš und Š¥r (Syrien),
Wadi Jufainah (Jemen), Göbekli Tepe und Aşağı Pinar (Türkei).
An dieser Stelle soll über das Projekt »Der Digitale Pflanzenatlas« näher
berichtet werden.
Aufbauend auf der Erfahrung des in Groningen publizierten Bandes »Digitaler Samenatlas der Niederlande« (R.T. J. Cappers u. a. 2006) enstand die Idee
zu diesem weiterführenden Projekt. Eines der Hauptziele ist es, mit Hilfe der
Bildverarbeitung und Bildanalyse einen weltweit gültigen Standard zur Materialbestimmung in der Archäobotanik zu schaffen. Die Resultate sollen in zwei
getrennten Bänden – »Digitaler Atlas der Nutzpflanzen« und »Digitaler Atlas
der Nutzpflanzen in der Archäologie« – sowie auf einer interaktiven Website
(Bilder, Kurzbeschreibung und zusätzliche morphometrische Daten) in mehreren Sprachen veröffentlicht werden. Die archäobotanischen Laboratorien in
Berlin und Groningen sind für dieses Projekt des Aufbaus eines einmaligen digitalen Materialarchivs sehr gut gerüstet. Die vorhandenen Vergleichssammlungen von Rezentmaterial umfassen über 20 000 Pflanzenarten. Das subfossile
Pflanzenmaterial stammt aus über 300 archäologischen Grabungen und stellt
unter anderem das weltweit größte Materialarchiv von Pflanzenmaterial archäologischer Fundstellen dar.
In diesem Jahr wurde die Materialaufnahme für den ersten Band des Digitalen Pflanzenatlas abgeschlossen. In diesem Band werden fast alle Pflanzen zusammengetragen, die durch den Menschen als Nutzpflanzen angewendet werden – angebaute sowie gesammelte Pflanzen. Es handelt sich dabei vor allem
um Pflanzen, die beispielsweise als Nahrung, Gewürz, Genussmittel, Medikament, Farbstoff, Gerbstoff oder Baumaterial verwendet werden. Weltweit gibt
es etwa 10 000 bekannte Nutzpflanzenarten, wovon ca. 3500 in diesem Band
abgebildet werden sollen. Piktogramme werden die Verwendung der verschiedenen Pflanzen zeigen. Neben Samen und Früchten zeigt der Atlas auch andere Pflanzenteile wie Wurzeln, Zwiebeln, Knollen, Stängelfragmente, Blätter,
Blüten und Knospen. Außerdem gibt es Beispiele von Gebrauchsgegenständen, die aus Pflanzenteilen hergestellt wurden, zum Beispiel einen Bettelnapf
aus der Seychellennuss (Lodoicea maldivica, Abb. 54).
Abb. 54 Naturwissenschaftliche
Forschungen – Archäobotanik: Bettelnapf aus einer Nuss der Seychellenpalme
(Lodoicea maldivica, L 35 cm)
AA-2008/1 Beiheft
46 Jahresbericht 2007 des DAI
55
56
Zur Ergänzung der Vergleichssammlung um das derzeitige Angebot an Handelspflanzen wurden in den letzten Jahren unter anderem viele Märkte und
Gewürzläden in der Alten Welt besucht. In diesem Jahr sind zwei einwöchige
Sammelreisen nach Indien und Marokko gemacht worden, wo bei Gewürzhändlern (Abb. 55. 56) und Großhändlern sowie auf Bauernmärkten insgesamt
knapp 850 unterschiedliche Nutzpflanzen gesammelt werden konnten. Es hat
sich herausgestellt, dass sich das Angebot seit dem letzten Jahrzehnt verändert
hat. Einerseits hat die Globalisierung – vor allem die Migration von Menschen
und die zunehmenden Gütertransporte – zur Folge, dass das Angebot, insbesondere von Nahrungspflanzen, vielfältiger geworden ist. Andererseits aber hat
die Globalisierung auch zu einer bestimmten Verknappung des Angebots geführt: Vor allem viele Medizinalpflanzen verschwinden aus dem Handel und
damit auch das Wissen über ihre Nutzung.
Damit zeigt dieser Atlas nicht nur die Pflanzen auf, die heute den Markt
bestimmen, sondern auch die Pflanzen, die nur noch in Fachgeschäften erhältlich sind. Das Werk kann als ein wichtiges Zeitdokument betrachtet werden,
das nicht nur für unterschiedliche Experten wie Archäobotaniker, Pharmazeuten oder Ethnologen, sondern auch für eine breitere Öffentlichkeit von
Interesse ist.
Kooperationspartner: Groningen Instituut voor Archeologie (GIA) und
Community and Conservation Ecology Group (COCON) der Staatlichen
Universität Groningen (R.U.G., Niederlande) • Leitung des Projekts:
R. Neef, R. T. J. Cappers (Groningen) • Abbildungsnachweis: R.U.G./DAI
(Abb. 54–56).
Naturwissenschaftliche Forschungen –
Archäobotanik
Abb. 55 Gewürzhandel in Marrakesch
(Marokko)
Abb. 56 R. T. J. Cappers in einem Gewürzladen in Tiznit (Marokko)
Wissenschaftliche Veranstaltungen
Hauskolloquien der Wissenschaftlichen Abteilung
21. Februar Susanne Moraw (Berlin), Odysseus und Polyphem. Zur Odysseerezeption in Spätantike und früher Neuzeitxxx21. März Ramazan Özgan
(Konya), Die neuen Grabungen in Knidos: Ein Brunnenmonumentxxx18. SepAA-2008/1 Beiheft
Zentrale in Berlin 47
tember Rubina Raja (Oxford/Hamburg), Neue Räume für neue Ideen?
Raumkonzeption und -wahrnehmung am Beispiel des Zeus-Heiligtums in
Gerasaxxx21. November Nicola Terrenato (Ann Arbor), The Origins of Roman Villas.
Vortragsreihe »Bauforschung im Wiegandhaus«
25. Januar Philipp Speiser (Berlin), Der Fatimidenfriedhof in Assuan (Abb. 57)
15. Februar Hauke Ziemssen (Berlin), Stadt und Palast im Rom des Maxentius
1. März Arzu Öztürk (Istanbul), »Ein unbeschreibliches Chaos von Bruchstücken«. Das Theater in Ephesos: Neue Forschungenxxx19. April Joachim
Heiden (Berlin) – Corinna Rohn (Cottbus), Die antike Siedlungstopographie
Triphyliens (Peloponnes)xxx24. Mai Alexander von Kienlin (München), Nag
el-Hagar – Ein rätselhafter spätrömischer Palast in Oberägypten.
Abbildungsnachweis: DAI, Zentrale, Architekturreferat; Ph. Speiser (Abb.
57).
Naturwissenschaftliche Forschungen an der Zentrale
30. März Norbert Benecke (Berlin) – Mélanie Pruvost (Berlin), Archäozoologie und Molekulargenetik – Aktuelle Projektexxx24. Oktober René T. J.
Cappers (Groningen), Foodsteps – Roman Spice Trade in Egypt. And an
Introduction to the Digital Atlas Projectxxx14. November Christine Rütze
(Mainz) – Amelie Scheu (Mainz), Frühe Tierdomestikationen aus molekulargenetischer Sicht.
Berichte der Wissenschaftlichen Abteilung
26. Januar Uta Dirschedl, Der archaische Apollontempel (›Tempel II‹) in Didyma – Ein Werkstattberichtxxx2. Februar Ortwin Dally – Peter I. Schneider,
Milet in der Kaiserzeit und in der Spätantikexxx28. Februar Florian Seiler –
Sebastian Vogel, Rekonstruktion der antiken Kulturlandschaften in der SarnoEbene. Ein interdisziplinäres Kooperationsprojekt des DAI mit Partnern aus
Altertumswissenschaften und Geowissenschaften in Italien und Deutschland
27. April Claudia Winterstein, Der Şekerhane Köşkü in Selinus – Bauhistorische Untersuchungen zum vermuteten Kenotaph des Kaisers Trajan; Simone
Wolf, Die sog. Königlichen Bäder von Meroë/Sudan. Überblick über die bisherigen Arbeiten und die Kampagne 2007xxx28. Juni Andreas Oettel, Lissos in
Albanien – Ein Werkstattberichtxxx6. Dezember Michael Krumme, Wissenschaft, Karriere, Ideologie. Walther Wrede, Direktor DAI Athen, 1936–1944.
Abb. 57 Vortragsreihe »Bauforschung im
Wiegandhaus«, Einladung zum Vortrag von
Philipp Speiser
AA-2008/1 Beiheft
Kolloquien, Symposien, Kongresse,Vorträge
18. Januar Vortragsveranstaltung im Vorfeld der Konferenz Computer Applications and Quantitative Methods in Archaeology (CAA) 2007 (in Zusammenarbeit mit dem Interdisziplinären Zentrum Alte Welt der Freien Universität
Berlin, der Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz und der CAA Deutschland). – Es sprach: Nick Ryan
(Kent), Smart Museums, Sites and Landscapes: New Technology in the Service
of Cultural and Natural Heritage.
2. bis 7. April 35. Internationale Konferenz Computer Applications and
Quantitative Methods in Archaeology (CAA) 2007 »Layers of Perception«
(Organisation: DAI, Interdisziplinäres Zentrum Alte Welt der Freien Universität Berlin, Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung
Preußischer Kulturbesitz, CAA Deutschland; Schirmherrschaft: Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier; Aufnahme in das kulturelle Rahmenprogramm der deutschen EU-Ratspräsidentschaft). – Mit 553 Teilnehmern aus
48 Jahresbericht 2007 des DAI
Albanien, Algerien, Australien, Belgien, Dänemark, Deutschland, Estland,
Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Guinea, Irland, Israel,
Italien, Japan, Kanada, Mexiko, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen,
Portugal, Rumänien, Russland, Schottland, Schweden, Schweiz, Slowakei,
Slowenien, Spanien, Südkorea, Taiwan, Tschechien, Türkei, Ukraine, Ungarn,
USA und Zypern (Abb. 58).
Für weitere Informationen zur Konferenz CAA 2007 und für das ausführliche Programm der Veranstaltung s. a. im Internet auf der offiziellen Homepage unter <http://www.caa2007.de> sowie unter <http://www.caa2007.de/
download/caa_brosch_web.pdf>.
Abbildungsnachweis: DAI, Zentrale, P. Grunwald (Abb. 58).
5. bis 7. Juli Internationaler Skythen-Kongress »Reiternomadische Eliten
der eurasischen Steppe« (in Verbindung mit der Skythen-Ausstellung »Im
Zeichen des Goldenen Greifen. Königsgräber der Skythen« im Martin-Gropius-Bau Berlin; Organisation: DAI, Museum für Vor- und Frühgeschichte
der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz; Finanzierung: DFG [im Rahmen des Jahres der Geisteswissenschaften – Das ABC
der Menschheit]). – Es sprachen: Wilfried Grolig (Ministerialdirektor, Leiter
der Kultur- und Bildungsabteilung, Auswärtiges Amt) – Matthias Kleiner
(Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft) – Günther Schauerte
(Stellv. Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz), Grußworte; Hermann Parzinger (Präsident des Deutschen
Archäologischen Instituts), Reiternomadische Eliten der Skythenzeit. Eine
Einführung in das Thema • Sektion 1 »Skythenzeitliche Eliten in Tuva: Das
Fürstengrab von Aržan 2«: Konstantin Čugunov (St. Petersburg) – Hermann
Parzinger (Berlin) – Anatoli Nagler (Berlin), Der skythenzeitliche Fürstenkurgan Aržan 2; Barbara Armbruster (Toulouse), Die Goldschmiedetechnik aus
Aržan 2; Norbert Benecke (Berlin), Die Pferdeskelette von Aržan 2: Archäozoologie und Molekulargenetik; Tatjana Čikiševa (Novosibirsk), Anthropologische Untersuchungen an den Skeletten aus Aržan 2; Michael Schultz (Göttingen), Paläopathologische Untersuchungen an Skeletten aus Aržan 2 • Sektion 2 »Skythenzeitliche Eliten in Südsibirien«: Elena Korol’kova (St. Petersburg), Die Sibirische Sammlung Peters des Großen: Geschichte der Entstehung und Interpretation; Andrej Gotlib (Abakan) – Hermann Parzinger
(Berlin) – Anatoli Nagler (Berlin), Fürstenkurgane der Tagar-Kultur: Salbyk
und Barsučij Log; Ljudmila Barkova (St. Petersburg), Neue Forschungen zu
den Mumien aus Pazyryk; Natal’ja Polos’mak (Novosibirsk), Die Denkmäler
der Pazyryk-Kultur auf dem Ukok-Plateau; Jean Bourgeois (Ghent) – Wouter
Gheyle (Ghent) – Alain De Wulf (Ghent) – Rudi Goossens (Ghent), Archäologische Forschungen der Universität Ghent von 2003–2006 in der KochAgatch Region (Altaj Gebirge, Republik Altaj); Vjačeslav Molodin (Novosibirsk) – Hermann Parzinger (Berlin) – Damdinsuren Ceveendorž (Ulaanbaatar), Das skythenzeitliche Kriegergrab von Olon Kurin Gol • Sektion 3:
»Skythenzeitliche Eliten in Kazachstan«: Sejnolla Samašev (Al-maty), Reiternomadische Elitengräber aus den Steppen Kazachstans; Henri-Paul Francfort
(Paris), Die Steppenkulturen und Kurgan 11 von Berel’ • Sektion 4: »Skythenzeitliche Eliten in Südrussland«: Leonid Jablonskij (Moskau), Ausgrabungen in Fürstenkurganen der südlichen Ural-Region; Maria A. Očir-Gorjaeva
(Ílista), Östliche und westliche Traditionen bei den Reiternomaden im unteren Wolga-Gebiet; Andrej Alekseev (St. Petersburg), Die Kurgane von Kelermes in ihrem historischen Kontext; Vladimir Erlich (Moskau), Das KubanGebiet in skythischer Zeit: Besonderheiten der materiellen Kultur, des Rituals
und der Kunst • Sektion 5: »Skythische Eliten in Nordschwarzmeerraum«:
Abb. 58 Hermann Parzinger eröffnet die
35. Internationale Konferenz CAA 2007
»Layers of Perception«
AA-2008/1 Beiheft
Zentrale in Berlin 49
Askold Ivantchik (Bordeaux/Moskau), Zur Bestattung skythischer Könige:
Herodot und die Archäologie; Marina Daragan (Kiev), Die räumliche Verteilung skythischer Kurgane im unteren Dnepr-Gebiet; Kirill Firsov (Moskau),
Zum Pferdegeschirr aus dem skythenzeitlichen Fürstenkurgan von Pokrovka
im Nordschwarzmeerraum; Yuriy Boltrik (Kiev) – Olena Fialko (Kiev), Der
Kurgan Oguz – Die Gruft eines der letzten Könige im europäischen Skythien;
Denis Žuravlev (Moskau), Zu den Zierblechen aus dem Kurgan Kul’-Oba; Jan
Chochorowski (Krakau) – Sergej Skoryj (Kiev), Das skythische Fürstengrab
von Ryžanovka • Sektion 6: »Skythenzeitliche Eliten vor den Toren Mitteleuropas«: Renate Rolle (Hamburg), Aspekte der sozialen Oberschicht bei den
europäischen Skythen; Biba Teržan (Ljubljana), Hallstattzeitliche Kriegereliten
an der westlichen Grenze der skythischen Welt; Manfred Nawroth (Berlin),
Der Goldfund von Vettersfelde: Vom Schwarzen Meer in die Lausitz; Hermann Parzinger (Berlin), Schlusswort • Podiumsdiskussion »Gibt es Kultur
ohne Tod? Fragen um Totenkult und Herrschaftsrepräsentation« mit: Thomas
Macho (Berlin), Stefan Maul (Heidelberg), Claudius Müller (München), Hermann Parzinger (Berlin), Olaf Rader (Berlin).
23. Oktober »Friedrich Hinkel Kolloquium« (zum Gedenken an den am
12. Juni 2007 verstorbenen Architekten und Bauforscher Friedrich W. Hinkel;
Organisation: DAI, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Botschaft der Republik Sudan).
– Es sprachen: Stephan J. Seidlmayer (Berlin-Brandenburgische Akademie
der Wissenschaften) – Baha’Aldin Hanafi (Botschafter der Republik Sudan)
– Hermann Parzinger (Präsident des Deutschen Archäologischen Instituts),
Grußworte; Charles Bonnet (Genf), F. Hinkel – A Life for the Ancient Sudan;
Hassan Hussein Idris (Khartoum), »Father of the Pyramids« – F. Hinkel and
the Preservation of Monuments; Jacques Reinold (Paris), The Final Regional
Development of Neolithic in the Sudan; Salah Mohamed Ahmed (Khartoum),
The Archaeological Map of the Sudan; Simone Wolf (Berlin), On the Bronze
Head of Augustus from Meroë; Abdel Rahman Ali (Khartoum), F. Hinkel and
the National Museum Khartoum; Ja-niceYellin (Boston),Thousands of Figures
– Recording the Reliefs of Meroë; Dietrich Wildung (Ägyptisches Museum
und Papyrussammlung der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer
Kulturbesitz), Schlusswort.
Workshops
9./10. Februar Workshop »Aktuelle Forschungen zur Konstruktion, Funktion und Semantik antiker Stadtbefestigungen« (Veranstaltungsort: Istanbul;
im Rahmen des Netzwerks »Manifestationen von Macht und Hierarchien in
Stadtraum und Landschaft« in Zusammenarbeit mit der Abteilung Istanbul des
DAI; Organisation: Janet Haberkorn [Berlin], Peter I. Schneider [Berlin], Felix
Pirson [Istanbul], Ulrike Wulf-Rheidt [Berlin], Torsten Zimmer [Istanbul], s.
auch hier S. 190).
15. Mai Workshop »Vom Berg zum Bauwerk. Antike Steinbrüche, Steinbearbeitung und ökonomische Fragen am Beispiel von Stadtmauern im griechischen und vorderorientalischen Raum«/»De la montagne au monument.
Carrières antiques, travail de la pierre et problèmes économiques liés aux
fortifications du monde grec et du Proche-Orient« (Organisation: Architekturreferat der Zentrale des DAI und Interdisziplinäres Zentrum Alte Welt der
Freien Universität Berlin). – Es sprachen: Silke Müth (Berlin) – Peter I. Schneider (Berlin), Begrüßung; Jean-Claude Bessac (Damaskus), L’étude technique
et économique de la construction de deux remparts en pierre du monde grec,
AA-2008/1 Beiheft
50 Jahresbericht 2007 des DAI
Messène et Doura-Europos: problématique et méthodologie/Die technische
und ökonomische Untersuchung zweier griechischer Stadtmauern aus Stein,
Messene und Doura Europos: Problematik und Methodologie; Ulrich Ruppe
(Frankfurt a. M.), Unregelmäßigkeiten im Fugenschnitt der Stadtmauer von
Priene: Nachlässigkeit oder ökonomisches Diktat?; Catharine Hof (Berlin),
Die Stadtmauer von Resafa, eine monumentale Anlage ›aus einem Guss‹?;
Franz Moll (Mönchengladbach) – Peter I. Schneider (Berlin), Das Steinmaterial in Tayma, seine Bearbeitung und quantitative Überlegungen zur Konstruktion im Mauerbau; Mike Schnelle (Berlin) – Christian Weiß (Erlangen), Die
Baumaterialien der Stadtmauer von Sirwah (Jemen) – Vom Steinbruch zum
Versatz; Brita Jansen (Bremen) – Claudia Bührig (Berlin), Die hellenistische
Stadtbefestigung von Gadara/Umm Qais (Jordanien) – Anmerkungen zur
Baugeschichte und Bautechnik; Filmvorführungen: »L’extraction traditionelle«
(»Der traditionelle Gesteinsabbau«) und »L’extraction antique« (»Der antike
Gesteinsabbau«); Praktischer Workshop: Steinbearbeitungstechniken an harten und weichen Gesteinen (Kalkstein und Sandstein) (Leitung: Jean-Claude
Bessac [Damaskus] und Christoph Kronewirth [Trier/Berlin]).
7. Juni Workshop »Vergangenheitsvorstellungen vormoderner Gesellschaften im Vergleich« (Organisation: Zentrale und Kommission für Archäologie
Außereuropäischer Kulturen, Bonn des DAI). – Es sprachen: Ortwin Dally
(Berlin), Begrüßung und Einführung; Thomas Götzelt (Berlin), Grenzen, Paradoxien, Tabus: Über die Konstruktion von Identität im frühen Alten Orient;
Stephan J. Seidlmayer (Berlin), Sufûf el Farrân – Ein neuartiger Denkmälerkomplex des Mittleren Reiches in Dahschur (Ägypten); Joachim Heiden
(Berlin), Mythenbildung der Eleer und Triphylier; Florian Seiler (Berlin),
Erinnerung und Gedächtnis: Einige Fallbeispiele aus Pompeji; Burkhard Vogt
(Bonn), Dammbauten und Dammbrüche in Erinnerung und Gedächtnis der
Südaraber in vorislamischer Zeit; Andreas Reinecke (Bonn), Geschichte eines
Symbols: Die Bronzetrommel; Hans-Georg Hüttel (Bonn), Erinnerung und
Gedächtnis in reiternomadischen Kulturen; Hans-Joachim Gehrke (Freiburg),
Abschlussdiskussion.
2. bis 5. September Workshop »The First Cataract: One Region – Various
Perspectives« (Organisation: Abteilung Kairo des DAI, Interdisziplinäres Zentrum Alte Welt der Freien Universität Berlin, Technische Universität Berlin).
– Es sprachen: Dietrich Raue (Kairo), Begrüßung und Einführung; Heiko
Riemer (Köln) – Mathias Lange (Berlin),Western Desert Surveys; Maria Gatto (Rom), Late Neolithic Sites; Dietrich Raue (Kairo), Elephantine in the 3rd
Millennium: Life in Egypt and Nubia; Richard Bussmann (Berlin), The Social
Setting of the Temple of Satet in the 3rd Millennium; Claudia Näser (Berlin),
Structures and Realities of Egyptian-Nubian Contacts from the Late Old to
the Early New Kingdom; Serena Giuliani (Rom), PanGrave and C-Group between Aswan and Kom Ombo; Stephan J. Seidlmayer (Berlin), Rock Inscriptions at Aswan: Epigraphy and Landscape Archaeology; Cornelius von Pilgrim
(Kairo), New Kingdom and Late Period on Elephantine; Anke Blöbaum
(Münster), Saite Inscriptions at the 1st Cataract; Wolfgang Müller (Kairo),
Hellenistic Aswan; Friedhelm Hoffmann (Würzburg), Demotic Ostraca from
Elephantine; Ruth Duttenhöfer (Trier), Greek Documents from Elephantine;
Ewa Laskowska-Kusztal (Warschau), Contribution of the Graeco-Roman
Elephantine to the Theology of the 1st Cataract Region; Kai-Christian Bruhn
(Heidelberg), Shifts of Power at the 1st Cataract; Alison Gascoigne (Southampton) – Pam Rose (Cambridge),The Fortress of El Bab; Philipp Speiser (Berlin),
Umayyad, Tulunid and Fatimid Tombs in Aswan; Sophia Björnesjö (Aix-enProvence),The History of Aswan during the Middle Ages; Felix Arnold (MadAA-2008/1 Beiheft
Zentrale in Berlin 51
rid), The First Cataract as a Border between two Cultures of Housing?; Adel
Kilani (Assuan) – Per Storemyr (Zürich) – Elisabeth Bloxam (London) – Tom
Heldal (Oslo), Excavations at the Obelisk and Survey at Wadi Abu Zubeira;
Quarries and Areas of Rock-art, Raw Materials of the Region; Magdi Abdin
(Assuan), Excavations at the Qubbet El-Hawa; Mohammed El-Bialy (Assuan),
Problems and Priorities for Future Work in the Region; Abschlussdiskussion.
2. November Workshop »Forschungen im Schwarzmeergebiet – Archäologie, Geographie, GIS« (in Zusammenarbeit mit dem Interdisziplinären Zentrum Alte Welt der Freien Universität Berlin). – Es sprachen: Ortwin Dally
(Berlin) – Katja Moede (Berlin), Eröffnung; Iulian Birzescu (Bukarest), Tari
Verde. Eine archaische Siedlung in der histrionischen Chora; Mareike Heinritz
(Berlin), Die Siedlung Chertovatoe 7 in der Chora von Olbia; Galina Trebeleva
(Moskau), Creation and Use of Geoinformation Systems – Archaeological
Sites of Northeast Black Sea Coast; Adam Rabinowitz (Austin), Archaeometric Analysis at Crimean Chersonesos: Prospects and Challenges; Katja Moede
(Berlin) – Judith Mahnkopf (Berlin), Ak Kaya – Geowissenschaftliche und
archäologische Untersuchungen auf der Zentralkrim; Sergey Smekalov (St.
Petersburg), Information System of Archaeological Monuments of Crimea –
From the Quantity of Data to the Quality of Research; Daniel Kelterbaum
(Marburg), Geoarchäologische Forschungen in ausgewählten Küstengebieten
des nordöstlichen Schwarzmeerraums; Abschlussdiskussion.
Veranstaltungen zu den Forschungsclustern des DAI
14. Mai Treffen des Forschungsfeldes 1 »Wasser« im Forschungscluster 2 »Innovationen: technisch, sozial« des DAI (Organisation: Florian Klimscha, OrientAbteilung des DAI). – Es sprachen: Ricardo Eichmann (Berlin), Einführung in
die Arbeitsgruppenproblematik; Arnulf Hausleiter (Berlin) – Benjamin Heemeier (Lübeck), Bedingungen für Innovationen in Oasen Nordwestarabiens,
Beobachtungen in Tayma und Dumat al-Jandal; Klaus Schmidt (Berlin) – Benjamin Heemeier (Lübeck) – Florian Klimscha (Berlin), Künstliche Bewässerungsanlagen des Chalkolithikums in Aqaba; Henning Fahlbusch (Lübeck),
Wasserversorgung in Pergamon, technische Überlegungen; Christof Schuler (München), Wasserversorgung in Rom, Schriftquellen; Patrick Keilholz
(Lübeck) – Claudia Bührig (Berlin), Zisternenwirtschaft im antiken Gadara,
heutiges Umm Qais; Hans-Georg Gebel (Berlin), Neue Befunde aus Ba’ja
(präkeramisches Neolithikum) und Qulban Beni Murr (Chalkolithikum),
Jordanien; Jutta Häser (Amman), Oasenwirtschaft im Oman; Burkhard Vogt
(Bonn), Der Große Damm von Marib; Iris Gerlach (Sana’a), Neue Befunde
aus dem Jemen; Andreas Schachner (Istanbul), Zisternenwirtschaft in ïattuÁa
(Boğazköy); Abschlussdiskussion.
4./5. Juni Treffen des Forschungsfeldes 2 »Grenzen politischer Räume«
im Forschungscluster 3 »Politische Räume« des DAI (Organisation: Joachim
Heiden, Zentrale des DAI). – Es sprachen: Joachim Heiden (Berlin), Begrüßung und allgemeine Fragestellung; Andreas V. Walser (München), Sympolitien und Synoikismen. Gesellschaftliche und urbanistische Implikationen von
Konzentrationsprozessen in hellenistischer Zeit; Udo Schlotzhauer (Berlin),
Kepoi: Survey und Grabungsprojekt; Joachim Heiden (Berlin) – Corinna
Rohn (Cottbus), Die antike Siedlungstopographie Triphyliens; Janet Haberkorn (Berlin), Die hellenistischen Stadtbefestigungen von Pergamon; Susanne
Sievers (Frankfurt a. M.) – Michèle Eller (Ingolstadt), Das keltische Oppidum
von Manching (Bayern); Peter I. Schneider (Berlin), Die Stadtmauer von
AA-2008/1 Beiheft
52 Jahresbericht 2007 des DAI
Tayma; Dietrich Raue (Kairo) – Stephan J. Seidlmayer (Berlin) – Philipp Speiser (Berlin), Der Erste Katarakt; Andreas Oettel (Berlin), Die frühbyzantinische
Siedlung von Tall D\r·t-Süd (Nord-Ost-Syrien); Markus Gschwind (Berlin),
Raphaneae; Claus-Michael Hüssen (Frankfurt a. M.), Römische Eroberung
und Grenzsicherung; Abschlussdiskussion.
11./12. Juni Treffen des Forschungsfeldes 4 »Orte der Herrschaft« im
Forschungscluster 3 »Politische Räume« des DAI (Organisation: Ulrike WulfRheidt, Zentrale, Architekturreferat des DAI). – Es sprachen: Ulrike WulfRheidt (Berlin) – Felix Arnold (Madrid), Begrüßung und Einführung; Joseph
Maran (Heidelberg), Tiryns. Transformationen des sozialen und politischen
Raumes von der mykenischen Palastzeit zu den ›Dunklen Jahrhunderten‹;
Ulrich Thaler (Athen), Die Architektur mykenischer Paläste als Dokument
und Gestaltungsrahmen frühgeschichtlicher Sozialordnungen; Axel Posluschny (Frankfurt a. M.), Frühkeltische Fürstensitze und ihr Umland; Torsten Zimmer (Istanbul), Die Basileia von Pergamon; Ulrike Wulf-Rheidt (Berlin), Die
Kaiserpaläste auf dem Palatin in Rom; Henner von Hesberg (Rom), Die Domitiansvilla von Castel Gandolfo; Heinz-Jürgen Beste (Rom), Domus Aurea;
Rudolf Haensch (München) – Roland Färber (München), Administrative
Räume der römischen Reichsverwaltung in der Hohen Kaiserzeit und der Spätantike; Gerda Sommer von Bülow (Frankfurt a. M.), Der spätantike Kaiserpalast Felix Romuliana bei Gamzigrad (Serbien); Felix Arnold (Madrid), Vom
römischen zum islamischen Raumverständnis. Spätantike Villen als Wurzel
islamischer Palastarchitektur; Diskussion.
29. Oktober Workshop zu Forschungsfeld 1 »Erschließung und Nutzung
von Räumen« im Forschungscluster 3 »Politische Räume« des DAI (Organisation: Ingo Motzenbäcker, Eurasien-Abteilung, Knut Rassmann, RGK,
Frankfurt a. M. des DAI). – Es sprachen: Ingo Motzenbäcker (Berlin) – Knut
Rassmann (Frankfurt a. M.), Begrüßung und Eröffnung; Erich Classen (Köln),
Relation und Position – Die Netzwerkanalyse als Bestandteil landschaftsarchäologischer Untersuchungen sozialer Räume; Hans-Peter Hahn (Frankfurt
a. M.), Zur Dynamik politischer Systeme ohne Zentralgewalt: Einige anthropologische Einsichten in nichtstaatliche Sozialordnungen; Diskussion; Felix
Pirson (Istanbul), Pergamon: Eine hellenistische Residenzstadt und ihr Umland;
Gabriele Rasbach (Frankfurt a. M.), Spätaugusteische Stadtanlage von LahnauWaldgirmes; Florian Seiler (Berlin) – Pia Kastenmeier (Pompeji) – Sebastian
Vogel (Berlin), Rekonstruktion der antiken Kulturlandschaften des SarnoBeckens. Ein interdisziplinäres Kooperationsprojekt; Ricardo Eichmann (Berlin) – Jutta Häser (Amman), Transformationsprozesse in Oasensiedlungen in
Oman; Dieter Vieweger (Jerusalem) – Jutta Häser (Amman), Das »Gadara
Region Project« in Nordjordanien; Ortwin Dally (Berlin), Taganrog und sein
Umland; Ingo Motzenbäcker (Berlin), Landschaftsarchäologie in Südkaukasien; Knut Rassmann (Frankfurt a. M.), Siedlungsarchäologische Studien zur
Frühbronzezeit am Südwestrand des Slowakischen Erzgebirges; Diskussion.
26./27. November Workshop zu Forschungscluster 2 »Innovationen: technisch, sozial« des DAI (Organisation: Orient-Abteilung, Eurasien-Abteilung,
Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik, München des DAI). – Es sprachen: Ricardo Eichmann (Berlin) – Svend Hansen (Berlin) – Christof Schuler
(München), Begrüßung • Berichte aus den Arbeitsgruppen: Michael Kunst
(Madrid), Bericht aus der Metall-AG; Christof Schuler (München), Bericht aus
der Wasser-AG; Nils Müller-Scheeßel (Frankfurt a. M.) – Stefan Burmeister
(Bramsche-Kalkriese), Bericht aus der Theorie-AG • Berichte aus den Projekten: Mayke Wagner (Berlin), CHIME: Stand der Untersuchungen; Svend Hansen (Berlin) – Agathe Reingruber (Berlin), Pietrele; Michael Prange (Bochum),
AA-2008/1 Beiheft
Zentrale in Berlin 53
Metalluntersuchungen an kupferzeitlichen Metallobjekten aus Pietrele; Andreas Hauptmann (Bochum) – Ulrich Hartung (Kairo) – Ali Abdel Motelib
(Kairo) – Kristina Pfeiffer (Berlin) u. a., Neue Untersuchungen zur Archäometallurgie des Sinai: Vorläufige Ergebnisse; Norbert Hanel (Bochum) – Andreas
Hauptmann (Bochum), Das Corpus Massarum Plumbearum Romanarum
(CMPR) – Eine interdisziplinäre Bestandsaufnahme zu Herkunft und Handel
mit römischen Bleibarren; Ueli Brunner (Pfäffikon), Die antike Oase von
Marib. Bewässerungsstrategien und gesellschaftspolitische Organisationsprinzipien als Voraussetzung für die Entstehung und Entwicklung der sabäischen
Kultur; A. Schachner (Istanbul), Die Wasserversorgung hethitischer Städte –
Grundlage einer Hochkultur; François Bertemes (Halle/Saale), Tavsan Adasi •
Allgemeine Perspektiven: Helmuth Schneider (Kassel), Innovationen in vorindustriellen Gesellschaften – Möglichkeiten und Grenzen einer Innovationsgeschichte; Ricardo Eichmann (Berlin), Architektonische Innovationen in
Mesopotamien (5.–3. Jahrtausend v. Chr.); Sara Saba (Durham), Water Management in Hellenistic Pergamum: The Astynomoi Law; Christof Schuler
(München), Privathäuser und öffentliche Wasserversorgung in antiken Städten;
Kerstin Hofmann (Rom), Die Einführung der Brandbestattungssitte im ElbeWeser-Dreieck; Volker Heyd (Bristol), Frühbronzezeitliche Komplexität in
Südosteuropa; Abschlussdiskussion.
17./18. Dezember Jahresabschlusstreffen von Forschungscluster 3 »Politische Räume« des DAI (Veranstaltungsort: Frankfurt a. M.; Organisation:
Römisch-Germanische Kommission, Frankfurt a. M., Kommission für Alte
Geschichte und Epigraphik, München, Eurasien-Abteilung, Zentrale des
DAI). – Es sprachen: Ortwin Dally (Berlin), Begrüßung; Friederike Fless
Berlin), »Topoi« und das Cluster • Sektion des Forschungsfeldes 1 »Erschließung und Nutzung von Räumen«: Ingo Motzenbäcker (Berlin) – Knut Rassmann (Frankfurt a. M.), Vorstellung der Ergebnisse des Arbeitstreffens von
Forschungsfeld 1; Andreas Zimmermann (Köln), Ressourcen-Nutzung und
soziale Verhältnisse zu Beginn des Neolithikums in Mitteleuropa; Diskussion;
Florian Seiler (Berlin) – Sebastian Vogel (Berlin) – Pia Kastenmeier (Pompeji),
Rekonstruktion der antiken Kulturlandschaften des Sarno-Beckens; Diskussion; Dirce Marzoli (Madrid) – Josef Eiwanger (Bonn), Ein phönizischer
Außenposten am Atlantik: Mogador und sein Hinterland; Diskussion • Sektion des Forschungsfeldes 2 »Grenzen«: Joachim Heiden (Athen), Zur Vorgehensweise des Forschungsfeldes; Susanne Sievers (Frankfurt a. M.) – Andreas
V. Walser (München), Theoretische Überlegungen zu Grenzen; Diskussion
• Referate über Stellungnahmen der Projekte zu zentralen Fragen des Forschungsfeldes: Janet Haberkorn (Berlin) – Corinna Rohn (Cottbus), Grenzen
zwischen ähnlichen politischen Räumen; Diskussion; Markus Gschwind
(Damaskus) – Claus-Michael Hüssen (Frankfurt a. M.), Grenzen zwischen
unähnlichen politischen Räumen; Diskussion • Gastvortrag der Sektion:
Ferdinand Pajor (Fribourg), Begrenzung spezifischer Handlungsräume auf
dem Münster- und Petersplatz zu Basel im Mittelalter und in der frühen
Neuzeit; Diskussion; Plenardiskussion: Planung für das nächste Jahr • Sektion des Forschungsfeldes 3 »Urbane Räume«: Heinz-Jürgen Beste (Rom)
– Klaus S. Freyberger (Rom), Vorstellung der Ergebnisse des Arbeitstreffens
von Forschungsfeld 3; Andreas Schachner (Istanbul), Vom lokalen Zentrum
zur internationalen Metropole. Zur urbanen Entwicklung der hethitischen
Hauptstadt Hattusa in der Spätbronzezeit; Klaus S. Freyberger (Rom), Die
Basilica Aemilia: Gestaltung und Nutzung urbaner Räume auf dem Forum
Romanum in Rom; Axel Filges (Frankfurt a. M.), Strukturwandel des öffentlichen Raumes im spät- und nachantiken Priene;Tonio Hölscher (Heidelberg),
AA-2008/1 Beiheft
54 Jahresbericht 2007 des DAI
Öffentliche Räume, politische Aktivitäten und religiöse Rituale. Überlegungen zur räumlichen Dimension antiker Lebensformen; Werner Eck (Köln),
Urbane Räume und die Präsenz von römischen Herrschaftsträgern • Sektion
des Forschungsfeldes 4 »Orte der Herrschaft«: Felix Arnold (Madrid) – Ulrike
Wulf-Rheidt (Berlin), Vorstellung der Ergebnisse des Arbeitstreffens von Forschungsfeld 4; Diskussion; Schwerpunktthema »Wege und rituelles Handeln
an Orten der Herrschaft«: Rudolf Haensch (München), Einleitung; Claus
Ambos (Heidelberg), Rituelle Wege an babylonischen Königssitzen; Joseph
Maran (Heidelberg), Tiryns; Diskussion; Henner von Hesberg (Rom), Castel
Gandolfo; Felix Arnold (Madrid), Der Weg zum Kalifen. Empfangsrituale und
ihre Auswirkung auf die räumliche Gestaltung des Kalifenpalastes von Córdoba; Stephan Hoppe (Köln), Wege und rituelles Handeln in Herrschaftssitzen der Renaissance; Diskussion; Plenarsitzung.
Öffentlichkeitsarbeit
9. Mai Jahresempfang des Deutschen Archäologischen Instituts aus Anlass
der Sitzung der Zentraldirektion: Jahresbericht des Präsidenten mit anschließendem Festvortrag (Veranstaltungsort: Deutscher Industrie- und Handelskammertag). – Es sprachen: Hermann Parzinger (Präsident des DAI), Aus der
Arbeit des Deutschen Archäologischen Instituts 2006; Klaus Schmidt (OrientAbteilung des DAI), Göbekli Tepe – Ein steinzeitliches Bergheiligtum.
14. Juni Gartenempfang aus Anlass der Vorstandssitzung und Mitgliederversammlung der Theodor Wiegand Gesellschaft e.V. sowie der Vorstellung
der neu gewählten Reisestipendiaten und Reisestipendiatinnen. – Es sprach:
Simone Wolf (Berlin), »Die Königlichen Bäder in Meroë: Ein Prunkbau in der
Residenzstadt des afrikanischen Reiches von Kusch«.
Am 26. August vertraten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Zentrale
das DAI beim Tag der offenen Tür der Bundesregierung im Auswärtigen Amt.
Sie betreuten den Stand des DAI und informierten interessierte Besucher über
die Aktivitäten des Instituts.
Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Architekturreferats führen in
regelmäßigen Abständen interessierte Gruppen oder Einzelpersonen aus dem
In- und Ausland durch das unter Denkmalschutz stehende Wiegandhaus, das
1912 nach Plänen des Architekten Peter Behrens für den Archäologen Theodor Wiegand errichtet wurde. Zudem erfolgten zahlreiche Führungen durch
das Naturwissenschaftliche Referat der Zentrale.
Lange Nacht der Wissenschaften
9. Juni Lange Nacht der Wissenschaften »Von den Reiternomaden bis zur
Weihrauchstraße: Aktuelle Forschungen modern präsentiert« Mongolische
Jurte. – Weihrauch. – Filmvorführungen: »Das Geheimnis der Eismumie« (aus
der ZDF-Reihe »Schliemanns Erben Spezial«); »Für die Ewigkeit geschaffen,
die Särge des Imeni und der Geheset« (zu den Forschungen der Abteilung
Kairo); »Jenseits von Eden – Lifestyle in der Steinzeit« (aus der ZDF-Reihe
»Terra X« zu Forschungen auf dem Göbekli Tepe, Türkei); »Die Minen des
Hephaistos – Hightech in der Kupferzeit« (aus der ZDF-Reihe »Terra X« zu
Forschungen im Wadi Aqaba, Jordanien); ZDF-»Morgenmagazin« aus Beirut
mit einem Beitrag zu den Forschungen des DAI im Libanon; »Die Kultur der
wilden Krieger« (Focus online-Video zur Untersuchung der skythenzeitlichen
Eismumie aus der Mongolei in Göttingen). – Führungen durch das Wiegandhaus. – Archäologie für Kinder: Gefunden, gegraben, geborgen – Eine SchatzAA-2008/1 Beiheft
Zentrale in Berlin 55
Abb. 59 Workshop für Kinder,
Urgeschichtliche Keramik selbst gemacht –
Töpfern nach antiken Motiven
Abb. 60 Skythen-Ausstellung im MartinGropius-Bau Berlin
Abb. 61 Abendempfang zur Eröffnung der
Skythen-Ausstellung an der Zentrale des
DAI in Berlin
60
AA-2008/1 Beiheft
suche; Urgeschichtliche Keramik selbst gemacht – Töpfern nach antiken Motiven (Abb. 59); Antike Schriften auf Papyrus – Erlernen der Technik und der
Schrift; Spielen wie in der Antike – Geschicklichkeits- und Würfelspiele mit
Knöchelchen, mongolische Knöchelorakel; Erstellen von Rollsiegelabdrücken;
Malen und Ausmalen orientalischer Motive. – Multimediapräsentationen: »100
Jahre DAI in Kairo«: Leinwand- und 3D-Präsentation der Forschungen in Elephantine, Historische Bilder und Fotos zur Geschichte der Abteilung Kairo;
Mit Google Earth zu den aktuellen Fundstellen des DAI; Bilder aus dem Leben
von Theodor Wiegand (1864–1936), ehemaliger Präsident des DAI. – Naturwissenschaften und Archäologie: Gruppenführungen zu den naturwissenschaftlichen Laboren des DAI; Präsentationen: Archäozoologie, Tierknochen
erzählen Geschichte; Dendrochronologie, Holz als Kalender; Archäobotanik,
Samen und Früchte aus 10 000 Jahren Landwirtschaft und Ernährung. – Benefiz-Tombola. – Büchertisch mit Publikationen der Archäologie. – Infostand
der Gesellschaft der Freunde des Deutschen Archäologischen Instituts – Theodor Wiegand Gesellschaft e.V. (TWG). – Orgel-Musik der Antike (Gruppe
»Musica Romana«). – Vorträge: Markus Reindel (Bonn), Technische Innovationen in der Archäologie; Adje Both (Berlin), Forschungen zur Musikarchäologie in Mexiko mit Tonbeispielen; Norbert Nebes (Jena), Die Kriegsherren
der Weihrauchstraße: Was sagt uns der Inschriftenstein von Sirwah, Jemen?
Zur Geschichte des Weihrauchs; Hermann Parzinger (Berlin), Der Krieger aus
dem Eis: Zum Fund einer skythenzeitlichen Mumie im mongolischen Altaj;
Dietrich Raue (Kairo), Aktuelle Grabungen in Elephantine; Mayke Wagner
(Berlin), Das vergessene Volk der Salar, Nordwest-China; Ricardo Eichmann
(Berlin), Forschungen des DAI im Vorderen Orient; Claudia Beuger (Berlin),
Die Funde auf dem Göbekli Tepe.
Abbildungsnachweis: DAI, Zentrale, P. Grunwald (Abb. 59).
Ausstellung
6. Juli bis 31. Oktober Skythen-Ausstellung »Im Zeichen des Goldenen
Greifen. Königsgräber der Skythen« (Abb. 60. 61; Ausstellungsort: MartinGropius-Bau Berlin; Organisation: DAI, Museum für Vor- und Frühgeschichte
der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz; in Zusammenarbeit mit dem Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg und der Kulturstiftung der Hypo-Kunsthalle München; Schirmherrschaft: Bundespräsident
Horst Köhler, Präsident der Russischen Föderation Vladimir Putin, Präsident
der Ukraine Viktor Jusčenko, Präsident der Republik Kazachstan Nursultan
61
56 Jahresbericht 2007 des DAI
Nasarbajev, Präsident der Mongolei Nambaryn Enkhbayar) • Am 4. Juli fand
ein Festakt im Abgeordnetenhaus des Landes Berlin statt. – Es sprachen: KlausDieter Lehmann (Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz), Begrüßung;
Frank-Walter Steinmeier (Bundesminister des Auswärtigen, Abb. 62) – Aleksandr S. Sokolov (Minister für Kultur und Massenmedien der Russischen
Föderation) – Jurij Bohutskyi (Kulturminister der Ukraine) – Askar Buribajev
(Stellv. Kulturminister der Republik Kazachstan) – Sanjbegz Tumur-Odir (Stellv.
Kulturminister der Mongolei), Grußworte; Hermann Parzinger (Präsident des
Deutschen Archäologischen Instituts), Einführung; Peter-Klaus Schuster (Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin), Eröffnung • Am 5. Juli wurde
die Ausstellung im Martin-Gropius-Bau Berlin eröffnet. – Es sprachen: PeterKlaus Schuster (Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin), Begrüßung; Matthias Kleiner (Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft) –
Sholban Kara-ool (Präsident der Republik Tuva) – Valerij Sidortschuk (Vorsitzender des Staatlichen Komitees für Tourismus der Republik Chakassien),
Grußworte; Hermann Parzinger (Präsident des Deutschen Archäologischen
Instituts), Einführung; Wilfried Menghin (Direktor des Museums für Vor- und
Frühgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz), Eröffnung • Am 19. September gab es eine Podiumsdiskussion zum
Thema »Im Zeichen des Goldenen Greifen. Ziele, Probleme und Chancen der
aktuellen Skythenforschung« im Rahmen der Vortragsreihe »Inselperspektiven
– Archäologie Universal« (Organisation: DAI, Staatliche Museen zu Berlin
Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Deutsche Bank Stiftung). – Es sprachen:
Jean Bourgeois (Ghent), Junhi Han (Paris),Wilfried Menghin (Berlin), Anatoli
Nagler (Berlin), Hermann Parzinger (Berlin); Gesprächsleitung: Andreas Kilb
(Berlin).
Abbildungsnachweis: DAI, Zentrale, P. Grunwald (Abb. 60–62).
Abb. 62 Bundesaußenminister FrankWalter Steinmeier anlässlich des Festakts im
Abgeordnetenhaus des Landes Berlin zur
Eröffnung der Skythen-Ausstellung
Veröffentlichungen
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts, 121, 2006
Archäologischer Anzeiger 2006/1 und 2006/2
Archäologischer Anzeiger 2007/1
Jahresbericht 2006, Beiheft zum Archäologischen Anzeiger 2007/2
Archäologische Forschungen 23, Aizanoi 1: Ph. Niewöhner, Aizanoi, Dokimion und Anatolien. Stadt und Land, Siedlungs- und Steinmetzwesen vom
späteren 4. bis ins 6. Jahrhundert n. Chr.
Demetrias 7: K. Hornung-Bertemes, Terrakotten aus Demetrias
Didyma III 4: Th. G. Schattner, Die Fundkeramik vom 8. bis zum 4. Jahrhundert
v. Chr. Mit einem Beitrag von J. Riederer
Didyma III 5: A. Filges, Skulpturen und Statuenbasen von der klassischen Epoche bis in die Kaiserzeit. Mit einer Neubearbeitung der Inschriften auf den
Basen durch W. Günther
Kalapodi 2: R. C. S. Felsch, Zur Stratigraphie des Heiligtums. Die Bronzefunde.
– H.-O. Schmitt, Die Angriffswaffen
Kerameikos 18: F. Ruppenstein, Die submykenische Nekropole. Neufunde und
Neubewertung
Milesische Forschungen 5: J. Cobet –V. von Graeve – W.-D. Niemeier – K. Zimmermann (Hrsg.), Frühes Ionien. Eine Bestandaufnahme. Panionion-Symposion Güzelçamlı, 26. September – 1. Oktober 1999
Olympische Forschungen 32: H. Baitinger – Th. Völling (†), Werkzeug und
Gerät aus Olympia. Mit einem Beitrag von H. Born
AA-2008/1 Beiheft
Zentrale in Berlin 57
Samos 25: Ch. Hendrich, Die Säulenordnung des ersten Dipteros von Samos
Sarkophag-Studien 3: G. Koch (Hrsg.), Akten des Symposiums des SarkophagCorpus 2001, Marburg, 2.–7. Juli 2001
Sarkophag-Studien 5: F. Işik, Girlanden-Sarkophage aus Aphrodisias
U. Hübinger – M. Menninger, Terrakotten der Westgriechen im Akademischen
Kunstmuseum der Universität Bonn
Bibliotheken und Archive des DAI
Bibliotheken: Die Bibliotheken des DAI besitzen einen Gesamtbestand von
ca. 850 000 Bänden, verteilt auf 11 Standorte. Der Ausbau des Angebots der
Bibliotheken des DAI konnte in diesem Jahr kontinuierlich fortgesetzt werden.
So wurde z. B. die bibliographische Nachweissituation verbessert, indem das
Angebot der elektronisch nachgewiesenen Daten um die der Abteilung Kairo
des DAI (<http://opac.kairo.dainst.org/>) sowie der Forschungsstelle Amman des Deutschen Evangelischen Instituts (DEI) erweitert (<http://opac-dei.
dainst.org/>) wurde. In den Abteilungen Rom, Istanbul, Madrid sowie der
Römisch-Germanischen Kommission und der Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik konnte die Retrokatalogisierung fortgesetzt werden,
in der Orient-Abteilung wurde ein großer Teil an arabischsprachigen Titeln
aufgenommen. In der Eurasien-Abteilung kam die Umsignierung von ca.
70 000 Bänden zum Abschluss. Raumbezogene Literatur für die »Archäologische Bibliographie« im Bereich Festschriften und Kongressberichte konnte
aufgrund von Mitteln des Exzellenzclusters »Topoi« aufgearbeitet werden.
Bei der Römisch-Germanischen Kommission wurde die Anzahl der bei der
»Bibliographie zur Vor- und Frühgeschichte Europas« kooperierenden internationalen Partner erweitert. Für die gesamte Sacherschließung wurden zusätzliche Kooperationsmöglichkeiten ausgelotet.
In Rom und Madrid erfolgten Bauarbeiten, in Bonn fand ein kompletter
Umzug der Bibliothek statt, in Kairo ein Umzug von 10 000 Bänden in eine
neue Kompaktusanlage.
Der Ausbau der Virtuellen Fachbibliothek Altertumswissenschaften »Propylaeum« (<http://www.propylaeum.de>) unter der Federführung der Bayerischen Staatsbibliothek München, der Universitätsbibliothek Heidelberg, der
Universitätsbibliothek Tübingen sowie der Humboldt-Universität zu Berlin
konnte fortgesetzt werden; die laufende Projektmitarbeit seitens des DAI war
intensiv, u. a. wurden die ZENON-Daten in Propylaeum Search integriert.
Der Bereich präsentierte sich bei diversen nationalen und internationalen
Fachveranstaltungen, Vertreter des Bibliotheks- und Archivwesens bzw. der
DFG statteten dem DAI Besuche ab.
Archive: Für die Archive des DAI wurde die Gesamtübersicht, gegliedert
nach Nachlass- und Autographenarchiven, Altregistraturen und Institutsakten
sowie nach Grabungsarchiven, laufend ergänzt. Für die geplante elektronische
Erschließung wurden Kernfelder erarbeitet, die Evaluierung verschiedener
Datenbanksysteme wurde fortgesetzt.
Ein Schwerpunkt der Arbeiten lag auf dem Forschungscluster 5 »Geschichte des Deutschen Archäologischen Instituts im 20. Jahrhundert« des DAI. In
der Abteilung Athen konnten Archivarbeiten intensiviert werden. Arbeiten
für die Erstellung eines Aktenplans für das gesamte DAI wurden begonnen.
Etat: Für den Bereich Bibliotheken und Archive konnten Sondermittel
zur Verfügung gestellt werden. Hierfür wurde ein Verteilungsschlüssel nach
Standorten erstellt und von der ZD bestätigt. Die Mittel wurden für dringend
AA-2008/1 Beiheft
58 Jahresbericht 2007 des DAI
notwendige Buchbinderarbeiten, Lückenergänzungen, Regalausstattung und
Bestandserhaltung sowie personelle Unterstützung verwendet.
Bibliotheksdirektorin: M. Linder.
Stipendien
Reisestipendium
Das Reisestipendium wurde an Birgit Bergmann, Christiane Brasse, Christina
Leypold, Jens Pflug und Nicolas Zenzen verliehen. Das Reisestipendium der
Kommission für Alte Geschichte und Epiraphik, München, erhielt Clemens
Koehn. Je ein halbes Reisestipendium der Römisch-Germanischen Kommission wurde Mariya Stefkova Ivanova und Martin Furholt zuerkannt (Abb. 63).
Abbildungsnachweis: DAI, Orient-Abteilung, A. Altenburg (Abb. 63).
Abb. 63 Die Reisestipendiaten 2007
des DAI mit dem Präsidenten Hermann
Parzinger (vorne Mitte) und den Referenten
des Generalsekretärs Susanne Moraw
(vorne rechts) und Hauke Ziemssen (hinten,
zweiter von links), vordere Reihe von links:
Birgit Bergmann, Mariya Stefkova Ivanova,
Christina Leypold und Christiane Brasse;
hintere Reihe von links: Clemens Koehn,
Nicolas Zenzen, Martin Furholt und Jens
Pflug
Fortbildungsstipendium
Je ein Fortbildungsstipendium des Instituts wurde Frauke Heinrich, Roland
Oetjen, Iken Paap und Andrea Schmölder-Veit zugesprochen.
Mitglieder des Instituts
Das Institut betrauert den Tod seiner Mitglieder Hermann Behrens (Wedel),
Kurt Böhner (Dinkelsbühl), Jean Bottéro (Gif-sur-Yvette), Ludwig Budde
(Münster), Riccardo Francovich (Siena), Peter Marshall Fraser (Oxford), Pietro Griffo (Rom), Karl Georg Hauck (Münster), Friedrich W. Hinkel (Berlin),
Hans B. Jessen (Berlin),Werner Krämer (Wiesbaden), Leonid Romanovič Kyzˇ Meduna (Brno), Hans Georg
lasov (Moskau), Hans K. Lauter (Marburg), Jirí
Niemeyer (Hamburg), Hansgeorg Oehler (Neustadt a. d. Weinstraße), Anton
Pestalozzi (Zürich), Luigi Polacco (Venedig), Friedrich Rakob (Münster),
Adolf von Schebek (Frankfurt a. M.), Josef Speck (Zug), Kenneth Arthur Steer
(Cheltenham), Raci Temizer (Ankara), Edibe Uzunoğlu (Istanbul), Henri van
Effenterre (Paris) und Jerzy Aleksander Wielowiejski (Warschau).
AA-2008/1 Beiheft
Zentrale in Berlin 59
Das Institut wählte zu Ordentlichen Mitgliedern Martin Bachmann (Istanbul), Karin Bartl (Damaskus), Friederike Fless (Berlin), Iris Gerlach (Sanaa),
Joseph Maran (Heidelberg), Henner von Hesberg (Rom), Barbara Helwing
(Berlin), Jürgen Kunow (Bonn), Hartmut Leppin (Frankfurt a. M.), Carola
Metzner-Nebelsick (Berlin), Bernhard Palme (Wien), C. Sebastian Sommer
(München) und Eva Stauch (Münster).
Zu Korrespondierenden Mitgliedern wurden gewählt Juan Manuel Abascal Palazón (Alicante), Abbas Alizadeh (Chicago), Walter Ameling (Jena), Joni
Apakidze (Tbilisi), Michael Baales (Olpe), Anna Banaka-Demake (Nauplio),
Dovdoi Bayar (Ulaanbaatar), José Beltrán Fortes (Sevilla), Reinhard Bernbeck
(Binghamton), Hartwin Brandt (Bamberg), David Braund (Exeter), Helmut
Brückner (Marburg), Alla Bujskikh (Kiev), Damdinsuren Ceveendorž (Ulaanbaatar), Hélène Cuvigny (Paris), Philippe della Casa (Zürich), Rudolf Echt
(Saarbrücken), Torsten Erik Edgren (Helsinki), Magdy el-Ghandour (Kairo),
Lothar von Falkenhausen (Los Angeles), Vincenzo Fiocchi Nicolai (Rom),
Irene Forstner-Müller (Kairo), Eckart Frahm (New Haven), Ángel Fuentes
Domínguez (Madrid), Antonio Gilman (Northbridge), Ian Glover (London),
Andrea Gnirs (Basel), Katja Goebs (Toronto), Ernie Haerinck (Ghent), Nairi
Hampikian (Kairo), Jan Harff (Güstrow), Stefan R. Hauser (Halle), Günther
Hell (Karlsruhe), Eric Huysecom (Genf), Salima Ikram (Kairo), Dénes Jankovich-Bésán (Budapest), Sławomir Kadrow (Krakau), Jochem Kahl (Münster),
Ismail Karamut (Istanbul), Necmi Karul (Istanbul), Lorenz Korn (Bamberg),
Klaus Kortüm (Esslingen), Ants Kraut (Tallinn), Detlev Kreikenbom (Mainz),
Kristian Kristiansen (Göteborg), Stephan Kroll (München),Vladimir D. Kuznetsov (Moskau), Audran Labrousse (Paris), Bashkim Lahi (Tirana),Thijs Jakob
Maarleveld (Oksbol), Christoph Markschies (Berlin), Emilio Martín Córdoba
(Málaga), Walter Melzer (Soest), Pierre Moret (Madrid), Sarah Morris (Los
Angeles), Felix Müller (Bern), Maria-Fotini Papakonstantinou (Lamia), Letizia
Pani Ermini (Rom), Susan Pollock (Binghamton), Daniel T. Potts (Sydney),
Heiko Prümers (Bonn), Jurij Rassamakin (Kiev), Jessica Rawson (Oxford),
Christian Robin (Paris), Robert Rollinger (Innsbruck), Antonella Romualdi
(Firenze), Claudio Sabbione (Kalabrien), Karin Sadr (Johannesburg), Rubí
Sanz Gamo (Madrid), Rolf Michael Schneider (München), Michael Schultz
(Göttingen), Erdmute Schultze (Berlin), Amida Sholan (Sanaa), Marzena
Smyt (Poznan), Josef Steiner (Karlsruhe), Harald Stümpel (Kiel), Barbara
Theune-Großkopf (Konstanz), Claudia Theune-Vogt (Berlin), Andreas Thiel
(Bad Homburg), Hilke Thür (Wien), Markus Trunk (Trier), Helle Vandkilde
(Aarhus), Paraskevi Vasilopoulou (Athen), Monika Verzàr-Bass (Trieste), Dieter Vieweger (Wuppertal), Ralf von den Hoff (Freiburg), Detlev Wannagat
(Rostock), Nicolas Warner (Kairo), Paul Yule (Heidelberg) und Denis Zuravlev (Moskau).
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Rom
Abteilung Rom
Via Sardegna, 79
I-00187 Rom
Tel.: +39-06-488 81 41
Fax: +39-06-488 49 73
E-Mail: [email protected]
Direktoren
Prof. Dr. Henner von Hesberg, Erster Direktor
Prof. Dr. Klaus Stefan Freyberger, Wissenschaftlicher Direktor
Wissenschaftliche Mitarbeiter
Dr.-Ing. Heinz-Jürgen Beste, Dr. Sylvia Diebner, Dr. Olaf Dräger (bis 31. 8.),
Dr. Matthias Grawehr (ab 1. 12.), Dr. Thomas Fröhlich, Dr. Sophie Helas,
PD Dr. Richard Neudecker
Auslandsstipendiaten
Dr. David Knipp, Dr. Kerstin Hofmann
Wissenschaftliche Hilfskräfte
Kristine Iara M. A., Katharina Meinecke M. A., Sabine Patzke (ab 19. 2.)
Aus Drittmitteln finanzierte Stellen
Nadin Burkhardt M. A. (Gerda Henkel Stiftung), Dipl.-Ing. Christine Ertel (DFG),
Martin Köder M. A. (Gerda Henkel Stiftung, bis 30. 9.), Johannes Lipps M. A. (DAAD),
Christiane Nowak M. A. (Gerda Henkel Stiftung), Dr. Ellen Thiermann (Gerda Henkel
Stiftung), Dr. Andreas Thomsen (Gerda Henkel Stiftung), PD Dr. Markus Wolf (Gerda
Henkel Stiftung)
Abteilung Rom 63
Ausgrabungen und Forschungen
Rom, Basilica Aemilia, ›Partherbogen‹ (›Arco di Giano‹) und Basilica Iulia
Basilica Aemilia: Zu den bekanntesten öffentlichen Repräsentationsbauten
zählt die Basilica Aemilia auf dem Forum Romanum. Aus der Auswertung der
archäologischen Zeugnisse und der schriftlichen Überlieferung lassen sich im
Wesentlichen vier Bauphasen ableiten. Das originale Gebäude, ein eingeschossiger Bau, wurde 179 v. Chr. eingeweiht. Eine Renovierung fand etwa um die
Mitte des 2. Jhs. v. Chr. statt. In der dritten Phase erhielt das Bauwerk ein Obergeschoss mit einer neuen und entschieden größeren Portikus auf der Südseite.
Nach einem Brand im Jahr 14 v. Chr. wurde der Monumentalbau gänzlich
renoviert und mit Marmor ausgestattet. Entgegen der allgemeinen Annahme
wurde das Bauwerk nach einer Brandschatzung durch die Westgoten im Jahr
410 n. Chr. nicht aufgegeben, sondern vollständig wiederhergestellt. Die Basilica Aemilia diente bis in das 7. Jh. n. Chr. als Bank und Gerichtsgebäude. Da
sie ein viel besuchtes Bauwerk war, eignete sie sich als Schauplatz für die Repräsentation ihrer politischen Akteure. Während in der republikanischen Zeit
sich die Familienoberhäupter der Aemilier mit eigenen Bildwerken zur Schau
stellten, nahmen in der Kaiserzeit zunehmend die Kaiser das Bauwerk für ihre
propagandistischen Zwecke in Anspruch.
Vor der Portikenfront auf der Südseite der Basilica Aemilia kamen bei Säuberungsarbeiten sechs kleine Bezirke von 2 m × 3 m Größe zutage, die ursprünglich mit einer Brüstung umfriedet waren. Am Eingang auf der Schmalseite führten Stufen in den tiefer gelegenen Bezirk hinab, an dessen rückwärtiger
Schmalseite sich das Sacellum befand. Zahlreiche Heiligtümer dieser Formgebung und Größe säumten den Forumsplatz und dessen Umfeld, wobei die
Venus Cloacina (Abb. 1), der Niger Lapis und der Lacus Curtius zu den bekanntesten Kultbauten dieser Art zählen. Nach der prominenten Lage entlang dem
Nordrand der Via Sacra und der langen Nutzung zu schließen, hatten diese
Monumente über einen langen Zeitraum einen hohen Stellen- und Erinnerungswert.
›Partherbogen‹ (›Arco di Giano‹): Zwischen dem Ehrenbogen für Gaius und
Lucius Caesar, der an der Südostecke der Basilica Aemilia aufragte, und dem
Tempel des Divus Iulius auf der Ostseite des zentralen Forumsplatzes stand über
Abb. 1 Rom, Basilica Aemilia. Portiken,
Südseite. Sacellum der Venus Cloacina
AA-2008/1 Beiheft
64 Jahresbericht 2007 des DAI
Abb. 2 Rom, ›Partherbogen‹, Platte der
Fasti consulares
Abb. 3 Rom, Basilica Iulia, Fußboden
mit streifenförmiger Ausnehmung zur
Aufnahme einer Schranke
2
3
dem tieferen Niveau der Via Sacra ein weiterer Bogen, der als ›Arco di Giano‹
bezeichnet wird. Nach den Zeichnungen von P. Ligorio waren im Durchgang
an den Innenseiten der Pylone die Fasti consulares (Abb. 2) und triumphales
angebracht. Zudem trug das Monument Reliefs und Statuen zur Schau, die
das wie ein Sieg gefeierte Friedensabkommen des Princeps mit den Parthern
verherrlichten. Der Thematik zufolge handelt es sich bei diesem Torbau um
den ›Partherbogen‹, dem Septimius Severus nach seinen siegreichen Feldzügen
gegen die Parther nahezu 200 Jahre später einen Triumphbogen am Beginn
des Aufgangs der Via Sacra zum Kapitol bedeutungsträchtig gegenüberstellen
ließ. Es ist geplant, alle bekannten Bauglieder dieses Torbogens und des ›Augustusbogens‹ auf der Südseite des Tempels des Divus Iulius in Zeichnungen und
Photographien aufzunehmen, um eine möglichst fundierte Rekonstruktion
beider Bögen zu gewinnen.
Basilica Iulia: Die aus den Untersuchungen abgeleiteten Ergebnisse über
die Basilica Aemilia werfen die Frage nach der Rolle der Basilica Iulia auf dem
Forum Romanum in Rom auf. Aus diesem Grund wurde ein weiteres Projekt
zur Basilica Iulia konzipiert. In einem ersten Schritt werden alle vorhandenen
Bausubstanzen und Fragmente des Gebäudes in maßstäblichen Zeichnungen
aufgenommen, um einen Grund- und Aufriss sowie die Bauphasen von republikanischer bis spätantiker Zeit zu gewinnen. Begonnen wurde mit der Freilegung des marmornen Fußbodens und der Aufnahme und Kartierung der auf
den Platten vorhandenen Spuren (Dübel- und Klammerlöcher, Einlassungen
für Schranken, Zeichnungen von Spielfeldern, Abb. 3). Die geplante Studie
gilt aber nicht nur dem Ziel, den architektonischen Befund des Bauwerks zu
studieren, sondern auch dessen Bestimmung und funktionale Verknüpfung mit
den angrenzenden Bauten auf dem Forumsplatz – insbesondere mit der Basilica Aemilia – zu klären. Dabei geht es schließlich um die Beantwortung der
Frage, in welcher Weise die politischen Institutionen und Räume im Bereich
des zentralen Forumsplatzes in der Republik und der Kaiserzeit definiert und
genutzt wurden.
Kooperationspartner: Soprintendenza Autonoma per i Beni Archeologici
di Roma (A. Bottini, I. Iacopi); Comune di Roma (E. La Rocca, C. Parisi-Presicce); Forschungsarchiv Antike Plastik der Universität zu Köln (R. Förtsch);
Archäologisches Institut der Ludwig-Maximilians-Universität München
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Rom 65
(R. Schneider); Institut für Geodäsie der Technischen Universität München
(K. Schnädelbach, Th. Wunderlich); Institut für Historisch-Kulturwissenschaftliche Informationsverarbeitung an der Universität zu Köln (M. Thaller)
• Förderung: DFG • Leitung des Projekts: K. S. Freyberger • Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen: I. D’Angelo, A. Darwisch, Ch. Ertel, M. de Felice, J. Lipps,
M. Sclafani, K. Tacke, M. Taviani, F. Willems • Abbildungsnachweis: D-DAIRom-dig2007.8060, D-DAI-Rom-dig2007.7285, H. Behrens (Abb. 1. 2);
K. S. Freyberger (Abb. 3).
Rom, Heiligtümer des Kaiserkultes auf dem Marsfeld
Die Heiligtümer des Kaiserkultes auf dem Marsfeld standen schon lange im
Mittelpunkt des wissenschaftlichen Interesses an der römischen Topographie.
An ihnen lässt sich von der frühen Kaiserzeit und den ersten unter Augustus
angelegten Bauten (Pantheon, Mausoleum) bis hin zu den Anlagen des 2. Jhs.
n. Chr. unter Hadrian und den Antoninen die steigende Bedeutung des Kultes innerhalb der ideologischen Rechtfertigung des Herrschaftsanspruchs der
Kaiser nachvollziehen. Im Mittelpunkt des Projekts steht der Wandel im 2. Jh.
n. Chr., in dem das Marsfeld eine neue Orientierung in West-Ost-Richtung
erhielt, die stärker von der Via Flaminia (heutige Via del Corso) hin zum
Mausoleum des Hadrian jenseits des Tibers führte, und damit die alte SüdNord-Achse vom Pantheon zum Mausoleum des Augustus markant kreuzte.
Wie diese Überlagerung im Einzelnen vor sich ging, ist weitgehend unklar,
nicht zuletzt wegen des Mangels an einer zusammenfassenden Auswertung der
teilweise sehr unterschiedlichen Dokumentation der diversen Grabungen und
Sondagen in den jeweiligen Gebäuden der Region. Ausgehend von den Untersuchungen, die aufgrund von Bauarbeiten gerade im Bereich des ›Templum
Matidiae‹ durchgeführt werden, wurde zunächst in dem Viertel um die Piazza
Capranica ein Netz von Messpunkten fixiert. Das sollte zum einen die Möglichkeit bieten, die älteren Forschungen des Instituts unter der Aegide von
E. Buchner im Bereich von S. Lorenzo in Lucina mit in die Überlegungen
einzubeziehen, vor allem aber helfen, die diversen Bauten im Bereich zwischen
Pantheon im Westen und der Säule des Mark Aurel und des Hadrianstempels
im Osten als Einheit zu erfassen und die diversen unterschiedlichen Dokumentationen in ihren Niveaus und Ausrichtungen zusammenzuführen (Abb. 4).
Abb. 4 Rom, Heiligtümer des Kaiserkultes
auf dem Marsfeld. Die Position der Säulenstellungen des Tempels für Hadrian und des
›Tempels der Matidia‹ auf dem Marsfeld
AA-2008/1 Beiheft
66 Jahresbericht 2007 des DAI
Kooperationspartner: Soprintendenza Archeologica di Roma (F. Filippi);
Institut für Geodätische Messtechnik und Ingenieurgeodäsie der EidgenössischenTechnischen Hochschule (ETH) Zürich (H. Ingensand) • Leitung des Projekts: H.-J. Beste, H. von Hesberg • Mitarbeiter: C. Cioffi, F. Dellera • Abbildungsnachweis: Comune di Roma, ergänzt durch DAI, Abteilung Rom (Abb. 4).
Rom, Domus Aurea
Nach der guten und erfolgreichen Zusammenarbeit bei Projekten zwischen der
Soprintendenza Archeologica di Roma und dem DAI ist nun erneut die Soprintendenza an das Institut mit der Bitte herangetreten, bei der mannigfachen
Bewältigung der Probleme (unvollständige graphische Dokumentation, unzureichende Kenntnisse der baulichen Situation sowie der statischen Verhältnisse)
in dem Baukomplex der Domus Aurea behilflich zu sein.
Nach dem großen Brand in Rom 64 n. Chr. ließ Nero in kürzester Zeit und
mit einem Geldaufwand, der die Staatskasse auf Jahre hinaus belastete, bis zu
seinem Tod im Jahr 68 n. Chr. eine neue Kaiserresidenz errichten, die weitaus
größer und luxuriöser war als die vorherigen Anlagen der Domus Tiberiana
und Domus Transitoria. Die sich auf ca. 80 ha verteilende Anlage zwischen Palatin, Oppius und Caelius umfasste neben dem eigentlichen Residenzgebäude
(Domus Aurea) einen künstlichen See, an dessen Stelle heute das Kolosseum
steht, ein gigantisches Nymphaeum, Portiken und Gartenanlagen (Abb. 5). Dieser ganze – zum Zeitpunkt des Todes Neros zwar noch nicht vollendete –
Komplex zählt dennoch mit den Palastanlagen auf dem Palatin, der Domitiansvilla in Castel Gandolfo und der Hadriansvilla bei Tivoli zum Inbegriff einer
Kaiserresidenz.
Unter Kaiser Vespasian (70–79 n. Chr.) wurde die Fertigstellung des Projekts
nicht weiter betrieben, vielmehr wurden mit der Errichtung einer Therme
Abb. 5 Rom, Domus Aurea. Blick auf das
Kolosseum und den nordöstlichen Bereich
der Domus Aurea (Colle Oppio)
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Rom 67
Abb. 6 Rom, Domus Aurea. Neuer Geländeplan vom nordöstlichen Bereich der Domus
Aurea (Colle Oppio)
(Titustherme) und eines Amphitheaters (Kolosseum) mit den dazugehörigen
Einrichtungen für Gladiatorenschulen und Magazine weite Teile des Residenzareals umgestaltet. Ein Brand im Jahr 106 n. Chr. beschädigte das vermutlich
halbfertige und offen gelassene Residenzgebäude (Domus Aurea) schwer, so
dass man die Anlage später als Substruktion für den Bau der ›Trajansthermen‹
nutzte.
Da Repräsentation ein in seinen Zielen zeit- und raumunabhängiges Anliegen der Mächtigen ist, in seiner konkreten materiellen Umsetzung dagegen
durch den jeweiligen historischen und kulturellen Kontext geprägt wird, eignet
sich die Domus Aurea besonders für eine Untersuchung zum Thema Residenz
und Herrschersitze. Um diesen in seiner ganzen Ausdehnung im modernen
Stadtgebiet Roms fassen bzw. rekonstruieren zu können, wurde – bevor die
Untersuchungen in der eigentlichen Domus Aurea starten – mit der Erstellung
eines Geländemodells begonnen (Abb. 6). An diesem soll die topographische
Veränderung, die das Areal in der Antike aufgrund seiner mehrfachen Überbauung erfahren hat, sichtbar und nachvollziehbar gemacht werden.
Kooperationspartner: Soprintendenza Archeologica di Roma; Institut für
Geodätische Messtechnik und Ingenieurgeodäsie der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich (H. Ingensand) • Förderung: Soprintendenza Archeologica di Roma • Leitung des Projekts: H.-J. Beste • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: T. Kohoutek, Th. Hew • Abbildungsnachweis:
Th. Hew (Abb. 5. 6).
Rom, Grabmal der Haterier, Visualisierung
Das Grabmal der Haterier lag im Westen Roms an der Via Casilina. Es handelt
sich um das Monument einer Familie von Bauunternehmern aus dem Ende
des 1. Jhs. n. Chr., wie vor allem auch der Bildschmuck der Anlage bezeugt.
Darin erscheinen öffentliche Bauten aus der Zeit der flavischen Kaiser, an
deren Errichtung die Haterii beteiligt wurden. Teile seiner überaus reichen
Ausstattung aus Marmor wurden bei Grabungen 1848 gefunden und befinden
sich heute in den Vatikanischen Museen. Bis heute fehlt allerdings jegliche
Vorstellung von der Gestalt der Anlage, denn auch bei späteren Nachgrabungen fanden sich keine Hinweise auf einen Bau. Die erste, in Zeichnungen
umgesetzte Rekonstruktion orientiert sich an dem weit verbreiteten Typus
der frei stehenden Tempelgräber, wie er übrigens auch – allerdings in deutlich
AA-2008/1 Beiheft
68 Jahresbericht 2007 des DAI
7a
Abb. 7 a. b Rom, Grabmal der Haterier.
Visualisierung des Innenraumes unter
Einbezug der unterschiedlichen Form der
Beleuchtung
7b
reicherer Form – auf einem der Reliefs im Bau wiedergegeben ist. Dabei lassen sich die bekannten Teile sehr gut zuweisen. In der Folge wurde jetzt eine
räumliche Visualisierung entworfen. Dabei sollte besonders auf die Wirkung
des Marmors im Innenraum geachtet und die unterschiedliche Form der Beleuchtung untersucht werden (Abb. 7 a. b).
Kooperationspartner: Fachhochschule Düsseldorf (J. Herder) • Leitung des
Projekts: H. von Hesberg • Mitarbeiterin: S. Lambertz • Abbildungsnachweis:
S. Lambertz (Abb. 7 a. b).
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Rom 69
Abb. 8 Rom, Palatin, Kaiserpalast, Hippodrom. Ansicht Richtung Nordwesten
Abb. 9 Rom, Palatin, Kaiserpalast. Detail
eines Kompositkapitells aus dem Hippodrom
AA-2008/1 Beiheft
Rom, Palatin, Kaiserpalast, Hippodrom
Der Hippodrom ist die aufwendigste Gartenanlage im Kaiserpalast auf dem
Palatin. Kennzeichnend für diese Art von Gärten, die hippodromi, sind ihre langgestreckte Form mit einer gekrümmten Schmalseite sowie eine größtenteils
freie Innenfläche.
Die Dissertation zur Bauornamentik des Hippodroms im Kaiserpalast auf
dem Palatin in Rom (Abb. 8) stellt einen Beitrag zur Erforschung des römischen Kaiserpalastes sowie der stadtrömischen Bauornamentik der Kaiserzeit
dar. Ihre Materialbasis ist ein Katalog von 980 bisher größtenteils unpublizierten Bauteilen, die im Laufe der Bearbeitungszeit vermessen und zeichnerisch,
photographisch sowie beschreibend dokumentiert wurden (Abb. 9). Die Auswertung erfolgte auf der Grundlage der Zuordnung der Bauteile zu den Bauphasen des Hippodroms und ihrer Verbindung zu den Dekorationssystemen
sowie der Rekonstruktion des Baus. Im Zentrum der Betrachtung standen die
Auswahl der Baumaterialien und des Dekors, die Disposition und Hierarchie
der Dekorationsformen sowie die Bedeutung und Integration dieses Bautypus
in die Palastarchitektur.
Zu den wichtigsten Ergebnissen der Arbeit gehört die Rekonstruktion des
Baus für die flavische und die severische Phase. Es hat sich erwiesen, dass die
signifikanten Bestandteile des Baus bereits zur flavischen Bauphase gehören.
Die Untersuchung hat ergeben, dass der Großteil sowohl der Bauglieder als
auch der Bausubstanz severisch ist, was auf die Restaurierungsmaßnahmen
durch Septimius Severus nach dem Brand von 191 n. Chr. zurückzuführen
ist. Eine maxentische Phase zeichnet sich in der Baudekoration wie auch im
Mauerbefund ab.
Die Architekturdekoration des Hippodroms steht im Einklang mit dem
Bautypus. Die verwendete Ornamentsprache entspricht dabei dem stadtrömischen Standard. Ihr qualitatives Kennzeichen ist nicht größte Sorgfalt in der
Ausführung, sondern Reichtum und Fülle. Die einzelnen Formen und Materialien sind bewusst gewählt, um die Funktion der einzelnen Bereiche in Szene
zu setzen oder um die Hierarchisierung bezüglich Raumfunktion und Raumwahrnehmung vor Augen zu führen. Die im Hippodrom eingesetzte Polychromie hatte die Aufgabe, Blick und Schritt des Besuchers zu lenken; seine
70 Jahresbericht 2007 des DAI
prunkvolle Gestaltung fand überdies in Wasseranlagen, Statuen und wohl auch
in einer kunstvollen Bepflanzung ihren Ausdruck.
Der Hippodrom ist nicht als Einzelmonument an die beiden Trakte der
Domus Augustana und Domus Flavia angehängt, sondern Teil eines Gesamtgefüges von Gartenanlagen im Kaiserpalast, unter denen es eine herausragende
Stellung einnimmt. Die Exklusivität und Repräsentativität dieser Anlage äußert sich in ihrer Größe, im Bautypus, dem ausgesuchten Dekor und auch in
ihrer Zugänglichkeit. Die Errichtung eines Hippodroms innerhalb des Palastes
bedeutet kaiserliche Repräsentation auf höchstem Niveau.
Kooperationspartner: Soprintendenza Autonoma per i Beni Archeologici
di Roma (A. Bottini, I. Iacopi, M. A. Tomei) • Projektbearbeiterin: K. Iara •
Abbildungsnachweis: K. Iara (Abb. 8. 9).
Rom, S. Maria Antiqua
Der domitianische Bau am Nordwestfuß des Palatin, in dem nach 580 n. Chr.
S. Maria Antiqua installiert wurde, hatte immer eine Schlüsselstellung bezüglich der Kommunikation der Paläste auf dem Palatin mit dem südöstlichen
Forum inne. Bei den vorgenommenen Untersuchungen geht es vor allem um
eine systematische Analyse der frühchristlichen und frühbyzantinischen Phase
des Baus. Im Zusammenhang mit der Rekonstruktion der Konfiguration des
Baukörpers erwies es sich zunächst als entscheidend, die datierten Zugänge
und die physische Kommunikation mit Palatin und Forum zu prüfen. Hierbei
wurde sofort klar, dass eine Einbeziehung des großen, im Westen angrenzenden Saales zwingend ist. Seit R. Delbrücks überwiegend deskriptiver Analyse
von 1921 ist dieser gewaltige domitianische Bau, von dem noch große Teile der
Nord-, Ost- und Südwand bis zu einer Höhe von 28 m anstehen, völlig unerforscht geblieben, seine Funktion ist unbekannt. Dieser Bau hat von Anfang an
mit dem Vorgängerbau von S. Maria Antiqua kommuniziert, ein zeremonieller Weg durch Vestibül und Westsaal zur östlich angrenzenden Palatinrampe ist
noch nachvollziehbar: Die Zugänge sind fast überall auch in der spätantiken
Phase unverändert geblieben. In der Südostecke der Exedra (= Apsis S. Maria
Antiqua) haben sich umfangreiche Fragmente einer Wandinkrustation erhalten:
Tondi aus rotem und grünem Porphyr, eingefasst in einen noch unbestimmten
weißen, opaken Stein. Das rekonstruierte Schema hat seine nächste Parallele
in der Basilica Euphrasiana in Parenzo aus dem 6. Jh. n. Chr. und legt eine Datierung der Ausstattung in justinianische Zeit nahe. Zwei Felder mit grünen
Glastesserae am Gewölbeansatz des linken Bemapfeilers konnten mit Hilfe des
Gerüstes der gegenwärtig laufenden Restaurierungskampagne neu entdeckt
und dokumentiert werden. Sie haben einen Putzuntergrund mit reichlicher
Strohbeimischung, bei dem es sich wiederum um eine späte, byzantinische
Arbeitsweise handelt. Die Felder entsprechen in Farbe und Untergrund den
von G. M. Rushforth 1902 im damals noch intakten (heute modern ersetzten)
Gewölbe beschriebenen. Man kann also davon ausgehen, dass das gesamte
Gewölbe mosaiziert war.
Kooperationspartner: Soprintendenza Autonoma per i Beni Archeologici
di Roma (A. Bottini, I. Iacopi, M. A. Tomei) • Projektbearbeiter: D. Knipp.
Römische Steinsarkophage im Kontext, Stadtrom und Umgebung
Das Promotionsvorhaben ist den Aufstellungs- und Nutzungskontexten römischer Steinsarkophage in Rom und Umgebung von der Republik (5./4. Jh. –
31 v. Chr.) bis in die Kaiserzeit (31 v. Chr. – 3. Jh. n. Chr.) gewidmet. In diesem
Jahr wurden vor allem die kaiserzeitlichen Sarkophage des 1.–3. Jhs. n. Chr. untersucht. Hierzu wurden knapp 120 Fundkontexte mit weit über 200 SarkoAA-2008/1 Beiheft
Abteilung Rom 71
Abb. 10 Römische Steinsarkophage im
Kontext, Nekropole der Isola Sacra. Grab 11,
um 140 n. Chr. In das Arkosol der Rückwand,
das ursprünglich für eine Körperbestattung
in einem Bodengrab vorgesehen war,
wurde im Laufe des 2. Jhs. n. Chr. nachträglich ein Reliefsarkophag gestellt und die
seitlichen Arkosolien mit aufgemauerten
Grablegen mit loculus-Platten verschlossen
phagen zusammengestellt, die in Hinblick auf die Materialien und Typen der
Sarkophage, die Grabformen, die Aufstellung des Sarkophags im Inneren des
Grabbaus, das Verhältnis der Sarkophage zur Innenausstattung der Gräber, die
Vergesellschaftung der Sarkophage mit anderen Bestattungen, den sozialen
Stand der Beigesetzten und weitere Aussagen aus Bau- und Sarkophaginschriften ausgewertet wurden. Die überwältigende Mehrheit der stadtrömischen
Sarkophage stand im Inneren von Kammergräbern, Hypogäen oder unterirdischen Räumlichkeiten mehrgeschossiger Grabanlagen. Dort waren die Sarkophage am häufigsten direkt an eine der Kammerwände herangerückt, in einer
Nische oder auf einem aufgemauerten Podest aufgestellt. Die Sarkophage
konnten in diesen Aufstellungszusammenhängen sowohl zum ursprünglichen
Entwurf der Grabkammern gehören als auch erst sekundär in diese eingebracht worden sein, indem Sockel für ihre Aufstellung eingebaut oder Nischen
verwendet wurden, die ursprünglich für andere Bestattungen vorgesehen
waren (Abb. 10). Auffällig häufig waren Sarkophage auch für einen möglichen
Betrachter unsichtbar aufgestellt, entweder weil sie in einem Bodengrab (fossa)
Abb. 11 Römische Steinsarkophage
im Kontext, Rom. Via Cassia, Grab des
P. Vibius Marianus, ›Tomba di Nerone‹,
um 260 n. Chr. Einer der beiden unter
freiem Himmel aufgestellten Sarkophage
aus der Umgebung Roms
AA-2008/1 Beiheft
72 Jahresbericht 2007 des DAI
bestattet und teilweise zusätzlich mit Gussmauerwerk versiegelt oder weil sie
in der Grabkammer eingemauert oder im Fußboden vergraben waren. Bemerkenswert ist, dass auf diese Weise sowohl aufwendig mit Reliefs verzierte als
auch unreliefierte Kästen beigesetzt wurden. Das genaue Gegenteil dieser
›unsichtbaren‹ Sarkophage sind die als eigenständige Monumente unter freiem
Himmel aufgestellten hausförmigen Kästen – ein besonders in Oberitalien und
im Osten des Imperium Romanum verbreiteter Grabtypus – , der in Rom
und Umgebung jedoch nur mit zwei Monumenten erhalten ist (Abb. 11). Im
Folgejahr soll die Untersuchung der kaiserzeitlichen Sarkophage fortgesetzt
und das Augenmerk vor allem auf den Grabkult gerichtet werden.
Projektbearbeiterin: K. Meinecke • Abbildungsnachweis: D-DAI-ROM1969.0732, M. Hutzel (Abb. 10); K. Meinecke (Abb. 11).
Castel Gandolfo,Villa des Domitian
Die Villa des Domitian in Castel Gandolfo ist der wichtigste Landsitz dieses
Herrschers außerhalb Roms, auf dem auch Feste (ludi) ausgerichtet wurden.
Die Arbeiten konzentrierten sich auf die mittlere Terrasse, die den zentralen
Teil der Gesamtanlage bildet. Dabei haben die durchgeführten geophysikalischen Prospektionen zu Ergebnissen unterschiedlicher Eindeutigkeit geführt.
Zum einen wurde klar, dass dort mit einer umlaufenden Portikus von ca. 9 m
Tiefe zu rechnen ist, zum zweiten zeichnete sich die Bebauung westlich des
Theaters ab, ließ sich aber in ihrer typologischen Eigenart vorerst noch nicht
bestimmen. Das Verfahren versagte wegen der hohen Verschüttung, der Mischung der Materialien und der vielfältigen modernen Leitungen weitgehend
im Süden. Deshalb ist der Übergang zum ›Palastbereich‹ zunächst nicht eindeutig zu bestimmen.
Hier verspricht die Auswertung der photogrammetrischen Aufnahmen, die
im letzten Jahr durchgeführt wurden, weitere Erkenntnisse. Sie geben die Anlage des Tunnels, der zur Seeseite des Kraterrandes führte, die Exedren und die
Bauten im Palastbereich eindeutiger als die bisherige summarische Dokumentation zu erkennen und erlauben auf dieser Grundlage auch eine Rekonstruktion weiterer Teile.
Die Arbeiten zur Visualisierung des Theaters konnten abgeschlossen werden. Neben der Ausstattung wurden dabei Formen zur Veranschaulichung der
Veränderungen im Sonnenstand sowie der mobilen Effekte wie Theatervorhang und Springbrunnen erprobt (Abb. 12 a. b).
12 a
Abb. 12 a. b Castel Gandolfo, Villa des
Domitian. Theater, Rekonstruktion des
Zuschauerraumes bei einem Sonnenstand
um 12 Uhr und 16 Uhr. Deutlich wird,
dass bei Aufführungen ein Sonnensegel
zur Abdeckung erforderlich war, dessen
Aufhängung in der Rekonstruktion nur
angedeutet ist
12 b
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Rom 73
Kooperationspartner: Direzione delle Ville Pontificie (S. Petrillo); Technische Universität Karlsruhe (K. Ringle); Lehrstuhl für Informatik der Universität zu Köln (U. Lang; L. Rau); Institut für Geowissenschaften, Abteilung Geophysik der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (H. Stümpel) • Leitung
des Projekts: H. von Hesberg • Abbildungsnachweis: L. Rau (Abb. 12 a. b).
13
Die Städte Latiums, Gabii
Abb. 13 Tuffsteinmauer in polygonaler
Technik
Abb. 14 Geomagnetische Prospektion,
Aggermauer
14
AA-2008/1 Beiheft
Die Städte Latiums, Stadtmauern von Gabii
Die Forschungsperspektive des Projekts »Die Städte Latiums« richtet sich insbesondere auf die Bedeutung der Stadtmauern für die Verteidigung und für die
Selbstdarstellung der städtischen Gemeinden. In diesem Jahr wurde der Untersuchungsschwerpunkt Gabii im latinischen Kernland weiter verfolgt.
Im Frühjahr konnte eine umfangreiche geodätische Kampagne durchgeführt
werden, während der das gesamte Stadtgebiet vermessen und Bezugspunkte
fixiert wurden. Ende des Jahres lag eine neue archäologische Karte Gabiis im
M. 1 : 1000 vor, die im Rahmen einer Diplomarbeit an der Hochschule Magdeburg-Stendal ausgearbeitet wurde. Moderne Messverfahren wie Laserscanning
und Ballon-Photogrammetrie wurden vor Ort zusätzlich zur tachymetrischen
Vermessung angewendet.
Ferner konnte die zeichnerische Dokumentation der bereits oberirdisch
sichtbaren Mauerreste fortgeführt und die Bauaufnahme eines Mauerzugs am
Kraterrand im tachymetrisch gestützten Handaufmaß durchgeführt werden.
Es handelt sich um eine Tuffsteinmauer in Polygonaltechnik, die ohne Bindemittel versetzt wurde (Abb. 13). Sie verläuft parallel zum Hang und lässt sich
in der Flucht auf ca. 34 m verfolgen. Wahrscheinlich handelt es sich bei der
Polygonalmauer um eine Stütz- oder Fundamentmauer für eine bislang nicht
bestimmbare Architektur.
Während eines ersten, kurzen Testlaufes, der Aufschlüsse über die gute Anwendbarkeit geophysikalischer Prospektionsmethoden (Magnetik und Bodenradar) erbracht hat, konnte bereits ein kurzer, gerundeter Abschnitt einer Aggermauer beachtlicher Ausmaße (ca. 15 m = 50 römische Fuß plus vallum)
nachgewiesen werden (Abb. 14). Diese Mauer ist mit denen der Städte Lavinium, Ficana, Ardea und nicht zuletzt Rom vergleichbar und gehört wohl in
die Frühzeit der Siedlung.
74 Jahresbericht 2007 des DAI
Kooperationspartner: Soprintendenza Archeologica di Roma (S. Musco);
Soprintendenza Archeologica del Lazio (G. Ghini); Hochschule MagdeburgStendal (T. Scheffler); Institut für Geowissenschaften, Abteilung Geophysik
der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (H. Stümpel) • Leitung des
Projekts: S. Helas • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: C. Brand, M. Graap,
K. Hermann, J. Herrmann, M. Jakobi, St. Kiel, Ch. Klein, M. Krenz, Th. Martienßen, K. Özkap, T. Scheffler, A. Werner, T. Wunderlich, G. Zuchtriegel •
Abbildungsnachweis: DAI, Abteilung Rom, D. Gauss (Abb. 13); Universität
Kiel, H. Stümpel (Abb. 14).
Latium, Heiligtümer
Die Erforschung der Heiligtümer in den Städten der republikanischen Zeit
bietet die Möglichkeit, die Prozesse der Monumentalisierung und der Veränderung des Selbstverständnisses einer Stadtgemeinschaft in einem zentralen
Bereich Italiens in unmittelbarer Nähe und im Kontrast zu den gleichzeitigen
Vorgängen in Rom zu erfassen. Dabei lassen sich zwei wesentliche Einschnitte
beobachten, der eine in der Zeit der späten Republik in der 2. Hälfte des 2. Jhs.
und dem Beginn des 1. Jhs. v. Chr. In dieser Zeit erhielten einzelne Heiligtümer so etwas wie den Charakter des Aushängeschildes einer Stadt, man denke
nur an das Heiligtum der Fortuna in Praeneste. Der zweite Einschnitt fällt in
die Zeit des Augustus und die Jahrzehnte danach. Dabei kam es zu einer aufwendigeren Ausgestaltung mit Marmor, andererseits aber auch zu einer neuen
Diversifizierung – besonders in Hinblick auf die Verehrung des Kaisers oder
die zentralen Kulte.
Allerdings verliefen die Prozesse nicht so geradlinig, wie oft angenommen
wird. Denn in der späten Republik lassen sich verschiedene Formen der Monumentalisierung der Heiligtümer beobachten, die nicht allein von den Prototypen im griechischen Osten des Mittelmeeres abhängig sind. Das Heiligtum
oberhalb Terracinas, dessen Gottheit nicht mit Sicherheit festzustellen ist, gibt
dafür ein gutes Beispiel (Abb. 15). Es befindet sich in überwältigender Lage auf
der Spitze eines Vorgebirges und war von weither sichtbar. Seine Architektur ist
in vieler Hinsicht ganz den Neuerungen der Zeit verpflichtet (Abb. 16).
Gerade die sorgfältige Dokumentation macht neben den verschiedenen Phasen und der Datierung diese speziellen Eigentümlichkeiten deutlich. Dazu gehört in dem Heiligtum die besondere Betonung von Naturformen und -malen.
Sie wird schon an dem großen Tempel selbst deutlich, dessen Podium auf der
Abb. 15 Latium, Heiligtümer. Terracina
und Monte Circeo, Lage der Heiligtümer in
der Landschaft
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Rom 75
Abb. 16 Latium, Heiligtümer. Terracina,
Plan des Heiligtums oberhalb der Stadt
(M. 1 : 750)
AA-2008/1 Beiheft
Rückseite aus dem rauen Felsen ohne zusätzliche Verkleidung gestaltet ist, dann
aber auch an einer Reihe von anderen Malen, die durch den Kontrast zu ihrer
architektonischen Fassung zusätzlich hervorgehoben sind. Schließlich konnte
die Portikus hinter dem Tempel rekonstruiert werden.Wichtig ist aber auch die
Einbindung in die Landschaft. Dazu erkundeten die Bearbeiter zwei Heiligtümer, die in prominenter Lage in der Umgebung liegen, eines auf dem Monte
Circeo (Abb. 15) und das andere an der Via Appia.
Ein weiteres Interesse galt den neuen Tempeln der augusteischen Zeit in
den Landstädten, die zur bestehenden Ausstattung hinzukamen. Ein sehr gutes
Beispiel dazu bietet die an der Küste gelegene römische Koloniestadt Minturno. Ihre Ausstattung enthielt aus der Zeit der Republik an einer Seite ihres
alten Forums zwei Tempel, erhielt aber nun einen neuen, der zwar ausgegraben, aber bisher so gut wie unbekannt ist. Seine Bedeutung lag wohl weniger
in der Marmorausstattung als in der Lage sowie Ausstattung des Heiligtumsbezirks selbst. Um seine Einbettung, aber auch Datierung und Rekonstruktion
besser verstehen zu können, wurde eine Aufnahme dieses Tempels C in Minturno durchgeführt, die eine Reihe von Bauteilen einschloss.
Kooperationspartner: Soprintendenza Archeologica del Lazio (N. Cassieri);
Technische Universität München (St. Franz); Dombauhütte Aachen (T. Kohlberger-Schaub) • Förderung: Fritz Thyssen Stiftung • Leitung des Projekts:
H. von Hesberg • Mitarbeiterin: V. Hinz • Abbildungsnachweis: V. Hinz,
St. Franz (Abb. 15. 16).
76 Jahresbericht 2007 des DAI
Latium, Fabrateria Nova
Auf Einladung der Soprintendenza per i Beni Archeologici del Lazio hat sich
in diesem Frühjahr eine Arbeitsgruppe gebildet – aus den Archäologischen
Instituten der Universitäten Lecce und Cassino sowie der Abteilung Rom –,
die sich die Erforschung der colonia Fabrateria Nova zur Aufgabe gemacht hat.
Der Ort, der nur wenige Kilometer südlich am Zusammenfluss von Sacco und
Liri in der Nähe des modernen Ortes S. Giovanni Incarico auf einem ebenen
Kalksteinplateau liegt, soll nach der Zerstörung (125 v. Chr.) des aufständischen Fregellae gegründet worden sein (Abb. 17). Eine Untersuchung der
Stadtanlage ist von hervorragendem Interesse, da das bekannte Gründungsdatum von 124 v. Chr. einen Fixpunkt für das Studium sowohl der hellenistischspätrepublikanischen Urbanistik und Architektur als auch der unterschied-
Latium, Fabrateria Nova
Abb. 17
areal
Blick nach Norden auf das Stadt-
Abb. 18 Gesamtplan mit geomagnetischer
Prospektion
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Rom 77
lichsten Denkmälergattungen von der Keramik bis zum Mosaik liefern dürfte.
Das Stadtgebiet, dessen Ausdehnung unbekannt ist, blieb weitgehend von
moderner Überbauung verschont und wird heute partiell landwirtschaftlich
genutzt. Im ausgehenden 18. Jh. wurden durch den Lokalgelehrten P. Cayro an
den sichtbaren Ruinen einige begrenzte Grabungen durchgeführt. Lediglich
1985 wurde das sich im Luftbild klar abzeichnende Amphitheater durch die
zuständige Soprintendenza freigelegt, eine weitere Bearbeitung der Funde und
der Baugeschichte der Anlage erfolgte dabei bisher nicht. Nach einer Luftbildaufnahme sowie einem ausgedehnten Survey durch die Kollegen aus Lecce
konnte von Seiten des Instituts im Sommer mit einer Bodenprospektion und
zwei archäologischen Sondagen begonnen werden, die die Ergebnisse der Prospektion im Detail klären sollten (Abb. 18). Aufgrund der noch unbekannten
Abb. 19 Latium, Fabrateria Nova. Grabung
an der Portikus, Blick nach Süden
Ausdehnung des Stadtgebietes wurde die eine Sondage im Osten des Areals
durchgeführt, da die Bodenprospektion die Existenz eines Walls oder Grabens
anzeigte und sich hier die baulichen Reste eines Magazins befinden, das von
der Universität Cassino untersucht wird. Wegen der ehemaligen Nutzung der
Parzelle als Rebenfeld (Weinstöcke erfordern eine tiefe Pflanzung) war der Boden im Bereich der Sondage indes so gestört, dass die Grabung keinen klaren
Befund ergab. Zwischen dem Amphitheater und den zu vermutenden Resten
einer Therme, die von der Universität Lecce bearbeitet wird, wies die Bodenprospektion eine deutlich sichtbare, gut 40 m × 80 m große Anlage aus, deren
Nordostecke auf einer Fläche von 10 m × 10 m in der zweiten Sondage freigelegt wurde. Das antike Gebäude ist etwa auf Laufniveau erhalten. Es handelt
sich wahrscheinlich um einen großen Hof, der von Portiken eingefasst ist, die
mindestens zwei Bauphasen aufweisen (Abb. 19). Einige Stirnziegel belegen
eine spätrepublikanisch-frühkaiserzeitliche Phase, in der die Säulen aus Ziegeln
aufgemauert waren, von denen sich zahlreiche Fragmente gefunden haben.
Zur weiteren Klärung der Chronologie der einzelnen Phasen ist allerdings die
vollständige Ausgrabung aller Befunde abzuwarten, die erst in der nächsten
Kampagne geleistet werden kann.
Kooperationspartner: Soprintendenza per i Beni Archeologici del Lazio
(A. Betori); Comune di S. Giovanni Incarico (A. Nicosia); Università degli
Studi di Cassino (S. Marandola, E. Polito, G. De Rosa, C.Venditti); Università
AA-2008/1 Beiheft
78 Jahresbericht 2007 des DAI
degli Studi del Salento (G. Caldarola, G. Ceraudo, V. Ferrari, A. Valchera) •
Leitung des Projekts: H.-J. Beste, Th. Fröhlich • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: C. Cioffi, Ch. Kirzinger, Ch. Menzler, M. Kümmel, B. Oster,
H. Becker (Geophysikalische Prospektion) • Abbildungsnachweis: H.-J. Beste,
Th. Fröhlich (Abb. 17–19).
Picenum, lokale Sepulkraldenkmäler der frühen Kaiserzeit
Im Gegensatz zu relativ gut bekannter Architektur der römischen Kaiserzeit
im Picenum, ist die lokale Grabkunst durch ihre schlechte Überlieferungslage
weitaus weniger erforscht. Im Nachgang zu einer früheren Untersuchung (RM
89, 1982, 81–102) hat sich inzwischen – Dank institutseigener Photokampagnen – die Materialbasis deutlich verbreitern lassen und erlaubt immer mehr,
über eine vorwiegend epigraphische Vorlage des Materials hinauszugehen.
In der Studie wird versucht, die aus einer eng umschriebenen Zone des
Picenum (Abb. 20) stammenden Urnen und Grabstelen als historische Quelle
auszuwerten. Eine vertiefte und vergleichende Betrachtung dieser Kleindenkmäler, die fast ausschließlich ohne Fundkontext überliefert sind, ermöglicht
Erkenntnisse über Aufkommen und Verschwinden des Formen- und Dekorationsrepertoires. Eine wichtige Rolle spielen dabei die vielfältigen Einflüsse, die
diese durch ihre tief einschneidenden Flusstäler geprägte hügelige Landschaft
erhalten hat, einerseits aus dem mittelitalischen Hinterland und andererseits
vom adriatischen Küstenstreifen her. Neben einer kleinräumigen Erfassung
Abb. 20 Picenum, lokale Sepulkraldenkmäler. Karte des untersuchten Gebietes
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Rom 79
von Vergleichsmaterial ist daher auch der übergreifenden Verwendung anderer
Elemente wie vor allem Bildvorlagen, deren individueller Brechung und möglicher Umformung, nachzugehen (Abb. 21. 22). Im Verlauf der Studie wird der
bisweilen zufällig erfolgte Austausch von Formen und Motiven untersucht und
durch Beschreibung der Einzelformen versucht, genauere Kenntnis sowohl der
Eigenart als auch der Entwicklung der Grabdenkmäler der frühen Kaiserzeit zu
erhalten. Das Picenum als frühkaiserzeitliche Kunstlandschaft in Mittelitalien
erhält somit einen differenzierteren und fester umschriebenen Umriss. Die Ergebnisse werden abgestützt durch Beobachtungen zu Herstellungsverfahren in
den Werkstätten und zum Form- und Motivaustausch zwischen den Produktionsstätten.
21
22
Picenum, lokale Sepulkraldenkmäler
Ziel der Untersuchung ist es, die bis heute wenig beachteten Denkmäler
durch die vorliegende Dokumentation und Interpretation in einen größeren
Zusammenhang zu stellen und in die wissenschaftliche Diskussion einzubringen.
Kooperationspartner: Soprintendenza per i Beni Archeologici delle Marche; Musei Archeologici di Fermo, Falerone, Ripatransone, Ascoli Piceno;
Università degli Studi di Macerata; Privatsammler • Leitung des Projekts:
S. Diebner • Abbildungsnachweis: M. Schützenberger (Abb. 20); D-DAIRom-dig2006.0356, H. Behrens (Abb. 21); W. Scotucci (Abb. 22).
Abb. 21 Urnendeckel aus Fermo, Florenz,
Villa Corsini
Abb. 22
Aschenurne, Fermo, Privatbesitz
Die Siedlung von Castellina Vecchia
Im Mittelpunkt des Interesses steht die Erforschung einer etruskischen Siedlung in ihrem räumlichen Umfeld während des 1. Jts. v. Chr.
Die etwa einen halben Hektar umfassende Wüstung Castellina Vecchia befindet sich auf einem Höhenzug im Norden von Siena, der sich nordsüdlich
zwischen den Flusstälern der Elsa einerseits und des Arbia bzw. des Ombrone
andererseits erstreckt. Damit ähnelt sie als befestigter – und vermutlich bereits
seit archaischer Zeit besiedelter – Hügel einem großen Gehöft oder Herrensitz. Es gibt jedoch Anzeichen, dass die Bevölkerung schon früh von deutlich
größerem Umfang war, und die Fundstelle kann vermutlich als Akropolis bezeichnet werden, die zumindest phasenweise den Kern einer größeren Ansiedlung bildete.
In Hinblick auf die Frühzeit soll der ländliche Raum von Castellina durch
den Bezug auf den Herrensitz als im praktischen Sinne und in Beziehung auf
das nahegelegene Fürstengrab von Monte Calvario im ideellen Sinne strukturiert verstanden werden.
Dass eine räumliche Sichtbarkeit und Sichtbarmachung der Territorialherrschaft im engen geographischen Gebiet beabsichtigt war, beweist der große
Grabhügel – das einzige und weithin sichtbare Monumentalgrab im größeren
Umkreis – mit Dimensionen, die denen des Habitats gleichkommen.
AA-2008/1 Beiheft
80 Jahresbericht 2007 des DAI
Für spätere Epochen ist vor allem die Rolle von Castellina im Rahmen
von Verbindungen und Grenzziehungen von besonderem Interesse. Für das
4. und 3. Jh. v. Chr. kann im Hochchianti ein System befestigter Höhensiedlungen, sog. Oppida (Cetamura, Poggio La Croce), angenommen werden, das
vermutlich von der raumgreifenden übergeordneten Instanz des im Wachsen
begriffenen Stadtstaates Faesulae (Fiesole) organisiert wurde.Von der Bedeutung Castellinas als Vorposten im Rahmen der Territorialordnung von Fiesole
kann ausgegangen werden.
Von zentraler Wichtigkeit für die Chronologie und die Entwicklungsgeschichte der Siedlung ist eine Erforschung der Befestigungsanlage, wobei die
Fragen nach der Gestalt des Habitats – ob es sich um verstreute Einzelgehöfte
handelt oder eine geschlossenen räumliche Form bzw. wann eine solche entstand – und nach den Formen der räumlichen Organisation im Vordergrund
stehen.
In diesem Jahr konnte der zweite Teil der ersten Projektphase abgeschlossen werden. Dabei wurden primär die Systemvoraussetzungen in Form einer
georeferenzierten Datenbank (GIS) implementiert und die kartographischen
sowie archivalischen und literarischen Quellen erfasst, ferner ausgewählte archäologische Befunde eingearbeitet.
Kooperationspartner: Museo Archeologico del Chianti Senese (Castellina
in Chianti) • Leitung des Projekts: O. Dräger.
Zur Bucchero-Pesante-Keramik von Chiusi
Die Studie soll primär auf der Grundlage zeichnerischer Dokumentation die
Produktion eines der wichtigsten Zentren für die Herstellung des etruskischen Bucchero aufarbeiten, nämlich Chiusi. Erste Resultate der Arbeiten sind
acht nunmehr gedruckt vorliegende Beiträge für den Sammelband »Materiali
dimenticati, memorie recuperate. Restauri e acquisizioni nel Museo Archeologico Nazionale di Chiusi, Edizioni Luì, Chiusi 2007«.
Bearbeiter: O. Dräger.
Der Kyathos
Die Morphologie und Metrologie des dominierend in Etrurien verbreiteten
attischen Kyathos im Verhältnis zu den etruskischen Parallelstücken werden
anhand von Schnittzeichnungen untersucht. Ansatzpunkt sind die maßlichen
Besonderheiten dieser feinkeramischen Gefäßform. Nach ersten Ergebnissen
lassen sich die morphologische Entwicklung und das Verhältnis der Ausprägungen von Stücken in den verschiedenen Dekorationstechniken präzisieren.
Bearbeiter: O. Dräger.
Italische Kulturen des 7. bis 3. Jhs. v. Chr. in Süditalien und Sizilien
Bei dem Schwerpunktprogramm, das sich mit »Italischen Kulturen vom 7. bis
3. Jh. v. Chr. in Süditalien und Sizilien« beschäftigt, geht es um die Erforschung
und Darstellung der italischen und sizilischen Kulturen unter besonderer Berücksichtigung ihrer Beziehungen zu den Städten der Magna Graecia. Zentrale
Fragestellungen gelten der kulturellen Identität und der Perzeption des Fremden, der Mentalitätsgeschichte sowie der gesamten Breite der Lebenswelten.
Durch enormen Zuwachs an Material entsteht bereits seit einer Reihe von
Jahren das Bild einer geographisch differenzierten, vor allem aber erstaunlich
entwickelten Welt. Einen wesentlichen Aspekt bilden die Zentralisierungsund Urbanisierungsprozesse außerhalb der griechischen Territorien. So stehen
enge Höhensiedlungen im Inneren Siziliens, Kalabriens und Lukaniens den
ausgedehnten Streusiedlungen innerhalb weiter Ringwälle im Flachland von
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Rom 81
Daunien und Messapien gegenüber. Ziel ist es, vorrangig anhand der Siedlungsformen vom 6.–4. Jh. v. Chr. ein kulturgeschichtliches Entwicklungsmodell
zu erarbeiten. Es werden daher neben archäologischen Zugriffen und Methoden auch solche der Historischen Landeskunde und der Siedlungskunde angewendet. Resultat der Feldforschungen werden Siedlungspläne und Besiedelungskarten sein, die auch mittels geodätischer Einmessung erstellt werden. Ein
weiteres Schwergewicht stellen mehrere Einzeluntersuchungen zu Nekropolen dar. Dabei geht es einerseits um die Veränderungen in den Bestattungsbräuchen der einheimischen Bevölkerung zur Zeit der griechischen Kolonisierung,
andererseits um die Veränderungen von Grabformen und Bestattungssitten in
griechischen Nekropolen und schließlich um die Möglichkeiten einer ethnischen Zuweisung von Grabbefunden im Vergleich mit anderen Ausdrucksformen kollektiver Identitäten.
In Rahmen des Projekts organisierte R. Neudecker gemeinsam mit A. Naso
(Università degli Studi del Molise, Campobasso) ein regelmäßiges Stipendiatenkolloquium, in dessen Verlauf zehn Vorträge gehalten wurden. Mit den
Mitarbeitern des Schwerpunktprogramms sowie Studierenden der LudwigMaximilians-Universität München unternahm er eine Exkursion zu italischen
und griechischen Stätten in Kalabrien, Apulien und in der Basilicata.
Innerhalb des Schwerpunktprogramms arbeiteten im Laufe des Jahres
M. Köder zu »Griechen und Italiker in Kampanien. Siedlungsarchäologische
Untersuchungen (8.–5. Jh. v. Chr.)«, N. Burkhardt über »Kulturaustausch am
Beispiel der Bestattungssitten in den süditalischen Siedlungen und den griechischen Kolonien«, Ch. Nowak zu »Italiker in griechischen Koloniestädten
Unteritaliens?« und E.Thiermann zu »Italische Kulturen vom 7. bis 3. Jh. v. Chr.
Die archaische Nekropole von Capua«. Für kürzere Zeit arbeiteten im Rahmen des Programms C. De Faveri an der Auswertung der Grabungsergebnisse
von Cersosimo, einer Ansiedlung des 4.–2. Jhs. v. Chr.
Für das gesamte Schwerpunktprogramm wurde ein wissenschaftlicher Beirat konstituiert.
Förderung: Gerda Henkel Stiftung • Leitung des Projekts: H. von Hesberg,
D. Mertens, R. Neudecker • Mitarbeiter: A. Thomsen.
Zentralisierungsprozesse und Siedlungsgenese in Unteritalien und Sizilien
Auch in diesem Jahr wurden im Rahmen des Projekts »Italische Kulturen des
7. bis 3. Jhs. v. Chr. in Süditalien und Sizilien« zwei archäologische Surveys
durchgeführt, nämlich in Cerasello im Nordosten Kalabriens sowie bei Timmari, einem indigenen Siedlungsplatz in der östlichen Basilicata. Ziel der Arbeiten war es, die in diesen beiden Regionen im 6. und 4. Jh. v. Chr. auftretenden Zentralisierungsphänomene exemplarisch zu untersuchen.
I. Cerasello: Bei Cerasello handelt es sich um ein brettisches Bevölkerungszentrum im Hinterland der ionischen Küste, etwa 15 km südöstlich von Rossano. Die Siedlung befindet sich einige Kilometer westlich des modernen
Städtchens Pietrapaola und umfasst dort den Gipfel des Cozzo Cerasello
sowie seine beiden nördlichen Ausläufer. Für die Wahl dieses Standortes war
offensichtlich das hohe natürliche Defensivpotential ausschlaggebend (Abb. 23.
24).
Über die Geschichte des Platzes ist nur wenig bekannt, sein antiker Name
nicht überliefert. Frühere Oberflächenuntersuchungen haben allerdings bereits
ergeben, dass er in der 2. Hälfte des 4. Jhs. v. Chr. ad hoc entstanden war und
bis gegen Ende des 2. Jhs. v. Chr. besiedelt blieb. Damit fügt er sich in ein siedlungshistorisches Schema, wie es für die Entwicklung der meisten brettischen
Bevölkerungszentren charakteristisch ist.
AA-2008/1 Beiheft
82 Jahresbericht 2007 des DAI
Aufgrund der dichten Bewaldung musste auf eine detaillierte geodätische
Geländeaufnahme verzichtet werden, eingemessen wurden die Befunde stattdessen mit Hilfe von GPS. Die Befundaufnahme wurde durch die starke Humusüberdeckung des Bodens und den sehr schlechten Erhaltungszustand der Baureste erschwert, was auf eine systematische Zerstörung der Siedlung hindeutet.
Neben meist stark verstürzten Mauerresten fanden sich an der Oberfläche vor
allem grobe Gebrauchskeramik und Dachziegel.
Immerhin konnte der bisher unbekannte Verlauf der Befestigungslinie auf
der Ostseite weitgehend geklärt und somit auch die Ausdehnung der Siedlung
genauer bestimmt werden, die mit ihren 20 ha nur etwa halb so groß war wie
bislang angenommen. Sie setzt sich zusammen aus einer den Gipfel des Cozzo
Cerasello einnehmenden, geräumigen Akropolis und einem an deren Nordseite anschließenden Wohnbereich. Dieser besteht aus zwei lang gestreckten,
jeweils nach Osten und Westen steil abfallenden Geländespornen sowie der
Senke dazwischen. Den nördlichen Abschluss bildet ein nach allen Seiten steil
abfallender Felshügel.
Abb. 23 Zentralisierungsprozesse und
Siedlungsgenese in Unteritalien und
Sizilien, Cerasello und Umgebung.
Kartenskizze (M. 1 : 20 000)
Abb. 24 Zentralisierungsprozesse und
Siedlungsgenese in Unteritalien und
Sizilien, Cerasello. Gesamtansicht von
Norden
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Rom 83
Abb. 25 Zentralisierungsprozesse und
Siedlungsgenese in Unteritalien und
Sizilien, Timmari. Gesamtansicht von
Westen
AA-2008/1 Beiheft
Darüber hinaus zeigte sich, dass es sich bei den »Muraglie« genannten, etwa
einen Kilometer nordöstlich von Cerasello gelegenen Wehranlagen entgegen
bisheriger Annahmen nicht um eine Siedlungsbefestigung handelt, sondern um
eine Sperrmauer, die den einzigen meerseitigen Zugang zur Hauptsiedlung abriegelte und zugleich die in ihrem südlichen Vorfeld gelegenen Gehöfte vor
feindlichen Zugriffen schützte.
Cerasello ist somit ein charakteristisches Beispiel für die in der 2. Hälfte des
4. Jhs. v. Chr. oftmals ad hoc entstandenen brettischen Bevölkerungszentren.
Der Siedlungsplatz ist deshalb ein geeigneter Ausgangspunkt für die Untersuchung des bei den einheimischen Völkern ganz Unteritaliens im 4. Jh. v. Chr. zu
beobachtenden, offenbar durch die militärischen Auseinandersetzungen und
sozioökonomischen Umwälzungen dieser Zeit ausgelösten Zentralisierungsund Urbanisierungsdrucks.
II. Timmari: Der Siedlungsplatz Timmari ist nach dem in der Nähe gelegenen modernen Dorf benannt und liegt auf einem weiträumigen, etwa 12 km
westlich von Matera in der Basilicata befindlichen Hochplateau am Mittellauf
des Bradano, 10 km nordwestlich von dessen Zusammenfluss mit der Gravina.
In archaisch-klassischer Zeit verlief in dieser Region die Grenze zwischen dem
japygischen und lukanischen Kulturraum.
Der antike Siedlungsname ist auch hier unbekannt. Seit vorgeschichtlicher
Zeit frequentiert, erlebt der Platz im 11. und 10. Jh. v. Chr. einen ersten Höhepunkt in seiner Besiedlung, deren Intensität auch im 9. und 8. Jh. nicht nachlässt. Zu einem weiteren Aufschwung kommt es durch den Kontakt mit den
griechischen Kolonien im 7. und 6. Jh., ihre höchste Dichte erreicht die Besiedlung allerdings erst in der Zeit des allgemeinen Aufschwungs im 4. und
3. Jh. v. Chr.
Die etwa 9 ha große Siedlung wurde auf den beiden nebeneinander liegenden, durch die lange Nutzung abgeflachten, länglichen Hügeln S. Salvatore
und Camposanto errichtet. Diese sind im Norden durch einen schmalen Sattel miteinander verbunden (Abb. 25). Die beiden Siedlungshügel fallen nach
allen Seiten steil ab, so dass bei ihnen ein hohes natürliches Defensivpotential
gegeben ist. Gleichwohl scheinen beide Hügel eine Befestigung besessen
zu haben, die aus Kalksteinquadern errichtet wurde. In welcher Weise die
ebenfalls besiedelten kleineren Kuppen im südwestlichen und im nordöstlichen Vorfeld mit der Hauptsiedlung verbunden waren, ist bislang noch nicht
geklärt.
84 Jahresbericht 2007 des DAI
Die erste, in diesem Jahr in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Karlsruhe und der Soprintendenz der Basilicata durchgeführte Feldforschungskampagne diente vor allem der Erstellung eines topographischen Gesamtplans, in
den auch die Ergebnisse früherer Ausgrabungen integriert werden sollen. Dieser bildet die Grundlage für den im kommenden Jahr vorgesehenen intensiven
Keramiksurvey und eine geomagnetische Prospektion, mit deren Hilfe die
Siedlungsgeschichte und -struktur des Ortes ergründet werden soll, denn über
den Aufbau der indigenen Siedlungen dieser Region ist bislang nur relativ
wenig bekannt. Der zugleich mit der topographischen Aufnahme durchgeführte extensive Survey erbrachte bereits erste Hinweise in dieser Richtung.
Am Bespiel von Timmari können die Entwicklungsparameter einer in größerer Entfernung von den griechischen Kolonien gelegenen indigenen Siedlung
untersucht werden.
Kooperationspartner – Cerasello: Soprintendenza per i Beni Archeologici
per la Calabria; Comune di Pietrapaola; Fachhochschule Karlsruhe • Förderung: Gerda Henkel Stiftung • Leitung des Projekts: A. Thomsen • Mitarbeiter: A. Achilles.
Kooperationspartner – Timmari: Scuola di Specializzazione in Archeologia
di Matera; Soprintendenza per i Beni Archeologici della Basilicata; Fachhochschule Karlsruhe • Förderung: Gerda Henkel Stiftung • Leitung des Projekts: A. Thomsen • Mitarbeiter: F. Glökler, S. Meier • Abbildungsnachweis:
A. Thomsen (Abb. 23–25).
Selinunt
Bei der Erforschung der Grundzüge einer griechischen Planstadt anhand
des Beispiels von Selinunt richtet sich das Interesse seit Jahren besonders auf
die Agora, das politisch-zivile Zentrum der Großstadt. Nach der intensiven
Flächengrabung in dem Baublock am Ostrand des ausgedehnten Platzes, die
bereits tiefen Einblick in das wechselvolle Leben der Stadt gewährt hatte, geht
es seit zwei Jahren darum, den Platz selbst und vor allem seine Randbebauung
im Westen und Norden sowie ihre Bestimmung durch die Geschichte kennenzulernen. Große Teile der Südseite und die südliche Hälfte der Westflanke
liegen unter hohen Sanddünen verborgen und werden erst nach deren aufwendiger Abtragung in einem eigenen Grabungsabschnitt untersucht werden
können. Die Arbeiten der Jahre 2005–2007 sind jetzt an einem vorläufigen
Ende angelangt. Der vorliegende Bericht ist dennoch nicht als Endbericht
anzusehen, da noch ein Großteil der Fundbearbeitung aus der aktuellen Grabung aussteht. So hat auch das Folgende noch vorläufigen Charakter.
Nach den im letzten Jahr referierten grundsätzlichen Auskünften über die
Gestalt und Bebauung des Platzes selbst (s. AA 2007/2, 196 Abb. 12) konzentrierte sich die diesjährige Grabung ganz auf die Erforschung der im Vorjahr am
West- und Ostrand entdeckten Hallenbauten und ihre Geschichte (Abb. 26).
1) Die Westseite: Die in ca. 85 m Länge freiliegende Westseite des Platzes
(weitere 85 m liegen unter der Düne) wird durch die hier ca. 6,50 m breite
Plateia N0 flankiert, welche als Hauptstraße das Nordwestquartier erschließt.
Sie wird nach den letzten Grabungen auf der Agoraseite von einer komplexen
Anlage aus zwei einander am selben Platz ablösenden Hallen gesäumt (Abb.
27). Die ältere Anlage war sehr wahrscheinlich einschiffig und ca. 5 m tief.
Sie reichte mit ihrer Rückseite ca. 1 m nach Westen unter das großformatige
Plattenpflaster des späten 5. Jhs. v. Chr.; die Hauptstraße war in ihrer ursprünglichen Anlage also um soviel schmäler.
Die alte Stoa wurde offenbar systematisch abgebaut, um mit ihrem Material den Neubau an derselben Stelle zu errichten. Daher ist sie mit wenigen
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Rom 85
Abb. 26 Selinunt, Agora. Gesamtplan
mit Eintragung der Grabungsschnitte
und Lageplan der neuen Monumente
(M. 1 : 2500)
Abb. 27 Selinunt, Blick über die Hauptstraße N0 und die Weststoa nach Süden
86 Jahresbericht 2007 des DAI
Ausnahmen von noch erhaltenen Blöcken fast ausschließlich aus ihren Fundamentgräben zu erschließen, welche sich aber deutlich im Fels abzeichnen. Sie
lassen sich im zentralen Bereich der Grabung über eine Länge von mindestens
55 m verfolgen.Vier in den Fundamenten des Nachfolgerbaus eingebaute Säulentrommeln und ein Kapitellfragment lassen sich zu einer etwa 3,50 m hohen
Säule rekonstruieren, die kaum zu einem anderen Bau als der alten Stoa gehört
haben kann. Nach Ausweis der Form des Hypotrachelions des Kapitells über
dem unkannelierten Säulenschaft ist die Säule kaum nach der Mitte des 6. Jhs.
v. Chr. anzusetzen. Die Stoa gehört also zu den ältesten Hallen mit Steinsäulen
und war daher ein bedeutendes Monument an der Agora von Selinunt. Über
ihre Längenausdehnung lässt sich beim aktuellen Grabungsstand noch nichts
sagen.
Die über den Resten der ersten Halle errichtete neue Halle ist hingegen
von ihrer Nordflanke ca. 30 m südlich der Kreuzung der Hauptstraßen N0 und
NA nach Süden hin über mehr als 60 m weit zu verfolgen, ehe sie unter der
Düne verschwindet; ihre Länge bleibt daher einstweilen unbekannt. Sie war
zweischiffig und bestand aus einer hinteren, ca. 5 m tiefen Reihe von Kammern oder Sälen unterschiedlicher Länge sowie einer ca. 7 m tiefen zum Platz
hin vorgelagerten Portikus. Auch dieser Bau ist größtenteils aus den beraubten
Fundamentgräben zu erschließen, doch haben sich in allen Gräben auch Reste
der untersten Fundamentschicht erhalten. Das gilt in größerem Maße für die
Rückwand, deren Demontage unter der noch hoch anstehenden Schicht der
großen und für die Wiederverwendung ungeeigneten Flusskalk-Basoli der
Hauptstraße offenbar besonders schwierig war. Dieses Fundament lässt auch
am besten die vom Vorgängerbau wiederverwendeten Blöcke erkennen. Mehr
hat sich von der aufgehenden Steinarchitektur bislang nicht ausmachen lassen,
vor allem fehlt der Beleg für steinerne Säulen, die aber angesichts der Dimensionen des Baus zu postulieren sind. Erhalten haben sich jedoch große Massen
vom Terrakottadach aus großformatigen Ziegeln, welche sich als Räumlagen
zwischen den ausgeraubten Fundamentgräben fanden. Nach ihrer Form ist der
Neubau vorerst grob in spätarchaisch-frühklassische Zeit zu datieren; genauere
Auskunft wird das Studium der stratifizierten Keramik ergeben. Auch zu den
Funktionen dieses bedeutenden Baus hat die Grabung keine Hinweise geliefert, doch mögen die unterschiedlich langen Lokale hinter der zusammenfassenden Säulenhalle verschiedenen Verwaltungsaufgaben u. ä. gedient haben.
Die Halle selbst ist zwar in punischer Zeit nicht überbaut worden, doch in
die nur an der Ostkante angegrabenen Häuser längs des Westrandes der Hauptstraße wurden damals Neubauten eingerichtet. Ein Mauerzug aus großformatigen Blöcken scheint aber zu einem Bau griechischer Zeit zu gehören, der
nach seinen Dimensionen nicht allein Wohnfunktionen gedient haben dürfte.
Die nach der Kampagne im Vorjahr angestellte Vermutung eines weiteren, im
Winkel zwischen den Straßen N0 und NA gelegenen Baus hat sich nicht bestätigt; der Bereich scheint nicht bebaut gewesen zu sein.
2) Die Nordseite: In Entsprechung zu dem anspruchsvollen erwähnten Bau
am Westrand der Straße N0 scheinen auch längs der Nordseite der Straße NA
Bauten aus großformatigen Quadern das Bild bestimmt zu haben. Dies mag
auch seinen Grund darin haben, dass im Bereich zwischen der Hauptstraße N0
und der Einmündung des Stenopos N3-E kein besonderer Bau die Straße NA
agoraseitig begleitet. Die Straße bildet hier also die – recht offene – Grenze des
Platzes und lässt den Fahrverkehr bisweilen auch auf den Platz selbst ausgreifen, wie tiefe Karrenspuren sowie wiederholte Reparaturen der Straßenbeläge
erweisen. Während in dem hoch, bis praktisch unter die heutige Oberfläche
anstehenden Fels im Bereich zwischen Straße N0 und N2-E nur noch FelsbetAA-2008/1 Beiheft
Abteilung Rom 87
Abb. 28 Selinunt, Nordflanke der Agora.
Steinplan mit Rekonstruktion der Nordstoa
(M. 1 : 1000)
tungen von den Häuserfronten zeugen, wurde am südlichen Kopfende der Insula N2-E/N3-E ein großer Raum ergraben, der durch ein breites Tor zugänglich und mit einem sehr anspruchsvollen Ziegeldach, welches sich in Sturzlage
fand, gedeckt war: Offenbar ein Lokal besonderer Bestimmung, über die sich
freilich nichts mehr sagen lässt, da der Raum in punischer Zeit völlig leergeräumt worden ist. Hier, wie auch im ganzen übrigen Verlauf der Straße NA,
hat sich eine punische Bebauung über die griechischen Bauten gelegt, ja selbst
auf die Straße, die also damals nicht mehr in Gebrauch war.
Unter punischer Überbauung ist auch eine weitere Stoa verschwunden, die
östlich der Einmündung des Stenopos N3-E in die Straße NA diese auf ihrer
Südseite, also der Agoraseite, begleitete (Abb. 28). Sie war im letzten Jahr schon
angegraben worden, jetzt hat sich ihre Gestalt geklärt. Sie erstreckt sich längs
der Straße NA bis zu deren Einmündung in die Straße N5-E, einer 6,50 m
breiten Straße, welche ihrerseits in die ca. 9 m breite Ostwest-Hauptplateia S11
mündete und in dem kurzen Trakt zwischen dieser und der Straße NA den
Platz an seiner Nordostecke begrenzte. Im Winkel zwischen den Straßen NA
und N5-E biegt die Stoa nun rechtwinklig um und folgt in gleichbleibender
Form der Straße N5-E in einer bislang nicht feststellbaren Länge, also maximal bis zu deren Begegnung mit der Straße S11. Es handelt sich also um eine
winkelförmige Anlage, deren nördlicher Flügel 61 m lang ist. Die Länge lässt
sich genau bestimmen, da sich das Fundament der westlichen Stirnwand der
Halle in situ befindet und darauf mit Ritzlinien die genaue Wandflucht angezeigt ist.
Während der Verlauf der Straßen grosso modo der Felsoberfläche folgt, die
dafür nur teilweise zugerichtet wurde – lediglich die Klüfte zwischen den Felsrücken waren aufgefüllt und der Straßenbelag war an diesen Stellen aus großen
Basoli hergestellt –, sollte die Halle ein einheitliches Niveau erhalten. Da im
Winkel zwischen den Straßen NA und N5-E der Fels aber stark ansteigt, musste
der Winkel, in dem die Stoa zu liegen kam, aus dem Fels herausgearbeitet und
geebnet werden. Die Stoa schmiegt sich also in einen aus dem Fels geschlagenen Winkel von in der Ecke 1,70 m Höhe, dessen Wände zugleich die Rückwände der Stoa bilden. In einer Felsbettung auf der Kante ruhte dann der heute
gänzlich fehlende obere Abschnitt dieser Wände. Dank der Lage im natürlich
geschützten Winkel haben sich auch die Baubefunde des Monuments und seiner späteren Verwandlung hier recht gut erhalten. So lässt sich unter den Resten
punischer Neunutzung die agoraseitige Front der Anlage gut erkennen. Dabei
handelt es sich um einen ca. 4 m vor der Flucht der Felswand parallel zu ihr anAA-2008/1 Beiheft
88 Jahresbericht 2007 des DAI
gelegten Stylobat aus Quadern, von dem gute und zusammenhängende Reste
in beiden Richtungen erhalten sind. Standspuren und Ritzlinien lassen eine
Stützenstellung von 1,75 m Achsweite rekonstruieren. Da nach dem Grabungsbefund ein weiteres paralleles Fundament ausgeschlossen werden kann, muss es
sich bei der Anlage um eine einschiffige Halle gehandelt haben, deren Front sich
eigentümlicherweise nicht mit Säulen, sondern mit Pfeilern öffnete. Die Ritzmarken, welche Quadrate von 55 cm Seitenlänge angeben, lassen daran keinen
Zweifel, da man Rundsäulen auf quadratischen Basen ausschließen muss. Denn
nach der Steintechnik ist der Stylobat in archaische Zeit zu datieren – ohne
dass vorerst, vor der Bearbeitung der stratifizierten Befunde, ein genaueres Urteil möglich wäre.
Diese Anlage muss im Laufe des 5. Jhs. v. Chr. stark verändert und in ein noch
größeres Monument miteinbezogen worden sein, wie einzelne Baumaßnahmen zeigen, doch ist darüber vor einer Erweiterung der Grabung kein klares
Bild zu gewinnen. Um so anschaulicher sind die Reste aus der Zeit der Neunutzung in der punischen Siedlung. Damals richtete sich hier offenbar ein Handwerksbetrieb ein, der sich hauptsächlich mit der Wieder- und Neuverarbeitung von aus der zerstörten Griechenstadt gesammeltem Altmetall befasste.
Pfeilspitzen und vor allem Gussrohlinge davon lassen an eine Waffenschmiede
denken. Besonderen Aufschluss erwarten wir uns freilich von in dem dichten
Schutt gefundenen Blättchen aus Blei und Kupfer, welche geritzte griechische
Inschriften tragen, deren Inhalt durch Falten und Einrollen absichtlich unlesbar
gemacht wurde (Abb. 29). Nach ihrer Restaurierung und Öffnung im Istituto
Centrale di Restauro in Rom, welches sich dieser Stücke annehmen soll, werden wir erfahren, welcher Natur die Zeugnisse sind.
Abb. 29 Selinunt, Bleitäfelchen mit
Inschrift vor der Restaurierung
Nach diesen Ergebnissen aus der zweiten Grabungsphase auf der Agora von
Selinunt ergänzt sich das Bild auf eindrucksvolle Weise: Der anspruchsvollen
Fassung, welche die Front der insula am Ostrand ab der 2. Hälfte des 6. Jhs.
v. Chr. erhalten hat, entspricht nun das Bild an den beiden anderen Hauptseiten. Zwei lange Stoen, die westliche mit einer eigenen wechselvollen Baugeschichte, gaben dem Platz einen Rahmen von einer Monumentalität, wie
wir das in dieser Form bisher von keiner anderen griechischen Agora durch
den Ausgrabungsbefund kennen. Dies gilt auch trotz des – durch den antiken
Steinabbau bedingten – schlechten Erhaltungszustandes.
Kooperationspartner: Soprintendenza ai Beni Culturali e Ambientali di
Trapani • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: D. Mertens • Mitarbeiter
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Rom 89
und Mitarbeiterinnen: L. Adorno, E. Alvarez-Dossmann, R. Attula, Ch. Dehl
von Kaenel, S. Helas, N. Hoesch, M. Jonasch, Ch. Kirzinger, M. Rutsche,
D. Schmehle, M. Schützenberger, A. Schwarz, A.Thomsen • Abbildungsnachweis: Selinunt-Archiv (Abb. 26–29).
Agrigent
Das Projekt am größten dorischen Tempel in Westgriechenland, dem Tempel B
(›Olympieion‹) in Agrigent, konnte in diesem Jahr fortgeführt werden. Das literarischen Quellen (Diodorus Siculus 13, 82 und Polybios 9, 27) zufolge unmittelbar nach dem Sieg über die Karthager in Himera 480 v. Chr. begonnene Bauwerk wurde nie ganz zu Ende geführt, es stellt jedoch nicht nur hinsichtlich
seiner außergewöhnlichen Proportionen einen Einzelfall dar, sondern auch da
es neue wie originale architektonische Lösungen bietet, die von dem üblichen
griechisch-dorischen Kanon abweichen.
Neben der Erarbeitung eines Konzeptes zur Konservierung, Sichtbarmachung und touristischen Erschließung des Tempels wurde die Katalogisierung
der neu identifizierten Bauglieder fortgeführt sowie ein Längs- und Querschnitt gezeichnet (Abb. 30. 31).
Konträr zu den eher kleinformatigen Steinen (1,25 m × 0,75 m × 0,63 m)
des Stufenbaus sowie den sich aus mehreren segment- und keilförmigen Quadern zusammensetzenden Halbsäulen und Pilastern der Peristase, besteht das
Gebälk aus extrem großformatigen Blöcken. Dies verwundert umso mehr, als
es hierfür bis auf die Architrave keine statische oder bautechnische Notwendigkeit gibt. Aufgrund dieses Umstandes lassen sich die Bauglieder des Gebälks
exakt bestimmen. So ergab die Vermessung aller noch vorhandenen Metopen,
30
31
Agrigent, Tempel B (›Olympieion‹)
Abb. 30 Rekonstruktion der Südostecke
auf der neu erstellten Bauaufnahme
Abb. 31
AA-2008/1 Beiheft
Heutiger Zustand der Südostecke
dass diese bei einer gleichmäßigen Höhe von 3,11 m, Breiten von 2,02 m bis
2,32 m besitzen. Diese großen Maßdifferenzen zeigen, dass die Eckjoche entgegen der bisherigen Annahme doch kontrahiert waren. Die an den Resten des
Stufenbaus durchgeführten Messungen zur Bestimmung der Front- und Seitenjoche weisen in die gleiche Richtung. Als sehr ungewöhnlich ist das Resultat der Messung zwischen der 7. und 8. Säule auf der nördlichen Längsseite
anzusehen (die südliche ist zerstört). Hier konnte im Gegensatz zum 8,13 m
betragenden Normaljoch, eine Jochweite von 8,19 m ermittelt werden. Ob
90 Jahresbericht 2007 des DAI
diese Jochdehnung im Zusammenhang mit der Gesamtproportionierung des
Tempels steht und eine gewollte Maßnahme ist, kann erst durch die Auswertung und Berechnung aller ermittelten Maße gesagt werden. Der Differenzbetrag von 6 cm könnte auch durch die Absteckung der Säulenachsen entstanden
sein, indem man diese von den beiden Frontseiten ausgehend aufgetragen hat.
Die Jochdehnung im Zusammenhang mit einem zusätzlichen Eingang an der
Längsseite zu sehen, wie er aufgrund der eigentümlichen Erschließung des Tempels (zwei Eingänge an den Ecken der Frontseite) postuliert wird, ist nicht anzunehmen, da der Befund auf der nördlichen Längsseite dagegen spricht.
Kooperationspartner: Parco Archeologico e Paesaggistico della Valle dei
Templi di Agrigento • Förderung: Parco Archeologico e Paesaggistico della
Valle dei Templi di Agrigento • Leitung des Projekts: H.-J. Beste • Mitarbeiter: Ch. Kirzinger, M. Knechtel, U. Petzold • Abbildungsnachweis: DAI,
Abteilung Rom, H.-J. Beste (Abb. 30. 31).
Totenbrauchtum italischer Kulturen Süditaliens und Siziliens
Die Untersuchung widmet sich der Analyse des indigenen Totenbrauchtums
Südostsiziliens unter den Einflüssen griechischer Kolonien (Abb. 32). Insbesondere die Konstituierung von Identitäten steht im Vordergrund des Interesses. Für Südostsizilien ließ sich mit Bezug auf die Ergebnisse der frontier studies
eine differenziertere Sichtweise der häufig erfolgenden Gleichsetzung Küste =
›Griechen‹ und Hinterland = ›Italiker‹ gewinnen. Da für die Untersuchung von
Kulturwandel insbesondere die Analyse von Kontaktgebieten, in denen Menschen aus beiden Kulturbereichen leben bzw. lebten, vielversprechend ist, wurden und werden zunächst die Nekropolen von Leontinoi in Bezug auf vier
sich ergänzende semiotische Bedeutungsebenen hin analysiert: 1) Lage und
landschaftlicher Kontext der Bestattungen, 2) Bestattungsform und Grabbau,
3) Grabausstattung unter Berücksichtung des Zustandes und der Lage und
4) die Gestalt der Artefakte – Form, Farbe und Verzierung – im Grab.
Projektbearbeiterin: K. P. Hofmann
Abb. 32 Totenbrauchtum italischer
Kulturen Süditaliens und Siziliens,
exemplarisch ausgewählte Regionen
und Fundplätze in Südostsizilien
(M. 1 : 250 000)
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Rom 91
Ceramica sovraddipinta
Das in diesem Frühjahr begonnene Dissertationsvorhaben hat die von der Forschung bisher weitgehend vernachlässigte etruskische Vasengattung der sog.
ceramica sovraddipinta zum Thema.
Diese Dekorationstechnik zeichnet sich dadurch aus, dass die Vasen nach
der Grundierung mit schwarzem Glanzton noch mit Bildern aus aufgesetzter
Farbe versehen wurden. Das Verfahren wurde in den Töpferwerkstätten Athens
wohl im letzten Viertel des 6. Jhs. v. Chr. entwickelt. Hier konnte sich diese
Form der Dekoration jedoch nicht gegen die etwa zeitgleich entstandene rotfigurige Vasenmalerei durchsetzen. Im 5. Jh. v. Chr. findet sie allerdings – wie
die rotfigurige Technik auch – Eingang in das Repertoire etruskischer Vasenmaler, z. B. der Praxias-Gruppe. Im 4. Jh. v. Chr. kann sie mit Künstlern wie
beispielsweise der Sokra- oder der Phantom-Gruppe in Etrurien als etabliert
gelten.
Unmittelbar stellt sich die Frage, wieso in Etrurien im Gegensatz zu Attika
beide Techniken (gleichberechtigt?) nebeneinander existieren konnten. Auf
der Grundlage eines Kataloges gilt es, anhand der technischen Merkmale der
Keramik zu ermitteln, ob die Töpferwerkstätten auf je eine Dekorationstechnik spezialisiert waren oder beide Gattungen gleichzeitig produzierten. Untersuchungen zur Motivauswahl und Umsetzung sollen ferner klären, ob die ›ceramica sovraddipinta‹, deren Technik auf den ersten Blick schneller zu erlernen
und auszuführen wirkt als die rotfigurige Malerei, tatsächlich als vereinfachte
und kostengünstigere Nachahmung letzterer gelten darf, wie bisher in der Forschung weitgehend vertreten wird, oder ob andere Gründe dazu führten, dass
sie in Etrurien zu einer starken Alternative wurde. Eine Auswertung der Fundkontexte wie der Bilder der beiden Keramikgattungen erlaubt Aussagen darüber, ob sich ihnen bestimmte Nutzergruppen (nach Alter, Status oder Herkunft
unterschieden) zuweisen lassen. Aufgrund dessen soll der Frage nachgegangen
werden, inwieweit die materielle Kultur ein Ausdruck kollektiver Identitäten
sein kann.
In diesem Jahr lag der Schwerpunkt der Tätigkeit darin, die bisher erschienene Literatur zu erschließen und zu sichten sowie Fragestellungen herauszuarbeiten. 2008 sollen nun vor allem die Studien an den Originalen im
Mittelpunkt stehen.
Projektbearbeiterin: S. Patzke.
Apollonia (Albanien),Theater
Die Theater des 3. Jhs. v. Chr. in einigen Städten des griechisch-illyrischen Kulturraumes im heutigen Albanien besitzen deshalb so große Bedeutung, weil sie
einen völlig neuen Typus von Bühnengebäude zu erkennen geben, ferner aber
auch, weil sich an ihnen die Funktion von Theatern im Kontext der jeweiligen
Städte gut erfassen lässt. Denn je nach Einbettung in eine stärker von griechischen Traditionen geprägte Stadt oder eine einheimisch illyrische Siedlung,
gab man den Theatern eine unterschiedliche Gestalt. Sie äußerte sich vor allem
in der unterschiedlichen Zuordnung innerhalb des Areals, aber auch in der Ausstattung. Dazu ist es jedoch notwendig, diese Theater – vor allem das in Apollonia – genauer als bisher zu erfassen, zu dokumentieren und zu rekonstruieren.
Die bisher in dem Theater ergrabenen Materialien konnten gesichtet sowie
die Bauphasen erfasst und voneinander gesondert werden, außerdem wurde
eine erste Rekonstruktion des Bühnengebäudes erstellt. Die Funde sind vor
allem an Skulpturen und für den ornamentalen Schmuck des Baus sehr reich
(Abb. 33. 34). Nachdem die einzelnen Ordnungen aus dem Bestand der AltAA-2008/1 Beiheft
92 Jahresbericht 2007 des DAI
33
materialien erschlossen wurden, gelang es durch die Grabungen in diesem Jahr,
auch die Raubgräben der Fundamente zu finden. Das wiederum erlaubte eine
Rekonstruktion der Front des Bühnenhauses (Abb. 33). Außerdem wurden
die orchestra und die Analemma-Mauer in einzelnen Bereichen freigelegt, um
einerseits Indizien für die Datierung der Phasen zu gewinnen, andererseits
auch für die Rekonstruktion dieser Teile. Die früheste, vorhellenistische Phase
lässt sich vorerst nicht genauer einordnen, die Aufgabe des Theaters hingegen
dürfte in das späte 2. oder 3. Jh. n. Chr. fallen. Das legt ein Hortfund an Bronzeobjekten nahe, der die Verschüttungsschicht datiert. Später wurde darauf in
teilweiser Berücksichtigung der alten Fundamente ein Ziegelbau, möglicherweise eine Kirche, errichtet.
Die Grabung B. Lahis an der ›Amphorenmauer‹ hinter der Südhalle der Agora konnte unterstützt werden, durch eine sorgfältige Auswertung des Schnittes
konnte zum einen die Datierung der Halle in das 3. Jh. v. Chr. gesichert werden,
zum anderen die Funktion der Packung der Amphoren. Mit ihrer Hilfe war
provisorisch eine Terrassierung rückwärtig hinter der Halle zu sichern.
Kooperationspartner: Albanisches Archäologisches Institut,Tirana (B. Lahi);
Museum in Apollonia (V. Dimo); Universität zu Köln • Förderung: DFG;
Bayerische Akademie der Wissenschaften • Leitung des Projekts: B. Lahi,
H. von Hesberg • Mitarbeiter: A. Angelinoudi, J. Bäuerlein, M. Fiedler •
Abbildungsnachweis: J. Bäuerlein (Abb. 33. 34).
34
Apollonia (Albanien), Theater
Abb. 33 Schnitt durch das Bühnengebäude, das Theater stellt einen bisher
unbekannten Typus mit einer Säulenstellung als Bühnenfront dar (M. 1 : 125)
Abb. 34 Skulpturenfragment einer
weiblichen Gewandstatue aus Marmor
hellenistischer Zeit
Nordafrika
Für die ehemaligen Projekte der Abteilung in Tunesien und Algerien wurden
die entsprechenden Materialien und Dokumentationen der Grabungen von
F. Rakob und Ch. Rüger gesichtet, im Institut zusammengeführt und ein erster Plan zur Publikation der noch ausstehenden Teile entworfen.
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Rom 93
Kooperationspartner: Ch. Flügel (Bayerisches Landesdenkmalamt); H. Dolenz (Landesmuseum Kärnten); M. Mackensen (Ludwig-Maximilians-Universität München) • Leitung des Projekts: H. von Hesberg.
Bostra (Syrien), Ostviertel
Aus der archäologischen Auswertung der antiken Bauten im Ostviertel von
Bostra konnten entscheidende neue Erkenntnisse zur städtebaulichen Entwicklung gewonnen werden. In augusteischer Zeit wurde im Ostviertel von
Bostra ein monumentales Heiligtum errichtet. Zu diesem Heiligtum gehörten das als »nabatäisches Tor« bezeichnete Propylon, der sog. Palast des Trajan
(Abb. 35), bei dem es sich wahrscheinlich um ein Priesterhaus handelt, und
außerdem ein Tempel. Dieser wurde im 5. Jh. n. Chr. in eine Kirche in Form
eines Zentralbaus umgebaut. Im frühen 2. Jh. n. Chr., als Bostra zur Hauptstadt
der Provincia Arabia wurde, entstand im Ostviertel ein gänzlich neuer Komplex mit einem Forum, einer Basilika und anderen Bauten. Neben dem alten
traditionellen Heiligtum errichtete man einen weiteren Kultbau, der vermutlich dem Iuppiter Ammon geweiht war. Die Klientel des Sakralbaus, der im
Grundriss dem alten Heiligtum ähnlich ist, waren die in Bostra stationierten
Soldaten der Legio III Cyrenaica. In dieser Zeit wurde auch das Theater im
Süden der Stadt erbaut. Das gänzlich aus Basalt hergestellte Bauwerk erhielt
während der Herrschaft des Alexander Severus eine neue Wandgliederung der
scaenae frons, deren Bauglieder aus Kalkstein und prokonnesischem Marmor
bestehen.
Leitung des Projekts: K. S. Freyberger • Bearbeitung: Ch. Ertel.
Abb. 35 Bostra (Syrien), Ostviertel.
›Palast des Trajan‹, Apsidensaal
Visualisierung des römischen Köln
Für wissenschaftliche und didaktische Zwecke wird in enger Zusammenarbeit zwischen der Fachhochschule und der Universität zu Köln ein virtuelles
Modell des römischen Köln entwickelt, in dem die vor allem durch B. Irmler
rekonstruierten Bauten in ihrem baulichen Volumen, ihrer Gestaltung und
ihrem urbanistischen Kontext erfahrbar werden sollen. Im Unterschied zu vieAA-2008/1 Beiheft
94 Jahresbericht 2007 des DAI
36
37
len anderen Modellen dieser Art wird daran gearbeitet, es in Echtzeit nutzen
zu können (Abb. 36. 37).
Kooperationspartner: Universität zu Köln; Fachhochschule Köln; Römisch-Germanisches Museum Köln; Hasso-Plattner-Institut für Softwaresystemtechnik, Potsdam • Förderung: GEW-Stiftung Köln • Leitung des
Projekts: M. Eichhorn, H. von Hesberg • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen:
J. Bäuerlein, J. Döllner, H. Hellenkemper, F. Naumann-Steckner, R. Pokorski
• Abbildungsnachweis: Ch. Rademann, R. Pokorski (Abb. 36. 37).
Visualisierung des römischen Köln
Abb. 36
›Ara Ubiorum‹
Abb. 37
Kapitolstempel und sein Bezirk
Wissenschaftliche Veranstaltungen
Vorträge
26. April (Palilienadunanz, zu Gast im Museo Nazionale Romano, Palazzo
Massimo alle Terme) Giuliana Cavalieri Manasse (Verona), Formazione di una
polis megale cisalpina: Verona tra il II e il I secolo a. C.xxx20. November (zu
Gast in der Casa di Goethe) Stefanie Oehmke (Krefeld), Gemmen, Münzen
und Kontakte. Zum 150. Todestag der ersten deutschen Archäologin Sybille
Mertens-Schaaffhausenxxx13. Dezember (Winckelmannadunanz, zu Gast im
Museo Nazionale Romano, Palazzo Massimo alle Terme) Michael Heinzelmann (Bern), Amiternum und das obere Aterno-Tal: Annäherungen an eine
sabinisch-römische Landstadt.
Vorträge im Rahmen des von der Gerda Henkel Stiftung geförderten Projekts
»Italische Kulturen des 7. bis 3. Jhs. v. Chr. in Süditalien und Sizilien«
5. März Andrea Babbi (Rom), Nei mari estremi. Riflessioni sulla piccola plastica fittile antropomorfa della penisola italiana nell’età del bronzoxxx16. April
Alessandro Palmieri (Rom), Aspetti del rituale funerario veiente di VI e V
secolo a. C.; Maria Cristina Biella (Rom), Idee tirreniche e sperimentazioni
adriatiche. Note sugli impasti excisi al di là degli Appenninixxx14. Mai Ferdinando Sciacca (Rom), Circolazione di doni cerimoniali nell’Italia antica nel
VII secolo a. C.; Nadin Burkhardt (Rom), I riti funerari degli Italici e dei Greci sulla costa Ionica. Influenze reciproche e sviluppi indipendentixxx4. Juni
Laurent Haumesser (Rom), Sarcofagi con decorazione dipinta in Etruria in
epoca ellenistica; Marina Sclafani (Rom), Urnette cinerarie etrusche di periodo ellenisticoxxx3. September Elena Foddai (Rom), Alari e spiedi metallici
in Etruria tra il VIII e VI secolo a. C.xxx1. Oktober Ornella Guzzi (Rom),
Vasellame e instrumentum bronzeo a decorazione plastica di età tardo-classica
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Rom 95
ed ellenistica in Etruria; Arianna Medoro (Rom), Raffigurazioni di volatili
nella ceramografia arcaicaxxx5. November Massimiliano Di Fazio (Rom),
Feronia e dintorni. Il profilo di una divinità tra preromano e romano.
Kolloquien und Symposien
21. bis 23. Februar Internationaler Kongress »Phönizisches und Punisches
Städtewesen« (Gemeinschaftsprojekt der Abteilungen Madrid und Rom im
Rahmen des Forschungsclusters 3 »Politische Räume«; Leitung: Dirce Marzoli
[Madrid] und Sophie Helas [Rom]; zu Gast im Museo Nazionale Romano,
Palazzo Massimo alle Terme und Terme di Diocleziano auf freundliche Einladung von R. Paris und M. A. Tomei). 44 Experten aus zehn Ländern präsentierten ihre neuen Forschungsergebnisse; ca. 600 Gäste nahmen an dem
Kongress teil. – Es sprachen: Dirce Marzoli (Madrid) – Henner von Hesberg
(Rom), Einführung; María Eugenia Aubet (Barcelona), Byblos, Tyros; Ze’ev
Herzog (Tel Aviv), Phoenician Urbanism in Palestine; Eric Gubel (Brüssel),
Phoenician Towns and harbours in the North: The Case of Early Iron Age
Amurru; Hélène Sader (Beirut), Tell Burak; Paolo Xella (Rom) – Ida Oggiano (Rom), Sidone e il suo territorio in età persiana: Epigrafia e archeologia;
Jens Kamlah (Tübingen), Städtische Heiligtümer der Levante; Marguerite Yon
(Lyon), Identifier les espaces urbains à Kition (Chypre); Maria Pia Rossignani
(Mailand), Il santuario di Astarte a Malta e le successive transformazioni del
suo volto monumentale; Nathaniel Cutajar (La Valletta), The Transition from
Bronze Age to Phoenician Settlement Types – Preliminary Considerations on
the Malta Evidence; Boutheina Maraoui Telmini (Tunis), Utique à l’époque
phénicienne et punique: État de la question; Carmen Aranegui Gascó (Valencia), Lixus (Larache): Casas y almacenes fenicios, púnicos y mauritanos; Aomar
Akerraz (Rabat) – Emanuele Papi (Siena), Thamusida; Hans Georg Niemeyer
(Hamburg), Karthago; Roald Docter (Gent), Karthago; Mounir Fantar (Tunis),
L’architecture religieuse à Kerkouane: Le cas de la chapelle à plan carré; Dieter
Mertens (Rom), Befestigungen in Nordafrika und Sizilien; Francesca Spatafora
(Palermo), Dagli emporia fenici alle città puniche: Continuità e discontinuità
nell’organizzazione urbanistica di Palermo e Solunto; Lorenzo Nigro (Rom),
Il tempio del Kothon e il ruolo delle aree sacre nello sviluppo urbano di Mozia
dall’VIII al IV secolo a. C.; Maria Luisa Famà (Trapani), L’urbanistica e le strutture abitative di Mozia allo stato attuale delle ricerche; Sophie Helas (Rom),
Selinunt: Zur Gestalt der punischen Stadt; Massimo Osanna (Potenza), Kossyra antica: L’insediamento dell’età arcaica all’epoca ellenistica; Thomas Schäfer
(Tübingen), Pantelleria: Stadtanlage und Heiligtum; Corinne Bonnet (Toulouse) – Giuseppe Garbati (Viterbo), Spazi sacri dentro e fuori la città: Strategie
di occupazione e forme devozionali nella Sardegna fenicia e punica; Carla Perra (Carbonia), Carbonia, Nuovi elementi per la tipologia degli insediamenti
fenici della Sardegna Sud-Occidentale; Rubens D’Oriano (Sassari), Olbia: Elementi di urbanistica fenicia, greca e punica; Antonella Mezzolani (Rom),Tharros: Membra disiecta di una città punica; Diego Ruiz Mata (Cádiz), Castello
de Doña Blanca; Felix Arnold (Madrid) – Dirce Marzoli (Madrid), Toscanos,
Morro de Mezquitilla und Las Chorreras aus baugeschichtlicher Sicht: Städtebau und Wohnhaustypologie im Vergleich; José Luis López Castro (Almería),
Las ciudades de Abdera y Baria en el Sureste de la Península Ibérica; Carlos
Gómez Bellard (Valencia), Topografía urbana de la ciudad de Ibiza en época
fenicio-púnica; Pierre Rouillard (Nanterre), Entre Phéniciennes et Ibéres:
Le cas de la Rabita/Fonteta à Guardamar del Segua, Alicante; Lorenzo Abad
Casal (Alicante) – Feliciana Sala Selles (Alicante), La arquitectura y el urbanismo en El Oral (San Fulgencio, Alcicante): Un ejemplo de asimilación de la
AA-2008/1 Beiheft
96 Jahresbericht 2007 des DAI
arquitectura fenicia y púnica; Juan Blánquez Pérez (Madrid) – Manuel Bendala
Galán (Madrid) – Lourdes Roldán Gómez (Madrid), Nuevas propuestas a los
modelos de asentamientos colonial del mundo fenicio-púnico en el sur de la
Península Ibérica: El ejemplo de Carteia (San Roque, Cádiz); Sebastián Ramallo Asensio (Murcia) – Elena Ruiz Valderas (Murcia), El diseño urbano de
una gran ciudad del SE de Iberia: Qart Hadash; María Belén Deamos (Sevilla),
Carmona (Sevilla). Arquitectura oriental en una ciudad tartesia del Valle del
Guadalquivir. Abschlussdiskussion (Leitung: Hans Georg Niemeyer), Teilnahme: Maria Giulia Amadasi, Sandro Filippo Bondì, Margarete van Ess, Dirce
Marzoli, Hermanfrid Schubart. Weitere Teilnehmer: Paolo Bernardini, Fethi
Chelbi, Abdelaziz El Khayari, Elisabeth Fentress, Pierre Moret.
8./9. Juni Kolloquium zum 70. Geburtstag von Paul Zanker »Kunst von
unten? Stil und Gesellschaft in der Antiken Welt von der ›arte plebea‹ bis
heute« (Organisation: Abteilung Istanbul des DAI, Abteilung Rom des DAI,
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Columbia University New York; zu Gast in der Deutschen Akademie
Villa Massimo). – Es nahmen teil: Ida Baldassarre, Adolf H. Borbein, Filippo
Coarelli, Francesco de Angelis, Jens-Arne Dickmann, Pier Giovanni Guzzo,
Henner von Hesberg, Ralf von den Hoff,Tonio Hölscher, Eugenio La Rocca,
Richard Neudecker, Felix Pirson, Alan H. Shapiro, R. R. R. Smith, Mario
Torelli, Andrew Wallace-Hadrill, Fausto Zevi.
Öffentlichkeitsarbeit
Die öffentlichen Führungen in Rom und Umgebung erfolgten vom 27. Januar bis 20. Mai.
Den traditionellen Pompejikurs für Gymnasiallehrer ersetzte auch dieses
Jahr der Romkurs, der vom 21. bis 27. Oktober stattfand. Daran beteiligten
sich alle wissenschaftlichen Referenten und Referentinnen der Abteilung.
Der Italienkurs fand zum ersten Mal vom 6. bis 14. Oktober statt und führte
die Gruppe der Studierenden und wissenschaftlichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von deutschen Universitäten und wissenschaftlichen Einrichtungen, die von Friederike Fless und Henner von Hesberg geleitet wurde, über
die Städte Verona, Padua, Montegrotto Terme, Este, Adria, Altino, Concordia
Sagittaria (Portogruaro), Aquileja und Triest. Dabei wurden die Befunde und
die Objekte in den Museen von den italienischen Kollegen und Kolleginnen
vor Ort erläutert und mit ihnen diskutiert. Der Kurs diente als Studieneinheit
bzw. der fachlichen und beruflichen Fortbildung. Dabei standen die einheimische Kultur der Veneter, die Vorgänge der Akkulturation (Griechen, Etrusker,
Kelten) und später die Urbanisierungsvorgänge in der Zeit der Republik und
der frühen Kaiserzeit und die Spätantike im Zentrum der Betrachtung.
Sonstiges
Wegen der Bauarbeiten und der Suche nach einem Ausweichquartier waren
die wissenschaftlichen Dienstleistungen beeinträchtigt.
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Athen
Abteilung Athen
Fidiou 1
GR-10678 Athen
Tel.: +30-210-330 74 00
Fax: +30-210-381 47 62
E-Mail: [email protected]
Direktoren
Prof. Dr. Dr. h. c. Wolf-Dietrich Niemeier, Erster Direktor
PD Dr. Reinhard Senff, Wissenschaftlicher Direktor
Wissenschaftliche Mitarbeiter
Dr. Joachim Heiden (ab 1. 7.), Dr. des. Ivonne Kaiser, Dr. Konstantinos Kopanias (bis 31. 8.),
Dr. Michael Krumme (bis 31. 7.), Dr. Astrid Lindenlauf (ab 1. 9.), Dr. Jutta Stroszeck
Auslandsstipendiaten
Dr.-Ing. Nils Hellner, Dr. des. Constance von Rüden (ab 1. 3.)
Wissenschaftliche Hilfskräfte
Susanne Bocher M. A., Dr. Dimitris Grigoropoulos (bis 31. 5.), Jan-Marc Henke M. A.
(ab 15. 10.), Katrin Heyken M. A. (bis 30. 9.), Dr. des. Stefanie Luchtenberg (ab 1. 6.),
Oliver Pilz M. A., Laura Rizzotto M. A., Dipl.-Ing. Jürgen Schumann (bis 31. 8.),
Ulrich Thaler M. A.
Abteilung Athen 99
Ausgrabungen und Forschungen
Athen, Kerameikos
Nachgrabung an den Lakedaimoniergräbern: Im Kerameikos wurden die
Nachgrabungen im Grabbau der 403 v. Chr. gefallenen spartanischen Krieger
fortgesetzt. Ziel war zum einen die Kontrolle der Auffüllungsschichten, da sich
in den Tagebüchern des ersten Ausgräbers, A. Brueckner, der Hinweis findet,
dass die Erde aus den Grabgruben zu seiner Zeit nur von einem Abschnitt
des Grabbaus in den nächsten, aber nicht nach außerhalb verlagert wurde. Es
bestand also die Hoffnung, noch weitere Informationen zum Opfer am Grab zu
gewinnen. Andererseits sollten die Bauphasen der Lakedaimoniergräber überprüft und erstmals die Innenansicht der freigelegten Mauern aufgenommen
werden. Die beiden Probeschnitte im Inneren des Grabbaus haben gezeigt, dass
noch unberührte Schichten vorhanden sind und dass auch in der bereits ausAthen, Kerameikos. Lakedaimoniergrab
Abb. 1 Inv. 2195, Scherbe eines rotfigurigen Glockenkraters mit Darstellung
eines der Dioskuren, gefunden 1930
Abb. 2 Inv. 11367.1, Scherbe eines rotfigurigen Glockenkraters mit Darstellung
der Athena
1
Abb. 3 Der Löwe Inv. P 1698 vom Heiligen
Tor nach der Zusammensetzung
2
gegrabenen und wieder eingefüllten Erde noch Keramikfragmente vom Opfer
am Grab vorhanden sind. So fand sich in der unteren, weniger stark durchmischten Füllung eine rotfigurige Scherbe von der Hand des Suessula-Malers, die
die Göttin Athena zeigt und die zu demselben Glockenkrater gehört wie eine
Scherbe mit der Darstellung der Dioskuren bei der Geburt der Helena, die
bei den Grabungen A. Brueckners 1930 zutage gekommen ist (Abb. 1. 2). Eine
Fortsetzung der Arbeiten ist deshalb für das kommende Jahr geplant.
Restaurierung: In dieser Kampagne konnten zwei der 2002 am Heiligen
Tor gefundenen Skulpturen – der hocharchaische Löwe (Abb. 3) sowie die
Sphinx – neu zusammengesetzt und aufgestellt werden.
Leitung des Projekts: W.-D. Niemeier; Leitung der Untersuchungen an
den Lakedaimoniergräbern: J. Stroszeck • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen:
K. Heyken, I. Kaiser, G. Kuhn, P. Gjumes, E. Foto, J. Papagrigoriou, Th. Kardamis (Restaurierung) • Abbildungsnachweis: J. Stroszeck (Abb. 1. 2); J. Patterson
(Abb. 3).
Kalapodi
Die Ruinen des Heiligtums bei dem heutigen Dorf Kalapodi im Verwaltungsbezirk Pthiotis in Mittelgriechenland konnten aufgrund von Inschriftenfunden
als das Orakelheiligtum des Apollon von Abai in der antiken östlichen Phokis –
eines der wichtigsten Heiligtümer des antiken Griechenlands mit internationaler Bedeutung – identifiziert werden. Bestätigend kam in diesem Jahr eine
weitere Inschrift hinzu: Bei der Reinigung der Mauern der Kirche Koinesis
tis Theokotou westlich des Dorfes kam eine Statuenbasis mit einer Widmung
der Stadt Abai für Kaiser Konstantin zutage, ein weiteres Indiz dafür, dass Abai
AA-2008/1 Beiheft
100 Jahresbericht 2007 des DAI
im Tal von Kalapodi lag und nicht – wie früher angenommen – im weiter
südlich liegenden Tal von Exarchos. Die Untersuchungen der 2004 wieder
aufgenommenen Grabungen im Heiligtum konzentrieren sich auf den ca. 560
v. Chr. erbauten und 480 v. Chr. von den Persern bei ihrem Vormarsch auf
Athen niedergebrannten hocharchaischen Südtempel und seine Vorgänger
(Abb. 4). Wie die Grabungskampagnen der letzten Jahre gezeigt haben, reicht
der Kult hier im Süden des Heiligtums mindestens bis in die mykenische
Palastzeit (14.–13. Jh. v. Chr.), möglicherweise sogar bis in die mittelhelladische
Periode (20.–18. Jh. v. Chr.), zurück und weist eine für das griechische Festland
bisher einzigartige, nachweisbar lückenlose Abfolge über die sog. Dunklen
Jahrhunderte nach dem Untergang der mykenischen Palastkultur auf.
Im Westen des hocharchaischen Südtempels kamen in diesem Jahr unter
späteren Schuttschichten, die weitere Bauteile des klassischen Nordtempels enthielten, und neben der im Vorjahr entdeckten Rampe wiederum eindrucksvolle Überreste der Perserzerstörung zutage: ein Versturz von Dachziegeln, verkohlten Holzbalken und verbrannten Lehmziegeln. Fragmente von korinthischen Helmen in diesem Schutt zeigen, dass solche Helme zusammen mit den
in den letzten Jahren gefundenen Wagenrädern am Tempel aufgehängt waren.
Große flache, abgeschrägte Kalksteinplatten können eigentlich nur von der
bei der Zerstörung nach Westen herausgefallenen Rückwand des Westgiebels
stammen. Dieser Befund soll im kommenden Jahr weiter untersucht werden.
Bei der Fortsetzung der Freilegung des spätgeometrischen bis früharchaischen Südtempels, der im späten 8. Jh. v. Chr. erbaut wurde und nach einer früheren Erdbebenzerstörung im mittleren 7. Jh. v. Chr. um 580 v. Chr. durch ein
weiteres Erdbeben sein endgültiges Ende fand, erfüllte sich die Hoffnung, weitere Fragmente der bedeutenden Wandmalerei mit Darstellung einer Kampf-
Abb. 4 Kalapodi, Südtempel von
Südwesten nach Abschluss der
diesjährigen Kampagne
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Athen 101
6
Kalapodi, geometrischer Südtempel
Abb. 5 Eingangsseite, dahinter auf Erdsockel stehengelassener
Einbau klassischer Zeit (von Südosten)
Abb. 6
Zerstörungsschicht mit Votiven in situ
5
szene (s. AA 2007/2, 213 Abb. 6) zu entdecken, leider nicht. Es wurden zwar
weitere Wandstuckfragmente gefunden, diese waren aber bei der Erdbebenzerstörung im mittleren 7. Jh. v. Chr. vollkommen verbrannt worden. Das im letzten Jahr ausgegrabene Westende dieses Tempels erwies sich als Apsis (Abb. 4).
Hier lagen im und unter dem Lehmziegelversturz noch verkohlte Holzbalken
der Dachkonstruktion und eiserne Spitzen von Lanzen, die als Votive aufgestellt gewesen waren. Nach der endgültigen Zerstörung hatte man – wie auch
an anderen Stellen – an der Apsis auf dem Lehmziegelversturz Votive niedergelegt, eine weitere eiserne Lanzenspitze und eine bronzene Gewandnadel.
2005 war unter der östlichen Säulenhalle des hocharchaischen Tempels ein
Altar aus Feldsteinen der geometrischen Periode (8. Jh. v. Chr) ausgegraben
worden (s. AA 2006/2, 167 Abb. 10). Es war zu vermuten, dass weiter westlich,
unter der Cella des hocharchaischen Tempels, ein zugehöriger Tempel lag.
Als dieser jetzt tatsächlich aufgedeckt wurde, bildete dies daher keine Überraschung. Überraschend waren aber die reichen in ihm gemachten Funde. Es
handelt sich um einen Antentempel von etwa 4 m Breite, der aus Lehmziegeln
auf Steinmauern erbaut war.Von ihm konnte bisher nur das Ostende mit dem
Eingang freigelegt werden (Abb. 5), da er zum größten Teil von dem einfachen
offenen Einbau klassischer Zeit überdeckt ist, der nach der Zerstörung des
hocharchaischen Tempels in dessen nun in einen offenen Hof umgewandelte
Cella gesetzt wurde. Die für die weiteren Untersuchungen des geometrischen
Tempels und des Zentrums der frühen Heiligtumsphasen notwendige Herausnahme dieses Baus ist beim Zentralen Archäologischen Rat Griechenlands
beantragt. Der geometrische Tempel wurde ca. 740/30 v. Chr. aufgegeben, um
den größeren Nachfolgetempel errichten zu können. Bevor der Boden des
aufgelassenen Tempels mit einer Lage vertikaler Lehmziegel versiegelt wurde,
AA-2008/1 Beiheft
102 Jahresbericht 2007 des DAI
hatte man auf ihm Votive niedergelegt (Abb. 6): ein 80 cm langes Eisenschwert
des Typus Naue II, über dem quer ein eiserner Obelos lag, weiterhin zahlreiche
bronzene Schmuckstücke, so Gewandnadeln, Fibeln, Armreifen, Fingerringe,
Anhänger in Gestalt von Vögeln und eines Widders (Abb. 7), außerdem Halsketten aus Fayenceperlen. Diese Votive hatte man einem Opferfeuer ausgesetzt,
das die in einer neben das Schwert gestellten handgemachten Amphora befindliche Flüssigkeit, wahrscheinlich Olivenöl, zur Explosion brachte. Während es
sich bei Schwert und Obelos um männliche Votive handelt, war der Schmuck
sicherlich von Frauen geweiht worden, wofür entsprechende Funde aus reichen Frauengräbern der Region sprechen.
Neben der Nordostecke des hocharchaischen Südtempels wurde die Ausgrabung der mykenischen Schichten ca. 1 m bis zum gewachsenen Boden
fortgesetzt. Die Schichten der Phase SH IIIC (12.–11. Jh. v. Chr.) enthielten
wiederum reiches Fundmaterial an Keramik, aber auch Votive wie Anhänger
aus Stein, Muscheln und einer Raubvogelkralle, eine Plättchenperle aus blauem
Glas mit Darstellung einer Sphinx und ein Amulett aus grünem Stein in Gestalt eines Frosches, bei dem es sich interessanterweise um ein frühneolithisches
Stück handelt (Abb. 8; Hinweis S. Hansen). Im untersten SH IIIC-Stratum
wurde eine Zerstörungsschicht mit einem Versturz verbrannter Lehmziegel und
zertrümmerter Pithoi (Vorratsgefäße), in denen Getreide und Hülsenfrüchte
aufbewahrt gewesen waren, angetroffen. In dieser Schicht wurden auch zwei
Fragmente von Mühlsteinen gefunden. Dieser Befund bezeugt ein Gebäude,
in dem Vorräte für die rituellen Mahlzeiten gelagert und diese zubereitet
wurden. Wahrscheinlich ist es von dem unmittelbar nördlich angrenzenden
massiven Fundament der südlichen Säulenhalle des klassischen Nordtempels
überdeckt. In der darunter folgenden Schicht, direkt über dem gewachsenen
Boden, kamen wiederum frühere mykenische Funde der Phasen SH IIIA 2-B
(14.–13. Jh. v. Chr.) zutage, Fragmente von Keramik und Terrakottafigurinen,
darunter von einem Reiter.
Kooperationspartner: 14. Ephorie des griechischen Antikendienstes, Lamia
• Förderung: Gerda Henkel Stiftung • Leitung des Projekts: W.-D. Niemeier
• Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: R. Felsch, A. Felsch-Klotz, N. Hellner,
J.-M. Henke,Th. Hintermann, I. Kaiser, K. Kopanias, B. Niemeier, G. Pasewald,
S. Prignitz, L. C. Rizzotto, V. Sossau, Ch. Vaporakis • Abbildungsnachweis:
W.-D. Niemeier (Abb. 4–8).
7
8
Kalapodi
Abb. 7 Bronzener Anhänger in Gestalt
eines Widders aus der Zerstörungsschicht
des geometrischen Tempels (M. 1 : 1)
Abb. 8 Frühneolithisches Steinamulett
in Gestalt eines Frosches aus einer SH IIICSchicht (M. 1 : 1)
Olympia
Olympia ist der traditionsreichste deutsche Grabungsplatz in Griechenland. Seit
1875 werden in dem bedeutendsten Zeusheiligtum, dem Austragungsort der
olympischen Spiele der Antike, Ausgrabungen durchgeführt, die inzwischen
eine Vielzahl von berühmten Bauten und große Mengen an Weihgeschenken,
vor allem aus Bronze, freigelegt haben. Neben den Ausgrabungen werden von
Mitarbeitern des DAI auch Restaurierungen und Teilrekonstruktionen durchgeführt, um den Besuchern die antiken Bauwerke besser verständlich zu machen.
In diesem Jahr begannen die neuen Ausgrabungen südlich des Stadions und
östlich des sog. Südostkomplexes mit der maschinellen Abtragung der meterhohen mittelalterlichen Flusssedimente. Die Bauaufnahme des Zeus-Tempels
wurde weitergeführt, die Bronzedatenbank um 1247 neu aufgenommene Objekte vermehrt und die Kartierung der Basen und ihre Aufnahme in eine
Datenbank im Rahmen des geplanten GIS für Olympia weitgehend abgeschlossen. Zur Vorbereitung der geplanten Restaurierungen am Zeus-Tempel
und am Ptolemäerweihgeschenk wurde der erhaltene Steinbestand der betreffenden Denkmäler gründlich analysiert.
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Athen 103
Kooperationspartner: 7. Ephorie des griechischen Antikendienstes, Olympia • Förderung: Fritz Thyssen Stiftung; Leventis-Stiftung; Pestalozzi-Stiftung
• Leitung des Projekts: R. Senff • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: K. Herrmann (Restaurierungsprojekte), S. Bocher (Digitalisierung der Bronzefunde),
J. Schumann (GIS), A. Sieverling, Chr. Schuhmann, M. Lehmann.
Abb. 9 Tiryns, Stadt-West. Frühhelladische
Tonplomben mit Siegelabdrücken (M. 1 : 1)
AA-2008/1 Beiheft
Tiryns
Ausgrabung: Die im Vorjahr begonnene Ausgrabung in dem westlich des
Burgfelsens gelegenen Bereich der Außensiedlung (›Stadt-West‹) wurde fortgesetzt. Die Hauptbedeutung der Ausgrabung liegt darin, dass in dieser Zone
der Außensiedlung von Tiryns Befunde der älteren mykenischen Palastzeit
(SH IIIA [ca. 14. Jh. v. Chr.]) und der frühen Eisenzeit (ca. 1050–700 v. Chr.)
erforscht werden können, die in den meisten anderen Bereichen des Ortes
entweder fehlen oder von jüngeren Strukturen überlagert sind.
Ungestörte Ablagerungen derjenigen Zeitabschnitte, die dem Späthelladikum vorangehen, wurden in dieser Kampagne noch nicht erreicht. Dennoch
spiegeln sich die Grundzüge der Besiedlung des untersuchten Areals in vormykenischer Zeit in denjenigen Funden wider, die in Schichten jüngerer Zeit
begegneten. Noch erstaunlicher als der hohe Anteil von Keramik der Stufe
Frühhelladisch II (ca. 2700–2200 v. Chr.) sind Fundkategorien, die das Normalmaß von Siedlungen dieser Zeit übersteigen. Nicht nur fanden sich mindestens
drei Tonplomben mit Siegelabdrücken (Abb. 9), sondern auch Baumaterialien
wie Dachziegel aus Terrakotta und Schiefer, wie sie um die Mitte des 3. Jts.
v. Chr. zum Decken von Dächern von Großgebäuden verwendet wurden. All
dies lässt in größerer Tiefe Reste qualitativ hervorgehobener frühhelladischer
Architektur mit Beziehung zu administrativen Tätigkeiten erwarten.
Der älteste durch Architekturreste repräsentierte Besiedlungsabschnitt datiert in die ältere mykenische Palastzeit und erreicht vielleicht noch den frühesten Abschnitt der jüngeren Palastzeit (SH IIIB; frühes 13. Jh. v. Chr.). Nachzuweisen war eine Abfolge zweier mykenischer Bauphasen, die zeitlich zwar offenbar sehr eng aufeinander folgen, deren Gebäude aber durch eine völlig verschiedene Bauweise, Ausrichtung und wahrscheinlich auch Größe gekennzeichnet sind. Architekturreste der älteren Bauphase zeichneten sich erst kurz
vor Ende der Ausgrabung abzuzeichnen, weshalb Form und Größe des zugehörigen Baukörpers noch unklar sind.Teilweise war ein Mauerzug freizulegen, der
in der Weite und Bauweise exakt den Mauern eines großen SH IIIA1/A2-zeitlichen Architekturkomplexes entspricht, der 1969–1974 etwas weiter südlich
freigelegt worden ist. Es ist deshalb anzunehmen, dass es auch an der Stelle der
neuen Ausgrabung ein großes, mehrräumiges Gebäude der älteren Palastzeit gab,
dessen Ursprünge wahrscheinlich in die frühmykenische Zeit zurückreichen.
Die jüngere mykenische Bauphase, die spätestens im frühen 13. Jh. v. Chr.
endete, wird durch ein teilweise freigelegtes Gebäude repräsentiert, dessen Wände, wie Stuckfragmente mit blauer Farbe und z. T. mit aufgemalten Linien belegen, eine Bemalung trugen. Noch außergewöhnlicher sind jedoch Funde von
Klumpen unverarbeiteten feinen Tons, von Scherben schwach gebrannter oder
luftgetrockneter Gefäße (Abb. 10. 11) und wahrscheinlich sogar von einem Spiralwulst zur Herstellung von Gefäßen in Aufbautechnik (Abb. 12), da sie zeigen, dass wir hiermit erstmals für Tiryns ein Gebäude fassen, in dem getöpfert
wurde. Obwohl nur ein unsicherer Beleg einer gesiegelten Tonplombe zum
Vorschein kam, ist wegen der Lage der Töpferei im Blickfeld der Bewohner
der Oberburg eine unmittelbare Beziehung zum Palast anzunehmen.
Die Aufgabe des Gebäudes markiert einen tiefen siedlungsgeschichtlichen
Einschnitt, gab es doch anscheinend zwischen dem frühen SH IIIB und der
104 Jahresbericht 2007 des DAI
11
10
12
protogeometrischen Zeit in dem Areal keine Bebauung. Was die frühe Eisenzeit anbelangt, stellte sich überraschenderweise heraus, dass eine im Vorjahr aufgedeckte Konstruktion aus großen Steinplatten und Bruchsteinen wohl nicht
von einem Grab herrührt. Jedenfalls kamen nach Abbau der Konstruktion in
dem darunterliegenden Sediment weder irgendwelche nachmykenischen Funde noch eine Grabgrube zum Vorschein. Zwar kann nicht völlig ausgeschlossen werden, dass in der dritten Kampagne in größerer Tiefe noch eine Bestattung folgt, doch haben wir es weit eher mit einem außergewöhnlich sorgfältig ausgeführten Plattenpflaster eines Weges zu tun, der mit einer Phase der
Wiederverwendung von Mauerfundamenten der mykenischen Töpferei zur
Errichtung eines neuen Gebäudes in protogeometrischer Zeit korrespondiert.
Diese Phase währte indes nur sehr kurz, da Laufhorizonte der mittel- oder
spätgeometrischen Zeit bereits störend in die Ruine des mykenischen Gebäudes eingriffen.
Aus den unerwartet reichhaltigen Siedlungsbefunden der frühen Eisenzeit
wurde ebenso wie aus den mykenischen Befunden eine große Anzahl von gut
stratifizierten Erdproben genommen, so dass die Hoffnung besteht, durch archäobotanische Untersuchungen Hinweise auf die Wirtschaftsweise zu erhalten.
Fresken: Die Restaurierung und wissenschaftliche Erschließung der Fresken aus den Ausgrabungen, die der griechische Antikendienst 1999 und 2001
an der Westtreppe durchgeführt hat, wurde in Zusammenarbeit mit der 4. Ephorie im Rahmen des Forschungsclusters »Politische Räume« des DAI fortgesetzt,
wobei auch die im Nationalmuseum Athen aufbewahrten Altfunde in die Untersuchung einbezogen wurden. Nach Abschluss der Reinigungs- und Festigungsarbeiten wurde mit der systematischen Suche nach Anpassungen für die
einzelnen Motivkomplexe begonnen. Zunächst wurden die Friese von Holzimitationen und Spiralen ausgewählt, die für die Klärung des Verhältnisses zu
den von G. Rodenwaldt publizierten Altfunden vermutlich mitentscheidend
sind, da zumindest ein Großteil der Holzimitationen der bekannten großen
Frauenprozession zuzurechnen ist. Der Erfolg der Suche nach Anpassungen ist
beachtlich, denn es konnten große Ausschnitte der Friese und auch Darstellungen der figürlichen Freskenmalerei zusammengesetzt werden.
Tiryns, Stadt-West. Als Töpferei gedeutetes
Gebäude (SH IIIA2/IIIB1)
Abb. 10 Unebener Fußboden des
Gebäudes. Oben, links ältere zweischalige
Mauer (SH IIIA1/IIIA2)
Abb. 11 Fragmente nicht oder schwach
gebrannter Keramik in situ
Abb. 12 Mutmaßlicher Ton-Spiralwulst,
aus dem Vorbereich
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Athen 105
Kooperationspartner: 4. Ephorie des griechischen Antikendienstes (A. Papadimitriou); Nationalmuseum Athen (L. Papazoglou-Manioudaki: Fresken,
Altfunde) • Förderung: Institute for Aegean Prehistory • Leitung des
Projekts: J. Maran • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: U. Thaler (Assistent
und Mitarbeiter im Fresken-Projekt), K. Bra, A. Makris, G. Papadimitriou,
M. Skouteri (Restaurierung), M. Kostoula (Zeichnung und Photographie),
A. Deicke, V. Hachtmann, E. Kardamaki, E. Pape, M. Siennicka, N. Thompson,
I. Vahlhaus, S. Wirghova (Ausgrabung) • Abbildungsnachweis: M. Kostoula
(Abb. 9); Archiv der Tirynsgrabung, J. Maran (Abb. 10–12).
Die antike Siedlungstopographie Triphyliens
In diesem Jahr startete die zweite Kampagne des bisher von der Zentrale
durchgeführten Projekts zur Erforschung der antiken Siedlungstopographie
Triphyliens. Die Kampagne hatte das Ziel, die Städte Platiana, Samikon und
Lepreon aufzunehmen. Noch in der ersten Woche mussten die Arbeiten wegen
der verheerenden Waldbrände in Triphylien komplett abgebrochen werden.
Kooperationspartner: Lehrstuhl für Baugeschichte der Brandenburgischen
Technischen Universität Cottbus; 7. Ephorie des griechischen Antikendienstes (G. Hatzi, C. Liangouras); Universität Bern (David Jordan, Geophysik) •
Förderung: DFG-Schwerpunktprogramm 1209 »Die hellenistische Polis als
Lebensform. Urbane Strukturen und bürgerliche Identität zwischen Tradition und Wandel« • Leitung des Projekts: J. Heiden, C. Rohn (Lehrstuhl für
Baugeschichte der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus) •
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: K. Heine (Brandenburgische Technische
Universität Cottbus, Geodäsie), S. Bocher (Archäologie).
Wissenschaftliche Veranstaltungen
Vorträge
31. Januar Mathias R. Hofter (Berlin), Der Archäologe Ernst Buschor und das
Dritte Reichxxx21. Februar Judith Bartel (Jena), Stadtbefestigungen in Akarnanien. Ein bauhistorischer Beitrag zur antiken Siedlungsgeschichte (Aigeiros)
22. Februar Stefanie A. H. Kennell (Athen), »… keinen so gelehrten und tüchtigen Mann gibt als Sie«.The Dörpfeld – Schliemann Correspondence,1879–1888
14. März Jürgen Schumann (Athen), Die punische Ladenstoa von Selinunt –
Rekonstruktion und baukonstruktive Details (Aigeiros)xxx20. März Sergey
Solovyov (St. Petersburg),The Chora of Ionian Colonies. Archaeological Evidence from the Northern Black Sea Areaxxx21. März Martin Langner (Berlin),
Meisterwerk und Massenware – Wahrnehmung und Bewertung attisch rotfiguriger Vasen im 4. Jh. v. Chr.xxx12. April Kurt A. Raaflaub (Providence), Das
frühe politische Denken der Griechen im interkulturellen Zusammenhang des
Mittelmeerraumesxxx16.April Mercourios Georgiadis (Nottingham), Reconstructing the Material Culture and the Settlement Pattern in Prehistoric Halasarna, Kos: A Preliminary Report on the Survey Findsxxx3. Mai David Knipp
(Rom), Zur frühpaläologischen Wandmalerei auf Kytheraxxx16. Mai Ioannis
Fappas (Thessaloniki), Mycenaean Goods of Value: Perfumed Oils in Mycenaean Greece, Hittite Anatolia and Egyptxxx17. Oktober Nadin Burkhardt
(Rom), Platea ornata et via vulgaris – Die Straßen Athens in der Spätantike
(Aigeiros)xxx23. Oktober Johannes Bergemann (Bochum), Der Bochumer
Survey in Gela auf Sizilien: Eine koloniale Chora von der Bronzezeit bis zum
Mittelalterxxx14. November Kathrin Kleibl (Mainz), Eine zypro-archaische
Widdergottheit als Zeugnis interkultureller Kontakte (Aigeiros)xxx12. DezemAA-2008/1 Beiheft
106 Jahresbericht 2007 des DAI
ber Ina Berg (Manchester), Understanding Pottery Forming Techniques with
X-radiography: Reassessing the Introduction of the Potter’s Wheel on Crete
(Aigeiros).
Am 25. Mai wurde der diesjährige Sommerfestvortrag von Georgios
Despinis (Thessaloniki) zu »Neues zur spätarchaischen Statue des Dionysos
aus Ikaria« gehalten. Anschließend wurde auf der Institutsterrasse zu einem
Empfang geladen.
Am 7. Dezember fand die Winckelmannfeier statt. Nach dem Jahresbericht
des Ersten Direktors hielt Hans-Joachim Gehrke (Freiburg) den Festvortrag über »Raumbilder im archaischen Griechenland: zwischen Mythos und
Mathematik«.
Kolloquien
26./27. März Konstituierendes Kolloquium des Forschungsclusters 4 »Heiligtümer: Gestalt und Ritual. Kontinuität und Veränderung« des DAI.
2./3. November Internationales Kolloquium »Neue Funde archaischer
Plastik aus griechischen Heiligtümern und Nekropolen« (in Zusammenarbeit
mit der Universität Athen; Organisation:Wolf-Dietrich Niemeier [Athen] und
Georgia Kokkorou-Alevras [Athen],Abb. 13). – Es sprachen: Nikolaos Stampolides (Athen/Rhethymnon), Πρωτοαρχαϊκ πλαστικ απ την Ελεθερνα της
Κρτης. Μα πρτη προσγγιση; Georgia Kokkorou-Alevras (Athen), Κεφλι
κρης στο αρχαιολογικ μουσεο της Σπρτης αρ. 12026 και τα αρχαϊκ
περιρραντρια; Margherita Bonanno-Aravantinos (Rom), Sculture arcaiche
dall’area di culto di Eracle a Tebe;Wolf-Dietrich Niemeier (Athen), Die Skulpturen vom Heiligen Tor im Kerameikos. 1. Der Fundkontext; 2. Der Kouros;
Bettina von Freytag gen. Löringhoff (Tübingen), 3. Der liegende Löwe; Gerhard Kuhn (Marburg), 4. Das archaische Grabsäulenmonument mit Löwenskulptur; Ivonne Kaiser (Athen), 5. Die Sphinx;Vicky Barlou (Marburg), 6. Die
ionische Säule der Sphinx; Olga Tzachou-Alexandri (Athen), Πριμη αρχαϊκ
κρη απ την Ανβυσσο; Giorgos Despinis (Thessaloniki/Athen), %να νο
Abb. 13 Poster zum Internationalen
Kolloquium »Neue Funde archaischer
Plastik aus griechischen Heiligtümern
und Nekropolen«
θρασμα απ το μαρμρινο ατωμα των λιονταριν του αρχαου ναο της
Αθηνς στην Ακρπολη; Dimitrios Sourlas (Athen), Γλυπτ Αρχαϊκν Χρνων
απ τα Κθηρα; Georgios Kouragios (Paros), Τα γλυπτ απ το ιερ του
Απλλωνα στη θση Μντρα της νησδας Δεσποτικο και να γλυπτ απ την
Προ; Kokona Rouggou (Mytilini), %ργα αρχαϊκς πλαστικ απ το ›Ιερ του
Λιμανιο‹ στο Εμπορι της Χου; Euridiki Leka (Mytilini), -γαλμα κρης απ
την αρχαα Καρθαα Κας; Lila Marangou (Ioannina), Να αρχαϊκ γλυπτ
απ την Αμοργ; Ömer Özyiğit (Izmir), Protomes de griffon et de cheval pro-
venant du Temple d’Athena a Phokaia; Elena Walter-Karydi (Saarbrücken/
München), Ostionische Giebelplastik? Zu den Pantherreliefs aus Milet; Aggeliki Andreiomenou (Theben/Athen), Η εξ Ακραιφας στλη Μνασιθεου, ργον
Φιλοργου, συγκρινομνη με σγχρον της αττικ ργα; Christos Pitteros
(Nauplion), Υστεροαρχαϊκ επιτμβια στλη απ το -ργος; Bilge Hürmüzlü
(Isparta) – İlhan Güceren (Isparta),Three Late Archaic Grave Stelae in the Museum of Isparta.
Öffentlichkeitsarbeit
Herr Niemeier sprach in Kalapodi vor über 400 Besuchern, darunter Parlamentsabgeordneten und Bürgermeistern der Region, auf Griechisch über
seine Ausgrabungen des bei Kalapodi gelegenen Orakelheiligtums des Apollon
von Abai. Herr Senff hielt öffentliche Vorträge zu W. Dörpfeld anlässlich des
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Athen 107
Festaktes zum 170. Gründungstag der deutsch-griechischen Gesellschaft »Philadelphia« in deren Vereinshaus und zu Migration in der Antike am GoetheInstitut in Thessaloniki im Rahmen einer vom Deutschen Generalkonsulat
veranstalteten Vortragsreihe. Herr Krumme eröffnete die von ihm organisierte
Photoausstellung »Wilhelm Dörpfeld – Frühe Ansichten antiker Stätten« im
Goethe-Institut zu Athen mit einem Festvortrag. Frau Stroszeck hielt vor dem
internationalen Rotarier-Verein in Athen einen Vortrag über die Abteilung
Athen des DAI und die Kerameikosgrabung.
Politiker, darunter der Bundestagspräsident Norbert Lammert, Altertumswissenschaftler, Studierende und Interessierte wurden durch Institutsgrabungen und archäologische Stätten Athens geführt.
Herr Niemeier gab während seiner Vortragsreise durch Australien mehrere
Rundfunk- und Zeitungsinterviews über seine Forschungen und die Arbeit
der Abteilung Athen des DAI. Außerdem berichtete er über seine Grabungen
in Kalapodi in einem Fernsehinterview. Herr Senff und Frau Bocher gaben
anlässlich der Brände in Olympia zahlreiche Radio- und Zeitungsinterviews.
Abb. 14 Ausstellungskatalog zur Photoausstellung »Wilhelm Dörpfeld – Frühe
Ansichten antiker Stätten« im GoetheInstitut Athen
Ausstellungen
Die Photoausstellung »Wilhelm Dörpfeld – Frühe Ansichten antiker Stätten«
war im Goethe-Institut Athen und im Vereinshaus der deutsch-griechischen
Gesellschaft »Philadelphia« zu sehen. In Zusammenarbeit mit dem GoetheInstitut wurde ein Ausstellungskatalog herausgegeben (Abb. 14).
Die Abteilung Athen unterstützte die vom Januar bis April im Nationalmuseum gezeigte Ausstellung »Πολχρωμοι Θεο«, die zuvor in mehreren
europäischen Museen, zuletzt 2006 im Archäologischen Museum Istanbul, zu
sehen war (s. AA 2007/2, 273 Abb. 26).
Veröffentlichungen
Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Athenische Abteilung
121, 2006
K. Fittschen (Hrsg.), Historische Landeskunde und Epigraphik in Griechenland.
Akten des Symposiums veranstaltet aus Anlaß des 100. Todestages von
H. G. Lolling (1848–1894) in Athen vom 28. bis 30.9.1994
Tiryns, Forschungen und Berichte XIV: Chr. Podzuweit, Studien zur spätmykenischen Keramik
Persönliches
Herr Niemeier war Visiting Professor of the Australian Archaeological Institute at Athens und hielt Vorträge sowie Seminare an elf australischen Universitäten.
Der Auslandsstipendiat Nils Hellner wurde zum Mitglied der »Εταιρεα
Μελτης της Αρχαας Ελληνικς Τεχνολογας (ΕΜΑΕΤ)« ernannt.
AA-2008/1 Beiheft
Mitglieder der Kommission der RGK
Die Direktoren der RGK
Der Präsident
Grolig, Wilfried, MD
Auswärtiges Amt, Leiter der Kulturund Bildungsabteilung
Werderscher Markt 1
D-10117 Berlin
Roth, Petra, Dr.
Die Oberbürgermeisterin der Stadt
Frankfurt am Main
Römerberg 23
D-60311 Frankfurt a. M.
Daim, Falko, Prof. Dr.
Generaldirektor, Römisch-Germanisches Zentralmuseum
Ernst-Ludwig-Platz 2
D-55116 Mainz
Bertemes, François, Prof. Dr.
Martin-Luther-Universität HalleWittenberg, Institut für Kunstgeschichte
und Archäologien Europas
Brandbergweg 23
D-06120 Halle/Saale
Carnap-Bornheim, Claus von, Prof. Dr.
Direktor, Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen, Archäologisches
Landesmuseum
Schloss Gottorf
D-24837 Schleswig
Conard, Nicholas, Prof. Dr.
Eberhard-Karls-Universität
Institut für Ur- und Frühgeschichte
Schloss Hohentübingen
D-72070 Tübingen
Ettel, Peter, Prof. Dr.
Friedrich-Schiller-Universität
Bereich Ur- und Frühgeschichte
Löbdergraben 24 a
D-07743 Jena
Kaenel, Hans-Markus von, Prof. Dr.
Johann-Wolfgang-Goethe-Universität
Institut für Archäologische Wissenschaften Abteilung II, Archäologie und
Geschichte der römischen Provinzen
sowie Hilfswissenschaften der Altertumskunde
Grüneburgplatz 1
D-60629 Frankfurt a. M.
Kunow, Jürgen, Prof. Dr.
Rheinisches Amt für Bodendenkmalpflege
Endenicher Str. 133
D-53115 Bonn
Metzner-Nebelsick, Carola, Prof. Dr.
Ludwig-Maximilians-Universität
Institut für Vor- und Frühgeschichtliche
Archäologie und Provinzialrömische
Archäologie
Geschwister-Scholl-Platz 1
D-80539 München
Planck, Dieter, Prof. Dr.
Präsident, Landesamt für Denkmalpflege
Baden-Württemberg
Berliner Str. 12
D-73728 Esslingen a. N.
Schallmayer, Egon, Prof. Dr.
Direktor, Landesamt für Denkmalpflege
Hessen, Abteilung Archäologische und
Paläontologische Denkmalpflege
Schloss, Ostflügel
D-65203 Wiesbaden-Biebrich
Sommer, C. Sebastian, Dr.
Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, Abteilung Praktische Denkmalpflege, Bodendenkmäler
Hofgraben 4
D-80539 München
Stauch, Eva, Prof. Dr.
Westfälische-Wilhelms-Universität
Abteilung für Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie
Robert-Koch-Str. 29
D-48149 Münster
Willroth, Karl-Heinz, Prof. Dr.
Georg-August-Universität
Seminar für Ur- und Frühgeschichte
Nikolausberger Weg 15
D-37073 Göttingen
Zimmermann, Andreas, Prof. Dr.
Universität zu Köln, Institut für
Ur- und Frühgeschichte
Weyertal 125 1
D-50931 Köln
Maier, Ferdinand, Prof. Dr.
Erster Direktor i. R.
Justus-Liebig-Str. 8
D-64720 Michelstadt/Odw. (ohne Votum)
Römisch-Germanische Kommission
Römisch-Germanische Kommission
Haus I: Palmengartenstr. 10–12
D-60325 Frankfurt a. M.
Tel.: +49-(0)69-97 58 18-0
Fax: +49-(0)69-97 58 18-38
+49-(0)69-97 58 18-40 (Direktion)
E-Mail: [email protected]
Haus II: Arndtstr, 21
D-60325 Frankfurt a. M.
Tel.: +49-(0)69-75 61 07-0
Fax: +49-(0)69-75 61 07-20
Forschungsstelle Manching
Auf der Schanz 45
D-85049 Ingolstadt
Tel.: +49-(0)841-931 14 04
Fax: +49-(0)841-931 14 28
E-Mail: [email protected]
Direktoren
Prof. Dr. Friedrich Lüth, Erster Direktor
Prof. Dr. Susanne Sievers, Wissenschaftliche Direktorin
Wissenschaftliche Mitarbeiter
Katharina Becker M. A. (Frankfurt), Dr. Uta von Freeden (Frankfurt),
Prof. Dr. sc. Eike Gringmuth-Dallmer (Berlin) (bis 30. 9.), Dr. Claus-Michael Hüssen
(Ingolstadt), Arndt Lennartz M. A. (Frankfurt) (25. 3. bis 31. 12.), Dr. Gabriele Rasbach
(Frankfurt), Dr. Knut Rassmann (Frankfurt), Dr. Karl-Friedrich Rittershofer (Frankfurt),
Dr. Gerda Sommer von Bülow (Frankfurt), Dr. Astrid Stobbe (Frankfurt) (bis 31. 1.),
Dr. des. Holger Wendling (Ingolstadt) (ab 1. 10.), Dr. Thorsten Westphal (Frankfurt)
Wissenschaftliche Hilfskräfte
Michèle Eller M. A. (Ingolstadt), Annette Lennartz M. A. (Frankfurt) (bis 25. 3.),
Kerstin Schierhold M. A. (Frankfurt) (bis 31. 7.), Nina Schücker M. A. (Frankfurt),
Juliane Stadler M. A. (Frankfurt), Katja Winger M. A. (Frankfurt) (ab 16. 8.)
Aus Drittmitteln finanzierte Stellen
Dr. Holger Baitinger (Frankfurt) (DFG), Dr. Armin Becker (Frankfurt) (DFG),
Ruth Beusing M. A. (Frankfurt) (EU), Dr. Markus Helfert (Frankfurt) (DFG, bis 19. 10.),
Dipl.-Prähist. Stefanie Klooß (Kiel) (EU, ab 1. 1.), Dr. Harald Lübke (Schwerin)
(DFG, ab 1. 1.), Dipl.-Prähist. Sebastian Messal (Schwerin) (DFG, ab 1. 1.),
Dr. Nils Müller-Scheeßel (Frankfurt, Kiel) (DFG), Dr. Alexandru Popa (Frankfurt)
(DFG), Dr. Axel Posluschny (Frankfurt) (DFG), Gerald Rühl M. A. (Frankfurt) (DFG, bis
31. 3.), Thomas Schierl M. A. (Frankfurt) (DFG), Dr. Hans-Ulrich Voß (Schwerin) (DFG)
Römisch-Germanische Kommission 111
Ein ausführlicher Tätigkeitsbericht für 2007 wird im Bericht der RömischGermanischen Kommission Band 88, 2007, veröffentlicht.
Ausgrabungen und Forschungen
SINCOS, Ostseeküste Mecklenburg-Vorpommern
Die wissenschaftlichen Feldarbeiten der archäologischen Arbeitsgruppe des
SINCOS-II-Forschungsprojekts konzentrierten sich auf die Fundstellen Kamminer Ort und Breetzer Ort in den Boddengewässern der Insel Rügen sowie
auf die Fundstelle Timmendorf-Nordmole I in der Wismarbucht (Abb. 1).
Die endmesolithische Station Kamminer Ort liegt heute am nordöstlichen Ende des Breetzer Boddens im Übergangsbereich zum Breeger Bodden. Radiokarbondatierungen ergaben ein Alter zwischen 4900 und 4700 cal BC, so dass
Abb. 1 SINCOS, Ostseeküste MecklenburgVorpommern, Timmendorf-Nordmole I.
Wismarbucht (Poel/Neuburg, Ostsee II).
Vermessungsarbeiten
der Platz einer älteren Phase der endmesolithischen Ertebølle-Kultur zuzuweisen ist. Bei der diesjährigen Grabungskampagne sollte durch begrenzte Sondageschnitte die Uferzone des damaligen Siedlungsplatzes lokalisiert und deren
Stratigraphie und Erhaltungszustand überprüft werden. Dazu wurden vom
heutigen Flachwasserbereich ausgehend entlang einer über 50 m Nord-Süd
in Richtung Bodden verlaufenden Messachse insgesamt fünf Sondageschnitte von maximal 2 m2 Größe bis in eine Tiefe von bis zu 0,80 m eingebracht.
Während in den beiden Testschnitten 1 und 4 im Flachwasserbereich unmittelbar unter dem aus Sand, Kies und Muschelresten bestehenden subrezenten
Restsediment bereits der anstehende pleistozäne Geschiebemergel angetroffen
wurde, konnte in den drei tiefer gelegenen Grabungsflächen der Übergang zur
Uferzone festgestellt werden und damit eine exakte Wasserstandsmessung für
das Endmesolithikum erfolgen.
Bereits in dem in unmittelbarer Ufernähe gelegenen Schnitt 2 waren aus
einer kiesigen Schwemmtorfschicht neben kantenscharfen, unpatinierten Flintartefakten auch einzelne Tierknochen zu bergen. In den beiden Schnitten 5 und
3 befanden sich unter dem subrezenten Restsediment und einer Sandschicht
Wechsellagen aus Torf- und molluskenhaltigen marinen Muddeschichten, wobei insbesondere in der Mudde weitere archäologische Funde beobachtet werAA-2008/1 Beiheft
112 Jahresbericht 2007 des DAI
den konnten. Von diesen Funden wurden ausgewählte Stücke zur Radiokarbondatierung an das Leibniz-Labor der Universität zu Kiel gesandt. Allerdings
war der Fundanfall insgesamt eher gering, so dass anzunehmen ist, dass es sich
entweder nur um einen Fundplatz mit geringer Ausdehnung handelt oder in
den Sondageschnitten nur der Randbereich des eigentlichen Fundplatzes erfasst worden ist. Deshalb wurde auf eine zusätzliche Ausdehnung der Grabungsflächen verzichtet, stattdessen konzentrierten sich die weiteren Grabungsarbeiten auf die Fundstelle Breetzer Ort.
Sie befindet sich im Mündungsbereich der Neuendorfer Wiek am südwestlichen Ende des Breetzer Boddens südlich der Wittower Fähre. Zur Zeit
der Besiedlung muss die Neuendorfer Wiek durch eine kleine, von Südosten
in die Bucht hineinreichende Halbinsel stärker als heute vom Breetzer Bodden
abgetrennt gewesen sein, so dass am geschützten Südufer dieser Halbinsel eine
ideale Lage zur Errichtung eines Siedlungsplatzes gegeben war.
In einer ersten Sondierungskampagne 2004 konnte eine spätmesolithische
Feuerstelle (ca. 5600–5500 cal BC) angeschnitten werden, die von Schwemmtorfsedimenten mit endmesolithischen Funden der mittleren Ertebølle-Kultur
(ca. 4800–4500 cal BC) überlagert wurde. Den Abschluss bildete eine vermutlich zu einem endmesolithischen Fischzaun gehörende Pfostenreihe, die etwa
auf 4200–4100 cal BC datiert wird. In der diesjährigen Grabungskampagne
sollten diese Grabungsfläche erweitert, die beobachteten Befunde weiter freigelegt und zudem weiteres Fundmaterial aus der endmesolithischen Uferzone
geborgen werden, da die mittlere Phase der Ertebølle-Kultur auf der Insel
Rügen bislang nur unzureichend durch stratifiziertes Fundmaterial belegt ist.
Trotz schwieriger Witterungsverhältnisse und einer durch zunehmende Veralgung der Boddengewässer sehr schlechten Sicht konnten insgesamt weitere
4 m2 geöffnet und zeichnerisch dokumentiert werden. Dabei zeigte sich, dass
die spätmesolithische Feuerstelle zwischen zwei Eichenstämmen erhalten war,
welche etwa 400 Jahre später bei ansteigendem Meeresspiegel in die Uferzone
gestürzt waren und die Feuerstelle offenbar vor weiterer Zerstörung bewahrt
hatten. Andere spätmesolithische Siedlungsbefunde konnten jedoch nicht beobachtet werden.
Die Wiederbesiedlung des Platzes durch die Ertebølle-Kultur erfolgte erst
weitere Jahrhunderte nach den Baumfällen, so dass deren Siedlungsabfälle zwischen den Stämmen in der Uferzone abgelagert wurden. Neben zahlreichen
Flintartefakten waren wiederum verschiedene Gerätschaften aus organischem
Material zu bergen. Neben erstmalig auf diesem Fundplatz nachgewiesenen
Aalstecherschalmen aus Holz zählen dazu verschiedene Geräte aus Hirschgeweih, wie z. B. ein kleiner, aus einer Seitensprosse gefertigter Geweihmeißel
(Abb. 2). Auffällig ist, dass wiederum keine Keramik nachgewiesen werden
konnte, obwohl diese auf zeitgleichen Fundstellen im westlichen Ostseegebiet
bereits vorhanden ist.
Der Schwerpunkt der Grabungsarbeiten in der Wismarbucht lag auf der
weitergehenden Untersuchung des endmesolithisch/frühneolithischen Fundplatzes Timmendorf-Nordmole I. Ein wesentliches Ergebnis dieser Untersuchung ist, dass die in den oberen Schwemmsand- und Schwemmtorfschichten
abgelagerten Kulturreste bereits in den Zeitraum 4000 bis 3800 cal BC datieren und damit zur bislang nur in Ostholstein nachgewiesenen Wangels-Rosenhof-Gruppe der frühneolithischen Trichterbecherkultur gehören. Damit sind
hier erstmals frühneolithische Fundschichten nachgewiesen, die bislang von
diesem Küstenabschnitt nicht bekannt waren. Unter den frühneolithischen
Kulturschichten folgte zunächst eine nur einzelne archäologische Funde enthaltende marine Mudde und schließlich eine Kulturschicht mit Funden der
Abb. 2 SINCOS, Ostseeküste MecklenburgVorpommern. Breetzer Ort, Rügen (Bergen
24, Ostsee VI). Hirschgeweihmeißel der
Ertebølle-Kultur
AA-2008/1 Beiheft
Römisch-Germanische Kommission 113
endmesolithischen Ertebølle-Kultur. Diese datieren offenbar bereits zwischen
4600 und 4500 cal BC, was aber noch durch weitere Radiokarbondatierungen abgesichert werden muss. Unter den geborgenen Funden befinden sich
zahlreiche Holzartefakte; hinzukommen Fundstücke aus Feuerstein, Keramik,
Knochen sowie Geweih. Besonders hervorzuheben ist dabei eine T-förmige
Hirschgeweihaxt.
Die aktuellen Untersuchungsergebnisse sind ein weiterer Hinweis darauf,
dass der Fundplatz Timmendorf-Nordmole I in seiner heutigen Ausdehnung
aus mehreren räumlich begrenzten und zeitlich aufeinander folgenden Siedlungen besteht. Offenbar bestand zwischen 4600 und 4500 cal BC zunächst ein
Aktivitätsschwerpunkt, der für die folgenden 400 Jahre zunächst ca. 100–150 m
weiter nach Süden verlegt wurde, bevor sich dann mit Beginn des Frühneolithikums das Geschehen wieder mehr in Richtung Norden konzentrierte.
Kooperationspartner: Institut für Ostseeforschung Warnemünde (J. Harff);
Landesamt für Kultur- und Denkmalpflege, Mecklenburg-Vorpommern
(D. Jantzen); Archäologisches Landesmuseum Schleswig, Stiftung SchleswigHolsteinische Landesmuseen Schloss Gottorf (C. von Carnap-Bornheim,
S. Hartz); Niedersächsisches Institut für historische Küstenforschung (H. Jöns)
• Förderung: DFG • Leitung des Projekts: F. Lüth • Mitarbeiter: H. Lübke,
A. Grundmann (DFG) • Abbildungsnachweis: DAI, RGK (Abb. 1. 2).
Okolište und Umgebung (Bosnien-Herzegowina)
Neben der Fortsetzung der Untersuchung des befestigten neolithischen Siedlungshügels von Okolište konzentrierten sich die Arbeiten auf die ca. 900 m
südlich von Okolište gelegene, zeitgleiche Siedlung Donje Moštre. Mit dem
Fluxgate der Fa. Bartington wurden ca. 3 ha geomagnetisch prospektiert. Bohrungen an insgesamt 18 Punkten ermöglichten es, zwei in Nordwest-Südost- bzw. Südwest-Nordost-Richtung verlaufende Profile zu erstellen; diesen
zufolge besteht der Siedlungshügel aus bis zu 2 m mächtigen Kulturschichten.
Als übereinstimmendes Ergebnis von Geomagnetik, Höhenschichtenplan und
Bohrprofilen lässt sich die ehemalige Größe des Tells von Donje Moštre mit etwa 3,50 ha angeben. Er ist also deutlich kleiner als der ungefähr 6,50 ha große
Tell von Okolište.
Die Arbeiten in Okolište konzentrierten sich in diesem Jahr auf drei Flächen. Diese lagen im nordwestlichen Randbereich des Tells, am südöstlichen
Hangbereich und unmittelbar südlich des Ortskerns von Radinovići.
Die beiden Schnitte im Nordwesten maßen 5 m × 10 m und 5 m × 9 m,
sie erfassten den jüngsten bisher festgestellten Graben auf einer Länge von 20 m.
Die Grabung sollte klären, ob sich die im letzten Jahr beobachteten Ansammlungen menschlicher Knochen im Graben hier fortsetzen. Darüber hinaus galt
es zu prüfen, ob in diesem Bereich Reste der ältesten Siedlungsphase vorhanden sind, auf die die geomagnetische Prospektion keinerlei Hinweise lieferte.
Bei der Grabung zeigte sich, dass dieser Graben zahlreiche ältere Befunde
(Gruben und Häuser) durchschnitt. Er wurde von einer relativ fundreichen
Schicht überlagert, bei der es sich um einen alten Humushorizont handelte. In
ca. 1,30 m Tiefe wurden in größeren Bereichen Reste eines weiteren Paläobodens – offensichtlich die vorneolithische Oberfläche – angetroffen. Anders
als im vorangegangenen Jahr wurden, abgesehen von einer Rippe aus dem Bereich der alten Oberfläche, keine menschlichen Reste im Graben geborgen.
Offen bleibt vorerst, ob das Fehlen der Knochen durch den kalkarmen Boden
in diesem Bereich zu erklären ist.
Unmittelbar über dem begrabenen vorneolithischen Humus in ca. 1 m Tiefe
erbrachte die Grabung Überreste eines verbrannten Hauses. Da zu tief liegend,
AA-2008/1 Beiheft
114 Jahresbericht 2007 des DAI
3
Okolište (Bosnien-Herzegowina)
Abb. 3 Fläche 5, Ergebnisse der Phosphatanalyse (links) und
Ausgrabungsbefund (rechts). Der Phosphatgehalt ist innerhalb des
Hauses (rote Linie) am niedrigsten. Die Gasse ist dagegen stärker
kontaminiert. Die erhöhten Phosphatanteile innerhalb des Hauses
könnten den Eingangsbereich markieren. Ursache für die Phosphateinträge sind zumeist Fäkalien von Menschen oder Haustieren
Abb. 4 Fläche 6, Blick auf die vollständig untersuchte Fläche 7. Die
längliche, rinnenartige Struktur markiert den Graben, der ursprünglich die gesamte Siedlung umschlossen hatte. Bei den großen
Gruben im Vordergrund handelt es sich wahrscheinlich um Brunnenreste. Die kleinen rechteckigen Gruben dienten der Untersuchung
von Pfostenlöchern. In diesem Bereich waren die Siedlungsschichten
insgesamt etwa 1,50 m mächtig
4
wurde es bei der geophysikalischen Prospektion 2003/2004 nicht erkannt. Es
erlaubt aber immerhin die Voraussage, dass auch in dem im Geomagnetikbild
scheinbar fundfreien Bereich zwischen den verschiedenen Phasen angehörenden Grabensträngen mit einer älteren Bebauung zu rechnen ist (Abb. 3).
Vermutlich um Brunnen handelt es sich bei mehreren runden Gruben mit
nahezu senkrechten Wänden und einem Durchmesser von 1–2 m (Abb. 4). All
diese Objekte sind mit Kies sowie kiesigem Sand gefüllt und enthielten sehr
wenige Funde. Sie reichten mindestens 1,50 m in den Untergrund – von der
heutigen Oberfläche sogar 3 m – und sind damit deutlich tiefer als jede andere
archäologische Struktur, den Graben eingeschlossen. In zwei Fällen war im ProAA-2008/1 Beiheft
Römisch-Germanische Kommission 115
Abb. 5 Okolište (Bosnien-Herzegowina),
anthropomorphe Statuette der ButmirKultur, um 4800 v. Chr. (M. 1 : 1)
fil in der Grubenmitte eine ca. 50 cm breite Verfärbung zu beobachten, die parallel zu den Grubenwänden bis dicht über den Grubenboden hinunterreichte.
Die senkrechten Verfärbungen innerhalb der Gruben könnten die Reste von
ausgehöhlten Baumstämmen darstellen, wie sie in anderen Regionen als Brunnenverstärkungen belegt sind.
Im Keramikspektrum der Siedlungsschichten, die älter als der Graben sind,
kommen vor allem Funde der späten Kakanj- und frühen Butmirzeit (5100–
4900 v. Chr.) vor. In der Grabenverfüllung und dem darüberliegenden Humushorizont dominiert bänderverzierte Keramik das Dekorspektrum, die erst ab
der Stufe Butmir II (4900–4600 v. Chr.) in größerer Menge auftritt. Aus der
Grabenverfüllung stammt auch der Kopf einer anthropomorphen Figurine
(Abb. 5).
Im Südosten wurde ein 2 m breiter und 6 m langer Schnitt angelegt, der
sukzessive auf 19 m verlängert wurde. In diesem Bereich fällt das Gelände zu
einem Altarm der Bosna hin ab, der sich heute als breite, flache Rinne abzeichnet. Direkt unter der rezenten Humusschicht wurde hier eine massive Schotterlage angetroffen, die – senkrecht zum Hanggefälle – von mehreren flachen
Gräbchen durchschnitten und von zahlreichen Gruben, darunter auch Pfostenlöchern, gestört wurde. Weil in diesem Bereich mit Erosionsverlusten der
Tellaufschüttung von mindestens 1 m zu rechnen ist, dürfte es sich bei den
Gräbchen um die Reste von ähnlich tiefen Gräben wie an der Nordseite des
Tells handeln. Sie waren zum Teil dicht mit Keramik und Knochen verfüllt.
Eine erste Durchsicht der Keramik aus den Gräben zeigt, dass es sich um Material der Phase Butmir I bzw. des späten Kakanj (5100–4900 v. Chr.) handelt.
Mit dem Ziel, auch an der Südseite des Tells den Verlauf des Grabenwerks
genauer zu lokalisieren, wurden unmittelbar südlich des Ortskerns von Radinovići zwei Schnitte mit Abmessungen von 6 m × 2 m abgetieft. Geomagnetisch ließ sich hier nur auf sehr kleinen Flächen und deswegen ohne nennenswerte Ergebnisse prospektieren. Da die Gräben etwa der Höhenlinie von
403,50 m folgen, bestand die Hoffnung, die Gräben in diesem Areal aufzufinden. Jedoch wurde in keinem der beiden Schnitte eine als Graben ansprechbare
Struktur angetroffen.Weil auch Bohrungen keine Hinweise auf einen Graben
erbrachten, muss derzeit offen bleiben, wo der bzw. die Gräben an dieser Seite
des Tells ehemals verliefen.
Kooperationspartner: Landesmuseum Sarajewo (Z. Kujundžić-Vejzagić);
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (J. Müller); Kreismuseum Visoko
• Förderung: DFG • Leitung des Projekts: K. Rassmann • Mitarbeiter
und Mitarbeiterinnen: N. Müller-Scheeßel, R. Hofmann (DFG), T. Schröter,
H.-R. Bork, H. Kroll, N. Benecke und Studierende der Universitäten Kiel,
Sarajewo, Bamberg, Brünn und Zagreb • Abbildungsnachweis: DAI, RGK
(Abb. 3–5).
Lahnau-Waldgirmes
Die etwa 4200 m2 große Grabungsfläche dieses Jahres schließt im Osten an die
Fläche des vorangegangenen Jahres an und reicht bis an die westliche Umwehrung der unter Augustus gegründeten und im 9. Jh. wieder aufgegebenen Stadt
bei Lahnau-Waldgirmes. Aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre, in denen
immer wieder ein beträchtlicher Aufwand bei der Erfassung weitgehend steril
verfüllter Befunde notwendig war, wurde nun versucht, diesem Problem mit
Hilfe verfeinerter geomagnetischer Messungen zu begegnen.
Von der Firma Orpheus-Geophysik, Kriftel, wurden mit einer mehrkanaligen Messapparatur mit Förstersonden in einem Abstand von 12,50 cm (Fluxgate-Magnetometer) drei Messungen durchgeführt, jeweils einmal auf der
AA-2008/1 Beiheft
116 Jahresbericht 2007 des DAI
6
originalen Oberfläche, einmal auf dem Baggerplanum und einmal auf dem
geputzten Planum. Dabei war insbesondere die Messung auf dem Baggerplanum sehr erfolgreich, mit der es in Waldgirmes erstmals gelang, vollständige Gebäudegrundrisse nachzuweisen, die zudem in einer älteren Messung mit größerem Sondenabstand (1 m) nicht erkennbar waren (Abb. 6. 7).
Die Grabungsarbeiten kamen wegen des verregneten Sommers nur langsam voran, so dass beschlossen wurde, zunächst die südlich des Ost-West verlaufenden Wassergrabens gelegene Hälfte komplett zu bearbeiten und die Untersuchung des nördlichen Teils auf das kommende Jahr zu verschieben. Insgesamt wurden drei Gebäude erfasst. Es handelt sich um die westliche Hälfte
eines bereits im letzten Jahr z. T. ergrabenen, 12 m × 15 m großen Atriumhauses sowie um zwei jeweils auf sechs Einzelpfosten errichtete, 3 m × 4 m und
5 m × 6 m große Bauten. Das Atriumhaus besaß im Norden eine vorgelagerte,
offensichtlich nur angebaute Portikus, deren Verlauf sich nicht an der Nordwand des Gebäudes, sondern an einem gleichfalls bereits im Vorjahr teilweise
ergrabenen Gräbchen orientierte, bei dem es sich um das Fundamentgräbchen
eines Zauns oder einer Palisade handeln dürfte. Die Orientierung der Portikus
auf den Zaun spricht für eine Gleichzeitigkeit beider Anlagen. Das Gräbchen
konnte bis zu einem Punkt etwa 10 m östlich der Umwehrung verfolgt werden. Im Zentrum der Lücke, etwa 2 m nach Süden versetzt, lag ein kleiner
6-Pfostenbau. Um den Anschluss des Zauns an die Umwehrung zu klären,
wurde dort ein 17,50 m × 15 m großer Abschnitt der Umwehrung geöffnet,
der jedoch keine weiteren Aufschlüsse für den Zaun selbst erbrachte. In seiner
Verlängerung stand jedoch ein Turm auf vier Pfosten in der Umwehrung.
Innerhalb des Gebäudes unmittelbar vor der Ostwand lag eine runde, 1,80 m
durchmessende und noch etwa 0,60 m tiefe Grube, deren Inhalt komplett
verprobt wurde. An weiteren Befunden ist ein Kreisgraben mit 13,50 m Durchmesser zu nennen, in dessen Zentrum sich eine 2,90 m × 1,10 m große, sterile
und nur flach erhaltene Grube befand. Aufgrund ihrer Ausrichtung können
vier weitere, ähnlich dimensionierte Gruben diesen Befunden zugeordnet werden. Um die Funktion dieser Gruben zu klären, wurden aus der Grabungsfläche in einem 15 m-Raster Phosphatproben genommen.
Kooperationspartner: Landesamt für Denkmalpflege Hessen (Th. Keller,
A. Kreuz); Akademie der Wissenschaften und Literatur Mainz (D. Wigg-Wolf);
Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt a. M. (G. Brey, U. Ehmig,
A. Stobbe, H. Thiemeyer); Freie Universität Berlin (G. Schneider); Justus-Liebig-Universität Gießen (H.-R.Wegener); Universität Hamburg (Chr. Schäfer);
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (H.-R. Bork); D. Baatz (Darmstadt);
7
Lahnau-Waldgirmes
Abb. 6 Westhälfte des im Messbild zu
erkennenden Gebäudes, Blick von Süden
Abb. 7 Grabungsflächen der Jahre 2007
und 2008 in hochauflösendem geomagnetischen Messbild
AA-2008/1 Beiheft
Römisch-Germanische Kommission 117
S. von Schnurbein (Frankfurt a. M.) • Förderung: DFG; Landesamt für Denkmalpflege Hessen • Leitung des Projekts: G. Rasbach • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: A. Becker, A. Popa, Th. Westphal, N. Benecke und Studierende
der Universität Marburg • Abbildungsnachweis: DAI, RGK (Abb. 6. 7).
Romuliana-Gamzigrad (Serbien)
Abb. 8 a Geomagnetisches Messbild der
35 m großen Zirkularstruktur (genordet)
Abb. 8 b Das freigelegte, zur Hälfte ausgeraubte zentrale Rundfundament (Blick von
Nordwest)
8a
AA-2008/1 Beiheft
Romuliana-Gamzigrad (Serbien)
Im Rahmen der deutsch-serbischen Kooperationsvereinbarung konnten die
Untersuchungen innerhalb und außerhalb des spätrömischen Kaiserpalastes von
Gamzigrad (Ostserbien) mit der diesjährigen Kampagne fortgesetzt werden.
Von Seiten des Architekturreferats der Zentrale des DAI wurde der Architekturplan als Grundlage für ein generalisiertes 3D-CAD-Modell aufbereitet
(s. auch hier S. 30–33).
Im Teilprojekt Archäologie/Geophysikalische Prospektion wurden geomagnetische Messungen nördlich und westlich des Palastes sowie auf bisher nicht
untersuchten Flächen innerhalb der Palastummauerung vorgenommen. Außerdem wurden Untersuchungen auf ausgewählten Flächen mit Geoelektrik und
Georadar durchgeführt. Nördlich des Palastes war dabei ein langgestrecktes
dreischiffiges Gebäude, wahrscheinlich ein spätantiker Speicherbau (horreum),
festzustellen. Westlich des Palastes zeichnete sich innerhalb einer Einfriedung
ein Ost-West ausgerichteter Bau mit Apsis ab, der wahrscheinlich als mittelalterlicher Kirchenbau gedeutet werden kann.
Zur Verifizierung einer im geomagnetischen Messbild des Vorjahres erkannten Struktur aus 16 im Kreis (Durchmesser ca. 35 m) angeordneten Einzelstrukturen und einer massiven Anomalie im Zentrum (Abb. 8 a) wurde von Westen
her bis zum Zentrum dieser Struktur eine 25 m lange Sondage angelegt. Am
Westende des Schnittes konnte eines der 16 ›Pfeilerfundamente‹ vollständig
erfasst werden. Dieses ist 1,80 m × 1, 80 m groß und noch 0,50–0,90 m tief
erhalten. Es besteht aus großen Bruchsteinen in sehr harter Mörtelbindung
und ist an der erhaltenen Oberfläche durch eine Mörtelschicht abgeglichen.
Bei der in dem geomagnetischen Messbild nicht klar umgrenzten Anomalie
im Zentrum der Struktur handelt es sich um ein etwa zur Hälfte ausgeraubtes
Rundfundament in opus caementicium-Technik mit kleinen Bruchsteinen (Abb.
8 b). Dieses hat einen Durchmesser von ca. 4 m und ist etwa 1 m tief. Darüber
sind noch Teile eines ehemals ca. 3 m großen, ebenfalls runden Aufbaus aus
Bruchsteinen in Mörtelbindung erhalten, dessen Außenfassade durch sorgfältig
verlegte, 7 cm dicke Ziegelplatten in Mörtelbettung gebildet ist; zwei Ziegellagen und Abdrücke einer dritten sind erhalten.
8b
118 Jahresbericht 2007 des DAI
Zur Ergänzung der Sondage wurde über einem ›Pfeilerfundament‹ an der
Ostseite des Kreises ein weiterer Schnitt angelegt. Das hier angeschnittene Fundament besteht aus kleinen Bruchsteinen in Mörtel und die Oberseite ist ebenfalls mit einer glättenden Mörtelschicht versehen. Nachträglich wurde an seiner Innenseite ein aus Bruchsteinen, Ziegelfragmenten und Mörtel – dieser ist
von anderer Konsistenz als der für die Fundamente verwendete – gefertigter
Kanal angelegt, über dessen weiteren Verlauf und Funktion bisher nichts bekannt ist.
Da die Baureste bereits sehr oberflächennah lagen und das originale Fußbodenniveau nicht mehr erhalten ist, sind zugehörige Elemente des aufgehenden Bauwerks ebenso wie datierende und interpretierende Funde im Laufe
der Zeit durch natürliche Erosion sowie durch landwirtschaftliche Nutzung
des Areals beseitigt bzw. verlagert worden. Allein die Form der angetroffenen
Dachziegel sowie drei Legionsziegelstempel lassen vermuten, dass es sich hierbei um ein Bauwerk aus der römischen Kaiserzeit, d. h. um Zeugnisse aus einer
Periode vor Errichtung des Palastes, gehandelt haben könnte, eventuell um ein
Sieges- oder Ehrenmonument.
Etwa 40 m westlich der Rundstruktur zeigte sich im Geomagnetikbild eine
geradlinig verlaufende Anomalie, die durch eine 5 m lange und 2 m breite Sondage untersucht wurde. Zutage kam hier eine 0,90–1 m breite Mauer, von der
nur noch zwei bis drei Bruchsteinlagen in Kalkmörtel und darunter weitere
zwei bis drei in Lehm verlegte Steinreihen erhalten sind. Von dem dazugehörigen Fußbodenniveau waren auch hier keine Reste mehr feststellbar. Ob es
sich dabei tatsächlich um den Unterbau einer Wasserleitung handelt, wofür die
Länge und der mögliche Bezug auf die Palastummauerung sprechen könnten,
ließ sich daher weder durch die Befunde in diesem Schnitt noch durch eine
weitere Sondage klären.
Darüber hinaus wurde mit der Sichtung und zeichnerischen Dokumentation der Keramikfunde aus dem in den Vorjahren untersuchten Graben vor der
Südseite des Palastes begonnen, deren Auswertung für eine genauere zeitliche
Einordnung dieses Grabens erforderlich ist.
Kooperationspartner: DAI, Zentrale, Architekturreferat (U. Wulf-Rheidt);
Archäologisches Institut Belgrad (S. Petković); Lehrstuhl für Archäologie an
der Universität Belgrad (M. Milinković); Museum Zaječar (M. Živić) • Leitung des Projekts: G. Sommer von Bülow (Archäologie), U. Wulf-Rheidt
(Bauforschung), T. Schüler (Weimar, Geophysik) • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: G. Breitner (Trier, Bearbeitung der Bauornamentik), S. Conrad
(Leipzig, Durchführung eines Workshops und Bearbeitung der spätantiken
Keramik), G. Plaumann, M. Reibelt (Berlin, geophysikalischen Untersuchungen), P. Grunwald (Berlin, Photograph), N. Schücker (DAI, RGK), Studierende
der Universitäten Belgrad, Bonn, Cottbus, Jena und Rostock • Abbildungsnachweis: DAI, RGK (Abb. 8).
Langobardische Grabfunde in Szólád, Ungarn
In der Nähe des Ortes Szólád liegt an einem nach Süden geneigten Hang ein
Gräberfeld des 6. Jhs. n. Chr. Insgesamt wurden bei der Erforschung des langobardischen Gräberfeldes von Szólád 1887 m2 Fläche aufgedeckt und 73 Objekte ausgegraben und dokumentiert (Abb. 9). Darunter befanden sich eine neolithische Hockerbestattung, 33 Gruben der Kupfer- und Bronzezeit, 13 Brandgräber der Hallstattzeit. Der Spätawarenzeit gehörten eine Grube, ein langer
Graben, ein Grubenhaus von etwa 5 m × 5 m Größe mit mehreren Öfen und
Laufhorizonten sowie zwei Feuerstellen außerhalb des Hauses an. Der Langobardenzeit konnten 20 Bestattungen (Gräber 25–44) zugewiesen werden, wobei
AA-2008/1 Beiheft
Römisch-Germanische Kommission 119
Abb. 9 Szólád (Ungarn), langobardenzeitliches Gräberfeld. Verteilung der
Geschlechter auf dem Gräberfeld. Rot:
Frauen, hellrot: Mädchen; blau: Männer,
hellblau: Knaben; grau: Erwachsene,
hellgrau: Kinder. Ausschnitt aus der
Grabungsfläche mit den Gräbern 1–43;
Grab 44 liegt ca. 30 m im Süden außerhalb
des hier dokumentierten Areals (M. 1 : 500)
AA-2008/1 Beiheft
Grab 27 zusätzlich von einer Nord-Süd gerichteten nachlangobardenzeitlichen
Doppelbestattung (27A) überlagert wurde. Der Anteil der Kindergräber mit
neun Individuen war sehr hoch, dazu zählt das überdurchschnittlich reich ausgestattete Mädchengrab 38 (Abb. 10). Für fünf Erwachsene aus Gräbern ohne
spezifische Beigaben ist das Geschlecht bislang nicht bestimmt. Die restlichen
sechs Gräber verteilen sich auf fünf Frauen und einen Mann.
Die Grenze des Gräberfeldes wurde im Norden und Osten erreicht, dies gelang im Westen nicht eindeutig, da die Fläche dort mit Weinstöcken bestanden
ist. Darunter könnten sich noch etwa drei Bestattungen befinden. Die südliche
Ausdehnung des Gräberfeldes reichte etwa bis zum Südrand eines awarischen
Grubenhauses. Eine beigabenlose Bestattung (Grab 44), die ca. 30 m entfernt
davon aufgedeckt wurde, ist dem Grabbau zufolge eindeutig der Langobardenzeit zuzurechnen, gehört jedoch wohl nicht zu der nördlichen Grabgruppe.
Mit den diesjährigen Ausgrabungen wurde das Ziel erreicht, das langobardenzeitliche Gräberfeld aufzudecken. Untersuchungen zum Siedlungsplatz sind
im Rahmen von Lehrgrabungen der Budapester Universität geplant, die von
der Römisch-Germanischen Kommission unterstützt werden.
Die Tiefe von zwei Bestattungen (25 und 27) reichte maximal bis ca. 4 m
unter die alte Oberfläche. Einige Kinder- und Kleinstkindergräber lagen jedoch unmittelbar unter Planum 1, das etwa 50 cm unter dem Humus angelegt
wurde. Die beiden Kreisgräben der Bestattungen 25 und 30 waren so seicht,
120 Jahresbericht 2007 des DAI
Abb. 10 Szólád (Ungarn), langobardenzeitliches Gräberfeld. Grab 38, Bestattung
eines kleinen Mädchens mit Vierfibeltracht
und Gehänge. Die runde Verfärbung auf
der linken Seite des Mädchens stammt von
einem Teller, der eine Fleischbeigabe und
Eier enthielt (M. 1: 10)
dass sie in Planum 1 nur noch ca. 5 cm tief waren. Im Vergleich zu den beiden
früheren Kampagnen hatten neben den Absatzgräbern die acht nicht abgesetzten Gruben einen relativ hohen Anteil. Die Hälfte dieser Bestattungen waren
Erwachsenengräber von maximal 1,30 m Tiefe, die sich zudem als beigabenlos
erwiesen.
Herausragend waren neben dem bereits genannten Mädchengrab 38 (Abb.
10) die beiden Frauengräber 25 (mit Kreisgraben) und 26. Die Toten waren in
ihrer Vierfibeltracht und mit reichen Gehängen bestattet. Die Ausstattung des
Mannes aus Grab 27B war nicht mehr vorhanden, doch Spuren weisen darauf
hin, dass er eine Spatha besaß. Außer dieser Bestattung waren noch fünf weitere
gestört. Dazu zählt Frauengrab 30 mit Kreisgraben. Neben wenigen Perlen,
einem Almandinplättchen, das wohl zu einer Scheibenfibel gehörte, konnten
zwei Fragmente eines Glasgefäßes (evtl. einer Glasflasche) geborgen werden.
Kooperationspartner: Ungarische Akademie der Wissenschaften • Leitung
des Projekts auf ungarischer Seite:T.Vida • Leitung des Projekts auf deutscher
Seite: U. von Freeden • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: P. Skriba (Savaria
Museum, Szombathely), K.-W. Alt (Universität Mainz), H. Thiemeyer (Universität Frankfurt a. M.), Sz. Honti mit Mitarbeitern des Museums Somogy,
Studierende der Universitäten Bonn, Budapest, Mainz und Szeged.
AA-2008/1 Beiheft
Römisch-Germanische Kommission 121
Abb. 11 Friedrichsruhe (Landkreis
Parchim), Überblick über die Reste der
Befestigung des slawischen Burgwalls
AA-2008/1 Beiheft
Friedrichsruhe, Mecklenburg-Vorpommern
Der Burgwall: Aufgrund der geophysikalischen Prospektionen in den abgetragenen Bereichen des Burgwalls war zu vermuten, dass sich Reste der ehemaligen Wallkonstruktion noch im Boden erhalten hatten. Mit dem Ziel der
Überprüfung der geophysikalischen Ergebnisse wurde ein 15 m × 3 m großer Sondageschnitt angelegt, der im Anschluss bis an die Abtragsgrenze des
Burgwalles verlängert wurde. Dabei konnte die Wallkonstruktion in einem
überwiegend guten Erhaltungszustand nahezu vollständig freigelegt und dokumentiert werden. Sie besteht aus einer Kernsektion mit zwei Reihen hintereinander gesetzter Holzkästen sowie innen und außen vorgelagerten Wallfüßen. Die Bohlenkästen des Wallkerns konnten nur teilweise erfasst werden,
die äußere Kastenreihe war durch die Anlage des Wallfußes bereits weitgehend
zerstört.Von dem Holzkasten der inneren Reihe waren noch Reste der untersten Bohlenlage zu erfassen. Die Wallfüße bestanden aus drei- bzw. zweiteiligen
kastenartigen Plankenwandkonstruktionen. Die hochkant gestellten Bohlen
(Breite max. 30 cm; Dicke max. 3 cm) wurden von Pfosten fixiert, die durch
Ösenbalken miteinander verbunden waren. Die Breite des inneren Wallfußes
beträgt knapp 3,60 m, der äußere Wallfuß weist eine Breite von etwa 1,40 m
auf. Die Innenräume der Schalenwände wurden mit Rundhölzern verfüllt.
Die unterste Lage des inneren Wallfußes bestand darüber hinaus aus breiten
und sorgfältig gepackten Brettern, sie wird als Substruktion für eine bessere
Verteilung des Gewichtes auf dem Torfboden interpretiert. Reste des inneren
Wallfußes konnten auch in einem nach Süden hin anschließenden Schnitt
untersucht werden. Dabei handelt es sich um Teile der inneren Plankenwand,
die z. T. in den Innenraum umgestürzt und erhalten waren. Siedlungsbefunde
bzw. -schichten konnten dort jedoch nicht festgestellt werden. Diese wurden
durch den Abtrag bereits weitgehend zerstört.
Die Vorburgsiedlung:
a) Zur Befestigung der Vorburgsiedlung: Ziel der Untersuchung war es, den
aus der Geophysik bekannten Verlauf der Befestigung zu verifizieren sowie den
Erhaltungszustand und die Art der Konstruktion zu bestimmen. Im geöffneten
Schnitt konnte die Wallkonstruktion auf ihrer gesamten Breite vollständig erfasst und dokumentiert werden (Abb. 11). Die Befestigung bestand aus einer
Holz-Erde-Konstruktion mit einem Wallkern aus Bohlenkästen sowie innen
und außen vorgelagerten Wallfüßen. Die hölzernen, schlecht erhaltenen Bohlenkästen besaßen eine Verfüllung aus gelbem bis graugelbem Sand. Zur Stabilisierung der Kästen diente eine großflächige Packung aus bis zu 15 cm großen
Steinen entlang der Kastenrückseite. Das Abfließen der Wallaufschüttung an
der Vorder- und Rückfront wurde zudem durch Plankenwandkonstruktionen
aus waagerecht angeordneten Bohlen an den Wallfüßen verhindert.
Bemerkenswert ist das Fehlen eines Grabens im östlichen Bereich der Vorburgsiedlung. Zwar liegt der äußere Wallfuß leicht tiefer als der innere, aber
dies kann nicht als Hinweis auf einen Graben gewertet werden, zumal auch
keine Grabenbefestigung (Berme) wie in dem nördlichen Teil der Befestigung
nachgewiesen werden konnte (Kampagne 2005). Es ist davon auszugehen, dass
wegen eines höheren mittleren Grundwasserspiegels von etwa 40,10 m NN in
slawischer Zeit und der damit verbundenen starken Vernässung der Bereiche
außerhalb der Vorburgsiedlung vermutlich auf die Anlage eines Grabens verzichtet wurde. Das Fehlen der Grabenbefestigung im östlichen Bereich dürfte
mit der geringen Torfmächtigkeit von nur etwa 20–30 cm in Verbindung gebracht werden.
b) Das Tor und die Zuwegung: Der Torbereich der Vorburgsiedlung wurde
bereits in der Kampagne des Vorjahres untersucht, Verlauf und Konstruktion
122 Jahresbericht 2007 des DAI
der aus der Geophysik bekannten Zuwegung war dagegen Ziel der diesjährigen Kampagne. Der Verlauf des Zugangsweges wurde durch mehrere Sondageschnitte verfolgt, die sich an den Ergebnissen der geophysikalischen Prospektionen orientierten. Der Weg verläuft von der Geländezunge aus in südöstlicher Richtung zur nächsten Sandkuppe, wobei er in den tiefer gelegenen
Niederungsbereichen in einen etwa 2,50–2,60 m breiten Bohlenweg übergeht
(Abb. 12). Der Aufbau besteht regelhaft aus einer Sandaufschüttung, die von
seitlich eingeschlagenen Pfosten gehalten wurde. Im torfigen Untergrund lag
die Aufschüttung offenbar auf einer Substruktion aus querliegenden Bohlen,
die jedoch nur vereinzelt erhalten sind. Anhand der geophysikalischen und archäologischen Untersuchungen kann der Verlauf des Weges auf bislang etwa
70 m sicher bestimmt werden.
c) Siedlungsbefunde im Bereich der Vorburgsiedlung: Großflächige Untersuchungen wurden bisher überwiegend im östlichen Teil der Vorburgsiedlung
durchgeführt, während im Bereich der bereits nahezu zerstörten zentralen und
nördlichen Siedlungsareale nur zwei 60 m lange Suchschnitte zur Klärung der
Befundlage angelegt wurden. Ein weiterer, die gesamte Vorburgsiedlung durchziehender Suchschnitt mit einer Länge von 105 m wurde bis in das zentrale
Siedlungsareal verlängert.
Die Erweiterung älterer Schnitte, durch die bereits im Vorjahr die östliche
Vorburgsiedlung großflächig untersucht wurde, diente der Klärung des weiteren Verlaufs der Kulturschichten. Es zeigte sich, dass die Erhaltungsbedingungen im südöstlichen Bereich der Vorburgsiedlung erheblich besser als in den
nördlichen und zentralen Teilen sind. Die Kulturschicht konnte großflächig
verfolgt werden, z. T. waren einzelne Befunde, wie Steinpackungen oder Gruben, in diese eingetieft. Aus dem bereits im letzten Jahr als Werkareal interpretierten Bereich unmittelbar hinter der Befestigung konnten bei der Schnitterweiterung weitere Schlackefunde, aber auch die Reste von Essesteinen geborgen werden; die Tätigkeit eines Schmiedes ist auch aufgrund eines Rotationsschleifsteines deutlich belegt.
Im Gegensatz zum östlichen Siedlungsareal konnten für die nördlichen und
zentralen Siedlungsbereiche mittels der geophysikalischen und archäologischen
Untersuchungen nur wenige Siedlungsreste dokumentiert werden. Es ist davon
auszugehen, dass die nördlichen sowie zum überwiegenden Teil auch die zentralen Siedlungsareale durch Meliorations- und Planierarbeiten bereits weitgehend zerstört wurden.
Funde: Der überwiegende Teil des Fundmaterials besteht aus Keramik,
hauptsächlich der mittelslawischen Menkendorfer Ware. Sehr häufig ist aber
auch der Sukower Typ vertreten. Jungslawische Gurtfurchenkeramik fehlt im
Keramikmaterial, was für einen Abbruch der Siedlungsaktivitäten in Burg und
Vorburg im Laufe des 10. Jhs. n. Chr. sprechen dürfte.
Zum Haushaltsinventar gehören Knochenpfrieme und Knochennadeln
sowie einzelne Eisenmesser, in großer Zahl liegen darüber hinaus auch Spinnwirtel aus Ton und Sandstein sowie Wetzsteine vor. Durch das konsequente
Schlämmen der Kulturschichtreste konnten ebenso etwa 20 Perlen geborgen
werden, deren Gesamtzahl derzeit bei knapp 60 Stück liegt. Zahlreiche blaue
Ringperlen sowie Glasschlacken könnten dabei als Hinweise auf eine lokale
Perlenherstellung zu werten sein, der Großteil der Perlen ist jedoch importiert,
u. a. liegen Exemplare aus Bernstein, Karneol und Bergkristall vor.
Weitere belegte Handwerkszweige in Friedrichsruhe umfassen die Knochen- und Geweihverarbeitung, die durch zahlreiche bearbeitete Geweihreste
gesichert ist, die Textilverarbeitung mit Webgewichten und Spinnwirteln sowie die Metallverarbeitung. Diese wurde vermutlich hauptsächlich im östli-
Abb. 12 Friedrichsruhe (Landkreis
Parchim), slawischer Bohlenweg
AA-2008/1 Beiheft
Römisch-Germanische Kommission 123
chen Vorburgbereich betrieben, worauf zahlreiche Schmiedeschlacken, Reste
von Essesteinen und ein Rotationsschleifstein hinweisen. Auf die lokale Teerproduktion verweist der Rest eines pechverkrusteten Gefäßes, dessen Boden
durchlocht war.
Hervorzuheben sind zwei Münzfragmente aus Silber, die aufgrund des Erhaltungszustandes als Hacksilber gedeutet werden. Dabei handelt es sich um
einen römischen Silberdenar des Trajan, geprägt zwischen 103 und 111 n. Chr.
und um einen arabischen Silberdirham, dessen Bestimmung derzeit durchgeführt wird.
Den Waffen kann schließlich eine etwa 20 cm lange Lanze aus dem Bereich
des Bohlenweges zugeordnet werden.
Bemerkenswert sind aber auch einzelne Fundstücke älterer Zeitperioden.
Von bedeutendem Interesse sind dabei zwei Federmesser, die in dem Bereich
des Bohlenwegs unterhalb des Torfes in den glazifluviatilen Sanden der Kuppe geborgen wurden. Diese Objekte belegen, ebenso wie eine Stielspitze aus
dem zentralen Siedlungsgebiet (Grabungskampagne 2006), erste Siedlungsaktivitäten in der Umgebung der Sandkuppe im Spätpaläolithikum, etwa 12 000
bis 10 000 v. Chr.
Kooperationspartner: Fachhochschule für Technik und Wirtschaft Berlin;
Universität Hamburg; Georg-August-Universität Göttingen; WestfälischeWilhelms-Universität Münster; Universität Rostock • Förderung: DFG •
Leitung des Projekts: F. Lüth • Mitarbeiter: S. Messal (DFG), Studierende
der Universitäten Berlin, Leipzig, Hamburg sowie Praktikanten des Landesamtes für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern; es wurden
außerdem zwei Lehrgrabungen der Universität Rostock (Leitung: H. Jöns)
und der Universität Münster (Leitung: F. Nikulka) sowie ein bodenkundliches
Praktikum (Leitung: H. Lübke) durchgeführt • Abbildungsnachweis: DAI,
RGK (Abb. 11. 12).
Wiskiauten, Siedlungsarchäologische Forschungen zur Wikingerzeit im Kaliningrader
Gebiet (Russische Föderation)
Das seit zwei Jahren laufende Ausgrabungsprojekt zu dem frühmittelalterlichen
Fundplatz Wiskiauten (heute Mohovoe) an der südlichen Ostseeküste im ehemaligen Ostpreußen hat die Auffindung von Siedlungsspuren im Umfeld eines
wikingerzeitlichen Hügelgräberfeldes mit zahlreichen skandinavischen Funden zum Ziel (s. auch <http://www.wiskiauten.eu>). Das Gräberfeld gilt seit
seiner Entdeckung im Jahr 1865 als Hinweis auf eine skandinavische Handelsniederlassung, die jedoch nie eindeutig lokalisiert werden konnte.
Durch die Kombination von geomagnetischen Messungen auf 70 ha Fläche
und anschließenden Ausgrabungen war bereits in den vergangenen Jahren die
Freilegung von zahlreichen Siedlungsspuren des 8. bis 12. Jhs. n. Chr. im Umfeld der Nekropole geglückt.
In diesem Jahr wurden die geophysikalischen Messungen auf den nordöstlichen Bereich der mehr als 2 km2 großen Siedlungskammer ausgedehnt. Es
erfolgten des Weiteren an drei neuen Stellen Ausgrabungen zur Überprüfung
der Messbilder, an denen neben Studierenden der Kaliningrader Universität
vor allem Studierende des Instituts für Ur- und Frühgeschichte der Universität
Kiel teilnahmen.
In einem Bereich direkt an der ehemaligen Küste des bereits im Vorjahr
durch geologische Bohrungen nachgewiesenen Binnensees mit Verbindung
zum Kurischen Haff wurden in einem Sondageschnitt insgesamt drei Kulturschichten und ein Brandhorizont freigelegt, die nach Aussage der Keramikfunde und mehrerer 14C-Daten in das 7. und 8. Jh. n. Chr. eingeordnet werden
AA-2008/1 Beiheft
124 Jahresbericht 2007 des DAI
13
14
können (Abb. 13). In den gleichen Zeitraum gehört ein Befund etwa 350 m
westlich auf einem zum 800 m weiter westlich gelegenen Hügelgräberfeld hin
ansteigenden Geländerücken. Es handelt sich um eine mit Steinen ausgekleidete Grube, die neben zahlreichen Brandresten und Fragmenten verziegelten
Lehms nur wenig Keramik enthielt (Abb. 14). In der näheren Umgebung sind
zahlreiche Streufunde als ein Hinweis auf ausgedehnte Siedlungsaktivitäten zu
dieser Zeit vor dem eigentlichen Belegungsbeginn der Nekropole in der Mitte
des 9. Jhs. n. Chr. zu werten. Schon vor der vermuteten Ankunft der Skandinavier – durch die Funde im Gräberfeld weiterhin indirekt nachgewiesen –
hat somit eine einheimische Siedlung bestanden. Weitere 14C-Daten benachbarter Anomalien sowie der Fund einer polyedrischen Bronzeperle mit Wolfzahnornamentik, der als Teil einer bislang nur aus Grabfunden Gotlands bekannten Ringtrense in das 10. Jh. datiert werden kann, deuten an, dass in diesem
Bereich im Osten der großen Hügelgräbernekropole generell auch mit Funden und Befunden des 9. bis 11. Jhs. n. Chr. zu rechnen ist.
Neben diesen Grabungsschnitten mit frühen Siedlungsnachweisen, die zusätzlich ebenso neue Hinweise auf eine eisenzeitliche Besiedlung erbrachten,
wurde ein aus Feldsteinen trockengemauerter Brunnen südlich des Gräberfeldes bis in eine Tiefe von 4 m ausgegraben (Abb. 15). Glas- und Bernsteinperlen, Bronzegewichte, ein Kammfragment sowie zahlreiche Keramikreste und
Tierknochen lassen in Kombination mit den auf das 11. und 12. Jh. n. Chr. datierten Holzkohleproben auf eine ausgedehnte, planvoll angelegte Niederlas-
Wiskiauten (Russische Föderation)
Abb. 13
Befund des 7. und 8. Jhs. n. Chr.
Abb. 14
Eisenzeitliche Siedlungsgrube
Abb. 15 Wiskiauten (Russische Föderation), Brunnenbefund etwa 3,50 m unter
der Oberfläche
AA-2008/1 Beiheft
Römisch-Germanische Kommission 125
sung dieser Zeit schließen. Die ausgegrabenen Befunde bestätigen die großräumige Besiedlung im gesamten Umfeld der Nekropole und eröffnen durch ihre
zeitliche Tiefe neue Interpretationsmodelle für die Entwicklung des gesamten
Fundplatzes. So kann nicht mehr von einer Kolonie ausgegangen werden, die
von skandinavischen Personen in der Mitte des 9. Jhs. gegründet wurde und
die bis in die Mitte des 11. Jhs. n. Chr. bestanden hat. Vielmehr scheinen die
skandinavischen Siedler und Händler sich in ein bereits lange zuvor etabliertes
Siedlungsgefüge integriert zu haben. Auch nach dem Belegungsabbruch des
Hügelgräberfeldes bestand die Siedlung mit ihren überregionalen Handelsbeziehungen bis mindestens in das 13. Jh. weiter, was durch Einzelfunde einheimischer Machart belegt werden konnte. Immer noch fehlen jedoch einschlägige skandinavische Funde im Siedlungsmaterial.
Kooperationspartner: Archäologisches Landesmuseum Schleswig; Stiftung
Schleswig-Holsteinische Landesmuseen Schloss Gottorf; Baltische Expedition
des Archäologischen Instituts der Russischen Akademie der Wissenschaften in
Moskau • Leitung des Projekts: C. von Carnap-Bornheim, T. Ibsen (Schleswig) • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: Studierende der Universitäten Kiel
und Kaliningrad • Abbildungsnachweis: T. Ibsen (Abb. 13–15).
Sitzungen und wissenschaftliche Veranstaltungen
Die Jahressitzung fand unter Vorsitz von Herrn Lüth am 22. Februar in der
Römisch-Germanischen Kommission statt. Dabei wurden 14 Gelehrte zu Korrespondierenden Mitgliedern des Deutschen Archäologischen Instituts gewählt.
Es fanden 12 Vortragsveranstaltungen statt. Die Kommission war ferner
Gastgeber für mehrere Kolloquien und Arbeitsgespräche.
Veröffentlichungen
Germania. Anzeiger der Römisch-Germanischen Kommission 84, 2006,
2. Halbband
Germania. Anzeiger der Römisch-Germanischen Kommission 85, 2007,
1. Halbband
Germania. Anzeiger der Römisch-Germanischen Kommission 85, 2007,
2. Halbband
Römisch-Germanische Forschungen 65: S. Wilbers-Rost – H.-P. Uerpmann –
M. Uerpmann – B. Großkopf – E. Tolksdorf-Lienemann, Kalkriese 3. Interdisziplinäre Untersuchungen auf dem Oberesch in Kalkriese
Kolloquien zur Vor- und Frühgeschichte 9: S. Möllers – W. Schlüter – S. Sievers (Hrsg.), Keltische Einflüsse im nördlichen Mitteleuropa während der
mittleren und jüngeren vorrömischen Eisenzeit. Akten des Internationalen
Kolloquiums in Osnabrück vom 29. März bis 1. April 2006
Internet-Zeitschrift <http://www.spuren-der-jahrtausende.de> 5/2007:
N. Müller-Scheeßel – K. Rassmann, Häuser der Lebenden, Gräber der Toten. Der steinzeitliche Siedlungshügel von Okolište
Stipendien
Auf der Jahressitzung 2007 wurde je ein halbes Reisestipendium Mariya Stefkova Ivanova (Tübingen) und Martin Furholt (Kiel) zuerkannt.
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Kairo
Abteilung Kairo
31, Sharia Abu el-Feda
ET-11211 Kairo-Zamalek
Tel.: +20-(0)2-735 14 60, 735 23 21
Fax: +20-(0)2-737 07 70
E-Mail: [email protected]
Direktoren
Prof. Dr. Günter Dreyer, Erster Direktor
PD Dr. Daniel Polz, Wissenschaftlicher Direktor
Wissenschaftliche Mitarbeiter
Dr. des. Ulrike Fauerbach, Dr. Ulrich Hartung, Dr. Dietrich Raue
Auslandsstipendiat
Dr. Ralph Bodenstein
Wissenschaftliche Hilfskräfte
Nicole Kehrer M. A., Dr. Ute Rummel (15. 2. bis 12. 4.)
Abteilung Kairo 129
100-Jahrfeier der Abteilung Kairo des DAI
Die seit 1929 dem DAI angehörende Abteilung Kairo, die am 1. April 1907
als »Kaiserlich Deutsches Institut für Ägyptische Altertumskunde« begründet
wurde, beging ihr 100jähriges Bestehen vom 18.–22. November 2007 mit
verschiedenen Veranstaltungen und Feierlichkeiten.
Am Beginn stand eine Pressekonferenz (Abb. 1), an der über 80 ägyptische
und internationale Journalisten teilnahmen. Ihren Fragen stellten sich Bernd
Erbel, der Deutsche Botschafter in Kairo, Zahi Hawass, der Generalsekretär des
ägyptischen Antikendienstes, der Präsident des DAI Hermann Parzinger sowie
die Direktoren Günter Dreyer und Daniel Polz. Neben Rückblicken auf die
Geschichte und einer Darstellung der Aufgaben des Instituts wurde die Überführung der 2004 in Dra‘ Abu el-Naga (Theben-West) gefundenen Särge des
Imeni und der Geheset in das Museum von Luxor bekannt geben, wo sie von
nun an öffentlich ausgestellt sind.
100-Jahrfeier der Abteilung Kairo des DAI
Abb. 1 Pressekonferenz am 18. November
2007 im Hotel Conrad
Abb. 2 Ansprache von Staatssekretär
G. Boomgarden im Garten der Abteilung
Kairo
Abb. 3 Eröffnung der Sonderausstellung:
Günter Dreyer, Amani Ghanem, Botschafter
Bernd Erbel, Leiter der Kulturabteilung des
Auswärtigen Amts Martin Kobler, Kulturminister Farouk Hosny und Generalsekretär
des Antikendienstes Zahi Hawass (v. l.)
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AA-2008/1 Beiheft
Am Abend des 18. November wurden die Feierlichkeiten offiziell mit einem Empfang im Garten des Instituts eröffnet. Die über 300 internationalen
Gäste und Kollegen wurden vom Staatssekretär des Auswärtigen Amts Georg
Boomgarden, dem ägyptischen Kulturminister Farouk Hosny und dem Präsidenten des DAI Hermann Parzinger begrüßt (Abb. 2).
Vom 19.–21. November fand ein Symposium statt, auf dem die Ergebnisse
und Perspektiven aktueller wie abgeschlossener Unternehmungen der letzten
50 Jahre von den Projektleitern vorgestellt und von externen Experten kommentiert oder ergänzt wurden. Zu Beginn des Symposiums wurden der frühere Erste Direktor Werner Kaiser und die Koordinatorin der Verbindungen
des Instituts zu den ägyptischen Behörden Amani Ghanem für ihre Verdienste
um die deutsch-ägyptischen Beziehungen von Generalsekretär Zahi Hawass
mit der Medaille des Supreme Council of Antiquities ausgezeichnet.Von Seiten des DAI wurden der frühere ägyptische Kulturminister Sarwat Okasha und
Ali Radwan für ihre Unterstützung geehrt und den neugewählten Korrespondierenden Mitgliedern des Deutschen Archäologischen Instituts ihre Urkunden überreicht. Die Tagung wurde täglich von bis zu 350 Wissenschaftlern
verschiedenster Fachrichtungen besucht.
Einen Höhepunkt der Veranstaltungen bildete die Eröffnung der Ausstellung »Begegnung mit der Vergangenheit« im Ägyptischen Museum am Abend
des 19. November, an der über 400 Gäste teilnahmen (Abb. 3). Glückwünsche
130 Jahresbericht 2007 des DAI
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5
zum Jubiläum und der gelungenen Ausstellung wurden vom Leiter der Kulturabteilung des Auswärtigen Amts Martin Kobler sowie dem Generalsekretär des
Supreme Council of Antiquities Zahi Hawass vorgetragen. Zwei langjährige
ägyptische Vorarbeiter der Ausgrabungen wurden geehrt.
Am 21. November fand ein Abschlussempfang mit zahlreichen Ehrengästen im Garten der Deutschen Botschaft statt. Etwa 100 Gäste, ägyptische und
internationale Kollegen sowie Vertreter der Presse, besuchten am 22. November noch die Grabungen in Tell el-Fara‘in/Buto, wo sie von mehreren Mitarbeitern geführt wurden (Abb. 4). Eine Poster- und Kleinfundeausstellung
illustrierte den Stand der Arbeiten. Parallel fanden am gleichen Tag mehrere
Führungen zu den Restaurierungsprojekten des Instituts in der Altstadt von
Kairo statt.
Die Abteilung Kairo des DAI möchte sich an dieser Stelle sehr herzlich bei
all jenen bedanken, die zum Gelingen der Veranstaltungen und der durchweg
positiven Stimmung beigetragen haben. Allen voran gilt der Dank den ägyptischen Kollegen und Partnern im Antikendienst und im Ägyptischen Museum,
der Zentrale des DAI in Berlin, dem Auswärtigen Amt, der Deutschen Botschaft Kairo, den Partnern und Sponsoren, den zahlreichen Sprechern und
Referenten sowie nicht zuletzt den Gästen, die aus zahlreichen Ländern zur
100-Jahrfeier angereist sind (Abb. 5).
Abbildungsnachweis: DAI-KAI (Abb. 1–5).
100-Jahrfeier der Abteilung Kairo des DAI
Abb. 4
Besucher in Buto
Abb. 5 Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Abteilung Kairo
Ausgrabungen und Forschungen
Elephantine
In der Siedlung von Elephantine ist seit der Mitte des 4. Jts. v. Chr. der Tempel
der Satet nachweisbar. Die ersten ca. 1300 Jahre seines Bestehens befand sich
das Allerheiligste des Kultbereiches in einer natürlich gebildeten Felsnische.
Westlich dieses Sanktuars fiel bei den Untersuchungen zur Befestigung der
Stadt Elephantine eine Einschnürung des Stadtmauerverlaufs auf, die zu einem
späteren Zeitpunkt – wohl noch im 3. Jt. – begradigt wurde. Hierzu bestand die
Annahme, dass es sich möglicherweise um eine Hofanlage im Zusammenhang
mit den Nilflutfeierlichkeiten handeln könnte. Im Rahmen des Forschungsclusters 4 »Heiligtümer: Gestalt und Ritual. Kontinuität und Veränderung« des
DAI wurde nun die Möglichkeit wahrgenommen, dieser Hypothese nachzugehen und zugleich den Wohnbereich der unmittelbaren westlichen Tempelnachbarschaft des Alten Reiches (3000–2200 v. Chr.) zu erforschen.
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Kairo 131
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Elephantine
Abb. 6 Bereich westlich des Satettempels
mit Bebauung und Kellern der 6. Dynastie
(um 2250 v. Chr.)
Abb. 7 Spiegelgriff, Holz mit Knocheneinlagen, 2250 v. Chr. (M. 1 : 2)
Abb. 8 Elephantine, Haus 61. Spätere
Ramessidenzeit (um 1200 v. Chr.)
AA-2008/1 Beiheft
Die Arbeiten 2006/2007 hatten zunächst die Bebauung zum Ziel, die diesen Bereich nach seiner Verfüllung im späteren Alten Reich um 2350 v. Chr.
überdeckte. Mehrere Bauschichten und ihnen zugehörige Kellereinbauten,
vor allem aus der 6. Dynastie, wurden aufgedeckt (Abb. 6). Sie sind Teil der
großflächigen Neukonzeption der Stadt im späten Alten Reich, wie sie vor
allem in den vergangenen Jahren an verschiedenen Stellen des Tells freigelegt
wurden. Anders jedoch als in jenen Bereichen fanden sich in der unmittelbaren Tempelnachbarschaft der 6. Dynastie kaum Werkzeuge, Produktionsabfälle oder Nachweise für administrative Tätigkeiten. In dieser Wohnbebauung
wurde erstmals ein Kellerbefund der 6. Dynastie mit einer Reihe von in situBefunden festgestellt. In einem der dort gelagerten Töpfe fanden sich ein aufwendig gearbeiteter Spiegelgriff (Abb. 7) und andere Funde, die auf die Präsenz höhergestellter Frauen der Gesellschaft in der unmittelbaren Tempelnähe
schließen lassen.
An zwei weiteren Plätzen führte das Schweizerische Institut Untersuchungen durch. In den Siedlungsschichten des Neuen Reiches südlich des HeqaibHeiligtums wurden die Arbeiten mit der Aufdeckung einer weiträumigen
Hausanlage der späteren Ramessidenzeit (um 1200 v. Chr.) fortgesetzt (Abb.
8). Mehrere Putzfragmente belegen eine reiche polychrome Bemalung einiger
Räume dieses Hauses. Die Böden waren mit einem sorgfältig verlegten Ziegelpflaster ausgestattet. Im Zugangsbereich befand sich eine Reinigungsinstallation bestehend aus einem Sandsteinbassin mit Ausguss, vor dem ein gröber
gearbeitetes Becken aus Rosengranit eingelassen war.
Außerdem wurden die Studien zur Baugeschichte des Chnumtempels und
der Schichten seiner Zerstörung und anschließenden Nachnutzung in frühchristlicher Zeit im 5. Jh. n. Chr. weitergeführt.Von besonderem Interesse sind
die Ergebnisse zur frühen Bebauung des Temenos. Südlich des Tempelhauses ist
seit den ersten Arbeiten der Unternehmung ein Haus (K19) bekannt, welches
isoliert in diesem Teil des umfassten Bereiches stand und in dem auch in den
vergangenen Jahren nochmals zahlreiche Ostraka, Papyrusfragmente und Siegelverschlüsse gefunden wurden. Ein vergleichbar einzeln stehendes Gebäude
scheint es nach Ausweis der jüngsten Untersuchungen auch auf der Nordseite
des Tempelhauses gegeben zu haben.Weitere Grabungen müssen zeigen, ob es
sich hierbei um einen weiteren Sitz der Tempelverwaltung handeln könnte.
132 Jahresbericht 2007 des DAI
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Im Rahmen der Aufarbeitung des Fundmaterials der Unternehmung aus
früheren Kampagnen wurde die Arbeit fortgesetzt an der epigraphischen und
architekturgeschichtlichen Aufnahme am Satettempel des Mittleren Reiches,
den Kleinfunden und der Lithik des 3.–2. Jts. v. Chr., an den Siegelfunden des
Alten Reiches, der nubischen Keramik des 3.–2. Jts. v. Chr., der Dekoration
des Tempels des Chnum im Neuen Reich und in der griechisch-römischen
Epoche, der Keramik des Neuen Reiches, der römischen und spätantiken
Keramik, Textilien sowie der Lederfunde, Botanik, Menschenknochen und
Farbpigmente. Ein geomorphologischer Survey zur Rekonstruktion der Landschaft in den verschiedenen Zeiträumen wurde begonnen.
Die Planungsarbeiten für eine umfassende Neugestaltung des Zugangs zum
Grabungsgebiet am alten Inselmuseum wurden in Zusammenarbeit mit dem
Ägyptischen Antikendienst fortgesetzt. Auch die Rekonstruktionsarbeiten
im Gebäudekomplex des späten Alten Reiches (um 2200 v. Chr.) südlich des
Chnumtempels (Abb. 9) sowie an den Wohnhäusern des späten Mittleren Reiches am Heqaib-Heiligtum konnten fortgesetzt werden. Am Satettempel des
Neuen Reiches wurden die ergänzenden Zeichnungen der Dekoration erneuert (Abb. 10). Hinsichtlich der zukünftigen Einfassung des Grabungsgeländes
sind weitere Teile der Stadtmauer am westlichen Stadtrand freigelegt worden.
Kooperationspartner: Schweizerisches Institut für Ägyptische Bauforschung
und Altertumskunde • Leitung des Projekts: D. Raue, C. von Pilgrim • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: F. Arnold, J. Auenmüller, A. Bloebaum, J. Budka, R. Colman, R. Cortopassi, M. De Dapper, E. Delange, A. von den Driesch,
E. Endenburg, E.-M. Engel, J. Gresky, L. von Haenigsen, M. Hoffmann,
H. Jaritz, P. Kopp, A. Kozak, E. Laskowska-Kusztal, R. Neef, H.-Chr. Noeske,
A. Paasch, S. Pages-Camagna, B. von Pilgrim,V. Podsiadlowski, M. und E. Rodziewicz, N. Roumelis, T. Rzeuska, M. Schultz, A. Veldmeijer, C. Vormelker,
V. Wagner, M. Weber, M. Wetendorf-Lavall, P. Windszus • Abbildungsnachweis: DAI-KAI (Abb. 6. 7); Schweizerisches Institut für Ägyptische Bauforschung (Abb. 8); DAI-KAI (Abb. 9. 10).
Elephantine
Abb. 9 Wieder aufgebaute Teile des
Gebäudekomplexes der späten 6. Dynastie
(um 2200 v. Chr.)
Abb. 10
Satettempel der 18. Dynastie
Felsinschriften der Region von Assuan
Die Kataraktenlandschaft stellte für die Passage zu Schiff eine schwierige und
je nach Jahreszeit auch gefährliche Strecke dar. Ein paralleler Landweg für den
Personen- und Warenverkehr bestand daher zu allen Zeiten. Das Projekt der
Lokalisierung und Aufnahme von Felsinschriften auf der Ostseite im Stadtgebiet von Assuan widmete sich auch während dieser Kampagne einem sehr
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Kairo 133
Abb. 11 Assuan, Felsinschrift des Mentuhotep (um 1850 v. Chr.)
prestigeträchtigen Teil dieser Wegalternativen: dem Beginn der antiken Straße
nach Shellal/Philae. Die Enge dieser Straße lässt darauf schließen, dass hier
im wesentlichen kleinere Personengruppen, vornehmlich wohl die führende
Beamtenschaft und ihr Gefolge, von diesem Weg Gebrauch machten, während
die Schwertransporte dieser Zeit weiter im Landesinneren auf breiteren Pisten
vor sich gingen. Hohe Militärbeamte und die Spitzen der Nubienverwaltung
sowie deren Untergebene hinterließen hier eindrucksvolle Paneele.
Als ein weiteres Untersuchungsgebiet kam in diesem Jahr das Gebiet im Vorfeld des rückwärtigen Eingangs des Hotels »Old Cataract« hinzu. Hier wurden
die bekannte Inschrift der Bildhauer der 18. Dynastie, Men und Bak, sowie eine
rechts sich anschließende Inschrift des Echnaton (1350/1325 v. Chr.) faksimiliert. Die beiden Bildhauer arbeiteten in seiner Regierungszeit und unter seinem Vater, Amenophis III., dessen Kolossalstatuen aus Theben-West, die sog.
Memnon-Kolosse, auch im Bild dargestellt werden. Die Inschriften belegen
frühe Entwicklungsstadien der monotheistischen Aton-Theologie des Echnaton.Weiterhin wurde die Inschrift eines Beamten aus der Zeit der 12. Dynastie
namens Mentuhotep (um 1850 v. Chr.) erstmals studiert und dokumentiert
(Abb. 11). Die herausragende Bedeutung dieser Inschrift liegt in der Farberhaltung im Bereich der geflügelten Sonne am oberen Bildabschluss. Ursprünglich
waren alle Felsinschriften erst durch die Farbgebung weithin sichtbar geworden, jedoch ist nur in diesem Fall und einem weiteren Beispiel auf Elephantine
mit türkisblauen Farbresten in den Hieroglyphen einer Inschrift der 6. Dynastie (um 2300 v. Chr.) die Farbe erhalten.
Eine weitere Gruppe von Felsinschriften außerordentlich hochgestellter
Persönlichkeiten konnte an der modernen Anlegestelle der Fähre zwischen
Assuan und Elephantine untersucht werden. Hier sind es vor allem vier Vizekönige von Nubien aus der 18. und 19. Dynastie (15.–13. Jh. v. Chr.), deren
Repräsentation in ihrer Zeit zu den markantesten Texten des Ostufers und
seiner Verbindung zur Insel Elephantine gehört hat.
Die Arbeit wurde ferner weiter südlich am Dorf Gebel Tagug fortgesetzt.
Die Verteilung der Inschriften bezieht sich auf einen Weg, der zu einer Bucht
gegenüber der Südspitze von Elephantine verläuft, die wahrscheinlich als größerer Hafen genutzt wurde. Seit der Eröffnung der Steinbrüche hat sich die
Landschaft jedoch schon durch die römische Steinbruchsaktivität und dann
vor allem durch die neuzeitlichen Baumaßnahmen gravierend verändert. In
der zukünftigen Arbeit wird die Rekonstruktion der ursprünglichen Landschaft eine wesentliche Voraussetzung zum Verständnis der Inschriften sein.
AA-2008/1 Beiheft
134 Jahresbericht 2007 des DAI
Kooperationspartner: Freie Universität Berlin (Projektträger) • Förderung:
DFG • Leitung des Projekts: S. J. Seidlmayer (Ägyptologisches Seminar der
Freien Universität Berlin) • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: L. Borrmann,
T. Gutmann • Abbildungsnachweis: Freie Universität Berlin (Abb. 11).
Assuan, Fatimidenfriedhof
Der sog. Fatimidenfriedhof von Assuan befindet sich auf der Ostseite der historischen Stadt. Er erstreckt sich über eine Länge von nahezu 2 km von Norden
nach Süden. Der südliche Teil ist der rezenten Überbauung entgangen, wird
allerdings – wie eine Vielzahl neuer Gräber belegt – nach wie vor als Friedhof
genutzt.
Das Gelände wird noch heute von 30 Mausoleen dominiert (Abb. 12),
jedoch ergab eine partielle Reinigung der Oberfläche vom Flugsand, dass die
Zwischenräume sowohl von kleineren Mausoleen als auch von einfacheren,
heute leeren Grabstätten gefüllt waren.
Diese Grabkomplexe fassen Gruppen von 2–20 Bestattungen zusammen.
Alle bisher untersuchten Grablegen folgen dem islamischen Bestattungsritus
mit einer Nord-Süd-Orientierung. Am häufigsten tritt das einfache Grab
mit einer rechteckigen Einfassung auf, im Süden befindet sich ein kleines
Podest, zu dessen Ostseite eine Miniaturgebetsnische gehört. Alle Gräber hat-
ten einen dünnen weißen Kalkputz. Aufwendigere Grabtypen weisen zudem
eine Nischengliederung der bis zu 1 m hohen Grabfassung auf. Zwei neue
Stelenfunde gehören der Fatimidenzeit an (969–1171 n. Chr.), jedoch bezeugen andere, in Museen und Magazinen befindliche Stelen einen früheren
Belegungsbeginn der Nekropole im späten 7./frühen 8. Jh. n. Chr. Die Entdeckung dieser neuen Grabgruppen verändert das Bild von den ›urbanistischen
Aspekten‹ dieses Friedhofes grundlegend, denn er besteht eben nicht nur aus
isolierten Einzelbauten. Hiermit ist nochmals die einmalige Gelegenheit gegeben, auf einem sehr ausgedehnten Gelände die Sozialstrukturen der frühen
islamischen Epochen im Spiegel ihrer Bestattungsriten und Grabarchitektur
zu betrachten.
Kooperationspartner: Lehrstuhl für Baugeschichte der Technischen Universität Berlin • Leitung des Projekts: Ph. Speiser • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: M. Fior, J. Lindemann, Chr. Straße, D. Zahn • Abbildungsnachweis:
DAI-KAI (Abb. 12).
Abb. 12 Assuan, sog. Fatimidenfriedhof.
Mausoleengruppe im südlichen Abschnitt
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Kairo 135
Theben-West, Nekropole von Dra‘ Abu el-Naga
Dra‘ Abu el-Naga liegt im Norden der ausgedehnten thebanischen Nekropole
auf der Westseite des Nils, gegenüber der Stadt Luxor in Oberägypten. In diesem Nekropolenteil konzentrieren sich die Gräber der Zweiten Zwischenzeit
und des frühen Neuen Reiches (13.–18. Dynastie; ca. 1850–1500 v. Chr.), welche auch den zentralen Forschungsgegenstand der Unternehmung bilden. Die
Doppelgrabanlage K93.11/K93.12 (Abb. 13) befindet sich, kurz unterhalb der
Kuppe gelegen, in der Mitte der Hügelkette von Dra‘ Abu el-Naga. Ihr nördlicher Teil, K93.11, wurde bereits in den Jahren 1993 bis 2000 ausgegraben und
dokumentiert. Die südliche Anlage, K93.12, wird seit Herbst des vorangegangenen Jahres im Rahmen des Forschungsclusters 4 »Heiligtümer: Gestalt und
Ritual. Kontinuität und Veränderung« des DAI archäologisch untersucht mit
dem Ziel, die Nutzungsgeschichte der Anlage zu erfassen und damit die Entwicklung der Grabsemantik des späten Neuen Reiches zu beleuchten.
Eine Datierung beider Felsgrabanlagen an den Beginn des Neuen Reiches
(um 1550 v. Chr.) zeichnete sich bereits vor Aufnahme der Arbeiten durch
einige bautechnische Beobachtungen ab. Die enorme Größe des Gesamtkomplexes (mit knapp 50 m Breite der Vorhöfe eine der größten Felsgrabanlagen
in Theben-West) ließ zudem darauf schließen, dass es sich um eine königliche
Grabanlage handelt.Verschiedene Indizien machen eine Zuweisung an König
Abb. 13 Theben-West, Nekropole von Dra‘
Abu el-Naga. Vorläufiger Grundrissplan der
Doppelgrabanlage K93.11/K93.12
AA-2008/1 Beiheft
136 Jahresbericht 2007 des DAI
Abb. 14 Theben-West, Nekropole von Dra‘
Abu el-Naga. Grabanlage K93.12, Übersicht
über die Grabungsschnitte im inneren
Vorhof (April 2007)
Amenophis I., den zweiten König der 18. Dynastie, und seine Mutter AhmesNefertari wahrscheinlich. Wie die Grabungen ergeben haben, wurde K93.11
in der 20. Dynastie (um 1150 v. Chr.) vom Hohenpriester des Amun, Ramsesnacht, übernommen, der im Bereich der Vorhöfe eine Kultkapelle aus Sandstein errichten ließ.
In K93.12 konzentrierten sich die Arbeiten zunächst auf den inneren Vorhof
(Abb. 14) sowie den Grabinnenraum. Der archäologische Befund ist in weiten
Teilen dem in K93.11 sehr ähnlich: Der Grabinnenraum und große Teile der
Vorhöfe sind mit koptischen (frühchristlichen) Lehmziegelstrukturen (7.–9.
Jh. n. Chr.) überbaut, die im Zusammenhang mit dem nahegelegenen Kloster
Deir el-Bachit stehen (s. hier S. 137–139). Die Datierung des ursprünglichen
Felsgrabes an den Beginn des Neuen Reiches wird durch das Auffinden entsprechender Mengen an Keramikscherben aus der 18. Dynastie untermauert.
Ein überraschendes Ergebnis war die Feststellung, dass der Sohn und Amtsnachfolger Ramsesnachts, Amenophis, in K93.12 eine gleichartige Kapelle
errichten ließ wie sein Vater gut 20 Jahre zuvor in K93.11. Davon zeugen die
bisher ca. 900 Relieffragmente aus Sandstein, von denen viele den Namen und
Titel des Amenophis tragen (Abb. 15). Die Fragmente stammen größtenteils
von der Wandverkleidung, die Amenophis im inneren Vorhof anbringen ließ.
Hier wurde außerdem eine vermutlich umlaufende Säulenstellung errichtet,
Abb. 15 Theben-West, Nekropole von Dra‘
Abu el-Naga. Grabanlage K93.12, Relieffragment (Sandstein) aus dem inneren Vorhof.
Die Inschrift nennt den Hohenpriester des
Amun, Amenophis (um 1125 v. Chr.), und
seinen Vater, den Hohenpriester Ramsesnacht
Abb. 16 Theben-West, Nekropole von Dra‘
Abu el-Naga. Grabanlage K93.12,
links: Fragment eines Hathorkapitells
(Sandstein) aus der Kultkapelle des Hohenpriesters Amenophis; rechts: Zeichnerische
Rekonstruktion eines Hathorkapitells aus
der Anlage des Ramsesnacht, K93.11
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Kairo 137
von der neben zahlreichen entsprechenden Sandsteinfragmenten eine Säulenbasis in situ erhalten ist. Den Zugang zu diesem Hof bildete ein Lehmziegelpylon, dessen Überreste teilweise freigelegt werden konnten. Ein besonderes
Merkmal beider Anlagen sind die Hathorkapitelle (Säulenkapitelle, die das Gesicht der Göttin Hathor abbilden; Abb. 16), mit dem ein Teil der Säulen einst
bekrönt war. Dieser Kapitelltyp ist im Neuen Reich bislang nur als Element
von Tempelarchitektur belegt.
Im Fokus der Untersuchung steht die Funktion, welche die älteren Grabanlagen durch die ramessidische Umgestaltung gewonnen haben. In der Tempelgestalt der hohenpriesterlichen Kapellen (Pylon, offener Hof, Säulenstellung,
Hathorkapitelle) wie auch in den Fragmenten der Wanddekoration spiegelt sich
die Grabsemantik des späten Neuen Reiches, gemäß derer das Grab die Funktion eines Tempels übernimmt – d. h. zu einem sakralen Raum wird, in dem
der Verstorbene mit den Göttern kommuniziert. Ein Ziel der weiteren Arbeiten wird die Klärung der Frage sein, ob der Hohenpriester Amenophis in
K93.12 bestattet wurde oder ob es sich möglicherweise um eine reine, von der
eigentlichen Bestattungsanlage räumlich getrennte Kultanlage handelt.
Leitung des Projekts: D. Polz, U. Rummel (Grabungsleitung in K93.12) •
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: J. Böttinger, P. Collet, A. Kilian, M. Kern,
L. Kruck, J. Lücke, S. Michels, S. Nagel, E. Peintner, M. Pieper, S. Tagscherer,
S.Voß, P.Windszus • Abbildungsnachweis: Grundrissplan, P. Collet, U. Rummel
(Abb. 13); DAI-KAI DAN, U. Rummel (Abb. 14); DAI-KAI-DAN, U. Rummel (Abb. 15); DAI-KAI-DAN, M. Kern, Zeichnung, U. Rummel (Abb. 16).
Theben-West, spätantike-koptische Klosteranlage Deir el-Bachit von Dra‘ Abu el-Naga
Das Kloster Deir el-Bachit erstreckt sich auf einem Höhensattel des Hügels von
Dra‘ Abu el-Naga in Theben-West (Abb. 17). Diese größte bislang bekannte
Klosteranlage des thebanischen Westufers lässt sich nach derzeitigem Kenntnisstand in die Zeit zwischen dem 6. und 9. Jh. n. Chr. datieren.
Die Größe von Deir el-Bachit, dessen antiker Name bisher noch nicht bekannt ist, spiegelt wohl die Bedeutung wider, die dem Kloster zugekommen
sein dürfte. In den vergangenen Jahren waren in den Vorhöfen der hangabwärts
in unmittelbarer Nähe gelegenen pharaonischen Doppelgrabanlage K93.11
einige Wirtschaftsanlagen ausgegraben worden, die zu dem Kloster auf dem
Hügelrücken gehören. Dies war der Anlass, auch das Kloster auf dem Hügel-
Abb. 17 Theben-West, spätantike-koptische Klosteranlage Deir el-Bachit von Dra‘
Abu el-Naga. Blick auf das Kloster, im Hintergrund die Nekropole des Klosters
AA-2008/1 Beiheft
138 Jahresbericht 2007 des DAI
18
19
rücken, das bis zu diesem Zeitpunkt in der wissenschaftlichen Literatur kaum
nennenswerte Erwähnung gefunden hatte, in den Blickpunkt des archäologischen Interesses zu rücken. Da es im thebanischen Raum bislang keine systematische archäologische Untersuchung einer Klosteranlage nach modernen
wissenschaftlichen Kriterien gibt, kommt dieser Ausgrabung zusätzlich große
Bedeutung nicht nur für die Rekonstruktion der Nachnutzung pharaonischer
Grabanlagen, sondern auch für die Rekonstruktion religiösen Lebens auf dem
thebanischen Westufer in spätantiker und frühislamischer Zeit zu.
Die Grabung konzentrierte sich in diesem Jahr innerhalb des Zentrums
der Klosteranlage auf die südlichen Terrassen, weil sich in diesem Bereich in
der vorangegangenen Grabungskampagne die Hinweise zur Lokalisierung der
Klosterkirche verdichtet hatten. Insbesondere war die Auffindung von Säulen
und Kapitellen aus Sandstein im Schutt unter einem jüngeren Fußboden ein
konkreter Anhaltspunkt für die Annahme, dass ein Vorgängerbau der Kirche zu
einem bislang unbekannten Zeitpunkt dem Erdboden gleichgemacht wurde
und seine Bauteile als Füllschutt unter den Böden verwendet worden waren.
Aus diesem Grund wurde der mit vier massiven Lehmziegelpfeilern ausgestattete, größte Raum auf der mittleren Südterrasse ausgegraben, dessen Mauern sowie Pfeiler teilweise schon vor Beginn der Grabung obertägig sichtbar
waren und der wegen seiner Ostausrichtung als möglicher Standort der Klosterkirche in Frage kam. Die Ausgrabung dieses Vierpfeilerraumes ergab zwar,
dass es sich hier nicht um die Kirche handelte, stattdessen kam in diesem Raum
aber eine Abfolge verschiedener Fußböden und einer älteren Steinmauer zutage, die es ermöglichten, die chronologische Abfolge der Bauphasen nicht nur
innerhalb des Vierpfeilerraumes, sondern auch der daran angrenzenden Gebäude zu klären, von denen eines ein zweites Unterkunftsgebäude mit Schlafzellen für die Mönche gewesen zu sein scheint (Abb. 18).
In einer kleineren Sondage im östlichen Umgang des sog. Zentralgebäudes,
bei dem es sich wahrscheinlich um einen Turm im Zentrum der Klosteranlage
handelte, fanden sich unter dem aus Sandsteinspolien der umliegenden pharaonischen Grabanlagen bestehenden Pflasterboden die Überreste von zwei
kleinen Räumen (Abb. 19), die – den Maueranschlüssen zufolge – jünger als
der Turm sein müssen, der nach derzeitigem Kenntnisstand eines der ältesten
Gebäude des Klosters gewesen zu sein scheint.
Ein weiterer Schwerpunkt war außerdem die Untersuchung der zugehörigen Nekropole des Klosters, die im Osten außerhalb der Umfassungsmauern
des Klosters liegt (Abb. 17). In einer Sondage am Nordost-Ende der Nekropole
Theben-West, spätantike-koptische Klosteranlage Deir el-Bachit von Dra‘ Abu el-Naga
Abb. 18 In der linken Bildhälfte der
Vierpfeilerraum, Blick nach Südwesten.
Rechts ein tonnengewölbter Speicherbau
Abb. 19 Im Mittelgrund die Überreste
der beiden Räume, die unter dem Plattenpflaster des östlichen Umganges des
Turmes ausgegraben wurden. Im Raum
links der Rest eines runden Lehmbehälters
Abb. 20 Theben-West, spätantike-koptische Klosteranlage Deir el-Bachit von Dra‘
Abu el-Naga. Nordöstlicher Abschnitt der
Nekropole, Blick nach Westen
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Kairo 139
kamen in langen Grabreihen gleichmäßig angeordnete und von Lehmziegelmauern eingefasste Gräber zutage, die sich nach Art und Bauweise nicht von
den in den Vorjahren freigelegten Gräbern am Südwestende der Nekropole
unterscheiden (Abb. 20). Überraschend war aber, dass es sich bei den Bestattungen – im Gegensatz zu den südwestlichen Gräbern – nicht um mumifizierte und aufwendig gewickelte Leichname, sondern um Skelette handelte.
Kooperationspartner: Institut für Ägyptologie der Ludwig-MaximiliansUniversität München • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: G. Burkard, I. Eichner • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: T. Beckh, I. Dudzinski,
M. Fischer, K. Gabler, E. Hower-Tilmann, S. Lösch, S. Mehret, G. Neunert,
E. Petersmark, J. Sigl, A. Zink • Abbildungsnachweis: Ludwig-MaximiliansUniversität München (Abb. 17–20).
Abb. 21 Theben-West, Memnon-Kolosse
und Totentempel Amenophis’ III. Drei neue
Sachmetstatuen (März 2007)
Abb. 22 Theben-West, Memnon-Kolosse
und Totentempel Amenophis’ III. Zur
Aufstellung vorbereitete Quarzitkolosse
AA-2008/1 Beiheft
Theben-West, Memnon Kolosse und Totentempel Amenophis’III.
Ziel der Grabung ist die Rettung der letzten Reste des einst prachtvollen Totentempels Amenophis’ III. aus der 18. Dynastie in Theben, der von Grundwasser,
Versalzung, Vegetation und gelegentlichen Feuern bedroht war.
Die Kampagne begann mit der jährlich aufwendigen, jedoch notwendigen
Reinigung des gesamten Areals. Gleichzeitig wurden die Restaurierungs- und
Konservierungsarbeiten im Magazin an den Quarzit- und Granitstatuen fortgesetzt. Die im Vorjahr abgeschlossene Senkung des Grundwasserspiegels im
Peristyl ermöglichte es, tiefer auszugraben, wobei tief liegendere Fundamente
sowie gestürzte Architekturteile, Architrav- und Säulenfragmente festgestellt
und aufgenommen werden konnten. In dem ausgeraubten Fundamentgraben
des nördlichen Peristyls fanden sich in zwei Lagen acht neue, bestens erhaltene
Sachmetstatuen von außerordentlicher künstlerischer Qualität (Abb. 21). Sie
wurden gereinigt, konserviert und mit den früheren Statuen maßstabsgerecht
gezeichnet und ebenso wie der kolossale Granitkopf von Amenophis III. photographiert. Dieser Kopf konnte durch weitere neu gefundene Fragmente komplementiert werden. Auch vom Körper der Statue wurden weitere Fragmente
gefunden und zusammengesetzt.
In der westlichen Portikus des Peristyls wurden drei der Sockel mit den
Füßen von kolossalen Königsstatuen aus Quarzit restauriert und aufgestellt.
Der Torso der Kolossalstatue PWN II wurde mit den Beinen zusammengefügt
und aufgerichtet. Im kommenden Frühjahr wird der erhaltene Oberkörper
aufgesetzt und mit einer Replik des zugehörigen Kopfes aus dem British
Museum vereint aufgestellt werden (Abb. 22). Der Torso ist jetzt bereits 5 m
140 Jahresbericht 2007 des DAI
Abb. 23 Theben-West, Memnon-Kolosse
und Totentempel Amenophis’ III. Quarzitfragmente mit Darstellungen von Fremdvölkern
hoch, insgesamt wird die Statue eine Höhe von gut 9 m besitzen. Eine zweite
Kolossalstatue gleicher Art und Erhaltung wird ebenfalls in der nächsten Kampagne vollendet und aufgerichtet werden. Gleichzeitig wurde dort in einem
aufwendigen Verfahren die Entsalzung der Sandsteinbasen der ersten Reihe
begonnen. Alle Fragmente der großen Nordstele, neue und früher gefundene,
sind nun aufgenommen, gruppiert und bearbeitet. Die Zusammensetzung mit
modernen Materialien und Techniken ist im nächsten Jahr geplant.
Am 2. Pylon wurden die Fundamente und unteren Lagen des nördlichen
Turmes ausgegraben und die Maße gesichert. Fragmente des Tores und dessen Dekoration wurden dokumentiert. Dabei kamen auch zahlreiche neue
Quarzitfragmente von Fremdvölkerdarstellungen zutage, die teilweise zusammengesetzt, photographiert und bearbeitet wurden (Abb. 23). Ein Seismologe/
Geologe untersuchte die Fundamente und Sturzlagen im gesamten Tempelbereich. Damit konnte die These des Einsturzes des Tempels und seiner Statuen
durch ein Erdbeben weiter untermauert werden.
Kooperationspartner: Supreme Council of Antiquities • Förderung: Association des Amis des Colosses de Memnon; Förderverein Memnon; American Research Center in Egypt; World Monuments Fund®Robert W. Wilson
Challenge to Conserve Our Heritage und Mr. Jack A. Josephson, supporter of
the World Monuments Fund • Leitung des Projekts: H. Sourouzian • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: M. Seco Alvares, D. Aston, A. Chéné,O. Chéné,
J. Dorner, N. Hampikian, A. Karakhanyan, E. Kamimura, B. Lachat, J. Malatkova, Ch. Perzlmeier, R. Stadelmann sowie zeitweise U. Lewenton, A. Amin,
K. Lakomy, T. Gharib; Restaurierung: M. L. Marcos, S. J. Vidal, L. M. Garcia,
M. B. Sanz, E. M. Ruedas, Th. Gayer-Anderson, M. A. Moreno Cifuentes;
A. H. Ibrahim, T. H. Ibrahim, A. M. Ali (Conservation Department des SCA
unter Leitung von B. S. Abdelrahim), F. Fares Aboadir, M. A. Ghassab (Steinteam
des SCA), Abul’Haggag H. Taai, H. Abdelwahab Mohamed, A. Abusafa Khalifa, A. Ezzedin Ismail (Vertreter des Antikendienstes) • Abbildungsnachweis:
H. Sourouzian (Abb. 21–23).
Theben-West,Totentempel Sethos’ I.
Der Totentempel Sethos’ I. aus der 19. Dynastie in Qurna ist im März 2004
dem ägyptischen Antikendienst und der Öffentlichkeit übergeben worden. Im
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Kairo 141
24
25
Theben-West, Totentempel Sethos’ I.
Abb. 24
Nördlicher Sphinxsockel
Abb. 25 Gelagerte Blöcke vor der
versalzten Ziegelwand des Pylons
Herbst letzten Jahres zeigten sich erschreckende Schäden an den Reliefs der
Sphinxsockel vor dem wieder aufgebauten 1. Pylon (Abb. 24). Abwässer der
Häuser östlich des Pylons sickerten durch die Ziegelwände und drangen in die
Sandsteine der Sockel. Dies führte zu Aussalzungen und zum Absprengen der
Oberflächen. Der ägyptische Antikendienst bat daraufhin R. Stadelmann als
ehemaligen Grabungsleiter um Mithilfe bei der Rettungsaktion der Sockel.
Mit Unterstützung der technischen Abteilung des Antikendienstes Theben
und unter Anleitung einer erfahrenen Restauratorin wurden die Reliefs zunächst gefestigt, dann die Sandsteinblöcke Lage nach Lage abgehoben und auf
Holzbalken zum Austrocknen ausgelegt (Abb. 25). Dann wurden die Reliefs
entsalzt und nochmals gefestigt. Die Blöcke bleiben bis Spätherbst gelagert und
sollen im Anschluss auf neue Sandsteinfundamente zurückgebracht werden.
Die teilweise schwer beschädigten Reliefs müssen dann durch Photomontagen
ersetzt werden.
Kooperationspartner: Supreme Council of Antiquities • Förderung:
U. Köhle • Leitung des Projekts: R. Stadelmann • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: E. M. Ruedas, A. Aziz mit den Restauratoren A. H. Ibrahim,
T. H. Ibrahim, A. M. Ali, B. Hassan Mohamed (Conservation Department
des SCA), M. A. Ghassab, G. Mahmud Ahmed mit dem Steinteam des SCA •
Abbildungsnachweis: R. Stadelmann (Abb. 24. 25).
Abydos, Umm el-Qaab
Im frühzeitlichen Königsfriedhof war die Feldarbeit auf das Grab des Djer
konzentriert (1. Dynastie, um 2950 v. Chr.), das seit dem Mittleren Reich als
Bestattungsort des Totengottes Osiris angesehen wurde. Im Rahmen des neuen
Forschungsprojekts »Osiris in Abydos«, das den späteren Kultaktivitäten an diesem heiligsten Ort Ägyptens gilt, wurde auch mit dem Abtragen der enormen,
bis zu 4–5 m hohen Schutthalden über den Nebengräbern des Djer begonnen,
die neben Grabbeigaben noch zahlreiche Votivgaben für Osiris enthalten. Außerdem wurde die Wüstenoberfläche nördlich des Grabes des Peribsen gereinigt, das Vermessungsnetz ergänzt und die Bearbeitung der Funde fortgesetzt.
Die Königskammer des Djer wurde weiter, bis ca. 1,80 m unter Oberkante,
geleert (Abb. 26 a). Damit wurden auf den inneren Zungenmauern, die auf der
Ost-, Nord- und Südseite an einen zentralen Holzschrein führten (Abb. 26 b),
die schon von F. Petrie beobachteten, sehr flachen Scheintür-Vertiefungen im
Mauerverputz sichtbar (Abb. 27). Als ›Durchlässe‹ sollten sie dem toten König
offenbar einen Umgang um den Schrein ermöglichen. Eine große Scheintür in
der Westwand bildete den Ausgang in das Totenreich. Noch nicht zu erklären
AA-2008/1 Beiheft
142 Jahresbericht 2007 des DAI
26 a
26 b
27
sind z. T. durchgehende Löcher in den Zungenmauern der Kammern auf der
Nord- und Ostseite. Sie scheinen von jeweils einem langen Holzbalken zu
stammen, der ca. 0,70–0,80 m unterhalb der Decke in etwa 20 cm Abstand von
den Rückwänden quer durch die drei mittleren Kammern verlief. Ein weiterer auffälliger Befund ist ein etwa mittig in die Westwand der Königskammer
eingemauertes großes Tongefäß, dessen Rand genau in Höhe des verputzten
ersten Absatzes der Ausmauerung liegt. Es muss dort während der Bauzeit des
Grabes eingebracht worden sein und wurde später vollständig von Ziegeln der
Deckbalkenfassung überdeckt.
Auf der Ostseite wurde die unmittelbar an die Königskammer angebaute
Vorkammer A ausgehoben. Sie ist 1 Ziegel stark ausgemauert, an der Oberkante
ca. 1 m × 1,75 m groß und etwa 1,30 m tief.Verfärbungen am Boden und der
Westwand zeigen, dass sie für eine Bestattung diente. Auf der Ausmauerung sind
noch einige Ziegel von der Balkenfassung der Abdeckung erhalten, die wahrscheinlich die gleiche Oberkante hatte wie die der Königskammer. Nach der
Lage ist die Kammer am ehesten mit den ›Pförtnerkammern‹ an den Zugängen
in den Gräbern des Dewen und des Semerchet vergleichbar.
Aus der Königskammer und den Halden wurden neben großen Mengen an
Keramik und zahlreichen Siegelabrollungen wiederum auffällig viele Pfeilspitzen aus verschiedenen Materialien (Abb. 29), Schmuckteile, einige Armreifen
Abydos, Königsfriedhof Umm el-Qaab,
Grab des Königs Djer
Abb. 26 a. b
Königskammer
Abb. 27 Zungenmauern vor der
Nordwand der Königskammer mit
Scheintüren und Balkenlöchern
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Kairo 143
und andere Gegenstände aus markant gemaserten Steinarten sowie mehrere
sehr qualitätvolle Elfenbeinobjekte geborgen (Abb. 28). Damit verstärkt sich
der Eindruck, dass die Zeit des Djer einen Höhepunkt des Kunsthandwerks
bildete. Bemerkenswert sind ferner ein vollständiges Anhängetäfelchen des
Djer mit einem noch unbekannten Jahresnamen und ein Rollsiegel aus Holz.
Erneut kam auch umfangreiches osirianisches Material zutage, u. a. Scherben
beschrifteter Votivgefäße, ein bronzenes (Naos-?)Fragment mit Osiris-Dekoration und ca. 300 weitere Fragmente vom ›Sarkophag des Osiris‹, von denen
einige schon an früher gefundene Stücke anpassen. Darunter auch ein größeres
Fragment, auf dem noch ein Abschnitt einer Königsdarstellung erhalten ist.
Die Fundbearbeitung galt der weiteren Dokumentation der Keramik und
Kleinfunde aus den Gräbern des Semerchet, des Dewen und des Chasechemui.
Außerdem wurde die Erfassung des Knochenmaterials aus dem prädynastischen
Friedhof U abgeschlossen und die Aufnahme der in Zusammenhang mit dem
Osiriskult stehenden Keramik, Kleinfunde und Bauteile fortgeführt.
28
29
Abydos, Königsfriedhof Umm el-Qaab
Nach der ersten Auswertung des beschrifteten Materials und der Lage von
Keramikdeponierungen konnten mehrere für den Osiriskult relevante Kultachsen ausgemacht werden. Für eine genauere topographische Untersuchung
wurden hochauflösende Satellitenbilder von der NASA beschafft, auf denen
zunächst die vermuteten Kultachsen eingetragen und dann vor Ort während
einer Geländebegehung verifiziert wurden. Ein überraschendes Zwischenergebnis ist die offenbar wichtige Rolle des sog. Südhügels, einer natürlichen
Geländeerhebung ca. 150 m südlich der Königsgräber. Dorthin führte ein mit
Opferkeramik gesäumter Prozessionsweg vom Osirisgrab und dort gibt es Keramikdeponierungen wie am Wüstenpylon des Sethos-Tempels, der axial auf den
Hügel ausgerichtet ist. Damit lassen sich folgende Verbindungen feststellen:
a) Kom es-Sultan (Siedlungsgebiet mit Osiristempel) – Heqareschu-Hügel
(am Ostrand der Nekropole) – Osirisgrab; b) Kom es-Sultan – Südhügel –
Wadi-Eingang; c) Osirisgrab – Südhügel, d) Sethos-Tempel – Südhügel.
Förderung: DFG • Leitung des Projekts: G. Dreyer • Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen: F. Barthel, S. Beilner, C. Benavente Vicente, A. Blöbaum,
J. Bock, K. Butt, A. Effland, U. Effland, U. Fauerbach, Th. Gertzen, R. Hartmann, U. Hartung, A. Hohlbein, Shih-Wei Hsu, A. Kohse, I. Köhler, H. Köpp,
E.-S. Lincke, S. Lösch,V. Müller, A. Pokorny, D. Schulz, P. Windszus, A. Zink •
Abbildungsnachweis: DAI-KAI (Abb. 26–29).
Abb. 28
Fragment eines Elfenbeingefäßes
Abb. 29
Pfeilspitzen des Djer
AA-2008/1 Beiheft
144 Jahresbericht 2007 des DAI
Abb. 30 Dahschur, Residenznekropole des
Alten Reiches. Blick auf die Gräber des
Talfriedhofes von Nordwesten (Altes Reich,
2600–2200 v. Chr.)
Dahschur, Residenznekropole des Alten Reiches
Die Nekropole von Dahschur (ca. 30 km südlich von Kairo) wurde von König
Snofru am Anfang der 4. Dynastie (um 2600 v. Chr.) als Residenzfriedhof
inauguriert. Die Nekropole wurde fortan im Alten und Mittleren Reich über
einen Zeitraum von ca. 1000 Jahren mit Pyramiden und Beamtengräbern belegt.
Im Tal östlich der Roten Pyramide konnte die 2002 begonnene Untersuchung eines für die Bewohner der nördlichen Pyramidenstadt des Königs
Snofru angelegten Friedhofes fortgesetzt werden. Der Schwerpunkt der Tätigkeiten lag wie schon im Vorjahr auf der Ausgrabung der Schächte bereits freigelegter Oberbauten (Abb. 30). Hierbei wurde entschieden, die Schächte von
drei großen Mastabas vollständig auszugraben, um sich einen Eindruck von
der Art der Gesamtbelegung der Gräber durch größere Familienkollektive zu
verschaffen. Insgesamt stellte sich heraus, dass es sich bei den im Süden gelegenen Schächten erwartungsgemäß um die Hauptbestattungen handelt, während
den untergeordneten Bestattungen die weiter nördlich gelegenen Schächte
vorbehalten waren. Die hierarchische Strukturierung zeigt sich sowohl durch
die Tiefe der Schächte wie durch das Alter und Geschlecht der Bestattungen.
31
Dahschur, Residenznekropole des Alten
Reiches
Abb. 31
Sarg des Hekenu-Ba
Abb. 32 Arbeit in einer Grabkammer der
12. Dynastie (um 1900 v. Chr.)
32
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Kairo 145
Abb. 33 Dahschur, Residenznekropole des
Alten Reiches. Hölzerner Kanopendeckel
aus einem Schacht der 12. Dynastie (M. 1 : 4)
Das Verständnis der gesamten chronologischen Entwicklung des Friedhofes konnte anhand von Detailuntersuchungen der Grabarchitektur und durch
die Analyse der Keramik wesentlich verbessert werden. Es zeigte sich, dass die
frühesten Schächte in dem freigelegten Friedhofsabschnitt bereits in die frühe
4. Dynastie (um 2600 v. Chr.) datieren. Spätere Gräber und Schächte, welche
die älteren Mastabas sogar teilweise ab- und überbauten, wurden bis in die 6.
Dynastie (2300–2200 v. Chr.) hinein errichtet. In der ungestörten Grabkammer eines der späteren Gräber wurde ein bemalter Holzsarg eines Priesters
namens Hekenu-Ba gefunden (Abb. 31).
Im Talfriedhof war die magnetometrische Prospektion insbesondere nach
Westen fortzusetzen. Hierbei wurden westlich der Pyramide Amenemhets II.
mehrere quadratische Schächte des Mittleren Reiches entdeckt, von denen
drei näher untersucht werden konnten. Alle enthielten geplünderte Bestattungen der fortgeschrittenen 12. Dynastie (um 1900 v. Chr.). Eine Grabkammer
wurde vollständig ausgegraben (Abb. 32). Sie wies Fragmente der ursprünglichen Grabausstattung auf, u. a. den hölzernen Verschluss eines Kanopengefäßes
(Abb. 33), Modellwaffen und -stäbe aus Holz, Reste eines stuckierten Sarges
sowie zahlreiche Modellgefäße.
Abb. 34 Dahschur, Residenznekropole des
Alten Reiches. Kalkstein-Opfertisch aus einem Grab der 13. Dynastie (um 1800 v. Chr.)
Im Anschluss an die im letzten Jahr durchgeführte Geländebegehung wurde
eine Probeausgrabung in Dahschur-Süd vorgenommen. Die Freilegung eines
der exponiert auf natürlichen Hügeln gelegenen Elitegräber der 13. Dynastie
(um 1800 v. Chr.) konnte begonnen werden. Ein zu dem imposanten Grabschacht gehöriger Oberbau war nicht mehr nachzuweisen. Es wurde aber ein
mit Namen und Titeln beschrifteter und dekorierter Opfertisch aus Kalkstein
gefunden (Abb. 34), der zur Ausstattung des Oberbaus gehört haben muss.
Kooperationspartner: Freie Universität Berlin (Projektträger) • Förderung:
DFG • Leitung des Projekts: S. J. Seidlmayer; Grabungsleitung: N. Alexanian,
R. Schiestl (Gräber der 13. Dynastie) • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen:
J. Auenmüller, H. Becker (München), L. Borrmann, R. Döhl, T. Gutmann,
A. Langer, M. Lehmann, A. Nerlich (Technische Universität München) •
Abbildungsnachweis: Freie Universität Berlin (Abb. 30–34).
AA-2008/1 Beiheft
146 Jahresbericht 2007 des DAI
Saqqara
In Saqqara, der Nekropole der alten Hauptstadt Memphis, galten die Arbeiten
weiter dem Grab des Ninetjer, des 3. Königs der 2. Dynastie (um 2700 v. Chr.).
Mit der Untersuchung dieses Grabes soll die Kenntnislücke in der Entwicklung der Königsgräber zwischen der 1. und 3. Dynastie geschlossen werden.
Hauptziele der Kampagne waren die Vervollständigung des Gesamtplans der
Oberflächenstrukturen im Konzessionsbereich und die Aufnahme von Baudetails in den unterirdischen Galerien des Ninetjer. Außerdem wurden die Aufnahme der Funde sowie die Bergung der Nachbestattung des Neuen Reiches
in Kammer H 202 fortgesetzt.
Für den Gesamtplan wurden Vermessungen im östlichen Abschnitt des Grabungsbereiches und seiner Umgebung bis zu den Bootsgruben des Unas vorgenommen. Mit Fixpunkten des Saqqara-Messnetzes des Antikendienstes wird
Abb. 35 Saqqara, Grab des Königs
Ninetjer. 2. Dynastie (um 2700 v. Chr.),
Plan mit neuen Kammern
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Kairo 147
36
37
Saqqara, Grab des Königs Ninetjer.
2. Dynastie (um 2700 v. Chr.)
Abb. 36
Wandmulde
Abb. 37
Wandknubben
sich der Plan mit den Aufnahmen der holländischen Mission im Süden und der
Grabung des Louvre im Osten verbinden lassen.
Bei der Auswertung alter Aufnahmepläne P. Munros von Grabschächten
nördlich des Unas-Aufweges, ergaben sich Anhaltspunkte dafür, dass sich noch
weitere Galerien des Ninetjer zu beiden Seiten der von der Mastaba des NebKau-Hor überbauten Zugangspassage befinden, wie es sie in ähnlicher Lage
auch beim Grab des Raneb/(Hetepsechemui?) gibt (Abb. 35). Zwei Schächte
scheinen auf solche Galerien zu führen bzw. sie zu durchschneiden. Aus einem
davon stammt ein Weinkrug der 2. Dynastie, der zufällig im Magazin des Antikendienstes entdeckt wurde.
Im Grab wurden in den Korridoren und Kammern Spuren der Steinbearbeitung, Verputzreste und sonstige Details aufgenommen. Bei der Anlage des
Grabes folgten die Steinmetze wahrscheinlich einer ca. 40 cm starken, weicheren taffl-Tonschicht für das Deckenniveau. Unregelmäßigkeiten dieser tafflSchicht führten insbesondere in den östlichen Kammern zu Niveaudifferenzen
von bis zu 1 m. Der Vortrieb der Gänge und Kammern erfolgte unterhalb des
Deckenniveaus zunächst nur mit ca. 0,80–1 m Höhe. Etwa 15 cm unterhalb
der Decke finden sich insgesamt 122 kleine Mulden von ca. 20 cm Durchmesser und 10–12 cm Tiefe (Abb. 36), die zum Teil mit taffl-Mörtel ausgefüllt
sind. Wahrscheinlich handelt es sich dabei um Markierungen der Steinmetze
für Richtungswechsel bzw. auf der gegenüberliegenden Seite auszuhauende
Gänge und Kammern, die während des Vortriebs angebracht wurden. Später
sind sie wohl durchweg wieder verdeckt worden. Noch rätselhaft ist die Funktion der besonders im Südabschnitt des Grabes auftretenden runden Wandknubben, die man bei der Bearbeitung der Wände offenbar absichtlich stehen
ließ. Insgesamt wurden 75 dieser flachen oder buckelartigen Knubben von
ca. 10–25 cm Durchmesser festgestellt. Die meisten befinden sich 0,80–1 m
über dem Boden, einige aber auch in ca. 1,50 m bzw. nur 0,20 m Höhe. Sie
kommen sowohl einzeln als auch mehrfach (2–3) an einer Wand oder einander
gegenüberliegenden Wänden vor (Abb. 37). Die Wände sind im Allgemeinen
unverputzt geblieben, lediglich zum Ausgleich von Ausbrüchen im Gestein,
der Korrektur von Steinmetzfehlern und der Konturierung von Mauerecken
oder Vorlagen wurde stellenweise taffl-Verputz aufgebracht.
Von der gestörten Nachbestattung des Neuen Reiches in Kammer H 202
(Abb. 38 a) konnten der farbig bemalte und beschriftete Kanopenkasten und
der gleichfalls dekorierte Sargdeckel (Abb. 38 b) geborgen werden. In dem
Abb. 38 a. b Saqqara, Grab des Königs
Ninetjer. 2. Dynastie (um 2700 v. Chr.);
a: Kanopenkasten und Sarg des Neuen
Reiches in Kammer H 202; b: Detail des
Sargdeckels
38 a
AA-2008/1 Beiheft
38 b
148 Jahresbericht 2007 des DAI
Kanopenkasten fanden sich Fragmente von wenigstens drei mit Gips überzogenen und bemalten Holzkanopen, in der 2,54 m langen und 0,79 m breiten
Sargwanne befinden sich noch durchwühlte Skelettreste und Mumienbinden.
Nach Ausweis der Inschriften hieß der Bestattete Nen-semech-tuef (»Er wird
nicht vergessen werden«).
Bei der Bearbeitung der Funde der 2. Dynastie wurden u. a. Fragmente von
großen Tellern bzw. Schalen aus Alabaster mit einem Durchmesser von 30–
45 cm und einige von Tellern aus Kalkstein mit einem Durchmesser von 23–
25 cm zusammengesetzt. Außerdem wurde die Dokumentation der Fragmente
von Steingefäßen mit Ritz- bzw. Tintenaufschriften und der ca. 240 zumeist
kleinen Verschlüsse mit Siegelabrollungen weitergeführt, die mit Ausnahme
einiger Privatsiegel neben dem Königsnamen den Palast des harpunierenden
Horus von Buto nennen. Erfasst wurden auch die 77 Verschlüsse, die bereits
während der Grabung von P. Munro geborgen worden waren (Abb. 39). Davon
sind 62 aus taffl, darunter 33 große konische Verschlüsse von Weinkrügen.
Die Aufnahme des umfangreichen Fundmaterials von Nachbestattungen
des Neuen Reiches und der Spätzeit wurde mit der Vervollständigung der Inventarisierung der Sargfragmente und der Kleinfunde fortgesetzt. In der hieratischen Tintenaufschrift eines der großen Pithoi, die im vergangenen Frühjahr
in der Nähe von zwei Särgen des Neuen Reiches in dem Oberflächenschnitt
TOW-V gefunden worden waren, ließ sich ein »Standartenträger der königlichen Garnisonstruppen Pentaweret« identifizieren. Es ist allerdings nicht ganz
sicher, ob die Keramikdeponierungen zu einem der beiden Särge oder einer
außerhalb des Schnittes liegenden Bestattung gehören.
Kooperationspartner: P. Munro (Freie Universität Berlin/Technische Universität Hannover) • Leitung des Projekts: G. Dreyer • Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen: C. Lacher, S. Boos, Chr. Huyeng, Th. Krautter, E. Peintner,
A. Rifaat Isa, M. Ali Ibrahim, I. Regulski, P. Windszus • Abbildungsnachweis:
DAI-KAI (Abb. 35–39).
Abb. 39 Saqqara, Grab des Königs
Ninetjer. 2. Dynastie (um 2700 v. Chr.),
Gefäßverschluss mit Siegelabrollung des
Ninetjer (M. 1 : 2)
Buto,Tell el-Fara‘in
Die Erkundung der über 5000jährigen – von der prädynastischen bis in spätrömische Zeit reichenden – Geschichte des etwa 1 km2 großen, im nordwestlichen Nildelta gelegenen Siedlungshügels von Tell el-Fara‘in umfasst Ausgrabungen und einen breit angelegten Survey, bei dem durch die Kombination
von Magnetometermessungen und Bohrungen Informationen zur Siedlungsund Landschaftsentwicklung gesammelt werden.
Bei den diesjährigen Arbeiten im Nordwesten Butos erwiesen sich drei
der großen, bei früheren Magnetometermessungen festgestellten rechteckigen
Strukturen als mit breiten Rahmenmauern ausgesteifte Gruben, die bis zu 3 m
unter die heutige Oberfläche eingetieft sind und ursprünglich mit reinem Sand
verfüllt waren (Anlage 1–3, Abb. 40). Da die Böden dieser Anlagen wegen eindringenden Grundwassers noch nicht erreicht werden konnten, lässt sich bisher
nur vermuten, dass es sich um Gräber handelt, die aus der Saitenzeit (26. Dynastie, 7./6. Jh. v. Chr.) stammen. Die Bauten sind unmittelbar in Schichten des Alten Reiches (2. Hälfte des 3. Jts. v. Chr.) eingetieft, allerdings ergeben die bisher
freigelegten Mauerreste aus dieser Zeit noch kein zusammenhängendes Bild.
Bei einer vierten großen Anlage im Süden des Grabungsareals (Anlage 4,
Abb. 40) handelt es sich dagegen um ein für die Spätzeit typisches, in mehrere
Kammern unterteiltes Gebäudefundament. Durch dessen nördliche Rahmenmauer wird eine kleinere Anlage gestört, die ursprünglich wohl aus mehreren
Kammern bestand und nach der vergesellschafteten Keramik in die 3. Zwischenzeit (spätes 8. Jh. v. Chr.) zu datieren ist.
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Kairo 149
Abb. 40 Buto, Tell el-Fara‘in. Schematischer Plan der Grabungen im Nordwesten
Butos (M. 1 : 500)
AA-2008/1 Beiheft
In der unmittelbar nördlich des saitischen Gebäudefundaments gelegenen
Kammer dieser Anlage (Grab J2/89, Abb. 40) kam unter einer Sandfüllung und
einer Muschelschüttung ein anthropomorpher Granitsarkophag mit einer ungestörten männlichen Bestattung zutage (Abb. 41). Der Sarkophag ist stilistisch
in die Ramessidenzeit zu datieren und gehörte einem Paraemhab, er war aber
offensichtlich für die aktuelle Bestattung usurpiert worden – Füße und eine
Schulter des Sarkophags sind abgebrochen und ein weißer Farbüberzug sollte
Darstellungen und Inschriften des ursprünglichen Besitzers symbolisch löschen
(Abb. 42). Da die Bestattung unter dem Grundwasserspiegel lag, konnte sie
nur mit Schwierigkeiten geborgen werden und hatte zudem durch Feuchtigkeit und Bodensalze beträchtlich gelitten. Außer den Knochen waren keine
organischen Materialien mehr erhalten und alle Metallobjekte fanden sich fast
vollständig korrodiert. Lediglich als Verfärbung zeichnete sich noch ein innerer,
150 Jahresbericht 2007 des DAI
42
41
43
Buto, Tell el-Fara‘in
Abb. 41 Elitebestattung der 3. Zwischenzeit in einem usurpierten
Granitsarkophag
Abb. 42
Sarkophagdeckel des Paraemhab
Abb. 43 Armreif mit dem Namen des Iuput II.
auf der Innenseite (M. 1 : 2)
Abb. 44 Grab J2/67 mit Kalksteinsarkophag sowie – jenseits der
durch die Bildmitte verlaufenden Mauer – die noch nicht ausgegrabene Kammer, in der der Granitsarkophag (s. Abb. 41) zutage kam
44
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Kairo 151
Abb. 45 Buto, Tell el-Fara‘in. Amulette aus
vergoldetem Silberblech aus Grab J2/67
(M. 1 : 2)
ehemals wohl mit Blattgold und farbiger Bemalung geschmückter Holzsarg
ab. Auf der Innenseite der kunstvoll gearbeiteten Armreife des Toten (Abb. 43)
kamen bei einer ersten Reinigung die fein gravierten Namen des Iuput II. zutage, eines Lokalfürsten der 23. Dynastie (Regierungszeit ca. 754–720 v. Chr.),
der bisher nur von wenigen Denkmälern bekannt ist. Da die Grabkammer wegen des hohen Grundwasserspiegels noch nicht vollständig ausgegraben werden
konnte, ist noch nicht mit Sicherheit zu sagen, ob es sich wirklich um Iuput
selbst handelt. Der Schmuck könnte z. B. auch ein Geschenk an einen hohen
Beamten oder ein Familienmitglied gewesen sein. Dennoch wirft schon die
Auffindung des Namens in Buto ein Schlaglicht auf die noch wenig bekannten
politischen Verhältnisse im westlichen Nildelta der 3. Zwischenzeit, bestätigt
die nach der Keramiksequenz vorgenommene Datierung der Anlage und unterstreicht zudem die besondere Bedeutung dieses Platzes, bei dem es sich nach
verschiedenen anderen Hinweisen um den seit der Frühzeit aus schriftlichen
Quellen bekannten Heiligen Bezirk von Buto handeln könnte.
Eine weitere reich ausgestattete Bestattung in einem Kalksteinsarkophag
mit Gesichtsdarstellung kam unmittelbar südlich der Rahmenmauer zutage
(Grab J2/67, Abb. 40; Abb. 44. 45). Obwohl sich in diesem Fall keine Hinweise auf die Datierung des Grabes ergaben, lassen die ähnliche Ausstattung, die
gleiche Orientierung und die ebenfalls vorhandene Muschelschüttung über
dem Sarkophag vermuten, dass es ursprünglich zur gleichen Grabanlage gehörte, jedoch durch das saitische Gebäude überbaut wurde. Eine weitere Kammer
der Anlage schließt sich im Norden an und soll im kommenden Jahr näher
untersucht werden.
Kooperationspartner: Universität Poitiers (P. Ballet) • Förderung: DFG
• Leitung des Projekts: U. Hartung • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen:
J. Bock, J. Bourriau, E. Dedden, P. French, R. Hartmann, G. Heindl, T. Herbich, K. Kindermann, P. Kopp, W. Kreibig, S. Laemmel, M. Ordutowski,
S. Pietrzak, H. Riemer, A. Sturm, P. Windszus • Abbildungsnachweis: DAIKAI (Abb. 41–45).
Abu Mina/Kom al-‘Asayla (Philoxenite)
Wegen der vom ägyptischen Antikendienst verlangten dreijährigen Unterbrechung der Grabungen in Abu Mina wurden die Arbeiten in diesem Frühjahr
vorübergehend auf einen der Außenbezirke von Abu Mina im Gebiet des heutigen Beduinendorfes Bahig verlegt, wo Reste einer kleinen, nahe am MaryutSee gelegenen spätantiken Siedlung die Lage des Anlandehafens für die Pilger
der Menasstadt vermuten lassen. Der Ort wird in antiken Quellentexten
mehrfach erwähnt und führte die Bezeichnung Philoxenite; heute heißt er
Kom Zawiyat al-‘Asayla.
Gegraben wurde an einer Stelle, wo einige aus dem Boden herausschauende
Piedestale die Existenz einer Kirche vermuten ließen, was sich beim Fortgang der Grabung auch bestätigte. Gefunden wurde eine kleine provinzielle
Dorfkirche mit Contra-Apsiden, bei der zwei Bauphasen zu unterscheiden
sind (Abb. 46). Der Ursprungsbau ist nach dem keramischen Befund in die
2. Hälfte des 5. Jhs. n. Chr. zu datieren. Die Ostapsis hat sich nicht erhalten,
da der gesamte östliche Teil der Kirche bei Einsturz einer älteren, dem Bau
der Kirche vorausgehenden unterirdischen Zisterne mit in die Tiefe gerissen
wurde. Umso reichhaltiger ist der im Westen auf uns gekommene Bestand.
Hier befand sich ursprünglich der westliche Haupteingang der Kirche, der
zunächst in einen L-förmig sich auf der Süd- und Westseite um die Westapsis
(Abb. 47) legenden Narthex führte, während auf der Nordseite der Apsis der
Treppenaufgang für die Empore untergebracht war. Hierbei handelt es sich um
AA-2008/1 Beiheft
152 Jahresbericht 2007 des DAI
46
eine Treppe, die gegen den Uhrzeigersinn um einen mittleren rechteckigen
Pfeiler herumgeführt und ursprünglich direkt aus dem Narthex zu betreten
war. Gleichzeitig bestand auch ein unmittelbarer Zugang aus dem Naos. Der
Naos selbst war dreischiffig gegliedert. Die Stützenstellung bestand in der ersten Bauphase aus einer abwechselnden Folge von schweren oblongen Pfeilern
und aus Hausteinmaterial aufgemauerten Säulen.
In einer zweiten Bauphase, die in das 6. Jh. n. Chr. zu datieren ist, wurde
vor dem Westeingang ein Baptisterium angefügt (Abb. 48) und das Bodenniveau im Naos drastisch um ca. 0,65 m heraufgesetzt. Gleichzeitig wurden die
Stützenfolgen zu beiden Seiten des Naos-Mittelschiffs erneuert und durch
durchgehende Säulenreihen ersetzt. Bei den Säulen selbst handelt es sich um
47
Abu Mina/Kom al-‘Asayla (Philoxenite),
Kirche von Kom al-‘Asayla
Abb. 46
Bauphasen A und B (M. 1 : 250)
Abb. 47
Westapsis
Abb. 48
Baptisterium
48
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Kairo 153
sehr unterschiedliche Stücke, die sämtlich als Spolien von aufgegebenen älteren Bauten übernommen wurden.
Bemerkenswert ist das in der 2. Phase angefügte Baptisterium. Es handelt
sich um einen kleinen hufeisenförmigen Fastrundraum, der in der Mitte mit
einem außerordentlich kleinen Taufbecken versehen war. Letzteres hat einen
Durchmesser von 0,65 m und besaß einen geringfügig erhöhten Rand, ab
dessen Oberkante die Tiefe des Beckens 0,40 m betrug. Eine Vollimmersion von erwachsenen Neophyten war bei diesen Maßen nicht durchführbar.
Gleichwohl ist dieses Becken wie üblich mit einem Abflussrohr zu einer unterirdischen Sickergrube versehen, was den Zweck hat, eine Verunreinigung des
geweihten Taufwassers zu vermeiden. An der Bestimmung dieses Beckens als
Taufbecken kann daher kein Zweifel bestehen.
Kooperationspartner: Christlich-Archäologisches Seminar der Universität Bonn • Leitung des Projekts: P. Grossmann • Mitarbeiter: J. Ko°ciuk •
Abbildungsnachweis: P. Grossmann (Abb. 46–48).
Oase Siwa, Ammoneion
Die Grabungen am Ammoneion in der Oase Siwa wurden 1993/94 aufgenommen. Sie beinhalten die Erforschung der Archäologie, der Kultpraxis und des
politischen Raumes einer der berühmtesten Orakelstätten der Antike, an der
u. a. Alexander der Große seine Legitimierung als rechtmäßiger König Ägyptens empfing. Neben denkmalpflegerischen Maßnahmen zum Erhalt des absturzgefährdeten Orakeltempels liegt das Schwergewicht der Ausgrabungen
auf der Akropolis von Agh´rm¥ sowie im Bereich des rund vierhundert Meter
weiter südlich gelegenen Amun-/Totentempels (eines Oasenkönigs) von Umm
UbaydŒ. Sondagen in dem Bereich zwischen diesen beiden Stätten sollen Aufschluss über den sie verbindenden heiligen Prozessionsweg (dromos) und seine
Nebenanlagen erbringen.
Schwerpunkt der diesjährigen Frühjahrskampagne am Ammoneion in der
Oase Siwa war die Bergung der dekorierten Architekturtrümmer (Abb. 49)
des noch Ende des 19. Jhs. als Steinbruch genutzten Umm UbaydŒ-Tempels
(30. Dynastie) und deren Verbringung in das Grabungsmagazin, wo sie vor weiterem Vandalismus geschützt und einer Bearbeitung sowie konservatorischen
Behandlung unterzogen werden können. Es handelt sich dabei um Kalksteinund Alabaster-Monolithen von z. T. beträchtlichem Ausmaß und Gewicht (bis
zu 7 m lang; 2,5–10 t schwer). Sie bildeten ursprünglich Teile der Fassade, der
Abb. 49 Oase Siwa, Grabungsarbeiter
bergen einen dekorierten Alabasterblock
AA-2008/1 Beiheft
154 Jahresbericht 2007 des DAI
Abb. 50 Oase Siwa, Fassade und Teile des
Tempelhauses von Umm Ubaydā 1820 (von
Norden)
Querwände und Deckenkonstruktion des oberirdischen Bauwerks sowie der
unterirdischen Bestattungsanlage des Ammonier-Königs Wenamun.
Auch die Grabungstätigkeit blieb auf den Bereich von Umm UbaydŒ beschränkt. Dabei ging es um eine Klärung der Frage, ob sich näherer Aufschluss
zur recht ungewöhnlichen Gestalt des Eingangsbereiches des Tempelhauses und
zum Verlauf der Umfassungsmauer gewinnen lässt.
Tatsächlich ließen sich noch die untersten drei, aus großen Blöcken gefügten und auf einem Stylobat kleinerer Blöcke ruhenden Lagen der FassadenFundamentierung nachweisen, die in einen östlichen und westlichen Streifen
geteilt ist. Einen Pronaos, wie ihn die Eingangstür mit durchbrochenem Sturz
auf den ersten Blick nahelegt (Abb. 50), kann das Heiligtum nicht aufgewiesen
haben. Der hervorragend gearbeitete Reliefschmuck (Abb. 51) rechts und links
der Tür umfasste zwei (nachweisbare) Register, wobei das obere wenigstens
auf Höhe der Oberkante der Türenhohlkehle abschloss, so dass hier nicht wie
auf Agh´rm¥ eine niedere Pronaosmauer der etwas zurückversetzten Tempel-
Abb. 51 Oase Siwa, der Ammonier-König
Wenamun (mit Straußenfeder-Diadem)
opfert vor dem criocephalen Amun/Ammon
und der Göttin Mut/Hera. Von der Ostseite
des Eingangs (vgl. Abb. 50)
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Kairo 155
hausfassade vorgelegt war. Angesichts der Tatsache, dass das Tempelhaus von
Umm UbaydŒ breitenmäßig – gewiß nicht rein zufällig – in den Amasis-zeitlichen (6. Jh. v. Chr.) Orakeltempel auf Agh´rm¥ passt, sollte das weit prächtiger geschmückte und in einer erheblich weitläufigeren Anlage errichtete
Heiligtum der 30. Dynastie den Orakeltempel in den äußeren Dimensionen
wohl nicht übertreffen, womit hier (wie, aus anderen Gründen, schon dort)
eine echte Pronaosarchitektur ausgeschlossen blieb. Es stellt sich die Frage, ob
auf den ›ehrwürdigen‹ Orakeltempel nicht vielleicht auch hinsichtlich der
beiden markantesten Fassadenelemente Rücksicht genommen worden sein
könnte: die Tür mit durchbrochenem Sturz vor dem Tor in das Tempelhaus.
Bei Deckenbalken von rund 7 m Länge sowie z. T. 1,28 m und 1,06 m Querschnittsmaß erscheint es völlig im Bereich des Möglichen, dass ähnlich dimensionierte und in die Seitenwände eingebundene Monolithen die ›Pronaos‹-Tür
überspannten und als Türsturz ausgearbeitet gewesen sein könnten; darüber
und dazwischen aufgehendes Mauerwerk bildeten Fassade und monumentales,
›hinter‹ dem ›Pronaos‹ liegendes Eingangstor des Tempelhauses.
Der Verlauf der Umfassungsmauer südlich des Tempels ließ sich durch den
Fund einer mutmaßlichen (beraubten) Gründungsgrube unter der ehemaligen
Südostecke wahrscheinlich machen. Zwei Grabungsflächen deckten planierten Fels mit einer abgetieften Kante auf, deren Verlauf mit dem annehmbaren
Verlauf der Umfassungsmauer korrespondiert. In der mutmaßlichen Südostecke springt eine kleine rechteckige Felsfläche aus der Flucht vor und enthält
dort eine auf ca. eine halbe Elle (27 cm) bemessene quadratische Vertiefung
mit einer kleineren Ausnehmung auf dem Boden, worin man ursprünglich
eine Votivgabe annehmen darf.
Die Bearbeitung der in den vergangenen Kampagnen auf Agh´rm¥ gefundenen griechischen Votivstelen von Seiten der Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik des DAI, erbrachte interessante neue Aufschlüsse über das
Pantheon und die Verwaltungsorganisation des Ammoneion in hellenistischer
Zeit.
Kooperationspartner: Supreme Council of Antiquities • Leitung des
Projekts: K. P. Kuhlmann • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: B. Böhm,
A.-C. Escher, B. Fleischmann, S. Jansen, A. al-Tayyib, M. al-Tayyib sowie zeitweilig Ch. Schuler (AEK) • Abbildungsnachweis: DAI-KAI (Abb. 49. 51);
DAI-KAI, nach H. Freiherr von Minutoli, Reise zum Tempel des Jupiter
Ammon (1824) Taf. 7,1 (Abb. 50).
Maadi, Sinai
Im Rahmen des interdisziplinären Projekts zur Kupferversorgung Ägyptens
im 4. Jt. v. Chr. in Kooperation mit der Orient-Abteilung (s. auch S. 250–252)
sowie dem Deutschen Bergbau-Museum wurden in der prädynastischen Siedlung von Maadi Magnetometermessungen und Bohrungen durchgeführt, um
mögliche Werkplätze einer vermuteten Kupferverhüttung bzw. -verarbeitung
in der Siedlung zu lokalisieren. Die Arbeiten führten allerdings nicht zum gewünschten Erfolg, da oberflächlich nicht sichtbare Metallteile, offensichtlich
Überbleibsel der modernen Nutzung des Platzes als Militärlager und Sendestation, die Untersuchungsergebnisse stark beeinträchtigten.
Als weiterer Teil des Projekts fand eine Exkursion zu Kupferlagerstätten
und Verhüttungsplätzen auf dem westlichen und südlichen Sinai statt, bei der
verschiedene geologische und archäologische Fundorte besucht und Erz- und
Schlackeproben gesammelt wurden. Die Proben wurden anschließend von einem ägyptischen Geologen während eines Forschungsaufenthalts am Bergbaumuseum Bochum chemisch, mineralogisch und bleiisotopisch untersucht. Die
AA-2008/1 Beiheft
156 Jahresbericht 2007 des DAI
Untersuchungsergebnisse ergänzen eine bereits für das Wadi Arabah (Timna/
Feinan in Israel bzw. Jordanien) und für Kupferlagerstätten im nordwestlichen
Saudi-Arabien bestehende Datenbank, mit der archäologische Kupferobjekte
verglichen und Angaben zu deren Herkunft gewonnen werden können. Im
kommenden Jahr sollen weitere Kupfervorkommen im östlichen Sinai erkundet und die Untersuchungen auch auf die ägyptische Ostwüste ausgedehnt
werden.
Kooperationspartner: DAI, Orient-Abteilung (R. Eichmann, K. Pfeiffer);
Deutsches Bergbaumuseum Bochum (A. Hauptmann); University of Cairo,
Faculty of Science, Department of Geology (M. el-Aref, A. Abdelmotelib,
A. El-Manawi) • Leitung des Projekts auf ägyptischer Seite: U. Hartung •
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: A. Buszek, A.-C. Escher, R. Hartmann,
S. Pietrzak.
Wissenschaftliche Veranstaltungen und Öffentlichkeitsarbeit
An den Veranstaltungen der »Langen Nacht der Wissenschaften« am 9. Juni
in der Zentrale des DAI beteiligte sich die Abteilung mit einem Vortrag von
Dietrich Raue über die Grabungen auf Elephantine (s. hier S. 130–132).
Auf den Grabungen des Instituts, im Ägyptischen Museum Kairo und an verschiedenen antiken Stätten wurden zahlreiche Gruppen, Sponsoren und Einzelbesucher geführt, u. a. vom 20. bis 23. März Berthold Leibinger und Dieter
Fritsch vom Board der German University Cairo (Giza, Museum, Alexandria,
Alt Kairo), vom 27. bis 31. März Vizepräsident Herbert Matis und Mitglieder
der Österreichischen Akademie der Wissenschaften/Wien (Elephantine, Dra‘
Abu el-Naga, Abydos), am 11. April Botschafter Horst Freitag, Beauftragter
für Nah- und Mittelostpolitik des Auswärtigen Amts (Giza), am 8. Dezember
eine Delegation der Bundestagsfraktion der Grünen mit Fritz Kuhn, Jerzy
Montag sowie dem Referenten für Nahostfragen des Auswärtigen Amts René
Wildangel (Giza), am 10. November Ministerialdirigent Klaus Luther vom
Bundesministerium für Bildung und Forschung und Vertreter des Deutschen
Akademischen Austauschdienstes (Museum) und am 17. November Staatssekretär Georg Boomgarden vom Auswärtigen Amt (Giza).
Günter Dreyer, Ulrike Fauerbach, Daniel Polz und Dietrich Raue gaben
Rundfunk und Presse zahlreiche Interviews und betreuten verschiedene internationale Fernsehteams.
Veröffentlichungen
Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Abteilung Kairo 62,
2006
Sonderschrift des Deutschen Archäologischen Instituts, Abteilung Kairo 31:
D. Polz, Der Beginn des Neuen Reiches. Zur Vorgeschichte einer Zeitenwende
Festschriften zur 100-Jahrfeier der Abteilung Kairo
G. Dreyer – D. Polz (Hrsg.), Begegnung mit der Vergangenheit. 100 Jahre in
Ägypten. Deutsches Archäologisches Institut Kairo 1907–2007
W. Mayer – Ph. Speiser, Der Vergangenheit eine Zukunft. Denkmalpflege in
der Altstadt von Kairo 1973–2004 (Deutsch/Englisch)
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Kairo 157
D. Polz (Hrsg.), Für die Ewigkeit geschaffen. Die Särge des Imeni und der
Geheset
Katalog zur Sonderausstellung im Ägyptischen Museum:
U. Rummel (Hrsg.), Begegnung mit der Vergangenheit. 100 Jahre in Ägypten.
Deutsches Archäologisches Institut Kairo 1907–2007 (Deutsch/Englisch/
Arabisch)
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Istanbul
Abteilung Istanbul
Gümüşsuyu/Ayazpaşa Camii Sok. 46
TR-34437 İstanbul
Tel.: +90-(0)212-252 34 90, 244 07 14
Fax: +90-(0)212-252 34 91, 251 37 21
E-Mail: [email protected]
Direktoren
PD Dr. Felix Pirson, Erster Direktor
Dr.-Ing. Martin Bachmann, Wissenschaftlicher Direktor
Wissenschaftliche Mitarbeiter
Dr. Philipp Niewöhner, Dr. Richard Posamentir, PD Dr. Andreas Schachner,
Dr. Jürgen Seeher
Auslandsstipendiatin
Dr. Beate Böhlendorf-Arslan (ab 1. 3.)
Fortbildungsstipendiatin
Dr. Soi Agelidis (ab 1. 12.)
Wissenschaftliche Hilfskräfte
Işıl Işıklıkaya M. A., Ute Kelp M. A., Torsten Zimmer M. A.
Aus Drittmitteln finanzierte Stellen
Dr. Güler Ateş (DFG, ab 1. 4.), Dr. Ulrich Mania (DFG), Dipl.-Ing. Corinna Brückener
(DFG, 1. 11.), Dr. Ulf-Dietrich Schoop (DFG, bis 31. 8.)
Abteilung Istanbul 161
Ausgrabungen und Forschungen
Göbekli Tepe, südwestliche Hangkuppe
Abb. 1 Das Relief auf der Rückseite des
Pfeilerschafts zeigt eine Person in Frontalansicht. Die Arme erscheinen schräg und steif
vom Körper abgespreizt, auch die etwa bis
zum Kniebereich sichtbaren Beine sind in
breitbeinig starrer Haltung wiedergegeben
Abb. 2 Auf der linken Schaftseite des
zerstörten Pfeilers ist die Armbeuge, die
mit eingravierten Linien angegeben wurde,
erkennbar. Am Oberarm befindet sich ein
bandförmiger Fortsatz, der in dieser Art
bislang nicht beobachtet wurde und der
nicht gedeutet werden kann
1
AA-2008/1 Beiheft
Göbekli Tepe
Das frühneolithische Bergheiligtum von Göbekli Tepe liegt in der Südosttürkei, ca. 15 km nordöstlich der Stadt Urfa. Während der 13. Kampagne wurde
erstmals die südwestliche Hügelkuppe des Ruinenhügels in die Arbeiten einbezogen. Der Hauptzweck der neuen Grabungsschnitte liegt darin abzuklären,
ob die bisher festgestellte Schichtgliederung auch in diesem Hügelbereich ihre
Gültigkeit besitzt. Als Schicht I waren die Hangfußsedimente bestimmt worden, die infolge von landwirtschaftlicher Nutzung und Erosion der Hügelkuppen mehrere Meter Mächtigkeit erreichen können. Als Schicht II wurden die
rechteckigen Baubefunde bezeichnet, die in das 9. Jt. v. Chr. zu datieren sind.
Sie überlagern die monumentalen Kreisanlagen der Schicht III (10. Jt.v. Chr.)
mit bis zu 5 m hohen monolithischen T-Pfeilern, die mit einer Vielzahl verschiedenster Tierreliefs versehen sind.
Auf der südwestlichen Hügelkuppe selbst und am Osthang wurden mehr
oder weniger gut erhaltene T-Pfeiler der wesentlich kleineren Größe entdeckt,
wie sie für Schicht II mit einer durchschnittlichen Höhe von 1,50 m charakteristisch sind. Auch sind die Pfeiler wie erwartet in rechteckige Raumstrukturen eingebunden. Zwei der entdeckten Pfeiler zeigen auf den Breitseiten
der Pfeilerschäfte bandförmige Reliefs, die durch Vergleichsfunde als Arme zu
identifizieren sind und uns die T-Pfeiler eindeutig als stilisierte Menschendarstellungen zu erkennen geben.
Auf dem Westhang wurde eine ovale Baustruktur mit knapp 10 m Durchmesser und voraussichtlich 10 Pfeilern von der üblichen Höhe der Schicht II
teilweise freigelegt. Zwar ist die seit 1998 bekannte Anlage B im Durchmesser
kaum größer, doch erreichen die Pfeiler der Anlage B mit bis zu 4 m Höhe
monumentale Dimensionen. Es handelt sich bei der neu entdeckten Anlage
somit um eine in dieser Kombination – kleine T-Pfeiler in ovaler Anlage –
neue Befundlage, deren Schichteinbindung und Datierung noch nicht festgelegt werden kann.
Ein weiterer Sachverhalt vermehrt die Unterschiede zwischen der neu
gefundenen ovalen Anlage und den Strukturen der Schicht II: Zwei der vier
angetroffenen Pfeiler besitzen neben der Darstellung von Armen figürliche
Reliefs, wie ein nicht näher bestimmbares vierfüßiges Tier. An einem zerbrochenen Pfeilerschaft konnte eine neue Variante der bereits mehrfach belegten
›Stola‹ beobachtet werden. Auf dessen Schaftrückseite ist eine Person in Frontalansicht abgebildet (Abb. 1). Ursprünglich über dieser Person positioniert
war ein weiterer nur 10 cm langer Vierfüßler, wahrscheinlich ein Hund. Dies
2
162 Jahresbericht 2007 des DAI
Abb. 3 Göbekli Tepe, nordwestliche
Senke. Hier war im geomagnetischen
Bild nur eine große Kreisanlage sichtbar.
Mit Hilfe von Georadar wurden nun drei
kleeblattförmig gruppierte Kreisanlagen
sicher lokalisiert
wäre eine bisher einmalige Darstellung von Mensch und Hund. Ein anderer
Pfeiler, wiederum mit Armzeichnung (Abb. 2), zeigt im ›Brustbereich‹ ein
schon mehrfach an dieser Stelle beobachtetes V-förmiges Motiv.
Im alten Grabungsgebiet der Südsenke wurde ein bereits in den Vorjahren
entdeckter Architekturbefund nordwestlich von Anlage D weiter untersucht,
der einen rechteckigen, nach Südosten orientierten Raum mit zwei sich gegenüberstehenden Pfeilern beinhaltet, von denen einer die ›Stola‹ aufweist.
Angesichts der schon bekannten Befundlage der Schicht II mit dem Löwenpfeilergebäude und einem sich südlich anschließenden weiteren ›Vierpfeilerraum‹ kann mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden,
dass auch das beschriebene Pfeilerpaar im Westen im bislang nicht geöffneten
Nachbarareal eine ›Spiegelung‹ erfahren wird.
Die in den Vorjahren unternommenen geophysikalischen Kartierungen
konnten durch Detailuntersuchungen mit Georadar in der nordöstlichen und
der südwestlichen Senke ergänzt und die Ergebnisse in wesentlichen Punkten
erweitert werden (Abb. 3). Auch die 2005 begonnene 3D-Dokumentation
der reliefierten Pfeiler mittels Laserscanning wurde in diesem Jahr fortgesetzt,
ebenso die Untersuchung der Tierknochen. Als erwähnenswertestes Detailergebnis ist hier die Bestimmung eines weiteren Leopardenknochens anzuführen, denn Großkatzen erscheinen in der Archaeofauna von jungsteinzeitlichen
Plätzen auffällig selten.
Da insbesondere die Kreisanlagen der Schicht III, aber auch große Flächen
der jüngeren Schicht II längst nicht vollständig ergraben sind, wird auch in
Zukunft ein Schwerpunkt der Arbeiten in ihrer Freilegung liegen. Neben der
Feldforschung wird derzeit damit begonnen, das Gelände des Göbekli Tepe als
Archäologie-Park zu gestalten.
Kooperationspartner: Museum in Şanlıurfa • Förderung: DFG; ArchaeNova e.V. Heidelberg • Leitung des Projekts: K. Schmidt (Orient-Abteilung)
• Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: A. Achterberg, C. Becker, T. Carter,
L. Dietrich, O. Dietrich, R. Gerst, A. Grubert, Chr. Haas, Chr. Hübner, F. Jarecki, Ç. Köksal-Schmidt,T. Müller, A. Murgan, J. Notroff, J. Peters, M. Schaller,
J. Schlichting, B. Seitz, M. Strubel, J.Thomalsky, A. von den Driesch, J.Wagner,
F. Weigel; E.Yılmaz, N. Atalan (Vertreter der Generaldirektion für Altertümer
in Ankara) • Abbildungsnachweis: K. Schmidt (Abb. 1–3).
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Istanbul 163
Abb. 4 Boğazköy-Expedition, Çamlıbel
Tarlası von Westen. Die geringe Größe, die
Höhe über dem Talgrund und die Lage in
einiger Entfernung von der Hauptebene
sind typisch für frühe Fundorte in Nordanatolien. Im Hintergrund ist Yerkapı zu sehen
AA-2008/1 Beiheft
Boğazköy-Expedition
Traditionell verfolgt die Boğazköy-Expedition das Ziel, die kulturgeschichtliche Entwicklung der Siedlungskammer um die hethitische Hauptstadt ïattuša
in Zentralanatolien in ihrer gesamten Tiefe zu erforschen. Dank des großzügigen Entgegenkommens der türkischen Antikenverwaltung war es möglich,
diesem Ziel mit Ausgrabungen an dem etwa 1,5 km westlich der hethitischen
Stadt gelegenen prähistorischen Siedlungsplatz Çamlıbel Tarlası neue Impulse
zu verleihen.
I. Çamlıbel Tarlası: Über die vorgeschichtlichen Epochen des Gebietes, das
später zum Zentrum des hethitischen Reiches werden sollte, wissen wir bisher
noch sehr wenig. Einiges deutet auf eine Kulturentwicklung hin, die sich von
jener der umgebenden Gebiete sehr unterscheidet. Eine wichtige Rolle muss
dabei das Vegetationskleid gespielt haben, denn die Region war damals stark
bewaldet. Die großen offenen Flächen, die andernorts typisch sind, gibt es hier
nicht. Noch fehlen uns aber weitgehend Informationen zur Chronologie, zur
Wirtschaftsweise und zur antiken Umwelt. Aus diesem Grund wurde dieses
Jahr als Teilprojekt der Boğazköy-Expedition des DAI ein neues Ausgrabungsprojekt begonnen, das die nähere Untersuchung eines Platzes annähernd aus
der Zeit der Aufsiedlung des Gebietes zum Ziel hat. Was bewog die Menschen
dazu, in dieses Waldgebiet einzudringen? Wie überlebten sie in der vergleichsweise schwierigen Umgebung?
Der Fundplatz Çamlıbel Tarlası, etwa 2 km westlich von Boğazköy gelegen, wurde ausgewählt, weil er sehr typisch für diese Zeit und gleichzeitig
der besterhaltene Fundplatz in der Umgebung der Hethiterhauptstadt zu sein
schien. Es handelt sich um einen Weiler, der auf einem kleinen Plateau in
einem Seitental der Budaközü-Ebene liegt (Abb. 4). Die Eigenschaften der
Keramik deuten eine Datierung in das frühe 6. Jt. v. Chr. an, was Çamlıbel
Tarlası zu einem Zeitgenossen von Çatalhöyük West und Hacılar im Süden
164 Jahresbericht 2007 des DAI
der Türkei machen würde. Die Gewinnung erster früher Radiokarbondaten
für das Gebiet, die chronologische Sicherheit bringen werden, ist eines der
Projektziele.
Die Ausgrabungen dieses Jahres haben gezeigt, dass es in Çamlıbel Tarlası
zwei Siedlungsepisoden gab. Zwischen diesen lag ein längerer Zeitraum, innerhalb dessen der Platz verlassen war. Interessanterweise unterscheidet sich
die Bauweise der beiden Siedlungsschichten, während andere Funde zeigen,
dass die Menschen, die hier wohnten, der gleichen Tradition, vielleicht sogar
der gleichen Gemeinschaft angehörten.
Die Häuser der älteren Siedlungsschicht sind weitgehend quadratisch (ca.
5 m × 5 m). Die Grundmauern aus Lehm stehen direkt auf dem gewachsenen
Boden. Bisher ist der erforschte Ausschnitt noch recht klein. Es scheint aber, als
sei die Bebauung recht eng gewesen; mehrere Räume teilen sich sogar gemeinsame Wände. Auf den Fußböden wurden die Reste von großen Kuppelöfen
nachgewiesen; unter den Böden lagen mehrere Kinderbestattungen in großen
Keramikkrügen (s. AA 2008/1, 150). Die zerfallenen Reste des aufgehenden
Mauerwerks deckten diese Befunde ab und haben offenbar für einige Zeit die
Geländeoberfläche gebildet.
Die folgenden Baureste weisen keinen Bezug zu den älteren auf. Als Erstes
ist eine Terrassenmauer entlang der Hangkontur errichtet worden. Vor dieser
lagen zwei lang gestreckte Gebäude (6 m × 7 m) mit Mauersockeln aus Stein
(Abb. 5), eines von diesen ist verbrannt. Oberhalb der Terrassenmauer fand
sich ein weiterer Bau mit einem Pflaster aus großen Steinplatten. Die Siedlung scheint zu dieser Zeit von einer Mauer umgeben gewesen zu sein, deren
Verlauf noch weiter untersucht werden muss.
Die Keramik beider Siedlungen ist sich recht ähnlich, nur in der jüngeren
wurden Reste von ritzverzierten Gefäßen mit komplexen Rauten- und Hakenmotiven gefunden. Einige Scherben deuten Verbindungen in den Westen der
Türkei an. Unter den Steinwerkzeugen ist eine Serie langer Silexklingen mit
Kantenretusche und starkem ›Sichelglanz‹. Es scheint sich um nicht-lokale
Erzeugnisse zu handeln, die Çamlıbel Tarlası durch Handel erreicht haben.
Eine geringe Menge von Obsidianwerkzeugen muss ihren Weg aus Kappadokien, die Schale einer Kamm-Muschel sogar von der Mittelmeerküste, in das
Landesinnere gefunden haben. Trotz der geringen Ausdehnung der Siedlung
scheint Çamlıbel Tarlası recht gute Außenbeziehungen gepflegt zu haben, auch
wenn die Objekte durch viele unterschiedliche Hände gegangen sein mögen.
Außerdem trat eine Reihe von Objekten aus geschliffenem Stein zutage.
Unerwartet war der Fund einer Reihe von Objekten aus Kupfer oder einer Legierung (Nadeln, Spitzen und Draht), aber noch erstaunlicher die Entdeckung durchaus umfangreicher Schlackereste. Der Ort ihrer Erzeugung ist
noch nicht lokalisiert worden.
In Hinblick auf eine Rekonstruktion der ökonomischen Rahmenbedingungen ist die Gewinnung umfangreicher Tierknochenreste wichtig. Als ein
Glücksfall haben sich auch die günstigen Erhaltungsbedingungen für botanische Reste erwiesen, denn Untersuchungen zur prähistorischen Feldwirtschaft fehlen für dieses Gebiet bisher vollkommen. Die Ergebnisse der ersten
Grabungskampagne in Çamlıbel Tarlası haben das Potential dieses Platzes klar
erkennen lassen; er wird uns hoffentlich ein äußerst vielschichtiges Bild zu den
ersten Phasen menschlicher Aktivitäten im Norden Anatoliens liefern.
II. Boğazköy-ïattuša: Langfristiges Ziel der in der hethitischen Hauptstadt
Boğazköy-ïattuša laufenden Arbeiten ist es, die einzelnen in der Stadt isoliert
stehenden Ausgrabungsbereiche miteinander zu verknüpfen, um so einen Gesamteindruck der urbanen Struktur zu erreichen. Neben Ausgrabungen, die
Abb. 5 Boğazköy-Expedition, Çamlıbel
Tarlası. Im Vordergrund sind die gebogene
Terrassenmauer und eines der großen
Steingebäude der jüngeren Siedlungsepisode zu sehen. Im Hintergrund sind die
Reste der älteren Lehmarchitektur sichtbar
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Istanbul 165
Abb. 6 Boğazköy-Hattuša, das Tal vor dem
˘
Felsmassiv von Sarıkale mit der zentralen
Grabungsfläche
Abb. 7 Boğazköy-Hattuša, Tal vor Sarıkale.
˘
Fragment einer hethitischen
Tierfigurine
(Ziege) mit roter Bemalung (M. 1 : 2)
AA-2008/1 Beiheft
sich wie in den Vorjahren auf das Tal westlich von Sarıkale konzentriert haben,
unterstützen Surveys und geophysikalische Prospektionen dieses Ziel.
Bei dem derzeitigen Stand der Arbeiten im Tal vor Sarıkale wird deutlich
(Abb. 6), dass dieser Stadtbereich um ca. 1400 v. Chr. nicht nur grundlegend
umgestaltet wurde, sondern auch seit dieser Zeit der Hang unterhalb des Felsens in eine umfassende Planung einbezogen war. Hangseitig wurden Reste
monumentaler Architektur freigelegt, die zurzeit die Rekonstruktion einer
großflächigen Terrassierung erlauben. In der Talsenke konnten nunmehr drei
große, regelmäßige Gebäude nachgewiesen werden, die entlang rechtwinklig
angelegter Gassen liegen. Die Gebäude weisen zahlreiche Erneuerungsphasen
auf, die darauf zurückzuführen sind, dass ein Abwasserkanal unter einer der
Gassen mehrfach geplatzt ist. Im Laufe der Lebensdauer der Gebäude, die aufgrund der Funde auf wenig mehr als ein Jahrhundert zu schätzen ist, ist diese
Siedlungsfläche durch die andauernde Sedimentation um bis zu einen Meter
angewachsen. In den eingeschwemmten Schichten wurden erneut mehrere
bemerkenswerte Kleinfunde gemacht, die Rückschlüsse auf die Bedeutung des
Areals zulassen (Abb. 7; s. AA 2008/1, 126–129). Eine vergleichsweise deutliche
Veränderung der Topographie wurde bisher weder in der Stadt noch an einem
anderen Fundort beobachtet. Sie vermittelt jedoch einen Eindruck von deren
wechselvoller Entwicklung.
An verschiedenen Stellen wurde unter das Niveau der beschriebenen
Schicht gegraben und parallel zu den bereits 2003–2005 untersuchten Quadratgebäuden ein weiteres Bauwerk etwa zur Hälfte freigelegt (Abb. 8). Bemerkenswert ist, dass sich auch für diese älteste Bauschicht ein regelmäßiges Gassensystem erkennen lässt. Gleichzeitig weist das neu gefundene Gebäude, das in
einen von Osten zur Senke nach Westen abfallenden Hang eingetieft wurde, die
gleichen modulierten Grundrissformen auf wie die beiden Quadratgebäude.
166 Jahresbericht 2007 des DAI
Abb. 8 Boğazköy-Hattuša, Tal vor Sarıkale.
˘
Reste eines Gebäudes der ältesten hethitischen Schicht in der zentralen Grabungsfläche
Es wird somit bereits für diese älteste Schicht, die in das 16. Jh. v. Chr. datiert,
eine vorgeplante Struktur erkennbar.
Weitere Forschungen konzentrierten sich auf Yenicekale (Abb. 9). Dieser
mit großformatigen Quaderblöcken umbaute Felsen ist einer von mehreren
sehr markanten, hoch gelegenen Punkten in der Stadt, die mit monumentaler
Architektur bebaut sind. Durch die Untersuchungen konnten Probleme des
Grundrisses und des Aufweges geklärt werden. Geoelektrische Messungen im
Umfeld zeigen, dass dieses exponierte Bauwerk in ein umfassend gestaltetes
Stadtareal eingebunden war.
Sowohl innerhalb der Stadt als auch nordöstlich von ihr, zwischen Büyükkale und dem Heiligtum von Yazılıkaya, wurden die geophysikalischen Prospektionen intensiv fortgesetzt. In der Oberstadt wurden Lücken zwischen Sarıkale und dem südlich gelegenen Tempelviertel geschlossen. In der Unterstadt
konzentrierten sich die Arbeiten auf die Bereiche südlich der ausgegrabenen
Areale bis zur Poternenmauer und auf einen Bereich nördlich der modernen
Straße. An beiden Stellen konnte zum Teil ausgedehnte monumentale Architektur festgestellt werden. Bemerkenswert ist die Klärung des Anschlusses der
Abschnittsmauer an die Poternenmauer.
Von besonderer Bedeutung für das Verständnis von ïattuša als altorientalische Großstadt sind die Ergebnisse der geophysikalischen Untersuchungen
in deren nördlichem Umfeld. Hier konnten in der Umgebung der in den
1960er Jahren untersuchten Nekropole von Osmankayası mindestens drei
regelmäßige große Bauwerke nachgewiesen werden, während in einer Senke
nordöstlich von Büyükkale zahlreiche unterschiedlich strukturierte Bauten
liegen. Solche mit relativ breiten Mauern und regelmäßigen Grundrissformen
gehören der hethitischen Zeit an, wohingegen unregelmäßige und kleinteilig
strukturierte Bauten wahrscheinlich eher der byzantinischen Epoche zuzuweisen sind. Beide Perioden sind durch Keramikfunde an der Oberfläche belegt.
Die Fortführung der Arbeiten im Osten ermöglichte – neben der Ortung von
verschiedenen Bauwerken – vor allem den Nachweis von zwei WasserreserAA-2008/1 Beiheft
Abteilung Istanbul 167
Abb. 9 Boğazköy-Hattuša, Yenicekale. Die
˘
hethitische Bauanlage von Yenicekale nach
den Ausgrabungen
AA-2008/1 Beiheft
voiren westlich von Yazılıkaya, die den Abfluss von den Hängen der östlichen
Begrenzung des Tales sammeln. Diese vorläufigen Ergebnisse zeigen, dass das
unmittelbare Umland der hethitischen Stadt intensiv und für verschiedenste
Funktionen genutzt wurde. Es wird so erstmals erkennbar, dass die Stadt in ein
aktiv gestaltetes Umfeld eingebettet war.
Kooperationspartner – Çamlıbel Tarlası: University of Edinburgh, Edinburgh • Leitung des Teilprojekts: U.-D. Schoop • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: Y. Özarslan, E. Schoop, Chr.Winkelmann • Abbildungsnachweis:
Archiv der Boğazköy-Expedition (Abb. 4. 5).
Kooperationspartner – Boğazköy-ïattuša: Generaldirektion für Kulturdenkmäler und Museen des Kultur- und Tourismusministeriums der Republik Türkei, Abteilung für Ausgrabungen und Museen; Generaldirektion für
Kulturdenkmäler und Museen des Kultur- und Tourismusministeriums der
Republik Türkei, Direktion für Denkmalschutz und Baudokumentation
in der Region Ankara; Akademie der Wissenschaften und Literatur Mainz,
Kommission für den Alten Orient; Institut für Altorientalistik der Bayerischen Julius-Maximilians-Universität Würzburg; Institut für Vorderasiatische
Altertumskunde der Westfälischen-Wilhelms-Universtität Münster; Institut
für Vorderasiatische Archäologie der Ludwig-Maximilians-Universität München; Institut für Geowissenschaften der Christian-Albrechts-Universität zu
Kiel; School of History, Classics and Archaeology, University of Edinburgh,
Edinburgh • Förderung: Japan Tobacco International-Türkiye (Arbeiten im
Gelände); Brennan Foundation (Fortführung der Arbeiten auf dem Plateau
unterhalb des zentralen Tempelviertels) • Leitung des Projekts: A. Schachner
• Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: U. Schoop (Leitung der Ausgrabungen in
Çamlıbel Tarlası), G. Wilhelm (Bearbeitung der Keilschrifttafeln), S. Herbordt
(Bearbeitung der Siegel- und Bullaefunde); R. Dittmann (Innenstadtsurvey);
für eine vollständige Liste der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen s. auch den
Vorbericht im AA 2008/1, 133–161 • Abbildungsnachweis: Archiv der
Boğazköy-Expedition (Abb. 6–9).
168 Jahresbericht 2007 des DAI
Milet
Die Miletgrabung setzte ihr Programm zur Erforschung des archaischen Milet
fort und konzentrierte sich damit weiterhin auf die Glanzzeit der ostionischen
Metropole an der Westküste der Türkei.
Die Hauptaktivität lag in dieser Kampagne bei den Grabungsarbeiten in
zwei archaischen Heiligtümern: dem Heiligtum der Aphrodite mit dem Beinamen ›von Oikus‹ und dem Heiligtum der Artemis, die hier an ihrem inschriftlich gesicherten Kultort den Beinamen ›Khitone‹ trug, ein Beiname, der in
seiner ionischen Form auf den Chiton – das bekannte griechische Kleidungsstück – anspielt.
Das Heiligtum der Aphrodite, das in der Nähe des in der antiken Literatur
erwähnten milesischen Vororts Oikus und außerhalb der Stadtmauern lag,
wird von dem alexandrinischen Dichter Theokrit erwähnt und gehört nach
den bisher dort durchgeführten Grabungen und Forschungen zu den großen
Aphroditeheiligtümern der antiken Welt. Die diesjährigen Grabungsarbeiten
erstreckten sich auf drei Bereiche des Hügels (heute Zeytintepe), auf dem das
Heiligtum lag, und untersuchten das südwestliche Ende der Westterrasse sowie
die anschließende Hügelkante. Dabei stellte sich heraus, dass auch hier noch
Weihgaben niedergelegt worden sind, wie z. B ein unterlebensgroßes marmornes Korenköpfchen mit Schleier (Abb. 10). Überraschend war die Freilegung von Mauerresten aus dem 4. Jh. v. Chr., die eine späte Nutzungsphase
des Heiligtums belegen, bei der wohl aufgrund der in den Fels eingetieften
Becken (Abb. 11) die landwirtschaftliche Produktion eine Rolle spielte. Eine
Abb. 10 Milet, Aphroditeheiligtum.
Marmorköpfchen aus der Zeit um
550–540 v. Chr.
Abb. 11 Milet, Aphroditeheiligtum. Reste
einer Presse aus dem 4. Jh. v. Chr.
Flächengrabung auf der Hügelspitze führte zur vollständigen Freilegung der
Felsoberfläche und zur Dokumentation der Standspuren des 494 v. Chr. von
den Persern zerstörten spätarchaischen Tempels. Der dritte Grabungsbereich
lag an den nordöstlichen sowie östlichen Hügelkanten, wo eine Vielzahl von
Weihgaben des 7. Jhs. v. Chr. geborgen werden konnte (Abb. 12).
Im Heiligtum der Artemis Khitone, die nach den schriftlichen Quellen
zu den ältesten der im ionischen Milet verehrten Göttinnen gehörte, wurde
unmittelbar nordöstlich des spätarchaischen Tempels eine im späten 8. Jh.
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Istanbul 169
Abb. 12 Milet, Aphroditeheiligtum.
Weibliche dädalische Figur, 3. Viertel des
7. Jhs. v. Chr. (M. 1 : 1)
entstandene Raumeinheit ausgegraben. Diese besteht aus einem oberen, quer
liegenden und einem unteren, an den Hang gebauten Raum, dessen Bodenniveau um 3 m tiefer liegt. Der obere Raum verfügt über eine nach Süden offene
Front, der eine Herdstelle gegenüberliegt, und einen im Norden abgetrennten
schmalen Raum. Der untere Raum hat die für einen spätgeometrischen Bau
ungewöhnliche Größe von 5,25 m × 3,85 m und ist mit einer Mauerhöhe
von 2,55 m bis unmittelbar unter das Dach erhalten. Um die Spannweite des
Daches zu verringern, waren vier durch Löcher im Boden verankerte Stützen
eingezogen. Der Bau steht isoliert da und ist nicht in einen Wohnverband
eingebunden, wie man es bei einem normalen Haus erwarten würde. Er ist
in unmittelbarer Nähe des spätarchaischen Tempels errichtet und so über die
Hangkante hinaus gebaut, dass er von der im Norden liegenden archaischen
Stadt prominent gesehen werden konnte. Eine öffentliche oder sakrale Funktion kann also vermutet werden.
Weitere Aktivitäten in Milet betreffen die jetzt im zweiten Jahr durchgeführten Grabungsarbeiten in der byzantinischen Friedhofsbasilika (s. S. 169 f.),
ferner die Fortsetzung der Bau- und Skulpturenuntersuchungen in den Faustina-Thermen (s. hier S. 21 f.) sowie die Fortführung der Bauaufnahmen im
Heiligtum des Apollon Delphinios. Über diese wissenschaftlich eigenständigen
Projekte wird von den Projektleitern an anderer Stelle berichtet.
Kooperationspartner: Ermitage St. Petersburg (S. Solovyov); Österreichisches Archäologisches Institut (M. Kerschner) • Zusammenarbeit mit der
Zentrale des DAI (O. Dally, Faustina-Thermen) und den Abteilungen Istanbul (Ph. Niewöhner, Basilikagrabung) und Athen (W.-D. Niemeier, Projekt
Athenatempel) des DAI • Förderung: DFG; Ruhr-Universität Bochum •
Leitung des Projekts: V. von Graeve • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen:
K. Akıncı, I. Blum, I. A. Panteleon, S. Solovyov, R. Stoyanov (Grabung Aphroditeheiligtum), M. Kerschner, A. Vacek, A. Yaşar (Grabung Artemisheiligtum),
A. Herda, E. Sauter, M. Taschner (Delphinionprojekt) • Abbildungsnachweis:
Archiv der Miletgrabung (Abb. 10–12).
Milet, byzantinische Friedhofskirche
In byzantinischer Zeit baute man in Milet neue Befestigungsanlagen und aus
der ausgedehnten antiken Polis wurde ein enges Kastron. Außerhalb dieser
›Festungsstadt‹ wurde bereits 2003 bei der geomagnetischen Kartierung einer
Nekropole eine große Friedhofskirche entdeckt und danach auch geoelektrisch vermessen. In diesem Jahr herrschte in Milet große Trockenheit, so
dass der Grundwasserspiegel nicht wie sonst auf frühbyzantinischem, sondern
auf archaischem Niveau lag. Diese Gelegenheit wurde genutzt, um tiefer zu
graben und eine Menge an stratigraphischen Informationen zu gewinnen, die
in normalen Jahren unter Wasser verborgen sind. So wissen wir jetzt, dass die
Friedhofskirche erst nach dem Ende der Regierungszeit Justinians († 565)
gebaut wurde, also in einer Zeit, die man ansonsten eher mit dem Niedergang
des anatolischen Städtewesens verbindet.
Es stellte sich heraus, dass die Kirche auf einer älteren Platzanlage steht.
Diese könnte ursprünglich als Markt gedient und mit einem benachbarten
Hafen in Verbindung gestanden haben. Möglicherweise verlor der Platz seine
merkantile Funktion, weil der Hafen versandete. Jedenfalls begann man noch
vor dem Bau der Kirche damit, auf dem Platz und in benachbarten Gebäuden
Gräber anzulegen. Der Bereich wurde Teil der Nekropole, die weiter landeinwärts schon lange bestand.
Eines dieser Gräber scheint besondere Verehrung genossen zu haben und
könnte der Anlass für den Bau der Friedhofskirche gewesen sein. Es erhielt eine
AA-2008/1 Beiheft
170 Jahresbericht 2007 des DAI
Milet, byzantinische Friedhofskirche
Abb. 13
Fragment einer Schrankenplatte
Abb. 14
Atrium
Bemalter Wandverputz aus dem
Abb. 15 Eine von zahlreichen Tonlampen,
die sich bei einem Grabbau fanden und
darauf schließen lassen könnten, dass dort
ein Martyrion verehrt wurde
13
14
15
repräsentative architektonische Fassung mit prächtigen Mosaiken, Schrankenanlagen (Abb. 13) und Fresken (Abb. 14). Unter dem kirchenzeitlichen Fußboden fanden sich über hundert Lampen, viele von ihnen kaum benutzt und unzerstört (Abb. 15). Vielleicht handelt es sich um Votive, die bei dem verehrten
Grab deponiert worden waren.
Mit dem Bau der Kirche wurde schließlich auch die ältere Platzanlage rehabilitiert. Soweit sie nicht überbaut war, diente sie nun als südlicher Vorplatz
von Kirche sowie Grab und erhielt zu diesem Zweck eine neue Portikus. Das
Ensemble aus Grab, Friedhofskirche und Platzanlage ist typisch für Martyria,
Gedächtniskirchen mit besonderem Publikumsaufkommen. Auch für Milet berichtet eine Inschrift von der Existenz eines solchen Martyrion für einen
nicht sicher zu identifizierenden Heiligen namens Onesippos oder Onesimos.
Möglicherweise handelt es sich also bei der Friedhofskirche um eben dieses
Martyrion.
Kooperationspartner: E. Erkul, H. Stümpel (Institut für Geowissenschaften,
Abteilung Geophysik der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel) • Förderung: Gerda Henkel Stiftung • Leitung des Projekts: Ph. Niewöhner (Teilprojekt im Rahmen der Miletgrabung) • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen:
S. Giese (Dokumentation), J. Becker, A. Christe, I. Hassler, H. Möller (Fundbearbeitung) • Abbildungsnachweis: Ph. Niewöhner (Abb. 13–15).
Didyma
Das bedeutende Apollon-Orakelheiligtum von Didyma liegt unweit von Milet an der Westküste der Türkei nahe dem Grenzverlauf der antiken Landschaften Ionien und Karien. Es besaß bereits in archaischer Zeit überregionale
Bedeutung. Die laufenden Projekte beziehen sich auf die HeiligtumstopograAA-2008/1 Beiheft
Abteilung Istanbul 171
Abb. 16 Didyma, Fundamenttrasse
der archaischen Hallen südlich des sog.
jüngeren Didymaion
phie und -baugeschichte im 7.–5. Jh. v. Chr. Die weiteren Schwerpunkte bilden die Tempelkonservierung und -konsolidierung sowie die bronzezeitliche
Besiedlung der nah gelegenen Insel Tavşan Adası.
Der imposante didymäische Apollontempel ist außergewöhnlich tief fundamentiert, was einen erheblichen Eingriff in die Landschaft bedeutete. Die
damit verbundenen Aufschüttungsarbeiten und Planierungen auf rund 170 m
Länge haben im 4. Jh. v. Chr. die topographische Situation im Kernheiligtum
schlagartig verändert. Daher galt es, im Rahmen der Untersuchungen zur
räumlichen Planung und Ausdehnung des Orakelheiligtums in archaischer
Zeit (6. Jh. v. Chr.), unberührt gebliebene Bereiche am Rande des sog. jüngeren Didymaion zu sondieren.
An der Südseite des Tempels, am Südrand der Überprüfungssondage A
(Abb. 16), liegt in der Flucht der Südwesthallenrückwand ein langer Raub-
Abb. 17 Didyma, Hallenantefix aus dem
6. Jh. v. Chr. (M. 1 : 5)
graben, aus dem zahlreiche verbrannte archaische Dachziegel (darunter der bemalte Stirnziegel Abb. 17) und Lehmziegelschutt stammen. Der Graben steht
im Zusammenhang mit dem Steinraub einer archaischen Stoarückwand, der
in spätklassischer/frühhellenistischer Zeit stattgefunden haben muss.
Die benachbarte Überprüfungssondage B (Abb. 16) wird durch einen
Geländeeinbruch markiert, der sich sowohl unter dem Treppenfundament
des jüngeren Didymaion als auch an der Absenkung eines aus drei Kalksteinschichten bestehenden 2 m langen Fundamentrestes manifestiert. Dieser liegt
sehr genau auf der Trasse des Raubgrabens von Sondage A in östlicher Verlängerung. Die Länge dieser über Sondage A und B hinausreichenden Fundamenttrassenführung spricht zugunsten einer Hallenrückwand, die der Ausrichtung der Südwesthalle folgt. Daher liegt es nahe, an aneinander gereihte,
höhenabgestufte, archaische Hallenbauten zu denken, die von West nach Ost
das südliche Heiligtum begrenzten und uns so über die archaische Heiligtumsgestaltung ein ganz neues Bild vermitteln.
Im Rahmen desselben Projekts wurden die geophysikalischen Untersuchungen (Georadar) der Fa. Eastern Atlas unter dem 2- und 12-Säulensaal des
jüngeren Didymaion zum Abschluss gebracht. Hier konnten neue wichtige
Anhaltspunkte zur ursprünglichen Geländemorphologie gewonnen werden,
die im untersuchten Bereich einen noch anstehenden Felsrücken mit Abarbeitungsspuren ergaben. Ihre noch ausstehende, letztgültige Auswertung wird
im Zusammenhang mit der Dokumentation der dem archaischen ›Tempel II‹
zuzuweisenden Architekturglieder erfolgen (s. auch hier S. 22–24).
AA-2008/1 Beiheft
172 Jahresbericht 2007 des DAI
Die Untersuchungen auf der Didyma nahe gelegenen Insel ›Tavşan Adası‹
(= TA) gewinnt zunehmend an Bedeutung (s. AA 2007/2, 263). Dank der klaren Abfolge der bronzezeitlichen Schichten, die unmittelbar unter dem Humus
anstehen, und der Erweiterung der untersuchten Areale konnten für die Phase
TA 4 (MM III/SM IA: spätes 17. Jh. – Anfang 16. Jh. v. Chr.) Magazinräume
und Teile der ursprünglich mit dem Festland verbundenen Straße freigelegt
werden (Abb. 18).Von Interesse ist die Tatsache, dass im archäologischen Material anatolische Elemente fast vollständig fehlen, wogegen minoische Keramik
stark vertreten ist. Für die Periode TA 3 (MM I–II: 1. Hälfte des 19.–18. Jhs.
v. Chr.) ließen sich mindestens zwei Bauphasen sowie Hinweise auf Lehmziegelarchitektur und verputzte Wände festhalten (Abb. 19). Auch sind Kamares-Scherben und das Tassen- und Schalenspektrum mit Funden der älteren
Palastzeit auf Kreta zu verbinden. Der Nachweis von kykladischem Import in
der darunter liegenden Schicht der Phase TA 2 (EBA II–III) deutet auf einen
Siedlungsplatz hin, der im späteren 3. Jt. v. Chr. in ein weit gespanntes Kommu-
Abb. 18 Didyma, Tavşan Adası. Grundrisse
der Magazinräume aus dem späten 17. bis
frühen 16. Jh. v. Chr. (M. 1 : 250)
Abb. 19 Didyma, Grundriss eines Raumes
aus mittelminoischer Zeit (19.–18. Jh.
v. Chr.). Große Teile des Hauses sind in das
Meer abgestürzt
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Istanbul 173
Abb. 20 Didyma, südlicher Labyrintheingang im 2-Säulensaal des sog. jüngeren
Didymaion (4. Jh. v. Chr.). Geschmiedetes
Eisentor (nach dem Entwurf des Architekten
J. Eichorn)
AA-2008/1 Beiheft
nikationsnetzwerk eingebunden war. Mehrere Scherbenfunde der Phase TA I
zeugen schließlich von einer ersten, spätchalkolithisch-frühbronzezeitlichen
Besiedlung der Insel (frühes 3. Jt. v. Chr.).
Wie in den vergangenen Jahren lag einer der Schwerpunkte der Kampagne
auf Tempelkonsolidierungs- und Konservierungsmaßnahmen. Diese galten der
Abschlusssanierung der Ostwand des 12-Säulensaales, der Nordlaibung der
großen Erscheinungstür sowie dem südliche Labyrintheingang, der mit einem
geschmiedeten Eisentor (Abb. 20) – in reversibler Technik – verschlossen wurde, um Vandalismus vorzubeugen.
Leitung des Projekts: A. Furtwängler • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen:
F. Bertemes (Leitung der Untersuchungen auf Tavşan Adası), D. Mauermann
(Didyma, Hallensondagen), A. Slawisch, U. Weber (Fundbearbeitung und
-restaurierung), U. Dirschedl (Aufarbeitung der Architekturteile des archaischen Tempels), J. Eichhorn (Architektur und Vermessung), Ch. Kronewirth
(Steinrestaurierung) • Abbildungsnachweis: Archiv der Didymagrabung (Abb.
16–20).
Priene
Priene liegt am Fuße des Mykale-Gebirges nördlich von Milet an der Westküste der Türkei. Die Stadt wurde im 4. Jh. v. Chr. mit einem gleichmäßig
rechtwinkligen Straßenraster (›Hippodamisches System‹) in dem Mündungsgebiet des Mäander als Nachfolgerin einer frühgriechischen Siedlung angelegt,
deren Lage bis jetzt nicht feststeht.
Von grundsätzlicher Bedeutung für die Fortsetzung der wissenschaftlichen
Arbeit in Priene war die Fertigstellung eines neuen Depotbaus nach langjährigen Planungs- und Bauarbeiten. Ein Schwerpunkt der diesjährigen Arbeitskampagne lag beim Heiligtum der ägyptischen Götter. In der im Vorjahr bereits teilweise ergrabenen mittelalterlichen Nekropole wurden weitere Gräber
festgestellt, aber die wichtigsten Fortschritte waren in der Frage der Entwicklung des Heiligtums zu erzielen. Eine vorläufige Auswertung des Fundmaterials aus Baugruben und Auffüllschichten bestätigte die Annahme einer Datierung des zentralen Podiumtempels in das 1. Jh. v. Chr. Davon ist deutlich eine
ältere Terrassierung des 3. Jhs. v. Chr. zu unterscheiden. Etwa zu dieser Zeit
war – wie besonders die in diesem Jahr durchgeführten Bauuntersuchungen
ergaben – der nördliche Teil des Areals und das westlich anschließende Gelände
von einer Reihe großer Häuser im Prostasschema besetzt, wie sie in der ›Ausbauphase‹ Prienes im 3. Jh. v. Chr. häufiger vorkommen. Der später zu einer
ebenen Terrasse aufgefüllte Hang wies zu dieser Zeit noch (mindestens) eine
architektonisch gestaltete Abstufung zur Talseite auf. Ob diese Prostashäuser,
deren Grundriss im Kern dem eines Antentempels entspricht, zur Frühphase
des Heiligtums gehören oder dieser vorausgehen, steht noch nicht fest. Um
ein anschauliches Bild von der Architektur des Podiumtempels herzustellen,
wurden mehrere Sockelorthostaten an ihrem ursprünglichen Ort angebracht
und Lücken im Mauerwerk ausgefüllt (Abb. 21).
Am Fuße der nördlich des Wohngebietes innerhalb der Stadtmauern steil
ansteigenden Felsen konnte mit der Untersuchung einer Zone begonnen werden, in der mehrere weitgehend natürlich belassene Kultplätze zu vermuten
sind. Die ersten Grabungsschnitte wurden unterhalb zweier in den Felsen gehauener Nischen angesetzt (Abb. 22) und in der Tat fanden sich dort als einzige
signifikante Funde Teile mehrerer Kybelestatuetten aus Terrakotta (Abb. 23),
die den Kultplatz als Heiligtum dieser Göttin oder Teil eines solchen ausweisen. Eine zusätzliche Sondage unter einer weiteren Felsnische unterhalb des
Demeterheiligtums förderte bis jetzt zwar noch kein ähnlich eindeutiges Indiz
174 Jahresbericht 2007 des DAI
21
22
für die dort verehrte Gottheit zutage, dafür aber Baureste, die eine architektonische Fassung dieses Areals bezeugen.
Im Rahmen des Forschungsclusters 3 »Politische Räume« des DAI wurden
verschiedene spät- und nachantike Baukomplexe erstmalig eingehend untersucht, woraus sich teils erhebliche Korrekturen am bisherigen Bild der Stadt
im genannten Zeitraum ergaben. Dies gilt einmal für den Bereich des spätbyzantinischen Kastells östlich der Agora, das – wie sich jetzt zeigte – über einer
wohl spätkaiserzeitlichen Badeanlage errichtet wurde. Zwischen ihrer Nutzungszeit und der Kastellphase liegen Baumaßnahmen, die eine repräsentative
Gestaltung des gesamten Komplexes bezeugen, aber im Detail noch nicht interpretiert werden können. Sehr überraschend war die Identifizierung von einigen offensichtlich nachantiken Ruinen im Osten außerhalb der Stadtmauer als
christliche Sakralbauten, darunter eine dreischiffige Basilika, und nicht weniger unerwartet war der Nachweis massiver Gebäude, wohl militärischen Charakters, auf dem innerhalb der Stadtbefestigung liegenden Gipfelplateau der
Teloneia.
Förderung: DFG; Theodor Wiegand Gesellschaft e. V.; Vereinigung von
Freunden und Förderern der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt
a. M. (Errichtung des Depotbaus) • Leitung des Projekts: W. Raeck (Grabungsleitung, Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt a. M.), W. Koenigs (Technische Universität München) • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen:
M. Dirschlmayer, N. Fenn, J. Fildhuth, A. Filges, B. Gossel-Raeck, L. Heinze,
A. Hennemeyer, A. von Kienlin, U. Mandel, F. Rumscheid, J. Rumscheid,
U. Ruppe, Z. Yılmaz • Abbildungsnachweis: Archiv der Prienegrabung
(Abb. 21–23).
23
Priene
Abb. 21 Restaurierungsarbeiten am
Tempel der ägyptischen Götter
Abb. 22
Neu entdecktes Kybeleheiligtum
Abb. 23 Priene, Terrakottastatuette
einer thronenden Kybele aus dem neu
entdeckten Heiligtum (M. 1 : 5)
Pergamon
Die antike Metropole Pergamon liegt am Rande eines Flusstales unweit der
Küste der türkischen Ägäis. Der Zugang zum Meer erfolgte in ca. 26 km Entfernung über die Hafenstadt Elaia. Den Forschungen deutscher Archäologen
seit 1878 verdanken wir unsere gute Kenntnis der städtebaulichen Grundstruktur, einzelner Stadtquartiere und zahlreicher öffentlicher Monumente der
Stadt. Große Wissenslücken bestehen hingegen immer noch auf dem Gebiet
des urbanen Gesamtorganismus, d. h. der Gliederung der Stadt durch Straßensystem und Gebäudeensembles, ihrer Besiedlungsdichte und ihrer Abgrenzung
bzw. Öffnung zum Umland. Seit 2005 wird diesen dringenden Desideraten
durch ein neues Forschungsprogramm begegnet, das auch zwei Projekte im
Umland der Metropole umfasst.
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Istanbul 175
Abb. 24 Pergamon, CAD-Modell des
oberen Burgbergs
Abb. 25 Pergamon, hellenistischer
Tonstempel zur Herstellung von Applikenkeramik (M. 1 : 1)
AA-2008/1 Beiheft
Als erstes Ergebnis der Neuvermessung des Burgbergs kann in diesem
Jahr ein 3D-Modell des oberen Burgbergs präsentiert werden (Abb. 24). Der
archäologische Survey und die geophysikalischen Prospektionen am bislang
unerforschten Südostabhang haben das völlig neue Bild vom Straßensystem
der großen hellenistischen Stadterweiterung des 2. Jhs. v. Chr. weiter bestätigt.
Erstmals können nun auch Angaben zur anzunehmenden Größe der insulae
(Häuserblöcke) gemacht werden. Mit ca. 35 m × 45 m sind sie nicht eben
großzügig bemessen, doch ermöglichten diese Maße eine flexible Erschließung des schwierigen Terrains. Grabungsschnitte haben weitere Einblicke in
die Gestaltung der Straßen und in die angrenzende Bebauung geliefert. Dass
dabei auch aufschlussreiche Fundstücke zutage kamen, illustriert der hier abgebildete hellenistische Formstempel (Abb. 25), der auf Töpfergewerbe innerhalb der Stadtmauer schließen lässt.
Geländebegehungen und geophysikalische Prospektionen im Bereich der
hellenistischen Vorstadt haben bereits im Vorjahr gezeigt, dass im Umfeld der
großen suburbanen Monumente wie dem Asklepieion oder den Grabhügeln
mit weiteren antiken Bauten zu rechnen ist. Bei einer gemeinsam mit dem
Museum Bergama in diesem Frühjahr unmittelbar vor dem südöstlichen Stadtmauerabschnitt durchgeführten Ausgrabung wurden Reste hellenistischer
Bebauung unterhalb eines römischen Friedhofes freigelegt. Die eigentliche
Überraschung war jedoch die Entdeckung von mehreren Grabbauten und
insgesamt 29 Bestattungen aus der römischen Kaiserzeit (Abb. 26). Diese Neu-
176 Jahresbericht 2007 des DAI
Abb. 26 Pergamon, Grabbau in der neu
entdeckten Nekropole der römischen
Kaiserzeit
funde tragen wesentlich zu unserem bisher noch ganz lückenhaften Wissen
über Sepulkralarchitektur und Bestattungssitten in Pergamon bei.
Im Rahmen des Projekts zur Erforschung der visuellen und funktionalen
Gestaltung des hellenistischen Gymnasions konnte anhand von Grabungen
und Bauuntersuchungen nachgewiesen werden, dass die für das Erscheinungsbild der Stadt so bedeutende Anlage bereits in hellenistischer Zeit Planänderungen und Umbauphasen durchlief.
Die Arbeiten im Umland von Pergamon konzentrierten sich wieder auf
das westliche Tal des Kaikos (Bakır Çay) mit dem antiken Atarneus sowie auf
Elaia, den Haupthafen Pergamons. Dort hat die Untersuchung des bei Geländebegehungen gesammelten Fundmaterials ergeben, dass die Besiedlung des
Platzes bis in das 3. Jt. v. Chr. zurückreicht. Kern der Siedlung war der Akropolishügel. Erst in der hellenistischen Epoche (3.–1. Jh. v. Chr.) dehnte sich die
Siedlungsfläche deutlich aus. Dies geschah ganz offenkundig unter dem Einfluss Pergamons, das die Stadt zu einem gut befestigten maritimen Satelliten
machte, der militärische, wirtschaftliche und kommunikationstechnische Auf-
Abb. 27 Umland von Pergamon, Elaia.
Baureste (Molen?) im Flachwasser
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Istanbul 177
Abb. 28 Umland von Pergamon, Elaia.
Vorläufiger Übersichtsplan des Stadtgebietes und der verschiedenen Häfen
(M. 1 : 25 000)
AA-2008/1 Beiheft
gaben für die Metropole übernahm. Von wesentlichem Interesse war dabei
der Zugang zum Meer. Diesen Eindruck erwecken jedenfalls die Reste sehr
ausgedehnter Hafenanlagen (Molen?), die in diesem Jahr auf einer Fläche von
ca. 1 km × 2 km mit Hilfe lokaler Fischer im Flachwasser entdeckt wurden
(Abb. 27. 28). Sollte sich die Datierung dieser Anlagen in hellenistische Zeit
bestätigen, dann würden sie ein völlig neues Licht auf die Rolle Pergamons
als Seemacht werfen.
In Atarneus bestätigte sich hingegen das Bild einer in spätklassischer und
frühhellenistischer Zeit bedeutenden Polis, die das frühe Pergamon an Größe
deutlich übertraf. Insbesondere Keramikfunde zeigen aber auch, wie die Stadt
unter dem Einfluss der erstarkenden Metropole ab hochhellenistischer Zeit
spürbar an Bedeutung verlor. Für unsere Kenntnis des Verhältnisses zwischen
alten Poleis und neuen Königsstädten im Hellenismus sind die Befunde aus
Elaia und Atarneus von großer Bedeutung, weil sie zwei gegensätzliche Entwicklungsmodelle vertreten.
Kooperationspartner: Generaldirektion für Kulturdenkmäler und Museen
des Kultur- und Tourismusministeriums der Republik Türkei; DFG-Schwerpunktprogramm 1209 »Die hellenistische Polis als Lebensform. Urbane Strukturen und bürgerliche Identität zwischen Tradition und Wandel«; Ankara Üniversitesi, Başkent Meslek Yüksekokulu, Restorasyon ve Konservasyon Programı;
Archäologisches Institut der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg; Geodätisches Institut der Universität Karlsruhe; Historisches Seminar der Abteilung
für Alte Geschichte der Ludwig-Maximilians-Universität München; Institut
für Geomatik der Hochschule Karlsruhe; Institut für Geowissenschaften der
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel; Institut für Strahlenphysik der Uni-
178 Jahresbericht 2007 des DAI
versität Bonn; Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik des DAI;
Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: F. Pirson • Mitarbeiter:
R. von den Hoff (Leitung DFG-Projekt Gymnasion), M. Zimmermann (Leitung DFG-Projekt Atarneus – Chora von Pergamon) (für eine vollständige Liste der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen s. auch den Vorbericht im AA 2008/2)
• Abbildungsnachweis: CAD-Modell, S. Rolfes (Abb. 24); Archiv der Pergamongrabung (Abb. 25–28).
Pergamon, Konservierungsprojekt Rote Halle
Die Restaurierungsarbeiten in der Roten Halle – eine der größten römischen
Bauanlagen in Kleinasien – richteten sich wieder auf den südöstlichen Bereich
der großen Anlage mit dem Rundturm. Hier war im Vorjahr südlich des Turmes ein neues Depotgebäude errichtet worden. Die diesjährigen Arbeiten konzentrierten sich nun auf den Innenraum des Turmes und dessen Westfassade.
Nach letzten Fertigstellungen am Depot, die vor allem die Anbringung eines
vom Schlosser vorgefertigten Fassadensystems aus Stahllamellen beinhalteten
(Abb. 29), war dieses bereit für die Aufnahme eines umfangreichen Lapidariums. Bislang hatte sich diese Sammlung von Bau- und Skulpturteilen unter
denkbar schlechten konservatorischen Bedingungen im Inneren des Turmes
befunden und war mit der übergroßen Belastung des antiken Bodens mitverantwortlich für dessen schlechten Erhaltungszustand. Die Umlagerung der
Funde nahm viel Zeit in Anspruch, da für die Bewegung der schweren Marmorfragmente aufwendige Hilfskonstruktionen erforderlich waren. Doch nun
ist es gelungen, den umfangreichen Bestand aus Steinfragmenten, der in Jahrzehnten archäologischer Arbeit in der Roten Halle angesammelt worden war,
unter sachgerechten konservatorischen Bedingungen und in einer Systematik
einzulagern, die seine wissenschaftliche Zugänglichkeit erheblich erleichtern
wird (Abb. 30). Nach vollständiger Ausräumung und Reinigung des Turminnenraumes konnte der Bodenbereich mit seinen wichtigen antiken Befunden
einer gründlichen Dokumentation unterzogen werden. Anschließend wurde
über dem empfindlichen antiken Gewölbe eine neue Bodenebene als Stahlkonstruktion eingebracht. Diese trägt eine dünne Betonplatte mit geschliffener
Oberfläche, die über dem originalen Boden zu schweben scheint und doch
hohe Lasten zu tragen vermag (Abb. 31). Auf diese Weise kann der einzigartige
Kuppelraum in seiner Wirkung erstmals für Besucher begehbar und erfahrbar gemacht werden. Ausgesuchte Fundstücke aus dem Lapidarium kehrten
29
Pergamon, Rote Halle
Abb. 29 Das fertig gestellte Depotgebäude mit der Lamellenfassade von
Nordosten, rechts im Anschluss der südliche
Rundturm
Abb. 30 Das Innere des neuen Depotgebäudes mit den eingeräumten Schwerlastregalen nach Umlagerung der Fundstücke
30
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Istanbul 179
31
Pergamon, Rote Halle
Abb. 31 Die neue Bodenkonstruktion im Inneren des Rundturmes
mit der geschliffenen Betonoberfläche
Abb. 32 Der südliche Rundturm von Westen mit dem rekonstruierten Bogen über der nun durch Stahllamellen geschlossenen
Öffnung
32
bereits in das Innere des Turmes zurück und können nun in musealer Weise
präsentiert werden.
Der dritte Schwerpunkt der Arbeiten lag bei der Westfassade des Rundturmes, deren große Öffnung sich ebenso in prekärem Zustand befunden hatte.
Der ausgebrochene Bogen war im 19. Jh. mit einer Ersatzkonstruktion geschlossen worden, die ihrerseits schon wieder baufällig geworden war und überdies
dem antiken Vorgänger in keiner Hinsicht entsprach. Sie wurde entfernt und
durch eine Rekonstruktion des antiken Bogens mit den originalen Ziegelmaßen ersetzt. Diese Ziegel waren eigens für diese Maßnahme in einer Keramikmanufaktur in Merzifon (Schwarzmeerregion) handgefertigt worden. Nach
Abschluss der Maurerarbeiten wurde die große Öffnung unter dem Bogen
mit einer Stahllamellenkonstruktion geschlossen (Abb. 32). Diese dient als Einbruchssicherung und sorgt für einen gleichmäßigen, gedämpften Lichteinfall.
So dominiert im Inneren des Raumes wieder – wie in der Antike – der direkte
Lichteinfall durch die große, kreisrunde Öffnung im Scheitel der römischen
Kuppel.
Neben den Arbeiten am Rundturm wurden die Restaurierungsmaßnahmen an der großen Stützwand, welche die Bauterrasse der Roten Halle zum
Flussufer des Selinus hin abfängt, fortgesetzt. Hier konnte der das neue Depotgebäude abschließende Abschnitt fertig gestellt werden.
Schließlich wurden die Restaurierungsarbeiten an den Fragmenten der großen Marmorstützfiguren aus den Seitenhöfen der Roten Halle mit kleineren
Maßnahmen fortgeführt.
Kooperationspartner: Ingenieurgruppe Bauen, Karlsruhe • Förderung:
Studiosus-Foundation e. V.; Kulturstiftung der deutsch-türkischen Wirtschaft
• Leitung des Projekts: M. Bachmann, F. Pirson • Mitarbeiter: J. Steiner,
S. Yalcın, C. Kronewirth • Abbildungsnachweis: Archiv der Pergamongrabung (Abb. 29–32).
AA-2008/1 Beiheft
180 Jahresbericht 2007 des DAI
Aizanoi
Aizanoi, das moderne Çavdarhisar (Provinz Kütahya), in ca. 250 km Entfernung von der türkischen Westküste am Übergang zum anatolischen Hochland
gelegen, beherbergt die Ruine des am besten erhaltenen antiken Tempels der
Türkei, des Zeus-Tempels aus dem späten 1. Jh. n. Chr. (Abb. 33). Er gehört zu
einer griechisch-römischen Stadt an beiden Ufern des Flusses Penkalas, die zwischen dem 2. Jh. v. Chr. und dem 3./4. Jh. n. Chr. ausgebaut und besiedelt wurde. Die jüngere spätbyzantinische Siedlung war durch eine Festung gesichert.
In den vergangenen Jahren stand die Erforschung der Urbanistik und der
gut erhaltenen Gebäude der römischen Stadt im Mittelpunkt der Forschungen.
In diesem Jahr konnten im Rahmen dessen die Untersuchung des TheaterStadion-Komplexes abgeschlossen und Maßnahmen zur Sicherung der Ruine
unternommen werden. Es handelt sich um eine aufwendige architektonische
Kombination eines Theaters mit einem Stadion, dessen Anlage im 1. Jh. n. Chr.
am Rande der Stadt mit prachtvollen Schaufassaden (Abb. 34) das wachsende
Bedürfnis nach Durchführung großer städtischer Feste dokumentiert. Zugleich
Abb. 33 Aizanoi, Zeus-Tempel mit
Tempelplateau und diesjährigen Sondagen
von Süden
Abb. 34 Aizanoi, Theater-Stadion. Rekonstruktion der Theaterfassade zum Stadion
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Istanbul 181
Abb. 35 Aizanoi, Bodenradarmessungen
am Südrand des Tempelplateaus und der
byzantinischen Befestigung (M. 1 : 2000)
36
37
Aizanoi
Abb. 36 Spätbyzantinische Siedlungsreste
innerhalb der Festung (Sondage 1)
Abb. 37 Inschrift einer Ehrenstatuenbasis
des 2./3. Jhs. n. Chr.
AA-2008/1 Beiheft
begann in diesem Jahr ein neues Arbeitsprogramm. Ausgangspunkt sind dabei
die schon früher punktuell zutage getretenen Reste der frühbronzezeitlichen
(4. Jt. v. Chr.) und vorrömisch-hellenistischen (5.–1. Jh. v. Chr.) Siedlung. Diese
bilden den Kern des erst neuerdings identifizierten Siedlungshügels unter dem
Plateau des Zeus-Tempels (Abb. 33). Durch gezielte Ausgrabungen sollen in
den kommenden Jahren diese unzureichend erforschten Epochen der Stadtgeschichte untersucht werden. Da Aizanoi wohl seit dem 2. Jh. v. Chr. unter
Einfluss aus Pergamon auch von makedonischen Siedlern bewohnt wurde, sind
aufschlussreiche Ergebnisse zur kulturellen Prägung einer Kleinstadt im Hinterland des stark hellenisierten Westen Kleinasiens zu erwarten. Die Gestaltung
des urbanen Raumes mit Wohnbebauung und öffentlichen Plätzen sowie das
Verhältnis der Siedlung zu den Sakralanlagen an ihrem Westrand stehen im
Zentrum des Interesses. Zudem ist eine Untersuchung der prähistorischen und
früheisenzeitlichen Siedlungsschichten vorgesehen.
Die Arbeiten der diesjährigen Kampagne bereiteten dieses neue Programm
durch geophysikalische Untersuchungen vor (Abb. 35), die im kommenden
Jahr fortgesetzt werden sollen. Erste Indizien ergaben sich dadurch für die Klärung der Siedlungsgrenzen Aizanois, denn von einer Befestigung fehlt bislang
jede Spur. Messungen am Tempelplateau zeigen, dass die westliche Grenze
antiker Besiedlung etwa in der Mitte der Südmauer des Tempelhofes anzunehmen ist. Ein bislang unbekannter Rechteckturm der mittelalterlichen Festung,
die den römischen Tempelhofmauern aufsitzt, wurde dabei entdeckt. In drei
Grabungsschnitten (Abb. 33. 36) konnte am Südrand der mittelalterlichen Festung die mindestens dreiphasige spätantik-byzantinische Siedlung untersucht
werden, die die antike Stadt überbaute. In den frühesten Phasen dieser Besiedlung wurden zum Bau der Häuser antike Spolien in größerer Zahl verwendet,
so die Basis einer Ehrenstatue des 2./3. Jhs. n. Chr. (Abb. 37) und Fragmente
kaiserzeitlicher Marmorstatuen. Nach einer Siedlungsunterbrechung folgte
die spätbyzantinische Siedlung. Ihr Verhältnis zur byzantinischen Festung wird
in Zukunft zu klären sein. Häuser mit größeren Räumen wurden in ihrer
späteren Phase durch kleinteiligere Strukturen ersetzt (Abb. 36). Während der
letzten Siedlungsphase wohl im 11./12. Jh. lagerte sich in der Festung in bereits
ruinöse Häuser ein Handwerkerbetrieb ein.
Unter den spätantik-byzantinischen Siedlungsresten liegen römische und
vorrömische Befunde. Überraschend war die Freilegung der Reste einer kreis-
182 Jahresbericht 2007 des DAI
förmigen Brunnenanlage (?). Bei der Errichtung des Tempelhofes im späteren
1. Jh. n. Chr. zerstört, bezeugt sie den prächtigen Ausbau des Areals bereits vor
dem Neubau des Zeus-Tempels. Dies wird im kommenden Jahr weiter untersucht werden.
Kooperationspartner: Archäologisches Institut der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg; Lehrstuhl für Baugeschichte der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus • Leitung des Projekts: K. Rheidt (Cottbus),
R. von den Hoff (Freiburg) • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: E. Baylan,
E. Kasubke, N. Möller, C. Rohn, S. Seiler, B. Sielhorst, H. Türk, C. Wilkening
• Abbildungsnachweis: Aizanoigrabung (Abb. 33–37).
Oinoanda
Nach einer längeren Zäsur konnten in diesem Jahr die über viele Jahrzehnte
betriebenen Forschungen in der antiken Stadt Oinoanda im Rahmen eines
neuen Kooperationsprojekts unter Leitung des DAI wieder aufgenommen
werden. Schon im 19. Jh. hatten sich die archäologischen Untersuchungen
in der lykischen Bergsiedlung (Abb. 38), die sich etwa 80 km nordöstlich von
Fethiye im Landesinneren befindet, auf deren außerordentlich reiche Inschriftenfunde gerichtet. Im Zentrum der älteren Untersuchungen, die vor allem
vom British Institute at Ankara betrieben wurden, stand neben der gesamten
Stadtanlage insbesondere die bereits im 19. Jh. entdeckte Inschrift des Philosophen Diogenes von Oinoanda. Der Epikureer hatte hier im 2. Jh. n. Chr, das
als Blütezeit von Oinoanda gelten muss, sein geistiges Vermächtnis hinterlassen.
Die Inschrift, die als längste der antiken Welt gilt, bedeckte einst die Quader
einer großen Stoa an zentraler Stelle im Stadtgebiet, wurde nach der Aufgabe
dieses Gebäudes jedoch schon in der Spätantike mit den wiederverwendeten
Steinen über das gesamte Stadtgebiet verteilt (Abb. 39). Mehr als die Hälfte
der Fragmente konnte bislang gefunden und damit weite Teile des philosophischen Textinhaltes erschlossen werden. Trotzdem gibt es noch viele offene
Fragen zum Inhalt der Inschrift, besonders aber zu ihrem architektonischen
Abb. 38 Oinoanda, Überblick über das
Stadtgebiet von Süden. Im Vordergrund
Reste eines Aquädukts, der auf einen gut
erhaltenen Stadtmauerabschnitt zuläuft;
dahinter erstreckt sich das Ruinengelände
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Istanbul 183
39
Oinoanda, Inschrift des Diogenes
Abb. 39 In einer Türwange verbaute
Fragmente im nordwestlichen Stadtgebiet
Abb. 40 Neu entdecktes Fragment (YF
199), das in einer Mauer verbaut war
Abb. 41 Oinoanda, Ergebnisse der
Messungen mit dem Laserscanner auf einer
Probefläche der ›Esplanade‹. Oben das
Punktwolkenmodell, in der Mitte das von
der Vegetation bereinigte Gelände und
unten das erzeugte Oberflächenmodell
AA-2008/1 Beiheft
40
Kontext und zur Rolle der Stoa sowie der Inschrift im Stadtgefüge und in der
Stadtentwicklung von Oinoanda.
Auf diese Fragen, aber auch auf eine ganzheitliche Neuuntersuchung des
großen Stadtgebietes mit Hilfe moderner Methoden richtet sich das neue Forschungsprojekt, das in diesem Jahr mit einer kurzen Vorkampagne begonnen
wurde. In deren Verlauf wurde die Situation der Fundstücke im Gelände eruiert, die sich dabei als außerordentlich unübersichtlich darstellte, denn die Ruinen sind stark überwachsen und immer wieder durch Raubgrabungen verändert worden. Neben vielen der bekannten Stücke konnten bei dieser Bestandsaufnahme auch fünf neue Fragmente der Diogenes-Inschrift entdeckt werden
(Abb. 40).
Eine zweite Untersuchung richtete sich auf den mutmaßlichen Standort
der Stoa, die sog. Esplanade, wie der zentrale Platz von den französischen Entdeckern im 19. Jh. genannt wurde. Die Reste der Gebäude, die diesen Platz
rahmten, können nur schwer dokumentiert werden, da es sich um ein sehr ausgedehntes und dicht bewaldetes Gelände handelt. Hier wurde auf einer Teilfläche mit dem Laserscanner gemessen, um die Eignung dieser Methode für
die Dokumentationsarbeiten zu überprüfen. Die Ergebnisse auf dem Probefeld
zeigen, dass sich die Bebauungsreste nach virtueller Entfernung des Bewuchses
im dreidimensionalen Modell sehr genau abzeichnen (Abb. 41). In den kommenden Untersuchungen sollen die Messungen mit dem Laserscanner daher
auf das gesamte Gebiet der ›Esplanade‹ und der sie umgebenden Bebauung
ausgedehnt werden. Die Ergebnisse werden als Grundlage einer verformungsgetreuen Bauaufnahme und eines dreidimensionalen Rekonstruktionsmodells
der antiken Bebauung dienen.
Gleichzeitig sollen die weit verteilten Fragmente der Diogenes–Inschrift
genau kartiert und anschließend mit dem Streifenlichtscanner dokumentiert
werden, um einen einheitlichen und umfassenden Dokumentationsstand zu erhalten, der die epigraphischen und architektonischen Informationen gleichermaßen berücksichtigt. Diese Arbeiten werden in eine dreidimensionale Rekonstruktion der gesamten Inschrift einfließen.
Kooperationspartner: Universität zu Köln (J. Hammerstaedt); Hacettepe
Üniversitesi Ankara (V. Köse); British Institute at Ankara (N. Milner); M. Ferguson Smith; Fa. SEMA Ankara • Förderung: Universität zu Köln • Leitung
des Projekts: M. Bachmann • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: P. Baumeister (Survey), E. İlter, V. İnan, G. Aras (Laserscanning) • Abbildungsnachweis:
Oinoandasurvey, DAI, Abteilung Istanbul (Abb. 38–41).
184 Jahresbericht 2007 des DAI
Anazarbos
Die antike Stadt Anazarbos (Abb. 42) liegt neben und auf einem über 220 m
hohen, schroffen Ausläufer des Taurusgebirges inmitten der fruchtbaren Çukurova-Ebene, ca. 60 km nordöstlich der heutigen Provinzhauptstadt Adana. Ziel
der dort durchgeführten Surveyunternehmung war es, nicht nur eine nahezu
unbekannte Großstadt des römischen Ostens zu untersuchen, sondern vor allem die urbanistische Entwicklung des Stadtorganismus über die verschiedenen Epochen hinweg (3. Jh. v. Chr. – 14. Jh. n. Chr.; danach nicht mehr überbaut) zu verfolgen und diese Veränderungen historisch zu interpretieren.
Da von Anfang an geplant war, in diesem Jahr die vorerst letzte Surveykampagne in Anazarbos durchzuführen, stand die Fertigstellung begonnener
Arbeiten im Vordergrund: Dies betraf z. B. die schwierige Vermessung der ausgedehnten, nachantiken Burganlagen (Abb. 43) und die zeitintensive Oberflächenfundanalyse. Bei der geophysikalischen Prospektion war stets klar gewesen,
dass die lückenlose Untersuchung des gesamten Stadtgebietes nicht zu erreichen sein würde; deswegen wurden zumindest repräsentative Ausschnitte der
verbleibenden Areale ausgewählt.Vor allem stand aber die nochmalige Untersuchung einzelner Monumente (spätantikes Bogenmonument, Säulenstraße,
Apostelkirche und besonders der ›Arabische Mauerring‹; Abb. 44) unter z. T.
sehr speziellen Fragestellungen auf dem Arbeitsprogramm.
Bereits in der ersten Kampagne 2004 war eine genaue Aufnahme des über
3 km langen und mit 80 rechteckigen Türmen bestückten ›Arabischen Mauerringes‹ (bestehend aus Hauptmauer mit sehr eng gesetzten Rechtecktürmen,
Vormauer mit Vorlagern und befestigtem Wassergraben) erfolgt, wodurch verblüffende Ähnlichkeiten mit den theodosianischen Landmauern von Konstantinopel offensichtlich geworden waren. Zudem war immer aufgefallen, dass so
gut wie die gesamte antike Stadt als Steinmaterial in den Spoliensockel dieser
Abb. 42 Anazarbos, Blick auf den
Burgfelsen und das Stadtgebiet von
Westen. Im Vordergrund Reste der
monumentalen, kaiserzeitlichen Säulenstraße
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Istanbul 185
43
Anazarbos
Abb. 43 Armenische Sperrmauer des 12. Jhs. auf dem südlichen
Plateau des Burgfelsens, die eine Fortsetzung der (byzantinischen?)
Ringmauer aus der Ebene überbaut
Abb. 44 Verlauf der ›Arabischen Stadtmauer‹ im Norden mit Hauptmauer (links; die Rechtecktürme wurden sämtlich bis auf die Fundamente abgetragen), Vormauer samt Vorlagern und befestigtem
Graben
44
Abb. 45 Anazarbos, kaiserzeitliches
Bauglied mit Löwenkopfwasserspeier aus
dem Graben der Ringmauer (ehemals in der
Vormauer verbaut)
AA-2008/1 Beiheft
Befestigungsanlage gewandert war und nur drei Gebäude innerhalb des Mauerringes verschont blieben: Es handelt sich dabei um zwei Kirchen und ein spätantikes Bogenmonument mit zahlreichen christlichen Symbolen; alle anderen
(wie etwa das Theater) wurden vollständig abgeräumt. Aus diesen Gründen bot
es sich an, die Mauer noch einmal einer genauen Prüfung zu unterziehen und
auf diagnostisches Material im gemörtelten Mauerkern hin zu untersuchen –
wobei keiner der Funde eine Datierung nach dem 6. Jh. n. Chr. zwingend notwendig gemacht hätte. Außerdem deutete die Entdeckung eines Steines mit
hervorstehendem Kreuzzeichen an, dass die Mauer tatsächlich – zumindest in
ihrer Konzeption – noch in byzantinische Zeit gehören könnte.
Gleichzeitig mit der Begehung der Befestigungsmauern wurde die Kartierung und Bestimmung der antiken und spätantiken Architekturglieder (Abb.
45) noch einmal intensiviert, um auch auf diesem Wege Anhaltspunkte für die
historische Entwicklung der Stadt zu gewinnen. So zeigt sich relativ deutlich,
dass jene beiden Perioden, die schriftlichen Quellen zufolge zu den Blütezeiten von Anazarbos gehört haben müssen (2./3. Jh. n. Chr. bzw. 5./6. Jh. n. Chr.),
auch bei den bestimmbaren Architekturgliedern zahlenmäßig überproportional stark vertreten sind. Einige wenige Werkstücke des 1. Jhs. n. Chr. sowie des
4. Jhs. n. Chr. runden dieses Bild ab, wobei die späteren Phasen 7.–11. Jh. nahezu überhaupt nicht vertreten sind. Dies ist um so bemerkenswerter, als die riesige Befestigungsanlage – sollte sie aus der arabischen Periode stammen – damit
eine ansonsten völlig leere oder nur mit Zelten oder Lehmziegelhütten bestandene Fläche geschützt hätte, was wenig wahrscheinlich anmutet.
Aus mehreren Gründen wurde in diesem Jahr auch das weitere Umland in
die Arbeiten einbezogen. Erstens bieten zahlreiche armenische Burgen in geringer Entfernung (Tumlu Kale, Yilan Kale, Sis Kale, Bodrum Kale) perfekte
Vergleichsbeispiele in Gesamtanlage und Details für die Burganlagen von Anazarbos und zweitens rückten wegen der Besonderheiten der Apostelkirche von
Anazarbos auch die Kirchen des unter der Kontrolle dieser Metropole stehenden Gebietes in den Mittelpunkt des Interesses.
186 Jahresbericht 2007 des DAI
Kooperationspartner: Institut für Alte Geschichte der Universität Istanbul
(M. H. Sayar); Institut für Geowissenschaften, Abteilung Geophysik der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (H. Stümpel) • Förderung: Fritz Thyssen
Stiftung • Leitung des Projekts: R. Posamentir • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: H. Birk, A. Bischoff, D. Djuric, I. Engelmann, B. Kellner, U. Kelp,
C. Klein, S. Lawrenz, K. Lölhöffel, C. Nowak, E. Özkap, A. Schanze, C. Siegmund • Abbildungsnachweis: R. Posamentir (Abb. 42–45).
Kirse Yanı
Die byzantinische Residenz Kirse Yanı liegt im karischen Bergland nördlich
des Golfs von Gökova etwa auf halbem Weg zwischen Bodrum/Halikarnassos
im Westen und Ören/Keramos im Osten. Im Zentrum eines kleinen Tales steht
dort neben einem Bachlauf ein isoliertes Gebäude mit rechteckigem Grundriss
und rund 350 m2 Grundfläche.
Das Erdgeschoss ist mit 5 m ungewöhnlich hoch, aber die unteren beiden
Meter sind heute mit Versturz gefüllt. Ursprünglich lagen die Fenster in 3 m
Höhe, sie weisen deshalb schräge Sohlbänke für einen besseren Lichteinfall auf
(Abb. 46). Über einer Balkendecke folgte das Obergeschoss. Beide Stockwerke
haben repräsentativen Charakter. Die Wände waren freskiert, die Nischen mit
Mar mor ausgekleidet und die größeren Räume boten jeweils einen architektonischen Blickfang. In einem Fall handelt es sich dabei um drei Bogenfenster
46
47
an der dem Haupteingang gegenüberliegenden Wand (Abb. 46), in einem anderen um drei gleichmäßig über die Wand verteilte Bogenöffnungen, von denen
die äußeren Öffnungen Türen und die mittlere eine Rundnische aufnehmen
(Abb. 47). Eine Inschrift weist das Gebäude als die Residenz eines kaiserlichen
Würdenträgers des 6. Jhs. n. Chr. aus.
In Anatolien residierten solche kaiserlichen Würdenträger traditionell in den
Städten, wo sie bis um 400 n. Chr. zahlreiche prächtige Atriumhäuser bauten.
Das änderte sich jedoch im 5./6. Jh. n. Chr. Die großen Stadthäuser verloren
ihren repräsentativen Charakter, wurden in kleinere Wohneinheiten unterteilt
oder ganz aufgegeben. Was mit ihren Bewohnern geschah, ist ein viel diskutiertes Rätsel. Manche zog es offenbar aufs Land, z. B. nach Kirse Yanı.
Kooperationspartner: K. Konuk (Centre National de la Recherche Scientifique, Institut Ausonius, Bordeaux) • Leitung des Projekts: Ph. Niewöhner •
Mitarbeiter: S. Giese • Abbildungsnachweis: Ph. Niewöhner (Abb. 46. 47).
Kirse Yanı
Abb. 46 Der Hauptraum der frühbyzantinischen Residenz ist 2 m hoch mit dem
Versturz des Obergeschosses gefüllt. Die
drei Bogenfenster lagen ursprünglich in
3 m Höhe und haben deshalb schräge
Sohlbänke für einen besseren Lichteinfall
Abb. 47 Ein 2 m hoch verschütteter
Erdgeschossraum mit drei gleichmäßig über
die Wand verteilten Bogenöffnungen, von
denen die äußeren Öffnungen Türen und
die mittlere eine Rundnische aufnehmen
Istanbul, Holzhäuser
Bis in das 20. Jh. hinein war Istanbul ganz überwiegend eine hölzerne Stadt,
in der nur die großen Repräsentationsbauwerke aus Stein errichtet worden
waren. In einem sich dramatisch beschleunigenden Prozess wurden im Verlauf
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Istanbul 187
Istanbul, Holzhäuser. Haus Altın Ordu
Cad. 20 auf Büyükada, der größten der
sog. Prinzeninseln bei Istanbul
Abb. 48 Verformungsgetreue Bauaufnahme der Straßenfassade (M. 1 : 100)
Abb. 49 Die schmale Straßenfassade des
Gebäudes
49
48
AA-2008/1 Beiheft
des 20. Jhs. die Holzhäuser der Stadt in großem Stil durch Massivbauten verdrängt, so dass das historische Stadtbild heute so gut wie nicht mehr ablesbar ist.
Untersuchungen zu den Istanbuler Holzhäusern haben daher in der Vergangenheit immer wieder einen Schwerpunkt in der Forschungsarbeit der Abteilung gebildet. So wurden Ende der 1970er Jahre zwei der größten, damals noch
zusammenhängenden Quartiere mit dieser Bauweise in der Altstadt von Istanbul
umfassend dokumentiert, eine Arbeit, deren Wert nach dem weitgehenden Verlust dieser Gebäude in den letzten Jahrzehnten nicht hoch genug eingeschätzt
werden kann. In letzter Zeit richtete sich das Forschungsinteresse der Abteilung verstärkt auf die hölzernen Sommerpaläste am Bosporus aus dem 18. und
19. Jh. Diese sog.Yalıs bestimmten einst in großer Zahl die europäischen sowie
asiatischen Ufer des Bosporus; heute sind allerdings nur noch wenige Exemplare vorhanden. Die bauhistorische Bedeutung dieser Gebäude ist sehr hoch,
markieren sie doch den Endpunkt einer langen Entwicklung, in der sich die osmanischen Wohnhäuser zu kunstvollen Raumkompositionen herausbildeten.
Eines der wichtigsten noch vorhandenen Gebäude ist das Sadullah Paşa Yalısı
in Çengelköy aus dem 18. Jh. Dieses große Wohnhaus konnte 2004 in einer
verformungsgetreuen Bauaufnahme dokumentiert werden (s. A. Hoffmann,
AA 2005/2, 219–222). In diesem Jahr konnten die Untersuchungen zunächst
an einem relativ bescheidenen Wohngebäude aus dem Ende des 19. Jhs. fortgeführt werden. Es handelt sich um das Sommerhaus Altın Ordu Cad. 20 auf
Büyükada (Abb. 49), der größten der sog. Prinzeninseln südöstlich der Altstadt
von Istanbul. Das schmale Gebäude zeigt gegenüber den großen Sommerpalästen am Bosporus die ganze Bandbreite dieser Bauweise aus Holz auf, in der
letztlich eine sehr große Vielfalt an Gebäudetypen entstand. Es zeigt aber auch,
wie gegen Ende des 19. Jhs. die alten, osmanischen Wohn- und Lebensformen
zunehmend aus den Gebäuden gedrängt wurden und einer allgemein-europäischen Gebäudeorganisation Platz machten, in die nur noch wenige Zitate wie
etwa der auskragende Erker Eingang fanden (Abb. 48). Das Gebäude wurde
von Studierenden der Universität Karlsruhe in einer verformungsgetreuen
Bauaufnahme dokumentiert.
188 Jahresbericht 2007 des DAI
Aber auch die Dokumentation eines bei weitem prominenteren Objektes
konnte in diesem Jahr in Angriff genommen werden. Das Amcazade Yalısı bei
Anadolu Hısarı auf der asiatischen Seite des Bosporus ist ein viel zitiertes Beispiel der osmanischen Baukunst und gilt als ältestes Holzhaus Istanbuls; es wird
allgemein in das ausgehende 17. Jh. datiert (Abb. 50). Der heutige Baubestand ist
nur noch Fragment einer größeren Anlage, die aus den traditionellen Komponenten Haremlik (Wohnbereich) und Selamlik (Besucherbereich) sowie weiteren Nebengebäuden bestand. Während der Haremlik und große Teile der
Nebengebäude seit langem verschwunden sind, bestand der Selamlik mit dem
spektakulär über den Bosporus auskragenden Divanhane (Empfangszimmer)
bis in die jüngste Vergangenheit. Infolge der Vernachlässigung des Bauunterhalts ging jedoch auch dieses Gebäude zu großen Teilen verloren. Allerdings
blieb der bedeutendste Teil des Selamlik, der Divanhane mit reichen Wanddekorationen des 18. Jhs. und mit großen Teilen seines konstruktiven Gerüstes aus
50
51
starken Eichenbalken (Abb. 51), trotz starker Beschädigungen bis heute erhalten. Nun sollen Anstrengungen unternommen werden, dieses wichtige Baudenkmal zu bewahren und zu restaurieren. Die Abteilung Istanbul des DAI
beteiligt sich an diesen Maßnahmen mit einer verformungsgetreuen Bauaufnahme des verbliebenen Baubestandes als Dokumentation und Grundlage
einer Restaurierung. Durchgeführt wurde bereits eine Vermessung des Gebäudes mit Laserscanning. Die Ergebnisse dieses Punktwolkenmodells werden in
einem zweiten Arbeitschritt durch Handaufmaß ergänzt und so zu einer umfassenden Dokumentation des stark beschädigten und verformten Gebäudes
ausgearbeitet.
Kooperationspartner: Istanbul Teknik Üniversitesi (Z. Kuban); Institut für
Baugeschichte der Universität Karlsruhe (TH) (D. Roos, J. Böker); Fa. SEMA
Ankara • Leitung des Projekts: M. Bachmann • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: B. Batdorj, D. Han, R. Kurt, Y. Akdağ, D. Sulaiman, A. Medved
(Bauaufnahme Haus Altın Ordu Cad. 20), E. İlter, V. İnan (Laserscanning
Amcazade Yalısı), S.Tezer, B. Ar, Ö. Özcan, D. Altıner, I. Şipal, P. Erdoğan (Bauaufnahme Amcazade Yalısı) • Abbildungsnachweis: DAI, Abteilung Istanbul
(Abb. 48–51).
Istanbul, Holzhäuser. Amcazade Yalısı
Abb. 50 Ansicht des Baubestandes von
Südosten mit der zweiten Bosporusbrücke
im Hintergrund
Abb. 51 Blick in den Wandaufbau des
Holzhauses mit der inneren (rechts) und
äußeren (links) Schale einer Schrankwand
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Istanbul 189
Wissenschaftliche Veranstaltungen
Vorträge
18. Januar Aslı Özyar (Istanbul), Untersuchungen zum Siedlungshügel TarsusGözlükule, Kilikien, 2001–2006xxx1. Februar Felix Pirson (Istanbul), Pergamon: Neue Forschungen in Stadt und Landschaftxxx15. Februar Necmi Karul
(Istanbul), Erste Bauern in der Nordwesttürkei: Die Entwicklung einer neuen
Lebensweise am Beispiel Aktopraklıxxx22. Februar Martin Bachmann (Istanbul), Richtungswechsel und Ästhetik. Restaurierungsgeschichte in Ephesos
und Pergamonxxx8. März Norbert Zimmermann (Wien), Leben mit Bildern.
Neue Forschungen zur Wandmalerei in ephesischen Wohnhäusernxxx15. März
Lutgarde Vandeput (Ankara), Pednelissos in Pisidien: Versuch einer Rekonstruktion der Stadtentwicklungxxx29. März Helga Bumke (Bonn), Ein neues
archaisches Heiligtum in Didymaxxx19. April Geoffrey Summers (Ankara),
Mighty Defences and Palatial Splendour: Research at the Iron Age Capital on
the Kerkenes Dağ (Central Anatolia)xxx3. Mai Havva Işkan (Antalya), Der
Leuchtturm von Pataraxxx13. Juni Jürgen Seeher (Istanbul), Wie bauten die
Hethiter ihre Lehmziegel-Stadtmauern? Experimentelle Archäologie rekonstruiert bronzezeitliche Bautechnikenxxx18. Oktober Felix Pirson (Istanbul),
Ansichten des Kriegs. Gedanken zur Kampfdarstellung klassischer und hellenistischer Zeitxxx8. November Hansgerd Hellenkemper (Köln), Die Sommerresidenzen der byzantinischen Kaiserxxx15. November Jürgen Seeher (Istanbul), Wohnen wie in der Steinzeit und segeln wie im Mittelalter. Die Rolle
von Experimenten in der Archäologiexxx29. November Philipp Niewöhner
(Istanbul), Aizanoi in byzantinischer Zeitxxx5. Dezember Ricardo Eichmann
(Berlin), Archäologische Forschungen in Südwestasien. Streifzug durch ausgewählte Projekte der Orient-Abteilung des DAIxxx13. Dezember Christopher
Lightfoot (New York), Recent Discoveries at the Byzantine City of Amorium
(Emirdağ, Afyonkarahisar).
Hauskolloquien
12. Februar Ingo Motzenbäcker (Berlin), Georgienxxx19. Februar Turgut
Hacı Zeyrek (Istanbul),Wohnhäuser in Sidexxx2. April Uliana Treyner (Moskau), Hellenistic Ivory Rhyta from Arsacid’s Treasury in Old Nisa, Southern
Turkmenistanxxx7. Mai Julia Orlamünde (Berlin), Die Obelisken und Orthostaten aus Assurxxx14. Mai Işıl Işıklıkaya (Istanbul), Die römischen Mosaiken
in Pergexxx12. November Haluk Çetinkaya (Istanbul), Vefa Kilise Camii.
Wissenschaftliches Netzwerk
Seit 2006 besteht an der Abteilung Istanbul ein wissenschaftliches Netzwerk
zum Thema »Manifestationen von Macht und Hierarchien in Stadtraum und
Landschaft«. Hier werden Projekte von Mitarbeitern und Stipendiaten der
Abteilung sowie von Kollegen und Kolleginnen, die im Rahmen von Abteilungsprojekten forschen, methodisch und inhaltlich zusammengeführt. Ziel ist
es, das spezifische Profil der Abteilung für die Nachwuchsförderung zu nutzen
und so wissenschaftliche Synergien auf dem Gebiet der archäologischen Raumforschung zu erzielen. Das erste Seminar wurde am 8. Februar zum Thema
»Grenzen – Strukturierung von Raum durch Grenzziehungen« durchgeführt.
Das zweite Seminar am 9. und 10. November beschäftigte sich mit dem
Thema »Naturraum«. Das Netzwerk gehört als Teilprojekt zum Forschungscluster 3 »Politische Räume« des DAI.
AA-2008/1 Beiheft
190 Jahresbericht 2007 des DAI
Workshop
9./10. Februar Workshop »Aktuelle Forschungen zur Konstruktion, Funktion
und Semantik antiker Stadtbefestigungen« (im Rahmen des oben genannten
Netzwerks in Zusammenarbeit mit dem Architekturreferat der Zentrale des
DAI; Organisation: Janet Haberkorn [Berlin], Peter I. Schneider [Berlin], Felix
Pirson [Istanbul], Ulrike Wulf-Rheidt [Berlin], Torsten Zimmer [Istanbul]).
– Es sprachen: Jürgen Seeher (Istanbul), Wie viele Türme braucht eine Stadt?
– Überlegungen zum Aufwand der spätbronzezeitlichen Befestigungsanlagen
in ïattuša; Mike Schnelle (Sana’a), Die Stadtmauer von Sirwah (Jemen) – Ein
architektonisches Konvolut aus Jahrhunderten sabäischer Herrschaft; Peter
I. Schneider (Berlin), Die Mauern von Tayma; Oliver Hülden (München),
Überlegungen zur Funktion antiker Befestigungsanlagen; Alexander Sokolicek (Wien), Zum Phänomen des Diateichisma im griechischen Städtebau; Silke
Müth – Jürgen Giese – Ute Schwertheim (Berlin/Bamberg), Die Stadtmauer
von Messene – »Work in Progress«; Janet Haberkorn (Berlin), Die hellenistischen Stadtmauern von Pergamon; Timm Radt (Stuttgart), Formen und strategische Konzepte – Nicht urbane Wehranlagen in hellenistischer Zeit; Ulrich
Ruppe (Frankfurt a. M.), Die Stadtmauer von Priene – Zweckbau, Identifikationsobjekt oder Symbol für Macht?; Judith Bartel (Aachen), Stadtbefestigungen als historische Quelle – Ein bauhistorischer Beitrag zur urbanen Entwicklungsgeschichte Akarnaniens (Griechenland); Christiane Brasse (Cottbus), Die
Stadtmauer von Antiochia am Orontes; Eric Laufer (Köln), Mehr Schein als
Sein? – ›Römische‹ Stadtmauern in Pamphylien und Südpisidien; Richard Posamentir (Istanbul), Die Mauern von Anazarbos – Erfindung, Übernahme oder
von allem ein bisschen?; Philipp Niewöhner (Istanbul), Byzantinische Mauerringe in Anatolien – Vom Statussymbol zum Machtfaktor.
Tagungen
8./9. Juni Kolloquium zum 70. Geburtstag von Paul Zanker »Kunst von
unten? Stil und Gesellschaft in der Antiken Welt von der ›arte plebea‹ bis heute«
(Veranstaltungsort: Rom; Organisation: Abteilung Istanbul des DAI, Abteilung Rom des DAI, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Albert-LudwigsUniversität Freiburg, Columbia University New York; s. auch hier S. 96).
13. bis 16. Juni Internationale Konferenz »Civil Engineering from Early
Neolithic to Late Antique Period in Asia Minor«/»Bautechnik im antiken und
vorantiken Kleinasien« (Organisation: Martin Bachmann [Istanbul]; Förderung:
Spenden der Firmen Knauf, Bau-Streib, Torkret und der Ingenieurgruppe
Bauen, Karlsruhe; Abb. 52). – Es sprachen: Martin Bachmann (Istanbul), Zum
Abb. 52 Plakat zur internationalen
Konferenz »Civil Engineering from Early
Neolithic to Late Antique Period in Asia
Minor«/»Bautechnik im antiken und vorantiken Kleinasien«
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Istanbul 191
Forschungsstand der Bautechnik in Kleinasien; Dietmar Kurapkat (Berlin),
Das Wissen der neolithischen Bauleute. Zu den Anfängen der kleinasiatischen
Bautechnik; Zeynep Eres (Istanbul), Erkenntnisse aus der ländlichen Architektur in Thrakien für das Verständnis der vorgeschichtlichen Flechtwerkbauweise; Bleda Düring (London), Exploring Building Continuity in the
Central Anatolian Neolithic and Beyond; Functional and Symbolic Aspects;
Maria Teresa Como (Neapel), The Architectural Investigation of the Protopalatial Site of Monastiraki, Crete; Andreas Hüser (Hamburg), Hethitische Staudämme – ›Ingenieur‹-Meisterleistungen in der späten Bronzezeit Anatoliens;
Sema Onurlu (Ankara), Building Materials and Construction in Hittite Architecture; Jürgen Seeher (Istanbul),Vom ›Steinbruch‹ bis zur Mauer – Spuren und
Rekonstruktionen hethitischer Steinbautechnik; Dirk Paul Mielke (Madrid),
Alte Paradigmen und neue Erkenntnisse zur hethitischen Holz-LehmziegelArchitektur; Andreas Schachner (Istanbul), Vom Plan zur Durchführung:
Gedanken zu den kulturhistorischen Hintergründen des hethitischen Bauens;
Ömür Harmansah (Providence), New Urban Foundations and the Architectonic Culture in Urartu: Stone Masonry at Ayanis during the 7th Century BC;
Elizabeth H. Riorden (Cincinnati), Dörpfeld’s Theory of Wood and Mudbrick
Architecture: Implications and a Reassessment; Aenne Ohnesorg (München),
Versatz und Verbindung von Bauteilen des archaischen Artemistempels von
Ephesos – und ein rätselhafter Hebe-Mechanismus?; Alexander von Kienlin
(München), Der Tumulus von Tatarlı. Eine bemalte hölzerne Grabkammer in
Westphrygien;Timm Radt (Berlin), Bautechnische Eigenheiten im kilikischen
Wehrbau am Beispiel des Karasis; William Aylward (Wisconsin-Madison),
Lewises in Hellenistic and Roman Building at Pergamon; Hansgeorg Bankel
(München), Versatzmarken am Propylon des Apollon Karneios Heiligtums
von Knidos; Thekla Schulz-Brize (Regensburg), Bautechnik und Baukonstruktion kleinasiatischer Pseudodipteroi; Ulf Weber (Jena), Der hellenistische
Naiskos von Didyma im Licht seiner Versatzmarken des 3. Jhs. v. und des 3. Jhs.
n. Chr.; Felix Pirson (Istanbul), Akzidentelle Unfertigkeit oder Bossen-Stil?
Überlegungen zur siebten Basis der Ostfront des Apollontempels von Didyma;
Murat Durukan (Mersin), Chronology of the Temple Tombs in Rough Cilicia;
Lynne Lancaster (Ohio), Early Examples of Pitched Brick Barrel Vaulting in
Roman Asia Minor: A Question of Origin and Intention; Hilke Thür (Wien),
Ziegelmauerwerk in Ephesos; Ulrike Wulf-Rheidt (Berlin),Warum konnte der
römische Ziegelbau in Kleinasien keine Erfolgsgeschichte werden?; Corinna
Brueckener (München), Ein Ziegelbau im römischen Osten – Die Rote Halle
in Pergamon; Jürgen Hammerstaedt (Köln), Die Bedeutung inschriftlicher
Zeugnisse für die Bauforschung; Georg Plattner (Wien), Zum Baubetrieb
Kleinasiens in der römischen Kaiserzeit; Klaus Nohlen (Wiesbaden), Röhren
im Scheitel. Zur Bautechnik römischer Gewölbe; Gudrun Styhler (Wien) –
Hanna A. Liebich (Wien), Das Theater von Ephesos – Der Zuschauerraum in
römischer Zeit; Corinna Rohn (Cottbus), Bautechnik am Theaterstadion in
Aizanoi: Notwendigkeit oder Teil des Entwurfskonzeptes?; Ursula Quatember
(Wien), Tabernakelfassaden des 2. Jhs n. Chr. in Ephesos – Technische Aspekte ihrer Gestaltung; Klaus Grewe (Bonn), Das Relief einer Marmorsäge aus
Hierapolis (Phrygien); Dorothea Roos (Karlsruhe), »So bieten diese zerstückten Ruinen einen höchst seltsamen Anblick dar, einem riesigen Skelett vergleichbar.« Zum Steinfachwerkbau im antiken Kleinasien; Ina Eichner (München), Spätantike und byzantinische Bautechnik im südlichen Kleinasien.
AA-2008/1 Beiheft
192 Jahresbericht 2007 des DAI
Alumnitreffen
Am 24. November fand mit großzügiger Unterstützung des DAAD das dritte
Alumnitreffen statt, mit dem der Kontakt zwischen der Abteilung und türkischen Nachwuchswissenschaftlern, die Studienaufenthalte in Deutschland
absolviert haben, gefördert werden soll. Zu den Themen der Gesprächsrunde
mit 29 Teilnehmern gehörten insbesondere archäologische Organisationsformen im 21. Jh. sowie Möglichkeiten der Forschungsförderung und Studentenaustausch.
Öffentlichkeitsarbeit
Zwischen dem 1. April und dem 17. Juni fanden neun öffentliche Führungen
in Stadtvierteln, Gebäuden und Museen in Istanbul durch Mitarbeiter der Abteilung statt. Presseinterviews für nationale und internationale Zeitungen und
Zeitschriften sowie Funk- und Fernsehanstalten wurden vor allem im Rahmen der einzelnen Arbeitsprojekte gegeben. Im Institutsgebäude, auf den Grabungen des Instituts sowie an anderen archäologischen Stätten und in verschiedenen Museen wurden zahlreiche Gruppen und Einzelpersonen geführt.
Ausstellungen
8. November Eröffnung der Plakatausstellung zum Thema »Fabelwesen und
Masken in Byzanz« im Archäologischen Museum in Istanbul (Organisation:
Ph. Niewöhner).
Für die Dauerausstellung rund um den Alexandersarkophag wurde dem
Archäologischen Museum eine weitere farbige Rekonstruktion eines Reliefs
überreicht (Abb. 53).
Abb. 53 Eine neue Rekonstruktion eines
Reliefs des Alexandersarkophags im Archäologischen Museum Istanbul
Veröffentlichungen
Istanbuler Mitteilungen 56, 2006
Istanbuler Forschungen 49: W. Held, Gergakome – ein ›altehrwürdiges‹ Heiligtum im kaiserzeitlichen Karien
Byzas 6: P. Baumeister, Der Fries des Hekateions von Lagina. Neue Untersuchungen zu Monument und Kontext
Byzas 7: B. Böhlendorf-Arslan – A. Osman Uysal – J. Witte-Orr (Hrsg.),
Çanak. Late Antique and Medieval Pottery and Tiles in Mediterranean
Archaeological Contexts
J. Seeher, Die Lehmziegel-Stadtmauer von ïattuša. Bericht über eine Rekonstruktion (Deutsch/Englisch/Türkisch)
Sonstiges
Im Auftrag der Zeitung Hürriyet hat eine aus Wissenschaftlern, Schriftstellern
und Journalisten zusammengesetzte zehnköpfige Jury die öffentlichen Bibliotheken der Türkei unter die Lupe genommen. In der am 9. März veröffentlichten Liste nimmt die Bibliothek der Abteilung Istanbul als einzige ausländische Institution unter zehn Mitbewerbern Rang sechs ein.
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Madrid
Abteilung Madrid
Serrano 159
E-28002 Madrid
Tel.: +34-(91) 561 09 04
Fax: +34-(91) 564 00 54
E-Mail: [email protected]
Direktoren
Prof. Dr. Dirce Marzoli, Erste Direktorin
Prof. Dr. Thomas G. Schattner, Wissenschaftlicher Direktor
Wissenschaftliche Mitarbeiter
Dr.-Ing. Felix Arnold, PD Dr. Michael Kunst, PD Dr. Dirk P. Mielke
Auslandsstipendiaten
Dr.-Ing. Nicole Röring (ab 1. 2.)
Wissenschaftliche Hilfskräfte
Beate Brühlmann M. A., Nina Lutz M. A.,
Maria Joao Delgado Correia do Santos (ab 1. 2.)
Aus Drittmitteln finanzierte Stellen
PD Dr. Thomas X. Schuhmacher (DFG), Dr. Gert Goldenberg (DFG),
Dr. Thorsten Schifer (DFG), Roland Müller M. A. (DFG)
Abteilung Madrid 195
Ausgrabungen und Forschungen
Zambujal (Portugal)
Der Fundort Zambujal liegt etwa 14 km von der Atlantikküste entfernt im
heutigen Concelho (Landkreis) von Torres Vedras (Distrikt Lissabon).
Es handelt es sich um eine kupferzeitliche, befestigte Siedlung (Anfang 3. Jt.
v. Chr. – 1. Hälfte 2. Jt. v. Chr.). Die Befestigungsmauern mit Türmen und
Schießscharten sind teilweise noch 4 m hoch erhalten, eine Seltenheit für diese Epoche auf der Iberischen Halbinsel. Daher ermöglicht die komplexe Stratigraphie wie kaum an einem vergleichbaren Platz Untersuchungen einer fast
tausendjährigen Besiedlungsabfolge, u. a. mit einem Glockenbecher-Horizont.
Aus dieser gesamten Zeit ist auch Kupferverarbeitung nachgewiesen; damit gehört Zambujal zu den frühesten Belegen von Metallverarbeitung in Südwesteuropa.
Bei den diesjährigen Ausgrabungen ging es vor allem um die Präzision der
absoluten Chronologie von Zambujal, um die Frage nach der Technologie und
dem Stellenwert der Metallurgie in der Kupferzeit sowie um die Baugeschichte
der bisher äußeren (Linie IV) und der inneren (Linie I) Befestigungsmauer.
Nach dem Kauf des umliegenden Geländes seitens der Stadt Torres Vedras
war es in diesem Jahr erstmals möglich, die Grabungen nach Osten zu erweitern (Abb. 1), so dass die Türme der 1995 entdeckten, vierten Linie der Befestigungsmauern vollständig freigelegt werden konnten (Abb. 2). Außerdem
wurde durch eine 14C-Daten-Serie (AMS) von 14 Proben kurzlebigen Mate-
Zambujal (Portugal)
Abb. 1 Blick von Nordosten über den
bisher ausgegrabenen Bereich der kupferzeitlichen Siedlung
Abb. 2 Blick von Norden über die Linie IV
der Befestigungsanlagen am Ende der
diesjährigen Grabungskampagne
AA-2008/1 Beiheft
196 Jahresbericht 2007 des DAI
Abb. 3 Zambujal (Portugal), Blick von
Osten in den Schnitt 87 mit Mauerresten
eines größeren Gebäudes, in dessen
Innerem Funde dokumentiert werden
rials (Tierknochen und Getreidekörner) die Chronologie dieser vierten Linie
präzisiert. Fast alle Daten stammen aus der 1. Hälfte des 3. Jts. v. Chr., doch entspricht das jüngste Datum aus dem 18. Jh. v. Chr. einem Datum aus der Bauphase 5, das im Vorjahr von der zweiten Befestigungslinie veröffentlicht wurde
(s. M. Kunst in: A. Harding – S. Sievers – N.Venclová, Enclosing the Past, Sheffield Archaeological Monographs 15, 84–87). Es stellt sich also die Frage, ob die
vierte Linie um die Mitte des 3. Jts. v. Chr. aufgegeben wurde und sich damit
die Befestigungsanlage verkleinerte oder ob die vierte Linie auch bis zum Ende
der Besiedlung von Zambujal als Befestigungsmauer genutzt wurde. Die oberen Schichten sind hier im Gegensatz zum Zentrum der Anlage nämlich nicht
mehr vorhanden. Die einzige Möglichkeit, diese Frage zu beantworten, wäre
die Untersuchung des Versturzes der jüngsten Bauten an der vierten Linie, ein
Vorhaben, das für die kommende Kampagne geplant ist. In der Osterweiterung
der Grabung zeigte sich in der Tat ein solcher Versturz, der entgegen aller Vermutungen noch weiter in die Tiefe geht. Das bedeutet, dass es östlich vor der
Mauer der vierten Linie eine Senke oder einen Graben gab, der heute völlig zusedimentiert ist.
Ein weiterer Grabungsabschnitt lag zwischen der ersten und zweiten Befestigungsmauerlinie. Hier wurde ein 1 m breiter Streifen ausgegraben, um ein
neues Profil zu erhalten, mit dem die absolute Chronologie der Anlage präzisiert werden soll. Daher wurden die gesamten Sedimente geschlämmt. Nördlich davor wurde ein Bereich mit verschiedenen Herdstellen ausgegraben, in
denen sich Reste von Kupfermetallurgie fanden. Sedimentproben für spätere,
im Labor durchzuführende Dünnschliffuntersuchungen sollen Anhaltspunkte
für die erzielten Brenntemperaturen und die genauere Verwendung der Herde
erbringen. Unter diesen Schichten konnte die Felskante freigelegt werden, im
Bereich südwestlich davor erscheinen Schichten, die möglicherweise in die
ersten Besiedlungsphasen zurückreichen.
Ein weiteres Grabungsareal liegt im Zentrum der Anlage, im Bereich des
Bauernhauses. Dort waren u. a. schon 2004 Reste eines größeren Gebäudes
gefunden worden, in dessen Innerem in diesem Jahr minutiös begonnen wurde, Siedlungsschichten von maximal 5 cm Dicke abzutragen (Abb. 3). Genauso
wie bei der Grabung zwischen Linie I und II wurde auch hier mit Einzelfundeinmessung dokumentiert. Die Innenfront der Befestigungsmauer von Linie I
ist im Bereich des Bauernhauses noch nicht mit aller Sicherheit sichtbar, aber
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Madrid 197
einige Steinsetzungen und Erdverfärbungen scheinen erstmalig in dieser Grabungskampagne Teile dieser Mauerinnenfront anzudeuten.
Kooperationspartner: Câmara Municipal de Torres Vedras • Förderung:
Câmara Municipal de Torres Vedras • Leitung des Projekts: M. Kunst • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: N. Lutz, R. Müller, B. Wiedmann, H.-P. Stika (Paläobotanik), G. Casella, J. Fernández, F. Gonçalves (Zeichenarbeiten),
G. Amaro, A. Breymeyr, S. Büttner, M. Heise, L. Hanemann (Restaurierung),
C. Hernández, I. Hoffmann, L. Juez, A. Kokol, P. KujawinÏski, S. Matzerath,
K. Nürnberger, P. Smedt, R.Villalobos • Abbildungsnachweis: D-DAI-MADDG-25-07-728, M. Kunst (Abb. 1); D-DAI-MAD-DG-25-07-766, M. Kunst
(Abb. 2); D-DAI-MAD-DG-25-07-631, M. Kunst (Abb. 3).
Sizandro-Alcabrichel (Portugal)
Abb. 4 a Lokalisierung von Fundorten im
Tal des Alcabrichel und deren Kartierung
auf einem digitalen Höhenmodell
Abb. 4 b Fundkartierung aufgrund von
Prospektionen im Bereich der kupferzeitlichen Siedlung vom Pico Agudo, der auf der
Südseite des Alcabrichel in der Nähe seiner
Mündung in den Atlantik liegt
4a
AA-2008/1 Beiheft
Sizandro-Alcabrichel (Portugal)
Die beiden Flüsse, der Río Sizandro und die Ríbeira de Alcabrichel, bilden im
Concelho von Torres Vedras (Distrikt Lissabon) weitgehend parallel laufende
Täler und münden etwa 5 km von einander entfernt in den Atlantischen Ozean. An einem Bach, der Ríbeira de Pedrulhos, der von Süden kommend in den
Río Sizandro fließt, liegt die kupferzeitliche Befestigungsanlage von Zambujal
(s. o.). Die Einzugsgebiete von Sizandro und Alcabrichel eignen sich deswegen
hervorragend für die Untersuchung des Territoriums, das im 3. Jt. v. Chr. zu
Zambujal gehörte. Andererseits haben Forschungen in den letzten 20 Jahren
für die Kupferzeit im Sizandrotal eine Meeresbucht nachgewiesen, von der
heute nichts mehr zu sehen ist. In dem Projekt soll nun den Faktoren nachgegangen werden, die das Siedlungsverhalten im Holozän – mit Schwerpunkt
in der Kupferzeit – bestimmt haben, und darüber hinaus den klimatisch und
anthropogen bedingten Ursachen, die den Landschaftswandel auslösten.
I. Geoarchäologische Prospektionen des DAI: Archäologische Untersuchungen:
In diesem Jahr wurden nach einer Bestandsaufnahme im Museum und Auswertung der Literatur gezielt vor allem schon bekannte Fundplätze aufgesucht und
dort mittels Prospektionen und ihrer Auswertung in einem GIS Fundstreuungen kartiert, aufgrund derer die Lage (Abb. 4 a) und Größe der Siedlungsplätze
neu bestimmt werden konnten (Abb. 4 b). Aus den Ergebnissen ließ sich eine
erste Arbeitshypothese ableiten, dass nämlich in erster Linie der geologische
4b
198 Jahresbericht 2007 des DAI
Untergrund und damit die Bodenqualität sowie der Zugriff auf verschiedene
Ressourcen die Wahl der kupferzeitlichen Siedlungsplätze bestimmten (Abb.
5), erst in zweiter Linie strategische Gesichtspunkte.
Bodenkundliche Untersuchungen: Aufbauend auf den bisherigen Erkenntnissen zur Bodenentwicklung im Tal des Río Sizandro wurde damit begonnen,
die Bodenverhältnisse in Abhängigkeit von der Geologie und den Geländeformen zu dokumentieren. Dabei ergaben sich Hinweise darauf, dass die Bodennutzung durch die Geologie bedingt ist. Die Untergrenze des Bodens (ca. 50 cm
Mächtigkeit) koinzidiert in etwa mit den horizontal angeordneten quaderförmigen Blöcken.
II. Ausgrabungen in Bolóres, eine Kooperation mit der University of Iowa: 1986 waren an einer Geländeböschung am südlichen Abhang des Sizandrotales (Abb.
6), westlich von Torres Vedras, die Reste eines kupferzeitlichen Kollektivgrabs
entdeckt worden. Bei einer ersten portugiesischen Sondierungsgrabung 1986
traten u. a. menschliche Knochen zutage, für deren Ausgrabung es Spezialisten
bedurfte.
So wurden in diesem Jahr neue Grabungen mit einer amerikanischen Forschergruppe aus Anthropologen und Geoarchäologen begonnen. Sie entnahmen zahlreiche Erdproben und führten Ausgrabungen durch mit dem Ziel, das
Aussehen der näheren Umgebung in der Kupferzeit rekonstruieren zu können,
die Größe der Fundstelle zu bestimmen und Knochen sowie andere Funde in
gesicherten Kontexten zu bergen (Abb. 7).
Erste Ergebnisse zeigten für den gefundenen Bestattungsplatz eine Größe
von etwa 5 m × 3 m. AMS-Datierungen zweier unverkohlter menschlicher
Knochenreste ergaben eine Zeitstellung von 2840–1750 cal BC (Endneolithikum bis Frühbronzezeit). Es wurden insgesamt 1041 menschliche Skelettreste
Abb. 5 Kartierung der bisher bekannten
Fundorte im Concelho von Torres Vedras
(Portugal) im Einzugsgebiet der Flüsse
Sizandro und Alcabrichel auf der geologischen Karte. Man erkennt, dass die Fundorte
in überwiegender Mehrzahl auf jurasischem
Untergrund liegen (M. 1 : 250 000)
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Madrid 199
Bolóres (Portugal)
Abb. 6 Im Jahr 1986, Blick von Nordost
auf die Böschung mit dem Kollektivgrab,
dessen genaue Lage durch einen Pfeil
gekennzeichnet ist
Abb. 7 Blick von Norden über die Ausgrabung in dem Kollektivgrab
Abb. 8 Bolóres (Portugal), Blick von Osten
auf die Reste eines Hockergrabes eines
40–45 Jahre alten Mannes während der
diesjährigen Grabungskampagne
AA-2008/1 Beiheft
geborgen, die sich mindestens vier Jugendlichen und fünf Adulten zuordnen
lassen. Es kommen sowohl Primär- als auch Sekundärbestattungen vor, zu
einigen gehörten Ockerfragmente bzw. Ockerfärbungen. Am besten erhalten
war die Primärbestattung eines 40–45 Jahre alten Mannes (Abb. 8). Im Gegensatz zu den Ausgrabungen von 1986 konnten kaum Grabbeigaben gefunden
werden, so sind nur wenige Keramikfragmente und Flintabschläge zu nennen.
Eine sehr kleine durchlochte Muschel mit einem Durchmesser von 0,50 cm
war zusammen mit einem menschlichen Unterkiefer und einem Lendenwirbel
vergesellschaftet.
Die AMS-Daten zeigen, dass Bolóres in dieselbe Zeit wie die nur 2 km
entfernte Siedlung von Zambujal datiert.
Kooperationspartner: Câmara Municipal de Torres Vedras; Department of
Anthropology, University of Iowa • Förderung: Câmara Municipal de Torres
Vedras; Social Science Funding Program der University of Iowa (für das Projekt Bolóres) • Leitung des Projekts »Geoarchäologische Prospektionen des
DAI«: M. Kunst • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: N. Lutz (Prähistorie und
GIS), H. Thiemeyer, R. Dambeck, N. Herrmann (Bodenkunde), H.-P. Stika
(Archäobotanik), J. A. Kalis (Pollenanalyse), L. J. Trindade (Prospektionen) •
200 Jahresbericht 2007 des DAI
Leitung des Projekts »Ausgrabungen in Bolóres«: K. Lillios (Iowa) • Mitarbeiter: J. A. Artz, B. Kendall (GIS, Geoarchäologie), J. Thomas (Prähistorie),
A. Waterman, J. Willman (Anthropologie), L. J. Trindade • Abbildungsnachweis: Orthophotos, Câmara Municipal de Torres Vedras, DAI, Abteilung
Madrid, N. Lutz (Abb. 4 a. b); Instituto Geológico de Portugal, Abteilung
Madrid, N. Lutz (Abb. 5); D-DAI-MAD-KB-35-86-66, J. Patterson (Abb. 6 );
D-DAI-MAD-DG-25-07-308, M. Kunst (Abb. 7); K. Lillios (Abb. 8).
Prähistorische Kupfermetallurgie in Zambujal (Portugal) – Von der Erzlagerstätte
zum Fertigprodukt
Dieses Projekt richtet sich auf die frühe Kupfermetallurgie in Portugal. Ausgehend von Zambujal und anderen kupferzeitlichen Siedlungsplätzen des 3. Jts.
v. Chr. in der portugiesischen Estremadura, in denen Metallverarbeitung nachgewiesen ist, wird die Frage nach der Herkunft des Kupfers verfolgt. Ebenso
stehen technologische Aspekte der Kupferproduktion im Fokus der interdisziplinären Forschungen. Anhand von archäometallurgischen Analysen an Prozessrückständen (Tiegelfragmente, Kupfer- und Schlackenreste) und an Erzproben verschiedener Kupfervorkommen sowie über montanarchäologische
Ausgrabungen wird versucht, die metallurgische Produktionskette vom Ausgangserz bis zum gebrauchsfertigen Metall für die Kupferzeit zu rekonstruieren.
Abb. 9 Prähistorische Kupfermetallurgie
in Zambujal (Portugal), Karte von Südportugal mit Lage der prospektierten Kupfervorkommen (rote Punkte), der Fundorte
von ›prähistorischen‹ Steingeräten (blaue
Punkte) und der bislang durchgeführten
montanarchäologischen Grabungen (grüne
Kreise); M. 1 : 4 000 000
In den vergangenen zwei Jahren konnten hierzu im Rahmen des DFGProjekts zahlreiche Erzvorkommen (repräsentative Auswahl) in Portugal aufgesucht, beprobt und prospektiert werden, zunächst in der näheren Umgebung
von Zambujal, dann in immer weiterer Entfernung (Abb. 9). Die Ergebnisse
der montanarchäologischen Prospektion sowie von Bleiisotopenanalysen an
Kupferartefakten und Kupfererzen lassen mittlerweile den Bereich der Ossa
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Madrid 201
10
Morena Zone als wahrscheinlichstes Herkunftsgebiet des in der Estremadura
verwendeten Kupfers bestimmen (Forschungsstand 2007). In zahlreichen Bergbaurevieren waren hier ›prähistorische‹ Steingeräte (bergmännisches Werkzeug)
auf den Halden zu finden. Drei dieser Plätze wurden für archäologische Sondierungsgrabungen ausgewählt (Abb. 9). Neben den bereits im Vorjahr erfolgten Grabungen in Mocissos (Alandroal) und Volta Ferreira (Barrancos), fand in
der Nähe von Viana do Alentejo bei Évora (Portugal) eine dritte und vorerst
letzte montanarchäologische Grabungskampagne statt. Ziel war die Untersuchung und Datierung einer ehemaligen Kupfermine bei Monte da Angerinha
(Abb. 10).
Als Ergebnis konnte auch hier ein mehrphasiger Abbau mit prähistorischer
Komponente festgestellt werden. Ein verziertes Keramikfragment aus den Haldenschüttungen weist auf eine Nutzungsphase in der Kupfer-/Bronzezeit hin
(Abb. 11). Die Datierung der Bergbauaktivitäten mittels 14C-Analysen zeigt,
dass die Halden überwiegend in vorrömischer Eisenzeit/frührömischer Zeit
entstanden sind, mit einer jüngeren, islamischen Komponente und einer kupferzeitlichen Frühphase: Zwei Daten aus dem Bereich eines ehemaligen Laufhorizontes, auf dem die stratigraphisch älteste Haldenschüttung lagert, belegen
Aktivitäten in der 1. Hälfte des 3. Jts. v. Chr (Abb. 12). Der Befund zeigt auch
hier, wie bereits in Mocissos im vorangegangenen Jahr, dass der kupferzeitliche Bergbau nur sehr geringe Spuren im Gelände hinterlassen hat, die zudem
massiv durch jüngeren Bergbau überprägt und deshalb äußerst schwer nachzuweisen sind. Dort, wo dies gelingt, deuten die bisher dokumentierten archäologischen Reste zunächst auf einen nur kleinmaßstäblichen Bergbau hin, ver-
11
Prähistorische Kupfermetallurgie in
Zambujal (Portugal), Angerinha
Abb. 10 Ausgrabung über einem
verstürzten Abbau, mit Verfüllschichten
aus späteisenzeitlich/frührömischer sowie
islamischer Zeit
Abb. 11 Keramik mit kupferzeitlicher (?)
Verzierung aus der Verfüllung des Abbaus
(M. 1 : 1)
Abb. 12 Haldenprofil mit ehemaligen
Laufhorizonten; Schicht 3–4: späteisenzeitlich/frührömisch, Schicht 6–7: kupferzeitlich
(belegt durch 14C-Datierungen)
12
glichen mit den sehr viel umfangreicheren Arbeiten der jüngeren (vor allem
römischen) Bergbauphasen.
Zum Abschluss der analytischen Arbeiten standen weitere Bleiisotopenund Spurenelementanalysen auf dem Programm, außerdem wurden erfolgreich Verhüttungsversuche in Tiegeln mit original portugiesischen Kupfererzen durchgeführt (Abb. 13. 14).
AA-2008/1 Beiheft
202 Jahresbericht 2007 des DAI
13
14
Als wesentliche Ergebnisse der Forschungsarbeit dieses Jahres sind die weitere analytische Annäherung an die potentiellen Rohstoffquellen für die Kupferversorgung der portugiesischen Estremadura während der Kupferzeit sowie
ein zusätzlicher archäologischer Nachweis kupferzeitlichen Bergbaus in der
Ossa Morena Zone zu nennen.
Kooperationspartner: A. Monge Soares, R. Mataloto, J. Matos; Institut für
Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters und MineralogischGeochemisches Institut der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: H. Parzinger, M. Kunst, M. Bartelheim,
E. Pernicka (Curt-Engelhorn-Zentrum für Archäometrie Mannheim) • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: G. Goldenberg (Leitung der Ausgrabungen
in den Bergbaurevieren, Prospektion, mineralogische Analysen), R. Müller
(Metallanalysen, Bleiisotopenanalysen), T. Schifer (NA-Analysen), E. Hanning (Grabungsassistenz, experimentelle Archäologie), M. Carvalho, D. Amaro,
G. Amaro • Abbildungsnachweis: Zeichnung, G. Goldenberg (Abb. 9); G. Goldenberg (Abb. 10–12); E. Hanning (Abb. 13. 14).
Prähistorische Kupfermetallurgie in
Zambujal (Portugal)
Abb. 13 Ergebnis eines erfolgreichen
Verhüttungsversuches an der Universität
Freiburg. Kupfer am Tiegelboden
Abb. 14 Experimentelle Archäologie an
der Universität Freiburg, Kupfergewinnung
im Tiegel mit Blasrohren im offenen Herd
Die Kontakte zwischen der Iberischen Halbinsel und dem Maghreb während des Chalkolithikums und der frühen Bronzezeit. Studien zum Austausch von Elfenbein
Grundlage des Projekts ist die Erstellung eines möglichst vollständigen Kataloges aller Elfenbeinobjekte der Iberischen Halbinsel, die zwischen 3000 und
1650 v. Chr. (Chalkolithikum bis frühe Bronzezeit) zu datieren sind. Gleichzeitig werden von dem Institut für Geowissenschaften der Universität Mainz
verschiedene zerstörungsfrei arbeitende spektroskopische Analysen an ausgewählten Elfenbeinobjekten durchgeführt. Hierdurch soll der genaue Rohmateriallieferant, d. h. Flusspferd, afrikanischer oder asiatischer Elefant, bestimmt
und damit die Herkunft des Elfenbeins geklärt werden, welches während des
Chalkolithikums und der frühen Bronzezeit auf der Iberischen Halbinsel und
im Maghreb verwendet wurde.
Letztlich wird eine Analyse des Austausches von Elfenbein im westlichen
Mittelmeerraum unter besonderer Berücksichtigung der Beziehungen zwischen dem Maghreb und der Iberischen Halbinsel im 3. Jt. und der 1. Hälfte
des 2. Jts. v. Chr. angestrebt. Hierbei sind die ausgetauschten Produkte, Art und
Intensität der dahinterstehenden Kontakte und Interaktionen, ihre soziale Bedeutung und Auswirkungen, die beteiligten Partner und ihre soziale Stellung
sowie die Routen des Austausches zu untersuchen.
In diesem Jahr wurde die Aufnahme von Elfenbeinobjekten in verschiedenen Museen Portugals und Spaniens, besonders im Nationalmuseum in Lissabon und dem Museum von Granada, fortgesetzt. Außerdem sind Objekte aus
den aktuell durchgeführten Grabungen Süd- und Zentralspaniens aufgenommen worden. Insgesamt konnten bislang 1100 Elfenbeinobjekte erfasst werden,
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Madrid 203
15
16
Studien zum Austausch von Elfenbein
Abb. 15 Marcella (Portugal), Kuppelgrab
mit langem Gang. Verzierter Kamm aus
Elfenbein (M. 1 : 1)
Abb. 16 Verdelha dos Ruivos (Portugal),
Bestattungshöhle. Fragment eines Knopfes
mit Appendices aus Elfenbein (M. 1 : 1)
AA-2008/1 Beiheft
von denen bereits 780 Objekte beschrieben, gezeichnet und photographiert
wurden (Abb. 15. 16).
Das Hauptaugenmerk lag in diesem Jahr auf den für die Iberische Halbinsel
erstmalig durchgeführten Analysen des Elfenbeins. So wurden insgesamt 47
Elfenbeinobjekte bzw. -proben in Mainz untersucht. Dabei wurden verschiedene zerstörungsfreie Analysemethoden getestet. Letztlich lieferten jedoch nur
die Fourier-Transformations-Infrarot- (FTIR) Spektroskopie und die Analyse
der Schreger-Strukturen brauchbare Ergebnisse. Diese zeigten, dass bereits seit
dem Beginn des 3. Jts. v. Chr. überwiegend Elfenbein vom asiatischen Elefanten (Elephas maximus) neben solchem des afrikanischen Steppenelefanten (Loxodonta africana africana) eine Verwendung fand. Zum ersten Mal wurden damit
auf naturwissenschaftlichem Wege seit langem vermutete Kontakte zwischen
dem östlichen und westlichen Mittelmeerraum belegt. Weitere Analysespektren zeigten jedoch eine große Übereinstimmung mit dem europäischen Waldelefanten (Elephas antiquus). Hier wird zu überprüfen sein, ob es sich tatsächlich
um lokal verfügbares fossiles Elfenbein handelte. Erst zum Ende der frühen
Bronzezeit erscheint sporadisch auch Flusspferd-Elfenbein.
Gleichzeitig wurden die auf einigen Elfenbeinobjekten zu beobachtenden
roten Farbspuren als Zinnober bestimmt. Dies bestätigt frühere Analysen, welche eine häufige Verwendung dieses Farbstoffes im Bestattungsbrauch nahelegten.
Förderung: DFG • Leitung des Projekts: H. Parzinger,Th. X. Schuhmacher
(Forschung) • Mitarbeiter: A. Banerjee (Gruppe INCENTIVS, Institut für
Geowissenschaften der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz) • Abbildungsnachweis: Museu Nacional d’Arqueologia, Lissabon Inv. Nr. 985.47.30,
Th. X. Schuhmacher (Abb. 15); Museu Nacional d’Arqueologia, Lissabon Inv.
Nr. MNA 2839, Th. X. Schuhmacher (Abb. 16).
Los Castillejos de Alcorrín (Spanien)
Die befestigte Siedlung von Los Castillejos de Alcorrín liegt im unmittelbaren Hinterland der südspanischen Mittelmeerküste am Westrand der Provinz
Málaga, nur 25 km westlich von Gibraltar. Hier, an der Nahtstelle zwischen
dem afrikanischen und dem europäischen Kontinent, ist die lokale Geschichte
von Beginn an durch überregionale Kontakte beeinflusst, die seit dem späten
9. Jh. v. Chr. durch das Wirken der Phönizier erstmals kontinuierlich wurden.
Phönizische Niederlassungen in Form kleiner Faktoreien an den Flussmündungen und günstigen Anlegestellen wurden zu Hafen- und Umschlagplätzen, wo
mediterrane Seerouten auf die Verbindungswege zum Hinterland trafen. In
dem unmittelbaren Hinterland und damit im direkten Einflussbereich zu den
phönizischen Siedlungskammern nimmt die einheimische, endbronzezeitliche
Siedlung Alcorrín eine dominante Stellung ein. Ihre Lage und Größe sowie die
Mächtigkeit ihrer Befestigung und nicht zuletzt auch die guten Erhaltungsbedingungen machen Alcorrín zu einem vielversprechenden Forschungsobjekt
für Fragen nach den ersten Kontakten zwischen der einheimischen und der
phönizischen Bevölkerung in dieser archäologisch bisher nicht ausreichend
erforschten Region. Die 2005 hier begonnenen deutsch-spanischen Forschungen fügen sich in die neue Linie der Phönizierforschung der Abteilung,
zu der ebenfalls das Projekt Mogador (s. hier S. 206–208) und öffentliche Veranstaltungen wie der internationale Kongress in Rom gehören (s. hier S. 95 f.)
und an der auch die Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen
und die Abteilung Rom des DAI beteiligt sind.
Zu der diesjährigen Kampagne gehörten geophysikalische Prospektionen,
paläogeographische Studien sowie eine Ausgrabung. Die Ergebnisse der geo-
204 Jahresbericht 2007 des DAI
magnetischen Untersuchungen lassen den Verlauf der inneren Befestigung erkennen (Abb. 17): Ein 1,60 m tiefer Graben und eine anschließende Mauer
ziehen an der Westfront des inneren Plateaus entlang. Zwei Unterbrechungen
belegen Zugänge zu dem ›akropolenartig‹ abgesetzten Zentralareal; Strukturen, die in regelmäßigen Abständen und im rechten Winkel an die Innenseite
der Mauer stoßen, erinnern an Kasematten. Zu den schon vor zwei Jahren festgestellten mehrräumigen Bauten auf dem Plateau sind zwei weitere erkannt
worden, einer von ihnen liegt in unmittelbarer Nähe des südlichen Zuganges.
Unter den anderen Ergebnissen der Geophysik ist ein rechteckiger Bau an der
Nahtstelle der inneren mit der äußeren Befestigung. Erwähnt sei schließlich
noch ein Graben, der außerhalb der mit Bastionen versehenen Westfront verläuft. Die Ergebnisse der archäologischen Sondagen betreffen zum einen das im
Vorjahr bereits angeschnittene Gebäude (Schnitt A, D und E) mit dem prunkvollen, mit Muscheln gepflasterten Eingangsbereich (Abb. 18). Dem rechteckigen, dreigeteilten Bau schließen sich nach Osten hin weitere Räume an. Eine
Zweiphasigkeit ist zu beobachten. Die Funde sind spärlich, doch aussagefähig:
Vorratsgefäße, vor allem an der Außenseite des Gebäudes, sowie Schalen und
Schüsseln belegen die Zugehörigkeit zu der letzten Phase der Endbronzezeit.
Hervorzuheben, wegen seiner Bedeutung hinsichtlich des Ausmaßes der Beziehungen bzw. der Integration zwischen Einheimischen und Phöniziern, ist
ein Fund aus dem Innenraum: Es handelt sich um das Fragment eines endbronzezeitlichen Gefäßes (wohl Vorratsgefäß) mit phönizischen Graffiti (Abb. 19).
Den Aussagen der Experten zufolge sind es die ältesten aller bisher von der Iberischen Halbinsel bekannten Graffiti – ihre Vergleiche führen in das frühe 9. Jh.
v. Chr. zurück. Mit Schnitt C wurde der innere Befestigungsgraben bis zu der
Sohle ausgegraben und auch im Bereich der Mauer wurde tiefer gegraben, so
dass sich zum anderen ein erstes Gesamtbild der Fortifikation zeigt. Mit Schnitt
F wurde ein Bau untersucht, der die Nahtstelle zwischen der inneren und der
äußeren Befestigungsmauer fortifikatorisch besonders hervorhebt, doch die
Arbeiten beschränkten sich in diesem Bereich auf ein Anfangsstadium.
Zu betonen sind erstmals für diesen Fundplatz vorliegende 14C-Daten, die
an Holzkohlen und Tierknochen vorgenommen wurden. Sie liefern Anhalts-
Abb. 17 Los Castillejos de Alcorrín
(Spanien), innerer Graben der endbronzezeitlichen Befestigung
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Madrid 205
19
Los Castillejos de Alcorrín (Spanien)
Abb. 18
Gebäude im Zentrum der befestigten Anlage
Abb. 19 Fragment eines handgemachten, endbronzezeitlichen
Vorratsgefäßes mit phönizischen Graffiti (M. 1 : 2)
18
punkte für den Beginn der Siedlungs- und Befestigungsanlage um die Wende
des 9. zum 8. Jh. v. Chr.
Kooperationspartner: Centro de Estudios Fenicios y Púnicos, Madrid;
Gemeinde Manilva (Málaga) • Leitung des Projekts: D. Marzoli; Kodirektion:
C. González Wagner; Subdirektion: J. Suárez Padilla • Mitarbeiter: C. León
Martín (Manilva), F. López Pardo, E. López Rosendo, V. Peña Romo, M. Torres
Ortiz (Centro de Estudios Fenicios y Púnicos, Madrid), E. A. Arjona Quintero,
F. J. Paizal González (Universität Málaga), N. Beckmann (Römisch-Germanisches Zentralmuseum Mainz), N. M. Calle Loureiro (Universität Distancia
Madrid), H. Domínguez del Triunfo, V. García Coca (Universität Complutense
Madrid), D. Godoy Ruiz (Universität Granada), K. Thömel (Fachhochschule
für Technik und Wirtschaft Berlin), J. Fernández (Zeichenarbeiten), D. Mielke,
R. Neef (Archäobotanik), J. Patterson (Photographie), H.Thiemeyer (JohannWolfgang-Goethe-Universität Frankfurt a. M., Georgaphie) • Abbildungsnachweis: D. Mielke (Abb. 17–19).
AA-2008/1 Beiheft
206 Jahresbericht 2007 des DAI
Mogador (Marokko)
Vor der südmarokkanischen Atlantikküste am Nordrand der großen Meeresbucht von Essaouira liegt die kleine Insel Mogador. Sie ist nach unseren heutigen Kenntnissen der entlegenste phönizische Außenposten. Auf ihr richteten
phönizische Seefahrer um die Mitte des 7. Jhs. v. Chr. eine Faktorei ein. Sie nutzten damit an der wenig gegliederten marokkanischen Atlantikküste einen der
wenigen Ankerplätze, wo zudem ein Fluss mündet, dessen Verlauf einen Handelsweg ins Innere dieses Kontinentes vorgab. Hier treffen Seehandelswege auf
Karawanenrouten. Die heute unbewohnte Insel ist 500 m lang, 400 m breit
und an ihrer höchsten Stelle 23 m hoch.
Mogador zog schon früh das archäologische Interesse auf sich. Es ging dabei
vor allem um den Versuch, dieses Eiland mit den von Plinius d. Ä. überlieferten
Purpurinseln zu identifizieren. Seit den marokkanisch-französischen Ausgrabungen der 1950er Jahre haben sich die Methoden der archäologischen For-
Abb. 20 Mogador (Marokko), neu
erstellter Plan mit 1-Meter-Höhenlinien.
Grün markiert sind die archäologisch untersuchten Areale (M. 1 : 7500)
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Madrid 207
Abb. 21 Mogador (Marokko), Profil
des Schnittes F im Bereich des ›Tetre‹ im
Südsektor der Insel
Abb. 22 Mogador (Marokko), Keramikfunde aus den frühen Schichten der phönizischen Niederlassung. R1-Amphoren,
Schalen und Teller der phönizischen sog.
Roten Ware, handgemachte Gefäße
AA-2008/1 Beiheft
schung verfeinert und die Kenntnisse um die phönizisch-punische Geschichte
erweitert, auch die Untersuchungsmöglichkeiten haben sich weiterentwickelt.
Neue Ausgrabungen auf der Insel wurden damit zu einem Forschungsdesiderat. Mit dem neuen deutsch-marokkanischen Projekt und den thematisch eng
verbundenen Arbeiten in Los Castillejos de Alcorrín (s. o.) startete die Abteilung Madrid des DAI 2005 einen Neubeginn der hier angesiedelten Phönizierforschung, die sinnvoll nun auch gemeinsam mit der Afrikaforschung der
Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen des DAI durchgeführt wird (s. auch hier S. 303–306) und in das Forschungscluster 3 »Politische
Räume« des DAI eingebunden ist. Das neue Projekt ist interdisziplinär angelegt und umfasst ein weites Territorium, das außer der Insel auch das Festland
mit einschließt. Außer Archäologen sind u. a. Geographen, Archäobotaniker
und Archäozoologen sowie Restauratoren daran beteiligt.
Im letzten Jahr wurden mit interdisziplinären Methoden die Vorbereitungen
der diesjährigen Grabungen auf der Insel begonnen. So konnten fünf Schnitte
in dem südwestlichen Bereich der Insel angelegt werden, die geophysikalischen
Messungen weiter ausgedehnt, die geoarchäologischen Untersuchungen fortgeführt, die Vermessung der Insel abgeschlossen und paläobotanische Studien
begonnen werden (Abb. 20).
Eine bedeutende Erkenntnis ist der durch die Geographen erbrachte Beleg,
dass Mogador in phönizischer Zeit keine Insel, sondern eine Halbinsel war. Die
Rekonstruktion der antiken Landschaft lässt eine Siedlungskammer erkennen,
die für ›koloniale‹ Niederlassungen kennzeichnend ist.
Während sich die Interpretation der geophysikalischen Ergebnisse der Kampagne im Vorjahr als falsch erwies und die Ausgrabung der Schnitte A–C keine
antiken Strukturen erbrachte, verliefen die Ausgrabungen der Schnitte D–F erfolgreich (Abb. 21. 22). Es fanden sich bis zu 1,50 m starke intakte phönizischpunische Schichten: Über dem gewachsenen sandigen Boden ließen sich in
einer bis zu 120 cm hohen Abfolge mehrere neben- und übereinander gelegene Feuerstellen beobachten, die aufgrund der phönizischen Keramikfunde
um die Mitte des 7. Jhs. v. Chr. datiert sind. Für ihre genauere chronologische
Zuordnung muss vor allem die Auswertung der zahlreichen Holzkohlereste abgewartet werden. Unmittelbar über diesem Horizont folgt eine kompakte, mit
Kieseln durchsetzte Schicht mit phönizischer Keramik der 2. Hälfte des 7. Jhs.
v. Chr. sowie mit zahlreichen Tierknochen, Muscheln und Schnecken. Bei der
Keramik überwiegen phönizische R1-Amphoren, deren Herkunft nach Aussage der Magerung und Brandtechniken vor allem an der Meeresenge von Gi-
208 Jahresbericht 2007 des DAI
braltar (›circulo del Estrecho‹) zu suchen ist. Handgemachte Gefäße begegnen
in geringer Anzahl seit dem ältesten Horizont, wo sie mit phönizischer Keramik vergesellschaftet sind. Über den phönizischen Schichten folgen Störungen, die auf den Bau der prunkvollen Villa aus der Zeit Juba II. zurückzuführen
sind.
Für die phönizische Zeit belegen die neuen Ergebnisse, dass zu den ersten
auf der Insel archäologisch nachweisbaren Einrichtungen offenbar ein sakraler
Bereich zählte, in dem die Göttin Astarte verehrt wurde (Abb. 23). Die Befunde
der diesjährigen Kampagne legen zudem nahe, dass die riskanten und nur mit
einer gesicherten Infrastruktur durchführbaren Fernfahrten sowie die Gründung der Niederlassung, Erschließung und Nutzung dieses entfernten Raumes
vermutlich von Gadir/Cádiz ausgingen. Die Funde bezeugen darüber hinaus
phönizische Händler, spezialisierte Fischer, Handwerker, den Austausch mit
den Einheimischen, die Einführung neuer Techniken und Sitten, neuer Handelsformen und Werteinheiten (eiserne Obeloi). Die Halbinsel selbst bot keine
ausreichenden Ressourcen, es fehlte außerdem an Süßwasserquellen, sogar Zisternen sind für die phönizische Zeit nicht nachgewiesen. Die Existenz dieses
Platzes hing damit von der Versorgung und dem Handel mit den Bewohnern
des Festlandes ab. Der Sinn und Zweck der fernen phönizischen Niederlassung
liegt im Kontakt und im Austausch mit der lokalen Bevölkerung dieser fernen
Gegend. Daher sind die Untersuchungen nicht nur auf die Insel konzentriert,
sondern umfassen auch das nahe Festland bzw. ein Areal, das in etwa der Provinz Essaouira entspricht (s. auch hier S. 303–306).
Abb. 23 Mogador (Marokko), Lampe der
›Roten Ware‹ mit phönizischen Graffiti
(M. 1 : 1)
Abb. 24 Mogador (Marokko), Team
der deutsch-marokkanischen Grabungsmannschaft. Ende November auf der Insel
Mogador
Kooperationspartner: Institut National des Sciences de l’Archéologie et du
Patrimoine (INSAP), Rabat (A. Akerraz, A. El Khayari); DAI, Kommission für
Archäologie Außereuropäischer Kulturen • Förderung: Landesmuseum Württemberg, Stuttgart • Leitung des Projekts: D. Marzoli, A. El Khayari • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: A. El Bertei, H. Hassini, A. Ichkahakh, O. Meddah,
D. Mielke, C. Pohl Thiblet, R. Pozo, C.Tappert (Archäologie), H. Brückner, J. Lucas, D. Brill, L. Uncu (Geoarchäologie), R. Neef (Archäobotanik), C. Meyer,
E. Schönherr (Geophysik), Chr. Hartl-Reiter (Vermessung), J. Fernández
(Zeichenarbeiten), E. Sulzer, W. Bernhard (Restaurierung), H.-P. Wittersheim
(Photographie) • Abbildungsnachweis: Chr. Hartl-Reiter (Abb. 20); Zeichnung, J. Fernández (Abb. 21–23); DAI, Abteilung Madrid (Abb. 24).
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Madrid 209
Zwischen Puig de Sant Andreu und Illa d’en Reixac (Spanien), der Grenzraum
zwischen zwei iberischen Oppida
Ziel dieser interdisziplinären Studie ist es, die paläogeographische Situation vor,
während und nach der iberischen Besiedlung des Puig de Sant Andreu und der
Illa d’en Reixac (Ullastret, Girona) zu rekonstruieren (Abb. 25). Dabei ist außerdem die Frage der Anbindung an das Meer zu klären. Schließlich wird die
Genese, Gestalt und Nutzung des Raumes zwischen den beiden voneinander
nur 500 m entfernten iberischen Oppida Puig de Sant Andreu und Illa d’en
Reixac untersucht.
In diesem Jahr konzentrierten sich die Arbeiten auf die geoarchäologische
Studie im Umfeld der iberischen Siedlungen auf dem Puig de Sant Andreu sowie der Illa de’n Reixac.
In der Senke zwischen dem Puig de Sant Andreu und der Illa d’en Reixac
wurden neun Bohrungen abgeteuft. Als Orientierung dienten die Ergebnisse
der im Vorjahr durchgeführten geophysikalischen Messungen. So liegt die Bohrung Ull 11 innerhalb der mittels Geomagnetik entdeckten, als Mauerreste interpretierten Strukturen. In einer Schicht direkt über dem Festgestein wurden
iberische Siedlungsschichten erbohrt. Sie stützen die aufgrund der geophysikalischen Befunde geäußerte Vermutung, dass die Siedlung der Iberer weiter nach
Osten reichte als bisher bekannt war. Die nordöstlich anschließenden Bohrungen Ull 12 und 13 erlauben Aufschluss über die schwankenden Ausdehnungen
Abb. 25 Iberische Siedlungskammer bei
Ullastret (Spanien)
AA-2008/1 Beiheft
210 Jahresbericht 2007 des DAI
Abb. 26 Ullastret (Spanien), Bohrung Ull 1
im Bereich der Illa d’en Reixac. Im Hintergrund ist der Puig de Sant Andreu zu sehen
des ehemals vorhandenen Sees und der Siedlungsfläche. So enthielt auch Ull 12
zahlreiche iberische Keramik- und Bausteinfragmente. Eine genaue Charakterisierung der Ablagerungsmilieus kann erst erfolgen, wenn Ergebnisse der
Mikrofossilanalyse vorliegen, da schluffige Ablagerungen im Siedlungsbereich
sowohl von Überschwemmungen als auch von den zerflossenen Lehmziegeln
der Häuser stammen können. Am südwestlichen Rand der Illa de’n Reixac
wurde eine Bohrung innerhalb der bereits freigelegten Siedlungsreste aus iberischer Zeit abgeteuft. Weil die damaligen Ausgrabungen infolge des hohen
Grundwasserstandes die Basis der südlichen Befestigungsmauer nicht erreichen
konnten und nur bis 4 m unter Flur reichten, zielte die Bohrung Ull 4 darauf
ab, die Sedimentschichten bis zum anstehenden Festgestein zu verfolgen. Von
der Geländeoberfläche aus gemessen war das neogene Grundgestein in 6,18 m
Tiefe zu erreichen, Artefakte sind bis 4,30 m unter der Geländeoberfläche zu
finden. Sie können alle in die iberische Epoche datiert werden. Darunter schließen sich etwa 2 m mächtige Ablagerungen eines Sees an.
Die Bohrungen Ull 1 und 6 befinden sich auf der bereits mit Georadar prospektierten Traverse zwischen Puig de Sant Andreu und Illa d’en Reixac (Abb.
26. 27). Ull 1 liegt auf einer geophysikalischen Anomalie, die als gröbere Sedimente einer Flussrinne gedeutet wurden. Damit konnte erstmals aufgrund se-
Abb. 27 Ullastret (Spanien), Bohrkern von
Ull 1 mit Interpretation der sedimentären
Fazies
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Madrid 211
Abb. 28 Ullastret (Spanien), Profil der
Bohrung Ull 4 am Südrand der Illa d’en
Reixac
dimentologischer Evidenz der See von Ullastret nachgewiesen werden. Ab ca.
5 m u. F. wird diese Schicht durch eine Wechsellagerung aus Hochflutlehmen, limnisch-sumpfigen und fluvialen Sedimenten überdeckt. Die fluvialen
Sedimente deuten wegen ihrer Korngrößen auf eher kleine fluviale Rinnen
hin; ihre geringe Tiefe spricht auch ohne vorliegende 14C-Daten für ein neuzeitliches Alter. Marine Ablagerungen eines möglichen Meeresvorstoßes während der maximalen holozänen Transgression vor etwa 6000 Jahren sind in der
Senke von Ullastret nicht nachzuweisen. Die in Bohrung Ull 2 erreichte Tiefe von ca. 3 m unter dem heutigen Meeresspiegel sollte eigentlich für diesen
Nachweis ausreichen. Allerdings steht die Mikrofossilanalyse noch aus. Offenbar kam die Transgression nördlich der Illa d’en Reixac zum Stillstand, eine
Ansicht, die auch in der Literatur vertreten wird. Die geringe Tiefe der Oberfläche des Festgesteins in Bohrung Ull 9 weist darüber hinaus auf eine Schwelle im Untergrund nördlich der Illa d’en Reixac hin, die das Fehlen mariner
Ablagerungen in der Senke von Ullastret erklärt.
Zusammengefasst belegen die aktuellen geoarchäologischen Sondierungen
im Umfeld von Ullastret eine größere Ausdehnung der iberischen Siedlungen
auf dem Puig de Sant Andreu (weiter nach Osten) sowie der Illa d’en Reixac
(weiter nach Südwesten) als aufgrund der bisherigen Ausgrabungen bekannt
war (Abb. 28). Diese Randbereiche der Siedlungshügel konnten erst besiedelt
werden, nachdem sich der vorher dort existierende See (in dessen obersten
Sedimenten erste archäologische Materialien zu finden sind) zurückgezogen
hatte. Größere antike Flussläufe konnten bislang nicht nachgewiesen werden,
lediglich einige neuzeitliche Rinnen, die von Nebenflüssen des Daró stammen.
Marine Ablagerungen wurden in der Senke von Ullastret nicht erbohrt. In der
östlich angrenzenden Küstenebene zeigt sich dagegen die fazielle Abfolge (von
unten nach oben): marine Sande, lagunäre und limnische Sedimente sowie
Hochflutlehme.
Das Ullastret-Projekt ist in das Forschungscluster 3 »Politische Räume« des
DAI eingebunden.
Kooperation: Ma. A. Martín i Ortega (Servei d’Arqueología Girona) •
Leitung des Projekts: D. Marzoli • Mitarbeiter: H. Brückner, D. Brill, L. Uncu
(Fachbereich Geographie Philipps-Universität Marburg) • Abbildungsnachweis: H. Brückner, D. Brill (Abb. 25–27).
AA-2008/1 Beiheft
212 Jahresbericht 2007 des DAI
Tharsis (Spanien)
Wirtschaftsweise, Gesellschaft und Kultur in der Kontaktzone zwischen der
Küste und dem Hinterland des hispanischen Südwestens zur mittleren Eisenzeit (5.–4. Jh. v. Chr.) sind Gegenstand dieses Projektes.
Das vergleichend angelegte Projekt sieht Forschungen in Tharsis selbst und
in zwei weiteren Siedlungen des Umlandes vor, Castro Cerquillo sowie Cerro
de la Divisa, die alle in Sichtweite voneinander liegen. Es hat zum Ziel, das Minenzentrum Tharsis, als einzige der großen Minen des Iberischen Pyritgürtels,
deren Zustand noch Untersuchungen am antiken Befund erlaubt, in seinem
Verhältnis zum Umland zu untersuchen, wobei die Fragestellung mannigfaltige
Aspekte enthält. Neben Aspekten der Technik gilt das Interesse vor allen Dingen der Problematik von Zentrum (Tharsis) und Peripherie (Castro Cerquillo,
Cerro de la Divisa), zumal zwischen Tharsis und seinem Umland offensichtlich eine Kulturgrenze verläuft. Während nach dem Befund in Tharsis selbst
ausschließlich punisch-turdetanische Keramik zutage kam, findet sich in den
beiden Orten des Umlandes verhältnismäßig viel handgemachte Keramik, die
gewöhnlich als ›keltisch‹ angesprochen wird. Inwiefern partizipiert das (keltische) Umland an dem Metallreichtum (Silber und Kupfer)? Welche Verbindungen bestehen? Welcher Art sind diese?
Begonnen wurde im Vorjahr mit den Forschungen im Castro Cerquillo,
wo sowohl der topographische Plan erstellt als auch die geophysikalische Untersuchung durchgeführt werden konnten. Auf dieser Grundlage wurden drei
Schnitte abgesteckt (Abb. 29).
Abb. 29 Tharsis (Spanien), Castro
Cerquillo. Plan mit Angabe der diesjährigen Schnitte
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Madrid 213
31
Tharsis (Spanien), Castro Cerquillo
Abb. 30
Blick auf die Grabung
Abb. 31
Amphorenscherben in situ
30
Schnitt A (4 m × 10 m) liegt an höchster Stelle bei der Spitze des Hügels in
einem Bereich, der nach den geophysikalischen Untersuchungen eher kleinteilige Bebauung zu zeigen schien. Die Anomalien großer dunkler Flecken wurden dem entsprechenden Bericht zufolge als mögliche Schlackenhaufen oder
Öfen gedeutet. Die Grabung bestätigte die kleinteilige Bebauung: Rechteckbauten liegen dicht an dicht, netzartig überziehen die Mauern das recht steil
abfallende Gelände und folgen überraschenderweise nicht unbedingt den Höhenlinien, wie man vorderhand vielleicht erwarten würde.
Schnitt B (10 m × 30 m) liegt tiefer am Hauptabhang des Hügels. Mehrere
Mauern ziehen parallel über den gesamten Schnitt, einigermaßen parallel zu
den Mauern aus Schnitt A. Zwischen den Mauern liegen besonders oben am
Hang Steinverstürze (Abb. 30). Ihre Menge erscheint gering, obwohl natürlich
mit einem Schwund zu rechnen ist, da hier früher im Zuge der Beackerung
des Grundstücks Steine beseitigt wurden. Aus den Beobachtungen ergibt sich,
dass die Mauern aus den örtlich anstehenden Schieferplatten nur einen Sockel
aus Stein hatten. Das Aufgehende bestand aus Lehm, der zerflossen ist und als
gelbe Schicht allenthalben die Grabungsfläche bedeckt. An den Außenseiten
dieser Mauerzüge, innen wie außen, haben sich gelegentlich noch verkeilte
Steine erhalten, die sicher zur Aufnahme von Pfosten dienten, mit denen die
Dächer der Gebäude gestützt wurden. Die Mauern gehören zu Gebäuden,
dazwischen verläuft ein geführter Weg.
Schnitt C (5 m × 17 m) wurde dort angelegt, wo die Geophysik einen halbrunden Mauerzug zeigte. Der Grundriss ist auffällig, weil unerwartet, Ergebnisse liegen aufgrund der noch andauernden Arbeiten bislang nicht vor.
Die geschilderte Schlacke liegt im Bereich der Hügelspitze an der Oberfläche, in den Schnitten selbst hat sie sich bislang nicht gefunden.
AA-2008/1 Beiheft
214 Jahresbericht 2007 des DAI
Zusammenfassend erscheint die Regelmäßigkeit der Siedlungsanlage überraschend, die von einer lenkenden Hand bei der Planung der Siedlung Zeugnis
zu geben scheint. Die Mauern sind recht einheitlich ausgerichtet – ungeachtet
des Verlaufs der Höhenlinien. Die Funde, namentlich Keramik und Fibeln,
deuten auf einen Zeitraum des späten 5. und 4. Jhs. v. Chr. Das Bild der Fundkeramik wird bestimmt von punischen Amphoren und sog. keltischer Keramik
sowie handgemachten Gefäßen, die der Haushalts- und Kochkeramik zuzurechnen sind; sog. turdetanische Keramik ist selten. Zwei Begehungshorizonte,
einer in Schnitt A und einer in Schnitt B, sind von Amphorenscherben übersät
(Abb. 31), es handelt sich wohl um Lagerräume. Der Befund kann dahingehend
verstanden werden, dass die Siedlung fluchtartig verlassen wurde.
Kooperationspartner: Universität Huelva (J. A. Pérez Macías); Museo de
Cerro de Andévalo • Leitung des Projekts: Th. G. Schattner • Mitarbeiter: Chr. Hartl-Reiter, J. Patterson • Abbildungsnachweis: DAI, Abteilung
Madrid, Chr. Hartl-Reiter, B. Dziekan (Abb. 29); DAI, Abteilung Madrid,
J. Patterson (Abb. 30. 31).
Die Romanisierung einheimischer Heiligtümer im Westen der Iberischen Halbinsel
Mit den beiden nachfolgenden Grabungsprojekten sollen den über 100jährigen Forschungen der Textwissenschaftler (Epigraphiker, Althistoriker, Religionswissenschaftler) Ergebnisse gegenübergestellt werden, die auf archäologischem Wege gewonnen worden sind. Auf diese Weise kann das bestehende
Bild der einheimischen Heiligtümer, die nahezu ausschließlich in ihrer romanisierten Form auf uns gekommen sind, abgerundet, ergänzt und differenziert
werden. Die Konzentration auf den Westen der Pyrenäenhalbinsel ergibt sich
daraus, dass allein dort Inschriften in ausreichender Zahl erhalten sind, welche
zu dieser Fragestellung befragt werden können.
I. São Miguel da Mota (Portugal): Die Kampagne war die fünfte und letzte im
Rahmen des ersten Projektantrags, der für den Zeitraum von 2002 bis 2007 genehmigt worden war. Die Grabung konzentrierte sich auf den oberen Nordostabhang des Hügels São Miguel da Mota, wo angesichts einer dünnen Erdschicht über dem anstehenden Fels ohne viel Aufwand große Flächen aufgedeckt werden konnten (Abb. 33). Das Ziel bestand zum einen in der Erkundung der Ausdehnung der area sacra und zum anderen darin, Fundamente von
römischen Gebäuden und Anlagen festzustellen, die zum Heiligtum gehörten;
denn diese waren bisher zwar durch Funde von Dachziegeln, nicht aber durch
Fundamente oder andere Geländebefunde beobachtet worden.
Wie vermutet wurde der anstehende Schiefergrund bereits nach maximal
20–30 cm Abtragung erreicht. In Anbetracht der geringen Dicke dieser Erdschicht waren großformatige Funde nicht zu erwarten. Gleichwohl ist auf den
Fund eines Büstenfragments (Abb. 32) und auf andere Fragmente mehr zu verweisen, durch welche die Zahl der aus dem Heiligtum stammenden Werke der
römischen Plastik auf annähernd 80 Katalognummern ansteigt. Bei den Funden
handelt es sich insofern um Streufunde, als diese aus keinem Zusammenhang
stammen, außer gelegentlich einem stratigraphischen, der jedoch in keinem Fall
rein römisch ist. Signifikant nimmt die Funddichte ab, je weiter der Schnitt von
der Spitze der Hügelkuppe entfernt liegt, wie anhand der Fundausbeute aus
den Schnitten 10e–h deutlich wird, die annähernd fundleer waren. In Hinblick
auf möglicherweise römische Anlagen konnte nur ein Bauwerk in Schnitt 10d
teilweise festgestellt werden, von dem ein L-förmiger Mauerzug erhalten ist.
Die übrigen baulichen Anlagen gehören zu dem kupferzeitlichen Castro, das
bereits im vergangenen Jahr entdeckt worden war, seine spärlichen Reste liegen an den Abhängen unterhalb der Gipfelplattform. Es handelt sich offenbar
Abb. 32 São Miguel da Mota (Portugal),
Büstenfragment
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Madrid 215
33
34
São Miguel da Mota (Portugal)
Abb. 33
Blick über die Grabung
Abb. 34 Überblick über die kupferzeitlichen Maueranlagen
AA-2008/1 Beiheft
um die Überreste von zwei Mauerringen sowie einer rundlichen Bastion, die
hangabwärts vor dem äußeren Mauerring liegen (Abb. 34). Drei im Bereich
des Castros beobachtete Silos dürften zu diesem gehören. Dem keramischen
Befund zufolge war das Castro nur kurzzeitig über einen Zeitraum von vielleicht zwei Jahrhunderten in der frühen Kupferzeit besiedelt (1. Hälfte des
3. Jts. v. Chr.). Mit dem römischen Heiligtum des Endovelicus besteht kein
Zusammenhang.
II. Cabeço das Fráguas (Portugal): Die Testkampagnen des vergangenen Jahres
am Fuß des Bergs (Sektor A) und auf dem Gipfel (Sektor B) hatten durchaus
unterschiedliche Ergebnisse erbracht. Während sich die Erwartungen im Sektor A, die auf 14 dort in den 1950er Jahren beobachteten Altären basierten, in
keiner Weise erfüllten, da in den ausgedehnten Flächengrabungen so gut wie
keine römischen Überreste angetroffen wurden, erwiesen sich die beiden Testschnitte im Sektor B als erheblich ergiebiger. Sie zeigten eine durchgehende
Besiedlung des Gipfelplateaus ab der späten Bronzezeit (6. Jh. v. Chr.) sowie
durch die Eisenzeit (6.–1. Jh. v. Chr.) hindurch an. Römische Zeugnisse fehlten
jedoch, so dass sich in Hinblick auf das durch die Inschrift (s. AA 2007/2, 286
Abb. 16) belegte römische Sanktuarium zeitliche Konstellationen einerseits
eines Heiligtums ohne Siedlung und andererseits einer Siedlung ohne Heiligtum ergaben.
Diese Aporie konnte durch die diesjährige Kampagne durchbrochen werden.Wichtigstes Ergebnis ist die Feststellung einer durchgehenden Besiedlung
des Plateaus bis in die römische Zeit hinein. Mehr als die Keramik bilden die
Reste von Drehmühlen die Beweisstücke, welche bekanntlich erst ab römischer Zeit in Hispanien üblich werden (Abb. 35). Allerdings ist die Besiedlung
nach Ausweis der Fundkeramik nicht gleichmäßig dicht, sondern geht im Laufe
216 Jahresbericht 2007 des DAI
der Zeit zurück. So bilden die Scherben der späten Bronzezeit/frühen Eisenzeit (6. Jh. v. Chr.) den weitaus größten Anteil, während die Menge der jüngereisenzeitlichen Scherben geringer ist und diejenige der römischen sehr gering.
Es ist nach derzeitigem Wissensstand damit zu rechnen, dass die Siedlung kaum
bewohnt war in der Periode, in der das Heiligtum funktionierte. Sollte sich
diese Beobachtung durch die Forschung auch in Zukunft bestätigen, läge mit
dem Cabeço das Fráguas ein weiteres Beispiel für diesen Fall vor, der ja bereits
durch unsere Arbeiten im Heiligtum des deus lar Berobreus auf dem Monte do
Facho in Galicien begegnete (s. die Berichte der vergangenen Jahre): Römerzeitliche Heiligtümer des hispanischen Nordwestens und Westens werden in
den Ruinen von aufgelassenen Siedlungen eingerichtet.
Die Grabung wurde als Flächengrabung angelegt, insgesamt konnten während der Kampagne gut 150 m2 aufgedeckt werden (Abb. 36). Es zeigten sich
zwei bauliche Phasen. Zuunterst (und damit älter) befinden sich Rundhäuser,
von denen zwei in der Grabung teilweise zutage kamen. Eines der Häuser ist
mit knapp 8 m Durchmesser auffallend groß und besitzt im Inneren, aber auch
außen kleinere Konstruktionen, welche vermutlich Bänke und Anbauten darstellen. Das andere Rundhaus hat mit etwa 5 m Durchmesser Normalformat.
An seiner südöstlichen Außenseite sind zwei der charakteristischen L-förmigen Mauerzüge zu erkennen, die als Anbauten für eisenzeitliche Häuser des
hispanischen Nordwestens kennzeichnend sind. Allgemein ist die Beobachtung
von Rundhäusern soweit südlich im Lande bemerkenswert, da das Rundhaus
üblicherweise als eine Erscheinung des hispanischen Nordens gilt. Zwischen
diesen Rundhäusern beherrschen Freiflächen das Bild, wobei Platten auffällig
sind, welche in einigermaßen regelmäßigem Abstand liegen und eine Reihe
bilden (Abb. 37). Bei den Platten handelt es sich sowohl um verlegte Platten
wie auch um anstehende Felsen des Untergrundes, deren ebene Oberflächen
wohl als Laufflächen genutzt wurden. Das Material ist der anstehende Granit,
die Platten sind amorph und weisen eine durchschnittliche Größe von etwa
1 m2 auf. Interessant ist, dass die Platten eine in ihrem Verlauf möglicherweise
abknickende Reihe zu bilden scheinen. Zu dieser Plattenreihe passt eine weitere Reihe von unterschiedlich großen Granitsteinen, welche in schiefem Winkel zu der Plattenreihe aufgestellt waren. Die meisten wurden in Schieflage
Abb. 35 Cabeço das Fráguas (Portugal),
römische Drehmühlen
Abb. 36 Cabeço das Fráguas (Portugal),
Sektor B. Steinplan
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Madrid 217
Abb. 37 Cabeço das Fráguas (Portugal),
Sektor B. Gesamtansicht der Mauern
AA-2008/1 Beiheft
angetroffen, einige jedoch noch stehend. Diese Steinreihe befindet sich nun auf
einem höheren Niveau über den geschilderten Rundhäusern, ist daher später
und setzt die Abtragung dieser Häuser bis auf das erhaltene Fundamentniveau
voraus. Wenn die Häuser aufgrund der großen Menge an Fundkeramik wohl
spätbronzezeitlich bis eisenzeitlich datiert werden dürfen, muss die Datierung
der erwähnten Steinreihe später sein. Ob auch die Plattenreihe entsprechend
spät datiert werden muss, bleibt allerdings zu klären. Diese kann sehr wohl auch
zeitgleich mit den Rundhäusern entstanden und in späterer Zeit weiterhin
genutzt worden sein. Aufgrund der mehr oder minder genau auf die Inschrift
weisenden Ausrichtung der beiden Reihen ergibt sich ein Zusammenhang mit
dieser. Es könnte sich um eine Art Plattenweg handeln, der auf die Inschrift
zuläuft und von einer Steinreihe gesäumt wird, welche aber nicht parallel zu
den Platten gesetzt ist. Die weitergehende Aufdeckung wird möglicherweise
weitere Klarheit erbringen.
Kooperationspartner – São Miguel da Mota (Portugal): Universität Lissabon
(C. Fabião, A. Guerra) • Förderung: Instituto Português de Arqueología (IPA),
Lissabon • Leitung des Projekts: Th. G. Schattner • Mitarbeiter: A. Ferreira
Rocha, S. Estrela (Lissabon), J. Patterson, G. Saraiva (Portobelo) • Abbildungsnachweis: DAI, Abteilung Madrid, J. Patterson (Abb. 32–34).
Kooperationspartner – Cabeço das Fráguas (Portugal): Universität Lissabon
(C. Fabião, A. Guerra) • Leitung des Projekts:Th. G. Schattner • Mitarbeiter:
M. J. Santos, J. Patterson, J. Fernández • Abbildungsnachweis: DAI, Abteilung
Madrid, J. Patterson (Abb. 35. 37); Zeichnung, DAI, Abteilung Madrid,
J. Fernández (Abb. 36).
218 Jahresbericht 2007 des DAI
Abb. 38 Munigua (Spanien), Steinbruch
Mesa Verde mit Siedlung (M. 1 : 2000)
Munigua (Spanien)
Mit dieser Kampagne geht ein Forschungsprojekt dem Ende zu, das während
der vergangenen Jahre der Wirtschaftsgrundlage der hispano-römischen Stadt
Munigua in Andalusien gewidmet war. Eine ganze Reihe von Eigenheiten
zeichnet diese Stadt aus, die sie von den Hunderten der anderen römischen
Städte Hispaniens abgrenzt. Die Wirtschaft Muniguas, besonders die Minen
(Kupfer und Eisen) sowie Steinbrüche (Kalkstein), aber auch die Landwirtschaft dürften in ihrer Wertschöpfung mitbestimmende Faktoren gewesen
sein. Munigua war der größte Eisenproduzent der westlichen Baetica. Wie es
scheint, finden die geschilderten Eigenheiten nicht zuletzt in der Wirtschaft
dieser Stadt ihre Begründung.
Im Rahmen der Forschung zur Wirtschaftsgrundlage der Stadt wurde die
topographische Aufnahme von antiken Denkmälern fortgesetzt, namentlich
der römischen Steinbrüche, der Wege, Brücken und Gebäude. Südöstlich von
Munigua wurde in der Gemarkung Mesa Verde ein weiterer Steinbruch aufgemessen, der sich dadurch auszeichnet, dass Gebäudereste der entsprechenden
Siedlung zutage liegen (Abb. 38). An der Gleichzeitigkeit und an dem ZusamAA-2008/1 Beiheft
Abteilung Madrid 219
39 a
39 b
Abb. 39 a. b Munigua (Spanien), römische
Brücke im Gebiet der Steinbrüche von Mesa
Herrera
menhang besteht in jedem Fall kein Zweifel.Von einem Gebäude konnte der
Grundriss gezeichnet werden, es handelt sich um ein Haus mit großem Innenhof und seitlichen, länglichen Räumen. Ähnliche Grundrisse zeigen als Werkstätten angesprochene Gebäude in Munigua. In dieser Gemarkung wurden,
wie schon in den Vorjahren, eine ganze Menge an Mikrolithen wohl der mittleren bis späten Steinzeit aus Silex beobachtet, ein Gestein, das örtlich nicht
ansteht. Im Tal des Puerco, des wasserreichsten Baches der Gegend, wurde eine
gut erhaltene römische Brücke von 17 m Länge gefunden, die bislang völlig
unbekannt war (Abb. 39).
Nördlich von Munigua ist der Fund von Gebäuderesten bzw. einer Siedlung bei der Mine Navalázaro bemerkenswert, da aus dieser Mine das Eisenerz
Muniguas stammt. Es handelt sich um einfache rechteckige Häuser.
Kooperationspartner: Universität Huelva (J. A. Pérez Macías); Fa. Cobre
Las Cruces, Sevilla (G. Ovejero) • Leitung des Projekts: Th. G. Schattner •
Mitarbeiter: Chr. Hartl-Reiter • Abbildungsnachweis: DAI, Abteilung Madrid, Chr. Hartl-Reiter (Abb. 38. 39).
Mérida (Spanien), Römisches Theater und ›Marmorforum‹
Die antike Hauptstadt Lusitaniens, Colonia Augusta Emerita, liegt in der spanischen Extremadura ca. 350 km westlich von Madrid. Hier befinden sich das
bekannte römische Theater aus dem 1. Jh. v. Chr. sowie das sog. Marmorforum
(1. Jh. n. Chr.) mit seiner am Vorbild des römischen Augustusforums orientierten reichen statuarischen Ausstattung, darunter die bisher einmalige Marmorkopie der Aeneas-Gruppe.
Seit Frühjahr 2005 läuft ein Projekt zur Bauaufnahme und bauhistorischen
Untersuchung des römischen Theaters in Mérida, welches in diesem Herbst
durch die Erforschung des ›Marmorforums‹ erweitert werden konnte.
Untersucht werden Fragen zur städtebaulichen Entwicklung und Monumentalisierung der Stadt Mérida im Allgemeinen sowie Fragen zu der baugeschichtlichen Entwicklung der beiden Bauwerke im Detail und im Vergleich
untereinander, um jeweils eine relative Bauchronologie zu erarbeiten. Durch
die Bauaufnahme beider Bauwerke werden einzelne Bauphasen dokumentiert und so eine Rekonstruktion der baulichen Entwicklung beider Anlagen
ermöglicht.
AA-2008/1 Beiheft
220 Jahresbericht 2007 des DAI
Das römische Theater von Mérida ist seit den 1960er Jahren nahezu komplett wieder aufgebaut und gehört zu den am besten erhaltenen antiken Theatern auf der Iberischen Halbinsel (Abb. 40). Es handelt sich hierbei um einen
Theater-Peristyl-Komplex mit den Hauptelementen cavea (Zuschauerraum),
und Bühnengebäude mit reich dekorierter scaenae frons (Bühnenfassade) sowie
gestalteter Rückwand mit zugehöriger porticus (Säulenhalle) wie auch einem
sich dahinter anschließenden Peristyl und einem gestalteten Garten mit einer
dreiseitig umlaufenden und einst überdachten Säulenhalle zum Flanieren während der Pausen. Trotz einer fast 100jährigen Forschungsgeschichte fehlt eine
baugeschichtliche Untersuchung bis heute völlig. Aufgrund dieser neuen Untersuchungen können größere Bauphasen belegt werden, die hinsichtlich der
unterschiedlichen Hauptelemente in ihrer Größe und Anordnung zueinander
neue Erkenntnisse bringen.
Aus dem bisherigen Befund lässt sich folgern, dass die mit grauen Marmorsäulen und weißem Marmordekor gestaltete scaenae frons in der ersten Bauphase
komplett aus Granit aufgebaut gewesen sein muss.
Ferner bieten Abarbeitungsspuren an den Seitenflächen unterhalb des Tonnengewölbes der beiden Eingänge zum Wandelgang der cavea ohne Zweifel
den einzigen Hinweis auf eine spätere Veränderung an diesem Gebäude (Abb.
41). Dies deutet auf ein früheres, tiefer liegendes Tonnengewölbe hin. Daraus
lässt sich schließen, dass die cavea erst in einer weiteren Baumaßnahme erhöht
wurde.
Im Peristyl sind mehrere Bauphasen zu erfassen. Für einen späteren Anbau
des Peristyls sprechen vor allem die Granitstufen, die zwischen die Säulen der
ursprünglich einzigen, direkt hinter das Bühnengebäude gelegten Säulenhalle
gezwängt wurden. Daran zeigt sich, dass diese ursprüngliche Säulenhalle um
drei weitere Flügel zu einer porticus post scaenam (Peristyl hinter der Bühne) mit
einer gestalteten Gartenanlage im Inneren komplettiert wurde.
Abb. 40 Mérida (Spanien), Ansicht von
Osten auf das römische Theater und das
dahinter liegende Peristyl
Abb. 41 Mérida (Spanien), östlicher
Eingang zum Wandelgang der ima cavea.
Der rote Pfeil weist auf den Ansatz des
ehemaligen Tonnengewölbes hin
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Madrid 221
Abb. 42 Mérida (Spanien), Ansicht nach
Nordosten auf das ›Marmorforum‹
Während der ersten Bauaufnahmekampagne an dem ›Marmorforum‹ (Abb.
42) konnte die in der archäologischen Fachwelt in Mérida zur Zeit angezweifelte ›Granitphase‹ anhand der bauhistorischen Untersuchungen eindeutig belegt werden. Die in den 1980er Jahren freigelegte Ecke dieser Platzanlage weist
eine für die römische Zeit typische Bauform in opus caementicium auf. Dieser
›Beton‹ ist mit einer äußeren Schalung aus Bruchsteinen und horizontalen
Ausgleichsschichten aus Ziegeln gegen den bis zu 1,50 m hoch anstehenden
Felsen aufgebracht. Der Sockel bestand einst aus profilierten Ziegelsteinen, die
stuckiert waren, was anhand von Resten auf dem Ziegelsockel nachgewiesen
werden konnte. Zu einer späteren Zeit wurde dieser Sockel mit einem Ziegelmörtel ›begradigt‹, um hier eine ebene Fläche für eine Marmorverkleidung
zu erhalten.
Ferner konnten akribische Untersuchungen belegen, dass der Raum Nr. 2
im Norden erst in einer späteren Bauphase eingebaut wurde. Der hier einst
anstehende Felsen wurde nachträglich abgearbeitet, was die Außenschale zum
südlich daran anschließenden, bereits bestehenden Raum Nr. 1 dieser Trennwand beweist. Darüber hinaus war zu beobachten, dass sich in diesem Raum
Nr. 2 kein Ziegelsockel unter dem Marmorsockel befindet. Somit lassen sich
hier eindeutig zwei Bauphasen unterscheiden, die ›Granitphase‹ und die ›Marmorphase‹, welche der von den spanischen Archäologen sog. Monumentalisierung von Emerita zuzuordnen ist.
Weitere geplante Grabungen seitens der spanischen Kollegen, sowohl im
Theater als auch im sog. Marmorforum, werden im Frühjahr und Herbst des
kommenden Jahres in gemeinsamer Absprache durchgeführt. Diese sollen die
abschließende Bauaufnahmekampagne mit weiteren Erkenntnissen zu den Gebäuden komplettieren. Zur Abschlussdokumentation des Theaters sind noch
eine Bauaufnahme der Ansicht der scaenae frons sowie die Aufnahme ausgewählter Baudetails geplant, die über die bauliche Entwicklung hinaus auch
Aufschluss über einen gesicherten Aufbau der Fassade liefern soll. Teilschnitte
durch die vomitoria (Zugänge) der ima cavea (erster Rang) sollen die Vermutung
einer Aufstockung des Zuschauerraumes während einer späteren Bauphase bestätigen.
AA-2008/1 Beiheft
222 Jahresbericht 2007 des DAI
Der Vergleich beider Bauwerke lässt schon jetzt erste chronologische Folgerungen zu, die anhand der gleichen verwendeten Baumaterialien gerade im
Zuge von Erweiterungen und Umbauten übereinstimmen. Weitere Untersuchungen und Vergleiche beider Bauten sollen helfen, sich einer absoluten Bauchronologie zu nähern.
Kooperationspartner: Consorcio Mérida Ciudad Monumental HistóricoArtística y Arqueológica (P. Mateos Cruz); Università degli Studi di Roma »La
Sapienza« (C. Brianchini); Museo Nacional de Arte Romano (J. M. Álvarez
Martínez, T. Nogales Basarrate) • Förderung: Gerda Henkel Stiftung; Junta
de Extremadura • Leitung des Projekts: N. Röring • Mitarbeiter: B. Marr,
J. Pflug • Abbildungsnachweis: D-DAI-MAD-JP-DG-38-07-085, J. Pflug
(Abb. 40); D-DAI-MAD-JP-DG-38-07-147, J. Pflug (Abb. 41); D-DAI-MADNR-DG-38-07-191, N. Röring (Abb. 42).
Römische Villen in Hispanien und Gallien – eine vergleichende Untersuchung
zur Architektur, Ausstattung und Funktion römischer Prachtvillen im Westen des
Römischen Reiches
In diesem Dissertationsvorhaben werden diejenigen Villen der gallischen und
hispanischen Provinzen untersucht, die der reichen und politisch führenden
Schicht der römischen Gesellschaft zuzurechnen sind. Im Vordergrund steht
der Vergleich der architektonischen Konzepte sowie der baugeschichtlichen
Entwicklung. Ziel ist es, lokale Traditionen, die Kontakte zwischen den Provinzen sowie die überregionalen Konstanten im Villenbau zu beleuchten. Der
Untersuchungszeitraum erstreckt sich vom frühen 2. bis zum Ende des 4. Jhs.
n. Chr., d. h. von der mittleren Kaiserzeit bis in die Spätantike. Diese Periode
bildet gleichzeitig die Blütezeit des Villenbaus in den westlichen Provinzen.
Die behandelten Villen sollen vorerst als Prachtvillen bezeichnet werden.
Zur Bestimmung und Abgrenzung einer ›Prachtvilla‹ von anderen ländlichen
Anwesen werden verschiedene Parameter herangezogen. Architektonisch sind
das vor allem die Gesamtgröße der Anlage, die Fassadengestaltung der Villa sowie Größe und Form bestimmter repräsentativer Räume und Raumgruppen,
wie die Triklinien (Speisesäle), Empfangshallen, Badeanlagen, Portiken (Säulenhallen) und Peristylhöfe (von Säulenhallen umgebene Höfe); außerdem das
Auftreten besonderer Raumformen, z. B. von Apsiden, und das Überwiegen
repräsentativer Räume im Vergleich zu kleineren Arbeits- und Wirtschaftsräumen. Auch aufwendige Grab- oder Sakralbauten, die mit einer Villa in direktem Zusammenhang stehen, spielen eine wichtige Rolle und können Aufschlüsse über die Bedeutung der Villa geben.
Ein Vergleich der auf einen einheitlichen Maßstab von 1 : 1000 gebrachten
Villengrundrisse zeigt, dass sich die Villen innerhalb der einzelnen Typen zu
Gruppen von recht einheitlichen Größen zusammenschließen lassen.
In Nordgallien herrscht der Typus der Portikusvilla vor, bei der die Räume
hinter einer vorgelagerten Säulenhalle liegen. Die Fassade wird über eine Portikus hinaus an den Seiten meist zusätzlich durch hervorspringende Gebäudeblöcke (Eckrisalite) betont. Diese charakteristische, die gesamte Villenfront
einnehmende Fassadengestaltung aus Portikus und Eckrisaliten eignet sich als
Vergleichsgröße dieser Villen. Dabei zeigt sich, dass die größten Anlagen recht
einheitliche Fassadenlängen von ca. 100 m besitzen.
Allein durch den reinen Größenvergleich lässt sich eine Villa jedoch noch
nicht den ›Prachtvillen‹ zuordnen, da die Größe auch mit naturräumlichen
Gegebenheiten in Zusammenhang stehen kann. Auffällig ist zum Beispiel,
dass die in den weiten, fruchtbaren Ebenen der Picardie (Nordfrankreich) errichteten Villen insgesamt deutlich größer sind (bis zu 100 m Fassadenlänge)
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Madrid 223
als in kleinräumlichen Regionen (mit durchschnittlichen Fassadenlängen von
30–40 m). Dennoch sind diese Villen in der Picardie jedoch meistens nicht
als Prachtvillen zu interpretieren, sondern sie funktionierten hauptsächlich als
landwirtschaftliche Betriebe. Um eine Villa zu den Prachtvillen rechnen zu
können, müssen neben der Größe auch die anderen oben genannten Faktoren
mit berücksichtigt werden.
In den hispanischen Provinzen kommen überwiegend Villen vor, die um
Peristylhöfe angeordnet sind. Nimmt man bei diesen Anlagen die Peristylhofflächen als Vergleichsgröße, lassen sich auch hier Villengruppen bilden. Diese
Vergleichsbeispiele ergeben, dass eine Gruppe etwas kleinerer Villen mit 10–
20 m Seitenlänge und eine Gruppe größerer Anlagen mit Peristylseitenlängen
von 30–40 m zusammengefasst werden können. Auch hier kann die Größe nur
als Ausgangspunkt genommen werden, während die Villen im Einzelnen auf
die aufgestellten Vergleichsparameter hin zu untersuchen sind.
Daneben gibt es auf der Iberischen Halbinsel auch einige wenige Beispiele
für Portikusvillen, oder aber Peristylvillen, die ebenfalls die charakteristischen
Portikus-Eckrisalit-Fassaden der Portikusvillen als Gestaltungselement ihrer
Eingangsfronten verwenden. Hier wird der Frage nachzugehen sein, ob die
Verwendung dieses Architekturzitates auf einen direkten, interprovinzialen
Austausch zurückgeführt werden kann.
Darüber hinaus werden einige Villen Galliens und Hispaniens wegen ihrer
enormen Ausmaße und/oder der verwendeten Bauformen, wie beispielsweise
aus der Sakralarchitektur, in der Literatur als kaiserliche Villen angesprochen
oder als Villen interpretiert, die sekundär in kaiserlichen Besitz kamen. Dazu
gehören u. a. die Villen von Els Munts (Provinz Tarragona), Centcelles (Provinz
Tarragona), Cercadilla (Provinz Córdoba), Chirigan (Département HauteGaronne) und Konz (Rheinland-Pfalz).
Es soll in dieser Arbeit deshalb auch der Versuch unternommen werden,
eine Antwort auf die Frage zu finden, ob und nach welchen Kriterien es möglich ist, innerhalb der Gruppe der Prachtvillen eine weitere Differenzierung
vorzunehmen und ob zwischen aristokratischen und kaiserlichen Anlagen unterschieden werden kann. Gerade auch hierbei ist das gewählte großräumige
Untersuchungsgebiet unabdingbar.
Projektbearbeiterin: B. Brühlmann.
Die islamischen Villen von Córdoba (Spanien)
Als Beispiel eines herrschaftlichen Landsitzes im Umfeld des islamischen
Córdoba wird im Rahmen des Forschungsclusters 3 »Politische Räume« des
DAI der Gartenpalast ar-Ruman¥ya dokumentiert. Bei dem Gebäudekomplex,
der einstigen Sommerresidenz (al-munya) eines Finanzministers des Kalifen alHakam II. (961–976 n. Chr.), handelt es sich um die großflächigste islamische
Villa, die bislang auf der Iberischen Halbinsel bekannt geworden ist. Die Villa,
an den Hängen der Sierra Morena gelegen, umfasst auf einer Gesamtfläche von
4,5 ha einen großen Wohntrakt und ausgedehnte Gärten auf vier Terrassen.
Die Untersuchung der Anlage soll einerseits zur Klärung der Frühgeschichte
der andalusischen Palastarchitektur beitragen, andererseits die Grundlage für
einen Vergleich zwischen römischer und islamischer Villenarchitektur schaffen (Abb. 43).
In diesem Jahr konnte die Bauaufnahme der heute sichtbaren Reste von arRuman¥ya weitgehend abgeschlossen werden. Zu den wichtigsten Ergebnissen
zählen Erkenntnisse zur Wegeführung, zum Bewässerungssystem sowie zum
Aussehen der repräsentativen Räume des Landsitzes. Für das kommende Jahr
sind punktuelle Grabungen zur Klärung ausstehender Fragen geplant.
AA-2008/1 Beiheft
224 Jahresbericht 2007 des DAI
An der Südostecke dieser Anlage wurde ein bislang unbekannter Torbau
entdeckt, der aus einer Torpassage und Nebenräumen bestand. In der Verlängerung seiner Achse führten Rampen entlang der östlichen Außenmauer auf
die oberen Terrassen der Villa. Entgegen der bisherigen Meinung erfolgte die
Erschließung der Gärten somit nicht von oben – von den Wohngebäuden
aus –, sondern von unten. Indem Gäste die Gärten durchquerten bevor sie
das Hauptgebäude erreichten, waren die Gartenterrassen weniger privat als
bislang angenommen und damit integraler Teil der Inszenierung öffentlicher
Empfänge.
Die Wasserversorgung der Villa wurde auf vielfältige Weise gesichert. Bekannt waren bereits eine Quellfassung, eine Sickergalerie sowie ein Bach, der
allerdings nur nach Starkregen Wasser führt. Zusätzlich wurde dieses Jahr ein
Kanal entdeckt, der offenbar Wasser aus den Bergen zur Villa leitete. Neu identifiziert werden konnten auch Reste des Bewässerungssystems der Gartenterrassen. Auf jeder Terrasse lag demnach ein Wasserbecken, von dem aus das Wasser über einen Verteilerkanal in kleinere Bewässerungskanäle geleitet wurde
(Abb. 44). Zumindest auf der mittleren Gartenterrasse waren diese Kanäle in
einem regelmäßigen Abstand von 8,50 m angelegt. Für das kommende Jahr
sind archäobotanische Untersuchungen geplant, die zur Rekonstruktion der
ehemaligen Bepflanzung der Gärten beitragen sollen.
Bereits im vergangenen Jahr konnten die Reste der Südfassade eines repräsentativen Saales dokumentiert werden, der über dem Staudamm des großen
Abb. 43 Córdoba (Spanien), isometrische
Rekonstruktion der Villa ar-Rumanīya
Abb. 44 Córdoba (Spanien), das große
Wasserbecken von ar-Rumanīya
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Madrid 225
Abb. 45 Córdoba (Spanien), Gazellenkopf
auf einem Marmorbecken im archäologischen Museum von Córdoba, das 1926 in
ar-Rumanīya entdeckt wurde
Wasserbeckens der Villa gelegen hatte. In diesem Jahr wurden Reste der rückwärtigen Nordfassade des Saales entdeckt. Sie war ebenso wie die Südfassade
in ihrer Mitte durch eine Arkade dominiert, die seitlich kleinere Öffnungen
flankierten. Die Maueröffnungen erlaubten einerseits einen Ausblick auf den
Garten, andererseits auf das große Wasserbecken und machten den Saal weitgehend transparent. Neben ihrer ästhetischen Funktion waren die Öffnungen
insofern von raumklimatischer Bedeutung, als sie im Sommer für Durchzug
sorgten. Im Winter wurden die Öffnungen der Südfassade durch große Holzflügel verschlossen.
Außerdem konnten in diesem Jahr mehrere Bauteile aus ar-Ruman¥ya dokumentiert werden, die heute im archäologischen Museum von Córdoba aufbewahrt werden. Darunter befinden sich zwei Marmorbecken, die mit Löwen,
Gazellen und Steinböcken dekoriert sind (Abb. 45). Auf dem Fragment eines
dritten Beckens haben sich Reste einer Inschrift mit dem Datum [35]5 (965/66
n. Chr.) erhalten. Auf der Volute eines Säulenkapitells sind Vögel dargestellt
sowie der Kopf eines Löwen. Die für das islamische Córdoba ungewöhnliche
Fülle an Tiermotiven kann als ein Verweis auf den Paradiesgarten interpretiert
werden.
Ein weiteres Teilprojekt ist der Untersuchung des Sommersitzes gewidmet,
den sich J. M. de Olivares, Marqués de Murrieta und Bruder des kubistischen
Malers A. de Olivares, 1926 auf dem Gelände der mittelalterlichen Villa errichten ließ. Der Bau war ein Frühwerk der Architekten C. Arniches und M. Domínguez und galt bis zu seinem Abriss 1999 als Beispiel des Übergangs vom
Regionalismus zur frühen Moderne in Spanien.
Kooperationspartner: Colegio de Arquitectos de Córdoba (R. Obrero);
Conjunto Arqueológico de Madinat al-Zahra (A. Vallejo Triano); Fachhochschule Lübeck (H. Fahlbusch); Universidad Autónoma de Madrid (A. Canto
García); Universidad de Jaén (O. Rodríguez Ariza) • Leitung des Projekts:
F. Arnold • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: S. Arnold, M. Beiersdorf,
J. Forné León, F. Giese-Vögeli, K. Glomb, M. Hofmann, Th. Köberle, A. Kreisel, J. Patterson, A. Waldmann • Abbildungsnachweis: F. Arnold (Abb. 43);
DAI-MAD-DG-32-07-221, J. Patterson (Abb. 44); DAI-MAD-R25-07-16,
J. Patterson (Abb. 45).
Wissenschaftliche Veranstaltungen
Hauskolloquien
27. Februar Veranstaltung für Freunde des Hauses und Sponsoren. – Es sprachen: Botschafter Wolf-Ruthart Born (Madrid) – Frank Abegg (Madrid), Grußworte; Gobain Ovejero (Sevilla)‚ Metal en la Península, ayer y hoy; Dirce Marzoli (Madrid), Präsentation einer Übersicht der wissenschaftlichen Forschungen und Grabungen der Abteilung Madridxxx28. Februar Emilio Martín
Córdoba (Vélez Málaga)‚ Nuevas investigaciones fenicias en la costa de VélezMálagaxxx29. Mai Beate Brühlmann (Madrid)‚ Die römischen Villen in Hispanien und Gallien – Stand der Arbeitxxx21. Juni Dirce Marzoli (Madrid)‚ Die
bisherigen Ergebnisse der Forschungen zu Mogadorxxx10. Oktober »Elfenbeinforschungen auf der Iberischen Halbinsel«. – Es sprachen: Arun Banerjee
(Mainz), Spectroscopic Investigation of Archaeological Ivory Objects; Thomas
X. Schuhmacher (Madrid), Procedencia, manufactura y intercambio de marfil
en el Calcolítico y Bronce Antiguo de la Península Ibérica; Juan Antonio López Padilla (Alicante), Producción y consumo de objetos de marfil en los yacimientos alicantinos de la Illeta dels Banyets (El Campello) y Cabezo Redondo
AA-2008/1 Beiheft
226 Jahresbericht 2007 des DAI
(Villena)xxx15. November Valeria Mordvintseva (Simferopol), Silberne Phaleren des Pferdegeschirrs und das ›Sarmatische Paradigma‹;Yuri Zaytsev (Simferopol), Importierte und einheimische Helme im Schwarzmeerraum vom
5. zum 1. Jh. v. Chr.
Tagungen und Workshops
21. bis 23. Februar Internationaler Kongress »Phönizisches und Punisches
Städtewesen« (Gemeinschaftsprojekt der Abteilungen Madrid und Rom im
Rahmen des Forschungsclusters 3 »Politische Räume«; Leitung: Dirce Marzoli
[Madrid] und Sophie Helas [Rom]; s. auch hier S. 95 f.).
20. April Workshop »Die Entwicklungsstufen der Metallurgie, basierend auf
einem Schema von C. Strahm (Universität Freiburg)« der Metall-AG des Forschungsclusters 2 »Innovationen: technisch, sozial« des DAI (Organisation:
Michael Kunst [Madrid]). – Es nahmen teil: Dirce Marzoli (Madrid), Grußworte; Josef Eiwanger (Bonn), Gert Goldenberg (Freiburg), Svend Hansen
(Berlin), Erica Hanning (Freiburg), Ulrich Hartung (Kairo), Andreas Hauptmann (Bochum), Barbara Helwing (Berlin), Roland Müller (Tübingen), Peter
Rothenhöfer (München); als Gäste von der Iberischen Halbinsel: António
Monge-Soares (Sacavém), Juan Aurelio Pérez Macías (Huelva).
4. Juni Tagung zu Ehren von Christian Ewert »Von Damaskus nach Córdoba. Die orientalischen Wurzeln der westislamischen Architektur« (Koordination: Felix Arnold [Madrid]). – Es sprachen: Dirce Marzoli (Madrid),
Begrüßung; Felix Arnold (Madrid), Einführung; Karl-Heinz Golzio (Bonn),
Christian Ewert und die westislamische Architektur; Alberto León Muñoz
(Córdoba), El palacio visigodo en el Alcázar de Córdoba; Dorothée Sack
(Berlin), Die Residenz des Kalifen HišŒm in ar-RusŒfa (Syrien); Juan Francisco
Murillo Redondo (Córdoba), El conjunto de al-Rusafa en Córdoba; Francine
Giese-Vögeli (Bern), Die Große Moschee von Córdoba zwischen Ost und
West; Fernando Valdés Fernández (Madrid), La embajada de Otón I a cAbd alRahmŒn III y la influencia cultural de Constantinopla sobre Córdoba; Ulrike
Siegel (Berlin), Die Residenz des Kalifen HŒr´n ar-Raš¥d in ar-Raqqa (Syrien);
Alastair Northedge (Paris), The Palace of the Caliph in SŒmŒrra (Iraq); Felix
Arnold (Madrid), Kalifale Villen- und Palastarchitektur in Córdoba.
11. bis 16. Juni Workshop für Junge Wissenschaftler »Formas de contacto y
modelos de asentamientos griegos y fenicio-púnicos en el Mediterráneo Occidental« (Leitung: Dirce Marzoli [Madrid], Pierre Moret [Toulouse]; Tutoren:
Dirce Marzoli [Madrid], Pierre Moret [Toulouse], Dirk Brandherm [Bochum],
Paloma Cabrera [Madrid], Fernando González de Canales [Huelva], Javier de
Hoz [Madrid], Hélène Le Meaux [Amiens], Alessandro Naso [Isernia], Pierre
Rouillard [Nanterre], Marta Santos [Empúries] und Stephan Vergere [Sorbonne,
Paris]). – Es sprachen: Jesús Bermejo Tirado (Madrid), La decoración arquitectónica en el mundo ibérico y las raíces mediterráneas; Dina Frangié (Paris),
Beyrouth à l’époque hellénistique; Carmen García Morillo (Sevilla), La imagen
de Astarté: Estudio iconográfico de la morfología de la diosa en el Med. O.;
Raimon Graells Fabregat (Lleida), Análisis de las manifestaciones funerarias
en Cataluña (ss.VII–VI a. C.); Francesca Guarneri (Napoli), Trasferimento dei
culti e movimento dei fedeli in Fenicia e nelle colonie d’Occidente; Michal
Krueger (Barcelona), Bienes de prestigio’ de procedencia oriental en Tartessos;
Marianna Louka (Athen/Paris), La parure féminine de l’époque archaïque en
Grèce et dans les Balkans; Marcos Antonio Martelo Fernández (Cádiz), Fenicios
e indígenas en Andalucía Occidental. Un análisis del proceso de interacción;
Rafaela Ordóez Fernández (Oviedo), Las colonias fenicias del sur peninsular
en el siglo VI a. C. Crisis económica; Martin Perron (Montréal/Paris), Les
AA-2008/1 Beiheft
Abteilung Madrid 227
Abb. 46 Workshop für Junge Wissenschaftler, Teilnehmer und Teilnehmerinnen
während einer Pause im Garten der Abteilung Madrid
céramiques de la Grèce de l’Est et leurs imitations en Thrace et en Macédoine;
Rosa María Puig Moragón (Valencia), Paisaje rural púnico en Ibiza; Laura Puritani (Marburg), Produktion und Rezeption in Spannungsfeld zwischen Attika und Etrurien; Raquel Rodríguez Muñoz (Valencia), Las necrópolis feniciopúnicas de la Península Ibérica; Jose Ángel Salgado Carmona (Mérida), Influencia mediterránea en la cuenca del Tajo durante la protohistoria; Samuel Sardà
Seuma (Tarragona), Estudio de los intercambios comerciales en el curso inferior del Ebro a través de la evolución del repertorio cerámico (ss.VIII–V an E);
Gabriella Sciortino (Barcelona), Fenicios en la Sicilia oriental. Una hipótesis
de convivencia de los grupos coloniale (Abb. 46).
Abbildungsnachweis: J. Patterson (Abb. 46).
28. Juni Tagung zur Geschichte der Abteilung Madrid des DAI »Historia
del Instituto Arqueológico Alemán de Madrid, La recepción de la escuela
arqueológica alemana y la fundación del Instituto. Antecedentes y fundación del Instituto« (Koordination: Jorge Maier [Madrid], D. Marzoli [Madrid],
Th. G. Schattner [Madrid]). – Es sprachen: Dirce Marzoli (Madrid), Begrüßung
und Einführung; José María Blázquez (Madrid), Introducción de la arqueología
alemana en España; Michael Blech (Freiburg) – José María Luzón (Madrid),
Diskussionsleitung; Dietrich Briesemeister (Wolffenbüttel), La cultura y ciencia alemana en España; Javier de Hoz (Madrid), Wilhelm von Humboldt;
Helena Gimeno (Alcalá de Henares), Emil Hübner; Martín Almagro-Gorbea
(Madrid), Hugo Obermaier; Jaime Alvar (Madrid), Adolf Schulten; Maria
Cruz Villalón (Cáceres), Helmuth Schlunk; Jorge Maier (Madrid), Fundación
del Instituto; Frank Abegg (Madrid), Panorama económico hispano-alemán
de los años 1930–1950.
11. Oktober Podiumsdiskussion »Gegenseitiges Interesse. Zum Stand der
deutsch-spanischen Kulturbeziehungen in den Geisteswissenschaften« auf der
Frankfurter Buchmesse (Organisation: Thomas G. Schattner [Madrid], Mitarbeit: Beate Brühlmann [Madrid]). – Es nahmen teil: Santiago García Echeverría
(Universidad de Alcalá de Henares), José Remesal Rodríguez (Universitat
de Barcelona), Javier Salinas (Università degli Studi di Roma »La Sapienza«),
Staatssekretär Georg Boomgaarden (Auswärtiges Amt, Berlin), Präsidentin der
Goethe-Institute Jutta Limbach (München), Thomas G. Schattner (Abteilung
Madrid des DAI); Gesprächsleitung: Kersten Knipp (Köln).
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228 Jahresbericht 2007 des DAI
Öffentlichkeitsarbeit
Ausstellungen
Photoausstellung »Blick – Mira!« (Koordination: Dirce Marzoli, Michael Kunst,
Pilar Sada, Francesc Tarrats)
7. Februar Eröffnung der Photoausstellung »Blick – Mira!« im Museum für
Vor- und Frühgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Schloss Charlottenburg, Berlin (Ende: 20. Mai). – Es sprachen: Wilfried Menghin (Berlin) – Francesc Tarrats (Madrid) – Dirce Marzoli
(Madrid) – Manfred Nawroth (Berlin), Grußworte.
Die Ausstellung wurde von 9014 Erwachsenen und 2367 Schülern besucht.
Abb. 47 Ankündigung der Photoausstellung »Blick – Mira!« in Murcia
5. Juli Eröffnung der Photoausstellung »Blick – Mira!« im Archäologischen
Museum, Murcia (Abb. 47). – Es sprachen: José Miguel Noguera Celdran
(Murcia) – Francesc Tarrats (Madrid) – Dirce Marzoli (Madrid), Einführung.
14. November Eröffnung der Photoausstellung »Blick – Mira!« im Archäologischen Museum in Valencia (Abb. 48).
Ausstellung »Projet de coopération archéologique maroco-allemand sur l’île
de Mogador et sa région« (Konzeption: Dirce Marzoli, Josef Eiwanger, Abdelaziz El Khayari und Abderrahim El Bertei; Gestaltung: Eva Sulzer, Rafael Pozo,
Christian Hartl-Reiter)
23. November Eröffnung der Ausstellung »Projet de coopération archéologique maroco-allemand sur l’île de Mogador et sa région« im Palast Dar Souiri
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Abteilung Madrid 229
in Essaouira (Marokko) (Ende: 31. Dezember). – Es sprachen: Abdelaziz El
Khayari (Rabat) – Abderrahim El Bertei (Rabat) – Dirce Marzoli (Madrid),
Begrüßung.
Vorträge der Mitarbeiter der Abteilung Madrid für eine breitere Öffentlichkeit
18. Januar Dirce Marzoli, Phönizier an den Küsten Hispaniens und Marokkos
(Ruhr-Universität Bochum)xxx7. Februar Michael Kunst, Einführungsvortrag in die Photoausstellung Blick-Mira! (Museum für Vor- und Frühgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Schloss
Charlottenburg, Berlin)xxx2. März Michael Kunst, Zambujal: De los objetos
de cobre a las minas. Estudios de procedencia y tecnología metalúrgica extractiva durante los inicios de la Edad de los Metales en Portugal (Universidad
Autónoma Madrid)xxx7. Mai Dirce Marzoli, Zur Geschichte, den Projekten
und der Bedeutung des Photoarchivs der Abteilung Madrid des Deutschen
Archäologischen Instituts (Rahmenprogramm der Ausstellung Blick-Mira! im
Museum für Vor- und Frühgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Schloss Charlottenburg, Berlin)xxx25. September Dirce Marzoli‚ Die Geschichte und die Tätigkeiten der Madrider Abteilung des Deutschen Archäologischen Instituts (vor der Theodor Wiegand
Gesellschaft e. V.,Wissenschaftszentrum, Bonn)xxx27. September Dirce Marzoli, Resultados preliminares de las excavaciones alemano-hispanas en Los
Castillejos de Alcorrín; campañas 2006 y 2007 (Festsaal der Gemeinde Manilva
[Málaga])xxx2. Oktober Thomas X. Schuhmacher, Procedencia, manufactura
y intercambio de marfil en el Calcolítico y Bronce Antiguo de la Península
Ibérica (Museu Nacional de Arqueologia Lissabon)xxx19. Dezember Dirce
Marzoli, Phönizierforschung auf der Iberischen Halbinsel und in Marokko
(Archäologische Institute der Universität Innsbruck im Raiffeisensaal).
Winckelmannfeier
12. Dezember Markus Reindel (Bonn), »Die Geoglyphen der Nasca-Kultur in
Palpa, Peru: Archäologische Forschung mit modernster Technologie«. – Dirce
Marzoli berichtete über die Forschungen, Grabungen und Veranstaltungen der
Abteilung im Jahr 2007 und verlieh den neugewählten Korrespondierenden
Mitgliedern des Deutschen Archäologischen Instituts ihre Urkunden. Zu den
130 Besuchern der Veranstaltung zählten als Ehrengäste der Deutsche Botschafter Wolf-Ruthart Born, der Kulturattaché Hans-Günter Löffler und die
Kanzlerin der Botschaft Maria Theresia Larretgère.
Veröffentlichungen
Madrider Mitteilungen 48, 2007
Iberia Archaeologica 10: A. Heidenreich, Islamische Importkeramik des hohen Mittelalters auf der Iberischen Halbinsel
Madrider Forschungen 6, 2: H. Schubart – G. Maaß-Lindemann u. a., Toscanos. Die phönizische Niederlassung an der Mündung des Río de Vélez.
Grabungskampagnen in der Siedlung von Toscanos (1967 und 1978), an den
Befestigungen des Alarcón (1967, 1971 und 1984) und in der Nekropole
Jardín (1967–1976)
Blick – Mira! El archivo fotográfico del Instituto Arqueológico Alemán de
Madrid. Ausstellungskatalog Murcia 2007
Abb. 48 Ankündigung der Photoausstellung »Blick – Mira!« in Valencia
AA-2008/1 Beiheft
Mitglieder der Kommission der AEK
Die Direktoren der AEK
Der Präsident
Grolig, Wilfried, MD
Auswärtiges Amt, Leiter der Kulturund Bildungsabteilung
Werderscher Markt 1
D-10117 Berlin
Dietz, Karlheinz, Prof. Dr.
Julius-Maximilians-Universität
Lehrstuhl für Alte Geschichte
Residenzplatz 2, Tor A
D-97070 Würzburg
Eck, Werner, Prof. Dr.
Universität zu Köln, Institut für Altertumskunde, Alte Geschichte
Albertus-Magnus-Platz
D-50923 Köln
Funke, Peter, Prof. Dr.
Westfälische-Wilhelms-Universität
Seminar für Alte Geschichte, FB 7
Domplatz 20–22
D-48143 Münster
Jehne, Martin, Prof. Dr.
Technische Universität, Lehrstuhl für
Alte Geschichte
Mommsenstr. 13
D-01069 Dresden
Leppin, Hartmut, Prof. Dr.
Johann-Wolfgang-Goethe-Universität
Abteilung für Alte Geschichte, Historisches Seminar, FB 08
Grüneburgplatz 1
D-60323 Frankfurt a. M.
Palme, Bernhard, Prof. Dr.
Universität Wien, Institut für Alte
Geschichte und Altertumskunde,
Papyrologie und Epigraphik
Dr. Karl-Lueger-Ring 1
A-1010 Wien
Rebenich, Stefan, Prof. Dr.
Universität Bern, Historisches Institut
Unitobler
Länggasstr. 49
CH-3000 Bern 9
Schmitz, Winfried, Prof. Dr.
Rheinische Friedrich-WilhelmsUniversität, Philosophische Fakultät,
Seminar für Alte Geschichte
Am Hof 1e
D-53113 Bonn
Weiß, Peter, Prof. Dr.
Christian-Albrechts-Universität
Abteilung Alte Geschichte, Institut für
Klassische Altertumskunde
Leibnizstr. 8
D-24118 Kiel
Zimmermann, Martin, Prof. Dr.
Ludwig-Maximilians-Universität
Abteilung Alte Geschichte, Historisches
Seminar
Geschwister-Scholl-Platz 1
D-80539 München
Buchner, Edmund, Prof. Dr.
Präsident i. R.
Nadistr. 14
D-80809 München (ohne Votum)
Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik
Kommission für Alte Geschichte und
Epigraphik
Direktoren
PD Dr. Christof Schuler, Erster Direktor
PD Dr. Rudolf Haensch, Wissenschaftlicher Direktor
Amalienstr. 73b
D-80799 München
Tel.: +49-(0)89-28 67 67-60
Fax: +49-(0)89-28 67 67-80
E-Mail: [email protected]
Wissenschaftliche Mitarbeiter
Dr. Hans Roland Baldus (bis 31. 10.), Dr. Claudia Kreuzsaler (bis 28. 2.),
PD Dr. Helmut Müller, Prof. Dr. Johannes Nollé, Dr. Peter Rothenhöfer
Wissenschaftliche Hilfskräfte
Mag. phil. Roland Färber, Simone Killen M. A., Katja Kröss M. A. (bis 31. 3.),
Sandra Scheuble M. A. (ab 1. 11.), Nele Schröder M. A. (bis 30. 9.)
Aus Drittmitteln finanzierte Stellen
Dr. Andreas V. Walser (DFG), Dirk Koßmann M. A. (DFG, 1. 6. bis 31. 8.)
Das Römische Reich unter Hadrian
Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik 233
Forschungen
Parasema, offizielle Zeichen griechischer Poleis
Die Eule war im Athen des 4. Jhs. v. Chr. allgegenwärtig: Wer auf dem Markt
einkaufen ging, bezahlte mit Münzen, auf deren Rückseite sich ein Bild der
Eule befand (Abb. 1), und er fand sie gleichfalls als Stempel auf der eben gekauften Amphore oder dem Messgefäß, mit dem der Händler das Getreide
abmaß. Auch im politisch-administrativen Bereich begegnete die Eule häufig,
beispielsweise auf den Siegeln der Dokumente in den Archiven und auf den
Täfelchen, mit denen Richter für die einzelnen Gerichte ausgelost wurden
(Abb. 2). Kurz, die Eule von Athen war ein Emblem, das auf Gegenständen
aus verschiedenen Bereichen des alltäglichen Lebens als Garantiezeichen der
staatlichen Autorität fungierte. Die Kontrolle und Herausgabe dieser Gegenstände fiel in den Aufgabenbereich der Magistrate.
Für viele weitere Poleis sind uns wie im Falle Athens Gegenstände mit
Stadtemblemen aus klassischer und hellenistischer Zeit überliefert. Das Verbreitungsgebiet dieser Parasema erstreckt sich vom griechischen Kernland und
den ägäischen Inseln über das westliche Kleinasien bis hin zur Schwarzmeerküste. Die Vielfalt der Artefakte (Abb. 3) und ihre weite Verbreitung zeugen
von der Bedeutung dieser Embleme: Zum einen spielten sie eine zentrale Rolle beim Warenaustausch und bei administrativen Vorgängen der öffentlichen
Organe einer Polis. Zum anderen gibt die Wahl des Bildthemas Aufschluss über
1
2
Parasema, offizielle Zeichen griechischer Poleis
Abb. 1 Rückseite einer Tetradrachme, ca. 390–295 v. Chr.
Die Tetradrachme zeigt eine der vielen Eulendarstellungen auf
athenischen Münzen. Münzen sind die am häufigsten erhaltenen
Artefakte mit Parasema, denn ihr Wert und ihre Echtheit mussten in
besonderer Weise garantiert werden (M. 2 : 1)
Abb. 2 Athen, Richtertäfelchen aus Bronze, ca. 378/7–370 v. Chr.
Solche Täfelchen spielten eine wichtige Rolle beim Auslosungsverfahren der Richter. Sie waren mit verschiedenen Stempeln markiert,
darunter auch solche der Eule
Abb. 3 Korkyra, Urkundenrelief aus Bronze (Umzeichnung), Ende
des 4. Jhs. v. Chr. Stelen mit Proxeniedekreten – Ehrungen einer
Polis für auswärtige Gastfreunde – konnten mit dem Parasemon der
Heimatpolis des Geehrten versehen werden. Da die Inschrift den
Athener Dionysios als Gastfreund der Korkyrer ehren sollte, wurde
die Eule als Emblem gewählt
3
AA-2008/1 Beiheft
234 Jahresbericht 2007 des DAI
das Selbstverständnis der jeweiligen Bürgergemeinschaft und ihrer Identität.
Die angesprochenen Fragen stehen im Mittelpunkt eines bereits weit fortgeschrittenen Dissertationsprojekts.
Ansprechpartnerin: S. Killen • Abbildungsnachweis: SNG München 91
Taf. 3, Staatliche Münzsammlung München (Abb. 1); nach J. H. Kroll, Athenian Bronze Allotment Plates (Cambridge 1972) Nr. 16 Abb. 31 (Abb. 2); nach
C. T. Newton, The Collection of Ancient Greek Inscriptions in the British
Museum II (Oxford 1883) Nr. 166 Taf. 3 (Abb. 3).
Sympolitien und Synoikismen in hellenistischer Zeit
»Keos hatte einst vier Poleis. Davon sind noch zwei übrig, Ioulis und Karthaia,
in die die übrigen eingemeindet worden sind, Poiessa in Karthaia und Koresia
in Ioulis.« Mit diesen knappen Worten beschreibt der griechische Geograph
Strabon die Entwicklung der politischen Organisationsstruktur der Kykladeninsel Keos im Hellenismus. Sie ist Teil eines tiefgreifenden Wandels, der die
politische Landschaft in der griechischen Welt in hellenistischer Zeit entscheidend veränderte. In klassischer Zeit hatten sich noch zahllose Poleis als unabhängige und weitgehend selbstbestimmte politische Einheiten behauptet, die
häufig nur winzige Territorien kontrollierten und über kein eigentlich urbanes
Siedlungszentrum verfügten. Ab dem 4. Jh. v. Chr. setzten jedoch Konzentrationsprozesse ein, in deren Verlauf viele dieser Kleinpoleis ihre Eigenständigkeit
einbüßten und von der politischen Landkarte verschwanden.
Diese Entwicklungen sind Gegenstand eines Projekts, in dem insbesondere
jene Fälle untersucht werden, in denen sich mehrere Poleis zu einer sympoliteia,
einem gemeinsamen Staat, zusammenschlossen.
Dabei bildeten Kleinpoleis zusammen mit anderen eine neue, größere Polis oder wurden – wie auf Keos – in größere Nachbarn eingemeindet. Solche
Konzentrationsprozesse beziehen sich zunächst allein auf die politische Struktur der Gemeinden.Wie sich der politische Zusammenschluss auf die beteiligten Partner als Siedlungen auswirkte, ist dabei zunächst eine offene Frage, die
sich – wie die Untersuchung des Zusammenhanges zwischen dem Eingehen
einer Sympolitie und der Siedlungsentwicklung erwies – keineswegs allgemeingültig beantworten lässt. Schon bei den Gemeinden der Kykladeninsel
Keos zeigen epigraphische Quellen und vor allem archäologische Befunde ein
weit komplexeres Bild, als es der Bericht Strabons erahnen lässt. Koresia verlor
mit der Eingemeindung in Ioulis nicht nur seinen Status als eigenständige
Polis, sondern erlebte auch als Siedlung einen Niedergang und war am Ende
der hellenistischen Zeit weitgehend verlassen. Obschon Poiessa politisch das
Schicksal von Koresia teilte, erlebte es als Siedlung keinen vergleichbaren Niedergang, sondern existierte bis in römische und byzantinische Zeit fort. Nach
einer städtischen Infrastruktur, etwa einem Theater oder einem Gymnasion,
sucht man freilich auch hier vergeblich.
Lenkt man den Blick auf weitere sympolitische Zusammenschlüsse, werden
noch zusätzliche mögliche Entwicklungslinien erkennbar. Als sich beispielsweise die karische Kleinpolis Pidasa zu Beginn des 2. Jhs. v. Chr. mit Milet zusammenschloss, bot die große Nachbarin immerhin 390 Bürgern von Pidasa
Unterkünfte in Milet an. Hier ging mit dem Zusammenschluss zur Sympolitie also auch ein synoikismos, eine Zusammensiedelung von Teilen der Bürgerschaft einher. Als Siedlung verschwand jedoch auch Pidasa nicht völlig, es
sollte fortan als Standort einer milesischen Garnison dienen. Rund hundert
Jahre früher war eine Sympolitie Pidasas mit einer anderen Nachbarpolis, Latmos, die ebenfalls mit einer Umsiedelung der Bürger von Pidasa einhergehen
sollte, noch am Widerstand der Beteiligten gescheitert. Die Initiative für dieAA-2008/1 Beiheft
Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik 235
sen früheren Zusammenschluss ging von einem hellenistischen Machthaber
aus, während die Sympolitie mit Milet auf Ansuchen der Bürger von Pidasa
zustande kam. Damit rücken die Interessen der jeweiligen an einer Sympolitie
beteiligten Partner in den Mittelpunkt. Vielleicht war es die Aussicht auf das
urbane Leben in der Großstadt Milet, das die Bürger von Pidasa so anzog, dass
sie zur Aufgabe ihrer Eigenstaatlichkeit bereit waren.
Bei Bürgern anderer Poleis war dies anders: Ähnlich wie Pidasa im Falle der
Sympolitie mit Latmos leistete etwa auch das ionische Lebedos Widerstand, als
hellenistische Herrscher versuchten, die Polis zunächst Teos, später dem neugegründeten Ephesos einzugemeinden. Die Lebedier nutzten die sich jeweils
bietenden Gelegenheiten, um wieder Eigenstaatlichkeit als Polis zu gewinnen.
Dass Lebedos später etwa einem Horaz als »ödes Dorf« galt, war für seine Bürger
offenbar zweitrangig. Auffallend oft sind es nicht die beteiligten Partner, sondern die hellenistischen Machthaber, die den Anstoß zu einem sympolitischen
Zusammenschluss geben, nicht selten in der Form von dynastischen Neugründungen, in die bestehende Poleis einer gesamten Region integriert wurden, wie
etwa im Falle von Demetrias in Magnesia oder Alexandreia in der Troas. In diesen Fällen ergaben sich ebenso wie dort, wo es einer mittelgroßen Polis gelang,
eine ganze Reihe kleinerer Nachbarn einzugemeinden, aus diesen Zentralisationsprozessen politische Kräfteverschiebungen von überregionaler Bedeutung.
Der Zusammenschluss zur Sympolitie ist nicht der einzige Zentralisationsprozess, der die politische Landschaft in hellenistischer Zeit veränderte. Eine an
der Kommission veranstaltete Arbeitstagung (s. hier S. 241) gab außerdem die
Gelegenheit, die im Rahmen des Projekts untersuchten Fragen einerseits mit
Spezialisten für einzelne Regionen und andererseits mit Forschern, die etwa
mit den Bundesstaaten oder königlichen Neugründungen andere Prozesse der
Zentralisation und Machtkonzentration in den Blick nehmen, zu diskutieren.
Förderung: DFG-Schwerpunktprogramm 1209: »Die hellenistische Polis
als Lebensform. Urbane Strukturen und bürgerliche Identität zwischen Tradition und Wandel« • Leitung des Projekts: Ch. Schuler • Ansprechpartner:
A.V. Walser.
Abb. 4 Lokale Münzprägung Kleinasiens,
Kupferstich von Joseph Stöber. Apollon
befiehlt seinen zwei Helfern die Schindung
des Marsyas
AA-2008/1 Beiheft
Forschungen zur lokalen Münzprägung Kleinasiens
Unter den antiken Mythen hat die schaurige Erzählung von dem phrygischen
Naturgeist Marsyas die Phantasie der Menschen ganz besonders angeregt. Dieser hatte Apollon, den göttlichen Patron der Künste, zu einem musikalischen
Wettkampf herausgefordert. Nachdem Marsyas von dem griechischen Gott
mit einer List besiegt worden war, ließ Apollon ihn an einem Baum aufhängen
und grausam die Haut abziehen (Abb. 4). Dieser Mythos spielt seit der Renaissance im Abendland eine große Rolle und hat zu immer neuen Erklärungen
und Ausdeutungen angeregt. Die vielen neuzeitlichen Interpretationen haben
sich jedoch von der ursprünglichen Verwendung und der originären Intention
dieses Mythos weit entfernt. Im Rahmen der numismatischen Forschungen
zu den Städten im kaiserzeitlichen Kleinasien wurde nun den Ursprüngen des
Marsyas in Kleinasien nachgespürt und versucht, dieser Sagengestalt wieder ihr
lokales Kolorit zurückzugeben. Durch Zusammentragen der für diesen Mythos
nur sehr fragmentarischen literarischen Überlieferung und vor allem der städtischen Münzen konnte gezeigt werden, dass es sich bei Marsyas ursprünglich
um einen lokalen phrygischen Fels- und Wassergeist handelt. Er war der Herr
eines gleichnamigen, über weite Strecken unterirdisch verlaufenden Karstflusses, der die phrygische Stadt Kelainai/Apameia (das heutige türkische Dinar)
mit Wasser versorgte. Von seinem ungestörten Fließen hing das Schicksal der
Menschen dieser Stadt ab. Da Kelainai – seit hellenistischer Zeit hieß die Stadt
236 Jahresbericht 2007 des DAI
Abb. 5 Lokale Münzprägung Kleinasiens.
Aus dem hinter der Stadt Kelainai/Apameia
gelegenen Berg (Kibotos) tritt noch heute
der Karstfluss Marsyas aus, in der Antike gab
es dort eine große Höhle, heute befindet
sich ebenda ein Vergnügungspark
Apameia – in einer von Vulkanismus gestalteten und immer wieder von Erdbeben heimgesuchten Region lag, bestand tagtäglich die Gefahr, dass die unterirdischen Wasserströme durch Verschiebungen des Untergrunds unterbrochen
wurden und der Stadt das Wasser ausging. Insofern ist es nicht verwunderlich,
dass sich viele Münzen der Stadt auf den Flussgott Marsyas und andere göttliche Garanten für die Wasserversorgung von Apameia beziehen. Einer dieser
›Wasserpatrone‹ war ein Heros namens Kelainos, der auch als namengebender
Stadtgründer verehrt wurde. Er galt als ein Sohn des Erdbebengottes Poseidon
und wachte über die unterirdischen Wasserläufe Kelainais. Eine Münze zeigt,
wie er Wasser in den Stadtberg gießt (Abb. 6), aus dem der Marsyasfluss hervorbricht (Abb. 5). Andere Geldstücke zeigen den Flussgott Marsyas in seiner
nach verheerenden Erdbeben zusammengebrochenen Karsthöhle (Abb. 7). Das
Schinden des Marsyas dürfte ursprünglich eine Metapher für das Herausschälen des Flusses aus dem Fels gewesen sein. Mehrmals in der Geschichte müssen
die Bewohner der Stadt nach schweren Erdbeben den Fluss aus seiner Felshaut
freigelegt haben, um die Wasserversorgung wiederherzustellen. Ein weiterer
Mythos unterstreicht, wie wichtig für Kelainai/Apameia die Wasserversorgung
war: Ihm zufolge hatte bereits in alter Zeit der bekannte phrygische König
Midas wie ein Zauberer in der Stadt eine Quelle mit Trinkwasser aus dem
AA-2008/1 Beiheft
Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik 237
6
7
Lokale Münzprägung Kleinasiens
Boden hervorbrechen lassen. Die verborgenen Wasser und Karstschlünde um
Kelainai/Apameia haben die Phantasie der Menschen in Gang gesetzt. Aus
den unterirdischen Kanälen konnte nicht nur Wasser hervorkommen; durch
sie konnte es auch in den Untergrund abfließen. Insofern braucht es nicht zu
wundern, dass griechisch-römische Traditionen den Ablauf der heidnischen
Sintflut in die Umgebung Kelainai/Apameias verlegen, eine jüdische Diasporatradition sogar die Landung der Arche des Stammvaters Noah nicht auf dem
armenischen Ararat, sondern im phrygischen Apameia ansiedelt: Prächtige
Münzen der Stadt zeigen Noah und seine Frau in einer Kiste – der Arche (von
lat. arca, d. h. Kiste) –, die auf einem Hügel bei Apameia auf festem Land aufgesetzt hat (Abb. 8). Es ist der einzige Fall, dass eine Szene des Alten Testamentes
auf einer antiken Münze dargestellt ist.
Ansprechpartner: J. Nollé • Abbildungsnachweis: Kupferstich von Joseph
Stöber aus: Publius Ovidius Naso,Verwandlungen. In Kupfern vorgestellt, und
mit nöthigen Erläuterungen versehen (Wien: Ignaz Alberti 1791) II (hinter 122) (Abb. 4); Photographie, J. Nollé (Abb. 5); Auktion Egger 46, 1914,
Nr. 1646 (Abb. 6); Katalog Weber 495 Nr. 7036 (Abb. 7); SNG von Aulock
Nr. 3506 (Abb. 8).
Abb. 6 Der Heros Kelainos gießt Wasser in
den Stadtberg von Apameia
Abb. 7 Der Flussgott Marsyas in seiner
eingestürzten Quellhöhle, von rechteckigen
Felsformationen umgeben
Abb. 8 Noah und seine Frau in der Arche
(rechts) und dann nach ihrer Landung
in Kelainai/Apameia (links), mit einem
antiken Gebetsgestus Gott für ihre Rettung
dankend
8
Corpus der Urkunden der Römischen Herrschaft
Das Corpus will die auf Papyrus oder als Inschrift erhaltenen Edikte und Episteln der Kaiser und Statthalter der sog. Hohen Kaiserzeit – also die amtlichen
Verlautbarungen dieser Herrscher über das Römische Weltreich in den ersten
drei nachchristlichen Jahrhunderten – erstmals geschlossen und durch Übersetzung und umfangreichen Kommentar leicht zugänglich vorlegen. Es beabsichtigt weiterhin die Interpretation des einzelnen Dokumentes durch Neulesungen und den zum ersten Mal in diesem Maße möglichen Vergleich mit
ähnlichen Dokumenten voranzutreiben. Darauf aufbauend soll anhand dieser
zentralen Gruppe von Dokumenten die Entwicklung und Struktur der Herrschaftsausübung Roms untersucht werden. Durch die Kombination und Gegenüberstellung von epigraphischen und papyrologischen Dokumenten und die
Serienbildung gewinnt man indirekt neue Einblicke in Phänomene wie z. B.
die Organisation und das Ausmaß von Schriftlichkeit im Rahmen der Reichsverwaltung, für die direkte Quellenaussagen aufgrund unserer immer partiellen Kenntnisse der antiken Realität fehlen.
So ist z. B. nur eine einzige originale Ausfertigung eines Statthalterschreibens erhalten und nur ein – zudem sehr fragmentarischer – Rest des Aushanges eines Edikts eines Gouverneurs. Viele Fragen, die für das Mittelalter angesichts zahlreicher Originalurkunden von der sog. Diplomatik intensiv erforscht
AA-2008/1 Beiheft
238 Jahresbericht 2007 des DAI
Abb. 9 Urkunden der Römischen Herrschaft, I. Pergamon 274. Der
Versuch, die Position des Ausgabevermerks links vom eigentlichen
Text eines Schreibens Hadrians an Pergamon auf einer Inschrift
wiederzugeben
wurden, lassen sich daher für die Antike nur schwer oder gar nicht klären. Allerdings gibt es immer wieder aufschlussreiche Ausnahmen: So hat man z. B.
nur sehr selten die Ausgabevermerke kaiserlicher Schreiben – also die Angaben, wann und wo das jeweilige Schreiben erlassen wurde – mitkopiert. Zwei
dieser drei Belege (Abb. 9) datieren aber fast in die gleiche Zeit – nämlich in
die ersten Jahre Hadrians bzw. exakt in das Jahr 117 –, wobei es sich zudem
um Kopien aus dem Bereich zweier unterschiedlicher Medien, nämlich Papyrus und Inschrift, handelt. Wenn aber zu annährend dem gleichen Zeitpunkt
in zwei weit entfernten Reichsteilen, den Provinzen Asia (also der heutigen
Westtürkei) und Aegyptus, ein solches Bemühen um Genauigkeit bis ins Detail
festzustellen ist, dann dürfte dahinter eine uns direkt nicht überlieferte, reichsweit gültige Entscheidung stehen – also eine des Kaisers, die die entsprechende
Sorgfalt bei den Abschriften eingeschärft hatte.
Welche Einblicke in die historische Realität auch geringe Korrekturen der
Lesung eines schon bekannten Textes gewähren können, machte die Neuinterpretation von P. Mich. IX 522 (Abb. 10) deutlich. Ein wichtiges Element
in der Beurteilung römischer Kaiser durch die senatorische Geschichtsschreibung ist immer wieder die Frage, wie diese mit anonymen Anzeigen umgingen. Ein guter Herrscher nimmt diese Anzeigen nicht zur Kenntnis, während
AA-2008/1 Beiheft
Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik 239
Abb. 10 Urkunden der Römischen
Herrschaft, P. Mich. IX 522. Ein Edikt eines
praefectus Aegypti zur Frage, wie er mit
anonymen Anzeigen umgehen wolle
ein schlechter ihnen blindlings vertraut. Der erwähnte Papyrus bietet nun neben einem Brief des Plinius (10, 96, 5) den ersten Beleg dafür, wie in der alltäglichen Realität mit solchen Anzeigen umgegangen wurde. Danach wollte
der entsprechende Statthalter Ägyptens C. Valerius Eudaemon, der nach allem,
was wir wissen, ein typischer Vertreter Roms war, anonyme Anzeigen keineswegs gänzlich unbeachtet lassen, allerdings auf ihrer Basis nur dann handeln,
wenn überzeugende Beweismittel beigefügt waren. Die alltägliche Realität sah
also anders aus, als es die senatorische Historiographie als Verhaltensregel vorschreiben wollte.
Ansprechpartner: R. Haensch, S. Scheuble • Mitarbeiterin: C. Kreuzaler •
Abbildungsnachweis: nach Max Fränkel, Die Inschriften von Pergamon 2. Römische Zeit (Berlin 1895) 212 f. Nr. 274 (Abb. 9); P. Mich. Inv. 4694 = P. Mich.
IX 522 (Abbildung unter: http://quod.lib.umich.edu/cgi/i/image/image-idx
?q1=Mich.%20522;rgn1=ic_all;op2=And;rgn2=ic_all;op3=And;rgn3=ic_all;
size=50;c=apis;back=back1205489603;subview=detail;resnum=5;view=entr
y;lastview=reslist;lasttype=boolean;cc=apis;entryid=x-2264;viewid=4694R.
BMP), digitally reproduced with the permission of the Papyrus Collection,
Graduate Library, University of Michigan, Traianos Gagos (Abb. 10).
Die Übernahme römischer Kulte und Kultformen im Westen
der Iberischen Halbinsel
Der Geograph Strabon wusste etwas für die Antike Welt Außergewöhnliches
über den Nordwesten der Iberischen Halbinsel zu berichten: Es gebe dort
Völkerschaften, die keine Götter besäßen (3, 4, 16). Nach der modernen Forschung saßen Strabon bzw. seine Gewährsleute einem groben Missverständnis auf. Denn zieht man andere Quellengattungen heran, zeigt sich für die genannten Regionen ein buntes Bild verschiedenster einheimischer Götter und
Kulte. Nichtsdestotrotz lässt die Stelle erkennen, dass religiöse Vorstellungen
und Rituale wie andere Sitten und Gebräuche der indigenen Stämme aus dem
Nordwesten und Westen der Iberischen Halbinsel den Römern zum Teil sehr
fremd gewesen sein müssen.
Mit der Integration der genannten Regionen in das Römische Reich setzten dort gerade auch im Bereich des Religiösen Austausch- und DiffusionsAA-2008/1 Beiheft
240 Jahresbericht 2007 des DAI
prozesse ein. Zentren römischer Kultur in Lusitanien waren die römischen
Kolonien, allen voran die 25 v. Chr. von Augustus deduzierte Veteranenkolonie und Provinzmetropole Augusta Emerita/Mérida (Spanien). Angesichts
der Tatsache, dass in der antiken Vorstellung das Wohl einer Gemeinde auf das
Engste mit der gebührenden Achtung und der angemessenen Verehrung ihrer
Götter verknüpft war, erscheint es nur natürlich, dass das religiöse Panorama
dieser Kolonie weitgehend durch römische Kulte geprägt ist. Doch strahlte
Emerita nicht nur auf das Umland aus, sondern empfing in einem komplexen
Austauschprozess auch indigene Einflüsse. Diese wechselseitigen Einflüsse wurden im Rahmen eines Projekts zu den einheimisch-keltischen und römischen
Kulten und Kultformen in Lusitanien untersucht. Schon der Umstand, dass
einige dieser einheimischen Kulte in der zuweilen als römische Musterkolonie charakterisierten Stadt belegt sind, spricht für die Stärke entsprechender
Traditionen auch unter bereits romanisierten Einheimischen. Als Dedikanten
erscheinen aber nicht nur Personen mit einheimischem Hintergrund, sondern
selbst zumindest im Einzelfall solche, die aus anderen Provinzen zugewandert
waren, und auch Sklaven, deren griechische Namen eine östliche Herkunft
möglich erscheinen lassen (Abb. 12). Dass Zugewanderte wie das Brüderpaar
Valerius Vitulus und Valerius Proculus die regionale Gottheit Lacipea anriefen
und dieser sogar ein Bauwerk stifteten, ist nur vorstellbar, wenn indigene Kulte
im Alltagsleben der Bevölkerung eine große Vitalität besaßen.
Aufgrund nur vereinzelt überlieferter epigraphischer Zeugnisse sah man in
der Verehrung indigener Götter in Emerita lediglich eine Randerscheinung.
Dies wird den antiken Verhältnissen jedoch nicht gerecht. Vielmehr manifestiert sich in der Unterbewertung entsprechender Zeugnisse ein Quellen- und
Überlieferungsproblem, das ganz allgemein für weite Bereiche der privaten
Religiosität des Altertums zu konstatieren ist. Immer wieder ist festzustellen,
dass eine unkritische Gleichsetzung des heute verfügbaren Quellenbestandes
mit der antiken Realität zu einem verzerrten Bild führt. Ähnliche Untersuchungen sollen für ganz Lusitanien durchgeführt werden.
Ansprechpartner: P. Rothenhöfer • Abbildungsnachweis: P. Rothenhöfer
(Abb. 12).
Abb. 12 Römische Kulte und Kultformen
im Westen der Iberischen Halbinsel, Mérida
(Spanien). Kleiner Weihaltar des Sklaven (?)
Trophimus an Edigenius
Wissenschaftliche Veranstaltungen
Vorträge
2. Februar Kurt Raaflaub (Providence), Das politische Denken der Griechen
im interkulturellen Zusammenhang des Mittelmeerraumesxxx9. Februar Ségolène Demougin (Paris), Ius guberno remque fungor Caesarum. L’établissement
de l’adminstration équestre au 1er siècle aprés J. C.xxx18. Mai Pierre-Louis
Gatier (Lyon), La présence romaine à Gérasa: Nouvelles inscriptionsxxx29. Juni Johannes Hahn (Münster), Die Christianisierung der spätantiken Stadt: Parameter und Problemexxx20. Juli Véronique Chankowski (Athen), Marché,
commerce et stockage à Délos: Retour sur la loi délienne sur la vente du bois
et du charbon (ID 509)xxx9. November Dominic Rathbone (London), Pompeius and Herennia: A Family History from Roman Egyptxxx23. November
Zwei Vorträge aus Anlass der Verabschiedung von Hans Roland Baldus. – Es
sprachen: Bernhard Weisser (Berlin), Baalbek – Priene – Olympia. Fundmünzen und Münzfunde in Berlin; David Wigg-Wolf (Frankfurt a. M.), Corpus
oder Kontext? Herausforderungen und Perspektiven in der Fundnumismatik.
AA-2008/1 Beiheft
Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik 241
Internationales Kolloquium
25./26. Oktober Teilkolloquium des DFG-Schwerpunktprogramms 1209
»Die hellenistische Polis als Lebensform. Urbane Strukturen und bürgerliche
Identität zwischen Tradition und Wandel«. – Es sprachen: Christof Schuler
(München), Einführung; Klaus Freitag (Münster), Zentralisierungs- und Dezentralisierungsprozesse in den hellenistischen Bundesstaaten; Roland Oetjen
(Bremen/München), Peripherie und Zentrum in Attika; Joachim Heiden
(Athen) – Corinna Rohn (Cottbus), Zentralisierung und Dezentralisierung
in Triphylien; Andreas Victor Walser (München), Zentralisationsprozesse in
Nordgriechenland; Gary Reger (Connecticut), Reconfiguring the Political
Geography of Karia; Christian Mileta (Halle), Polisneugründungen im hellenistischen Kleinasien – Zentralisierung oder Dezentralisierung?; Christof
Schuler (München), Sympolitien im kaiserzeitlichen Lykien; Robert Malcolm
Errington (Marburg), Schlusswort.
Öffentlichkeitsarbeit
Vorträge von Angehörigen der Kommission für eine breitere Öffentlichkeit
17. Januar Johannes Nollé, Der Mäander – Münzen griechischer Städte und der
große Fluss (vor dem Circulus Numismaticus Basiliensis, Basel)xxx16. März
Johannes Nollé, Geld für ein Imperium: Die Weltwährung des römischen Kaiserreiches (vor der Dante Alighieri-Gesellschaft, München)xxx10. Oktober
Johannes Nollé, Heilige Bäume (vor dem Starnberger Kunstkreis Buzentaur,
Starnberg)xxx19. Oktober Johannes Nollé, Ostia, der Hafen Roms. Seine
historische Entwicklung (vor der Dante Alighieri-Gesellschaft, München)
20. November Johannes Nollé, Überlegungen zur Geldwertentwicklung in
der Römischen Kaiserzeit (vor der Bayerisch-Numismatischen Gesellschaft,
München)xxx23. November Johannes Nollé, Das Grabmal des Eurysaces und
die staatliche Brotproduktion in Rom (vor der Dante Alighieri-Gesellschaft,
München).
Beiträge für öffentliche Medien
Eine Mitarbeiterbesprechung der Kommission wurde von der Deutschen Welle
im Rahmen ihres Berichtes über den Präsidenten des DAI mitgeschnitten.
Veröffentlichungen
Chiron 37, 2007
Sylloge Nummorum Graecorum, Deutschland: K. Liampi, Heft München 12
(Thessalien bis Korkyra)
Vestigia 56: M. Haake, Der Philosoph in der Stadt
Vestigia 57: J. Nollé, Kleinasiatische Losorakel
AA-2008/1 Beiheft
Orient-Abteilung
Orient-Abteilung
Podbielskiallee 69–71
D-14195 Berlin
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Direktoren
Prof. Dr. Ricardo Eichmann, Erster Direktor
Dr. Margarete van Ess, Wissenschaftliche Direktorin
Wissenschaftliche Mitarbeiter
Dr. Claudia Bührig, Prof. Dr. Klaus Schmidt, Frank Voigt M. A. (ab 9. 7.)
Wissenschaftliche Hilfskräfte
Sandra Feix M. A. (ab 1. 10.), Miriam Kühn M. A., Kristina Pfeiffer M. A. (ab 1. 2.)
Aus Drittmitteln finanzierte Stellen
Dr. des. Claudia Beuger (DFG), Dipl.-Ing. Dorothea Bodenmüller (DFG), Anja Dreiser
M. A. (DFG, bis 14. 8.), Dr. Bettina Fischer-Genz (DFG), Dr. Thomas Götzelt (DFG),
Dr. Arnulf Hausleiter (DFG), Dr. Andrea Intilia (DFG, ab 15. 8.), Florian Klimscha M. A.
(DFG), Dipl.-Ing. Jan Krumnow (DFG), Dr. Bernd Liesen (DFG, bis 4. 7.),
Dipl.-Ing. Ulrike Siegel (DFG), Jürgen Schreiber M. A. (DFG, bis 15. 6.),
Judith Thomalsky M. A. (DFG), Holger Wienholz M. A. (DFG)
Außenstellen der Orient-Abteilung
Außenstelle Baghdad
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Außenstelle Baghdad zur Zeit nicht besetzt, daher vorübergehende
Postadresse und Kontaktdaten über die Orient-Abteilung in Berlin
wie nebenstehend
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Damaskus/Syrien
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Germany
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Wissenschaftliche Mitarbeiter
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Wissenschaftliche Hilfskräfte
Dr. des. Matthias Grawehr (bis 30. 11.), Dörte Rokitta-Krumnow M. A.
Auslandsstipendiatin
Dr. Sarah Japp (bis 30. 4.)
Aus Drittmitteln finanzierte Stellen
Dr. Sarah Japp (DFG, ab 1. 5.), Dipl.-Ing. Mike Schnelle (DFG, ab 1. 2.)
Orient-Abteilung 245
Ausgrabungen und Forschungen
Baalbek (Libanon)
Seit 2001 werden in Baalbek, dem in der Hochebene der nordlibanesischen
Beqaa gelegenen antiken Heliopolis, archäologische und bauhistorische Untersuchungen in verschiedenen Bereichen der antiken und modernen Stadt
durchgeführt. Nachdem die Feldforschungsarbeiten im Vorjahr aufgrund des
Krieges mit Israel ausgesetzt werden mussten, wurde in diesem Jahr sowohl im
Frühjahr als auch im Herbst vor Ort gearbeitet. Mehrere bauhistorische Dokumentationsprojekte und die Aufarbeitung der aus begleitenden Sondagen stammenden Fundobjekte wurden fortgesetzt oder abgeschlossen.
Im monumentalen Jupiter-Heiligtum wurden dessen Substruktionen erstmals seit ihrer Freilegung am Anfang des 20. Jhs. einer erneuten bauhistorischen Untersuchung unterzogen. Ergänzende Freilegungen von Räumen in
den Substruktionen und zusätzliche Ausgrabungen im ›Großen Altarhof‹, im
Tempelbereich selbst sowie an den Außenseiten des Heiligtums, die durch die
libanesische Antikenverwaltung in den 1950–1970er Jahren durchgeführt worden waren, ließen eine neue Architekturstudie lohnend erscheinen.Vorläufiges
Ergebnis ist die detaillierte typologische Gliederung diverser Architekturbereiche und eine begründete Abfolge der verschiedenen Bauzustände seit der Auflassung des prähellenistischen Siedlungshügels unter dem Heiligtum, die sich
an mehreren Bereichen des Heiligtums aufzeigen lässt. Mehrere Mauerringe
sind an die erhaltene östliche Hügelflanke angelehnt (Abb. 1), sie gehören mög-
Abb. 1 Baalbek (Libanon), sog. großer
Altarhof des Jupiter-Heiligtums. Geometrie
und Bauphasen der vorrömischen Baureste
östlich des ›Großen Altars‹
AA-2008/1 Beiheft
246 Jahresbericht 2007 des DAI
licherweise zu der Eingangskonstruktion eines vorrömischen Heiligtums. Das
römische Kernheiligtum, bestehend aus einem Tempel auf hohem Podium und
dem davor gelagerten Hof des ›Großen Altars‹, wurde in zwei klar trennbaren
Baustadien errichtet. Ein erstes kaiserzeitliches Propylon (1. Jh. n. Chr.) lag
nach derzeitigem Kenntnisstand an der Ostseite des Altarhofes, während es
sich bei dem heute östlich anschließenden Hexagonalhof und dem Propylon
um jüngere Bauaktivitäten der römischen Kaiserzeit handelt.
Im Bereich des Temenos des sog. Venus-Tempels wurden die bauhistorischen Untersuchungen mit weiteren Reinigungsarbeiten am ›Musen-Tempel‹
abgeschlossen.Verschiedene Nutzungsniveaus und Fußböden belegen die lange Nutzung und leichte bauliche Veränderung dieses Tempels, eines tetrastylen
Pseudoperipteros korinthischer Ordnung, dessen Bauform auf italische Vorbilder zurückgehen mag. Das Adyton des Tempels muss als nicht erhöht und
ohne Kryptaanlage rekonstruiert werden. Der Tempel erwies sich als die älteste
römische Baumaßnahme der Stadt.
In dem Bustan el Khan genannten Stadtbereich im Süden der antiken Stadt
Baalbek wurden die Dokumentationsarbeiten am sog. Peristylgebäude, einem
monumentalen Bankettsaal, um eine bauhistorische Detailanalyse eingebauter,
jüngerer Baustrukturen sowie um die archäologische Untersuchung eines im
Süden an das Gebäude anschließenden Annexes ergänzt. Hier war 2004 eine
Treppe freigelegt worden, die zu einem überwölbten Durchgang wohl eines
Vorratskellers führt (Abb. 2). Die Treppe wurde am Anfang des 4. Jhs. n. Chr.
intentionell mit Gefäßscherben und Baukeramik verschüttet. Das Ziel der Untersuchung, eine stratigraphische Verbindung zwischen Peristylgebäude und
Treppenanlage nachzuweisen, konnte nicht erreicht werden, da bei den Ausgrabungen der 1960er Jahre offensichtlich entscheidende Befunde abgetragen
worden waren. In Verbindung mit einem neu erstellten Vertikalbild ist nun
aber die jüngere Umnutzung des Gebäudes präziser als zuvor zu fassen, so dass
klarere Rückschlüsse auf den ursprünglichen Baubestand des Bankettsaales
gezogen werden können.
Mit der Bestandsaufnahme osmanischer und mittelalterlicher Bauwerke sowie von Spolien in der Altstadt von Baalbek wird versucht, eventuell seit der
Antike tradierte Stadtstrukturen zu extrahieren (Abb. 3). Die Feldarbeiten des
Teilprojekts konnten abgeschlossen und die Ergebnisse in den photogramme-
Abb. 2 Baalbek (Libanon), Bustan el Khan.
Peristylgebäude, Profilzeichnung des aus
Backsteinen gesetzten Türgewölbes zum
Keller
Abb. 3 Baalbek (Libanon), Beit Nassif.
Das osmanische Haus integriert Teile der
spätantiken und mittelalterlichen Stadtmauer. Das mittelalterliche ›Damaskus-Tor‹
ist an der Südwestseite des Hauses erhalten
AA-2008/1 Beiheft
Orient-Abteilung 247
Abb. 4 Baalbek (Libanon), Aufarbeitung
von Grabungsbefunden. Die typische
›Baalbek-Amphora‹ wurde erstmals anhand
der Keramikbefunde aus einer aufgelassenen Treppe im Peristylgebäude (Bustan
el-Khan) definiert (M. 1 : 4)
trisch neu erstellten Stadtplan eingebunden werden. Baudetails und -techniken
der osmanischen Häuser werden typologisch gegliedert sowie chronologisch
geordnet und sollen in Beziehung zu vergleichbaren Architekturresten in den
Ausgrabungsbereichen gesetzt werden. Dendrochronologische Untersuchungen der verwendeten Bauhölzer ergaben Datierungen zwischen dem 15. und
19. Jh n. Chr.
Die begleitende Aufarbeitung aller Funde aus den Untersuchungsbereichen
führte zu einer Detailstudie spätantiker Keramik, im Rahmen derer erstmals
für die Region das typische lokale Formenspektrum definiert (Abb. 4) sowie
Anhaltspunkte für die Verbreitung baalbekischer Keramikwaren herausgearbeitet werden konnten. Auch wenn für Baalbek selbst bislang keine Produktionsstätte nachgewiesen werden kann, muss eine solche in der Umgebung
angenommen werden. Die für Baalbek spezifische Tonzusammensetzung wird
derzeit archäometrisch analysiert.
Kooperationspartner: Brandenburgische Technische Universität Cottbus;
Direction Générale des Antiquités du Liban • Förderung: DFG • Leitung
des Projekts: M. van Ess, K. Rheidt • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: J. Binaszkiewicz, B. Genz, H. Hamel, H. Wienholz (Durchsicht der Funddepots),
H. Burwitz, F. Hoebel, D. Lohmann (Baugeschichte), S. Feix, N. Mathyschok,
J. Nador (Archäologie), U. Heußner (Dendrochronologie), I.Wagner (Photographie) • Abbildungsnachweis: D. Lohmann (Abb. 1); H. Burwitz, DAI, OrientAbteilung, I. Wagner (Abb. 2. 3); DAI, Orient-Abteilung, H. Hamel (Abb. 4).
Gadara/Umm Qais (Jordanien)
Die antike Stadt Gadara (Umm Qais) liegt am Rande einer fruchtbaren Hochebene auf einer Hügelkuppe im Nordwesten des heutigen Jordanien, unmittelbar an der Grenze zu Israel und Syrien.
Die heute das Erscheinungsbild des Siedlungshügels bestimmende Befestigungsanlage wurde vermutlich um 200 v. Chr. als Grenzfeste zwischen dem Ptolemäerreich im Süden und dem Seleukidenreich im Norden angelegt. Bereits
ab der 1. Hälfte des 2. Jhs. v. Chr. weitete sich die Kuppensiedlung auf eine nordöstlich vorgelagerte Geländeterrasse aus. Hier – extra muros – entstand zwischen
der 1. Hälfte des 2. Jhs. und dem Anfang des 1. Jhs. v. Chr. ein Tempelbezirk mit
einem nach Süden orientierten, frei stehenden Podientempel I, der vermutlich
dem Zeus Olympios geweiht war.
Mit dem Bau des Nordtheaters zu Beginn des 1. Jhs. n. Chr. – nahezu in
einer Achse mit dem Hauptheiligtum und südlich daran angrenzend – fing
man an, das Areal am ›Östlichen Stadteingang‹ neu zu definieren und zu gestalten (Abb. 5).
Die diesjährigen Ausgrabungen konzentrierten sich auf den Bereich außerhalb des Nordtheaters, d. h. zwischen Bühnengebäude und einer vorgelagerten,
AA-2008/1 Beiheft
248 Jahresbericht 2007 des DAI
gleichfalls Ost-West orientierten Nischenwand sowie dem nördlich des Theaters anschließenden, exakt in der Mittelachse gelegenen und vermutlich kaiserzeitlich zu datierenden Podientempel II (Abb. 5). Erstmals sind durch diese
Grabungen die Voraussetzungen geschaffen worden, anhand der archäologischen Hinterlassenschaften die Siedlungskontinuität von hellenistischer bis in
byzantinische Zeit zu verfolgen.
Die Sondagen am Podientempel II sollten zum einen die Frage nach dem
Zerstörungsdatum dieses jüngeren Baus beantworten; zum anderen galt es,
Hinweise auf die Datierung und die Funktion der bereits in der Kampagne des
Vorjahres ausgegrabenen Vorgängerbebauung zu finden (Abb. 6). Diese hellenistisch zu datierenden Baustrukturen belegen erstmals eine Profanbebauung
außerhalb der hellenistischen Kuppenfestung und dem extra muros gelegenen
städtischen Heiligtum.
Anknüpfend an die wasserwirtschaftlichen Untersuchungen der Kampagnen 2005 und 2006 lag erneut ein Fokus auf der Klärung von Fragen nach der
Wasserversorgung und -haushaltung des Areals, insbesondere im Nordtheater
und im Bereich der westlichen Stadterweiterung. So wurde das Zuleitungssystem (Tunnel) zum Nordtheater detailliert dokumentiert und im topographischen Bestandsplan kartiert. Die Auswertung eines Grabungsschnittes ab einer
unmittelbar an Podientempel II angrenzenden Zisterne ergab, dass sie schon vor
der Errichtung des Tempels II betrieben und kontinuierlich genutzt wurde.
Für die Beantwortung wirtschafts- und sozialgeschichtlicher Fragen wurde
das umfangreiche Keramikmaterial – insbesondere aus Auffüllschichten nördlich des Bühnengebäudes – untersucht. Dabei wurde deutlich, dass die geregelte Nutzung des Geländes im 2. Jh. v. Chr. einsetzt und Importkeramik anfänglich nur in geringen Mengen auftrat. Erst im Laufe des 1. Jhs. v. Chr. erreichte
Eastern Sigillata A, wie an allen Fundplätzen des Vorderen Orients, einen beträchtlichen Marktanteil. Bei den zahlreich gefundenen Lampen und figürlichen Terrakotten zeichnet sich eine Belieferung durch nur wenige Werkstätten
ab, deren Standort noch unbekannt ist. Byzantinische und spätere Keramik wurde nur in geringem Umfang geborgen, so dass keine neuen Hinweise auf die
siedlungsgeschichtlichen Abläufe in dieser Zeit gewonnen werden konnten.
Abb. 5 Gadara/Umm Qais (Jordanien),
Areal am ›Östlichen Stadteingang‹ mit
Nordtheater, Podientempel II und im
Vordergrund Podientempel I. Blick von
Norden
AA-2008/1 Beiheft
Orient-Abteilung 249
Gadara/Umm Qais (Jordanien)
Abb. 6 Baureste der hellenistischen Vorgängerbebauung und
Zisterne unter dem Fundament von Podientempel II, Blick von
Westen
Abb. 7 Fragmente der opus sectile-Dekorationen aus den Sondagen
am Podientempel II
6
7
Aus der Menge der nichtkeramischen Funde seien hier die zahlreichen Reste von opus sectile-Dekorationen hervorgehoben, die – obgleich überwiegend
in modernen Kontexten angetroffen – wohl dem Podientempel II zuzuordnen
sind. Sie vermitteln nicht nur einen Eindruck von der Innenausstattung des
Sakralbaus, sondern sind auch handelsgeschichtlich aufschlussreich: So sind lebhaft gemusterte Steinsorten nur sehr schwach repräsentiert, die Brekzie ›Marmo di Caria‹ aus dem weiß gebänderten Marmor – wohl sog. Cippolino aus
Euböa – war dagegen sehr beliebt, obwohl dieser über eine große Entfernung
transportiert werden musste und daher vergleichsweise kostspielig gewesen
sein dürfte (Abb. 7).
Alle bisherigen Grabungsbefunde vermitteln folgendes Bild: Während das
Areal am ›Östlichen Stadteingang‹ als Kultplatz eine Nutzungskontinuität aufweist, unterliegt es in städtebaulicher Hinsicht einem fortwährenden Wandlungsprozess. Unklar ist, ob die Gesamtplanung des Areals mit dem Heiligtum
bereits auf ältere Planungen, etwa aus der Zeit der Errichtung der hellenistischen Stadtbefestigung, zurückgreift. Betrachtet man die Stadtentwicklung von
Gadara insgesamt, so tritt deutlich die Bedeutung des Kultplatzes sowie seiner
räumlichen Festlegung im Stadtgefüge hervor, die vergleichbar ist mit der des
Zeusheiligtums in Gerasa. Denn trotz vielfältiger urbanistischer Veränderungen
im Areal am ›Östlichen Stadteingang‹ blieb, nach unseren bisherigen Erkenntnissen, das Zeusheiligtum in Gadara auch in der Kaiserzeit von großer Bedeutung.
Kooperationspartner: Generaldirektion, Staatliche Museen zu Berlin
Stiftung Preußischer Kulturbesitz Berlin (SMB SPK) • Förderung: Deutsche Wasserhistorische Gesellschaft e. V. • Leitung des Projekts: C. Bührig,
G. Schauerte • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: B. Liesen (Fundbearbeitung), Chr. Hartl-Reiter (Geodäsie), H.-Ch. Noeske (Fundmünzen), N. Benecke (Archäozoologie), H. H. Hirth, A. Prust, A. Brauchle, J. Krobbach, P. Keilholz, B. Abert, J. Hidalgo • Abbildungsnachweis: DAI, Orient-Abteilung,
C. Bührig (Abb. 5. 6); DAI, Orient-Abteilung B. Liesen, A. Prust (Abb. 7).
AA-2008/1 Beiheft
250 Jahresbericht 2007 des DAI
Aqaba (Jordanien)
Der an der nördlichen Peripherie der modernen Stadt Aqaba gelegene prähistorische Siedlungsort Tall HujayrŒt al-GhuzlŒn (4100–3600 v. Chr.) repräsentiert eine kulturgeschichtlich bedeutende Entwicklungsphase, die durch technische Innovationen auf den Gebieten Kupfermetallurgie und Wasserbau gekennzeichnet ist. Die seit 2000 unternommenen Ausgrabungen konnten u. a.
Einblicke in frühe Formen der Kupferverhüttung und des Bewässerungsfeldbaus sowie den Nachweis von Kulturbeziehungen zwischen Ägypten und Vorderasien im 4. Jt. v. Chr. erbringen. In diesem Jahr beschränkten sich die Projektarbeiten auf die Vorbereitung einer umfassenden Grabungspublikation sowie eine damit zusammenhängende zweimonatige Fundaufnahmekampagne in
Amman, die in den Räumlichkeiten der University of Jordan und dem Deutschen Evangelischen Institut durchgeführt wurde. Parallel dazu wurde mit der
jordanischen Antikenbehörde ein Konzept zur Präsentation der Forschungsergebnisse im archäologischen Museum von Aqaba (Abb. 8) erarbeitet.
Kooperationspartner: University of Jordan • Leitung des Aufarbeitungsprojekts: K. Schmidt, L. Khalil • Abbildungsnachweis: DAI, Orient-Abteilung,
U. Siegel (Abb. 8).
Archäometallurgie des Sinai (Ägypten)
Zu Beginn des Jahres hat die Orient-Abteilung in Kooperation mit der Abteilung Kairo des DAI (s. auch hier S. 155 f.) sowie dem Deutschen BergbauMuseum ein neues interdisziplinäres Projekt ins Leben gerufen, das sich mit
der Archäometallurgie des Sinai beschäftigt. Ziel des Projekts ist es, die Bedeutung des sinaitischen Kupfers im 4./3. Jt. v. Chr. zu erfassen. Dazu werden Beprobungen von metallurgischem Material, die Sichtung von Fundmaterial der
Altgrabungen und Begehungen bzw. Ausgrabungen von ausgewählten Plätzen
durchgeführt.
Die Forschungen sollen dazu beitragen, das gegenwärtig eher vernachlässigte archäologische Potential im Sinai neu zu bewerten und die Forschungen
der überregionalen Kontakte zu intensivieren. Um Handelsrouten, kulturellem
Austausch und Ursprüngen von verhandelten Materialien auf die Spur zu kom-
9
Abb. 8 Aqaba (Jordanien), Zweigstelle der
jordanischen Antikenbehörde in Aqaba und
archäologisches Museum
Archäometallurgie des Sinai (Ägypten),
Serabît el-Khadim
Abb. 9 Spätchalkolithische mauerartige
Steinstruktur
Abb. 10 Spuren des chalkolithischen
Bergbaus
10
AA-2008/1 Beiheft
Orient-Abteilung 251
men, sind anhand von Bleiisotopenuntersuchungen Provenienzanalysen durchzuführen. Es sollen des Weiteren sowohl Überreste von Siedlungsplätzen des
4. Jts. v. Chr. erfasst (Abb. 9) als auch deren einstige Funktion im Erzabbau beleuchtet werden (Abb. 10). Montanarchäologische und archäometallurgische
Untersuchungen sind hier von Bedeutung, denn im Sinai finden sich zahlreiche, in prähistorische Zeit zu datierende Schmelzplätze, von denen ein Großteil bisher undatiert ist.
Der Sinai liegt als Landbrücke zwischen zwei großen, sich überschneidenden Kulturgebieten, die in der Kupfermetallurgie einen unterschiedlichen Entwicklungsstand aufweisen. Da für Unterägypten zu Beginn des 4. Jts. v. Chr.
bisher keine entwickelten Metallurgietechnologien nachzuweisen sind, gelangten die technologischen Kenntnisse vermutlich aus dem Ostmittelmeerraum
Archäometallurgie des Sinai (Ägypten),
Wadi Riqeita
Abb. 11 Antike Grubenhalden entlang der
Erzader (nicht datiert)
Abb. 12 Chrysokollbrocken aus der
Kupfererzader
11
12
AA-2008/1 Beiheft
in den Sinai. Denn in der südlichen Levante zeigt sich anhand einer häufig
nachweisbaren Kupferverarbeitung ein hoher Technologiestandard.
Bei einer ersten Begehung im Vorjahr auf dem westlichen und südlichen
Sinai wurden Schmelzplätze und Erzlagerstätten aufgesucht (Abb. 11), von denen für insgesamt 27 Erz-, Schlacke- und Metallproben chemische und mineralogische Untersuchungen sowie Messungen der Bleiisotopenverhältnisse
erfolgten. Mit diesen Analysen liegen erstmals Messergebnisse aus dem Sinai
vor, die mit Probenserien von Fundkomplexen anderer Regionen verglichen
wurden (Lagerstätten in Jordanien, Israel sowie Saudi-Arabien, Fundplätze
Maadi [Unterägypten],Tell Magass und Tall HujayrŒt al-GhuzlŒn in Südjordanien). Das Bleiisotopendiagramm konnte veranschaulichen, dass der Sinai als
Rohstoffquelle für einige Metallfunde u. a. in Maadi (Material aus den Neugrabungen) nicht ausgeschlossen werden kann (Abb. 12). Dies würde bedeuten, dass Maadi – wo bisher keine Spuren extraktiver Metallurgie gefunden
wurden – zu Teilen mit aus Sinai-Erzen gefertigtem Kupfer versorgt worden
war. Im weiteren Verlauf des Jahres konnten zahlreiche neue Proben für die
Messungen herangezogen werden: neun Proben aus dem unterägyptischen
Maadi und mehr als 20 aus Israel eingeführte Proben von ausgegrabenen Plätzen im Sinai.
252 Jahresbericht 2007 des DAI
Zur Konsolidierung der Arbeiten konnten weitere Ergebnisse zur Besiedlung, der Chronologie und den Verbindungsrouten erzielt werden. Ältere Datierungen von Fundplätzen früherer Surveys erbrachten überdurchschnittlich
viele Einordnungen in die Frühe Bronzezeit II, während noch ältere Perioden
trotz passendem Fundmaterial nicht erwähnt wurden (Abb. 11). Dies bot die
Möglichkeit zur Korrektur der Chronologie, die sich zunächst am Fundmaterial orientiert (Lithik, Muschelartefakte, Felsgesteingeräte). Daraus resultierte,
dass mindestens 30 Plätze bereits vor der Frühen Bronzezeit II bestanden und
bis in die Mitte des 5. Jts. v. Chr. zurückreichen.
Eine bisher lange Zeit angenommene These der Einphasigkeit der meisten
Fundorte kann zunehmend entkräftet werden, denn Fundmaterial aus unterschiedlichen Perioden sowie stratigraphische Beobachtungen indizieren häufig eine mehrphasige Besiedlung und ein wiederholtes Aufsuchen der Siedlungen. Einige der steinernen Wohnanlagen können sogar in das akeramische Neolithikum (Pre-Pottery Neolithic B, 9200–7800 BP) datiert werden. Sie sind
durch architektonische Formen gekennzeichnet, die bis in die Spätbronzezeit
unverändert geblieben sind, und beinhalten Funde aus unterschiedlichen Perioden.
Die lokale Bevölkerung des Sinai bestand in der Prähistorie aus Hirtennomaden, die höchstwahrscheinlich im frühen Kupferbergbau und -handel aktiv
waren. Anhand von Brunnen, Wasserstellen, Oasen und Quellen lässt sich ein
Wegnetz rekonstruieren, das nicht nur die gesamte Halbinsel abdeckt, sondern
auch den Überlandweg in kurze Streckenabschnitte gliedert.
Kooperationspartner: DAI, Abteilung Kairo; Deutsches Bergbaumuseum
Bochum; University of Cairo, Faculty of Science, Department of Geology
• Leitung des Projekts: R. Eichmann, U. Hartung, K. Pfeiffer • Mitarbeiter
und Mitarbeiterinnen: A. Hauptmann, M. Bode (Bleiisotopie), R. Hartmann
(Keramik), M. el-Aref, A. Abdel-Motelib, A. H. El-Manawi (Geologie) •
Abbildungsnachweis: DAI, Orient-Abteilung, K. Pfeiffer (Abb. 9–12).
Tayma (Saudi-Arabien)
Der aus der Bibel und der keilschriftlichen Literatur bekannte, im Nordwesten
Saudi-Arabiens gelegene Siedlungsort Tayma entwickelte sich aufgrund seiner
geographischen Lage und Wasserressourcen im 2. und 1. Jt. v. Chr. zu einer ausgedehnten Oasensiedlung und Handelsstation an der Weihrauchstraße. Die seit
2004 unternommenen archäologischen Untersuchungen wurden im Frühjahr
und im Herbst des Jahres im Siedlungszentrum (Qraya) fortgesetzt, um weitere Erkenntnisse über die Besiedlungsabfolge und -verteilung zu gewinnen. Inzwischen konnten insgesamt vier Besiedlungsperioden mit bis zu neun Bauschichten festgestellt werden, die einen Zeitraum vom frühen 2. Jt. bis in die
frühislamische Zeit (8./9. Jh. n. Chr.) repräsentieren.
Im Tempel E-b1 (Besiedlungsperiode 3, Bauschichten 2 und 3; post-nabatäische, nabatäische und lihyanische Zeit) konnten weitere baustratigraphische Untersuchungen durchgeführt und im Inneren Reste von insgesamt vier Steinplattenfußböden aus der Zeit des 3. Jhs. v. Chr. bis zum 3. Jh. n. Chr. festgestellt
werden. Der Zugang zum Gebäude erfolgte auf der südlichen Schmalseite über
ein mittels zweier Treppen betretbares Podium. Der epigraphische Befund im
Tempel wirft ein neues Licht auf die Beziehungen zwischen Tayma und Dedan
(modern Khuraybah) im letzten Drittel des 1. Jts. v. Chr.: Als Baumaterial wiederverwendete Pfeilerschäfte der Tempelhalle trugen aramäische Inschriften aus
dem 30. und 40. Regierungsjahr des TLMY von Lihyan (Abb. 13). 2005 war
bereits eine Inschrift desselben Königs aus dem 20. Regierungsjahr gefunden
worden (s. AA 2006/2, 269 Abb. 22).
Abb. 13 Tayma (Saudi-Arabien), Inschrift
des TLMY von Lihyan (30. Regierungsjahr)
aus dem Tempel E-b1
AA-2008/1 Beiheft
Orient-Abteilung 253
Abb. 14 Tayma (Saudi-Arabien), Plan der
ausgedehnten Anlage E-b6 (oben Mitte) aus
der Besiedlungsperiode 3
AA-2008/1 Beiheft
Ein nördlich des Tempels gelegener Gebäudekomplex E-b6 (etwa 1,8 ha
Ausdehnung) wurde in einer Sondage untersucht (Abb. 14). Stratigraphisch
ist diese Anlage durch die Umschließungsmauer mit Resten der Bauschicht
2 (Besiedlungsperiode 3) verbunden, die in einen Zeitraum nach dem frühen
4. Jh. n. Chr. datiert werden konnte. Das einphasige Bauwerk ist auf einer
Gründungsplattform aus Bruchsteinen errichtet, die auf dem gewachsenen
Fels aufsitzt. Seine Mauern stehen bis zu 2,65 m hoch an.
Südlich des Tempels E-b1 erbrachten die Untersuchungen in Areal F neue
Erkenntnisse über das hier teilweise freigelegte Wohngebiet, das ebenfalls der
Bauschicht 2 (Besiedlungsperiode 3) zuzuweisen ist. Das Quartier zeichnet
254 Jahresbericht 2007 des DAI
sich durch eine dichte, regelmäßige Bebauung aus: Die Gebäude sind einander
in Dimension (ca. 11 m × 11 m), konstruktiven Details und Binnengliederung
ähnlich (Abb. 15).
Im Areal O (südwestlich des zentralen Siedlungshügels, zwischen innerer
und äußerer Stadtmauer) wurde ein rechteckiges Gebäude (7,50 m × 10,50 m)
der früheisenzeitlichen Besiedlungsperiode 4 (12.–10. Jh. v. Chr.) freigelegt, das
auf dem Fels gründet. In seinen Räumen wurden Prestigeobjekte aus Holz und
Elfenbein sowie eine signifikante, polychrom bemalte Keramik mit geometrischen Mustern und zoo- wie auch anthropomorphen Darstellungen angetroffen. Hinzukommen einige ägyptische Fayencefiguren mit Götterdarstellungen
(Abb. 16). Eine jüngere Bauschicht ist durch Gräber gekennzeichnet, die das
Gebäude stören und in den anstehenden Fels eingelassen sind. Sie waren mit
Steinplatten abgedeckt. Eine der Verschlussplatten des Grabes O-g3 ist eine sekundär verwendete Grabstele mit aramäischer Namensinschrift (Abb. 17), die
in die Mitte des 1. Jts. v. Chr. datiert werden kann und eine ältere Belegungszeit
des Friedhofes repräsentiert.
An der Stadtmauer wurden die Bauaufnahme der frei stehenden Mauerabschnitte fortgesetzt und weitere Sondagen durchgeführt (s. auch hier S. 34 f.).
Für die Datierung der äußeren Stadtmauer in die mittlere Bronzezeit liefern
neben stratigraphischen Argumenten (Areal A) nun auch naturwissenschaftliche Untersuchungen gesicherte Hinweise: Die Akkumulation von Wehsand
an der Mauergründung fällt demzufolge in die 1. Hälfte des 2. Jts. v. Chr., was
durch optisch stimulierte Lumineszenz (OSL) nachgewiesen werden konnte.
Die Oase von Tayma grenzt im Norden an einen ausgetrockneten See, der
heute durch eine Salztonfläche gekennzeichnet wird (sebkha). Reste des Spülsaums alter Strände bezeugen, dass der Wasserspiegel des Sees vor über 10 000
Jahren ca. 13 m über dem heutigen Niveau der Salztonfläche lag und dicht an
das spätere Siedlungszentrum heranreichte. Unklar ist noch, wann genau der
Abb. 15 Tayma (Saudi-Arabien), Areal F.
Wohnbebauung des 3.–4. Jh. n. Chr.
(Besiedlungsperiode 3)
Abb. 16 Tayma (Saudi-Arabien), Areal O.
Fayencefigur der Göttin Isis (M. 2 : 1)
AA-2008/1 Beiheft
Orient-Abteilung 255
Abb. 17 Tayma (Saudi-Arabien), Areal O.
Aramäisch beschriftete Grabstele des 1. Jts.
v. Chr. (M. 1 : 10)
AA-2008/1 Beiheft
See entstand, wie lange er existierte und wie sich dessen Salzgehalt im Laufe
der Jahrtausende veränderte. Die Salztonfläche und die angrenzenden landwirtschaftlichen Zonen der Oase wurden daher in mehreren Bohrlochtranssekten geoarchäologisch untersucht, die ein reichhaltiges Probenmaterial für
die Altersbestimmung und Pollenanalysen erbrachten. Anhand dieser Untersuchungen sollen die ökologischen Veränderungen in der Oase von Tayma
rekonstruiert werden. Im Rahmen hydrologischer Untersuchungen zur antiken Wasserwirtschaft wurden an verschiedenen Stellen geoelektrische Schnitte
angelegt, um das Grundwasservorkommen und mögliche Brunnenstellen zu
erforschen.
Kooperationspartner: Deputy Ministry of Antiquities and Museums, Riad
• Leitung des Projekts: R. Eichmann • Mitarbeiter: A. Hausleiter (Grabungsleitung vor Ort), Th. Götzelt (Dokumentation, GIS), M. al-Najem (Vertreter
der Antikenbehörde), M. al-Anizy, Kh. al-Dayel, A. Intilia, A. Kose, M. Möhle,
A. Nette, Ch. Purschwitz, N. al-Qanur (Archäologie), H. Hanisch-Gräfe (Archäologie, Photogrammetrie), J. Krumnow (tachymetrische Bauaufnahme),
S. Lora (Archäologie, Anthropologie), M. Cusin (Photographie), H. Wirsing
(Zeichnung), G. Lindlar (Restaurierung), F. Deinert (Informatik), M. Giannetta, Cl. Mazzoli (Mineralogie, Universität Padua), P. I. Schneider, O. Conradt,
Th. Pusinelli (Bauforschung Stadtmauer, DAI, Zentrale, Architekturreferat,
Brandenburgische Technische Universität Cottbus), H. Jantzen, G. Sperveslage (Archäologie Stadtmauer), J. Bosch, H. Brückner, M. Engel (Geoarchäologie, Universität Marburg), D. Fauter, M. Grottker, M. Hamann, B. Heemeier,
P. Keilholz (Hydrologie, Fachhochschule Lübeck), A. Patzelt (Geoelektrik)
• Abbildungsnachweis: DAI, Orient-Abteilung, M. Cusin (Abb. 13. 16. 17);
DAI, Orient-Abteilung, J. Krumnow (Abb. 14); DAI, Orient-Abteilung,
Chr. Purchwitz (Abb. 15).
Uruk (Irak)
Feldforschungen im Irak sind seit Beginn des Krieges 2003 nicht mehr durchführbar. Die weit vorangeschrittene Aufarbeitung der Befunde und Ergebnisse
der langjährigen Ausgrabungen sowie die Auswertung von Fernerkundungsund Luftbilddaten im Jahr 2005 bieten jedoch neue Möglichkeiten, die Befunddaten zusammenzuführen. Das Projekt »Visualisierung der antiken Stadt Uruk«
hat zum Ziel, die in einer Vielzahl von Plänen dokumentierten und zahlreichen
historischen Bauschichten zuweisbaren Architekturbefunde digital zu erfassen
und in wesentlichen Teilen in Vektordaten umzuwandeln sowie für mehrere,
historisch besonders bedeutsame Bauschichten 3D-Rekonstruktionen anzufertigen. Die 3D-Rekonstruktionen sollen zum einen die tatsächlich ergrabene
Bausubstanz visualisieren und zum anderen Gebäude-Rekonstruktionen bieten. Sie werden in das bereits existierende digitale Geländemodell eingebunden
und können so einen Eindruck der damaligen Stadtstruktur vermitteln. Mit
der Einbeziehung der dritten Dimension, sowohl hinsichtlich des Geländemodells als auch der Bauwerke, werden der mesopotamischen Bauforschung
Mittel an die Hand gegeben, die zu einer Neubewertung der urbanistischen
Bezüge zwischen Tempel- und Palastbereichen, Wohnvierteln sowie Handwerks- bzw. Gartenarealen führen können. Darüber hinaus soll der interessierten Öffentlichkeit die Möglichkeit geboten werden, einen verständlichen
und fundierten Einblick in die wissenschaftlich herausragenden, aber fragmentarisch erhaltenen und daher schwer erläuterbaren Hinterlassenschaften
der Stadt Uruk zu gewinnen.
Im Zuge des Projekts wurden in diesem Jahr mehrere hundert relevante,
zum großen Teil einige Jahrzehnte alte und dadurch fragile Architekturpläne
256 Jahresbericht 2007 des DAI
Abb. 18 Uruk (Irak), Planarchiv.
Die ca. 1956 entstandene schematische
Umzeichnung der Befunde aus dem neubabylonischen Eanna-Heiligtum steht nun
als Digitalisat zur Verfügung
digitalisiert (Abb. 18). Um die sinnvolle Ablage der Digitalisate sowie eine darauf abgestimmte Archivordnung für die Originalpläne zu erreichen, wurde das
Planarchiv des Forschungsprojekts neu systematisiert und das bisherige Archivverzeichnis in eine Datenbank überführt. Die schematischen Architekturpläne,
in denen zur besseren Darstellung der architektonischen Gesamtstruktur und
der historischen Entwicklung von Gebäuden in der Regel mehrere Bauphasen,
eventuell auch Bauschichten, gleichzeitig eingezeichnet worden waren, wurden systematisch in einzelne Layer aufgegliedert und deren Eigenschaften definiert. Dies ermöglicht eine parallele Vektorisierung der relevanten Pläne durch
Dritte, die nicht mit den archäologischen Spezifika des Uruk-Projekts vertraut
sind. Vorbereitend für den nächsten Arbeitsschritt, die 3D-Rekonstruktion,
wurden alle bislang erarbeiteten Rekonstruktionszeichnungen zusammengetragen und gleichfalls digitalisiert. Sie werden nun auf ihre wissenschaftliche
Relevanz für das Projekt überprüft (Abb. 19).
Abb. 19 Uruk (Irak), Planarchiv.
Rekonstruktionszeichnung der AnuZikkurrat aus dem Jahr 1937. Wissenschaftlich begründete Rekonstruktionsvorschläge werden in die derzeit laufende
3D-Visualisierung von Architektur aus Uruk
einbezogen
AA-2008/1 Beiheft
Orient-Abteilung 257
Leitung des Projekts: M. van Ess • Mitarbeiter: F. Theurer (Archiv),
F. Voigt (Digitalisierung) • Abbildungsnachweis: DAI, Orient-Abteilung,
Uruk-Archiv (Abb. 18. 19).
Transformationsprozesse in Oasensiedlungen (Oman)
Oasensiedlungen bieten die optimal angepasste, sesshafte Lebensweise an höchst
schwierige ökologische Bedingungen. Im Sultanat Oman existiert diese Form
der Siedlungen, die auf einem ausgeklügelten Bewässerungssystem beruht, seit
5000 Jahren. Seit der Erschließung der Ölquellen in den 1970er Jahren unterliegen sie allerdings einem rapiden Wandel. Um die traditionelle Lebensweise
zu dokumentieren, trat 1998 eine interdisziplinäre Forschergruppe zusammen.
Sie besteht aus Orientalisten, Architekten, Stadtplanern, Agrarwissenschaftlern
und Archäologen der Universitäten Tübingen, Stuttgart, Kassel und Muscat
sowie dem DAI.
Die Arbeiten im Projekt standen in diesem Jahr gänzlich im Zeichen der
Auswertung und Zusammenschau der Ergebnisse: J. Schreiber schloss seine
Dissertation »Tansformationsprozesse in Oasensiedlungen Omans. Die vorislamische Zeit am Beispiel von Izki, Nizwa und dem Jebel Akhdar« ab. Sie ist
als digitale Publikation unter <http://edoc.ub.uni-muenchen.de/7548/> im
Internet publiziert.
Abb. 20 Führung von Repräsentanten der
Sultan Qaboos University in Muscat durch
die Ausstellung des Projekts »Tansformationsprozesse in Oasensiedlungen in Oman«
Im März veranstaltete die Universität Muscat ein dreitägiges Symposium,
auf dem alle deutschen und omanischen Teilnehmer die Ergebnisse ihrer Forschungen vorstellten. Begleitet wurde die Konferenz von einer Posterausstellung, die in der Universität und in der Fine Arts Society Hall in Muscat gezeigt
wurde (Abb. 20). Ein weiteres Element der Zusammenschau bildet die neu
eingerichtete Projekthomepage, die unter <http://www.oases-of-oman.org>
abrufbar ist. Hier stellen die beteiligten Disziplinen die angewandten Methoden und Ergebnisse ihrer Forschungen dar.
Ein Teilbereich der archäologischen Untersuchungen – die naturwissenschaftliche Analyse der Keramik – konnte ebenfalls abgeschlossen werden.
Hierbei wurde zudem ein neues Verfahren der Makroanalyse erprobt und auf
einem Kongress in Budapest vorgestellt.
Leitung des Projekts: J. Häser, R. Eichmann • Abbildungsnachweis: DAI,
Orient-Abteilung (Abb. 20).
AA-2008/1 Beiheft
258 Jahresbericht 2007 des DAI
Wissenschaftliche Veranstaltungen
Vorträge
24. Januar Lutfi Khalil (Amman), Roman Stone Quarries at Khirbet Yajuz,
Jordanxxx19. Juni Giovanni Mazzini (Pisa), The Qatabanic Homicide Edict
CSAI I, 204=R 3878. Some New Historical and Juridical Suggestions.
Kolloquium
25./26. Juni Forschungskolloquium »Neue Forschungen in Tayma – Projektgespräch 2007«. – Es sprachen: Jan Bosch (Marburg) – M. Engel (Marburg),
Geoarchäologie von Tayma: Neue Forschungen und Perspektiven; Ricardo
Eichmann (Berlin), Architektur in Tayma; Thomas Götzelt (Berlin), Skizzen
zur Oasen- und extensiven Weidewirtschaft auf der vormodernen Arabischen
Halbinsel; Arnulf Hausleiter (Berlin), Produktionsstätten; Benjamin Heemeier
(Lübeck), Zur Hydrologie und Wasserwirtschaft der Oase von Tayma; Andrea
Intilia (Arta Terme), Area O: Spatial, Functional and Chronological Aspects of
Interpretaion; Arno Kose (Berlin) – Sebastiano Lora (Padua), Stratigraphie und
Chronologie des Gebäudes E-b1; Christoph Purschwitz (Berlin), Nichtöffentliche Bauten im Zentrum; Gunnar Sperveslage (Berlin), Handel und andere Beziehungen nach Ägypten; Peter Stein (Jena), Neue Inschriften in Tayma.
Workshop
Vom 20. bis 25. März veranstaltete Ricardo Eichmann in Zusammenarbeit
mit Khairy el-Malt (Kairo) einen Musikinstrumentenbau-Workshop für Teilnehmer des Graduate Diploma of Ancient Egyptian Music (Helwan University,
Kairo). Ziel des Workshops war, Musikinstrumente in historischer Bauweise
nach alten Konstruktionsprinzipien nachzubauen (Abb. 21). Hierfür wurden
zwei unterschiedliche Lautentypen ausgewählt: 1. Schalenspießlaute von Deir
el Medina, Grab 1389 (18. Dynastie); 2. Schalenhalslaute von Antinoë (3. Jh.
n. Chr.). Unter der Leitung von Ricardo Eichmann und unterstützt durch
Jon Letcher (Musikinstrumentenbauer, Shropshire/England; »The Lyre of
Ur Project«), wurden drei funktionstüchtige Lauten nachgebaut. Besondere
Musikinstrumentenbau-Workshop
Abb. 21 Nachbauten zweier Schalenspießlauten (rechts) des Typs ›Deir el Medina‹
(Grab 1389, 18. Dynastie) und einer Schalenhalslaute (links) des Typs ›Antinoë‹ (3. Jh.
n. Chr.)
Abb. 22 3D-Graphik einer Schalenhalslaute des Typs ›Antinoë‹ (3. Jh. n. Chr.)
21
22
AA-2008/1 Beiheft
Orient-Abteilung 259
Aufmerksamkeit galt u. a. der Holzauswahl, der Anwendung der Werkzeuge,
der Befestigung von Bünden und Saiten. Der Workshop erbrachte wertvolle
experimentell-archäologisch gewonnene Erkenntnisse zur Feinstimmung von
Schalenspießlauten. Parallel dazu wurde mit der Herstellung von 3D-Graphiken (Abb. 22) begonnen, die für eine geplante interaktive Präsentation altägyptischer Musikinstrumente vorgesehen sind.
Abbildungsnachweis: DAI, Orient-Abteilung, R. Eichmann (Abb. 21); DAI,
Orient-Abteilung, S. Eichmann (Abb. 22).
Öffentlichkeitsarbeit
Abb. 23 Titelblatt einer Posterausstellung
des saudi-arabischen/deutschen Ausgrabungsprojekts in Tayma (Saudi-Arabien)
Abb. 24 Filmaufnahmen für die Sendereihe »Schliemanns Erben« (ZDF) in der
Oase von Tayma (Saudi-Arabien)
AA-2008/1 Beiheft
Posterausstellung »Tayma – Archäologie einer Oase«. Anlässlich des Besuchs
des Königs von Saudi-Arabien in der saudischen Provinzhauptstadt Tabuk im
Mai bereitete die Abteilung auf Wunsch der lokalen Antikenbehörde eine
Posterausstellung über die Forschungen in Tayma in deutscher und arabischer
Sprache vor. Auf 20 Postern im bewährten Format und Design des DAI wurden archäologische und naturräumliche Sachverhalte thematisiert und mit
eindrucksvollem Bildmaterial illustriert (Abb. 23).
Abbildungsnachweis: DAI, Orient-Abteilung, A. Hausleiter (Abb. 23).
Für Aufnahmen, Interviews und wissenschaftliche Betreuung im Rahmen
von Filmprojekten (Abb. 24) standen folgende Mitarbeiter der Abteilung zur
Verfügung: Margarete van Ess für ZDF, Arte (»Das Phantom von Uruk. Fahndung nach König Gilgamesch«); Ricardo Eichmann, Arnulf Hausleiter für ZDF
(Schliemanns Erben: »Flucht aus Babylon«); Klaus Schmidt für Kanadisches TV
(Ausstellung Karlsruhe); Ricardo Eichmann für Ägyptisches TV (Musikarchäologie); Klaus Schmidt gab darüber hinaus zahlreiche Hörfunk- und Presseinterviews über die Forschungen am Göbekli Tepe (Türkei).
Auch in diesem Jahr beteiligte sich die Orient-Abteilung des DAI wieder
mit diversen Angeboten an der »Langen Nacht der Wissenschaften« am 9. Juni (s. auch hier S. 54 f.). Auf dem Gelände der Orient-Abteilung konnten sich
Besucher über Weihrauch informieren, orientalischen Tee und Kaffee trinken
oder eine Wasserpfeife rauchen. Besonders großen Anklang fanden die Angebote für Kinder wie die Herstellung von Rollsiegel-Abdrücken und das Malen
zum Thema Weihrauchstraße.
260 Jahresbericht 2007 des DAI
Am 26. August vertraten Kristina Pfeiffer und Frank Voigt die OrientAbteilung beim »Tag der offenen Tür« der Bundesregierung im Auswärtigen
Amt. Sie betreuten den Stand des DAI und informierten interessierte Besucher über die Tätigkeiten und aktuellen Projekte des Instituts. Des Weiteren
demonstrierten sie die praktische Verwendung altorientalischer Rollsiegel und
erläuterten deren Gebrauch im entsprechenden geschichtlichen Kontext. Auf
Wunsch konnten Besucher Siegelabrollungen selbst anfertigen und zur Erinnerung mitnehmen.
Abbildungsnachweis: DAI, Orient-Abteilung, R. Eichmann (Abb. 24).
Veröffentlichungen
Baghdader Mitteilungen 37, 2006
Ausgrabungen in Uruk-Warka, Endberichte 14: R. Eichmann, Architektur I
Sonstiges
Kulturerhalt im Irak
Frau van Ess war weiterhin mit verschiedenen Projekten zum Kulturerhalt im
Irak befasst. Neben Information und Begutachtung für das Bundeskriminalamt, Interpol und internationale Institutionen setzte sie die bilaterale Zusammenarbeit mit der irakischen Antikenverwaltung und irakischen Universitäten
fort. Sowohl wissenschaftliche als auch Fortbildungsprogramme befinden sich
in der Vorbereitung. Erneut werden mehrwöchige Aufenthalte mehrerer irakischer Wissenschaftler über Stipendien des DAI in Deutschland vorbereitet,
um den Kollegen die Teilnahme an wissenschaftlichen und kulturpolitisch ausgerichteten Konferenzen und Workshops in Deutschland zu ermöglichen.
Die Spendenwerbung für die Beschaffung von archäologisch-wissenschaftlicher Literatur zugunsten verschiedener Wissenschaftsinstitutionen im Irak
wird regelmäßig fortgesetzt.
Kultureller Dialog, Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen in Saudi-Arabien
Marta Luciani (Berlin/Wien) hielt sich im Auftrag der Orient-Abteilung vom
28. November bis 7. Dezember in Riad auf, um die während des Frühjahres
konzipierten Trainings- und Weiterbildungsmaßnahmen für weibliche Angestellte des dortigen Nationalmuseums (Abb. 25) mit dem Beratungskomitee
und der Direktion des Museums abschließend zu besprechen. Vorgesehen ist
die Fortbildung von etwa 20 Museumsangestellten in den Bereichen Archäologie, Restaurierung (mit Schwerpunkt Stein und Metall) sowie Museologie
durch Expertinnen aus Deutschland.
Abbildungsnachweis: DAI, Orient-Abteilung, R. Eichmann (Abb. 25).
Die Außenstelle Baghdad blieb aufgrund der politisch unsicheren Lage im
Irak auch in diesem Jahr unbesetzt. Wie in den Vorjahren wurde die Aufarbeitung der Funde und Befunde von Uruk/Warka fortgesetzt. Margarete
van Ess, kommissarische Leiterin der Außenstelle, übernahm wiederum in
enger Abstimmung mit dem Auswärtigen Amt die deutsche Koordination
von Krisenmaßnahmen für den Bereich der archäologischen Kulturarbeit.
Abb. 25 Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen in Saudi-Arabien, Nationalmuseum
in Riad
Außenstelle Baghdad
AA-2008/1 Beiheft
Orient-Abteilung, Außenstelle Damaskus 261
Sie war an der Strukturierung verschiedener Projekte zum Kulturerhalt im
Irak beteiligt und unterstützte irakische Kollegen bei der Aufarbeitung älterer
Ausgrabungsprojekte. Im Rahmen des International Coordination Committee
for the Safeguarding of the Cultural Heritage of Iraq der UNESCO übernahm
sie weiterhin die Aufgabe der Rapporteurin und vertrat darüber hinaus das
Institut in internationalen Veranstaltungen zum Kulturerhalt.
In Unterstützung der irakischen Antikenverwaltung wurde in Zusammenarbeit mit internationalen Kollegen die Observierung des irakischen Kulturerbes über Fernerkundungsdaten fortgesetzt.
Außenstelle Damaskus
Ausgrabungen und Forschungen
Š¥r
Die 2005 entdeckte spätneolithische Siedlung Š¥r bei der Provinzhauptstadt
Hama in Westsyrien gehört zu den wenigen bisher bekannten Orten aus dem
7. Jt. v. Chr. in der nördlichen Levante. Die Ausgrabungsarbeiten haben neben
der Ermittlung der stratigraphischen Sequenz die Erfassung der Gesamtbesiedlungsstruktur des Ortes und seiner Funktionsbereiche zum Ziel.
Die in diesem Jahr durchgeführten Arbeiten dienten vorrangig der Erfassung der Bebauung im südlichen Grabungsbereich K/L/M7–8 (Abb. 1). Daneben wurden Sondierungen in einigen ausgewählten Arealen des zentralen
und nördlichen Siedlungsgebietes durchgeführt sowie die geophysikalischen
Untersuchungen abgeschlossen.
Die Flächengrabungen in Areal K/L/M7–8 konzentrierten sich auf die jüngeren Bauschichten ab Schicht 4, die von den älteren, im Vorjahr in der Stratigraphiesondage K/L7 erfassten Schichten 1–3 durch ein umfangreiches, aus
zahlreichen Erd- und Aschestraten bestehendes Schichtenpaket getrennt sind.
Wie sowohl die Bebauungsstruktur als auch die neuen 14C-Daten zeigen, entstammen die jüngeren Schichten 4–6 mit ihren verschiedenen Subphasen einem vergleichsweise kurzen Zeitabschnitt zwischen ca. 6600 und 6400 v. Chr.
(kalibrierte Daten).
Abb. 1 Šīr, neolithischer Siedlungsplatz.
Blick auf das Grabungsareal K/L/M7–8 von
Westen
AA-2008/1 Beiheft
262 Jahresbericht 2007 des DAI
Abb. 2 Šīr, neolithischer Siedlungsplatz. Testgrabung N/O20:
Georadardaten (oben) und Grabungsbefund (Mitte), Hausecke mit
Vorratsgefäß (unten)
Die Bauschichten 4 und 5 weisen jeweils mehrräumige Häuser in südwestlich-nordöstlicher Ausrichtung auf. Die Raumgrößen liegen zwischen 20 m2
und 30 m2. In Schicht 5 ließ sich eine schmale Gasse zwischen den Gebäuden
erkennen. Die Fundamentmauern wurden aus unbearbeiteten Feldsteinen
konstruiert, das aufgehende Mauerwerk bestand möglicherweise aus Stampflehm oder Lehmziegeln. In fast allen Räumen fanden sich Fußböden aus
weißem Gips- oder Kalkmörtelverputz. Zahlreiche Installationen deuten auf
häusliche Wirtschaftsbereiche. In beiden Bauschichten wurden unter und neben Mauern zahlreiche Säuglingsbestattungen entdeckt. Insgesamt konnten
12 Individuen ohne Beigaben in unterschiedlichem Erhaltungszustand geborgen werden. Aussagen zur genaueren Datierung und zu den Todesursachen
sind bislang noch nicht möglich. Hausinterne Säuglingsbestattungen, oft mit
Beigaben, sind jedoch z. B. auch aus dem zeitgleichen Fundort Çatal Höyük in
AA-2008/1 Beiheft
Orient-Abteilung, Außenstelle Damaskus 263
3
4
Šīr, neolithischer Siedlungsplatz
Abb. 3 Kalksteinplatte mit runden Eintiefungen (Spielbrett? L 30 cm)
Abb. 4
AA-2008/1 Beiheft
Weibliche Terrakottafigurine
Anatolien bekannt. Die jüngste Bauschicht 6 ist ebenfalls durch mehrräumige
Gebäude charakterisiert. Neben dem bereits im vergangenen Jahr erfassten
südlichen Haus in den Arealen L7/M7 konnte in dieser Kampagne ein weiterer Gebäudeteil in dem nördlich gelegenen Areal M8 angeschnitten werden,
während die westliche Fortsetzung dieses Hauses starke Störungen durch neolithische Gruben aufwies. Den domestikalen Charakter auch dieses Bereiches
belegt jedoch hier ein wohl der Vorratshaltung dienendes Rundsilo.
Kleinere Testgrabungen wurden in folgenden Bereichen angelegt: N/O20,
H10 und K12. In N/O20 hatten 2006 Geomagnetik- und Georadaruntersuchungen eine östlich des Siedlungskerns gelegene Haus- oder Raumreihe von
etwa 30 m Länge ermittelt. In der Testsondage konnte die südöstliche Ecke
dieser Anlage freigelegt und zudem ein vollständiges Vorratsgefäß von etwa
80 cm Höhe erfasst werden (Abb. 2). In Areal K12 war durch die geomagnetischen Untersuchungen ein Gebäude mit vier Räumen festgestellt worden.
Die Grabungen konnten diese Befunde bestätigen und zeigten direkt unter der
Oberfläche gut gesetzte und erhaltene Steinmauern sowie östlich davon eine
Bestattung. Die vorläufige Datierung der Baustrukturen in N/O20 und K12,
die in den kommenden Kampagnen vollständig untersucht werden sollen, deutet auf einen Zeitraum um oder nach 6400 v. Chr.
Die in der diesjährigen Kampagne durchgeführten geophysikalischen Prospektionen (Georadar und Geomagnetik) im östlichen Siedlungsgebiet dienten
der Komplettierung des Gesamtplanes, der neben einer halbkreisförmigen Bebauung im Westen einige Einzelbauten im Nordosten und Südosten zeigt.
Innerhalb des Fundspektrums konnte in der Lithik das bereits in den vergangenen Kampagnen festgestellte Formenspektrum der Abschlagsindustrie
um einige Sonderformen ergänzt werden. Chemische Analysen belegen Obsidianimporte aus Zentralanatolien. Die Keramikfunde der jüngeren Schichten
weisen eine große Varianz grober, unverzierter Waren (coarse ware) auf, deren
Formenspektrum auch verschiedene pithosartige Vorratsgefäße umfasst. Die
älteste Keramik in Š¥r, die durch die sog. dark-faced burnished ware (DFBW)
charakterisiert wird, stammt nach Ausweis von 14C-Daten aus dem Zeitraum
um 7000 v. Chr. und gehört damit zur frühesten Keramikproduktion in der
Levante. Unklar ist bislang der Ursprung der Keramiktechnologie, weil die
DFBW bereits eine sehr ausgefeilte Technik aufweist und ein Experimentierstadium mit entsprechend einfacher Technologie bisher an keinem Ort nachgewiesen wurde.
Unter den weiteren Fundgruppen sind einige Sammelfunde von Knochennadeln, einzelne Schmetterlingsperlen aus Obsidian, Steinobjekte wie Siegel,
Füße und spielbrettartige Platten (Abb. 3) sowie eine weibliche Terrakottafigurine (Abb. 4) hervorzuheben. Parallelen zum Fundmaterial stammen neben
den Fundorten im ca. 100 km nördlich von Š¥r gelegenen Rouj-Becken, Tell
el-Kerkh und Ain el-Kerkh, auch aus Tall Ramad in der Damaszene, dessen
zeitgleiche Schichten jedoch noch keinerlei Keramik aufweisen. Untersuchungen zu Art und Umfang des Technologietransfers zwischen Nord- und
Südlevante werden daher ein wichtiges zukünftiges Forschungsfeld im Rahmen der Ausgrabungen in Š¥r bilden.
Kooperationspartner: Direction Générale des Antiquités et des Musées de
la Syrie (DGAM) • Leitung des Projekts: K. Bartl, M. Hijazi, J. Ramadan •
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: E. Bayirli, S. S. Seren (Zentralanstalt für
Meteorologie und Geodynamik [ZAMG] Wien), A. Gubisch, J. Krumnow,
R. Neef, O. Nieuwenhuyse, K. Pfeiffer, D. Rokitta-Krumnow, J. Uqla,
Th. Urban, S. Wittmann, I. Wagner • Abbildungsnachweis: DAI, Orient-Abteilung, Th. Urban (Abb. 1. 2. 4); DAI, Orient-Abteilung, K. Bartl (Abb. 3).
264 Jahresbericht 2007 des DAI
Hama-Altstadt-Survey, Bauhistorische Untersuchungen am Qa§r al-cA½m
Im Herbst dieses Jahres konnte die Bauaufnahme des osmanischen Gouverneurspalastes Qa§r al-cA½m (gegr. 1740) in Hama – einer der größten und
bedeutendsten Repräsentations- und Wohnbauten der osmanischen Zeit in
Syrien – abgeschlossen werden (Abb. 5). Die mehr als siebzig Räume des Palastes gruppieren sich um drei Höfe und weisen zahlreiche charakteristische
Baudetails auf. Ziel der Arbeiten ist die exemplarische Dokumentation dieser sowohl öffentlich als auch privat genutzten Anlage des 18./19. Jhs., die
Einflüsse verschiedener regionaler Bautraditionen aufweist. Die digitale Aufnahme des Palastes (Abb. 6), die detaillierte Baubeschreibung einschließlich eines Raumbuches sowie die umfassende photographische Dokumentation von
Fassaden, Innenräumen und Details (Abb. 7. 8) bilden die Basis für die Interpretation von Raumfunktionen und Gebäudeentwicklung, die bislang in weiten Teilen unklar waren. Weitere bisher unbekannte Daten zur Baugeschichte
sind darüber hinaus aus den in diesem Jahr in Damaszener Archiven aufgenommenen Akten zur Bautätigkeit der Familie cA½m in Hama zu erwarten,
diese werden gegenwärtig ausgewertet.Wie sich bereits jetzt abzeichnet, lassen
sich diesen Quellen zahlreiche Einzelheiten zur Rekonstruktion der komplexen Entstehungsgeschichte des Palastes, der angrenzenden Bauten sowie des
gesamten Viertels a -TÿawafirŒ im 18. Jh. entnehmen. Diese werden die aus der
Architekturanalyse ermittelte Entwicklung des Gebäudes ergänzen, das durch
zahlreiche, den jeweils veränderten Bedürfnissen angepasste Umbau- und
Erneuerungsphasen gekennzeichnet ist.
Abb. 5 Hama, spätosmanischer Gouverneurspalast Qasr al-cAzm.
˙
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Blick in den Hof III von Südwesten
AA-2008/1 Beiheft
Orient-Abteilung, Außenstelle Damaskus 265
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8
Hama, spätosmanischer Gouverneurspalast
Qasr al-cAzm
˙
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Kooperationspartner: Direction Générale des Antiquités et des Musées de
la Syrie (DGAM) • Leitung des Projekts: K. Bartl, J. Ramadan • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: A. Ahmad, J. Reilly, Th. Urban, I. Wagner • Abbildungsnachweis: DAI, Orient-Abteilung, I. Wagner (Abb. 5. 7. 8); DAI, OrientAbteilung, Th. Urban (Abb. 6).
Abb. 6 Digitale Bauaufnahme des
Palastes, Rohdaten
Abb. 7
Fenster mit Steinschnitt in Hof II
Abb. 8 Brunnen mit Marmorinkrustationen im Hof II
AA-2008/1 Beiheft
Raphaneae
Im Zuge der diesjährigen Arbeitskampagne in der in Mittelsyrien gelegenen
römisch-byzantinischen Stadt und dem Legionslager Raphaneae wurden erstmals umfangreichere geophysikalische Untersuchungen durchgeführt. Angesichts der erfolgreichen Testmessungen des Vorjahres war dabei Georadar die
266 Jahresbericht 2007 des DAI
Methode der Wahl, da Probemessungen mit Geomagnetik aufgrund des Baumaterials Basalt erwartungsgemäß zu keinem befriedigenden Ergebnis geführt
hatten. Insgesamt wurde eine Fläche von 3,5 ha mit Georadar prospektiert.
Die Georadarmessflächen wurden alle in jenem Bereich angelegt, in dem das
antike Siedlungsgebiet die größte Ost-West-Ausdehnung besitzt und in dem
auf der Basis der Surveyergebnisse der Jahre 2005 und 2006 das Legionslager
vermutet werden konnte. Bei der Anlage der Flächen wurde darauf geachtet,
einen repräsentativen Einblick in die antike Bebauung von der ehemaligen
Siedlungsgrenze im Westen (Abb. 9) bis zu den modernen Häusern des Ortes
Bacr¥n im Osten zu erhalten, die über der östlichen Siedlungsgrenze der antiken Stadt errichtet wurden. Direkt westlich dieser Häuser liegt Fläche DEF.
Hier war erstmals die im Kern sicherlich antike, massive Steinbebauung des
›zentralen Ruinenareals‹ in einer größeren Fläche zu erfassen, die in Form einzelner Kalksteinblöcke bis heute oberflächlich sichtbar ist. Die Visualisierung
der Georadarmessergebnisse zeigt drei von Ladenreihen begleitete Straßen sowie dazwischen liegende teils massive Steinbauten (Abb. 10). Der Befund entspricht damit einem Bild, das aus spätantik-frühislamischen Städten der Region
Abb. 9 Raphaneae, Blick über die im
Westen des antiken Siedlungsbereiches
gelegene Georadarmessfläche BC_L–T nach
Ostnordosten auf den Ğabal an-Nabī Hāyā
(Mitte) und die Kreuzritterburg Montferrand/Qalcat Bacrīn (rechts)
Abb. 10 Raphaneae, Visualisierung der
Georadarmessergebnisse in Fläche DEF.
Zu sehen ist die massive, wohl spätantikfrühislamische Steinbebauung im Süden
des ›zentralen Ruinenareals‹ (M. 1 : 1000)
AA-2008/1 Beiheft
Orient-Abteilung, Außenstelle Damaskus 267
Abb. 11 Raphaneae, Wandscherbe einer
reliefverzierten Bilderschüssel der Form
Drag. 37, die im Zuge der Georadarmessungen aufgesammelt wurde. Anhand des
Dekors lässt sich der Fund dem südgallischen Töpfereizentrum La Graufesenque
zuweisen und – unter Berücksichtigung der
Gefäßform – in neronisch-frühflavische Zeit
(ca. 55–80 n. Chr.) datieren (M. 1 : 2)
Abb. 12 Shayzar/Larissa, Blick auf Brücke,
Burg und Tell von Nordwesten
AA-2008/1 Beiheft
bekannt ist. Soweit dies anhand der geophysikalischen Prospektionsergebnisse und der vorwiegend aus glasierter Quarzfritte und Sgraffiato-Keramik des
12. und 13. Jhs. n. Chr. bestehenden Oberflächenkeramik zu beurteilen ist, wurde der spätantik-frühislamische Baubestand bis in das Hochmittelalter hinein
weitgehend unverändert genutzt. Die westliche Siedlungsausdehnung konnte
mittels der Oberflächenfunde nur schwer bestimmt werden. Die Visualisierung
der Georadarmessergebnisse der ausgedehnten Messfläche BC_L–T (Abb. 9)
schafft in dieser Frage Klarheit. Neben zwei Reihen barackenähnlicher Bauten zeigt sie eine deutliche Bebauungsgrenze, mit der sehr wahrscheinlich die
westliche Umwehrung des Legionslagers von Raphaneae gefunden ist. Die
Innenbebauung des Legionslagers ist am klarsten in der zentral gelegenen Fläche UV zu fassen. Hier konnten durch die Georadarprospektion Teile der sechs
Mannschaftsunterkünfte eines Kohortenblockes sichtbar gemacht werden. Das
Standlager der legio III Gallica, in dem der erst 14 Jahre alte Varius Avitus Bassianus in der Nacht vom 15. auf den 16. Mai 218 zu dem als Elagabal bekannten
römischen Kaiser M. Aurelius Antoninus ausgerufen wurde, ist damit erstmals
im Befund zu fassen. Der Fundbestand aus Raphaneae wurde durch mehrere
gestempelte Ziegel sowie ein Fragment eines reliefverzierten Sigillatagefäßes
aus Südgallien (Abb. 11) vergrößert.
Kooperationspartner: Direction Générale des Antiquités et des Musées de
la Syrie (DGAM) • Leitung des Projekts: M. Gschwind, H. Hasan (DGAM)
• Mitarbeiter: E. Bayirli, S. S. Seren (Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik [ZAMG] Wien), M. Stephani • Abbildungsnachweis: DAI, OrientAbteilung, M. Gschwind (Abb. 9); DAI, Orient-Abteilung, ZAMG, S. S. Seren,
A. Eder-Hinterleitner (Abb. 10) unter Verwendung einer Plangrundlage von
N. Koch und Th. Kerraschk; DAI, Orient-Abteilung, M. Gschwind (Abb. 11).
Shayzar/Larissa
In Shayzar, einer Kleinstadt 20 km nordwestlich von Hama am Orontes (Abb.
12), konnten in diesem Jahr die Arbeiten an einem neuen deutsch-syrischen
Kooperationsprojekt zur Untersuchung des Stadtgebietes unterhalb der Burg
aufgenommen werden. Ziel der Arbeiten war es, einen ersten Überblick über
den Zustand der archäologischen Hinterlassenschaft am Ort des antiken Sizara
bzw. Larissa zu gewinnen, das zwar durch zahlreiche Quellen belegt werden
kann, archäologisch aber bislang völlig unbekannt blieb und heute zu weiten
Teilen überbaut ist.
268 Jahresbericht 2007 des DAI
Die Quellen zur Topographie und Geschichte des Ortes reichen von der
Spätbronzezeit bis hin zu modernen Reiseberichten. Die wichtigsten Etappen
der Stadtgeschichte sind das in den Amarna-Briefen genannte Kleinkönigtum
Sinzara der späten Bronzezeit, die Neugründung der Stadt unter Seleukos I.,
der hier Veteranen eines Reiterregimentes aus Larissa in Thessalien ansiedelte,
sowie die Blüte der Stadt unter dem Adelsgeschlecht der Munqidhiten zwischen 1081 und 1157 n. Chr.
Um erste Informationen zur Archäologie der Stadt zu gewinnen, wurden
Vermessungsarbeiten, Keramikprospektionen und geophysikalische Testmessungen durchgeführt. Darüber hinaus konnte ein Spolieninventar angelegt werden. Während der zweiwöchigen Vermessungsarbeiten wurden ein Polygonzug von Fixpunkten über den Siedlungshügel gelegt und ein Rasternetz für
die Keramikprospektion und eventuelle spätere Grabungen eingemessen. Anhand bestehender Luft- und Satellitenbilder sowie einer Karte von 1961 war es
möglich, den heutigen Bestand der Siedlung kartographisch zu erfassen sowie
einen archäologischen Plan zu zeichnen.
Während der Keramikprospektion wurde sämtliche Oberflächenkeramik
aus 375 Quadraten zu je 10 m × 10 m gesammelt, womit die gesamte noch
unbebaute bzw. überformte Oberfläche des Siedlungshügels erfasst werden
konnte. In der statistischen Dokumentation der Scherben wurden auch Daten
zu ihrer Fragmentierung und Verrollung erhoben, welche helfen sollen, den
jeweils vorliegenden Oberflächenbefund zu beurteilen. Die detaillierte Auswertung des Keramikmaterials steht noch aus.
Im Spoliensurvey konnten alle auf öffentlichen Räumen und Straßen liegenden antiken Bauteile erfasst sowie zahlreiche in privaten Gärten und Häusern verbaute Stücke dokumentiert werden. Dabei waren insgesamt 162 Bauteile aufzunehmen, die zwischen dem 2. und 6. Jh. n. Chr. zu datieren sind.
Bemerkenswert ist ein korinthisches Kapitell des 5. Jhs. n. Chr. mit der Inschrift
βοηθων – der Helfende –, einer in der Region gängigen christlichen Akklamation (Abb. 13). Die geophysikalischen Testmessungen fanden auf dem Fußballfeld von Shayzar statt und erbrachten sowohl mit Geomagnetik als auch
mit Georadar gute Ergebnisse. Deutlich ließen sich die dichte, nach einem
rechtwinkligen Grundraster ausgerichtete Wohnbebauung der antiken Stadt
und die Ecke einer Stadtmauer, vermutlich des 12. Jhs., fassen (Abb. 14). Auf
der Grundlage aller erhobenen Daten kann somit erstmals eine archäologisch
kommentierte Karte der Stadt und eine Skizze zu ihrer Geschichte erstellt
werden.
Kooperationspartner: Direction Générale des Antiquités et des Musées de
la Syrie (DGAM) • Förderung: Basler Stiftung für klassische Archäologie •
Leitung des Projekts: M. Grawehr, J. Ramadan • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: G. Ackermann, A. Bucher, N. Eliky, K. Ernst, L. Ernst, K. Hunziker,
N. Lada’a, C. Rüdiger, S. Sommerer • Abbildungsnachweis: DAI, OrientAbteilung, M. Grawehr (Abb. 12); DAI, Orient-Abteilung, L. Ernst (Abb. 13);
G. Ackermann (Abb. 14).
Abb. 13 Shayzar/Larissa, korinthisches
Kapitell des 5. Jhs. n. Chr.
Abb. 14 Shayzar/Larissa, im Vordergrund
sind die Reste einer vermutlich aus dem
12. Jh. stammenden Stadtmauer sichtbar
Resafa
Resafa liegt im nördlichen Syrien, etwa 50 km südwestlich von Raqqa und
25 km vom Euphrat entfernt. Der bei Resafa erlittene Märtyrertod des römischen Offiziers Sergius um das Jahr 300 n. Chr., seine zunehmende Verehrung
als Heiliger und die bald darauf einsetzende Pilgerbewegung zu seinem Grab
führten im 5. und 6. Jh. zu der Entwicklung und dem Ausbau der Stadt sowie
ihrer Umbenennung in Resafa-Sergiupolis. Ihre überregionale Bedeutung lässt
sich bis heute an der Monumentalität der erhaltenen Bauten ablesen. Resafa
AA-2008/1 Beiheft
Orient-Abteilung, Außenstelle Damaskus 269
blieb auch nach der islamischen Eroberung eine bedeutende Pilgerstadt, bis sie
in Folge eines Mongoleneinfalls im 13. Jh. aufgegeben wurde.
Im Zentrum der seit dem Vorjahr angelegten Projektstruktur, die sich in
fünf Teilprojekte gliedert, steht eine ganzheitliche Betrachtung Resafas als zusammenhängender Siedlungsraum von Stadt und Umland (Abb. 15. 16).
In der diesjährigen Frühjahrskampagne konzentrierten sich die Arbeiten
auf das Teilprojekt 2 »Archäologie und Prospektionen«, das sich im Umland der
ummauerten Stadt hauptsächlich der Untersuchung der Residenz des Kalifen
Resafa
Abb. 15 Lageplan mit Eintragung der
modernen Strukturen
Abb. 16 Luftbild von Süden aus dem
Jahr 1999, im Vordergrund der sog. Palastkomplex VI (PK VI) und im Hintergrund die
ummauerte Stadtanlage
AA-2008/1 Beiheft
270 Jahresbericht 2007 des DAI
HišŒm b. cAbd al-Malik (reg. 105/724–125/743) widmet. Hier begannen Grabungen am Fundpunkt (FP) 220, dem Hauptbau des im Süden gelegenen sog.
Palastkomplexes VI. Die bedeutenden Stuckfunde weisen jetzt schon auf eine
ungewöhnlich reiche Ausstattung hin (Abb. 17). Die günstigen Witterungsbedingungen ermöglichten es zudem, die sich durch Bodenverfärbungen und
Putzkanten an der Oberfläche abzeichnenden Gebäudegrundrisse aufzunehmen. Im Norden der Stadt wurde zusätzlich das an die Ringstraße angrenzende
Gebiet durch eine geomagnetische Prospektion erfasst. In diesem Gebiet befinden sich neben dem al-Mundir-Bau, dem benachbarten Khan und einigen
spätantiken Gärten vor allem Nekropolen.
Zusätzlich wurde ein Lageplan der modernen Strukturen innerhalb der
archäologischen Schutzzone erstellt. Neben der Aufnahme des gegenwärtigen
Zustandes dient der Plan als Grundlage, um die Schutzzone in der Landschaft
zu vermarken und um den Anwohnern die genauen Grenzen des geschützten
Gebietes zu visualisieren.
In der Herbstkampagne konnte die Bearbeitung aller Teilprojekte fortgesetzt werden. Im Teilprojekt 1 »Archäologische Karte« wurde im Bereich des
Stadtgebietes mit der Georeferenzierung der vorliegenden Planunterlagen begonnen. Für den Komplex Basilika A, Vier-Stützen-Bau, Nordhof und Große
Moschee war ein zusammenhängender Zeitschichtenplan zu erarbeiten. Im
Teilprojekt 2 »Archäologie und Prospektionen« wurde die Grabung an dem
FP 220 weitergeführt. Dabei konnte u. a. der Eingangsbereich identifiziert und
die Anlage des Hofes sowie die äußere Form geklärt werden. Im Bereich Mitte
(FP 142/164) wurden im Rahmen einer Abschlussarbeit des Masterstudiums
Denkmalpflege (MSD) der Technischen Universität Berlin zwei kleinere Gebäude bearbeitet. Die Auswertung der bei den Grabungen geborgenen Keramik und Kleinfunde bestätigt die Datierung der Residenz in die umaiyadische
Zeit. Auch Teilprojekt 3 »Untersuchung der Stadtmauer von Resafa« wurde
weiter verfolgt. Inzwischen können erste Aussagen zu den Arbeitsabläufen und
der Einteilung in Baulose bei ihrer Errichtung getroffen werden. Zudem entstanden zwei Masterarbeiten (MSD,TU Berlin): eine bauforscherische Untersuchung an drei Türmen der Stadtmauer sowie die Dokumentation der durch
die Direction Générale des Antiquités et des Musées de la Syrie (DGAM) seit
den 1970er Jahren durchgeführten Konservierungsmaßnahmen.
Das Teilprojekt 4 »Vorbereitende Untersuchungen zur Planung von Konservierungs- und Restaurierungsmaßnahmen« wurde neben den Arbeiten an
der Basilika A durch Untersuchungen am Zentralbau erweitert. Hierbei geht
es um die Begutachtung der Standsicherheit der Bauten in Resafa, in erster Linie zur Beurteilung des Handlungsbedarfes an der Basilika A. Die Präzisionsmessungen an der Basilika A wurden durch eine weitere Diplomarbeit fortgeführt, die Laserscan-Daten und photogrammetrische Aufnahmen in einem
digitalen Modell verknüpft. Neben dem Einsatz für Visualisierungen lassen
sich hiermit über einen größeren Zeitraum auch Veränderungen des Bauwerks
nachweisen. Im Rahmen einer Masterarbeit des MSD zum Zentralbau wurde
einerseits bauforscherischen Fragen zur Bautechnik, Steinbearbeitung und
Innenausstattung nachgegangen und andererseits eine Schadenskartierung für
die gefährdeten Bereiche des Nordostturmes erstellt.
Dem Teilprojekt 5 »Touristische Erschließung – site management« kommt
eine besondere Bedeutung zu. Neben den vergleichenden Untersuchungen
an anderen archäologischen Stätten Syriens und ihres site management, wurde
der seit 2006 geplante Weg der Besucherführung abgesteckt und mitsamt der
zu beseitigenden Hindernisse aufgenommen. Eine Masterarbeit des MSD widmete sich der Erschließung des Turmes 1, von dem aus die Sicht in das Umland
Abb. 17 Resafa, vier Bruch an Bruch
passende Fragmente eines bogenförmigen
Stuckpaneels mit Lorbeerkranz- und
Rankendekor, das vor der nördlichen
Außenmauer des Hauptbaus des sog.
Palastkomplexes VI (FP 220) gefunden
wurde
AA-2008/1 Beiheft
Orient-Abteilung, Außenstelle Damaskus 271
und damit das Verständnis der Residenz des Kalifen HišŒm und ihrer räumlichen Ausdehnung besonders gut möglich ist.
Die Integration des Gesamtprojekts in das Exzellenzcluster »Topoi« der Berliner Universitäten ermöglicht die Untersuchung der frühislamischen Palastanlagen und ihres Umfeldes, um Fragen zur Veränderung des Landschaftsbildes
in frühislamischer Zeit zu ergänzen.
Kooperationspartner: Direction Générale des Antiquités et des Musées de
la Syrie (DGAM) • Beteiligte Institutionen: Institut für Geomatik der Hochschule für Wirtschaft und Technik Karlsruhe; Institut für Orient- und Asienwissenschaften, Abteilung für Asiatische und Islamische Kunstgeschichte der
Universität Bonn; Geodätisches Labor der Universität der Bundeswehr München-Neubiberg • Förderung: Fritz Thyssen Stiftung; Fachgebiet Historische
Bauforschung, Masterstudium Denkmalpflege (MSD) der Technischen Universität Berlin • Leitung des Projekts: D. Sack, A. al-Khabur • Mitarbeiter
und Mitarbeiterinnen: H. Becker, L. Böwe, K. Dierks, K. Eberle, J. Giese,
M. Gussone, H. Heister, G. Hell, D. Henker, C. Hof, Th. Horn, Y. Khoury,
Ch. Konrad, D. Kurapkat, T. Lopens, A. Mollenhauer, M. Müller-Wiener,
A. al-Saeed, B. Sattes, H. Saleh, I. Salman, A. Schumann, U. Siegel, D. Spiegel
• Abbildungsnachweis: DAI, Orient-Abteilung, D. Sack, M. Gussone, J. Giese,
D. Spiegel (Abb. 15); DAI, Orient-Abteilung, M. Stephani (Abb. 16); DAI,
Orient-Abteilung, Ch. Konrad (Abb. 17).
Palmyra
Die diesjährigen Arbeiten der deutsch/österreichisch-syrischen Mission im
Areal der ›hellenistischen‹ Siedlung in Palmyra richteten sich auf drei Ziele:
Die Vervollständigung des Grundrisses des ›Karawanenbaus‹ (Abb. 18), die Klärung der Bauphasen dieser Anlage einschließlich eventueller Vorgängerbauten
sowie die weitere Bearbeitung von Fundmaterial. Die Untersuchungen haben
ergeben, dass der ›Karawanenbau‹ um die Mitte des 1. Jhs. v. Chr., also kurz nach
der Einrichtung der römischen Provinz Syria 64 v. Chr., über älteren Baustrukturen errichtet und gegen Ende des 3. Jhs. n. Chr. – also möglicherweise im
Zusammenhang mit der Eroberung Palmyras durch Aurelian 272/273 n. Chr. –
aufgegeben bzw. zerstört wurde. Das Fundspektrum der Keramik belegt erneut
weitreichende Handelsverbindungen Palmyras, insbesondere für das 1. Jh. v. Chr.
und das 1. Jh. n. Chr. Im 2. und 3. Jh. nehmen Formenvielfalt und Fernimporte
Abb. 18 Palmyra, Areal der ›hellenistischen‹ Stadt. Sondage II (›Karawanenbau‹)
von Süden
AA-2008/1 Beiheft
272 Jahresbericht 2007 des DAI
20
Palmyra
Abb. 19
Ton-Tessera (130/131 n. Chr.; ca. 2,40 cm × 2,40 cm)
Abb. 20
Spielsteine (ca. 1,50 cm × 2 cm)
Abb. 21
Gemme mit sitzendem Zeus (ca. 1,50 cm × 1,20 cm)
19
besonders aus dem Westen deutlich ab, was möglicherweise in einem Zusammenhang mit dem zunehmenden militärischen Engagement Roms im Osten
zu verstehen ist. Unter den Kleinfunden sind eine datierte Tessera (Abb. 19),
mehrere Spielsteine (Abb. 20) und eine Gemme mit thronendem Zeus (Abb.
21) hervorzuheben.
Kooperationspartner: Direction Générale des Antiquités et des Musées de
la Syrie (DGAM); Universität Wien • Förderung: Österreichischer Wissenschaftsfonds (FWF) • Leitung des Projekts: A. Schmidt-Colinet, W. al-As’ad
• Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: O. al-As’ad, S. Bortenschlager, U. Egger,
Ch. Ertel, K. Herold, N. High, H. Jom‘a, F. Laubenheimer, R. Ployer,
Ch. Römer-Strehl, W. Szaivert, L. Zabrana, St. Zink • Abbildungsnachweis:
A. Schmidt-Colinet (Abb. 18–21).
21
Wissenschaftliche Veranstaltungen
Vorträge
14. Februar Markus Gschwind (Damaskus), Wo Elagabal zum Kaiser ausgerufen wurde. Erste archäologische Untersuchungen in der römisch-byzantinischen Stadt Raphaneaexxx25. April Dorothée Sack (Berlin), Resafa – Sergiupolis/Rusafat Hisham. Pilgerstadt und Kalifenresidenz in der syrischen Wüste
14. November Matthias Grawehr (Damaskus),Vergessen und wiederentdeckt.
Prospektionen in Shayzar, der antiken Stadt Larissa am Orontesxxx28. November Uwe Finkbeiner (Tübingen), Wenn im Orient die Erde bebt – Das EUProjekt APAME zur Geschichte der Erdbeben in Syrien und Palästina.
Öffentlichkeitsarbeit
In Zusammenarbeit mit der Zentrale des DAI fand vom 12. bis 21. Oktober
der fachwissenschaftliche Kurs »Der Hauran. Formation und Organisation
städtischer und dörflicher Gemeinwesen im Hauran von der Antike bis in die
islamische Zeit« statt.
AA-2008/1 Beiheft
Orient-Abteilung, Außenstelle Sana’a 273
Außenstelle Sana’a
Ausgrabungen und Forschungen
Oase von Marib, Bewässerungsstrategien und gesellschaftspolitische Organisationsprinzipien als Voraussetzung für die Entstehung und Entwicklung der sabäischen Kultur
In den ariden Wüstenrandgebieten Südarabiens ist Marib die größte Oasenlandschaft, die in der Antike künstlich geschaffen und spätestes ab dem 3. Jt.
v. Chr. bis zur heutigen Zeit kontinuierlich bewirtschaftet wurde. Hier entstand am Ende des 2. Jts. v. Chr. das Reich von Saba, das durch eine optimale
Nutzung der Umweltbedingungen die ökonomischen Voraussetzungen schuf,
nicht nur die ortsansässige Bevölkerung zu ernähren, sondern auch die Versorgung der Karawanen als Knotenpunkt der Weihrauchstraße zu gewährleisten.
Ziel der Forschungs- und Surveytätigkeit ist die Dokumentation und Rekonstruktion der verschiedenen Bewässerungssysteme sowie deren Entwicklung. Dies erfolgt in enger Zusammenarbeit von archäologischen und naturwissenschaftlichen Forschungszweigen. Archäologische Befunde werden dabei in
einen direkten Zusammenhang mit identifizierten mittel- und spätholozänen
Landoberflächen und Phänomenen der Bodenbildung gesetzt. Ausgehend von
kleinen einfachen Bewässerungsanlagen bis hin zu großen übergreifenden Systemen ist nicht nur deren technische Entwicklung über mehr als 3000 Jahre
Abb. 1 Marib, Oase. Feuerstelle in den
Sedimentschichten der Südoase aus der
frühen Bronzezeit (3800–3600 v. Chr.)
herauszuarbeiten, sondern auch ihre direkten Auswirkungen auf die antike Gesellschaft dieser Region. Gerade die Perfektionierung der künstlichen Bewässerung steht in engem Zusammenhang mit der Entstehung und Entwicklung
der sabäischen Hochkultur.
Die Geländebegehungen konzentrierten sich in diesem Jahr auf zentrale
Bereiche der Nord- und Südoase sowie auf das angrenzende Bergland des
Jabal Balaq al-Awsat und das Wadi Jufainah. Die bodenkundlichen Untersuchungen belegen, dass die Sedimente oberhalb der relikten Bodenbildungen
im Umfeld der Oase wesentlich älter sind als die Bewässerungssedimente in
der Oase sowie die Bodensedimente in Marib Stadt. In einem Zeitraum von
5000–4000 v. Chr. ist in der Region von einer Feuchtphase auszugehen, die
aufgrund höherer Niederschläge als heute zu einer intensiven Bodenbildung
führte. Eine Nutzung dieser natürlichen Böden für die Landwirtschaft in der
Bronzezeit lässt sich derzeit nicht nachweisen, obwohl menschliche Aktivitäten anhand einer Feuerstelle in der Südoase bereits für die frühe Bronzezeit
(3800–3600 v. Chr.) belegt werden konnten (Abb. 1). Die sog. bronzezeitlichen
AA-2008/1 Beiheft
274 Jahresbericht 2007 des DAI
2
3
Rundgräber, die sich häufig direkt auf den natürlichen Böden der Oasenrandgebiete befinden, belegen, dass ein Teil der fruchtbaren Flächen nicht für den
Ackerbau genutzt wurde – eine nomadische Lebensweise der Erbauer dieser
Strukturen ist zu vermuten. Der früheste Feldbau in Marib setzte nach den bisherigen Ergebnissen erst in der späten Bronzezeit bzw. in protosabäischer Zeit
(2. Hälfte 2. Jt. v. Chr.) ein. Bezeichnenderweise fiel dies mit klimatisch wesentlich ungünstigeren Faktoren zusammen, die eine künstliche Bewässerung
unabdingbar machten. Im Oberlauf des Wadi Jufainah finden sich dabei zwei
kleinteilige Bewässerungssysteme unterschiedlicher Technik: Zum einen handelt es sich um ein vereinfachtes Terrassensystem, bei dem das Wasser jeweils
von einem Feld auf ein entsprechend niedrigeres Feld geleitet wird (Abb. 2),
zum anderen um einen einfachen Ablenkdamm (Abb. 3), der das Wasser zu
den Feldern führt.
Das große Bewässerungssystem im Hauptwadi mit maximal 9600 ha bewässertem Land etablierte sich erst in der 1. Hälfte des 1. Jts. v. Chr. und gipfelte
in der Vollsperrung des Hauptwadis, wie es die Bauten des ›Großen Dammes‹
repräsentieren. Die geomorphologisch-bodenkundlichen Untersuchungen an
den Stauraumsedimenten weisen darauf hin, dass eine Vollsperrung bereits im
7./6. Jh. v. Chr. bestand.
Das System der Vollsperrung wurde bis zur Aufgabe der großflächigen
Bewässerung in Marib im 6. Jh. n. Chr. beibehalten (Abb. 4). Dies belegen zwei
klar identifizierte und höhenmäßig voneinander getrennte Bewässerungssysteme, die etwa in das 1./2. Jh. bzw. das 5./6. Jh. n. Chr. datieren: Die sog. Auslassbauwerke der verschiedenen Nutzungsphasen, die zur Weiterleitung des
Wassers in Kanäle unterer Ordnung sowie zur Bewässerung der Felder dienten,
unterscheiden sich zwar in ihren verwendeten Baumaterialien, kaum aber in
der Form. Funktional zeigen diese Systeme keine Unterschiede in der Lage
und Verlaufsrichtung der Felder und Kanäle. Der jüngeren Phase lassen sich
zudem als Lager- und Wohnhäuser zu deutende Bauwerke zuordnen.
Die bisherigen Ergebnisse bestätigen die These einer zentralen Organisation und Verwaltung der Oase von Marib durch die Hauptstadt während ihrer
Blüte in klassisch-sabäischer Zeit. In mittelsabäischer Zeit (1. Jh. v. Chr. bis 3. Jh.
n. Chr.) hingegen, im Verlauf ständigen Machtverlustes, erfolgte eine Dezentralisierung. Verteilt über die Oase kam es zur Gründung kleinerer Siedlungseinheiten, die vermutlich eigenständig bestimmte Bereiche der Oase nutzten.
Marib, Oase
Abb. 2 Felder aus der frühsabäischen Zeit
(Beginn des 1. Jts. v. Chr.), das Wasser wurde
jeweils von dem höher gelegenen Feld auf
ein niedrigeres geleitet
Abb. 3 Bronzezeitlicher oder frühsabäischer Ablenkdamm im Oberlauf des Wadi
Jufainah, der über ein Verteilersystem die
einzelnen Felder bewässerte
AA-2008/1 Beiheft
Orient-Abteilung, Außenstelle Sana’a 275
Abb. 4 Marib, Oase. Blick von der
Nordschleuse des ›Großen Dammes‹ von
Marib über die Sedimente zur Südschleuse
(6. Jh. n. Chr.)
Von besonderem Interesse für die Entstehung und Entwicklung künstlicher
Bewässerungssysteme in der Region Marib waren erneut geomorphologischbodenkundliche Untersuchungen im unteren sowie im oberen Bereich des
Wadi Jufainah. Bisher zeigt ein Teil der Flächenreste unter äolischen Sedimenten und/oder Schwemmsanden fossile Leithorizonte. Für mehrere Bereiche
in den heute weitgehend völlig unfruchtbaren Nebenwadis in Marib erfolgte
damit der Nachweis für eine natürliche Bodenbildung spätestens in der Bronzezeit und einen anschließenden Klimawandel. Es sind gerade diese flächenmäßig
kleinen Bereiche, die als Standorte für erste künstliche Bewässerungssysteme
gedient haben. Diese Nutzung muss bereits in die ausgehende Bronzezeit fallen, da sich an manchen Stellen nahezu direkt auf den fossilen Leithorizonten
mutmaßlich eisenzeitliche Gräber befinden.
Kooperationspartner: Lehrstuhl für Semitische Philologie und Islamwissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Sprachen und
Kulturen des Vorderen Orients (N. Nebes); Geographisches Institut, Physische
Geographie der Eberhard-Karls-Universität Tübingen (P. Kühn, D. Pietsch,
Th. Scholten); Paläontologisches Institut der Friedrich-Alexander-Universität
Erlangen (R. Koch, Ch. Weiß); Department Geomatik, Labor für Instrumentenkunde der HafenCity Universität Hamburg (Th. Kersten, K. Mechelke);
General Organization for Antiquities and Museums (A. Bawazir) • Leitung
des Projekts: I. Gerlach • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: U. Brunner,
H. Hitgen, S. Japp, J. Kramer, P. Kühn, M. Manda, K. Mechelke, D. Pietsch,
Ch. Weiß, J. Zech • Abbildungsnachweis: DAI, D. Pietsch (Abb. 1. 2); DAI,
I. Gerlach (Abb. 3. 4).
Oase von Marib, Archäologischer Survey
Eine systematische Dokumentation aller antiken Strukturen und ihre Einordnung in einen zeitlichen wie funktionalen Kontext mit Hilfe von unterschiedlichen geoarchäologischen Methoden bilden den Inhalt der seit mehreren Jahren
durchgeführten intensiven Geländebegehungen in der Oase von Marib. Diese
stehen in direktem Zusammenhang mit den Fragen nach der Entstehung und
dem Untergang der altsüdarabischen Hochkultur Sabas sowie nach der technologischen Entwicklung der lokalen Bewässerungssysteme vom 3. Jt. v. Chr.
bis zum Islam. Abhängig davon sind die Siedlungsprozesse im Oasengebiet, die
sich an den jeweils entstandenen Wasserbautechniken orientieren.
AA-2008/1 Beiheft
276 Jahresbericht 2007 des DAI
Abb. 5 Region Marib (Sirwah), lange
Mauerzüge, die sich von den Wadis auf
die angrenzenden Berghänge erstrecken,
dienten der Treibjagd von Tieren
Bei den bisherigen Surveys konnten etwa 600 Fundstellen dokumentiert
werden, die chronologisch von der Bronzezeit bis in die Spätantike reichen.
Es handelt sich um Grabanlagen, Siedlungen, Tierfanganlagen (Abb. 5), Steinbrüche, Wege, Wasserwirtschaftsbauten sowie bislang nicht näher zu deutende
einzelne Gebäudestrukturen.
In diesem Jahr konzentrierte sich der Survey auf zentrale Bereiche der Südoase, auf die unmittelbare Umgebung von Marib Stadt, auf eine direkt an den
›Großen Damm‹ von Marib anschließende Fläche der Nordoase sowie auf die
Oasenrandzonen.
In der heute wieder intensiv landwirtschaftlich genutzten Südoase wurde in
den letzten Jahrzehnten ein Großteil der oberflächig anstehenden Strukturen
abgetragen und zerstört. Nur vereinzelt waren noch Brunnenanlagen,Wasserverteiler und Gebäudestrukturen zu identifizieren. Die wenigen erhaltenen Befunde erlauben die Vermutung, dass sich hier auch in der Antike mehrheitlich
landwirtschaftliche Einheiten befanden, die aus einem Komplex von Häusern
mit einem Brunnen und mehreren Feldern bestanden.
Konstruktionsweise und Lage der Strukturen in den oberen Bereichen der
Bewässerungssedimente lassen auf eine späte Nutzung der Oase in mittel- und
6
Marib, Oase
Abb. 6 Ein sehr gut erhaltener Wasserverteiler aus der Mitte des 1. Jts. v. Chr.
diente der Bewässerung von Palmenhainen,
im Laufe der Jahrhunderte wurde er von
Sedimenten überdeckt
Abb. 7 Bewässerungsanlage aus der
mittelsabäischen Zeit (1. Jh. v. Chr. bis 3. Jh.
n. Chr.) mit langen Mauerzügen, die mit
dem sabäischen Mörtel Qadad verputzt sind
7
AA-2008/1 Beiheft
Orient-Abteilung, Außenstelle Sana’a 277
spätsabäischer Zeit schließen. Lediglich ein sehr gut erhaltener großer Wasserverteiler, der mehrere Meter tief in den Sedimenten gründet, datiert in die
Mitte des 1. Jts. v. Chr. (Abb. 6). Nicht nur die Konstruktionsweise aus sorgfältig gesetzten Kalkstein- und Vulkangesteinsquadern belegt diese Datierung,
sondern ebenso die Bauinschrift des Verteilers.
Auch im Gebiet nordöstlich der antiken Stadt Marib haben sich aufgrund
rezenter Siedlungstätigkeit nur wenige antike Strukturen erhalten. Zu diesen
Befunden zählen vor allem kleinere Wasserverteiler aus mittelsabäischer Zeit
(1. Jh. v. Chr. bis 3. Jh. n. Chr.). Eine Bewässerungsanlage setzt sich aus mehreren rechteckigen Flügelbauten unterschiedlicher Höhe zusammen, die auf
einer Seite in einer langen, leicht gebogenen Mauer auslaufen (Abb. 7).
Wasserverteiler charakterisieren außerdem die Bereiche östlich der Nordschleuse des ›Großen Dammes‹. Sie setzen sich zumeist aus zwei rechteckigen
Flügeln auf einer hohen Basis zusammen, die den mittigen Auslass aussparen
und zumeist in Gruppen von drei oder vier Anlagen zusammenstehen. Diese
Bauten bilden an einigen Stellen Knotenpunkte für Kanäle, von denen aus
sich das Wasser in unterschiedliche Richtungen weiterverteilte. Zwischen den
Verteilern sind an drei Stellen Reste von Siedlungen erhalten, die sich vor
allem durch einen dichten Scherbenteppich auf der Oberfläche abzeichnen.
Aufgrund der Keramik können die Siedlungen in die mittel- bis spätsabäische
Zeit (1. Jh. v. Chr. bis 6. Jh. n. Chr.) datiert werden. Den landwirtschaftlichen
Charakter der Anlagen verdeutlichen etliche Reibsteine und -schalen sowie
einige Mahlsteine.
Neben den zentralen Flächen der Oase von Marib galt das Interesse auch
den Oasenrandbereichen. Hier konnten zum einen die frühesten sabäischen
Bewässerungssysteme identifiziert werden, zum anderen fanden sich dort die
einzigen Baureste bronzezeitlicher Kulturen in der Region. Der nördliche Abschnitt des Wadi Jufainah ist durch Kalksteinausläufer des Jabal Balaq al-Qibli
sowie Vulkankegel gekennzeichnet. Dieses Gebiet weist nur äußerst wenige,
schlecht zu datierende und zu deutende Überreste menschlicher Siedlungen
auf. An den Berghängen befinden sich dagegen zahlreiche gut erhaltene Grabstätten in Form von turmartigen Bauten mit kleinen Öffnungen im Südwesten
(Abb. 8). Die meisten Gräber sind mit einem aus Steinhaufen gesetzten sog.
Abb. 8 Marib, Oase. Bronzezeitliches
Turmgrab mit fensterartiger Öffnung und
einem aus Steinhaufen gesetzten ›Kistenschwanz‹
AA-2008/1 Beiheft
278 Jahresbericht 2007 des DAI
Kistenschwanz ausgestattet. Die Funktion der ›Kistenschwänze‹ ist nach wie
vor ungeklärt: Möglicherweise stellen sie ein Zeichen der sozialen Stellung der
Bestatteten oder Landmarken bzw. Abgrenzungen unterschiedlicher Territorien dar. Für die Datierung bietet sich gegenwärtig lediglich ein Vergleich mit
den bronzezeitlichen Rundgräbern an. Allerdings weisen jüngste Grabungen
in al-Mahdarah und im westlichen Jol darauf hin, dass die Verwendung solcher
Grabanlagen bis weit in das 1. Jt. v. Chr. üblich war. Anthropologische Untersuchungen legen bei diesen Ausgrabungsplätzen die Vermutung nahe, dass es sich
bei den dort Bestatteten um Mitglieder einer indigenen Bevölkerungsgruppe
handelt, die noch nicht die Sitten der am Ende des 2. Jts. v. Chr. vermutlich aus
der Levante einwandernden Bevölkerungsgruppen übernommen hatte, sondern sich an frühere, bronzezeitliche Traditionen anlehnte.
Kooperationspartner: Lehrstuhl für Semitische Philologie und Islamwissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Sprachen und
Kulturen des Vorderen Orients (N. Nebes); Geographisches Institut, Physische
Geographie der Eberhard-Karls-Universität Tübingen (P. Kühn, D. Pietsch,
Th. Scholten); Paläontologisches Institut der Friedrich-Alexander-Universität
Erlangen (R. Koch, Ch. Weiß); Department Geomatik, Labor für Instrumentenkunde der HafenCity Universität Hamburg (Th. Kersten, K. Mechelke);
General Organization for Antiquities and Museums (A. Bawazir) • Leitung
des Projekts: I. Gerlach • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: U. Brunner,
H. Hitgen, S. Japp, J. Kramer, P. Kühn, M. Manda, K. Mechelke, D. Pietsch,
Ch. Weiß, J. Zech • Abbildungsnachweis: DAI AR20020209_047, I. Gerlach (Abb. 5); DAI MaO20070874, J. Kramer (Abb. 6); DAI MaO20070898,
H. Hitgen (Abb. 7); MaO200700304, H. Hitgen (Abb. 8).
Marib Stadt
Marib, die Hauptstadt des Reiches von Saba, bildet mit 110 ha die größte antike Stadtanlage Südarabiens (ca. 12. Jh. v. Chr. – 7. Chr. n. Chr.) und gilt als
eine der bedeutendsten Fundstätten auf der Arabischen Halbinsel. Fragen nach
der Organisation und Raumgestaltung der Stadt, nach der Bedeutung und
Abb. 9 Marib Stadt, Luftbild der Stadtanlage mit der Angabe der Stadtmauer und
den mit Pfeilen markierten Toranlagen
AA-2008/1 Beiheft
Orient-Abteilung, Außenstelle Sana’a 279
Abb. 10 Marib Stadt, Blick über die Sedimentpakete auf den islamischen Hügel
mit neuzeitlicher Lehmziegelbebauung
im Hintergrund
AA-2008/1 Beiheft
Chronologie der materiellen Kultur, den Wechselbeziehungen von Stadt und
Umland sowie den weiträumigen Kontakten sollen durch die archäologische
und epigraphische Erforschung Maribs umfassend beantwortet werden. Dieser
Fundplatz bietet für Südarabien die einmalige Chance, ein fundiertes chronologisches Gerüst für die Entwicklung des sabäischen Reiches von seiner Formierung im späten 2. Jt. v. Chr. bis zu seinem Ende zu erstellen.
Vor den geplanten Ausgrabungen wurden in diesem Jahr die Surveys intra
muros intensiviert sowie geomorphologische Untersuchungen durchgeführt
(Abb. 9). Dabei konnte eine intensive Besiedlung über die islamische Zeit bis
in die Gegenwart nachgewiesen werden. Ein in der Forschung immer wieder
postulierter Bruch in der Siedlungskontinuität etwa zu Lebzeiten Mohammeds
lässt sich nicht belegen. Stattdessen wurde neben dem zentralen Siedlungshügel von Marib gerade das westliche und nördliche Stadtgebiet in islamischer
Zeit intensiv genutzt. Dicht beieinander stehende Lehmziegelhäuser, die auf
Bruchsteinfundamenten gründeten, finden sich in all diesen Bereichen. Die
frühislamischen Bauten sind durchgängig unter Verwendung antiker Spolien
errichtet worden und weisen eine einfache Konstruktionsweise auf. Marib
war in dieser Zeit kein städtisches Zentrum mehr, sondern eine Ansammlung
landwirtschaftlich orientierter Siedlungsplätze, die nur noch bedingt als Handelsplatz fungierten.
Keramikfunde mit einem bisher unbekannten Formenrepertoire im westlichen Stadtgebiet deuten auf eine Nutzung Maribs in der Spätantike hin, die
bislang nur über epigraphische Quellen erschlossen werden konnte.
Zieht man alle mittels Surveys und Bohrungen gewonnenen Ergebnisse
heran, deutet sich eine kontinuierliche Nutzung Maribs von der ausgehenden
Bronzezeit bis in die Gegenwart an.
Darüber hinaus konzentrierten sich die Forschungen auf den südlichen
Bereich der Stadtanlage, wo sich in tiefen Erosionsrinnen ein ungewöhnlicher
Befund abzeichnet: Innerhalb eines doppelten Mauerringes lagern teilweise
über 10 m hohe Sedimentpakete (Abb. 10).Während an der Oberfläche dieser
280 Jahresbericht 2007 des DAI
Sedimente zahlreiche Baustrukturen mittelsabäischer Zeit (1. Jh. v. Chr. – 3. Jh.
n. Chr.) zutage treten, sind die unteren Bereiche nahezu fundleer und frei von
Bauresten. Geomorphologisch-bodenkundliche Untersuchungen haben ergeben, dass sich diese Sedimente deutlich unterscheiden: Während die fehlende
Schichtung und Struktur der Sedimente im südwestlichen Stadtgebiet für
eine landwirtschaftliche Nutzung möglicherweise als Gärten oder Felder intra
muros sprechen, sind andere Gebiete mit Sedimentablagerungen nie genutzt
worden. In diesen Bereichen weisen die Sedimente eine z. T. ungleichmäßige
Schichtung sowie zahlreiche Diskordanzen auf. Dies bedeutet, dass sie zwar
durch regelmäßige Überflutungen entstanden, dieses Gelände jedoch weder
als Gartenland noch als Bauland genutzt wurde. Ähnlich ist die Situation jenseits der südlichen Stadtmauer. Hier befinden sich nahe dem Wadi Dhana Sedimente, die ebenfalls nie eine landwirtschaftliche Nutzung erfuhren. Bei dem
nördlichen Stadtmauerabschnitt reichten Wasserwirtschaftsbauten und Reste
von Kanälen dicht an die Mauer heran.
Die Ergebnisse der geomorphologisch-bodenkundlichen Untersuchungen
der Sedimente in Marib verändern das Bild der Metropole maßgeblich. Obwohl die Stadtanlage von mächtigen Mauern umgeben war, scheinen große
Gebiete intra muros nie genutzt worden zu sein. Lediglich kleine Bereiche
dienten als Gartenanlagen, andere vielleicht als unbebaute Lagerflächen für
die durchreisenden Kamelkarawanen. 14C-Datierungen bezeugen bereits ab
1000 v. Chr. eine landwirtschaftliche Nutzung der Sedimente (Abb. 11). Diese
mächtigen Sedimentpakete sind nur dann verständlich, wenn man von regelmäßigen Überflutungen mit Hilfe eines Kanalsystems innerhalb der Stadt ausgeht. Der Verlauf der Kanäle, vor allem in der Nähe der Stadtmauern, ist allerdings noch nicht erkennbar.
Die antike Stadt mit ihren Verwaltungsbauten, Tempelanlagen, Wohn- und
Handwerksbereichen scheint sich nach jetzigem Kenntnisstand nur auf etwa
die Hälfte des Stadtgebietes, und zwar im zentralen und östlichen Bereich, erstreckt zu haben. Der Verlauf der Stadtmauer spricht zudem dafür, dass es sich
bei diesem Gebiet auch um den ältesten Teil der Siedlung handelt.
Kooperationspartner: Lehrstuhl für Semitische Philologie und Islamwissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Sprachen und
Kulturen des Vorderen Orients (N. Nebes); Geographisches Institut, Physische
Geographie der Eberhard-Karls-Universität Tübingen (P. Kühn, D. Pietsch,
Th. Scholten); Paläontologisches Institut der Friedrich-Alexander-Universität
Erlangen (R. Koch, Ch. Weiß); Department Geomatik, Labor für Instrumentenkunde der HafenCity Universität Hamburg (Th. Kersten, K. Mechelke);
General Organization for Antiquities and Museums (A. Bawazir) • Förderung:
DFG • Leitung des Projekts: I. Gerlach, N. Nebes • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: U. Brunner, H. Hitgen, S. Japp, J. Kramer, P. Kühn, A. Ludwig,
M. Manda, K. Mechelke, D. Petzold, D. Pietsch, B. Schäfer, M. Schnelle,
Ch. Weiß, J. Zech • Abbildungsnachweis: DAI, Luftbild der Royal Airforce
(Abb. 9); DAI MaS 200700235, J. Kramer (Abb. 10); DAI, D. Pietsch (Abb. 11).
Abb. 11 Marib Stadt, Profil der islamischen
Schichten und eines Gartenbodens aus dem
1. Jt. v. Chr.
Sirwah, archäologisch-baugeschichtliche Forschungen in der sabäischen Stadtanlage
Die Stadtanlage und Oase von Sirwah, ca. 40 km westlich der antiken Hauptstadt Marib gelegen, bildet im 1. Jt. v. Chr. das zweite große Zentrum des sabäischen Reiches. Bei dem Forschungsprojekt stehen Fragen nach der Funktion
der Stadt ebenso im Vordergrund wie nach deren Einbindung in das sabäische
Handelsnetz und die Wirtschaft dieses Reiches. Mit Surveys und Ausgrabungen wird eine umfassende Rekonstruktion der antiken Kultur und Umwelt angestrebt. Die archäologischen Untersuchungen in Sirwah konzentrieren sich
AA-2008/1 Beiheft
Orient-Abteilung, Außenstelle Sana’a 281
Abb. 12 Sirwah, Blick in einen kleinen
Sakralbau des Almaqah-Heiligtums aus der
mittelsabäischen Zeit (1. Jh. v. Chr. bis 3. Jh.
n. Chr.). Im Vordergrund ein Opferstein mit
Ablaufrinne für Opferblut oder Libationen
vorerst auf die innerstädtischen Sakralkomplexe, die Fortifikation sowie die
Infrastruktur.
Der Schwerpunkt der Arbeiten lag in diesem Jahr vor allem auf der Untersuchung von Gebäudekomplexen nördlich des großen Almaqah-Tempels, um
Form und Funktion der an den Tempel anschließenden Gebäudestrukturen zu
klären. Weitere Ausgrabungen an der Stadtmauer nordöstlich des Heiligtums
hatten den Verlauf der Befestigung und die Erforschung von Eingangstoren
im östlichen Stadtgebiet zum Ziel.
In dem nördlich an die sog. Bronzewerkstatt des Almaqah-Tempels angrenzenden Areal kam ein kleiner Sakralbau mit Lehmziegelaltar aus der mittelsabäischen Zeit zutage (1. Jh. v. Chr. – 3. Jh. n. Chr.). Der Kultgemeinschaft
dienten Bänke unter einer von Pfeilern gestützten Galerie als Sitzplätze. Im
hypäthralen Mittelteil des Raumes befanden sich eine trapezförmige Basis
mit Löchern für Einlasszapfen, die möglicherweise zur Aufnahme eines bronzenen Tisches oder für Weihgaben diente, sowie ein Opferstein mit Auffangbecken und Ablaufrinne für Opferblut oder Libationen (Abb. 12). In einem
Nebenraum des Tempels fanden sich Achatperlen, Goldschmuck, Intarsien,
Öllampen, mehrere bronzene Dolche, Statuetten und zwei Inschriftentafeln.
Diese Objekte spiegeln das reiche und vielseitige Repertoire mittelsabäischer
Votivgaben wider (Abb. 13).
Abb. 13 Sirwah, Goldfunde aus dem
Almaqah-Heiligtum der mittelsabäischen
Zeit (1. Jh. v. Chr. bis 3. Jh. n. Chr.)
AA-2008/1 Beiheft
282 Jahresbericht 2007 des DAI
Ebenfalls zum Heiligtum des Almaqah zählt ein im Norden des Tempelvorhofes anschließender kleiner Podiumtempel. Trotz massiver Zerstörungen
und Steinraub ist ein langrechteckiger Raum und ein zum Tempelhof ausgerichtetes Podium erhalten, auf dem sich Pfeiler erhoben, wie Photoaufnahmen
aus den 1950er Jahren beweisen. Bereits kurz nach Fertigstellung im 8./7. Jh.
v. Chr. erfuhr das Gebäude verschiedene Umbaumaßnahmen, die vor allem
die Zugangssituation zur Kammer betrafen. Der nördliche Teil des Gebäudes
wurde in der Spätzeit als Wirtschaftsbereich genutzt, wie u. a. drei Lehmöfen
(Tannure) zeigen.
Nordwestlich des Almaqah-Tempels – ebenso wohl noch zum Komplex
des Heiligtums gehörend – wurde ein fast vollständig zerstörtes, langrechtecki-
Abb. 14 Sirwah, Kultgebäude des
Almaqah-Heiligtums aus der mittelsabäischen Zeit (1. Jh. v. Chr. bis 3. Jh. n. Chr.),
welches vielleicht als Versammlungsraum
diente
ges Gebäude freigelegt, dessen Zugang sich in der Mitte der östlichen Schmalseite befindet (Abb. 14). Das in mittelsabäische Zeit zu datierende und vermutlich als Versammlungsraum zu deutende Gebäude weist einen Grundriss mit
einem Mittelschiff und zwei identischen Seitenschiffen auf. Den Boden bedeckten Alabasterplatten, von denen sich aber – bis auf eine – nur die Negativabdrücke im Gipsbett erhalten haben. Eine durchgehende Kalksteinstufe grenzt
die Seitenschiffe vom Mittelschiff ab, in die in regelmäßigen Abständen je vier
Pfeilerbasen eingefügt waren. Zudem standen hier Skulpturen, worauf Einlassungen hinweisen. Das westliche Ende des Innenraumes wird von einer hohen
Stufe aus Kalksteinquadern eingenommen, die wohl den vorderen Teil einer
Bank bildete.Vielleicht handelte es sich dabei um eine Sitzbank oder ein Bema
für Weihgeschenke.
Mit der archäologischen Erforschung dieser Kultbauten lassen sich dem
Almaqah-Heiligtum jetzt neben dem Haupttempel insgesamt vier weitere
Sakralbauten zuordnen.
Deutlich abgesetzt vom Almaqah-Heiligtum erhebt sich im nördlichen
Stadtgebiet der sog. Fünfpfeilertempel, in dem in diesem Jahr mit Ausgrabungen begonnen wurde. Trotz rezenter Zerstörungen, die vor allem den Eingangsbereich mit der vollständigen Abtragung der Pfeiler betreffen, verspricht
der Tempel, wichtige Hinweise auf die Entwicklung sabäischer Sakralbauten
zu geben (Abb. 15 a. b).
AA-2008/1 Beiheft
Orient-Abteilung, Außenstelle Sana’a 283
Abb. 15 a. b Sirwah, Photographie des
sog. Fünfpfeilertempels aus der Mitte des
20. Jhs. und Zustand des Sakralbaus im
Propylonbereich kurz nach dem Beginn der
Ausgrabungen im Jahr 2007
Bei der Freilegung des Eingangs zeigten sich die Reste der fünf Pfeilerbasen, dahinter ein dreistufiger Treppenaufgang, der zwischen zwei fragmentierten monolithischen Laibungssteinen in das Tempelinnere führte. Der Eingangsbereich im Inneren wurde durch einen heute noch in situ stehenden
Pfeiler gestützt. Dieser hat sich zwar nicht in voller Höhe erhalten, trägt aber
dennoch als oberen Abschlussbereich die Reste einer Namensinschrift, die
paläographisch in die frühsabäische Zeit datiert (8./7. Jh. v. Chr.).
Nach Entfernung rezenter Verbauung konnten der Grundriss und die Baukonstruktion des Gebäudes zumindest im Ansatz geklärt werden: Es handelt
sich um ein fast quadratisches in Holz-Stein-Fachwerk errichtetes Gebäude,
das an den Ecken und mittig an jeder Seite vorspringende Risalite aufweist.
Dieser Grundriss ist bisher in Südarabien vor allem für Karawansereien aus spätsabäischer Zeit belegt, nicht aber für Tempelbauten früherer Zeitstufen. 14CDatierungen für eine zeitliche Einordnung des Bauwerks stehen noch aus.
Nach der Dokumentation der wenigen islamischen Baureste auf dem Tempel konnten in zwei Grabungsschnitten die verkohlten Deckenbalken des ursprünglichen Tempeldaches und die fast bis zur Decke erhaltene sabäische Architektur freigelegt werden. Bislang lässt sich ein axial von dem Tempeleingang
verlaufender Korridor rekonstruieren, über den sich links und rechts symmetrisch angeordnete Räume erschließen. Die Wände des Korridors waren mit
kleinen sorgfältig geglätteten Kalksteinen sowie in Nischen sitzenden HolzbalAA-2008/1 Beiheft
284 Jahresbericht 2007 des DAI
ken verkleidet. Die Wände der einzelnen Räume wurden aus mit Lehm verputztem Bruchsteinmauerwerk errichtet und ebenfalls durch Nischen mit eingesetzten Holzbalken gegliedert. Das hoch anstehende Mauerwerk sowie die
noch vorhandenen Deckenbalken des Tempeldaches lassen vermuten, dass sich
zumindest die Innenarchitektur und möglicherweise auch Reste des Kultinventars erhalten haben.
Kooperationspartner: Lehrstuhl für Semitische Philologie und Islamwissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Sprachen und
Kulturen des Vorderen Orients (N. Nebes); Geographisches Institut, Physische
Geographie der Eberhard-Karls-Universität Tübingen (P. Kühn, D. Pietsch,
Th. Scholten); Paläontologisches Institut der Friedrich-Alexander-Universität
Erlangen (R. Koch, Ch. Weiß); Department Geomatik, Labor für Instrumentenkunde der HafenCity Universität Hamburg (Th. Kersten, K. Mechelke);
General Organization for Antiquities and Museums (A. Bawazir) • Leitung
des Projekts: I. Gerlach • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: W. Brettschneider, U. Brunner, T. Buchholz, S. Gehrke, M. Götting, R. Heiden, P. Hoffmann, S. Japp, I. Joerder, J. Kramer, M. Kinzel, P. Kühn, J. Malsch, M. Manda,
D. Pietsch, K. Mechelke, B. Schäfer, M. Schnelle, M. Skorupka, R. Sobott,
I. Wagner, Ch. Weiss, J. Zech • Abbildungsnachweis: DAI Sir200700850,
J. Kramer (Abb. 12); DAI, I. Wagner (Abb. 13); DAI Sir20082880, J. Kramer
(Abb. 14); nach A. Fakhry, An Archaeological Journey to Yemen (March–May
1947) III (1952) Taf. 10 A (Abb. 15 a); DAI, J. Kramer (Abb. 15 b).
Sabäische Sakralarchitektur, Gestalt, Ausstattung und Rekonstruktionsversuch der
Kultpraktiken
Im Vordergrund des Projekts steht die archäologische Untersuchung sabäischer
Sakralbauten in den beiden städtischen Zentren Marib und Sirwah. Eine systematische Erforschung der Kultpraktiken, Rituale und Votive anhand archäologischer Funde und Befunde in Abhängigkeit zur architektonischen Gestalt
der Heiligtümer hat zum Ziel, typisch südarabische Phänomene zu benennen
und eine vergleichende Gegenüberstellung zu anderen antiken Kulturen vor
allem des vorderasiatischen und ägyptischen Raumes vorzunehmen. Wie und
in welchem Ausmaß die soziale Ordnung der sabäischen Gesellschaft mit ihren
sich wandelnden religiösen Vorstellungen die Gestaltung des sakralen Raumes
prägte, sind zentrale Fragestellungen des Projekts. Der Übergang vom Polytheismus zum Monotheismus im 4. Jh. n. Chr. und die Auswirkungen auf die
Sakralarchitektur und den Kult spielen dabei eine herausragende Rolle.
Die Forschungen zur sabäischen Sakralarchitektur wurden mit Ausgrabungen in Sirwah und einem Survey in der sabäischen Hauptstadt Marib fortgesetzt. Ähnlich wie in allen anderen südarabischen Karawanenstädten befinden
sich auch in Marib mehrere, teilweise inschriftlich bezeugte Heiligtümer im
Stadtgebiet. Als eines der berühmtesten gilt der epigraphisch mehrfach belegte
Almaqah-Tempel von Harunum. Möglicherweise handelt es sich bei dem monumentalen Achtpfeilertempel, der sich am Fuße des Stadthügels von Marib
befindet und zum Teil von einer halb zerfallenen und in das 11. Jh. datierenden
Moschee überlagert ist, um diesen Bau (Abb. 16). Sichtbar sind von dem sabäischen Tempel acht monolithische Eingangspfeiler und weitere kleine Pfeiler
einer Hofgalerie. Die Monumentalität sowie die Anzahl der Eingangspfeiler
weisen auf die außergewöhnliche Bedeutung dieses Heiligtums hin. Vorläufige Untersuchungen deuten darauf hin, dass dieser Tempel von Freiflächen
eingefasst war.
Im weiteren Stadtgebiet konnten oberirdisch anstehende Strukturen sakraler Bauten, die sich als Podien im Stadtgebiet abheben (Abb. 17), dokumentiert
AA-2008/1 Beiheft
Orient-Abteilung, Außenstelle Sana’a 285
Abb. 16 Marib Stadt, Blick auf die in das
11. Jh. datierende Moschee, in die auf der
rechten Seite die Pfeiler eines Tempels der
1. Hälfte des 1. Jts. v. Chr. verbaut sind
Abb. 17 Marib Stadt, Reste eines
Podiumtempels bei der südwestlichen
Toranlage der Stadt. Erhalten hat sich lediglich das Podium, welches einen Kern aus
Tuff- und Basaltblöcken besitzt
AA-2008/1 Beiheft
und Fundmaterial gesammelt werden. Dabei zeichnet sich eine Konzentration
von Tempelanlagen entlang dem postulierten Wegesystem, bei einem Stadttor
und an einer als möglicher Karawanenlagerplatz interpretierten Freifläche ab.
Ohne archäologische Ausgrabungen lassen sich zunächst keine Identifizierungen dieser Anlagen mit den in den Inschriften genannten Heiligtümern vornehmen.
Die Forschungen in Sirwah konzentrierten sich vornehmlich auf die dem
Almaqah-Tempel angeschlossenen Bauten. Ziel der Arbeiten war es, die Funktion und Gestalt aller zu dem Komplex des Heiligtums zählenden Gebäude zu
erfassen sowie zeitlich einzuordnen. Nach 14C-Datierungen wurde die Felskuppe des späteren Haupttempels bereits in der Bronzezeit (ab 1600 v. Chr.)
genutzt, ob als Heiligtum oder Siedlungsplatz muss vorerst offen bleiben. In
frühsabäischer Zeit, zu Beginn des 1. Jts. v. Chr., lässt sich ein Tempel mit ovoider Umfassungsmauer nachweisen, die im Grundriss derjenigen des späteren
Sakralbaus aus dem 7. Jh. v. Chr. entspricht.
286 Jahresbericht 2007 des DAI
Sirwah
Abb. 18 Blick auf das Almaqah-Heiligtum
mit verschiedenen, diesem Komplex
angegliederten Kultbauten im Vordergrund
Abb. 19 Blick über die beiden Inschriftensteine mit den Tatenberichten sabäischer
Herrscher in den Almaqah-Tempel aus der
Mitte des 7. Jhs. v. Chr.
Gleichfalls während der Formierung des sabäischen Reiches entstanden
weitere an das Hauptheiligtum angeschlossene Sakralbauten, die während der
langen Nutzung zu einem regelrechten Ensemble unterschiedlicher Kultplätze zusammenwuchsen (Abb. 18). Deren architektonische Gestaltung und Größe variiert erheblich und reicht von einem Podiumtempel bis zu einem kapellenartigen Gebäude sowie einer als Kultbau angesprochenen Struktur mittelsabäischer Zeit (1. Jh. v. Chr. – 3. Jh. n. Chr.). Diese Unterschiede spiegeln
sicherlich nicht nur einen sich wandelnden Zeitstil wider, sondern auch eine
differierende Funktionalität, die sich u. a. in der Verehrung verschiedener Gottheiten bzw. der Nutzung durch eine andere Kultgemeinschaft ausdrückt. Von
einem charakteristischen ›sabäischen‹ Tempeltypus, wie lange in der Forschung
postuliert, kann nach den neusten Untersuchungen nicht ausgegangen werden.
Offensichtlich grenzte sich das Heiligtum durch die räumliche Ausrichtung
klar vom Gebiet extra muros ab. Auch innerhalb des Stadtgebietes bildet der
Sakralkomplex einen separaten, sich allerdings nach allen Seiten öffnenden
Bereich (Abb. 19). Verbindendes Element von Umland, Stadt und Heiligtum
bildet der große Vorhof, der sowohl von außen als auch vom Stadtgebiet aus
betreten werden konnte. Sollte dieser Sakralbezirk bereits in der Bronzezeit als
Kultplatz genutzt worden sein, so spiegelt sich an diesem Ort eine 2000 Jahre
alte Kulttradition wider.
Kooperationspartner: Lehrstuhl für Semitische Philologie und Islamwissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Sprachen und
Kulturen des Vorderen Orients (N. Nebes); Geographisches Institut, Physische
Geographie der Eberhard-Karls-Universität Tübingen (P. Kühn, D. Pietsch,
Th. Scholten); Paläontologisches Institut der Friedrich-Alexander-Universität
AA-2008/1 Beiheft
Orient-Abteilung, Außenstelle Sana’a 287
Erlangen (R. Koch, Ch. Weiß); Department Geomatik, Labor für Instrumentenkunde der HafenCity Universität Hamburg (Th. Kersten, K. Mechelke);
General Organization for Antiquities and Museums (A. Bawazir) • Leitung
des Projekts: I. Gerlach • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: U. Brunner,
H. Hitgen, S. Japp, J. Kramer, P. Kühn, M. Manda, K. Mechelke, N. Nebes,
D. Pietsch, M. Schnelle, Ch.Weiß, J. Zech • Abbildungsnachweis: DAI, S. Japp
(Abb. 16); DAI MaS200700060, H. Hitgen (Abb. 17); DAI, S. Japp (Abb. 18);
DAI, J. Kramer (Abb. 19).
Sirwah, Almaqah-Tempel
Abb. 20 Restaurierungsmaßnahmen,
Wiederaufrichtung von Pfeilern im Bankettbereich des Tempelinneren
Abb. 21 Niederlegung von Pfeilern des
stadtseitigen Propylons mit Hilfe eines
Krans
20
21
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Sirwah, Heiligtum des Almaqah
Neben der wissenschaftlichen Erforschung der Oase und Stadtanlage von Sirwah sind Konsolidierungs- und Restaurierungsmaßnahmen an den wichtigsten Monumenten des Fundplatzes durchgeführt worden. Abhängig von ihrem
Erhaltungszustand mussten beschädigte Bauelemente instand gesetzt und zerstörte Architekturelemente partiell rekonstruiert werden. Ziel der Arbeiten ist
nicht nur der Erhalt des jemenitischen Kulturerbes, sondern auch die Erschließung der Ruine für den Tourismus. Zum Schutz wurde außerdem die gesamte
Anlage eingezäunt.
Außer der Anfertigung von Abgüssen bedrohter sowie teilweise schon abgeplatzter Inschriften im Kalksteinplattenboden bildete im Almaqah-Tempel
der Austausch von zerstörten und stark rückverwitterten Steinen im Bankettbereich, an der Außenschale der Tempelumfassungsmauer und im Fußboden
des Tempelinneren gleichfalls eine wichtige restauratorische Maßnahme. Spolien, die im Zuge des Abbaus der rezenten Bebauung freigelegt wurden und
dem Bauwerk nicht mehr zuzuordnen waren, dienten als Ersatzgesteine. Parallel dazu wurden Schadstellen mit Epoxidharz geklebt. Eine Festigung der Inschriften an den Treppen des Banketts erfolgte mit dispergiertem Weißkalkhydrat und Mörtel. Die Oberfläche des Kassettenmauerwerks der Tempelumfassung wurde vollständig mit dem traditionellen Mörtel Qadad abgedichtet, um
das Eindringen von Wasser zu verhindern und den Salztransport an die Maueraußenseite zu stoppen.
Die beiden großen Inschriftensteine der sabäischen Herrscher Karib’il
Watar und Yithar’ amar Watar bin Yakrubmalik wurden überdacht. Die provisorischen Dächer dienen in erster Linie dem Schutz vor Regenwasser, sollen
aber auch ein Erhitzen der Steine in der Sonne verhindern.
Um einen besseren Wasserabfluss aus dem Tempel zu ermöglichen, wurde
eine Drainage unter der Tempelumfassung hindurch ins Wadi verlegt. Darüber
hinaus verhindern mehrere Sickerschächte, dass sich über längere Zeit stehendes Wasser bilden kann.
Unter den Spolien des Heiligtums befinden sich zahlreiche Pfeilerbruchstücke, die teilweise aufgrund der Maße und Steinstruktur ihrem ursprünglichen
Standort zugeordnet werden konnten. So ließen sich einige Galeriepfeiler im
Eingangsbereich des Tempels mit Hilfe eines erhöhten Portalkranes wieder aufrichten (Abb. 20). An den großen Pfeilern der beiden Propyla wurden Ultraschallmessungen durchgeführt, um die Steine auf ihre Beschaffenheit und mögliche Fehlstellen zu prüfen.
Anhand der Untersuchungsergebnisse konnten die Pfeiler des ersten Propylon mittels eines Kranes in einem Holzstahlkorsett angehoben und zur Festigung auf einer ebenen Betonplattform abgelegt werden (Abb. 21). Hier wurden die Pfeiler mit Edelstahlstangen verdübelt und zusätzlich mit Epoxidharz
verklebt. Die Wiederaufrichtung ist für das kommende Frühjahr geplant.
Kooperationspartner: Paläontologisches Institut der Friedrich-AlexanderUniversität Erlangen (R. Koch, Ch. Weiß); Department Geomatik, Labor für
288 Jahresbericht 2007 des DAI
Instrumentenkunde der HafenCity Universität Hamburg (Th. Kersten, K. Mechelke); Dombauhütte Xanten (J. Schubert); General Organization for Antiquities and Museums (A. Bawazir) • Förderung: Jemenitischer Social Fund of
Development (SFD) • Leitung des Projekts: I. Gerlach • Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen: W. Brettschneider, W. Fischer-Ohl, P. Frömming, P. Hoffmann, M. Kinzel, J. Kramer, J. Malsch, A. Rentmeister, M. Schnelle, R. Sobott,
I. Wagner, Ch. Weiss • Abbildungsnachweis: DAI, Ch. Weiss (Abb. 20); DAI
Sir20072825, J. Kramer (Abb. 21).
Marib, Planung eines Provinzmuseums
Die Provinz Marib mit ihren zahlreichen antiken Fundplätzen, zu der u. a. die
Hauptstadt des sabäischen Reiches Marib, das Kultzentrum Sirwah und die
berühmten Bewässerungsbauwerke gehören, besitzt bis heute kein eigenes
Museum. Nicht nur um einen weiteren touristischen Anziehungspunkt in der
Region zu schaffen, sondern auch um einen adäquaten Standort für Tausende
von antiken Fundstücken sowie einen Forschungsstandort zu etablieren, hat
die jemenitische Regierung den Bau eines Provinzmuseums vorgesehen. Die
Planung, Ausstellungskonzeption und beratende Aufgaben werden vom DAI
durchgeführt.
Der Ausbau des neuen Magazingebäudes sowie der Bau eines Wächterhauses auf dem Museumsgelände wurden in diesem Jahr abgeschlossen. Ebenso
konnte die Sichtung und Auswahl der Fundobjekte bis auf die Funde der amerikanischen Grabung im Awam-Tempel von Marib, zu denen das Team keinen
Zutritt erhielt, beendet werden. Ein detailliertes Ausstellungskonzept geordnet
nach verschiedenen Themengruppen bildet die Grundlage für den Vorentwurf
eines Raumplans. Neben den archäologischen Schwerpunkten beinhaltet die
Konzeption auch einen Ausstellungsentwurf zur Geologie und Geographie
der Region Marib sowie zur islamischen Kunst des Jemen. Die Planung eines
ethnologischen Ausstellungsteils ist in Arbeit.
Für die museologischen Studien wurde eine Besucherumfrage im Nationalmuseum Sana’a durchgeführt. Alle Ergebnisse flossen in die »Terms of Reference« für den Architekturentwurf ein, der vom jemenitischen Social Fund
for Development öffentlich ausgeschrieben wird.
Kooperationspartner: Lehrstuhl für Semitische Philologie und Islamwissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Sprachen und
Kulturen des Vorderen Orients (N. Nebes); Geographisches Institut, Physische
Geographie der Eberhard-Karls-Universität Tübingen (P. Kühn, D. Pietsch,
Th. Scholten); Paläontologisches Institut der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen (R. Koch, Ch. Weiß); General Organization for Antiquities and
Museums (A. Bawazir); Staatliche Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz (Vorderasiatisches Museum, Museum für Islamische Kunst, Institut
für Museumsforschung) • Förderung: Jemenitischer Social Fund of Development (SFD); USAID • Leitung des Projekts: I. Gerlach • Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen: R. Arndt, M. Bruex, U. Brunner, R. Crassard, P. Frömming,
A. Al-Gaish, Ch. Gerbich, D. Heiden, S. Japp, S. Kamel, N. Nebes, A. Shamsan,
M. al-Qubati, W.-D. Thonhofer, M. Wachowski, Ch. Weiß.
Entwicklungs- und kulturpolitische Maßnahmen, Projekt zum Erhalt des
jemenitischen handschriftlichen Erbes
Im Rahmen des aus Mitteln des Kulturerhalt-Programmes des Auswärtigen
Amts finanzierten Projekts zur Digitalisierung und Konservierung islamischer
Manuskripte aus dem Jemen wurden weitere Manuskripteditionen vom Französischen ins Arabische übersetzt sowie zwei Bände der gemeinsam mit dem
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Orient-Abteilung, Außenstelle Sana’a 289
Centre Français d’Archéologie et de Sciences Sociales de Sana’a herausgegebenen Reihe »Die jemenitische Bibliothek« publiziert.
Kooperationspartner: Centre Français d’Archéologie et de Sciences Sociales de Sana’a (J. Lambert); Französische Botschaft Sana’a (A. Joly), Deutsche
Botschaft Sana’a (F. Werner); Centre Culturel et de Coopération Linguistique;
Ministerium für Kultur und Tourismus der Republik Jemen (A. Roweishan);
General Organization for Antiquities and Museums (A. Bawazir); Allgemeine
Organisation für Handschriften des Jemen; Ministerium für Religiöse Stiftungen des Jemen • Förderung: Kulturerhalt-Programm des Auswärtigen
Amts • Leitung des Projekts: I. Gerlach, J. Lambert • Mitarbeiter: M. Arbach, T. Klaric, E. Vallet
Wissenschaftliche Veranstaltungen
Vortrag
29. Oktober Iris Gerlach (Sana’a),The Kingdom of Saba: New Archaeological
Research in the Province of Marib
Öffentlichkeitsarbeit
Frau Gerlach gab mehrere Zeitungs- und Radiointerviews, z. B. für eine deutsche Journalistengruppe, und verfasste mehrere Pressemitteilungen. Sie führte
verschiedene Besucher, u. a. Mitarbeiter der Deutschen Botschaft Sana’a sowie
die Reisestipendiaten und Reisestipendiatinnen des DAI, durch die Ausgrabungen der Außenstelle in Marib und Sirwah.
Veröffentlichungen
Archäologische Berichte aus dem Yemen XI und XII, 2007
Hefte zur Kulturgeschichte des Jemen 4: Botschaft der Bundesrepublik
Deutschland, Sana’a – Deutsches Archäologisches Institut, Orient-Abteilung, Außenstelle Sana’a (Hrsg.), Neugier trieb mich um die Welt. Hans
Helfritz’ Reisen in den Jemen 1931–1935. Eine photographische und musikethnologische Spurensuche (Deutsch/Englisch)
Deutsches Archäologisches Institut Sana’a – Centre Français d’Archéologie
et de Sciences Sociales de Sana’a (Hrsg.), The Virtues of Qahtân and Yemen
from al-Hamdânî‘s Kitâb al-Iklîl/Mafâkhir Qahtân wa-l-Yaman min Kitâb
al-Iklîl li-l-Hamdânî, edited by Mounir Arbach and Muhammad Jazim,
Sana’a, Die jemenitische Bibliothek 2 (Sana’a 2007)
Deutsches Archäologisches Institut Sana’a – Centre Français d’Archéologie
et de Sciences Sociales de Sana’a (Hrsg.), The Book of the Revenues of the
Sultan al-Mu’ayyad Dâwûd (d. 1320)/Irtifâ’ al-dawla al-rasûliyya, edited by
Muhammad Jazim, Sana’a, King Fahd National Library, Die jemenitische
Bibliothek 3 (Sana’a 2007)
Sonstiges
Am 8. Februar wurde das neue Institutsgebäude der Außenstelle in der Altstadt von Sana’a mit einem Empfang offiziell eröffnet.
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Mitglieder der Kommission der KAAK
Die Direktoren der KAAK
Der Präsident
Grolig, Wilfried, MD
Auswärtiges Amt, Leiter der Kulturund Bildungsabteilung
Werderscher Markt 1
D-10117 Berlin
Bemmann, Jan, Prof. Dr.
Rheinische-Friedrich-WilhelmsUniversität, Institut für Vor- und
Frühgeschichtliche Archäologie
Regina-Pacis-Weg 7
D-53113 Bonn
Breunig, Peter, Prof. Dr.
Johann-Wolfgang-Goethe-Universität
Seminar für Vor- und Frühgeschichte,
Archäologie Afrikas
Postfach 11 19 32
D-60054 Frankfurt a. M.
Daim, Falko, Prof. Dr.
Generaldirektor, Römisch-Germanisches Zentralmuseum
Ernst-Ludwig-Platz 2
D-55116 Mainz
Fischer, Eberhard, Dr.
Generalsekretär, Schweizerisch-Liechtensteinische Stiftung für Archäologische Forschungen im Ausland
Museum Rietberg
Gablerstr. 15
CH-8002 Zürich
Grube, Nikolai, Prof. Dr.
Rheinische-Friedrich-WilhelmsUniversität, Institut für Altamerikanistik
und Ethnologie
Römerstr. 164
D-53117 Bonn
Höllmann, Thomas O., Prof. Dr.
Ludwig-Maximilians-Universität
Institut für Sinologie
Kaulbachstr. 51 A
D-80539 München
Kaulicke, Peter, Dr.
Pontifícia Universidad Católica del
Peru, Departamento de Humanidades
Apartado 1761
PE-100 Lima
Mielsch, Harald, Prof. Dr.
Rheinische-Friedrich-WilhelmsUniversität, Archäologisches Institut
Am Hofgarten 21
D-53113 Bonn
Reisch, Ludwig, Prof. Dr.
Friedrich-Alexander-Universität
Erlangen-Nürnberg, Institut für Urund Frühgeschichte
Kochstr. 4 (18)
D-91054 Erlangen
Sack, Dorothée, Prof. Dr.-Ing.
Technische Universität, Fakultät VII –
Architektur. Umwelt. Gesellschaft,
Fachgebiet Historische Bauforschung
Straße des 17. Juni 152
D-10623 Berlin
Schier, Wolfram, Prof. Dr. Dr. h. c.
Freie Universität Berlin
Institut für Prähistorische Archäologie
(Ur- und Frühgeschichte)
Altensteinstr. 15
D-14195 Berlin
Stöllner, Thomas Robert, Prof. Dr.
Deutsches Bergbau-Museum
Fachbereich Montanarchäologie
Herner Str. 45
D-44787 Bochum
Wagner, Günther, Prof. Dr.
Ruprecht-Karls-Universität
Geographisches Institut
Im Neuenheimer Feld 348
D-69120 Heidelberg
Müller-Karpe, Hermann, Prof. Dr.
Erster Direktor i. R.
Am Limperichsberg 30
D-53639 Königswinter (ohne Votum)
Kommission für Archäologie
Außereuropäischer Kulturen
Kommission für Archäologie
Außereuropäischer Kulturen
Direktoren
Dr. Burkhard Vogt, Erster Direktor
Dr. Josef Eiwanger, Wissenschaftlicher Direktor
Dürenstr. 35–37
D-53173 Bonn
Tel.: +49-(0)22899 7712-0
Fax: +49-(0)22899 7712-49
E-Mail: [email protected]
Wissenschaftliche Mitarbeiter
Prof. Dr. Hans-Georg Hüttel, Dr. Heiko Prümers, Dr. Markus Reindel,
Dr. Andreas Reinecke, Dr. Hans Joachim Weisshaar
Fortbildungsstipendiaten
Dr. Renate Heckendorf-Salih, Dr. Jörg Holzkämper, Dr. Sonja Magnavita
Wissenschaftliche Hilfskräfte
Carolina Hohmann M. A., Denise Kupferschmidt M. A.
Aus Drittmitteln finanzierte Stellen
Christina Franken M. A. (DFG), Niels Hecht M. A. (BMBF), Uta Karrer (BMBF,
ab 1. 3.), Dr. Karsten Lambers (BMBF), Susanne Schlegel M. A. (BMBF)
Forschungsstelle der KAAK
Forschungsstelle Ulaanbaatar,
Mongolei
Dürenstr. 35–37
D-53173 Bonn
Tel.: +49-(0)22899 7712-0
Fax: +49-(0)22899 7712-49
E-Mail: [email protected]
Ansprechpartner: Prof. Dr. Hans-Georg Hüttel
Postadresse und Kontaktdaten über die Kommission für Archäologie Außereuropäischer
Kulturen in Bonn wie nebenstehend
Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen 293
Ausgrabungen und Forschungen
Osterinsel (Isla de Pascua/Rapa Nui), Chile
Mit ihrem diesjährigen Forschungsaufenthalt auf der zu Chile gehörenden
Osterinsel war die Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen
erstmals im pazifisch-polynesischen Raum tätig.
Die Osterinsel, etwa 3800 km westlich der südamerikanischen Küste im
Südpazifik gelegen, gilt als der geographisch isolierteste Siedlungsplatz weltweit. Er wurde wahrscheinlich um 1000 n. Chr. von Bevölkerungsgruppen
aus dem Westen Polynesiens besiedelt. Der Kontakt zu ihrem Ursprungsgebiet
1
2
Rapa Nui (Osterinsel)
Abb. 1 Der Zeremonialkomplex von Tahai
mit dem rekonstruierten Ahu Ko Te Riku
Abb. 2 Der Ahu Hanga Te’e mit umgestürzten Moai
AA-2008/1 Beiheft
hörte im 15. Jh. gänzlich auf, so dass erst mit der Ankunft europäischer Seeleute 1722 die Isolation durchbrochen wurde. Während der gut 700jährigen
vormodernen Besiedlung entwickelte die Inselbevölkerung als auffälligste
Ausdrucksform eine dem Ahnenkult dienende Plattformarchitektur (Ahu), die
Grabkammern und Krematorien einschließt und die häufig durch anthropomorphe Monumentalplastiken (Moai) ergänzt wird (Abb. 1). Über 800 derartige Figuren sind bekannt, viele von ihnen stehen im Steinbruch am Vulkan
Rano Raraku bzw. liegen umgestürzt in der Nähe ihrer ursprünglichen Aufstellungsorte (Abb. 2). Die meist aus weichem Tuff hergestellten Moai sind
294 Jahresbericht 2007 des DAI
Abb. 3 Rapa Nui (Osterinsel), geophysikalische Prospektionen am Ahu Akivi
stark von Erosion und anderen Schäden bedroht, die durch Weidevieh sowie
Menschen verursacht werden. Ein wesentliches Anliegen des Projekts ist deshalb, sich neben der Ausgrabung von Siedlungen, Staudämmen, Höhlen etc.
auch an der Dokumentation des obertägigen Denkmalbestandes zu beteiligen.
Die dafür exemplarisch ausgewählten Monumente waren der Moai von Vaihu
und die Ahu von Akivi, Ko Te Riku und Hanga Te’e. Die jeweiligen Standor te
repräsentieren unterschiedliche Umwelt- und Erhaltungsbedingungen in Küstennähe und im Inselinneren.
Die Zielsetzung war zunächst, den Einsatz hochauflösender, berührungsfreier Dokumentationstechniken auf seine technische Machbarkeit zu testen
und durch langfristig angelegte Wiederholungsmessungen für die Statuen erste
Daten zur Ermittlung eines durchschnittlichen jährlichen Erosionskoeffizienten zu gewinnen. Das von der HafenCity Universität Hamburg durchgeführte
terrestrische 3D-Laserscanning wurde ergänzt durch eine photogrammetrische
Dokumentation zwecks Texturierung der gescannten Oberflächen und durch
GPS-Messungen zur Integration von Scan- und geophysikalischen Daten in
das lokale Messkoordinatensystem.
Bislang war nur in Ausnahmefällen das Vorfeld der Ahu Gegenstand archäologischer Untersuchungen gewesen. Zur Feststellung nicht sichtbarer unterirdischer Strukturen sollten deswegen hier geophysikalische Prospektionsmethoden (Caesium-Magnetometeruntersuchungen/Geoelektrik) auf ihre Anwendbarkeit geprüft werden. Obwohl die Insel Rapa Nui rein vulkanischen
Ursprungs und deshalb der Magnetitanteil sehr hoch ist, waren gerade die Magnetometermessungen sehr erfolgreich. Als Beispiel mag hier Ahu Akivi dienen (Abb. 3): In seinem Graustufen-Magnetogramm zeigen sich mehrere parallele, rechtwinklig von der Plattform fortführende Anomalien, die unschwer
als Testgrabungen aus dem Jahr 1960 identifizierbar sind. Teilweise von diesen
Suchschnitten gequert wird eine zuvor unbekannte, konzentrisch-halbkreisförmige Struktur von fast 50 m Durchmesser. Hatten sich diese in den Grabungsprofilen noch als Gruben dargestellt, so können wir sie nun als mehrfache
ringförmige Gräben interpretieren, die wegen ihrer Regelmäßigkeit als künstlich anzusehen sind. Sie liegen mittig vor der Figurengruppe der Plattform
und stehen wahrscheinlich in einem funktionalen Kontext mit ihr oder einem
Vorgängerbau.
AA-2008/1 Beiheft
Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen 295
Kooperationspartner: Consejo de Monumentos Nacionales (Santiago de
Chile); Verwaltung des Nationalparks Rapa Nui; Restaurierungsfirma Maar
Denkmalpflege GmbH • Leitung des Projekts: B. Vogt, J. Moser • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: Th. Kersten, M. Lindstaedt (Geomatik, HafenCity
Universität Hamburg), J. Fassbinder (Geophysik, Bayrisches Landesamt für
Denkmalpflege München), R. Gallegos, P. Tepano (Verwaltung des Nationalparks Rapa Nui) • Abbildungsnachweis: B. Vogt (Abb. 1–3).
Bajo Río Grande (Peru)
Die diesjährige Feldkampagne des Proyecto Arqueológico Bajo Río Grande
galt der Fortsetzung der Oberflächenbegehungen sowie der Aufnahme erster
Reinigungsarbeiten und Sondagen an zwei ausgewählten Fundstätten.
Die Oberflächenbegehungen, bei denen etwa 140 neue Fundplätze erfasst
wurden, konzentrierten sich auf den Talboden nördlich des Dorfes Coyungo
und die höheren Geländestufen (bis zu 600 m ü. NN) östlich von Las Salinas
und Las Brujas (Abb. 4). Hier fällt vor allem die große Zahl jener Fundplätze
auf, die bisweilen in beträchtlicher Entfernung zum Río Grande liegen. Neben
Abb. 4 Bajo Río Grande (Peru), geometrische Geoglyphe auf den Hochflächen
östlich des Río Grande
zahlreichen Siedlungen, Friedhöfen und Geoglyphen der keramischen Perioden sind gleichermaßen Wasserwirtschaftsbauten, akeramische Schlagplätze und
mehrere im Tagebau ausgebeutete Quarzitvorkommen belegt. Erstmals liegen
damit auch in größerer Zahl Fundorte vor, die in die Initialzeit oder das Archaikum (vor 1800 v. Chr.) datieren. Das Gros der Keramik führenden Fundorte ist
der Übergangsphase von der Paracas- zur Nasca-Zeit zuzuschreiben, als das Einzugsgebiet am Unterlauf des Río Grande eine besonders wichtige Siedlungskammer bildete. Die Nasca-Zeit ihrerseits ist mit mehreren Fundplätzen bzw.
Nachbesiedlungen älterer Fundplätze vertreten. Einen letzten Siedlungshöhepunkt hat es dann während der Späten Zwischenperiode (1000–1400 n. Chr.)
gegeben.
Frühparacaszeitliche Oberflächenkeramik (800–550 v. Chr.), die bisher früheste im Arbeitsgebiet, gab den Anstoß für die Reinigung von vier stark geplünderten Gräbern in dem Friedhof BRiG 3117 (Abb. 5). Das größte und am
besten erhaltene, ca. 1,70 m tiefe Grab 1 besitzt einen quadratischen Grundriss
(3,40 m × 3,30 m Innenmaße) mit einem kurzen, dreifach gestuften EingangsAA-2008/1 Beiheft
296 Jahresbericht 2007 des DAI
schacht an der Nordseite (Abb. 6). In den Ecken und jeweils mittig stehen noch
die Stümpfe von dicken hölzernen Stützen, die einst die Holzdecke trugen. Die
Schachtwände sind mit konischen Lehmziegeln und Lehmziegelbruch verkleidet. Auf dem Lehmboden lagen die verstreuten Skelettreste von mindestens
4–5 Individuen. Der Aushub enthielt als wichtigste Funde 250 Textilfragmente
bisweilen mit Resten von Bemalung.Trotz der starken Plünderungen ergaben
die Gräber insgesamt repräsentative Inventare, dazu gehörten u. a. Keramik, einige Perlen, Korbflechtarbeiten, Fragmente von pyrogravierten Kürbisgefäßen
und druckretuschierte Obsidian-Pfeilspitzen. Der zuvor gemachte Datierungsvorschlag in die beginnende Paracas-Zeit konnte bestätigt werden.
Am südlichen Ausgang des Coyungo-Tales – an einem ehemaligen Prallufer des Río Grande und verdeckt durch eine etwa 9 m hohe Sanddüne – liegt
Abb. 5 Bajo Río Grande (Peru), der
Friedhof BRiG 3117 während der Reinigungsarbeiten
Abb. 6 Bajo Río Grande (Peru), Grab 1 im
Friedhof BRiG 3117 nach Beendigung der
Reinigungsarbeiten
AA-2008/1 Beiheft
Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen 297
7
Bajo Río Grande (Peru), Abri BRiG 3131
Abb. 7 Der Abri mit vorgelagerter
Sanddüne sowie regalartigem Rücksprung
an der Rückwand vor Aufnahme der
Grabungen
Abb. 8 Der Abri mit Suchschnitt zu Beginn
der Arbeiten
8
der Abri BRiG 3131, der einzige seiner Art in dem Untersuchungsgebiet (Abb.
7. 8). An der Rückwand des gut 10 m vorkragenden Felsüberhanges lagen auf
einem regalartigen Rücksprung von 30–40 cm Tiefe gut 150 faustgroße Flusskiesel, die Zeichen einer vorbereitenden Steingeräteherstellung zeigen. In die
Rückwand und Decke ist zudem eine Handvoll von anthropomorphen Petroglyphen geritzt, deren Stil in die Paracas-Zeit weist.
In einem Suchschnitt von bisher 2 m Tiefe zeigten die Profile eine Folge von
horizontalen Schichten eingewehten Sandes und Kulturschichten, deren Stratigraphie durch mehrere Feuerstellen, Schlagplätze sowie Fundkonzentrationen sichtbar wird. Die Funde umfassen einige Tonscherben, vereinzelte Tierknochen, eine Großzahl von Muscheln, Textilreste und Ähnliches mehr. Den
Hauptteil machen Steinartefakte aus. Sie entsprechen den auf dem Regal deponierten Artefakten. Bislang deutet das Fundgut auf eine kontinuierliche Nutzung des Abris als Werkstatt mit allen Stadien der Lithikproduktion während
der Paracas-Zeit hin. Damit liegt erstmals eine größere Sammlung von Steingeräten der keramischen Perioden Südperus vor, die über die leicht zu identifizierenden Obsidiangerätschaften hinausgeht. Unklar ist noch, ob im Abri die
Kulturschichten bis auf das Niveau der davorliegenden Talebene hinabreichen
und gar in die Initialzeit oder das Archaikum zurückreichen. Bereits jetzt aber
ist anzunehmen, dass die Füllung dieses Abris, sei sie nun durch anthropogene
und/oder geogene Einwirkung entstanden, ein für die südperuanische Küstenregion bisher einmaliges Geoarchiv beherbergt.
Kooperationspartner: Instituto Nacional de Cultura (Lima); Pontifícia
Universidad Católica del Peru (Lima) • Leitung des Projekts: B. Vogt, P. Kaulicke • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: G. Ferrando (Lima), Chr. HartlReiter, O. Loyola Azáldegui (Lima), J. Moser, N. Schlüter • Abbildungsnachweis: B. Vogt (Abb. 4–8).
Andentranssekt 1 (Peru)
Die Anden Perus sind ein tropisches Hochgebirge. Von der Pazifikküste bis zu
den höchsten Gipfeln auf nahezu 7000 m Höhe finden sich klar ausgeprägte
Höhenstufen mit jeweils spezifischen ökologischen Merkmalen, an die sich die
AA-2008/1 Beiheft
298 Jahresbericht 2007 des DAI
Menschen mit jeweils besonderen Lebensformen und Wirtschaftsweisen angepasst haben. Im Rahmen des Forschungsclusters 1 »Von der Sesshaftigkeit zur
komplexen Gesellschaft: Siedlung, Wirtschaft, Umwelt« des DAI erforscht das
Projekt »Andentranssekt Peru – Siedlungsdynamik zwischen Meeresküste und
Altiplano«, welche Strategien menschliche Gemeinschaften zur Nutzung dieser
ökologischen Lebensräume entwickelten, wie sie die Vielfalt der Ressourcen
unterschiedlicher Gebiete durch den Austausch von Gütern, aber auch durch
Migration nutzten und welchen Einfluss die Veränderungen von Umweltbedingungen auf kulturelle Umbrüche im Verlauf der Siedlungsgeschichte in den
Anden hatten. Als Untersuchungsregion wurde das Einzugsgebiet der nördlichen Zuflüsse des Río Grande, in Südperu, definiert. Diese Flüsse durchqueren
auf ihrem Weg vom Quellgebiet an der Westseite der peruanischen Anden bis
zur Mündung in den Pazifischen Ozean eine Vielzahl von Landschaften, von
den eisigen Hochgebirgssteppen bis zu der heißen Atacama-Wüste.
Die Feldforschungen konzentrierten sich in diesem Jahr auf die bisher archäologisch unerforschten Quellgebiete der Flüsse Río Viscas und Río Palpa
in den Gebirgsregionen zwischen 2000 und 4500 m Höhe (Abb. 9). Mit Hilfe
von hochauflösenden Satellitenbildern und aufwendigen Geländeprospektionen konnten inzwischen 81 archäologische Siedlungsplätze entdeckt werden.
Das Fundortinventar ist zwar noch nicht vollständig, erlaubt aber bereits erste
Aussagen über die Siedlungsstruktur dieser Hochlandregion in der vorspanischen Zeit. Bislang konnten Siedlungen aus der Formativzeit (Paracas-Kultur,
800–200 v. Chr.), der Frühen Zwischenperiode (Nasca-Kultur, 200 v. Chr. –
600 n. Chr.), dem Mittleren Horizont (Huari-Kultur, 600–1000 n. Chr.) und
der Späten Zwischenperiode (1000–1500 n. Chr.) nachgewiesen werden. Auffällig ist die deutliche Verteilung besonderer Siedlungstypen auf unterschiedliche Höhenstufen und charakteristische topographische Lagen. In Höhen über
3300 m bis zum Rand der Puna des zentralen Hochlandes von Peru befinden
sich unzählige ausgedehnte Einfriedungen mit angrenzenden Gebäudeeinheiten, die einmal als Weide-,Wirtschafts- und Siedlungsplätze von Kamelidenhirten (Lamas, Alpacas) dienten. Die darunterliegende Höhenstufe bis 2800 m ist
geprägt von ausgedehnten Hängen, die in relativ ebenen Schulterbereichen aus-
Abb. 9 Andentranssekt 1 (Peru), das
Untersuchungsgebiet in der Gebirgsregion
des Projekts »Andentranssekt Peru – Siedlungsdynamik zwischen Meeresküste und
Altiplano« zwischen 2000 und 4500 m
Höhe. In der archäologisch unerforschten
Region wurden bisher 81 Fundplätze aus
Siedlungsepochen zwischen dem Formativum (um 800 v. Chr.) bis zur Späten
Zwischenperiode (15. Jh. n. Chr.) registriert,
die ein erstes Bild von der Siedlungsgeschichte zeichnen lassen
AA-2008/1 Beiheft
Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen 299
Abb. 10 Andentranssekt 1 (Peru), hochauflösende Satellitenaufnahme (Quickbird) von der paracaszeitlichen Siedlung
Cutamalla (600–200 v. Chr., Höhe 3300 m
ü. M). Die obertägig sichtbaren Mauerreste
von Steingebäuden und Ackerbauterrassen
sind gelb markiert. In der oberen Bildhälfte
sind sog. Blumenstrukturen zu erkennen:
Um einen kreisförmigen, vertieften Platz
sind D-förmige Mauereinschlüsse angeordnet. Der 26 m lange Testschnitt durch eine
der ›Blumenstrukturen‹ ist rot markiert. In
der unteren rechten Bildhälfte sind Teile
einer zweiten Gebäudegruppe zu sehen
laufen, bevor sie wieder mit einem starken Knick zu den tief eingeschnittenen
Tälern der Flüsse abfallen. Auf den Berghängen finden sich Ackerbauterrassen
mit kleinen Siedlungseinheiten, in den Schulterbereichen komplexe Siedlungsgefüge, die zumeist in ausgedehnte Terrassenanlagen eingebettet sind (Abb. 10).
Im Gegensatz zu der Viehzucht der hohen Lagen stand hier also die Landwirtschaft im Mittelpunkt der Aktivitäten. Besonders ausgeprägte Siedlungen der
Formativzeit, insbesondere die sog. Blumensiedlungen (s. u.), liegen häufig auf
Spornlagen mit sehr guter Rundumsicht, während sich Siedlungen der Frühen
Zwischenperiode bevorzugt auf Bergkuppen dieser Höhenstufe befinden, wo
von den dicht agglutinierten Rundbauten aus Stein eine ebenso gute Sicht in
die umliegenden Täler möglich war. Auffällig sind weiterhin dichte Siedlungskomplexe in strategischer Lage und mit Wall- und Grabenanlagen in einer fest
umgrenzten Region, die auf einen erheblichen Bevölkerungsdruck und Konflikte in bestimmten Zeiten hindeuten. Dies ist erstaunlich, ist das Gebiet doch
heute sehr dünn besiedelt und aufgrund der großen Trockenheit nur begrenzt
landwirtschaftlich nutzbar. Andere Umweltbedingungen in der Vergangenheit
müssen wohl die Grundlage für ein wesentlich größeres wirtschaftliches PotenAA-2008/1 Beiheft
300 Jahresbericht 2007 des DAI
Abb. 11 Andentranssekt 1 (Peru), in
einem Testschnitt wurden die wichtigsten
Gebäudekomponenten einer der sog.
Blumenstrukturen von Cutamalla freigelegt:
Im Hintergrund ist der vertiefte runde Platz
zu sehen, der von einer Terrasse umgeben
ist. Im Inneren einer der D-förmigen
Einfriedungen sowie im Boden des runden
Platzes befanden sich aus Stein gemauerte
Speicher. Die ›Blumenstrukturen‹ dienten
wahrscheinlich landwirtschaftlichen Aktivitäten im Zusammenhang mit den umliegenden Ackerbauterrassen
tial der Region gewesen sein. Auch die Tatsache, dass ein Großteil der Siedlungen der Späten Zwischenperiode in Höhen unterhalb von 2800 m liegt, deutet
darauf hin, dass die jeweiligen Umweltverhältnisse einen entscheidenden Einfluss auf das Siedlungsverhalten hatten.
Eine besondere Siedlungsform sind die ›Blumensiedlungen‹ in ca. 3200 m
Höhe, ihr architektonisches Gestaltungselement sind vertiefte runde Plätze von
ca. 20 m Durchmesser mit umlaufender Terrasse und umgebenden D-förmigen
Gebäudeeinheiten (Abb. 10. 11). Mehrere solcher Einheiten bilden Bestandteile eines ausgedehnten Siedlungssystemes. Erste Testgrabungen in einer dieser
Rundstrukturen ergaben, dass es sich um Anlagen aus der mittleren bis späten
Paracas-Zeit (600–200 v. Chr.) handelt, die wohl als Speicheranlagen für die Erträge aus den umliegenden Anbauterrassen dienten (Abb. 12). Die eigentlichen
Wohnsiedlungen befanden sich in separaten Siedlungsbereichen.
In den nächsten Feldkampagnen sollen die Siedlungsprospektion im Bereich
des Andentranssektes vervollständigt und weitere, insbesondere frühe Fundplätze im Hochland ergraben werden. In einem interdisziplinären Projektverbund mit Förderung vom Bundesministerium für Bildung und Forschung
sollen die komplexen Wechselwirkungen zwischen der Natur- und Kulturentwicklung in den unterschiedlichen Lebenszonen im Untersuchungsgebiet im
Detail erforscht werden.
Kooperationspartner: Instituto Andino de Estudios Arqueológicos (Lima);
Geographisches Institut der Universität Heidelberg; Institut für Historische
Anthropologie und Humanökologie der Universität Göttingen; Deutsches
Bergbau-Museum Bochum; Forschungsstelle Radiometrie der Heidelberger
Akademie der Wissenschaften • Leitung des Projekts: M. Reindel • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: C. Hohmann, J. Isla, D. Kupferschmidt,Y. Llimpe,
S. Schlegel • Abbildungsnachweis: C. Hohmann,V. Soßna (Abb. 9); QuickbirdSatellitenaufnahme, ergänzt mit Vermessungsdaten DAI (Abb. 10); J. Isla (Abb.
11); C. Hohmann (Abb. 12).
Abb. 12 Andentranssekt 1 (Peru), Gruppe
von Obsidianspitzen, die in der ansonsten
nahezu fundleeren Füllung einer der
Speichergruben von Cutamalla niedergelegt worden waren. Obsidian kommt nur
in Lagerstätten im Hochland der Anden
vor und wurde von dort als Rohstoff, als
Halbfertigprodukt oder als Fertigprodukt in
die Küstenregion verhandelt
Llanos de Moxos (Bolivien)
In diesem Frühjahr fiel die Regenzeit im nördlichen Tiefland Boliviens besonders kräftig aus. Der Mamoré, die zentrale Wasserader der Region, trat so stark
über die Ufer, dass nach Westen hin ein rund 30 km breiter Landstreifen unter
AA-2008/1 Beiheft
Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen 301
13 a
Abb. 13 a. b Llanos de Moxos (Bolivien),
Puerto Almacén; a: während der Überschwemmungen am Ende der Regenzeit
(März 2007); b: während der Trockenzeit
(September 2007)
Abb. 14 Llanos de Moxos (Bolivien), Loma
Salvatierra. Unterkiefer mit Wurzelentzündung und verödetem Backenzahn (M. 1 : 2)
AA-2008/1 Beiheft
13 b
Wasser stand und im Osten Trinidad – die Hauptstadt des Departement Beni –
Gefahr lief, geflutet zu werden. Am Ende lag die Krone des Dammes, der Trinidad vor den alljährlichen Hochwassern schützt, aber doch um wenige Zentimeter über dem höchsten Pegel. Die im Umland liegenden, kleineren Dörfer
hingegen waren ungeschützt.Viele von ihnen verschwanden bis zu den Dachgipfeln im Wasser (Abb. 13). Andere Orte, die auf natürlichen Anhöhen oder
vorspanischen Siedlungshügeln erbaut waren, fanden sich von der Versorgung
mit Lebensmitteln abgeschnitten.
Die Frühjahrskampagne fiel mit dem Ende der extrem kräftigen Regenzeit
zusammen. Deren Auswirkungen vor Ort zu erleben, war für ein Verständnis
des vorspanischen Siedlungsmusters sehr aufschlussreich. So zeigte sich beispielsweise, dass selbst in einem regenreichen Jahr die Region, in der sich die
größten und höchsten Siedlungshügel finden, nicht von den Überschwemmungen betroffen war. Dieses steht in Widerspruch zu der in der Literatur vorherrschenden Idee, wonach die Siedlungshügel Aufschüttungen darstellen, die dazu
dienten, im Trockenen zu wohnen. Die heute zu Hügeln verwaschenen Plattform- und Pyramidenbauten wurden also bevorzugt dort errichtet und über
lange Zeit genutzt, wo dauerhaftes Siedeln möglich war. Gebiete, die alljährlichen Überschwemmungen ausgesetzt waren, zählten nicht dazu.
Überraschende Ergebnisse erbrachte auch die anthropologische Untersuchung der Skelettreste aus den Grabungen in der Loma Salvatierra. Das zu über
120 Individuen gehörende Material ist bisher einzigartig für das gesamte Amazonastiefland, aus dem wegen der zumeist sehr schlechten Erhaltungsbedingungen für organisches Material kaum anthropologisch bearbeitbare Funde vorliegen. Auffällig war die hohe Anzahl von Pathologien. So weist z. B. ein Großteil der Individuen schwerwiegende kariöse Defekte auf (Abb. 14) und gut ein
Viertel der Toten zeigt Spuren einer Treponema-Infektion (Syphilis).
Im Sommer wurde die Materialbearbeitung mit Schwerpunkten auf den
Knochenwerkzeugen und der Keramik fortgesetzt. Parallel dazu vorgenommene Prospektionen führten uns in weiter entfernte Regionen der Llanos de
Moxos, für die zuvor alle verfügbaren Satelliten- und Luftbilder ausgewertet
worden waren. Hierbei hatte sich bereits gezeigt, dass jene Regionen andere
Siedlungsmuster aufweisen als unsere bisherige Untersuchungsregion östlich
von Trinidad.
So sind die Siedlungsplätze westlich des Flusses Mamoré, rund um den Ort
San Ignacio de Moxos, deutlich kleiner und waren in keinem Fall auf den Satelliten- und Luftbildphotos auszumachen. Lediglich die zumeist in der Nähe
liegenden Hügelbeetanlagen boten einen Hinweis darauf, dass sich dort ein
Siedlungsplatz befinden musste. Insgesamt konnten in einem ca. 6000 km2 großen Gebiet 25 neue Siedlungsplätze erfasst werden. Oberflächenfunde waren
302 Jahresbericht 2007 des DAI
meist nur sehr spärlich vorhanden und bestanden durchweg aus sehr klein zerscherbter Keramik. Die dekorierten Stücke gehörten durchweg einem neuen
Typus mit sehr feinen, inzisierten Dekors an (Abb. 15). Über die Zeitstellung
der Siedlungsplätze ist bislang nichts bekannt.
In der nördlichen Region von Santa Ana de Yacuma sind Hügelbeetanlagen
besonders häufig und mangels Baumbewuchses auch gut auf Satellitenbildern
zu erkennen. Deshalb wurden Quickbird-Aufnahmen einer etwa 400 km2 großen Fläche in jener Region systematisch auf Anzeichen vorspanischer Siedlungsplätze und Hügelbeetanlagen ausgewertet. Es zeigte sich, dass die Hügelbeete über 6 % der untersuchten Fläche bedecken (etwa 2600 ha) und durchweg auf leicht erhöhtem Gelände lokalisiert sind. Die gleichfalls leicht erhöhten
amorphen Flächen zwischen den Feldern stellen sehr wahrscheinlich Siedlungsplätze dar. Die Region ist praktisch unerschlossen und die wenigen Wege waren
infolge der starken Regenfälle in einem äußerst schlechten Zustand. Deswegen
wurde nur eine Fahrt in jene Region unternommen. Diese führte zur Entdeckung eines rund 20 m hohen Felssporns inmitten des alluvialen Schwemmlandes. Auf diesem Felssporn konnten Mauerreste ausgemacht werden, deren
Zeitstellung jedoch noch offen ist.
Abb. 15 Llanos de Moxos (Bolivien),
Estancia Abularach, San Ignacio de
Moxos. Oberflächenfunde einer mit
feinen inzisierten geometrischen Mustern
verzierten Keramik (M. 1 : 1)
Abb. 16 Llanos de Moxos (Bolivien), Loma
Alta de Casarabe. Plan der vorspanischen
Anlage. Die etwa 12 m hohe Pyramide mit
L-förmigem Anbau nimmt die südliche
Hälfte der rechteckigen Terrasse ein, die das
Zentrum des Fundortes beherrscht
AA-2008/1 Beiheft
Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen 303
Als Abschluss der Arbeiten in der Region von Trinidad wurde ein topographischer Plan der Loma Alta de Casarabe erstellt (Abb. 16). In den 1970er Jahren waren in jenem Plattformbau, Grabungen von einem argentinisch-bolivianischen Team durchgeführt worden, ohne dass damals ein genauer Fundortplan angelegt worden wäre. Die Loma Alta de Casarabe und die von der Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen untersuchte Loma Salvatierra sind nur rund 3 km voneinander entfernt. Nachdem nun beide Anlagen
kartiert sind, können erstmals Vergleiche hinsichtlich Aufbau, Raumnutzung,
Orientierung etc. angestellt werden.
Kooperationspartner: Dirección Nacional de Arqueología (La Paz) • Leitung des Projekts: H. Prümers • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: M. Bruno,
A. Hirdes, C. Jaimes Betancourt, U. Lombardo, E. Machicado, M. Menninger
(Physische Anthropologie, Universität Tübingen), R. Torrico • Abbildungsnachweis: H. Prümers (Abb. 13–16).
Forschungen im Umland von Mogador (Marokko)
In diesem Jahr fand die zweite Feldkampagne des im Zusammenwirken der
Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen, der Abteilung Madrid sowie des Institut National des Scienes de l’Archéologie et du Patrimoine
konzipierten Projekts zur phönizischen Besiedlung der Insel Mogador und zur
einheimischen Besiedlung des Umlandes von Essaouira statt. Die Verlegung der
Arbeiten aus dem Frühjahr in die Herbstmonate hat infrastrukturelle, vor allem
jedoch klimatische Gründe. Im Flachwasser der Bucht von Essaouira herrscht
von Frühjahr bis Herbst eine außerordentlich starke Brandung, die das Übersetzen zur Insel sehr erschwert.
Auf der Insel fanden nun erste Ausgrabungen seitens der Abteilung Madrid
des DAI (s. auch hier S. 206–208) statt, nachdem im letzten Jahr geophysikalische Messungen durchgeführt wurden. Der Anteil der KAAK an dem gemeinsamen Projekt erstreckt sich in erster Linie auf das Umland von Essaouira. Im
Vorfeld der Kampagne wurde das Surveygebiet auf den Küstenraum von Jebel
Hadid im Norden (Abb. 17) bis zum Mündungsbereich des Oued Tidzi im Süden definiert. Ins Landesinnere erstreckt sich die Konzession bis in den Raum
Ounara/Tlata Hanchene. Ihre Fläche beträgt etwa 1800–2000 km2.
Bei der Größe dieses Gebietes werden intensive Begehungen vor allem im
unmittelbaren Umfeld der Mogador gegenüberliegenden Küste durchgeführt.
An erster Stelle betrifft dieses den etwas südlich der Insel mündenden Oued
Abb. 17 Umland von Mogador (Marokko),
Salzquelle mit rezenten Salinen am Fuß des
Jebel Hadid
AA-2008/1 Beiheft
304 Jahresbericht 2007 des DAI
Abb. 18 Umland von Mogador (Marokko),
Prallhang des Oued Tidzi. Prospektion
metallzeitlicher Siedlungshorizonte
Ksob und den daran anschließenden Bereich um Dyabat. Unmittelbar östlich
und nördlich von Essaouira befinden sich große, erst im frühen 20. Jh. durch
Bepflanzung fixierte Dünenfelder, die nun, da der äolische Einfluss abnimmt,
zunehmend verflachen und die alten Dünentäler zusedimentieren.
Südlich von Essaouira, zwischen dem Fischerdorf Dyabat und Cap Sim,
sind immense Bauarbeiten im Gange. Unter anderem entsteht ein großflächiger Touristenkomplex mit mehreren Hotels und Golfplätzen. Auf Cap Sim ist
innerhalb eines Jahres ein Windpark mit 60 Megawatt Leistung und mehreren
Dutzend Windkraftanlagen sowie zugehöriger Infrastruktur errichtet worden.
Hier wie in der südlich anschließenden Bucht von Sidi Kaouki mit der rapiden
Entwicklung touristischer Bebauung ist archäologische Forschung inzwischen
fast unmöglich. Dasselbe wird in naher Zukunft auf den Oued Tidzi zutreffen,
ein perennierendes Gewässer, das die südliche Begrenzung der Konzession bildet. Hier wird industriell Bausand extrahiert mit tiefgreifenden Folgen für Verlauf und Sedimentation des im Unterlauf tief eingeschnittenen Wasserlaufs.
Am Oued Tidzi fanden intensive Begehungen statt, da er als ganzjährige
Süßwasserversorgung auch für nomadisierende Gruppen von Bedeutung ist. In
der Tat finden sich auf den begleitenden Höhenzügen zahlreiche Grabhügel,
jedoch bis dato keine vorislamischen Siedlungsspuren. Im breiten, trogartigen
Unterlauf oberhalb der Mündung konnten auf einer Strecke von mehreren
hundert Metern, eingebettet in das alluviale Sediment der Oued-Profile, zahlreiche Siedlungsspuren gesichert werden (Abb. 18). Vor allem in dem unteren
Drittel der bis zu 7 m hohen Profile fanden sich eine Reihe von Feuerstellen,
Aschebänder und Escargotières. Sie enthielten u. a. unverzierte Keramik, aber
auch eine lange Klinge aus Hornstein, der aus Lagerstätten am Oued Ksob gegenüber Mogador stammt. Auch in dem oberen Bereich des Profils finden sich,
wenn auch spärlicher, Spuren menschlicher Aktivität.
Nichts deutet auf längere Verweildauer hin, auch sind keine Bodeneingriffe wie Gruben oder Pfostenlöcher zu beobachten. Dagegen weist alles – die
lockere räumliche Verteilung der Befunde, der geringe Fundanfall sowie das
Fehlen von Produktionsabfällen – auf eine nomadische Struktur hin. Der Fund
eines Mahlsteins im Kontext einer Feuerstelle widerspricht dieser Annahme
nicht, er kann zum mobilen Inventar gehört haben. Eine nähere Untersuchung
des Ensembles am Oued Tidzi ist für das kommende Jahr vorgesehen.
Surveys im tieferen Hinterland von Essaouira, vor allem im Bereich der ursprünglichen, agrikulturell kaum genutzten Arganeraie mit ihren alten Baumbeständen förderten eine stattliche Anzahl von Grabhügeln zutage. Häufig liegen sie in Passagelagen und auf Spornen mit weiter Sicht über Weidegründe.
AA-2008/1 Beiheft
Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen 305
Abb. 19 Umland von Mogador (Marokko),
steinzeitlich besiedelte Höhle am Mittellauf
des Oued Ksob
Wie andere Elemente unterstreichen sie die nomadische Struktur der Bevölkerung. Die Höhlen und Abris des Raumes um Essaouira (Abb. 19) folgen wie
in Nordmarokko einem Besiedlungszyklus, der im Paläolithikum beginnt, im
Neolithikum endet und erst in der Frühneuzeit wieder einsetzt. Metallzeitliche Funde liegen nicht vor, die Besiedlung hat sich ins Freiland verlagert.
Wesentliche Ergebnisse zur Gestalt des Lebensraumes um Essaouira in alter
Zeit haben besonders die geomorphologischen Studien beigetragen. Unsere
anfängliche Vorstellung, Mogador und die Dschesirat Pharaoun hätten mit
dem höher liegenden Stadtgebiet des alten Essaouira eine Inselgruppe gebildet,
müssen wir revidieren. Der Sedimenteintrag des ursprünglich weiter südlich
mündenden Oued Ksob hat zumindest zeitweise einen begehbaren Isthmus
zwischen Mogador und dem Festland geschaffen. Über eine ähnliche Verbindung war wohl auch das (spätere) Stadtgebiet von Essaouira erreichbar, das man
sich in der Tat als eine Insellage vorstellen sollte, durch eine Lagune oder eine
versumpfte Niederung vom Festland getrennt. Diese Morphologie stützt sich
auf zahlreiche Bohrungen östlich und südlich Essaouiras, die Datierungen der
hierbei gewonnenen Bohrkerne sollten ergeben, in welchem Zeitablauf wir
uns die Entstehung und das Verschwinden des komplexen, für die phönikischen Siedlungsansprüche sehr günstigen Ensembles vorstellen müssen.
Die Geomorphologie rückt geophysikalische Untersuchungen in dem dicht
bebauten Stadtgebiet der Medina in den Vordergrund. An mehreren Freiflächen der Altstadt wurden Messungen durchgeführt (Abb. 20), die aber wegen
Abb. 20 Umland von Mogador (Marokko),
geophysikalische Untersuchungen in der
Medina von Essaouira
AA-2008/1 Beiheft
306 Jahresbericht 2007 des DAI
der Dichte des mittelalterlichen Baubestandes keine eindeutig interpretierbaren Ergebnisse erbrachten. Deutlichere Befunde ergeben sich auf dem inmitten der Passage zwischen alter Lagune und Oued Ksob liegenden Hügel von
Sidi Mogdoul. Auch hier werden Bohrkerne die Datierung geophysikalisch
gesicherter Rechteckstrukturen ermöglichen und vielleicht zu einer Grabung
anregen.
Kooperationspartner: Institut National des Sciences de l’Archéologie et du
Patrimoine (INSAP), Rabat; DAI, Abteilung Madrid • Leitung des Gesamtprojekts: D. Marzoli, A. El Khayari • Leitung des Teilprojekts: J. Eiwanger
• Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: C. Pohl-Thiblet, H.-P. Wittersheim •
Abbildungsnachweis: H.-P. Wittersheim (Abb. 17); C. Pohl-Thiblet (Abb. 18.
19); J. Eiwanger (Abb. 20).
Tissamaharama (Sri Lanka)
Die frühhistorische Zitadelle des antiken Königreiches Ruhuna liegt am Ufer
eines antiken Stausees im Südosten der Insel. Das aktuelle Grabungsareal von
nahezu 800 m2 zeigt zur Zeit für das 2. Jh. v. Chr. eine Besiedlung durch vornehme Familien.
Im Bereich der Grabungsflächen treffen zwei enge Gassen aufeinander.
Lange Umfassungsmauern grenzen quadratische oder rechteckige Grundstücke ein. Die schmutzig grauen Straßen und die rötlich braunen Siedlungsflächen waren gut zu unterscheiden (Abb. 21).
Die Gassen hatten ein niedrigeres Niveau als die angrenzenden Wohnareale
und dienten nicht nur als Verkehrswege, sondern entsorgten auch das Brauchwasser, das von Sickerschächten nicht aufgenommen werden konnte. Die engen Straßen müssen daher bisweilen recht matschig gewesen sein; um sich ungehindert bewegen zu können, wurde zwischen den Grundstücksmauern eine
große Zahl von Trittsteinen verteilt. Dort, wo die zwei Straßen aufeinander
treffen, ist auch heute noch ein modriger und unangenehmer Geruch an einem
feuchten Tag wahrzunehmen.
Obwohl die Siedlungsareale in alter Zeit höher waren als die Straßen, wurden sie vom Wasser in Mitleidenschaft gezogen. Dass dieses ein häufiges Ereignis war, zeigt an mehreren Stellen eine Sedimentation in dünnen, fast fluvialen
Schichten. Wenn durch diese Sedimentation das Niveau der Höfe angehoben
Abb. 21 Tissamaharama (Sri Lanka),
Wohnbereiche des 2. Jhs. v. Chr. beiderseits
einer schmalen Gasse
AA-2008/1 Beiheft
Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen 307
22
23
Tissamaharama (Sri Lanka)
Abb. 22 Toilettengegenstände (kleine
Bronzeflaschen und Augenbrauenstifte) des
2. Jhs. v. Chr.
Abb. 23 Plombe mit Siegelabdrücken
(›Vase des Überflusses‹) aus einem Haus des
2. Jhs. v. Chr.
AA-2008/1 Beiheft
worden war, dann wurden die Mauern ergänzt.Von Zeit zu Zeit wuchsen daher die alten Mauern durch neue Lagen von Ziegelsteinen, bis sie schließlich
eher als Terrassenbefestigungen dienten denn als Grundstücksgrenzen.
Diese über längere Zeiträume unveränderten und unterhaltenen Grundstücke legen nahe, dass ein Besitz als privates Eigentum über mehrere Generationen in der Familie weitergegeben wurde.
Mehrere Schächte, gefüllt mit großen Bachkieseln oder Ziegelbruch, waren
über das Grabungsareal verstreut. Sie dienten als Drainage und sorgten dafür,
dass Regenwasser schneller versickern konnte. Kleine gedeckte Kanäle leiteten
überschüssiges Wasser von den privaten Grundstücken in die Gassen.
Das Wasser hatte in den Straßen eine beträchtliche Fließgeschwindigkeit
und gelegentlich wurden Mauern unterspült. Die Bewohner versuchten, Vorkehrungen zu treffen und bauten zunächst aus Ziegelsteinen schmale Rinnen
in Fließrichtung entlang den Mauern. Später stellten sie an gefährdeten Abschnitten große Ziegel, aber auch dünne Dachziegel senkrecht vor die Fundamente. Doch auch dieses Vorblenden half nur einige Zeit. Schließlich gab der
Untergrund nach, zu beiden Seiten einer Gasse rutschten die Fundamente ab
und die Mauern neigten sich einander zu. Häufig wurden sie repariert, doch
als schließlich die Strukturen zu stark beschädigt wurden und die Widrigkeiten
Überhand nahmen, verließen die Familien den Platz und siedelten an anderer
Stelle.
Dieser Abzug muss in aller Hast geschehen sein, denn einer Dame geschah
ein Missgeschick. Sie verlor ihr Toilettenbesteck aus Bronzefläschchen sowie
Augenbrauenstiften (Abb. 22) und darüber hinaus auch ihren Bronzespiegel.
Nicht weit entfernt lag der dazugehörige geschnitzte Ständer aus Elfenbein.
Eines der Häuser hatte eine verschlossene und versiegelte Tür oder große
Kiste. Gefunden wurde eine Plombe mit mehreren Abdrücken von demselben Siegel (Abb. 23). Es zeigt eine Blumenvase, die sog.Vase des Überflusses
(p´rnÿagha‹a). Sie war als Glück verheißendes Symbol um die Zeitenwende ein
häufig gebrauchtes Motiv, das bisher im Königreich Ruhuna mehrfach auf
Siegeln oder Siegelabdrücken erscheint, aber auch als Reliefschmuck in der
Architektur, etwa auf Wächtersteinen bei Treppenaufgängen von Klöstern.
Die gezeigte Plombe reiht sich in eine recht große Zahl von ähnlichen
Funden mit unterschiedlichen Motiven. Allein von der Zitadelle sind bisher
65 Siegel und Plomben mit Abdrücken gefunden worden und sehr viel mehr
noch gibt es in Privatsammlungen oder im lokalen Kunsthandel. Für südasiatische Fundorte ist dies eine ungewöhnlich große Anzahl, die von einer funktionierenden Administration, einer hierarchischen Gesellschaft und vom Wohlstand der Bewohner kündet.
Kooperationspartner: Archaeological Department of Sri Lanka • Leitung
des Projekts: H.-J. Weisshaar, S. Dissanayake • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auf deutscher Seite: H. Falk, I. Fehr, J. Goldhammer, T. Nestmann,
H. Schenk, M. Wesuls, H.-P. Wittersheim • Abbildungsnachweis: H.-P. Wittersheim (Abb. 21–23).
Mekong-Delta (Vietnam/Kambodscha)
Über Landschaft, Besiedlung und archäologische Kultur der Prä-Funan-Periode (vor dem 3. Jh. n. Chr.) im Mekong-Delta war bis zum Beginn des deutschvietnamesischen Grabungsprojekts im Jahr 2003 in Go O Chua (Südvietnam)
kaum etwas bekannt. Und auch zu den Bestattungssitten der nachfolgenden
Funan-(Oc Eo-)Zeit (3. Jh. – Anfang 7. Jh. n. Chr.), der Chenla- (7./8. Jh.
n. Chr.) und Angkor-Periode (9.–15. Jh. n. Chr.) fehlten klare Befunde aus
dem Süden Vietnams.
308 Jahresbericht 2007 des DAI
Abb. 24 Mekong-Delta (Vietnam/Kambodscha), Karte von Südvietnam. Vorgeschichtliche Fundplätze nach Fundaufnahmen in
diesem Jahr: A – Fundplätze mit Tonstützen;
B – sonstige Fundplätze älter als 2. Jh. n. Chr.
Die gelbe und braune Punktlinie zeigt jeweils eine Variante des gegenwärtig umstrittenen Küstenverlaufs vor 3000 Jahren
(M. 1 : 4 000 000)
Nach drei deutsch-vietnamesischen Ausgrabungskampagnen auf dem Hügel von Go O Chua in den Jahren 2003–2006 und weiträumigen Surveys im
Mekong-Delta und im Süden Kambodschas in diesem Frühjahr zeichnet sich
ein interessantes Bild zu der frühen Besiedlung und Kulturentwicklung dieser
Region ab.
Die bisherige Auswertung der Funde von Go O Chua legt nahe, dass hier
vom 9.–2. Jh. v. Chr. Salz, vermutlich aus Meerwassersole, gewonnen wurde.
Davon zeugen ausgedehnte Lagen mit mehreren Millionen Fragmenten von
Tonstützen. Sie wurden offenbar luftgetrocknet in Siedeöfen verbaut, zerbrachen schon nach wenigen Siedeprozessen und wurden vornehmlich am Hügelrand in Schuttdeponien entsorgt. Der ursprünglich kaum die Umgebung
überragende Platz von Go O Chua wuchs so auf seine heutige Ausdehnung
von 450 m × 150 m und bis zu einer Höhe von etwa 4 m. Die Siedegefäße
waren – nach schriftlichen Quellen dieser Region aus späterer Zeit – sicherlich
aus organischem Material. Im Mittelpunkt der weiteren Auswertung stehen die
große Menge an Siedlungskeramik und die Funde aus insgesamt 48 Gräbern,
die vornehmlich einer Khmer-Population des 7.–13. Jhs. n. Chr. zuzuweisen
sind.
Gemeinsam mit Geologen der Universität Bremen fand in diesem Jahr
der zweite archäologisch-geologische Survey statt (Abb. 24. 25). Dabei wurde
die Suche nach dem Verlauf der spätholozänen Küstenlinie in größerer Entfernung zu Go O Chua als im Jahr 2004 fortgesetzt. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass dieser Salzsiedeplatz vor 2500 Jahren nicht unmittelbar
am Meer gelegen haben muss, sondern die Sole auf dem Wasserweg zu den
Siedestellen transportiert worden sein kann, so wie es in einer chinesischen
Quelle des 14. Jhs. für Salinen an der ostchinesischen Küste beschrieben wird.
Das Gelände wurde auf Kanälen und Flüssen über den ganzen grenznahen Bereich der Provinz Long An vom Tan Hung-Distrikt im Westen bis zum Duc
Hoa-Distrikt im Osten auf einer Länge von 80 km breit gefächert abgefahren. Systematisch wurde nach geologisch aufschlussreichen Profilen, holozäAA-2008/1 Beiheft
Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen 309
25
Mekong-Delta (Vietnam/Kambodscha),
Provinz Long An (Südvietnam)
Abb. 25 Go Dung, ein 4 m langer Bohrkern
wird gezogen
Abb. 26 Go Gao Mieu, keramikreiche
Fundschicht im Profil beiderseits des Kanals
Abb. 27 Mekong-Delta (Vietnam/Kambodscha), Go Gao Mieu (Provinz Long An, Südvietnam). Tonstützen vom Go O Chua-Typus
aus der ausgebaggerten Kanalerde (M. 1 : 5)
AA-2008/1 Beiheft
26
nen Strandwällen und archäologischen Funden gesucht. Die meisten der ca. 20
Bohrungen wurden dabei in der Nähe dieser Strandwälle platziert und erbrachten 200 Sedimentproben zur Untersuchung in Bremen (Abb. 25). Die geologischen Feldarbeiten sind im Rahmen einer Dissertation in Auswertung.
Gegenwärtig ist festzustellen, dass für die Entstehung des Mekong-Deltas
ein sehr dynamisches Modell zugrunde gelegt werden muss. Die Verlagerung
der Küstenlinie während der Meeresspiegelregression zeichnet sich an den verschiedenen Bohrlokalitäten recht differenziert ab. Die in der Literatur kartierten alten Küstenverläufe zeigen stark vereinfachte, frontartig gerade Linien, sind
teilweise nicht ausreichend oder ungenau beprobt und mit veralteten Einzeldatierungen nicht referenzierter Laborwerte versehen. Nach den neuen Untersuchungen ist mit einem sehr wechselvollen Verlauf der Küste zu rechnen, der
von Buchten und Flussläufen geprägt und sicherlich auch durch davor gelagerte
Inseln gekennzeichnet war. Anhand der Optimierung der Datenmenge soll eine höhere Detailgenauigkeit des Küstenverlaufs vor allem in der Provinz Long
An erreicht werden.
Während des Surveys gelang es, die Zahl der Fundstellen mit Tonstützen
auf 13 eng beieinander liegende Fundplätze zu erhöhen, wobei der Tonstützen-Typus von Go O Chua auf insgesamt 12 Fundplätzen nachgewiesen ist
(Abb. 24). Zu den neu entdeckten Fundplätzen gehört beispielsweise Go Gao
Mieu, knapp 30 km südlich von Go O Chua gelegen. In einer Kanalwand wurde eine kompakte Kulturschicht voller Keramik entdeckt. An der Oberfläche
fanden sich in der ausgebaggerten Kanalerde zahlreiche unverzierte Tonstützen mit drei Zipfeln vom Go O Chua-Typus (Abb. 26. 27).
310 Jahresbericht 2007 des DAI
Die in den vergangenen Jahren ausschließlich auf die Provinz Long An konzentrierten Arbeiten wurden in diesem Jahr auf ganz Südvietnam ausgedehnt.
In allen 11 Provinzmuseen war es möglich, nach vorgeschichtlichen Funden zu
recherchieren und ausgewählte Fundstellen aufzusuchen. Das vorliegende Verbreitungsbild aller Fundplätze mit einer Datierung vor das 2. Jh. n. Chr. zeigt,
dass Südvietnam in den letzten Jahrtausenden v. Chr. nur an einer Nordflanke
besiedelbar war und bisherige geologische Küstenrekonstruktionen auch von
archäologischer Seite in Frage gestellt werden müssen (Abb. 24).
Vom Beginn der Besiedlung dieser Region bis zur Expansion der Vietnamesen, die im 17. Jh. das Mekong-Delta und Anfang des 18. Jhs. die Südspitze
Vietnams erreichten, war dieses Gebiet eng mit Kulturen des Hinterlandes, also des heutigen Kambodschas, verbunden. Die kulturellen Hinterlassenschaften
in dieser Region sind spätestens ab dem 7. Jh. n. Chr. ethnisch den Khmer zuzuordnen. So war es nahe liegend, die Untersuchungen nach Südkambodscha
auszudehnen. In diesem Frühjahr fand erstmals ein Survey mit den kambodschanischen Archäologen vom Memot-Centre für Archäologie – Phnom
Penh statt (Abb. 28). Dabei wurde ein Gebiet erfasst, das unmittelbar nördlich
Abb. 28 Mekong-Delta (Vietnam/Kambodscha), Toul Narey am Vai-Kou-Fluss (Provinz
Svay Rieng, Südkambodscha). Deutschkambodschanischer Survey, Kambodschaner mit Detektor auf Metallsuche
von Go O Chua im Svay Chrum-Distrikt der Provinz Svay Rieng (›MangoRegen‹) liegt. Von hier stammen auch die bisher einzigen beiden bekannten
Fundplätze der Provinz mit vorgeschichtlichem Fundmaterial (Toul Narey
und Toul Prasat Kro Houm). Die meisten der neu entdeckten Keramikfragmente sind frühgeschichtlich, also angkorzeitlich und jünger. Tonstützen vom
Typus Go O Chua wurden nicht entdeckt und waren in dieser Region auch
nicht bekannt.
Nach Abschluss des Surveys in Kambodscha wurden Arbeitsmöglichkeiten
in den südchinesischen Provinzen Yunnan und Guangxi sondiert. Konkreter
Anlass sind die engen kulturgeschichtlichen Verbindungen beider Provinzen
mit Vietnam, die sich besonders in den Bronzeobjekten der Ausgrabung des
DAI in Lai Nghi (2002–2004) widerspiegeln. Angesichts der zahlreichen frappierenden Parallelen zwischen diesen Grabbeigaben in Mittelvietnam und der
Grabausstattung hanzeitlicher Gräber im Küstendistrikt Hepu ist das Institut für
Archäologie in Nanning an einer gemeinsamen Bearbeitung der Kulturkontakte in den Jahrhunderten um den Beginn der Zeitrechnung interessiert.
Kooperationspartner: Hochschule für Gesellschafts- und Humanwissenschaften der Staatlichen Universität Hanoi; Provinzmuseum Long An; Memot-Centre Phnom Penh • Leitung des Projekts: A. Reinecke • Abbildungsnachweis: A. Reinecke (Abb. 24. 25. 27. 28); Nguyen Thi Thanh Luyen
(Abb. 26).
AA-2008/1 Beiheft
Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen 311
Karabal\assun (Mongolei)
Im Sommer 2007 konstituierte sich die Mongolisch-Deutsche Orchon-Expedition (MONDOrEx). Ein entsprechender Kooperationsvertrag wurde anlässlich der feierlichen Eröffnung der neuen Forschungsstelle Ulaanbaatar durch
die Präsidenten der Mongolischen Akademie der Wissenschaften und des DAI
gezeichnet.
Aufgabe der Orchon-Expedition ist die archäologisch-historische Erforschung frühgeschichtlicher Stadtsiedlungen im Orchon-Tal.
Schwerpunkt der Untersuchungen ist die frühuighurische Hauptstadt Karabal\assun (Ordu Balık), die größte mittelalterliche Stadt im östlichen Zentralasien. Sie liegt auf dem linken Ufer des Orchon, ca. 35 km nord-nordwestlich
der altmongolischen Hauptstadt Karakorum (Abb. 29).
Gezielte Ausgrabungen in Karabal\assun, unterstützt von Surveys und der
Dokumentation von Geländedenkmälern im Umland, sollen sich Fragen der
Stadtentwicklung und Stadtgliederung widmen unter besonderer Berücksichtigung der nach Ethnien und Religionen, wie auch funktional, differenzierten
Stadtviertel. In Frage steht auch hier wie schon im Falle der altmongolischen
Abb. 29 Karabalġassun (Mongolei),
sog. Palaststadt (von Südosten)
AA-2008/1 Beiheft
Hauptstadt Karakorum die Adaption fremder Stadtmodelle, seien es chinesische oder ostiranische (sogdische) Vorbilder. Weitere Fragen zielen auf die Bedeutung der Stadt als politischer, wirtschaftlicher sowie religiöser Zentralort,
die Bedeutung von Zentralorten wiederum für die Gliederung nomadischer
Herrschafts- und Lebensräume. Was aus uighurischer Innensicht primär ein
politisch-administrativer Zentralort ist – die Stadt als Herrschaftsinstrument –
stellt sich in der Außensicht, etwa der ostiranischen Sogder, eher als ein zentraler Warenumschlagplatz mit Anschluss an die Seidenstraße dar.
Welchen Einfluss hat die Stadt auf die Veränderung des Umlandes, welche
spezifischen Eigenheiten des Stadtbildes und der Stadtentwicklung sind topographischen und siedlungsökölogischen Zwängen unterworfen und inwieweit
erhalten sich in der Stadt selbst noch Züge des Nomadentums? Ein wichtiges
Thema ist auch die logistische Problematik: Inwieweit war diese Stadt in der
Grassteppe auf eine Versorgung von außen angewiesen, inwieweit war sie autark? Welche Rolle spielte die Einführung von Wasserbautechniken für die Entwicklung und Aufrechterhaltung der Landwirtschaft und welche Irrigationstechniken wurden vorzugsweise adaptiert?
Ziel ist neben der komplexen Dokumentation einer einzigartigen Stadtsiedlung im östlichen Zentralasien die Darstellung von Karabal\assun als ein Modell für eine frühstaatliche nomadische Stadtgründung, die dauerhaft die uighurische Kultur und Lebensweise tiefgreifend verändert hat: Ein Nomadenvolk
312 Jahresbericht 2007 des DAI
entwickelt sich zu einem Stadtvolk mit dominant agrarischer Grundlage. Diese
Transformation bildete eine wesentliche Voraussetzung für das Überleben der
uighurischen Kultur und ihre Hochzeit in den späteren Gründungen stabiler
uighurischer Stadtstaaten in den Oasen Ostturkestans.
Das obere Orchon-Tal ist ein Kernraum der spätnomadischen Herrschaftsbildungen, Wiege sowie Herzstück bedeutender spätnomadischer Reiche. Im
Ötükän-Wald, im alten geheiligten Reichszentrum der Hsiung-nu und Türken, im Orchon-Tal errichteten um 745 n. Chr. die Uighuren ihre Hauptstadt
Ordu Balık, Karabal\assun, und gründete Tschinggis Qan 1220 n. Chr. Karakorum, die erste Hauptstadt des mongolischen Weltreichs.
Nach der Ermordung des letzten bedeutenden osttürkischen Herrschers
Bilgä Ka\an (734) zerfällt das zweite (ost-)türkische Reich. 742 n. Chr. vernichtet eine vereinte Streitmacht der Uighuren, Basmıl und Karluken die Reste des
osttürkischen Heeres. Mit der Flucht der osttürkischen Königssippe der A-shina nach China endet die Geschichte des osttürkischen Reiches. An seine Stelle
tritt das Reich der Uighuren. 744 wird ihr Anführer aus dem Ya\lakar-Clan von
dem chinesischen Kaiser als Kutlug Bilgä Ka\an anerkannt. Wenig später um
745 gründet er Ordu Balık, Karabal\assun. Der Araber Tam¥m ibn Bahr alMuttawwi’¥ nennt Karabal\assun um 821 die »Stadt des Königs«, beschreibt sie
als eine prachtvolle, »große Stadt, reich an Landwirtschaft«. Um 840 wird die
Stadt von den Jenissei-Kirgisen erobert und partiell zerstört. Archäologische
Indizien für einen Wiederaufbau oder eine spätere Besiedlung sind bisher nicht
bekannt. Historische Zeugnisse, die eine mongolische Nachnutzung zur Zeit
Ögedei Qa’ans indizieren, sind zweifelhaft und mehrdeutig. Mit dem Angriff
der Jenissei-Kirgisen endet das Uighurenreich, die zweite große Reichsbildung
auf mongolischem Boden. Die Reste der Uighuren wenden sich nach Westen, nach Sinkiang (Ostturkestan), gründen dort neue Kleinkönigtümer und
Stadtstaaten wie z. B. Qočo.
Die in der Steppe noch heute weithin sichtbare ›Palaststadt‹ (Tempelstadt?)
von Karabal\assun – ein Geviert von 360 m × 404 m – bildet mit dem mächtigen Stupa sowie den noch bis zu 12 m hochragenden Wällen eines der eindrucksvollsten Denkmäler der Orchon-Steppe. Die Stadt wurde in der älteren
Forschung auf etwa 25 km2 geschätzt, dürfte nach den Ergebnissen des 2007
durchgeführten Airborne Laserscannings aber min. 32 km2 groß gewesen sein.
Die erste Projektphase beschränkt sich weitgehend auf Bestandsdokumentationen und Surveys und konzentriert sich auf Karabal\assun und seine Umgebung. Der erste und bisher einzige topographische Plan dieser Stadt, die auf
der mongolischen Antragsliste der »World Heritage Sites« hinter dem Kloster
Erdene joo und Karakorum rangiert, wurde 1891 von der russischen OrchonExpedition unter dem Berliner Turkologen W. Radloff gefertigt und stellt angesichts der primitiven technischen und äußeren Bedingungen eine vorzügliche Arbeit dar, die allerdings durch neuere Erkenntnisse, etwa auf der Grundlage von Luftbildern, überholt ist. Die Peripherie der Stadtwüstung wurde in
mandschurischer Zeit durch intensiven Ackerbau stark eingeebnet und ist im
Bodenrelief darum nicht mehr sehr ausgeprägt. Da für ein urbanistisch-archäologisches Forschungsprojekt in einer derart bedeutenden und großen Stadtanlage präzise und aussagekräftige topographische Grundlagen unbedingt erforderlich sind, kam die KAAK nach Voruntersuchungen im Sommer 2006 mit
der Mongolischen Akademie der Wissenschaften überein, das Stadtgebiet mit
modernsten technischen Mitteln neu aufzumessen und zu dokumentieren. Eine neue umfassende topographisch-archäologische Dokumentation dient nicht
allein archäologischem Erkenntnisinteresse. Sie ist vor allem auch unter dem
Gesichtspunkt Denkmalschutz und Denkmalpflege äußerst dringend geboten
AA-2008/1 Beiheft
Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen 313
und bildet zugleich eine der von der UNESCO zu Recht geforderten Voraussetzungen zur Anerkennung als »Stätte des Weltkulturerbes«.
Historisch-topographische Dokumentationen in dem vorgesehenen Umfang von Gesamtaufnahmen ganzer Städte und auf hohem technischen Niveau
erfordern nicht zuletzt auch aus ökonomischen Gründen den Einsatz der modernsten effizienten Techniken. Für die Grassteppe der zentralen Mongolei bot
sich ein flugzeuggetragenes oder Airborne Laserscanning (ALS), auch LiDAR
(Light Detection and Ranging) genannt, als günstigste Option an. Beflogen
und dokumentiert wurde ein etwa 43 km2 großes Gebiet, das in jedem Fall nach
Osten, Norden und Süden hin die Stadt vollständig erfasst haben dürfte.
Vereinzelte erst im Scan, nicht aber im Luftbild und durch Begehungen erfasste fragliche Bauten sowie Strukturen der Stadt jenseits der westlichen Befliegungsgrenze können unter qualitativen wie quantitativen Gesichtspunkten
zunächst vernachlässigt und im Einzelfall noch in der nächsten Sommerkampagne terrestrisch nachgemessen werden.
Wegen der idealen Geländebedingungen – keine Bebauung, keine Baumoder Strauchvegetation – konnten auch durch Georeferenzierung über eine
GPS-Bodenstation in jeder Hinsicht sehr gute bis optimale Ergebnisse erzielt
werden.
Auf der Grundlage von 548 Millionen gemessenen Punkten konnte dank
einer hohen Punktdichte ein in der Oberflächenzeichnung und im Relief sehr
detailliertes Geländemodell (DTM = Digital Terrain Model) erstellt werden,
das zumindest in der subtilen Ausdifferenzierung und plastischen Abbildung
des Reliefs bei großer lokaler Höhengenauigkeit von keinem derzeit bekannten Messverfahren an Präzision und Deutlichkeit der Darstellung übertroffen
wird (Abb. 30).
Abb. 30 Karabalġassun (Mongolei),
sog. Palaststadt. 1 km × 1 km großer
Ausschnitt aus dem digitalen Geländemodell (DTM) der Stadt in fünffacher
Überhöhung
AA-2008/1 Beiheft
314 Jahresbericht 2007 des DAI
Im Ergebnis dokumentiert das Verfahren in einer einzigartigen Weise und
Anschaulichkeit den Zustand der Anlage im August dieses Jahres, zu einer Zeit
also, in der Karabal\assun in seinem Bestand durch wieder zunehmenden Bodenbau, Tourismus sowie durch anstehende Straßenbaumaßnahmen stark gefährdet und zunehmend bedroht ist.
Für den inneren Bereich (Palast- oder Tempelstadt) wurde das ALS durch ein
terrestrisches Laserscanning (3D) ergänzt. Dabei wurden 3D-Objekte wie die
Mauern der Palaststadt oder wie der große Stupa von Karabal\assun mit einem
Laserscanner (Leica HDS 3000) gemessen (Abb. 31).
Dem Projekt kommt für die Mongolei eine Pilot-Funktion zu. Die umfassende topographisch-archäologische Dokumentation von Karabal\assun sowie
weiterer Stadtsiedlungen im Orchon-Tal soll in der Mongolei ein Beispiel für
Möglichkeiten multidisziplinärer Grundlagenforschung geben. Archäologische
Ausgrabungen sind frühestens für 2009 vorgesehen, in keinem Fall aber vor
Abschluss der topographischen Dokumentation, die zusammen mit den bereits
erstellten Plänen von Erdene joo sowie Karakorum die Grundlage für einen
neuen historisch-archäologischen Atlas der Siedlungen im Orchon-Tal bilden
soll.
Kooperationspartner: Archäologisches Institut der Mongolischen Akademie der Wissenschaften; Fakultät für Geomatik an der Hochschule für Technik
Karlsruhe • Leitung des Projekts: H.-G. Hüttel, U. Erdenebat • Mitarbeiter
und Mitarbeiterinnen: A. Rieger, J. Kollowa, S. Lareya, T. Müller (Hochschule für Technik Karlsruhe), D. Hannusch (Fa. Milan-Flug GmbH, Kamenz),
M. Schaich (ArcTron 3D GmbH, Altenthann), S. Solongo (Ulaanbaatar) •
Abbildungsnachweis: KAAK, Abb. 29. 30; A. Rieger (Abb. 31).
Abb. 31 Karabalġassun (Mongolei), sog.
Palaststadt. Laserscanning an dem großen
Stupa (von Süden)
Karakorum (Mongolei)
Im Herzen der Mongolei, im Tal des Orchon, liegt Karakorum, die Stadt des
Tschinggis Qan, 1220 zur ersten Hauptstadt des Mongolischen Weltreiches
bestimmt, 1235 von Tschinggis Qans Nachfolger Ögedei zu einer festen umwallten Stadt ausgebaut. Im Norden dieser Stadt lebten der Tradition nach die
›Gemeinen‹, die Andersgläubigen, die Fremden und lebten mutmaßlich auch
AA-2008/1 Beiheft
Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen 315
Abb. 32 Karakorum (Mongolei), Grabung
Nordstadt (von Ost-Südost)
Kriegsgefangene wie der französische Silberschmied Guillaume Boucher. Eine
Grabung in einem West-Ost ausgerichteten Bauensemble der Nordstadt – die
Mongolen bevorzugten dagegen Nord-Süd-Orientierungen – sollte diesen
›Fremdelementen‹ nachspüren und an einem repräsentativen Beispiel die Besiedlungsverhältnisse im traditionell minder angesehenen Norden erhellen.
Die 2006 initiierten Grabungen in der Nordstadt konnten in diesem Jahr
fortgesetzt, indes wegen schwerer Unwetter nicht wie geplant beendet werden
(Abb. 32). Lediglich die Ausgrabung im Nordhaus konnte vorläufig abgeschlossen und damit erstmalig ein Haus in der Mongolei komplett ausgegraben werden. Die regelhaften Maßverhältnisse im Nordhaus begründeten die Annahme,
dass der Grundriss des Hauses keineswegs – wie noch im Vorjahr vermutet –
vollständig erschlossen worden war. Berechnungen auf der Grundlage der erkannten Maßeinheiten ließen vielmehr einen weiteren Raum im Westen des
Hauses annehmen. Die Ausgrabungen bestätigten Berechnung und Hypothese:
Tatsächlich fand sich im Westen ein weiterer Raum von einem Joch Breite.
Dieser Raum war zwar wie der Rest des Hauses überdacht, wie aber weder
im Süden noch im Norden traten Wand- oder Mauerreste auf. Nach dem aktuellen Befund handelt es sich beim Nordhaus um einen ca. 16 m breiten und
ca. 7 m tiefen Bau, gegliedert in 5 Joche/Zwischenräume von je 3,20 m. Das
Haus ist in vier jeweils 7 m tiefe Räume unterteilt, davon 2 Räume von je einem Joch Breite im Westen, an die sich ein Zentralraum von 2 Joch Breite anschließt. Nach Osten schließt das Haus mit einem weiteren Raum von einem
Joch Breite ab. Demnach findet sich der nach Süden weisende Hauseingang
zwar nicht in der Mittelachse des Zentralraums, wohl aber zwischen dem dritten und vierten Pfostenstein mittig zum Haus. Die Funktion des Hauses ist
nach wie vor ungeklärt. Die zahlreichen Deponierungen von Rinderhornzapfen innerhalb und entlang des Hauses, die nicht als Werkabfall einer Hornschnitzerei gedeutet werden können, lassen nach wie vor einen Kultbau annehmen.
Gegen eine Wohnnutzung spricht, dass weder Hinweise auf Heizungen noch –
sehen wir ab von einigen Scherben von Vorratsgefäßen – ein für Wohnhäuser
charakteristisches Inventar zu finden waren. Mit Ausnahme der Hornzapfen,
traten auch kaum Tierknochen zutage. Östlich des Eingangs hat sich vor der
AA-2008/1 Beiheft
316 Jahresbericht 2007 des DAI
Karakorum (Mongolei), Grabung Nordstadt.
Osthaus
Abb. 33 Podiumskonstruktion (Altarpodium?) im Zentrum des Hauses (von
Westen)
Abb. 34
Traufziegel mit Drachenmotiv
Abb. 35 Löwengestaltiger Gefäßfuß,
Qingbai-Ware (Steinzeug, sog. Südliche
Song-Dynastie, 13. Jh. n. Chr.)
33
Außenmauer des Hauses eine kreisförmige Setzung aus Mauerziegeln erhalten,
darunter die Deponierung eines ›Troges‹ aus Granit. Ob es sich tatsächlich um
ein Gefäß oder wahrscheinlicher noch um einen Pfosten oder Türangelstein
handelt, ist offen. Lage und Fundumstände sprechen für ein Gründungsopfer
oder -votiv.
Allein aufgrund der Lage der Wohnhügel zueinander war zu vermuten, dass
Nord- und Osthaus die Glieder eines Ensembles aus mindestens drei größeren
Bauten im Süden, Norden und Osten sowie einem ›Torhaus‹ (?) im Westen bilden. In diesem Jahr ergrabene Pflasterwege zwischen den Häusern sichern diese Annahme: Ein gepflasterter Weg, der vom Eingang des Nordhauses auf das
gegenüberliegende Südhaus zuführt, wird in der Zentralachse des Osthauses gekreuzt von einem entsprechenden Wegpflaster, das Ost- und Westhaus miteinander verbindet.
Die Ausgrabungen im Osthaus deuten darauf hin, dass die in einigen Profilen unterschiedenen ›Bauhorizonte‹ keineswegs eine Schichtenfolge darstellen,
sondern in einigen Fällen nachweislich nur verschiedene Laufebenen eines
langgestreckten, in sich stufenförmig gegliederten Baus anzeigen. Ein gleichzeitig von der Expedition freigelegter Tempel des 18. Jhs. in Erdene joo – der
während des stalinistischen Terrors zerstörte Tempel des Zurkhaich Aimak –
lieferte anschaulich Beispiel und Bestätigung für diese Interpretation. Auch das
Osthaus kann in seiner Funktion noch nicht sicher bestimmt werden. Einige
Funde, ebenso wie einige charakteristische Bauelemente, deuten auf ein buddhistisches Heiligtum (Abb. 33). In der Ausstattung hebt sich das Osthaus in
Aufwand und Qualität deutlich vom Nordhaus ab. Vor allem zahlreiche Reste
von Wandmalerei, darunter auch solche mit altmongolischer Schrift, relativ
qualitätvolle chinesische Keramik sowie nicht zuletzt grün glasierte Dachreiter
und weiterer Bauschmuck lassen auf eine besondere Bedeutung des Osthauses
schließen (Abb. 34–36).
Im Sommer 2009 soll das Osthaus komplett ergraben werden, zusätzlich
sind Grabungen im mutmaßlichen Torhaus sowie im Südhaus vorgesehen.
Im Rahmen des Karakorum-Projekts konnten 2007 die Vermessungsarbeiten im Norden Karakorums sowie in Erdene joo fortgeführt und mit der Fertigstellung eines topographischen Gesamtplans der Stadt abgeschlossen werden.
34
35
Abb. 36 Karakorum (Mongolei), Grabung
Nordstadt. Nordhaus, Dachreiter, sog.
Löwendrache, gebrannter Ton
AA-2008/1 Beiheft
Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen 317
Kooperationspartner: Archäologisches Institut der Mongolischen Akademie der Wissenschaften • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: H.-G. Hüttel, D. Bayar, U. Erdenebat • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: C. Brun
(Zürich), B. Daehne (Bamberg), A. R. Dreiser (Bamberg), Ch. Hüttel (Bonn)
C. Kropp (Heidelberg), A. Rieger (Leitung der Vermessung, Karlsruhe),
J. Kollowa, S. Lareya (Vermessung, Karlsruhe) sowie Amartuvshin, Batbayar,
Maratkhan, Ochirpurev, Uurintuya (alle Ulaanbaatar) • Abbildungsnachweis:
KAAK, Abb. 32–36).
Wissenschaftliche Veranstaltungen
Vorträge
25. Januar Andreas Reinecke (Bonn), »Durch Kochen von Meerwasser entsteht Salz weiß wie Schnee« – DAI-Ausgrabungen in Vietnam.
Kongresse
14./15. Juni Abschlusskonferenz »Neue Technologien für die Archäologie:
Der BMBF-Projektverbund Nasca« des seit 2002 vom Bundesministerium
für Bildung und Forschung (BMBF) in seinem Förderschwerpunkt »Neue
Naturwissenschaftliche Methoden und Technologien für die Geisteswissenschaften (NTG)« geförderten Projektverbundes »Nasca – Entwicklung und
Adaption archäometrischer Techniken zur Erforschung der Kulturgeschichte«
Abb. 37. 38 Abschlusskongress »Neue
Technologien für die Archäologie: Der
BMBF-Projektverbund Nasca« am 14. und
15. Juni im Wissenschaftszentrum Bonn
im Wissenschaftszentrum Bonn mit etwa 150 Teilnehmern und 24 Vorträgen
(Abb. 37. 38).
Abbildungsnachweis: Graphik, J. Tomkowitz (Abb. 37); H. Prümers (Abb.
38).
Workshop
30. November Status-Workshop des Projektverbundes »Nasca – Entwicklung
und Adaption archäometrischer Techniken zur Erforschung der Kulturgeschichte« in Rhodt unter Rietburg zur Präsentation und Diskussion abschließender wissenschaftlicher Ergebnisse und Koordination der Abschlusspublikation mit etwa 30 Teilnehmern.
AA-2008/1 Beiheft
318 Jahresbericht 2007 des DAI
Öffentlichkeitsarbeit
Ausstellung »Projet de coopération archéologique maroco-allemand sur l’île
de Mogador et sa région« (Konzeption: Dirce Marzoli, Josef Eiwanger, Abdelaziz El Khayari und Abderrahim El Bertei; Gestaltung: Eva Sulzer, Rafael
Pozo, Christian Hartl-Reiter)
23. November Eröffnung der Ausstellung »Projet de coopération archéologique maroco-allemand sur l’île de Mogador et sa région« im Palast Dar Souiri
in Essaouira (Marokko) in Anwesenheit des Gouverneurs (Ende: 31. Dezember, s. auch hier S. 228 f.).
Während dieses Projekts wurden mehrere Interviews zur Arbeit gegeben.
Zahlreiche Besucher wurden geführt, darunter der deutsche Botschafter und
André Azoulay, der aus Essaouira stammende Finanzberater des marokkanischen Königshauses.
Über das Nasca-Projekt wurde in Focus Online und im General-Anzeiger aus
Bonn berichtet. Im Zusammenhang mit der Konferenz am 14. und 15. Juni
wurden Berichte und Interviews in der Sendung »Leonardo« von WDR 5,
dem Bayerischen Rundfunk und dem Deutschlandfunk ausgestrahlt. Der
Deutschlandfunk veröffentlichte auch einen ausführlichen Beitrag im Internet,
ebenso wie die Deutsche Welle und die Internetseite »Planet Erde«.
Zum Bolivien-Projekt wurden vor Ort Interviews für das lokale Fernsehen gegeben. Ein japanisches Fernsehteam, das eine Dokumentation über
neue archäologische Forschungen im Amazonasgebiet erstellt, wurde während
mehrerer Tage betreut.
Herr Reinecke hielt Vorträge in Hongkong (28. Februar), Phnom Penh
(4. Mai), Saigon (10. Mai), Berlin (7. Juni), Gotha (4. Oktober), Stralsund
(8. Oktober). Am 23. März gab er ein Interview für die vietnamesische Tageszeitung »Lao Dong« über die Arbeiten des DAI in Vietnam.
Veröffentlichungen
Forschungen zur Archäologie Außereuropäischer Kulturen 4: M. Prüch –
A. Kieser, Tradition und Wandel. Untersuchungen zu Gräberfeldern der
Westlichen Han-Zeit
AA-2008/1 Beiheft
Eurasien-Abteilung
Eurasien-Abteilung
Im Dol 2–6
D-14195 Berlin
Tel.: +49-(0)3018 7711-311
Fax: +49-(0)3018 7711-313
E-Mail: [email protected]
Direktoren
Prof. Dr. Svend Hansen, Erster Direktor
PD Dr. Mayke Wagner, Wissenschaftliche Direktorin
Wissenschaftliche Mitarbeiter
PD Dr. Ute Franke, Dr. Ingo Motzenbäcker, Dr. Udo Schlotzhauer, Dr. Erdmute Schultze
Fortbildungsstipendiat
Dr. Mike Teufer
Wissenschaftliche Hilfskräfte
Katrin Bastert-Lamprichs M. A., Kirsten Hellström M. A. (ab 1. 5.),
Ellen Kühnelt M. A. (bis 30. 4.)
Aus Drittmitteln finanzierte Stellen
Dr. Raiko Krauß (DFG, bis 28. 2.), Stephanie Langer M. A. (DFG),
Dr. Gunvor Lindström (DFG), Dr. Agathe Reingruber (DFG),
Dr. Sabine Reinhold (DFG)
Freier Mitarbeiter
Dr. Nikolaus Boroffka (Projekt Bandixon)
Außenstelle der Eurasien-Abteilung
Außenstelle Teheran
9, Khiaban-e Shahid Akbari
POB 3894
Teheran-Elahiyeh/Iran
Leiterin
Dr. Barbara Helwing
Eurasien-Abteilung 321
Ausgrabungen und Forschungen
Pietrele (Rumänien)
Die Ausgrabungen in der kupferzeitlichen Siedlung Pietrele an der Unteren
Donau (Abb. 1) haben in den letzten Jahren wichtige neue Ergebnisse zur sozialen Organisation der kupferzeitlichen Gesellschaft in Südosteuropa erbracht.
Der eigentliche Siedlungshügel ist relativ klein, nach geomagnetischen Messungen haben auf ihm einst ca. 25 Häuser gestanden. Die Messungen erbrachten
aber im Umfeld des Hügels Hinweise auf möglicherweise bis zu 100 weitere
Häuser. Noch lässt sich nicht abschätzen, wie viele dieser Häuser gleichzeitig
bestanden haben. Klar ist jedoch, dass die Siedlung ursprünglich wesentlich
größer war und dass dies auch für andere Tellsiedlungen zutreffen dürfte, wo
noch keine entsprechenden Prospektionen durchgeführt wurden.
Zu den bislang unbekannten architektonischen Elementen dieser großen
Siedlung gehört auch eine etwa 600 m entfernte Kreisgrabenanlage, die in diesem Jahr durch eine geomagnetische Prospektion untersucht werden konnte
und drei parallele Gräben aufwies, die vor allem im Westen noch gut erhalten zu
sein scheinen (Abb. 2). Für diese Anlage kommen sowohl eine fortifikatorische
Funktion als auch die Nutzung als (religiöser) Versammlungsplatz in Frage.
Abb. 1 Der Tell Măgura Gorgana bei
Pietrele (Rumänien) von Norden
Abb. 2 Pietrele (Rumänien), Kreisgrabenanlage auf der oberen Donauterrasse
(M. 1 : 7500)
AA-2008/1 Beiheft
322 Jahresbericht 2007 des DAI
3
4
Die auf dem Tell befindlichen Hauseinheiten lassen erkennen, dass in ihnen
unterschiedliche Tätigkeiten ausgeübt wurden. Die Häuser in Fläche F sind
durch Jagd- und Fischfangaktivitäten gekennzeichnet, während in den Häusern
der Fläche B das Weben von Stoffen im Vordergrund stand. In Fläche F konnten in diesem Jahr in dem verbrannten Haus weitere Hinweise für ein zweites
Geschoss dokumentiert werden. Unter dem Ofen, der im Obergeschoss installiert war, wurde die Substruktion des Fußbodens freigelegt. Es handelt sich um
die verziegelten Lehmfüllungen zwischen den Holzbalken der Geschossdecke
(Abb. 3). Nach der vorläufigen Untersuchung der menschlichen Skelettreste
fanden in diesem verbrannten Haus neun Individuen den Tod.
In Fläche B konnten wiederum die Überreste eines Webstuhls aufgedeckt
werden. In einer schmalen Lehminstallation fanden sich 12 ungebrannte Webgewichte und zwischen ihnen ein Knochengerät (Abb. 4). Der Befund ist
insofern von Bedeutung, als er zu den ältesten Nachweisen des Webstuhls zu
rechnen ist und vermutlich den bislang einzigen Befund mit unverbrannten
Webgewichten darstellt.
Zu den besonderen Funden aus diesem Jahr gehört eine Statuette mit einem Mädchen auf dem Arm (Abb. 5) und eine komplette Statuette aus hellem
Gestein (Abb. 6). Erwähnenswert ist auch eine lange Doppelspiralnadel (Abb.
7). Etwa 80 Kupferobjekte wurden beprobt. Die Spurenelement- und Blei-
5
6
Pietrele (Rumänien)
Abb. 3 Verziegelte Lehmfüllungen
zwischen verbrannten Holzbalken der
Geschossdecke
Abb. 4 Reste eines Webstuhls mit
ungebrannten Webgewichten
Pietrele (Rumänien)
Abb. 5
Tonfigur
Abb. 6
Steinfigur (H 5,80 cm)
Abb. 7
Kupfernadeln (L bis zu 19,50 cm)
7
AA-2008/1 Beiheft
Eurasien-Abteilung 323
Abb. 8 Pietrele (Rumänien), Schale mit
komplexer Graphitbemalung
isotopenuntersuchungen zeigen, dass das Kupfer aus mindestens zwei Quellen
stammt. Eine Schale (Abb. 8) gehört zu den aufwendig verzierten Keramik^
gefäßen der Gumelnita-Kultur.
Anhand von Bohrungen bis in 17 m Tiefe und geoelektrischen Messungen
konnte der Aufbau der bis an den Tellfuß reichenden Überschwemmungsebene der Donau erfasst werden. Die Basis der feinkörnigen Hochflutsedimente,
die bis zur Trockenlegung der Aue (ab ca. 1950) durch ein anastomosierendes
Flusssystem (Bereiche mit geringer Strömung) abgelagert wurden, liegt etwa
10 m unter der heutigen Oberfläche. Sandige und schluffige Einschaltungen
deuten auf die Verlagerung von Rinnen hin. Der Beginn der Sedimentation
der Hochflutsedimente lässt sich auf der Basis von 14C-Datierungen auf etwa
4000 v. Chr. festlegen. Es konnten Gerinnebettstrukturen identifiziert werden,
die auf einen noch nicht zu datierenden Donauarm in unmittelbarer Nähe des
Tells hindeuten.
Kooperationspartner: Archäologisches Institut der Rumänischen Akademie der Wissenschaften (A.Vulpe, M. Toderaş) • Förderung: DFG • Leitung
des Projekts: S. Hansen • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: N. Becker
(Löffel), N. Benecke (Archäozoologie), I. Gatsov (Silexgeräte), J. Görsdorf
(14C-Altersbestimmung), F. Klimscha (Beile und Äxte), U. Koprivc (Mahlsteine), P. Nedelčeva (Silexgeräte), R. Neef (Botanik), M. Toderaş, M. Prange
(Kupfergeräte), T. D. Price (Isotopie), A. Reingruber (DFG, Keramik), J. Wahl
(Anthropologie), J. Wunderlich, T. Hoppe (Holozäne Landschaftsrekonstruktion) • Abbildungsnachweis: S. Hansen (Abb. 1. 3–7; 8 a); C. Hübner (Abb. 2);
W. Rust (Abb. 8 b).
Ovčarovo-gorata, Kreis T‡rgovište (Bulgarien)
Die Aufarbeitung der Altgrabung »Ovčarovo-gorata« steht vor dem Abschluss.
Der frühneolithische Siedlungsplatz liegt an den nördlichen Ausläufern des Balkangebirges und bietet ein einzigartiges Inventar für den Horizont Karanovo
II, benannt nach der bekannten Siedlung von Karanovo in Thrakien (Abb. 9).
Das Projekt ist eingebunden in das Forschungscluster 1 »Von der Sesshaftigkeit
zur komplexen Gesellschaft: Siedlung, Wirtschaft, Umwelt« des DAI und trägt
wichtige Erkenntnisse zur Dynamik der Neolithisierung Europas in der 1. Hälfte des 6. Jts. v. Chr. bei. Erfasst wird damit die Zeitstufe, in der sich die produzierende Wirtschaftsweise im Südosten des Kontinents bereits weitgehend durchgesetzt hat und allmählich nach Mitteleuropa ausgreift. Um die ökonomischen
Hintergründe dieses Prozesses zu verstehen, wurden ausgewählte Tierknochen
aus den Schlachtabfällen der Siedlung molekulargenetisch untersucht. Diese
Arbeiten stehen im Zusammenhang mit dem Projekt »Zucht- und NutzungsAA-2008/1 Beiheft
324 Jahresbericht 2007 des DAI
Abb. 9 Ovčarovo-gorata (Bulgarien),
Lage von Ovčarovo-gorata und weiterer
Fundplätze der Karanovo-II-Zeit in Südosteuropa
geschichte der ältesten Wirtschaftshaustiere im zirkumpontischen Raum« des
Naturwissenschaftlichen Referats der Zentrale des DAI. Erste Ergebnisse zeigen enge Verbindungen zu den Haustierrassen des Vorderen Orients und Anatoliens auf. Diese enge ökonomische Bindung an Anatolien spiegelt sich teilweise auch im archäologischen Fundmaterial wider. Impulse aus dem Südosten
sind etwa im Hausbau, aber auch im Fundmaterial greifbar. Zwei Anhänger
aus Nephrit in Form eines Miniaturbeiles und einer stark stilisierten anthropomorphen Gestalt (Abb. 10) lassen sich sowohl über das verwendete grüne
Gesteinsrohmaterial als auch über ihre Form mit zahlreichen weiteren amulettartigen Gegenständen in Anatolien und Griechenland verbinden. Auf Kontakte nach Süden und Südosten verweisen auch die zahlreichen Knochengeräte (Abb. 11). Die Keramik zeigt enge Verbindungen über das Balkangebirge
nach Thrakien, aber auch nach Norden über die Donau hinweg. Der Übergang zum frühneolithischen Criş-III-Komplex ist hier fließend. Gleichwohl
ist das unmittelbar nördlich gelegene Muntenien bisher fundleer, weshalb der
Siedlung von Ovčarovo-gorata zusätzliche Bedeutung als Referenzfundplatz
für den gesamten Großraum am Unterlauf der Donau im Frühneolithikum zukommt. Naturwissenschaftliche Untersuchungen der Keramik konnten zunächst eine große Vielfalt in der Tonzusammensetzung der einzelnen Keramikwaren aufzeigen. Die chemische Analyse der verwendeten Tone sowie Magerungsbestandteile zeigt dennoch große Übereinstimmungen, so dass von einer
einheitlichen, sprich lokalen Keramikproduktion ausgegangen werden kann.
Selbst Stücke, die typologisch fremd wirken, sind offenbar vor Ort produziert
worden. Unter den keramischen Formen finden sich zahlreiche aufwendig mit
Ritzmustern verzierte mehreckige Gefäße, die in der archäologischen Literatur
als ›Kulttischchen‹ angesprochen werden (Abb. 12). Im Rahmen einer weiteren
Reisekampagne konnten auch diese Gegenstände im Museum T‡rgovište neu
gezeichnet und photographisch dokumentiert werden. Die Silexgeräte dieser
Siedlung wurden bereits 1985 im Rahmen einer Dissertation am Archäologi-
10
11
Ovčarovo-gorata (Bulgarien)
Abb. 10
Amulette aus Nephrit (M. 1 : 1)
Abb. 11 Knochengeräte, eine Sichel, zwei
Löffel, eine Ahle und ein längs durchbohrter
Gegenstand unbekannter Funktion (von
links nach rechts); M. 1 : 3
AA-2008/1 Beiheft
Eurasien-Abteilung 325
schen Institut in Sofia bearbeitet, deren Ergebnisse jetzt in die Publikation der
Grabung einfließen werden.
Kooperationspartner: Historisches Museum T‡rgovište (I. Angelova,
M. Žečeva); Bulgarisches Archäologisches Institut Sofia (I. Vajsov); Neue
Bulgarische Universität Sofia (I. Gatsov); Arbeitsgruppe Archäometrie der
Freien Universität Berlin (G. Schneider); ARCHEA (ARCHEometric Analysis and Research) Warszawa (M. Daszkiewicz) • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: R. Krauß • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: N. Benecke
(Archäozoologie), N. Van Binh (Silexgeräte), I. Vajsov (Idolplastik), P. Zidarov
(Knochengeräte), Ch. Rütze, A. Scheu (Molekulargenetik) • Abbildungsnachweis: R. Krauß (Abb. 9–11); J. Weschenfelder (Abb. 12).
Abb. 12 Ovčarovo-gorata (Bulgarien),
Kulttischchen
Abb. 13 Nordwestliches Schwarzmeergebiet während des 4. Jts. v. Chr. (Ukraine/
Moldavien), Fundorte der Cernavodă-IKultur (rote Punkte) und der UsatovoKultur (schwarze Punkte)
AA-2008/1 Beiheft
Nordwestliches Schwarzmeergebiet während des 4. Jts. v. Chr. (Ukraine/Moldavien)
Das neue Gemeinschaftsprojekt des DAI und der Freien Universität Berlin
unter Zusammenarbeit mit moldawischen sowie ukrainischen Archäologen
widmet sich den Denkmälern des sog. Hadžider-Typus der Cernavod‡-I- und
Usatovo-Kultur im nordwestlichen Schwarzmeergebiet (Abb. 13). Das Ziel
des Forschungsvorhabens ist es, die noch wenig behandelten Fundmaterialien
bezüglich der Chronologie, Stratigraphie und Ökonomie dieser Kulturen zu
sammeln, um ihre Entstehung und Entwicklung sowie weitere wichtige Aspekte umfassend untersuchen zu können. Dabei sollen auch Prozesse, die zum Zer^ Karanofall der klassischen, kupferzeitlichen Kulturen von Varna, Gumelnita,
vo VI u. a. geführt haben, beurteilt werden. Diese erbrachten die Entstehung
der nachfolgenden, wenig entwickelten Cernavod‡-I-Kultur. In dieser Hinsicht
ist das Zusammenwirken von sozialen und natürlichen Faktoren besonders zu
beachten. Der zweite Forschungsaspekt betrifft die kulturelle und chronologische Kontinuität zwischen den Kulturen Cernavod‡-I und Usatovo, d. h. die
Verschmelzung der Cucuteni- und Cernavod‡-I-Tradition, die zur Entstehung
der Usatovo-Kultur und dem damit verbundenen kulturellen Neuanfang im
Gebiet geführt haben. Darüber hinaus stehen die weitreichenden Beziehungen
der Usatovo-Kultur im Mittelpunkt, die zur Ausbreitung des Hauspferdes, zum
Aufstieg der Arsenkupfermetallurgie und damit zum allgemeinen Aufschwung
der Ost-West-Beziehungen beigetragen haben.
326 Jahresbericht 2007 des DAI
14
Nordwestliches Schwarzmeergebiet während des 4. Jts. v. Chr.
(Ukraine/Moldavien), Orlovka (Ukraine)
Abb. 14
Hausgrundriss der Cernavodă-I-Kultur
Abb. 15
Grab der Cernavodă-I-Kultur
15
Im Forschungsprogramm sind sowohl Gelände- als auch Museumsarbeiten
geplant. Die Geländearbeiten schließen geophysikalische und archäologische
Prospektionen auf ausgewählten Fundplätzen ein, um ihre Siedlungsstruktur zu
erfassen. Außerdem wird an den laufenden Ausgrabungen in Orlovka bei Reni
(Ukraine) teilgenommen (Abb. 14. 15). Die Museumsarbeiten umfassen die Materialaufnahme in archäologischen Institutionen von Rumänien, der Ukraine
und der Republik Moldau. Insgesamt baut das Forschungsvorhaben vor allem
auf Prospektionen und der Erfassung des bestehenden archäologischen Materials auf, während auf neue großflächige Ausgrabungen bewusst verzichtet wird.
Dadurch soll ressourcenschonend – sowohl in finanzieller Hinsicht als auch
bezüglich der Denkmalsubstanz – das Informationspotential der bekannten
Fundstellen ausgeschöpft werden.
Seit Beginn der Forschungsarbeiten in diesem Frühjahr wurden Geländebegehungen im südmoldawischen Dnestr-Gebiet sowie im Tilgulskij Liman
am Ostrand des Bezirkes Odessa durchgeführt. Bei der Geländebegehung am
Tilgulskij Liman wurde im Dorf Košary eine neue Siedlung entdeckt, die den
Oberflächenfunden zufolge der Cernavod‡-I-Kultur angehört. Die diesjährigen Ausgrabungen in Orlovka wurden im Bereich der Vorburg durchgeführt,
wobei erstmals typologische sowie stratigraphische Beweise einer ununterbrochenen Kulturentwicklung von der Gumelnita^ über die Cernavod‡-I- zu der
Usatovo-Kultur freigelegt werden konnten. In diesem Rahmen wurden neben
archäologischem Material auch Proben für archäobotanische und archäozoologische Untersuchungen sowie 14C-Datierungen gewonnen. Zudem konnte
die Materialaufnahme in archäologischen Institutionen in Kiev und Chişin‡u
abgeschlossen werden (Abb. 16–18). Im Archäologischen Institut in Kiev sind
die Siedlungs- und Grabfunde aus den alten Grabungen in Majaki, Usatovo sowie Untere Michailovka photographisch und zeichnerisch aufgenommen worden. Im Archäologischen Museum in Chişin‡u konnten die zahlreichen Funde
Abb. 16 Nordwestliches Schwarzmeergebiet während des 4. Jts. v. Chr. (Ukraine/
Moldavien), Majaki (Ukraine). Hügel 5,
Grab 2, Tonfigurine der Usatovo-Kultur
(M. 1 : 1)
AA-2008/1 Beiheft
Eurasien-Abteilung 327
17
18
Nordwestliches Schwarzmeergebiet
während des 4. Jts. v. Chr. (Ukraine/Moldavien), Purkari (Moldavien). Hügel 1, Grab 9
Abb. 17 Gefäß mit Deckel der UsatovoKultur (H insgesamt ca. 20 cm)
Abb. 18 Metallfunde der Usatovo-Kultur
(M. 1 : 2)
aus den moldawischen Cernavod‡-I- und Usatovo-Fundorten zeichnerisch
dokumentiert werden.
Kooperationspartner: Institut für Prähistorische Archäologie der Freien
Universität Berlin; Higher Anthropological School Chişin‡u, Moldavien;
Archäologisches Museum der Nationalen Akademie der Wissenschaften der
Ukraine in Odessa; Archäologisches Institut der Nationalen Akademie der
Wissenschaften der Ukraine • Leitung des Projekts: B. Hänsel, S. Hansen •
Mitarbeiter: B. Govedarica • Abbildungsnachweis: B. Govedarica (Abb. 13–18).
Alma Kermen, Krim (Ukraine)
In der spätskythischen Nekropole und Siedlung Alma Kermen im Südwesten
der Halbinsel Krim wurde in diesem Jahr planmäßig die letzte der insgesamt
vier Grabungskampagnen durchgeführt. Die Zielsetzung des Forschungsvorhabens ist es, anhand verschiedener Fundmaterialien die Frage einer römischen
Militärpräsenz im 2./3. Jh. n. Chr. an diesem Ort zu klären. Der Fundplatz liegt
tief im Hinterland von Chersonesos und war in den ersten drei Jahrhunderten
n. Chr. von spätskythisch-sarmatischen Volksgruppen bewohnt. Mit den diesjährigen Grabungen in der befestigten Siedlung konnten die Umfassungsmauer,
mehrere Baustrukturen sowie zwei Zerstörungshorizonte dokumentiert werden, darunter war ein Dachversturz, in dem mehr als 120 mit dem Stempel der
Legio XI Claudia (LEXICL) versehene Dachziegel gezählt wurden. Nennenswerte Kleinfunde, die die vermutete physische Anwesenheit von Römern beweisen könnten – Münzen, Militaria etc. – fehlen weiterhin. Eine abschließende Interpretation des Befundes steht noch aus.
Das in der Eurasien-Abteilung durchgeführte Teilvorhaben, die Untersuchung der Terra Sigillata aus der Nekropole von Alma Kermen, wurde intensiv fortgesetzt (Abb. 19. 20). Hier haben u. a. die umfangreichen chemischen
Analysen wichtige Ergebnisse erbracht: Für die pontischen Gefäße wurden
vier chemische Rohstoffgruppen (Waren) unterschieden (PS I–IV), die z. T.
den archäologisch differenzierten pontischen Keramikgruppen – PS A, B, C,
Chersonesische und Bosporanische Sigillata – zugeordnet werden konnten
(PS I/II = PS A, PS III = PS C, PS IV = Chersonesische Sigillata). Durch die
AA-2008/1 Beiheft
328 Jahresbericht 2007 des DAI
Aufarbeitung der Fundkontexte konnte zudem der chronologische Rahmen
für einzelne Gefäßtypen erarbeitet, die periodische Nutzung von Nekropolenarealen fixiert sowie Zusammenhänge zwischen Grabform, Inventar, Zeitstellung und Gefäßbeigabe herausgestellt werden (Abb. 21. 22). Auf dieser Basis
ist nunmehr die Nutzung bestimmter pontischer Gefäßformen als Datierungsmittel möglich. Auch die Waren (Rohstoffgruppen) wurden zeitlich innerhalb
der ersten drei Jahrhunderte n. Chr. verankert.Weiterhin war der Vergleich mit
dem Gefäßespektrum in anderen spätskythischen Nekropolen aufschlussreich.
Da sich mancher pontische Gefäßtypus mit Bestimmtheit einer Rohstoffgruppe zuordnen lässt, hat sich z. B. herausgestellt, dass die chemisch durch hohe
Chrom-/Nickel-Werte auffällige Gruppe PS III/C in der unweit von Chersonesos gelegenen Nekropole Bel’bek IV weitaus zahlreicher vorkommt als in
Alma Kermen, desgleichen die aus Kleinasien importierte Eastern Sigillata B.
In Alma Kermen aber überwiegen Importe von der Levante-Küste (Eastern
Sigillata A) und aus Çandarlı/Pergamon (Eastern Sigillata C) sowie die im Südwesten der Krim gefertigte PS-IV-Ware. Das kann auf eine unterschiedliche
Gewichtung der Bezugsquellen an beiden Orten, aber auch auf verschiedene
›Blütezeiten‹ der Siedlungen hinweisen. Diese wirtschaftsgeschichtlich sehr
interessanten Ergebnisse geben zur Fragestellung des Gesamtprojekts – den
Formen der römischen Präsenz in Alma Kermen – jedoch keine weiterführende Auskunft. Die Gefäßbeigaben folgen einem in hellenistischer Tradition
wurzelnden spätskythischen Grabritus, der sich homogen durch die gesamte
weitläufige Nekropole und durch alle drei Jahrhunderte ihrer Nutzung zieht.
19
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Alma Kermen (Ukraine), sog. Pontische
Sigillata (PS)
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Kooperationspartner: Institut für Klassische Archäologie der Freien Universität Berlin; Krim-Abteilung des Archäologischen Instituts der Akademie der Wissenschaften der Ukraine in Simferopol; Institut für Anorganische
und Analytische Chemie, Arbeitsgruppe Archäometrie der Freien Universität
Berlin (G. Schneider); ARCHEA (ARCHEometric Analysis and Research)
Warszawa (M. Daszkiewicz) • Förderung: Fritz Thyssen Stiftung • Leitung
des Projekts: F. Fless (Freie Universität Berlin), J. P. Zajcev (Grabungsleitung,
Simferopol) • Mitarbeiterin: E. Kühnelt (DAI, Eurasien-Abteilung, Bearbeitung der Terra-Sigillata-Gefäße) • Abbildungsnachweis: DAI, EurasienAbteilung, E. Kühnelt (19–22).
Abb. 19
PS III, Teller (Anfang 2. Jh. n. Chr.)
Abb. 20
PS IV, Amphora (2. Jh. n. Chr.)
Abb. 21 PS I, Rosettenstempel auf dem
Innenboden eines Schälchens (Anfang 1. Jh.
n. Chr.)
Abb. 22 PS I, Kerbrouletting und
Sandalenstempel auf dem Innenboden
eines Steilrandtellers (Ende 1. Jh. n. Chr.,
münzdatiertes Grab)
Fibeln und Fibeltracht im Nordschwarzmeerraum (Ukraine)
Das Nordpontikum erstreckt sich über die durch mehrere Ströme gegliederte
osteuropäische Ebene und ist geprägt von den Eigenheiten des eurasischen
Steppengürtels. Es gilt als Schmelztiegel verschiedener europäischer und asiatischer Kulturen und folglich als Korridor für Migration sowie Kulturtransfer
zwischen Ost und West. In den letzten beiden Jahrhunderten v. Chr. und der
AA-2008/1 Beiheft
Eurasien-Abteilung 329
Abb. 23 Fibeln und Fibeltracht im
Nordschwarzmeerraum (Ukraine),
Nižnegorsk, Krim. Fibel aus dem Nogajčik
Kurgan. Griechische Arbeit des 1. Jhs. v./
1. Jhs. n. Chr. (L 7,80 cm)
Abb. 24 Fibeln und Fibeltracht im
Nordschwarzmeerraum (Ukraine), oben:
Vladimirovka, Oblast Cherson. Fibel aus
Kurgan 1, Grab 8. Import aus den westlich
angrenzenden Gebieten (2./1. Jh. v. Chr.);
unten: Arpačin, Oblast Rostov am Don
(Russische Föderation). Fibel aus Kurgan 40,
Grab 10. Nordschwarzmeertypus mit charakteristischer Bügelumwicklung (1. Jh. v. Chr.)
AA-2008/1 Beiheft
anschließenden römischen Kaiserzeit wird die nordpontische Steppe von nomadischen und auch sesshaften Völkern bewohnt. Historische Quellen nennen
die einheimischen Völker »Sarmaten« sowie »späte Skythen«. Bereits seit dem
7./6. Jh. v. Chr. existierten außerdem von Griechen gegründete Stadtstaaten
am Nordufer des Schwarzen Meeres. Im 1. Jh. n. Chr. wird das Bosporanische
Reich, eine Vereinigung griechischer Städte um den Kimmerischen Bosporus, von den Römern besiegt. Infolgedessen geriet insbesondere die Krim in
Abhängigkeit Roms, wogegen der nördlich angrenzende Raum weitgehend
seine politische Unabhängigkeit bewahrte.
Das Nordpontikum stand aber nicht nur unter dem kulturellen Einfluss der
Griechen und Römer. Im 2. Jh. v. Chr., noch vor der römischen Expansion,
grenzt das Gebiet der Sarmaten im Westen an die Geto-Dakischen Stämme
und die Poineşti-Lukaševka-Kultur sowie im Norden und Nordwesten an die
Zarubincy-Kultur. Auch aus diesen Gebieten sind deutliche Einflüsse in der
materiellen Kultur der Sarmaten spürbar.
Die Vielfalt der kulturellen Einflüsse im Nordpontikum ist archäologisch
besonders anhand der Trachtentwicklung nachvollziehbar. Die Dissertation
beschäftigt sich deshalb mit dem Auftreten und der eigenständigen Weiterentwicklung der Fibeln und der Fibeltracht zwischen dem 2./1. Jh. v. Chr. und
dem 3. Jh. n. Chr. (Abb. 23). Der Einfluss der westlichen und nördlichen Nachbarn wird insbesondere mit der Verwendung dieser Gewandspange durch die
einheimische und auch griechische Bevölkerung deutlich. Nach einer ersten
Durchsicht des archäologischen Materials wird klar, dass im 2./1. Jh. v. Chr.
wenige typische Drahtfibeln vom Mittellatèneschema auftauchen, die zumeist
in den Bestattungen der Barbaren gefunden wurden (Abb. 24 oben). Ihre große
Ähnlichkeit mit südosteuropäischen Stücken und ihre verhältnismäßig geringe
Anzahl auf dem Gebiet der heutigen Ukraine lassen darauf schließen, dass sie
als Tauschware verhandelt wurden. Danach scheint eine intensive lokale Fibelproduktion und Entwicklung nach den Vorbildern der importierten Drahtfibeln einzusetzen (Abb. 24 unten).
Zu welchem Zeitpunkt die eigene Herstellung genau begann, ist umstritten. Fest steht, dass die Fibel in dem gesamten sarmatischen Gebiet im 2./1. Jh.
v. Chr. in die lokale Tracht aufgenommen wurde. Das zunächst einfache Formenspektrum der Drahtfibeln wird besonders ab dem 1. Jh. n. Chr. durch den
Import von provinzialrömischen Typen und die Nachahmung einiger Formen
erweitert.
Im Nordpontikum sind Fibeln in dieser Zeit ein verlässlicher Anhaltspunkt
für eine Datierung von Fundkomplexen. Seit dem 1. Jh. n. Chr. intensiviert sich
der Zustrom solcher Gewandspangen und anderer eingeführter Güter aus den
330 Jahresbericht 2007 des DAI
Abb. 25 Fibeln und Fibeltracht im
Nordschwarzmeerraum (Ukraine), Ust´Al´ma, Krim. Römisch emaillierte Fibel aus
Nischengrab 14 (2./3. Jh. n. Chr., L 4,50 cm)
römischen Gebieten (Abb. 25). Wahrscheinlich wurden zudem Stücke in den
nord- und ostpontischen Städten selbst angefertigt (Abb. 23).
Das Auftreten von Import in sarmatischen Komplexen ermöglicht eine Verknüpfung mit den vergleichsweise gut abgesicherten Chronologiesystemen der
römischen Provinzen und kann zur Weiterentwicklung des regionalen Systems
genutzt werden.
Mitte der 1960er Jahre erarbeitete der russische Archäologe A. K. Ambroz
eine grundlegende Übersicht zur räumlichen und zeitlichen Verbreitung der
nordpontischen Fibeln. Seither hat sich der Kenntnisstand zur Formenvielfalt,
Verwendung und zeitlichen Stellung durch eine große Zahl neuer Fundkomplexe erweitert. Die aktuelle Zusammenstellung des Fundstoffes, die sich neben
publizierten Materialvorlagen auf nichtpublizierte Komplexe gründet, erforderte eine umfassende Recherche in Bibliotheken, Museen und Archiven der
Ukraine. Die nun folgende Analyse der Fibeln in ihrem Fundkontext, soll die
Aufnahme der Gewandschließe in die Tracht der nordpontischen Völker unter
dem Aspekt des Austausches mit den benachbarten Kulturen und dem damit
verbundenen Einfluss auf die lokale Tracht beschreiben und bewerten.
Leitung des Projekts: K. Hellström • Abbildungsnachweis: nach R. Rolle
(Hrsg.), Gold der Steppe. Archäologie der Ukraine, Ausstellungskatalog Schleswig (Neumünster 1991) (Abb. 23); nach A.V. Simonenko, Sarmaty Tavrii (Kiev
1993); B. A. Raev, Sarmatskoe pogrebenie iz kurgana u chutora Arpačin. Sovetskaja archeologija 1979, H. 1, 260–262 (Abb. 24); K. Hellström (Abb. 25).
Drehscheibenkeramik der Černjachov-Kultur in Vojtenki (Ukraine)
Die im Osten der heutigen Ukraine gelegene Siedlung von Vojtenki bestand
vor allem im 4. Jh. n. Chr. Das ausgedehnte Gelände wird durch eine Expedition der Universität Charkov untersucht (Abb. 26). Unter der Leitung von
M. Ljubičev konnte neben den Siedlungsbefunden auch ein dazugehöriges
Gräberfeld entdeckt werden (Abb. 27). Das Fundmaterial ist der ČernjachovKultur zuzuweisen, für die auf der schnell rotierenden Drehscheibe hergestellte
Keramik charakteristisch war. Die Auswertung dieser Keramik im Rahmen
eines deutsch-ukrainischen Gemeinschaftsprojekts umfasst die Funde der Grabungskampagnen 2004–2007. Dabei stehen neben der Fundbearbeitung Fragen zu der Keramikherstellung, dem Umfang der Produktion und der regionalen Verteilung der Drehscheibenkeramik im Mittelpunkt.
AA-2008/1 Beiheft
Eurasien-Abteilung 331
Vojtenki (Ukraine)
Abb. 26 Fundplatz der Černjachov-Kultur
(4. Jh. n. Chr.). Blick auf den Bereich A der
Siedlung von Nordosten, davor die archäologische Station
Abb. 27 Körperbestattung mit mehreren
Gefäßen und anderen Beigaben
Die Materialaufnahme konnte weitgehend abgeschlossen und ein Überblick
über das Gefäßspektrum erreicht werden.Vorherrschend sind unterschiedlich
profilierte Töpfe (Abb. 28), die oft eine raue Oberfläche aufweisen und dem Küchengeschirr zugeordnet werden, sowie verschiedene, z. T. dünnwandige Schalenformen (Abb. 29). Andere Gefäßtypen wie Kannen oder großflächig verzierte Becher treten dagegen nur selten auf (Abb. 30). Hinzukommen einzelne
28
Vojtenki (Ukraine)
Abb. 28 Zwei der typischen Töpfe
(H 11,60 cm bzw. 12,90 cm)
Abb. 29 Schalen mit unterschiedlich
gestaltetem Profil (Dm Mündung 10,40 cm
bzw. 22,20 cm)
Abb. 30 Becher mit Rädchenverzierung
(H rund 6 cm)
29
AA-2008/1 Beiheft
30
332 Jahresbericht 2007 des DAI
freihandgeformte Gefäße bzw. Gefäßfragmente, außerdem Scherben importierter Amphoren. Der Vergleich des Materials von Gräberfeld und Siedlung
zeigt Unterschiede im Keramikspektrum, die nach Abschluss der Datenerfassung genau quantifiziert werden können. Für das Verbreitungsgebiet der Černjachov-Kultur östlich des Dnepr lassen sich damit erstmals auf breiterer Basis
die Spezifika der Keramik darstellen.
Von ausgewählten Gefäßformen wurden insgesamt 179 Proben genommen
und mittels archäometrischer Methoden wie Nachbrennen (MGR-Analysis),
chemische Analysen und Dünnschliffe untersucht. Die Auswertung der ersten
Nachbrennserie ergab eine große Variation der Tonwaren, die bisher wenigen
chemischen Analysen zeigen jedoch eine eher einheitliche Zusammensetzung
des Tonmaterials. Die Drehscheibenkeramik wurde demnach wohl überwiegend in der Siedlung hergestellt und in dem bereits vor drei Jahren entdeckten
Töpferofen gebrannt.
In Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Geologie der Universität Charkov konnte in der Umgebung der Siedlungsstelle die Suche nach möglichen
Tonlagerstätten, aus denen das Rohmaterial dafür stammte, begonnen werden.
Um der Frage nachzugehen, ob und in welchem Maße die in der Siedlung von
Vojtenki gefertigte Keramik etwa als Tauschobjekt auch in andere Siedlungen
gelangte, wurden Funde kleinerer Grabungen auf Černjachov-Siedlungen der
Region bzw. des Bezirks Charkov in die Materialaufnahme einbezogen und
von dort ebenfalls einige Proben für naturwissenschaftliche Analysen entnommen.
Kooperationspartner: Historische Fakultät der V. N. Karazin-Universität
Charkov; Institut für Anorganische und Analytische Chemie, Arbeitsgruppe
Archäometrie der Freien Universität Berlin (G. Schneider); ARCHEA
(ARCHEometric Analysis and Research) Warszawa (M. Daszkiewicz) • Leitung des Projekts: M. Ljubičev, E. Schultze • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: K. Myzgin, X.Varačeva • Abbildungsnachweis: M. Ljubičev (Abb. 26.
27); DAI, Eurasien-Abteilung, E. Schultze (Abb. 28–30).
Taman-Halbinsel (Russische Föderation)
Durch den Kimmerischen Bosporus – die Meerenge zwischen Krim und
Taman-Halbinsel – verläuft die heutige ukrainisch-russische Staatsgrenze. Die
Region beiderseits des Bosporus stellte dagegen zu Beginn des 5. Jhs. v. Chr.
mit dem Zusammenschluss der freien griechischen Stadtstaaten, die aus den
hier im Zuge der großen Kolonisation von ostgriechischen Poleis angelegten
Pflanzstädten hervorgegangen waren (seit dem frühen 6. Jh. v. Chr.), eine politische Einheit dar. Im 4. Jh. v. Chr. war das Bosporanische Reich der wichtigste
Getreidelieferant Griechenlands und dehnte die Machtsphäre über Völker wie
Maioten und Sinder aus, die am Fuße des Kaukasus ansässig waren. Die Meerenge ermöglicht die wichtige Schiffsverbindung vom Schwarzen in das Asovsche Meer und zur Mündung des Don, der weit in die russische Steppe – dem
damaligen Lebensraum der Skythen – hineinreicht.
Das im letzten Jahr begonnene russisch-deutsche Gemeinschaftsprojekt auf
der nördlichen Taman-Halbinsel zeichnet den Verlauf von der frühen Landnahme durch die Griechen bis zu der Konsolidierung des Bosporanischen Reiches
nach. Unter landschafts- und siedlungsarchäologischen Fragestellungen werden
politische und kulturelle Verschiebungen auf ihre Auswirkung im Raum untersucht. Zu unterschiedlichen Zeiten und Situationen waren nämlich wehrhafte Siedlungen gegründet oder aufgegeben, Räume von Heiligtümern und Nekropolen besetzt worden, wodurch Machtansprüche ausgedrückt oder Plätze
symbolisch eingenommen wurden.
AA-2008/1 Beiheft
Eurasien-Abteilung 333
Abb. 31 Taman-Halbinsel (Russische
Föderation), Überblick über die während
der diesjährigen Frühjahrskampagne
unternommenen Rammbohrkernuntersuchungen auf der nördlichen TamanHalbinsel. Geologische Schichten von 5 m
bis 15 m wurden freigelegt (M. 1 : 750 000)
AA-2008/1 Beiheft
Grundlegend für alle weiteren Überlegungen und Untersuchungen war die
interdisziplinäre Zusammenarbeit zur Rekonstruktion des sich verändernden
Landschaftsraumes. Die Geoarchäologie konnte bereits in weiten Teilen die Küstenverläufe für verschiedene Zeithorizonte wiedergewinnen. Auf diese Weise
ließ sich auch die Nachricht antiker Schriftsteller verifizieren, die einzelne Inseln an Stelle der heutigen Halbinsel überlieferten. Allerdings herrscht in der
Wissenschaft Uneinigkeit über die Rekonstruktion dieses ehemaligen Archipels. Aufgrund der noch andauernden Untersuchungen lässt sich aber bereits
feststellen, dass es nur eine Hauptinsel, auf der wohl auch die wichtigsten Griechenstädte lagen, mit wenigen kleinen Nebeninseln gab (Abb. 31). Daneben
wurden längst verlandete Meeresverbindungen, ehemalige tiefe Buchten und
ihre jeweiligen Wassertiefen sowie mögliche Hafensituationen, die in der Antike existierten, erforscht. Durch diese Rekonstruktion der Küstenverläufe erweisen sich jetzt erstmals untersuchte Siedlungen wie Achtanisovskaja 4 und
Golubickaja 2 an der West- und Ostküste einer heute verlandeten, ehedem
schiffbaren Meerenge (Abb. 32) als strategische Orte in einem größeren Siedlungskonzept der gegenwärtigen Taman-Halbinsel. Diese Orte kontrollierten
den Zugang zu einem heutigen Liman, an dessen Küsten weitere Siedlungen
lagen und sich ein Heiligtum auf einem Vulkan einer weit in die Bucht vorgeschobenen Halbinsel erhob (Abb. 33). Die Siedlungen an der Meerenge waren
von wehrhaften Verteidigungsanlagen umschlossen. Eine solche aus dem späten
334 Jahresbericht 2007 des DAI
Abb. 32 Taman-Halbinsel (Russische
Föderation), Synopse von drei Bohrungen,
die eine ehemals bis zu 7–8 m tiefe Schifffahrtsrinne zwischen den antiken Orten
Achtanisovskaja 4 und Golubickaja 2
nachweist
6. oder frühen 5. Jh. v. Chr. konnte für Golubickaja 2 durch geophysikalische
Untersuchung und archäologische Grabung (Abb. 34. 35) nachgewiesen werden. Die Funde aus Surveys (Oberflächenbegehungen) und Grabungen deuten für beide Orte sogar auf einen Siedlungsbeginn in der 1. Hälfte des 6. Jhs.
v. Chr. hin. Die Siedlung Golubickaja 2 scheint aber spätestens in der Mitte
des 2. Jhs. v. Chr. aufgegeben worden zu sein (Abb. 36).
Für das erstmals großflächig untersuchte Hinterland der bekannten milesischen Kolonie Kepoi, deren Altgrabungen ebenfalls innerhalb des Projekts zur
Publikation aufgearbeitet werden, lassen sich Siedlungskonzepte verschiedener
Zeithorizonte rekonstruieren. Dabei sind Fundplätze und Monumente (Siedlungen, Gehöfte, Heiligtümer sowie Kurgane und Friedhöfe) unterschiedlicher Zeitstellung in Beziehung zueinander und zur Landschaft zu setzen, was
für eine Untersuchung zum politischen Raum der nördlichen Taman-Halbinsel ausgewertet wird.
Kooperationspartner: Staatliches Historisches Museum Moskau (D. Žuravlev); Fachbereich Geographie der Philipps-Universität Marburg (H. Brück-
Abb. 33 Taman-Halbinsel (Russische
Föderation), Golubickaja 2 (Hinterland
von Kepoi). Blick von der Anhöhe eines
Schlammvulkans bei Golubickaja 2 in den
Achtanisovskaja-Liman mit dem Schlammvulkan Boris und Gleb, auf dem sich ein
Heiligtum der Artemis befand
AA-2008/1 Beiheft
Eurasien-Abteilung 335
Taman-Halbinsel (Russische Föderation),
Golubickaja 2 (Hinterland von Kepoi)
Abb. 34 Geophysikalische Prospektion
auf Luftbild montiert, die Anomalie der
Befestigung ist grün hervorgehoben. Die
roten Punkte geben die Bohrkernuntersuchung im Siedlungsareal wieder, gelb sind
die Versuchsgrabungen des Vorjahres und
schwarz ist das diesjährige Grabungsareal
dargestellt
Abb. 35 Transekt der Bohrkernuntersuchungen im Siedlungsareal, die Kulturschichten reichen ca. 1,50 m, lediglich der
Verteidigungsgraben über 3 m, unter das
heutige Geländeniveau hinab
Abb. 36 Scherbe eines sog. Megarischen
Bechers aus der Grabung im Verteidigungsgraben (um die Mitte des 2. Jhs. v. Chr.),
dies ist der jüngste Fund, der bisher im
Survey (Oberflächenbegehung) und in der
Grabung gemacht wurde (M. 1 : 1)
34
35
36
AA-2008/1 Beiheft
ner, D. Kelterbaum); Institut für Geowissenschaften, Abteilung Geophysik der
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (H. Stümpel, Ch. Klein); Studiengang
Restaurierung und Grabungstechnik der Fachhochschule für Technik und
Wirtschaft Berlin (K. Kohlmeyer, M. Block) • Förderung: BMBF • Leitung
des Projekts: U. Schlotzhauer • Abbildungsnachweis: D. Kelterbaum (Abb. 31.
32. 35); I. Seden’kov (Abb. 33. 36); H. Stümpel, M. Block (Abb. 34).
336 Jahresbericht 2007 des DAI
Kislovodsk (Russische Föderation), Siedlungen mit symmetrischem Grundriss als
Phänomen einer komplexen Landschaftsnutzung während der Spätbronze- und
Früheisenzeit im Nordkaukasus
Mit der Entdeckung eines bislang völlig unbekannten Siedlungstypus der Spätbronze- und Früheisenzeit im Nordkaukasus eröffnete sich 2004 eine grundsätzlich neue Perspektive in der Siedlungsarchäologie dieser Region. Seit dem
Vorjahr werden hier im Rahmen eines Kooperationsprojekts Siedlungen mit
symmetrischem Grundriss als Phänomen einer komplexen Landschaftsnutzung
untersucht. Der Nordkaukasus ist die nach Eurasien gewandte Seite des Großen Kaukasus und erstreckt sich vom Kaspischen bis zum Schwarzen Meer. Die
untersuchten Fundplätze liegen zwischen 1400 m und 2400 m Höhe auf einer
Plateauzone zwischen dem Kurbad Kislovodsk und dem El’brus-Massiv, dem
mit 5642 m höchsten Berg Europas.
Durch den Einsatz moderner Fernerkundungsdaten war es möglich, erstmals eine gesamte archäologische Landschaft mit inzwischen rund 200 verschiedenartigen Fundstellen zu erfassen. Dazu zählen Siedlungen mit einem ovalen
Grundriss, in dessen Zentrum ein großer Platz liegt, Siedlungen aus Gebäudereihen sowie Kreis- und Wallanlagen, aber auch Menhire und eine große Zahl
an Grabhügelfeldern gehören zu den Fundstellen, die in den letzen Jahren entdeckt wurden. In diesem Jahr konnten über 100 dieser Fundorte im Rahmen
einer Geländeprospektion aufgesucht und als archäologische Fundstellen verifiziert werden (Abb. 37. 38).
Erste Kartierungen zeigen eine sehr hohe Siedlungsdichte mit nur etwa
2 km Abstand zwischen den Siedlungsarealen und eine hohe Konformität in
der Siedlungsplanung sowie Territorialnutzung. Daher steht im Zentrum der
Untersuchung die Frage nach der Funktionalität der Siedlungen in einer Region, die heute ausgesprochen siedlungsfeindlich ist.
Abb. 37 Kislovodsk (Russische Föderation), Karte der bis Ende des Jahres nachgewiesenen archäologischen Fundstellen
AA-2008/1 Beiheft
Eurasien-Abteilung 337
Abb. 38 Kislovodsk (Russische Föderation), Überprüfung einer Fundstelle
Die Untersuchung ist auf verschiedenen Ebenen angesiedelt und schließt
ein breites, interdisziplinäres Spektrum an naturwissenschaftlichen Methoden
ein. Neben dem Grabungsareal wurden systematisch Bodenproben in drei Arealen am Ausgrabungsort Kabardinka 2 sowie über einem einzelnen Gebäude
im benachbarten Kabardinka 3 entnommen. Die Kombination der geophysikalischen Messungen des vorangegangenen Jahres mit bodenkundlichen Untersuchungen belegt unterschiedliche Nutzungsareale in den Siedlungen, was
auch bereits durch Ausgrabungen bestätigt werden konnte. So wurde der im
letzten Jahr zur Hälfte freigelegte Hausgrundriss nun vollständig ausgegraben
(Abb. 39). Er besitzt eine Grundfläche von rund 220 m2. Hier war eine Stratigraphie aus zwei Kulturschichten und einem Steinplattenboden (?) zu erfassen.
Aus allen Schichten stammt viel Keramik und Knochenmaterial. Bereits publizierte 14C-Datierungen weisen den Bau sicher dem 13. bis 11. Jh. v. Chr. zu,
vermutlich wurde das Gebäude aber noch bis ins frühe 9. Jh. v. Chr. genutzt.
Bemerkenswerterweise führten die Grabungen zum Nachweis eines apsidenförmigen Abschlusses des Hauses nach außen. Die Apsis ist aus monumentalen, weißen Kalksteinblöcken gebaut, die durchaus als Schaufassade angesprochen werden können (Abb. 40). In ihrem Zentrum liegt ein großes, tief in den
Abb. 39 Kislovodsk (Russische Föderation), Kabardinka 2. Orthophotoplan des
ausgegrabenen Hausgrundrisses
Abb. 40 Kislovodsk (Russische Föderation), Kabardinka 2. Außenfassade der aus
großen Kalksteinblöcken gemauerten Apsis
AA-2008/1 Beiheft
338 Jahresbericht 2007 des DAI
Fels geschlagenes Pfostenloch. Der Eingang zum Haus befindet sich nahezu
im Zentrum der halbrunden Wand. Er wird durch zwei lange Kalksteinblöcke
flankiert. Apsidiale oder abgerundete Außenmauern sind häufig schon auf den
Luftbildern zu erkennen. Sie finden nun eine Bestätigung in dem Grabungsbefund.
Die Kombination von naturwissenschaftlichen Methoden und Grabungsergebnissen erlaubt es, die ökonomische Situation und damit die Funktion dieser Siedlungen, näher zu beleuchten. So gelang mit einem in der Archäologie
neuartigen bodenkundlichen Analyseverfahren der Nachweis von aufgestalltem Vieh auf den zentralen Plätzen der Siedlungen über die Reaktivierung von
keratinzersetzenden Mikropilzen (Abb. 41).
Abb. 41 Kislovodsk (Russische Föderation), Kabardinka 2. Keratinzersetzende
Mikropilze belegen die Anwesenheit von
Vieh im Siedlungsareal
Kooperationspartner: Archäologisches Institut der Russischen Akademie
der Wissenschaften in Moskau (D. S. Korobov); Denkmalpflegeorganisation
»Nasledie«, Stavropol’ (A. B. Belinskij) • Förderung: DFG; Russische Stiftung
für Geisteswissenschaften • Leitung des Projekts: S. Reinhold, D. S. Korobov
• Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: A. V. Borisov, S. Peters (Bodenkunde),
E. Antipina (Archäozoologie), E. Lebedeva (Archäobotanik), J. Fassbinder (Magnetik), S. V. Merkulov (Georadar) • Abbildungsnachweis: S. Reinhold (Abb.
37–40); A. Borisov (Abb. 41).
Das Kurgangräberfeld Ergeninskij,Teilrepublik Kalmykien (Russische Föderation)
Die Teilrepublik Kalmykien liegt im Bereich des südosteuropäischen Steppengürtels. Geringe industrielle Tätigkeit, sporadischer Ackerbau zusammen mit
einer dünnen Besiedlung führten zu der hervorragenden Erhaltung von Kurganen, die sich hauptsächlich entlang den Abhängen der Ergeni-Erhebung in
langen Ketten erstrecken.
Das Kurgangräberfeld Ergeninskij befindet sich etwa 90 km nördlich der
˙
Hauptstadt Elista.
Die Kurgane ziehen sich, nahezu der Nord-Süd-Richtung
folgend, an einem der Ausläufer der Ergeni-Erhebung hoch. Aufgrund ihrer
Anlage wird das Gräberfeld in drei Bereiche – einen südlichen, einen mittleren
und einen nördlichen Bereich – gegliedert.
In den 1980er Jahren fanden bereits archäologische Untersuchungen von
12 Kurganen im mittleren Bereich statt, sie erbrachten eine bis zu diesem Zeitpunkt nicht bekannte hohe Dichte von Primärgräbern der Katakombengrabkultur. Unsere Ausgrabungen setzten an den alten Forschungen mit dem Ziel
an, mehrere Kurgane mit modernsten Techniken sowie Methoden zu untersuchen.
AA-2008/1 Beiheft
Eurasien-Abteilung 339
Direkt südlich an den Altgrabungen im mittleren Bereich liegen die Kurgane Nr. 13 und 14, von denen Nr. 14 bereits letztes Jahr vollständig untersucht
worden ist.
Der Kurgan Nr. 13 enthält insgesamt 10 Gräber, wobei zwei nicht zur Katakombengrabkultur gehören. Alle katakombengrabzeitlichen Gräber wurden
in den anstehenden Boden eingetieft, die Hügelaufschüttung erfolgte dabei in
zwei Phasen. Im Westschnitt sind zwei Gräber untersucht worden, die beide
der zweiten Aufschüttungsphase zuzuordnen sind.
Das Grab 2 erwies sich als Doppelgrabanlage, bestehend aus einer Mehrfachbestattung sowie einem Kenotaph, zu denen ein Eingangsschacht hinabführte (Abb. 42). In der linken Grabkammer lagen nebeneinander ein großes
Abb. 42 Ergeninskij (Russische Föderation), Kurgan 13. Grab 2, Eingangsschacht.
Links: Kammer 1; rechts: Kammer 2
und ein kleines Individuum, in Hocklage ist der Schädel jeweils nach Süden
orientiert. Auf und um das große Individuum fanden sich zahlreiche Perlen
unterschiedlicher Größe und Form aus verschiedenen Materialien, darunter
Karneol. Auf der rechten Schläfe lagen zwei einfache, miteinander verbackene
Schläfenringe aus Silber (Abb. 43). Zum weiteren Inventar des Grabes gehörten ein großes kürbisförmiges Gefäß mit Gießspuren sowie ein blattförmiger
Dolch. In der rechten Grabkammer wurden mittig Tierknochen und die Reste eines Holzgefäßes vorgefunden. Daneben lag ein kleineres kürbisförmiges
Gefäß (Abb. 44). Ein bronzener Pfriem und eine Pfeilspitze ergänzten das
Fundspektrum. Menschliche Überreste konnten in der rechten Grabkammer
nicht nachgewiesen werden.
Ergeninskij (Russische Föderation),
Kurgan 13. Grab 2
Abb. 43 Schläfenringe, die auf dem
Schädel des Toten gefunden wurden
Abb. 44 Kürbisförmiges Gefäß aus
Kammer 2
43
AA-2008/1 Beiheft
44
340 Jahresbericht 2007 des DAI
46
Ergeninskij (Russische Föderation),
Kurgan 13. Grab 3
Abb. 45 Detail eines Rades und Wagenkastenfragment
Abb. 46 Rückseite des südwestlichen
Rades mit Nabe nach Blockbergung
45
Im Eingangsschacht des Grabes 3 wurden die Überreste eines vierrädrigen
Wagens angetroffen. Erhalten haben sich drei Räder, Reste des Wagenkastens
und in bzw. auf ihm eine mächtige Schilfschicht (Abb. 45).Teilweise nicht entrindetes Holz mit groben Bearbeitungsspuren und Naben ohne ein Achsenloch (Abb. 46) deuten hier auf ein rituelles Gefährt. In der Grabkammer lag auf
der linken Seite ein Individuum mit dem Schädel im Süden (Abb. 47). Auf und
um das Skelett herum befanden sich zahlreiche, farbige Stoffreste. Besonders
interessant war der Fund von drei Perlenreihen aus Glaspaste- und Bronze-
48
Ergeninskij (Russische Föderation),
Kurgan 13. Grab 3
Abb. 47 Eingangsschacht nach Entnahme der Wagenreste und die
Grabkammer
Abb. 48
Schädel mit Stoffresten und drei Perlenreihen in situ
47
AA-2008/1 Beiheft
Eurasien-Abteilung 341
Abb. 49 Ergeninskij (Russische Föderation), Kurgan 13. Grab 3. Bronzedolch mit
typischer gestufter Klinge
perlen in situ entlang den Schläfen, die bis zum Kammerboden reichten (Abb.
48). Zu den Beigaben zählen ein großes kürbisförmiges Gefäß mit Gießspuren,
Reste eines Holztabletts und eines kleinen Holzbechers. Ein Dolch aus Bronze
(Abb. 49) lag dabei auf dem Holztablett.
Nach den bisherigen Ergebnissen der 14C-Datierungen lassen sich die Gräber der Katakombengrabkultur, deren regionale Ausprägung als Ost-ManyčKultur bezeichnet wird, in die 2. Hälfte des 3. Jts. v. Chr. einordnen.
Kooperationspartner: Kalmykisches Institut für Geisteswissenschaften der
˙
Russischen Akademie der Wissenschaften in Elista
(M. A. Očir-Gorjaeva) •
Förderung: BMBF • Leitung des Projekts: K. B. Malek, S. Hansen • Abbildungsnachweis: K. B. Malek (Abb. 42–49).
Aruchlo (Georgien)
Im Verlauf des 6. Jts. v. Chr. breitete sich die bäuerliche Lebensweise bis in die
Kaukasusregion aus. Auf welchem Wege dies geschah und wie die Bauern ihre
wirtschaftlichen Strategien an die spezifischen Umweltbedingungen anpassten,
wird seit zwei Jahren durch die Grabungen in dem Siedlungshügel Aruchlo
(ca. 50 km südwestlich von Tbilisi) erforscht. Besonderes Augenmerk ist dabei
auf die Hausarchitektur gerichtet. Der Siedlungsplan lässt zahlreiche sich überlappende Rundbauten erkennen, die unterschiedlichen Bauphasen angehören.
Die Klärung der zeitlichen Abfolge und der zu den jeweiligen Gebäuden gehörenden Fundinventare ist die Voraussetzung für die Untersuchung der einzelnen Haushalte als Wirtschaftseinheiten. In diesem Jahr konnte zusätzlich zu
den vier bestehenden in vier weiteren Flächen gearbeitet werden.
Für die Herstellung der unterschiedlich großen Lehmziegel wurde sowohl
ein heller gelber als auch ein dunkler brauner Lehm verwendet (Abb. 50. 51),
50
Aruchlo (Georgien)
Abb. 50 Fläche L, dunkle Lehmziegelmauer mit Erneuerung
(linker Bildrand)
Abb. 51 Fläche M, kleiner und großer zusammengehöriger
Rundbau
51
AA-2008/1 Beiheft
342 Jahresbericht 2007 des DAI
der direkt am Ort abgebaut werden konnte. Insbesondere die dunkelbraunen
Ziegel sind im umgebenden dunklen Sediment nur sehr schwer zu erkennen.
Umso erfreulicher ist es, dass mehrere dunkle Mauern nachgewiesen werden
konnten, welche häufig auch Erneuerungsmaßnahmen erkennen lassen (Abb.
50).
In Fläche M wurde in der Nordwestecke ein Teil eines kleinen Rundbaus
erfasst. Dieser besteht aus dunklen Ziegeln, die in ein helles Bindemittel verlegt wurden. Über einer annähernd kreisrunden, ›pylonartigen‹ Verdickung ist
ein größerer Mauerring angeschlossen, der zu einem im Durchmesser ca. 6 m
großen Bau gehört haben dürfte (Abb. 51). Er bindet – wie von Osten aus
anhand der durchlaufenden Horizontalfugen zu erkennen ist – in den kleineren Rundbau ein, so dass er zusammen mit diesem angelegt wurde. Bereits im
Vorjahr wurde ein aus einem kleineren (Durchmesser ca. 2 m) und aus einem
größeren Rundbau bestehender Gebäudekomplex freigelegt. Möglicherweise
ist hier erstmals ein Gebäudetypus fassbar, der aus mindestens zwei funktional
52
Aruchlo (Georgien)
Abb. 52
Fläche L, großer Mauerring
Abb. 53 Fläche K, Reste des Mauerrings
und Verfüllung des Gebäudes mit großen
Arbeitssteinen
53
unterschiedlichen Einheiten bestand. Auch in einem anderen Fall dürfte der
erhaltene Mauerring zu einem Gebäude gehört haben, das eine Größe von bis
zu sechs Metern aufweist (Abb. 52).
In Fläche K konnte der Rest eines zusätzlichen größeren Mauerringes freigelegt werden, innerhalb dessen eine Vielzahl von Mühlen sowie weitere Steine, die im neolithischen Haushalt eine Rolle spielten, gefunden wurden. Da
die Unterleger der Mühlen mit der Arbeitsfläche nach unten lagen, waren sie
nicht mehr in Gebrauch, sondern wurden bei der Verfüllung des Gebäudes
hier abgelegt (Abb. 53). In der gesamten Siedlung sind natürliche Flussgerölle,
die aber aufgrund ihrer Form bewusst ausgewählt wurden, für verschiedene
Tätigkeiten verwendet worden, wie die polierten sowie teilweise glänzenden
Oberflächen erkennen lassen (Abb. 54). Zu den herausragenden Funden zählt
ein Keulenkopf, der im Zwickel zweier Mauern gefunden wurde und bislang
keine Parallelen in vergleichbaren Siedlungen der ›Šulaveri-Šomutepe-Gruppe‹
besitzt (Abb. 55).
Der gesamte von der Grabung erfasste Bereich ist durch große, vermutlich
eisenzeitliche Vorratsgruben gestört. In den Gruben finden sich eine lockere,
stellenweise stark aschehaltige Füllung sowie wenige Gefäßfragmente und Tierknochen. Bemerkenswert ist ein Steingegenstand in Form eines einschneidigen Messers, allerdings mit stumpfer ›Schneide‹ (Abb. 56).
AA-2008/1 Beiheft
Eurasien-Abteilung 343
Aruchlo (Georgien)
Abb. 54 Flussgerölle, die als Werkzeuge
verwendet wurden (M. 1 : 4)
Abb. 55
Keulenkopf (M. 1 : 2)
Abb. 56 Steinobjekt in Form eines
Hiebmessers (M. 1 : 4)
54
55
56
Kooperationspartner: »Otar-Lordkipanidze-Institut für Archäologische
Forschung« des Staatlichen Historischen Museums von Georgien, Tbilisi
(G. Mirzchulava) • Leitung des Projekts: S. Hansen • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: K. Bastert (Keramik), N. Benecke (Archäozoologie), I. Gatsov,
P. Nedelcheva (Steingeräte), R. Neef (Archäobotanik) • Abbildungsnachweis:
S. Hansen (Abb. 50–56).
Tachti Perda (Georgien)
Kachetien, der östlichste Landesteil Georgiens, bildet eine große, von den Flusssystemen Iori im Süden und Alazani im Norden gegliederte, an fruchtbaren Böden und Rohstoffen sowie archäologischen Quellen reiche Siedlungskammer,
durch die wichtige Verkehrswege verlaufen, welche die eurasischen Steppen
nördlich des großen Kaukasusgebirges mit den Ländern Klein- und Mittelasiens verbinden. Somit ist diese Landschaft für übergreifende archäologische Fragestellungen, wie z. B. die nach Ausnutzung und Verteilung der in Kaukasien
reichlich vorhandenen Rohstoffe (Metallerze sowie Obsidian) oder nach den
Wechselbeziehungen zwischen den kaukasischen Völkern und ihren Nachbarn
im Altertum, besonders während der Bronze- und frühen Eisenzeit (3.–1. Jt.
v. Chr.), geradezu prädestiniert. Die archäologische Erforschung des Siedlungsplatzes Tachti Perda nahe der Kreisstadt Dedopliscqaro diente daher neben der
Klärung chronologischer Probleme auch dieser Fragestellung. Die bisherigen
mittels Ausgrabung, Prospektion und geophysikalischer Messungen gewonnenen Informationen erweisen den Siedlungsplatz als – zumindest während der
älteren Eisenzeit (ca. 1. Drittel des 1. Jts. v. Chr.) – in eine Ober- und Untersiedlung gegliedert. Außerdem konnte an dem nordwestlichen Rand des SiedAA-2008/1 Beiheft
344 Jahresbericht 2007 des DAI
lungsareals das zur Siedlung gehörende Gräberfeld lokalisiert werden. Nach
einer Vorkampagne im Frühjahr, die neben der Fundaufnahme insbesondere
einer weiteren geomagnetischen Vermessung in einem Areal östlich des Gräberfeldes und nördlich der Siedlung diente, wurde in der Sommerkampagne
an mehreren Abschnitten gleichzeitig gearbeitet.
Infolge neuerer erheblicher Zerstörungen sowie Beraubungen im Bereich
des Gräberfeldes wurde in einem noch ungestörten Areal der Nekropole ein
Grabungsschnitt angelegt (Abb. 57). Dadurch konnten einerseits die geomagnetischen Vermessungen verifiziert, andererseits 36 Grabbefunde in situ beobAbb. 57 Tachti Perda (Georgien), mehrschichtiger Siedlungsplatz der Bronzeund Eisenzeit. Rechts unten der Bereich
des Gräberfeldes unmittelbar beim Dorf
Tavcqaro
achtet und dokumentiert werden. Es handelte sich um teilweise schon im Altertum gestörte Körperbestattungen, die als Rechts- bzw. Linkshocker beigesetzt worden waren. In dem von uns untersuchten Bereich war ein auffällig
hoher Anteil an reich mit Keramik, Bronze- und Karneolschmuck etc. ausgestatteten Kinderbestattungen festzustellen (Abb. 58). Aufgrund der vorgefundenen Grabkeramik lässt sich dieser Teil der Nekropole in das 7./6. Jh. v. Chr.
datieren (Abb. 59).
58
Tachti Perda (Georgien), Gräberfeld
Tavcqaro
Abb. 58 Kindergrab mit reichen Beigaben
an Keramik und Schmuck
Abb. 59 Beispiele für die Grabkeramik des
7. Jhs. v. Chr.
59
AA-2008/1 Beiheft
Eurasien-Abteilung 345
In dem nordöstlich des Hügels vorgelagerten Terrain wurden mehrere
Sondagen angelegt, um die nach der geophysikalischen Prospektion vermuteten baulichen Strukturen zu überprüfen. Dabei konnten eine Kulturschicht,
ein Grubenhaus sowie mehrere Gruben erfasst werden, die aufgrund ihrer
Funde – insbesondere der rottonigen Keramik – gleichfalls in das 7./6. Jh.
v. Chr. zu datieren waren. Auf dem Siedlungshügel wurde im Nordwesten
eine gut erhaltene Steinmauer beobachtet, die im rechten Winkel zur eigentlichen Umfassungsmauer steht (Abb. 60). Da sich an dieser Stelle zudem eine
Erhebung befindet, könnte es sich um die Fundamentierung eines Turmes
Abb. 60 Tachti Perda (Georgien), Mauer
und Mauerversturz an der Westkante des
Siedlungshügels
oder einer Aussichtsplattform handeln. Dies ist ebenso wie die genaue Datierung dieser Architektur jedoch noch zu klären. Im Bereich der Hauptfläche
auf dem Hügel wurde ein weiterer lehmziegelartiger, sekundär verbrannter
Versturz im rückwärtigen Bereich der bronzezeitlichen Mauer nachgewiesen.
Zudem zeigte sich hier in einem Zwischenprofil eine Verwerfung innerhalb
eines bronzezeitlichen Schichtenpaketes, die wohl auf abgerutschte hangseitige Bauten oder ein seismisches Ereignis zurückzuführen ist.
Die archäozoologische Untersuchung der Tierknochenfunde zeitigte als
vorläufiges Ergebnis die Dominanz von Haustieren (kleine und große Wiederkäuer), wodurch die bisherigen Forschungsannahmen einer stärker viehzüchterisch orientierten Lebensweise während der Bronzezeit und älteren Eisenzeit
gestützt werden.
Die Auswertung der Luftbilder sowie Prospektionen im Gelände scheint
auch zu bestätigen, dass Tachti Perda während der Spätbronzezeit eine bedeutende, wenn nicht die zentrale Siedlung in dieser Mikroregion gewesen ist.
Kooperationspartner: »Otar-Lordkipanidze-Institut für Archäologische
Forschung« des Staatlichen Historischen Museums von Georgien (K. P’ic’xelauri) • Leitung des Projekts: I. Motzenbäcker • Mitarbeiter: M. Ullrich (DAI,
Eurasien-Abteilung); M. Hochmuth (DAI, Zentrale, Naturwissenschaftliches
Referat) • Abbildungsnachweis: B. Song (Abb. 57); DAI, Eurasien-Abteilung,
I. Motzenbäcker (Abb. 58–60).
ArismŒn (Iran)
Seit dem Abschluss der ersten Phase der Feldarbeiten in dem Projekt »Früher
Bergbau und Metallurgie auf dem zentraliranischen Plateau« im Jahr 2004, bei
AA-2008/1 Beiheft
346 Jahresbericht 2007 des DAI
denen Untersuchungen zur Verarbeitung von Kupfer und Silber im 4. bis 3. Jt.
v. Chr. im Umkreis der prähistorischen Metallhandwerkeransiedlung ArismŒn
in der Provinz Isfahan stattfanden, werden die Ergebnisse dieser Forschungen
ausgewertet und zur abschließenden Publikation vorbereitet. Die Auswertungen erlauben es nun, die Entwicklung der Kupferverarbeitung seit der Mitte
des 4. Jts. v. Chr. genauer nachzuzeichnen. Dabei ist insbesondere der Übergang von der Tiegelverhüttung von Kupfer, die noch in der Mitte des 4. Jts.
v. Chr. üblich war, zur Verhüttung in geschlossenen Öfen ab dem Beginn des
3. Jts. v. Chr. deutlich zu fassen. Damit ist die technologische Entwicklung in
ArismŒn klar mit zeitgleichen Neuerungen in Jordanien zu parallelisieren. Aus
den überregionalen Vergleichen wird zudem ersichtlich, dass die seit der Mitte
des 4. Jts. v. Chr. bestehende Einbindung von ArismŒn in ein auf Khuzestan sowie Mesopotamien orientiertes Handelsnetz mit Beginn des 3. Jts. v. Chr. eine
Neuorientierung erfährt, in der die intermontanen Täler des Zagros und das
Vorgebirge (piedmont-Zone) sich als wichtigste Interaktionsbereiche etablieren
(Abb. 61).
Kooperationspartner: Iranische Behörde für kulturelles Erbe, traditionelles
Handwerk und Tourismus (ICHTTO), Abteilungen: Forschungszentrum für
die Konservierung von Kulturgütern (RCCCR), Iranisches Zentrum für Archäologische Forschung (ICAR); Geologischer Survey des Iran (GSI); CurtEngelhorn-Zentrum für Archäometrie Mannheim (E. Pernicka); Deutsches
Bergbau-Museum Bochum (T. Stöllner) • Leitung des Projekts: B. Helwing,
A. Vatandoust.
Abb. 61 Arismān (Iran), Gussformen für
Schaftlochäxte (rechts, Mitte 4. Jt. v. Chr.)
und Flachäxte (links, um 3000 v. Chr.)
Herat (Afghanistan), Areia Antiqua
Die Provinz Herat im Westen Afghanistans und ihre Hauptstadt haben eine
lange, von politischen Turbulenzen und Blütezeiten geprägte Geschichte. Die
Region ist bereits in achämenidischen Keilschrifttexten als Satrapie erwähnt,
Alexander der Große hatte auf seinem Indienfeldzug die Stadt erobert und
wiederaufgebaut. Später immer wieder belagert und zerstört, war sie seit dem
11. Jh. n. Chr. aber auch Sitz von Statthaltern und nach 1409 Residenz der
Timuriden.
Das Projekt widmet sich der archäologischen Erforschung dieser Geschichte
und leistet einen Beitrag zum Erhalt des Kulturerbes in der Region; ein weiteres Anliegen ist die Ausbildung afghanischer Kollegen in diesem Arbeitsgebiet.
Seit dem Abschluss der von 2004 bis 2006 durchgeführten Dokumentation
von Fundorten und Denkmalen in der Provinz konzentrierten sich die Untersuchungen in diesem Jahr auf die Zitadelle, in der das DAI seit 2005 arbeitet.
Die fast 20 m hohe Befestigung Qala’ e Ikhtyaruddin liegt am nördlichen
Ende der Altstadt (Abb. 62). Die von 1976–1979 restaurierte Anlage mit 16 m
hohen Befestigungsmauern und 18 Türmen verlor erst zu Beginn des 20. Jhs.
ihre herausragende militärische Bedeutung. Die heutige Form geht in das 17./18.
und 15. Jh. zurück, sie gilt jedoch auch als Gründung Alexanders des Großen.
Die Arbeiten in Schnitt 1 im oberen Hof wurden fortgesetzt. In 5 m Tiefe
kamen dabei in dem Lehmmassiv erstmals vereinzelte Fugen zutage. Etwas tiefer
zeichneten sich in dem sehr kompakten Substrat zwei breite Lehmziegelmauern sowie einige Ascheschichten, eine Feuerstelle und ein Fußboden ab (Abb.
63). Das Stampflehmmassiv (C) setzte sich darunter fort, jedoch wurden nun
große Lehmziegel (60–62 cm × 30 cm × 8 cm) verwendet. Die mehrfach ausgebesserte und erweiterte Struktur wurde bis zu einer Tiefe von 6,50 m unter
der Oberfläche (925,10 m ü. NN) verfolgt. Aus den Ascheschichten stammen
zahlreiche Funde, darunter eine Pfeilspitze aus Bronze. Typische KeramikforAA-2008/1 Beiheft
Eurasien-Abteilung 347
Abb. 62 Herat (Afghanistan), Areia
Antiqua. Qala’ e Ikhtyaruddin, Ansicht von
Westen, mit Unter- und Oberburg
Herat (Afghanistan), Areia Antiqua. Schnitt 1
Abb. 63 Sondage mit Schuttschichten,
Lehmmassiv und Ziegelmauern. Blick nach
Osten
Abb. 64 Achämenidischer Topf aus den
Ascheschichten
63
64
AA-2008/1 Beiheft
men sind s-förmige Schalen und Becher (Abb. 64). Vergleichsfunde datieren
in die achämenidische bis parthische Zeit. Diese Datierung wird durch drei
AMS-Messungen, die in das 8.–6. Jh. v. Chr. (cal) fallen, bestätigt. Damit konnte
erstmals der Nachweis für eine prähistorische Besiedlung erbracht werden.
348 Jahresbericht 2007 des DAI
Am Nordhang der Zitadelle wurden zwei neue Areale eröffnet, um dort die
Baufolge und Gestaltung der Anlage und möglicher Vorgängerbauten zu untersuchen. Terminus ante quem ist ein um die ganze Zitadelle verlegtes Steinglacis,
das wie Teile der Mauer und Türme in die Timuridenzeit datiert wurde. Die
Säuberung und Absenkung eines alten Schnittes auf 4,50 m unter der Oberfläche (mit einer Profilhöhe von 12 m) hat gezeigt, dass dieses Glacis auf 1 m
mächtigen, nach Süden hin ansteigenden Geröllschichten gründet. Diese ruhen auf einer Lehmmauer, die Bau B in Schnitt 1 entspricht und ebenfalls in
das 12./13. Jh. datiert. Sie ist somit als Teil des äußeren Befestigungswalls zu
verstehen, steht jedoch nur 2,50 m hoch an, darunter folgen weitgehend sterile
Sand- und Lehmbänder, die auf Bewässerung zurückzuführen sind. Damit ist
nachgewiesen, dass eine aus Lehm errichtete Wallanlage aus vortimuridischer
Zeit bestand, die zumindest im Norden annähernd gleiche Dimensionen besaß. Alle älteren Bauten waren kleiner, zudem zeigt die Schichtung, dass die
Festung nicht auf einer natürlichen Erhebung steht.
Hinsichtlich der Gestaltung des anschließend aus gebrannten Ziegeln errichteten Baus liefern die Arbeiten im Bereich des Nordtores neue Erkennt-
Abb. 65 Herat (Afghanistan), Areia
Antiqua, Schnitt 3, Blick über den Turm mit
Ziegeldekor und Steinglacis nach Osten
AA-2008/1 Beiheft
Eurasien-Abteilung 349
Abb. 66 Herat (Afghanistan), Areia
Antiqua, Schnitt 3. Chinesisches Porzellan
(oben rechts) und Imitationen, 14.–15. Jh.
(M. 1 : 3)
nisse (Schnitt 3). Hier kamen ein der Mauer vorgelagerter (Ost-)Turm sowie
zahlreiche Funde ans Tageslicht (Abb. 65. 66). Der Turm ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Im Zentrum ist das in Ringschichten verlegte Ziegelwerk bis zum Boden des Innenraumes erhalten und die Außenmauern stehen
noch bis zu 2 m hoch an. Der Turm besitzt ein 3 m hohes Fundament, welches
nachträglich mit großen Steinen verkleidet wurde. An der Ostseite sind eine
Fassadenverkleidung aus blau, türkis oder weiß glasierten und unglasierten Ziegeln sowie ein Sandsteinfries als unterer Abschluss dieser Dekorzone erhalten.
Neben dem restaurierten ›Timuridenturm‹ ist dies die einzige Stelle mit Fassadendekor im Originalzustand. Abdrücke im Stuck zeigen, dass auch eine kleine Quermauer, welche die beiden Türme verbindet, im oberen Bereich verziert war. Diese und eine zweite Mauer im Norden werden als Widerlager einer Brücke, die einen Wassergraben überspannte, interpretiert.
Die Baufolge lässt sich jetzt wie folgt rekonstruieren: Der Turm und die Brücke bestanden gleichzeitig, aber die Verkleidung des Turmfundaments erfolgte
später. Das Steinglacis verdeckt erhebliche Teile der Fliesenverkleidung und ist
deutlich jüngeren Datums. Auch die Frage nach dem Zeitpunkt des Neubaus
der Festung mit gebrannten Ziegeln und Ziegeldekor konnte geklärt werden,
denn im Turm verbaute Hölzer datieren diesen eindeutig in das frühe 15. Jh.,
also in die Zeit Shah Rukhs. Das Steinglacis ist daher posttimuridisch. Möglicherweise wurde es bei einem Ausbau der Zitadelle mit Neubau der Türme und
Befestigungsmauer im späten 17. oder im 18. Jh. verlegt. Zu dieser Zeit wurde
auch der Eingang nach Westen verlagert, das alte Tor zugesetzt und der Vorbereich verschüttet. Bis dahin waren die zwei den Eingang flankierenden Türme
und der Zugang mit Brücke und Wassergraben repräsentative Bauelemente
der Nordfassade.
Im kommenden Jahr soll das Areal vollständig geräumt und die Architektur
konserviert werden, um den monumentalen Charakter wiederherzustellen.
Kooperationspartner: National Institute of Archaeology in Afghanistan,
Ministerium für Information und Kultur, Kabul; Department of Monuments
and Sites Herat, Ministerium für Information und Kultur, Kabul; Institut für
Orient- und Asienwissenschaften der Friedrich-Wilhelm-Universität Bonn
• Förderung: Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland • Leitung
des Projekts: U. Franke • Mitarbeiter: A. Ayomuddin, Th. Urban, A. Lange,
N. Mohammad, N. Siddiqui, M. Yoshida • Abbildungsnachweis: D-DAIEA-Hr01 QI HE06_09_08 P, U. Franke (Abb. 62); D-DAI-EA-Hr01 QI 1a
HE07_08_22 P08, U. Franke (Abb. 63); D-DAI-EA-Hr01 QI 1a_090 HE06
P02, A. Lange (Abb. 64); D-DAI-EA-Hr01 QI 3 HE07_09_08 P74,Th. Urban
(Abb. 65); D-DAI-EA-Hr01 QI 3_3020 HE07 P45, Th. Urban (Abb. 66).
Džarkutan (Uzbekistan)
Der aus einem ca 50 ha großen Siedlungsbereich und mehreren Nekropolen
bestehende Fundplatz Džarkutan befindet sich in der süduzbekischen Surchandar’japrovinz. Zusammen mit den beiden ebenfalls in der Surchandar’jarprovinz
liegenden Fundplätzen Sapalli-Tepe und Pašchurt ist er in der älteren Besiedlungsphase (Spätbronzezeit I, ca. 20.–18. Jh. v. Chr.) eng mit den bronzezeitlichen Kulturen Turkmenistans sowie Nordafghanistans verbunden. Für diese
auch unter dem Sammelbegriff Baktro-Margiania Archäologischer Komplex
(BMAC) zusammengefassten spätbronzezeitlichen Kulturen des südlichen
Zentralasiens sind enge Beziehungen nach Süden nachgewiesen. Dies belegen
entsprechende Funde zentralasiatischer Provenienz im südlichen Afghanistan,
Nordostiran, Kerman, Balučistan und in der Golfregion. In der anschließenden
bis etwa zur Mitte des 2. Jts. v. Chr. reichenden jüngeren Besiedlungsphase
AA-2008/1 Beiheft
350 Jahresbericht 2007 des DAI
Abb. 67 Džarkutan (Uzbekistan), scheibengedrehte Keramik der Siedlung
68
69
(Spätbronzezeit II) verstärken sich dagegen die Verbindungen in das östlich anschließende südtadžikische Gebiet, während Kontakte nach Süden kaum noch
nachzuweisen sind.
Džarkutan ist damit einer der wenigen Fundplätze im südlichen Zentralasien, der eine ununterbrochene Sequenz dieses spätbronzezeitlichen Zeitabschnittes liefert und eine Klammer zwischen den erwähnten Regionen bildet.
Die chronologische Abfolge beruhte dabei bislang vorwiegend auf Grabfunden. Auf der Basis einer repräsentativen, stratifizierten Keramikdatenmenge
der Siedlung wird eine solche Abfolge nun parallel für die Siedlung erstellt.
In der Kombination von Siedlung und Gräberfeldern bietet Džarkutan zudem die Möglichkeit des direkten Materialvergleiches dieser beiden Quellengruppen. Dabei zeigt sich, dass ein Großteil der auf der Töpferscheibe gedrehten Keramikformen sowohl in der Siedlung als auch in den Gräbern vertreten ist (Abb. 67). Die für die Gräber der Spätbronzezeit I charakteristischen
konischen Becher und Standfußschalen sind auch die am häufigsten in der
Siedlung nachgewiesenen Formen dieser Zeit. Einige Formen sind jedoch
ausschließlich im Siedlungsbereich anzutreffen und gelangten nicht in die Gräber. Dies gilt etwa für die ritzverzierten und mit fensterartigen Wanddurchbrüchen versehenen Gefäßständer (Abb. 68), die in den jüngeren Abschnitt der
Spätbronzezeit datieren und bislang nur in der Siedlung gefunden wurden.
Nicht auf der Töpferscheibe gedrehte, sondern mit der Hand geformte grobe Gefäße, die als Kochgeschirr dienten, sowie die ebenfalls handgeformten
Räuchergefäße (Abb. 69) erscheinen ebenfalls nur in der Siedlung. Auch bestimmte Formen der Verzierung, wie die mit einem kammartigen Instrument
ausgeführten Stempelreihen, sind bislang – wenn auch sehr selten – nur auf
70
Džarkutan (Uzbekistan)
Abb. 68 Gefäßständer, diese Objekte
ohne Boden und mit durchbrochener
Wandung dienten als Untergestell für
andere bauchige Gefäße (H 20 cm)
Abb. 69 Räuchergefäß (Bodendurchmesser 9,50 cm), das grobe Gefäß weist
im unteren Bereich runde Wanddurchlochungen auf. Da sich im Inneren dieser
Gefäße Brandspuren fanden, wurden sie
bisher als Kultgefäße im Rahmen von
›Feuerzeremonien‹ angesprochen
Abb. 70
Keramikscherbe mit Stempelzier
AA-2008/1 Beiheft
Eurasien-Abteilung 351
Siedlungskeramik nachgewiesen (Abb. 70). Da diese Art der Verzierung typisch für die Tazabag’jab-Kultur des nördlichen Uzbekistans ist, ergeben sich
hier auch Verbindungen nach Norden, die sich anhand der Grabkeramik bislang nicht nachweisen ließen. Interessant ist, dass sich diese Zier auf Gefäßen
lokaler Produktion findet. Daneben erscheint aber auch handgemachte, verzierte Keramik direkt aus dem Umfeld des Andronovokreises. Allerdings ist
deren Anteil sehr gering.
Kooperationspartner: Academy of Sciences of Uzbekistan, Institute of
Archaeology • Leitung des Projekts: D. Huff, Š. Šaidullaev (Samarkand) •
Mitarbeiter: M. Teufer (Bearbeitung der Siedlungskeramik) • Abbildungsnachweis: DAI, Eurasien-Abteilung, D. Huff (Abb. 67–70).
Bandixon, Provinz Surchandar´ja
(Uzbekistan)
Abb. 71 Bemalter Pokal der Jaz-I-Zeit (2. Jt.
v. Chr.) vom Majdatepa
Abb. 72 Auswahl an Miniaturgefäßen der
Jaz-I-Zeit (2. Jt. v. Chr.) vom Majdatepa
71
AA-2008/1 Beiheft
Bandixon, Provinz Surchandar´ja (Uzbekistan)
Seit 2005 werden um Bandixon Untersuchungen an mehreren Siedlungshügeln fortgeführt, die in den 1970er Jahren begonnen wurden. In diesem Jahr
konnte die Arbeit am Majdatepa, Kindyktepa und Kaxramontepa fortgesetzt
werden. Es handelt sich um Fundorte des 2. Jts. v. Chr. bis zum 1. Jt. n. Chr.,
die innerhalb dieses Zeitraumes jeweils nur in einer begrenzten Phase genutzt
wurden und daher eine Klärung von zeitspezifischen architektonischen Befunden sowie Fundensembles erlauben. Die Grabungen waren in den vorangegangenen zwei Jahren am Majdatepa, Bektepa, Gazimullahtepa, Kindyktepa,
Jalangtuštepa und Kaxramontepa wieder aufgenommen worden, so dass jetzt
ein genereller Überblick besteht. Während der verschiedenen Zeitabschnitte
verlagerten sich die Siedlungsschwerpunkte innerhalb des Gebietes.
Die Grabungen auf dem Majdatepa am rechten Ufer des Urgul-Saj wurden fortgesetzt. Bekannt sind nunmehr Architekturschichten der Jaz-I-Zeit
(2. Jt. v. Chr.) mit fünf (Um-)Bauphasen. Die Architektur ist durchgehend planmäßig angelegt. Am wichtigsten ist die Erfassung einer größeren Anlage, die
mit der Wasserwirtschaft zusammenhängen dürfte. Es handelt sich um einen
großen Graben, der über die gesamte Schnittbreite (10 m) und in einer quer
dazu verlaufenden Ausdehnung von ca. 6 m bis in eine Tiefe von ca. 3,50 m
erfasst werden konnte. Durch einen kleineren Kanal ist diese Struktur direkt
mit den Lehmbauten verbunden. Im Repertoire der Keramik herrschen weiterhin die drei Hauptkategorien vor (1a. handgemachte Töpfe, Schalen, Deckel
und Miniaturgefäße, 1b. handgemachte Gefäße mit Bemalung [Abb. 71. 72],
72
352 Jahresbericht 2007 des DAI
Abb. 73 Bandixon, Provinz Surchandar´ja
(Uzbekistan), abstrakte Statuetten der Jaz-IZeit (2. Jt. v. Chr.) vom Majdatepa
2. Drehscheibenware, 3. handgemachte grobe Kessel). Bronzeobjekte und Steinartefakte gehören zum Inventar. Zu den wichtigsten neuen Funden zählen stark
abstrahierte Statuetten von Menschen (Abb. 73) sowie Perlen aus Glaspaste, die
beide erstmals für die Jaz-I-Zeit dokumentiert werden konnten.
Die Arbeiten am großflächig freigelegten Kindyktepa bestätigten einen gut
erhaltenen Repräsentationsbau der späten Jaz-III-Zeit (späte Achämenidenzeit, 4. Jh. v. Chr.; Abb. 74). Die Außenmauer ist 2,80 m dick und umschließt
einen Zentralraum von mindestens 14 m × 8 m Innenfläche, mit einem daneben liegenden schmalen Raum (Breite 2 m), der zahlreiche Gruben enthält.
Im zentralen Raum verläuft eine Rampe entlang der Südwand, die innerhalb
der Ecke zur Westwand in Stufen übergeht. An der Westwand, nach Norden
an die Rampe anschließend, befand sich ein erhöhter Bereich. Zur Raummitte hin standen – teils auf dem Podest, teils davor – vier Säulen aus Lehmziegeln. In ihrer Mitte lag eine große zentrale Feuerstelle. Analogien hierzu sind
derzeit nicht bekannt, so dass noch keine Angaben zum Zweck des Baues (Sitz
Abb. 74 Bandixon, Provinz Surchandar´ja
(Uzbekistan), Blick von Osten in den Zentralraum des Repräsentationsgebäudes vom
Kindyktepa (späte Achämenidenzeit,
ca. 4. Jh. v. Chr.)
AA-2008/1 Beiheft
Eurasien-Abteilung 353
eines Lokalfürsten oder Tempel?) gemacht werden können. Geringe Spuren
von Zerstörung und vereinzelte Menschenknochen weisen eventuell auf ein
gewaltsames Ende hin, das auf innere Auseinandersetzungen im Achämenidenreich oder aber auf die Feldzüge Alexanders des Großen in Asien zurückzuführen wäre. Das gesamte Gebäude wurde jedenfalls am Ende seiner Nutzung durch sehr harten Stampflehm verfüllt – regelrecht ›versiegelt‹.
An der kleinen frühmittelalterlichen (4.–5. Jh. n. Chr.) Festung des Kaxramontepa war 2005 eine Sondage durchgeführt worden. Nunmehr wurde nahezu das ganze Südwestviertel untersucht. Es ergab sich eine sorgfältig geplante
Anlage mit kleinen länglichen Räumen (derzeit sind acht ganz oder teilweise
freigelegt, jeweils mit einer Fläche von 3–4 m × 2 m), die beiderseits einer
Gasse angeordnet nicht direkt gegenüberliegende, sondern versetzte Eingänge aufweisen (Abb. 75). Die Räume sind unmittelbar an die Umfassungsmauer
gesetzt worden.Von der Gasse führen Stufen auf die Festungsmauer hinauf, die
ansonsten keine Durchbrüche besitzt. Die karg eingerichteten Räume hatten
Decken aus Tonnengewölben aus schräg gesetzten Lehmziegeln, deren untere
Abb. 75 Bandixon, Provinz Surchandar´ja
(Uzbekistan), Blick von Osten in die Räume
des Kaxramontepa (4.–5. Jh. n. Chr.)
Ansätze noch gut erhalten sind. Die ursprünglich sehr strenge Planung wurde
später durch Umbauten den Bedürfnissen angepasst. Jeder Raum enthielt bloß
wenige Funde, zumeist nur zwei bis drei Gefäße, was zusammen mit fehlenden
Anzeichen von Zerstörung für eine friedliche Aufgabe der Anlage spricht.
Kooperationspartner: O´zbekistan Badiiy Akademiyasi. San´atshunoslik
Ilmiy-Tadqiqot Instituti/Academy of Sciences of Uzbekistan, Fine Arts Scientific Research Institute, Taškent; Madaniyat va san´atni qo´llab-quvvatlash
jamg´armasi »Boysun«/The Culture and Art Support Fund »Boysun«, Taškent
• Leitung des Projekts: N. Boroffka, L. Sverčkov • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: M.-R. Boroffka, N. Narzikulov, V. Mokroborobov • Abbildungsnachweis: N. Boroffka (Abb. 71–75).
Votivpraxis im hellenistischen und kušanzeitlichen Baktrien
(Tadžikistan/Afghanistan/Uzbekistan)
Das antike Land Baktrien schließt den Süden des heutigen Tadžikistan sowie
Uzbekistan und den Norden Afghanistans ein. Es erstreckt sich in den Ebenen
des Oxus (heute Amudarja) sowie seiner nördlichen und südlichen Zuflüsse
AA-2008/1 Beiheft
354 Jahresbericht 2007 des DAI
(Abb. 76). Nach der Eroberung durch Alexander den Großen gehörte Baktrien
zur hellenistischen Welt. Es war in der Antike dicht besiedelt und weist eine bemerkenswerte Anzahl an Heiligtümern aus hellenistischer Zeit (3.–2. Jh. v. Chr.)
und der Kušanzeit (1.–3. Jh. n. Chr.) auf. Diese Heiligtümer und die dort gefundenen Votive (Weihgaben) spielen eine große Rolle für die Frage, ob es im
hellenistischen Osten auch auf religiösem Gebiet zu Verschmelzungsprozessen
zwischen der einheimischen und der griechischen Kultur gekommen ist.
In dem Forschungsprojekt zur Votivpraxis im hellenistischen und kušanzeitlichen Baktrien werden die in den Tempeln gefundenen Weihgaben sowie die
Art ihrer Niederlegung analysiert, um so Aufschluss über die dort wirksamen
religiösen Traditionen zu gewinnen. Damit verbunden ist eine diachrone, die
verschiedenen Zeitstufen überblickende Untersuchung der Zusammensetzung
der Votive.Was für Gaben wurden geweiht? Lassen sich Hinweise auf die in den
baktrischen Heiligtümern verehrten Gottheiten gewinnen? Verändert sich der
Charakter der Weihgaben von der hellenistischen Zeit bis in die Kušanzeit?
Zur Beantwortung dieser Fragen eignen sich besonders die Funde aus dem
Oxus-Tempel, der im heutigen Tadžikistan liegt. Im Zuge sowjetischer Ausgrabungen von 1976 bis 1991 waren dort mehrere Tausend Weihgaben entdeckt
worden, die teils bereits publiziert, teils im Rahmen des Projekts erstmals dokumentiert und katalogisiert wurden (Abb. 77–79). Ihre Untersuchung berücksichtigt nun auch die jeweiligen Fundkontexte, wodurch festgestellt werden konnte, dass zahlreiche der nach Form und Stil noch in graeco-baktrische
Zeit zu datierenden Weihgaben erst in der Kušanzeit im Heiligtum niedergelegt wurden. Dies zeigt, dass selbst nach der Eroberung Baktriens durch die nomadischen Yüeh-chi um 130 v. Chr. und der Etablierung der von den Nomaden abstammenden Kušan-Fürsten als Herren des Landes der Tempel sowie
die darin enthaltenen Weihgaben nicht geplündert und zerstört worden sind.
Abb. 76 Votivpraxis im hellenistischen
und kušanzeitlichen Baktrien (Tadžikistan/
Afghanistan/Uzbekistan), Blick in das Tal
des Kafirnighan, der in den Oxus (heute
Amudarja) mündet (Tadžikistan). Die Flussebenen des Oxus und seiner Zuflüsse sind
sehr fruchtbar und trugen zum einstigen
Reichtum Baktriens bei
AA-2008/1 Beiheft
Eurasien-Abteilung 355
77
78
Votivpraxis im hellenistischen und kušanzeitlichen Baktrien (Tadžikistan/Afghanistan/Uzbekistan), Oxus-Tempel (Tadžikistan)
Abb. 77 Pfeilspitzen aus Eisen. In den
Votivgruben wurden mehrere Hundert
Pfeil- und Lanzenspitzen sowie andere
Waffen gefunden
Abb. 78 Dolchscheidenbeschlag aus
Elfenbein mit einer Kampfszene (späthellenistisch). Aus dem Heiligtum stammen
zahlreiche Objekte aus Elfenbein, darunter
auch viel Rüstungszubehör
Abb. 79 Bronzene Armreifen und andere
Weihgaben. Sie wurden vor ihrer endgültigen Deponierung offenbar mit Absicht
verbogen und zerbrochen. Vergleichbare
absichtsvolle Zerstörungen von Votiven
waren auch in Olympia und anderen
griechischen Heiligtümern nachzuweisen
79
Offenbar wurde die Heiligkeit des Ortes über die Zeiten hinweg gewahrt und
die Autorität der verehrten Gottheit akzeptiert.
Altfunde, die aus bereits abgeschlossenen und – zumindest teilweise – publizierten Ausgrabungen stammen, werden unter neuen Fragestellungen betrachtet und ausgewertet, zudem wird für die Überprüfung der Arbeitshypothesen
mit vor Ort arbeitenden Kollegen kooperiert. So wurde bei den jüngsten, unter
tadžikischer Leitung durchgeführten Grabungen im Oxus-Tempel eine große
Grube mit zahlreichen Votiven und anderen aus dem Heiligtum stammenden
Objekten freigelegt, deren Inventar nun in die Untersuchung einbezogen wird
und dazu dienen kann, die bisherigen Ergebnisse zu überprüfen.
Kooperationspartner: Achmadi-Doniš-Institut für Geschichte, Archäologie
und Ethnographie der Akademie der Wissenschaften Tadžikistans in Dušanbe
(A. Družinina) • Leitung des Projekts: G. Lindström • Abbildungsnachweis:
Ph. Rott (Abb. 76); DAI, Eurasien-Abteilung, G. Lindström (Abb. 77–79).
Sohr Damb/Nal, Balučistan (Pakistan)
Der Siedlungshügel Sohr Damb/Nal – der Leitfundort der vorgeschichtlichen
Nal-Kultur – liegt im Hochland von Balučistan. Seit 2001 wurden ein Friedhof aus Periode I und Wohnbereiche aus den Perioden II und III freigelegt,
sie datieren in die Zeit von etwa 3800–2000 v. Chr. Der Ort wurde mehrfach
verlassen und zerstört, die Grab- und Rauminventare sind teilweise sehr gut erhalten, nur die vierte und letzte Periode ist stark erodiert. Die Grabungen vermitteln nicht nur Einblicke in Jenseitsvorstellungen, Lebensstandard, Technologie und Umwelt, sondern sind aufgrund weitreichender Beziehungen auch
AA-2008/1 Beiheft
356 Jahresbericht 2007 des DAI
für die Rekonstruktion der Wirtschafts- und Kulturgeschichte des indo-iranischen Grenzgebietes von Bedeutung.
In diesem Jahr konzentrierten sich die Arbeiten auf die Untersuchung der
Baustratigraphie. Zu diesem Zweck wurden alle Grabungsflächen gesäubert,
gegebenenfalls durch kleinere Sondagen nachuntersucht, noch nicht erfasste
Flächen aufgenommen, der Bauplan vervollständigt und die zu Periode III gehörige Architektur der Nordfläche mehreren Bauphasen zugeordnet. Darüber
hinaus konnten Luftaufnahmen des Tells und der Grabungsareale angefertigt
und die an der Oberfläche sichtbaren Mauerkronen kartiert werden (Abb. 80).
Die Auswertung der Baubefunde war mit einer Überprüfung und Vereinheitlichung der seit 2001 erstellten Profil- und Planazeichnungen sowie der Befunde verbunden.
Problematisch ist trotz der Erweiterung der Grabungsflächen nach wie vor
die Korrelation der Nordfläche mit Schnitt I, weil die beiden Areale aufgrund
der Erosion und der Aschepakete baustratigraphisch nicht verbunden sind. Da
die Schichten der Periode II aber direkt unter der Bebauung der Periode III
liegen, ist eine Zuordnung zu Periode III Phase 1 oder 2 wahrscheinlich. Diese Annahme wird durch bautechnische Indizien sowie die Keramikanalyse
untermauert. Typisch sind dicht aneinander gebaute Häuserreihen mit – teils
gepflasterten – Gassen und Wirtschaftsflächen (Abb. 81). Die Gebäude bestehen aus zwei bis drei großen Räumen. Die sorgfältig gesetzten Herdstellen,
ähnlich auch aus Mundigak, Shahr-e Sokhta und Nausharo bekannt, sind aufgrund der Befunde eher häuslichen als rituellen Aktivitäten zuzuweisen.
Weitere Schwerpunkte lagen bei der Dokumentation und Restaurierung
der Funde; alle noch im Grabungshaus befindlichen Kleinfunde sind nun vollständig erfasst. Die Keramikbearbeitung konzentrierte sich auf die umfangreichen Rauminventare der Periode III aus der Nordfläche. Die sehr gut erhalte-
Abb. 80 Sohr Damb/Nal, (Pakistan).
Luftaufnahme des Tells von Westen
AA-2008/1 Beiheft
Eurasien-Abteilung 357
Abb. 81 Sohr Damb/Nal, (Pakistan).
Schematischer Architekturplan, Schnitt I
und Nordfläche (M. 1 : 500)
nen Gefäße umfassen ein weites funktionales sowie typologisches Spektrum
und belegen die Vergesellschaftung unterschiedlicher Typen, für die Parallelen
im gesamten indo-iranischen Grenzgebiet zu finden sind. Bemerkenswert ist
eine Versiegelung aus Ton mit Textilabdrücken und Faserresten, wobei es sich
um den ersten Fund dieser Art aus Balučistan handelt – selbst im Industal sind
diese Objekte sehr selten (Abb. 82).
Auch die Oberflächenbegehung in der Umgebung konnte weitergeführt
werden. Sechs Fundorte aus der Zeit 3200–2600 v. Chr. und zwei Plätze aus
dem 1. Jt. (Abb. 83) wurden neu aufgenommen, alle sind durch Raubgrabun-
82
Sohr Damb/Nal, (Pakistan)
Abb. 82
Schnitt IX, Periode III. Gefäß-Versiegelung aus Ton (M. 1 : 1)
Abb. 83 Garrukh Dap (N34–2), Keramik aus Raubgrabungen im
Friedhof (2. Hälfte 1. Jt. v. Chr.)
83
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358 Jahresbericht 2007 des DAI
gen gestört. Damit erhöht sich die Zahl der Siedlungsplätze auf 40, es bleibt
jedoch bei einer 1500jährigen Lücke in der Besiedlungsgeschichte nach etwa
1900 v. Chr.
Kooperationspartner: Department of Archaeology & Museums, Government of Pakistan, Islamabad • Förderung: DFG • Leitung des Projekts:
H. Parzinger, U. Franke • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: St. Langer,
K. Schmidtner, A. Gubisch, A. Lange, I. Mitrofanow, C. Buquet (Anthropologie, CNRS Paris), N. Benecke, R. Neef (Archäozoologie, Archäobotanik,
DAI, Zentrale, Naturwissenschaftliches Referat) • Abbildungsnachweis:
D-DAI-EA-SD07 DrPh P01, U. Franke (Abb. 80); D-DAI-EA, Plan (Abb. 81);
D-DAI-EA-SD06 4142 06_73 P07, A. Lange (Abb. 82); D-DAI-EA-N34-2
Garrukh Dap P21, K. Schmidtner (Abb. 83).
Traditionelles Bauen und Wohnen der Salar (VR China)
Eine Besonderheit Eurasiens besteht in seinem außergewöhnlichen Reichtum
an traditionellem Wissen in lokalen Kontexten, das durch Kontakt und Migration verbreitet und durch prähistorische wie historische Perioden teilweise
bis auf den heutigen Tag tradiert wird. Die Siedlungsgeschichte der Salar – ein
kleines Turkvolk in Ost-Zentralasien – bietet besonders gute Bedingungen für
eine Fallstudie von Akkulturationsphänomenen mit Fokus auf Wohnarchitektur und Alltagstechniken. Denn es ist historisch belegt, dass die Salar im 13. Jh.
n. Chr. im Gefolge Tschinggis Qans ihre Heimat um Samarkand verließen und
sich am Oberlauf des Gelben Flusses in Nordtibet und später an dem Fluss Ili in
Xinjiang ansiedelten (Abb. 84). In einer einzigartigen Kooperation von Archä-
Abb. 84 Lage des Dorfes Dazhuang, am
Oberlauf des Gelben Flusses, des Dorfes
Salar am Fluss Ili und der Stadt Samarkand
(VR China)
ologen, Bauforschern,Technik-Ethnologen und Dendrochronologen ist es gelungen, zwischen 2004 und 2006 fünf Gehöfte zu untersuchen (s. AA 2006/2,
348 Abb. 66).
Die Studien sollten erstens zeigen, worin die Spezifika salarischer Wohnbauten aus unterschiedlichen Bauphasen bestehen, außerdem ob zweigeschossige Holzbauten als typisch gelten können. Aus diesem Grund wurde besonderer Wert darauf gelegt, Bau- und Nutzungsgeschichte der jeweiligen Gehöfte
zu rekonstruieren und die einzelnen Baukörper zu datieren. Details zu Baukonstruktion sowie Nutzungsphasen wurden ausführlich im M. 1 : 50 oder 1 : 100
mit allen festen Installationen unter Angabe der unterschiedlichen verwendeten Materialien aufgenommen. Die Altersbestimmung von Bauten und Umbauphasen erfolgte einerseits dadurch, dass ein Bezug zwischen Ereignissen
der Familien- und der Baugeschichte hergestellt wurde. Andererseits konnte
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Eurasien-Abteilung 359
Abb. 85 Dazhuang (VR China), Gehöft II.
Alter der untersuchten Holzproben,
jüngstes Fälldatum 1865
der Dendrochronologe für einzelne Holzbauteile genaue Fälldaten ermitteln
(Abb. 85).
Zweitens sollte geprüft werden, wie stark sich die traditionelle Familienstruktur der Salar auf Konzept und Raumnutzung in ihren Wohnbauten auswirkt. Die fünf Gehöfteigentümer und ihre Familien repräsentieren unterschiedliche soziale Konstellationen innerhalb der Salargesellschaft. Entstanden
sind synthetische Gehöftbiographien und umfassende Bilddokumentationen,
die einen Ausschnitt salarischer Kulturgeschichte konservieren.
Die älteste im Dorf Dazhuang, Provinz Qinghai, festgestellte Bausubstanz
bilden mit Fälldaten von 1816 (Gehöft I), 1865 (Gehöft II, Abb. 86. 87) sowie
86
Dazhuang (VR China), Gehöft II
Abb. 86
Bauaufnahmeplan, Schnitt (M. 1 : 200)
Abb. 87
Nordhaus, Galerie im Obergeschoss
87
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360 Jahresbericht 2007 des DAI
1819 (Gehöfte III und IV) ausnahmslos die zweistöckigen Holzhäuser dieser
Gehöfte. Erst aufgrund der Untersuchung der Gebäudestruktur in dem Gehöft
in Xinjiang fiel die Ähnlichkeit der älteren, aus Holz errichteten Gebäudeteile
der Gehöfte in Dazhuang mit zentralasiatischen Vorhallenhäusern vom Typus
des sog. B¥t HilŒni auf. Elemente dieses Vorhallenhauses, wie die durch die gesamte Gebäudetiefe durchbindenden Seitenräume, die eine Veranda flankieren
und über diese erschlossen werden, sind in einzelnen Räumen oder Raumgruppen zu erkennen.
Die in den späten 1980er und 1990er Jahren errichteten modernen Wohnräume in allen Gehöften in Dazhuang sind einstöckig und stehen auf Betonpodesten. Auf den ersten Blick sind diese Salarhäuser nicht mehr von denen
chinesischer Bauern zu unterscheiden. Generell ist in Dazhuang am Ende des
20. Jhs. eine Abkehr von den großen mehrräumigen und um die Gehöftecke
geführten komplexen Gebäuden sowie eine Hinwendung zu Einraumhäusern
zu beobachten. Die zweigeschossige Bauweise der Salargehöfte in Dazhuang,
bei denen die Hauptwohnräume in der Regel im Obergeschoss liegen, ist also
in erster Linie chronologisch signifikant. Zu einer lokalen Besonderheit sind
sie nur deshalb geworden, weil so alte Bausubstanz sonst an keinem anderen
Ort mehr erhalten ist.
Zäsuren in einer Familiengeschichte wirken sich formend auf die architektonische Entwicklung des zugehörigen Gehöftes aus, denn Veränderungen der
Familienstruktur ziehen häufig unmittelbar Umgestaltungen der Baukörper
nach sich. Genau wie die Entwicklung und Verzweigung einer jeden Familie
über mehrere Generationen hinweg einzigartig ist, so individuell ist auch jede
mit der Familie gewachsene Architektur (Abb. 88). Das Raumnutzungskonzept
ist bis heute der traditionellen Familienhierarchie unterworfen.
Abb. 88 Dazhuang (VR China), Gehöft II.
Unsere Bezugsperson für die Familiengeschichte von Gehöft II ist der sog. Imker
(Nr. 5). Er hatte vor 20 Jahren als einer der
ersten im Dorf mit der Imkerei begonnen
und war 2004 im Alter von 71 Jahren
verstorben. Mit Hilfe der Informationen
seines zweiten Sohnes (Nr. 13) wurde ein
Familiendiagramm mit vier Generationen
(I–IV) rekonstruiert. Die Mutter des Imkers
(Nr. 4), die dritte Frau seines Vaters, lebte
bis zu ihrem Tode 2003 im Hauptraum des
Gehöftes. Auch der Imker selbst war dreimal
verheiratet (Nr. 6–8), aber bauliche Spuren
im Gehöft haben nur seine jüngste Frau
(Nr. 8) und seine sechs Kinder (Nr. 12, 13,
15–17, 20) hinterlassen. Der vierte und
jüngste Sohn des Imkers (Nr. 20) wurde zum
Ahong (religiöser Würdenträger) ausgebildet und trat nach dem Tode seines Vaters
die Nachfolge als Familienoberhaupt an. Im
Jahr 2000 heiratete er, seine Frau (Nr. 21)
und seine 2003 geborene Tochter (Nr. 27)
leben im ersten Wohnraum des Seitengebäudes
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Eurasien-Abteilung 361
Die exemplarisch durchgeführte Aufnahme von Salargehöften in zwei Regionen der Volksrepublik China zeigt, dass die aus Zentralasien in den chinesischen Raum eingewanderten Salar für ihre Bauten im Verlauf der Jahrhunderte traditionelle Elemente der Einwanderungsgebiete assimiliert und zu lokaltypischen Salarbauten entwickelt haben. Aus den Beobachtungen zu Konstruktionsweisen, Baumaterialien, Baudekor, Raumnutzungen und Bauprozessen in
Verbindung mit der Individualgeschichte ihrer Bewohner lässt sich schlussfolgern, dass es kein stereotypes Salargehöft gibt, sondern Akkulturationsprozesse
zu regionalspezifischen Formen von Salarbauten geführt haben.
Kooperationspartner: Archäologisches Institut der Provinz Qinghai (Ren
X. Y., Xiao Y. M., Cai L. H.); DAI, Zentrale, Architekturreferat (U. WulfRheidt, C.Winterstein); DAI, Zentrale, Naturwissenschaftliches Referat, Dendrochronologie (K.-U. Heußner); Technische Universität Berlin, Arbeitsstelle Geschichte und Philosophie der Chinesischen Wissenschaft und Technik
(M. Flitsch) • Leitung des Projekts: M. Wagner • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: H. Lehmann, M. Longo, P. Tarasov, A. Dwyer • Abbildungsnachweis: N. Gorban’ (Abb. 84); H. Lehmann (Abb. 85); H. Lehmann, M. Longo,
C. Winterstein (Abb. 86); M. Flitsch; A. Reuter (Abb. 87), K.-U. Heußner,
P. Tarasov (Abb. 88).
Paläopathologisch-anthropologische Untersuchung der menschlichen Skelettfunde
aus Liushui (VR China)
Archäologische Skelettfunde sind die Basis der bioarchäologisch-paläopathologischen Forschung, da sie biohistorische Urkunden repräsentieren. Sie informieren wie keine andere archäologische Materialgruppe über damalige Lebensbedingungen und Umweltfaktoren (z. B. Krankheiten, Ernährung,Wohn- und
Arbeitsverhältnisse, klimatisch-geographische Gegebenheiten, sanitäre und hygienische Einrichtungen). Die Göttinger Arbeitsgruppe Paläopathologie hat
im Laufe der letzten Jahre – mit denselben Methoden und Techniken – mehrere bronze- und eisenzeitliche Populationen in Zentral-, Süd- und Osteuropa, im Vorderen Orient sowie im eurasischen Steppengürtel (z. B. Ukraine,
Kazachstan, Sibirien, Mongolei) gegenüberstellend untersucht. Das Ziel dieser
Studien besteht darin, in vergleichender Perspektive die Lebensweise (hauptsächliche physische Beanspruchung, Ernährung, Gesundheitsstatus) der Völker
des eurasischen Steppengürtels im 2. und 1. Jt. v. Chr. aufzuklären.
Seit diesem Jahr werden Untersuchungen mit makroskopischen und lupenmikroskopischen Techniken an menschlichen Skelettfunden aus der Grabung
Liushui, einem bronzezeitlichen Bestattungsplatz (um 800 v. Chr.) im Kunlun-Gebirge in der Autonomen Region der Uyghuren Xinjiang vorgenommen. Nach der anthropologischen Lebensalter- und Geschlechtsbestimmung
wurden die Körperhöhen anhand der Langknochenlängen errechnet. Der Erhaltungszustand der meisten Skelette aus Liushui ist als außergewöhnlich gut zu
bezeichnen. In Grab 26 wurden sechs nahezu vollständig erhaltene Skelette –
eines älteren Kindes (Ind. 26/1), dreier erwachsener Männer (Ind. 26/2, 26/3
und 26/5) und zweier Frauen (Ind. 26/4, 26/6) – nachgewiesen. Nur einer
der Männer (Ind. 26/2) erreichte das mature Lebensalter, während die beiden
anderen Männer im frühadulten Alter verstarben. Beide Frauen wurden nicht
alt: Eine der Frauen starb im juvenilen (Ind. 26/4), die andere (Ind. 26/6) im
frühadulten Alter. Der Knochenfund eines Fetus (Ind. 26/6A) bei der frühadulten Frau (Ind. 26/6) lässt die Vermutung zu, dass diese Frau schwanger
gewesen sein könnte.
Zahlreiche Befunde zeigen, dass im bronzezeitlichen Liushui offenbar das
Pferd als Reittier intensiv genutzt wurde. Bei einem Individuum (Ind. 26/5)
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362 Jahresbericht 2007 des DAI
89 a
89 b
besteht der Verdacht, dass dieser jungerwachsene Mann seit seiner Kindheit
intensives Bogenschießen betrieben haben könnte. Das Fehlen von Karies und
die relativ geringgradige Abrasion der Kauflächen sowie die relativ häufige und
intensive Ausbildung von Zahnfleischentzündungen sprechen dafür, dass die in
Grab 26 Bestatteten keine Ackerbauern waren, sondern eher einer Population
angehörten, die sich häufig von Fleisch ernährte. Spuren zwischenmenschlicher Beziehungen in Form von Hieb- und Schussverletzungen waren in zwei
Fällen nachzuweisen (Ind. 26/2, 26/3). Für den Stand der damaligen medizinischen Versorgung ist es interessant zu wissen, dass die Schussverletzung im
Gesicht des älteren Mannes (Ind. 26/2) möglicherweise chirurgisch versorgt
wurde (Abb. 89 a. b).
Kooperationspartner: Archäologisches Institut der Chinesischen Akademie
der Sozialwissenschaften (Wu X. H.); Zentrum Anatomie der Georg-AugustUniversität Göttingen (M. Schultz) • Leitung des Projekts: M. Wagner •
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: T. Schmidt-Schultz, J. Gresky, H. Sydow,
A. Aisha, Zheng Y. G., Guo W. • Abbildungsnachweis: M. Schultz (Abb. 89 a. b).
Abb. 89 a. b Liushui (VR China), Grab 26.
Individuum 2, 45–55 (59)jähriger Mann,
mit kurzfristig überlebtem Gesichtstrauma;
a: Perforation im linken Oberkiefer mit
porösen Auflagerungen (Pfeile) aufgrund
einer heftigen Knochenhautreaktion;
b: Eröffnung erfolgte wohl infolge einer
Pfeilschussverletzung
CHIME: Chinese Early Metal: Database – Analyses – Applications (VR China)
In diesem Projekt wird die Frage nach Aufkommen und Verbreitung von Metallen sowie deren Auswirkungen auf Sozialstrukturen und Landschaftshaushalte in China umfassend bearbeitet. Die Bronzemetallurgie trug in China im
3. Jt. v. Chr. maßgeblich zum Umbau aller Sozialstrukturen bei. Schon mit den
ersten zentralchinesischen Königsdynastien nahmen Herrschaftsmechanismen
ihren Anfang, deren Überleben von der zuverlässigen Versorgung mit enormen
Mengen an Metall abhing. Im Vergleich des Metallgebrauchs bei den sesshaften
Chinesen und den Hirtenvölkern in den sie umgebenden Steppengebieten zeigen sich sowohl Übereinstimmungen als auch prägnante Unterschiede, die beide hochinteressante Schlüsse erlauben. Das bronzezeitliche China ist damit besonders gut für Fallstudien zum Kausalzusammenhang von technischen und
sozialen Innovationen geeignet.
Im Zentrum der Arbeiten stand in diesem Jahr die qualitative und quantitative Datenerfassung. Alle publizierten Metallfunde und Metallanalysen aus
der Grabung Baoji bei Xi’an, des am weitesten westlich gelegenen Großfriedhofes der Zhou-Dynastie (1046–771 v. Chr.), wurden digital erfasst und in das
Deutsche übertragen. Damit liegen statistisch auswertbare Daten zu Qualität
sowie Quantität von Metallbeigaben in Aristokratengräbern des frühen 1. Jts.
im Kerngebiet des chinesischen Reiches vor.
Mit der Antikenverwaltung der Autonomen Region der Uyghuren Xinjiang
wurde eine Kooperationsvereinbarung geschlossen, welche die Dokumentation
AA-2008/1 Beiheft
Eurasien-Abteilung 363
Abb. 90 CHIME: Chinese Early Metal (VR
China), Bronzespiegel mit Griff in Gestalt
eines Widders (3.–2. Jh. v. Chr.) aus der
Autonomen Region der Uyghuren Xinjiang
von Bronzefunden als erstes konkretes Projekt vorsah. Auf dieser Grundlage
wurden in verschiedenen Museen und Sammlungen in Xinjiang ca. 350 Objekte von ca. 50 Fundplätzen photographisch erfasst (Abb. 90). Die angestrebte
Vermessung der Objekte war in vielen, aber nicht allen Fällen möglich. Zusammen mit den bereits in der Eurasien-Abteilung vorliegenden, umfangreichen
archäologischen Informationen, die aus chinesischen Publikationen übertragen
und systematisiert wurden, gehen diese neuen Daten in eine für das Projekt angelegte MySQL-Datenbank ein. Sie ist einerseits vor allem auf eine Kartierung
von Merkmalen und Merkmalsgruppen wie Fundplätze, Gerätetypen und Metalllegierungen auf digitalen Kartengrundlagen ausgerichtet und bietet damit
Schnittstellen zu Kartierungsprojekten wie »China Historical GIS« (Harvard
University) und »CHINA – GIS: Mapping Technological Endeavor in Premodern China« (Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte). Andererseits werden mit der Datenbank zukünftig Text- und Bildinformationen zur
Archäologie der Bronzezeit in China im Rahmen des Forschungsclusters 2
»Innovationen: technisch, sozial« des DAI und in Teilen auch einem weiteren
Interessentenkreis zugänglich gemacht.
Kooperationspartner: Archäologisches Institut der Autonomen Region
der Uyghuren Xinjiang; Antikenverwaltung Turfan; University of Science
and Technology Peking (Mei J. J.); Archäologisches Institut der Chinesischen
Akademie der Sozialwissenschaften • Leitung des Projekts: M. Wagner •
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: B. Grieß, G. Leube • Abbildungsnachweis:
G. Leube (Abb. 90).
Wissenschaftliche Veranstaltungen
Vorträge
25. Januar Melanie Vetters (Athen), Heras ›heilige Kühe‹, Spielzeug oder Idole
mit apotropäischer Funktion? Interpretationen mykenischer Figurinen im Siedlungskontext am Beispiel Tirynsxxx15. Februar Sergej Rassadin (Minsk), Die
unbekannte Stadt Kazimir in Weißrußland, Entdeckung und erste Ausgrabungenxxx22. Februar Irina Arzhantseva (Moskau), Alanian Fortresses of the 1st
Millenium A.D. in the Northern Caucasusxxx29. März Irina Zaytseva (Moskau), The Medieval Rus’ Rural Archaeological Complex near Minino. Field
Investigations and Non-ferrous Metalworkingxxx26. April Sergej Korenevskij
(Moskau), Majkop Culture: New Investigationsxxx21. November Natalja
Šišlina (Moskau), The Archaeology of Culture and Ethnic Identity: A Case
Study from the Eurasian Steppesxxx28. November Julia Gresky (Göttingen),
Alltagsstress in Liushui – Orthopädische Krankheitsbilder im bronzezeitlichen
Westchina.
Am 25. November wurde die 2. Thomsen-Vorlesung gehalten: GerdChristian Weniger (Mettmann), Wie modern waren Neanderthaler?
Konferenzen
1. bis 3. Februar Konferenz der Regionalgruppe »RG 12: Western Iran« des
von der European Science Foundation geförderten Internationalen Projekts
»ARCANE: Associated Regional Chronologies for the Ancient Near East
and the Eastern Mediterranean« in Berlin (Organisation: B. Helwing). – Es
sprachen: Hassan Fazeli Nashli (Tehran), Karim Alizadeh (Tehran), John Alden
(Michigan), Jacob Dahl (Berlin), Ernie Haerinck (Ghent), Barbara Helwing
(Berlin), Stephan Kroll (München), Roger Matthews (London) und Bruno
Overlaet (Brüssel).
AA-2008/1 Beiheft
364 Jahresbericht 2007 des DAI
26./27. Februar Kolloquium »Leben auf dem Tell als soziale Praxis«. – Es
sprachen: Mehmet Özdoğan (Istanbul), Reading the Mounds: Problems, Alternative Trajectories and Biases; Eva Rosenstock (Berlin), Entstehen Tells ›von
selbst‹? Naturräumliche Determinierung und menschliche Intention; Marc
Verhoeven (Turnhout), Burning Down the House: Neolithic Ritual Practice
at Tell Sabi Abyad I, Northern Syria; Klaus Schmidt (Berlin), Göbekli Tepe –
Ein Tell ohne Siedlung?; Peter F. Biehl (Cambridge) – Arkadiusz Marciniak
(PoznanÏ), One Community in Two Tells: Rethinking the Relationship between Çatal Höyük East and West; Hermann Parzinger (Berlin), Neolithische Siedlungsentwicklung und Siedlungsgestaltung am Beispiel Aşağı Pınar
bei Kırklareli; Nikos Efstratiou (Thessaloniki), Neolithic Tells and Archaeological Narratives: Uncovering 6th millennium Makri in Greek Thrace; Tsoi
Tsirtsoni (Lyon) – Pascal Darcque (Nanterre), Evidence from Dikili Tash
(Eastern Macedonia, Greece) and the Tell Issue; Raiko Krauß (Berlin), Tellsiedlungen entlang der Jantra (Nordbulgarien); Svend Hansen (Berlin), Pietrele
in der Walachei. Neue Dimensionen einer kupferzeitlichen Tellsiedlung; Meda Toderaş (Bukarest), Copper Objects in Pietrele; Agathe Reingruber (Berlin), Wohnen und Wirtschaften auf dem Tell M‡gura Gorgana bei Pietrele;
Wolfram Schier (Berlin), Uivar – Architektur, Gesellschaft und Rituale eines
Zentralorts an der Wende zur Kupferzeit; Florin Draşovean (Timişoara), The
Tells from Parta^ and Uivar. Similarities and Differences in the Structure of the
Social and Ritual Spaces; Pál Raczky (Budapest), Loci of Activities and Data
for Spatial Division in a Late Neolithic Site-complex (A Case Study of Polgár
Csoszhalom);
Johannes Müller (Kiel) – Knut Rassmann (Frankfurt a. M.), Sied˝
lungshügel, Bevölkerungsgrößen, Landschaftsgestaltung: Perspektiven aus dem
Projekt Okolište (Bosnien); Robert Hofmann (Kiel) – Nils Müller-Scheeßel
(Frankfurt a. M.), Leben und Sterben in Okolište: Von Hausgenerationen und
Aktivitätszonen in einem spätneolithischen Tell in Bosnien.
15. bis 18. Oktober Internationale Tagung »Sozialarchäologische Perspektiven: Gesellschaftlicher Wandel 5000–1500 v. Chr. zwischen Atlantik und
Kaukasus« in Kiel (Organisation: Eurasien-Abteilung, Institut für Ur- und Frühgeschichte der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel; Förderung: DFG). – Es
sprachen: Christian Jeunesse (Strasbourg), Sozialstrukturen der Linienbandkeramik; Andreas Zimmermann (Köln), Bandkeramik: Populationsgrößen und
Zentralorte; Lutz Klassen (Århus) – Serge Cassen (Nantes) – Pierre Petrequin
(Besançon), Jadeitbeile als sozialer Marker westeuropäischer Gesellschaften
des 5. und 4. Jts. v. Chr.; Jean-P. Demoule (Paris), Varna; Agathe Reingruber
(Berlin), Soziale Differenzierung in Pietrele; Robert Hofmann (Kiel) – Nils
Müller-Scheeßel (Frankfurt a. M.), Haushalte und zentrale Institutionen des
spätneolithischen Visoko Beckens (Bosnien); Pál Raczky (Budapest), Monumentale Erdwerke: Csoszhalom; Slawomir Kadrow (Kraków), Kupferzeitliche
Sozialstrukturen; Magdalena Midgley (Edinburgh), Monumentalität und soziale Differenzierung in Südengland im 4. vorchristlichen Jahrtausend; KarlGöran Sjögren (Göteborg), Soziale Konstanten monumentaler Landschaften
in Schweden; Johannes Müller (Kiel), Soziale Veränderungen in den Trichterbechergesellschaften; Svend Hansen (Berlin), Zum Innovationsbündel in
der 2. Hälfte des 4. vorchristlichen Jahrtausends; Elke Kaiser (Berlin), Soziale
Differenzierung in den Kulturen des nördlichen Schwarzmeergebietes im 3. Jt.
v. Chr.; Stefan Burmeister (Hamburg), Rad und Wagen: Kommunikation und
Sozialstruktur. Veränderte Perspektiven (3500–2200 v. Chr.); Marzena Szmyt
(Poznan) – Janusz Czebreszuk (Poznan), Macht und Differenzierung in der
Kugelamphorenkultur und den ostmitteleuropäischen Becherkulturen; Martin
Furholt (Kiel), Räumliche Strukturen von Zeichensystemen und der RepräAA-2008/1 Beiheft
Eurasien-Abteilung 365
sentation sozialer Identität im 4. und 3. Jahrtausend in Mitteleuropa; François
Bertemes (Halle/Saale), Soziale Perspektiven der Glockenbecherentwicklung;
Rüdiger Krause (Frankfurt a. M.), Siedlungshierarchien, Burgenbau und Erzgewinnung in den Alpen; Knut Rassmann (Frankfurt a. M.), Metall/Materialverbrauch und die Konsequenzen für den Stand der gesellschaftlichen
Arbeitsteilung in der Frühen Bronzezeit; Joszef Bátora (Nitra) – Frank Falkenstein (Bamberg), Befestigte Siedlungen und Perspektiven sozialgeschichtlicher
Forschungen; Harald Meller (Halle), Nebra und Kosmologie: Soziale Perspektiven; Jutta Kneisel (Kiel), Bruszczewo – Einblick in ein Machtzentrum der
Aunjetitzer Gesellschaft; Helle Vandkilde (Århus), Spätneolithikum und beginnende ältere Bronzezeit in Südskandinavien: Fragen der Kriegerideologie;
Roberto Risch (Barcelona), El Argar und die entstehende Klassengesellschaft;
Thomas X. Schuhmacher (Madrid), Fernkontakte im westlichen Mittelmeerraum; David Fontijn (Leiden), Ritual Landscapes; Heidi Peter-Röcher (Berlin), Gewalt und Sozialstruktur: Wann beginnen institutionalisierte Konfliktlösungsstrategien; Stephan J. Seidlmayer (Berlin), Archäologische Perspektiven
auf die Entstehung des pharaonischen Staates; Kristian Kristiansen (Göteborg),
Transeuropäische Hierarchien und Perspektiven neolithischer und bronzezeitlicher Gesellschaften.
Workshops
22. Juni Workshop »Votiv und Ritual« des gleichnamigen Forschungsfeldes 4 im Forschungscluster 4 »Heiligtümer: Gestalt und Ritual. Kontinuität
und Veränderung« des DAI (Organisation: Gunvor Lindström, Dietrich Raue,
Thomas G. Schattner). – Es sprachen: Gunvor Lindström (Berlin) – Dietrich
Raue (Kairo) – Thomas G. Schattner (Madrid), Einführung; Helga Bumke
(Bonn), ›Heiligtumsschutt‹ vom Taxiarchis in Didyma; Nicole Alexanian (Berlin), Weihgaben und Ritualrelikte aus Dahschur; Gabriel Zuchtriegel (Rom),
Votivdepots im Ostheiligtum von Gabii; Svend Hansen (Berlin), Bronzezeitliche Votivdeponierungen als soziale Praxis; Uta Kron (Jena), Opfer und Kultmahl im archäologischen Befund; Michael Koch (Stolberg),Votiv und Ritual
in der vorrömischen und römischen Religiosität Hispaniens; Ulrich Demmer
(München), Performanz, Rhetorik und Poetik: Aspekte der jüngeren ethnologischen Ritualtheorie am Beispiel einer südindischen Stammesregion; Lidia
Guzy (Berlin), Religiöse Rituale im transkulturellen Vergleich; Diskussion.
Am 29. November waren die Teilnehmer des von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Turfanforschung, veranstalteten
»Workshops Sogdiana« zu Gast an der Eurasien-Abteilung. Sie wurden dort in
kurzen Vorträgen über die Projekte der Abteilung in Zentralasien unterrichtet
und diskutierten anschließend mit den verschiedenen in der Region tätigen
Kollegen und Kolleginnen.
Öffentlichkeitsarbeit
Der deutsche Botschafter Roland Lohkamp in Rumänien und der Kulturattaché sowie weitere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Botschaft informierten sich über den Fortgang der Grabungen in Pietrele (Abb. 91). Ein Team von
National Geographic begleitete mehrere Tage die Arbeiten in Pietrele.
Ein Besuch von General Bruno Kasdorf, dem deutschen Oberkommandierenden der NATO-Truppen in Afghanistan, und General Fausto Marcor,
dem Oberkommandeur des ISAF Kontingentes West, bot die Gelegenheit, die
Forschungen des DAI in Herat zu präsentieren. Am 2. November führte Frau
AA-2008/1 Beiheft
366 Jahresbericht 2007 des DAI
Abb. 91 Am 31. Juli besuchte der deutsche Botschafter in
Rumänien, R. Lohkamp, die Grabung Pietrele
Lindström die Mitarbeiter der Deutschen Botschaft in Tadžikistan durch das
Tadžikische Nationalmuseum der Antike in Dušanbe.
Mehrere georgische Fernsehsender brachten Berichte über die Grabung in
Aruchlo (Georgien) in den Abendnachrichten. Für die ZDF-Reihe »Schliemanns Erben« begleitete Herr Schlotzhauer ein Fernsehteam unter der Leitung
von Peter Prestel zu verschiedenen Drehorten auf der Taman-Halbinsel. Frau
Helwing wurde von der Stuttgarter Zeitung zur Situation der Weltkulturerbestätte Pasargadae angesichts der aktuellen Staudammflutungen interviewt.
Am 19. Mai leitete Herr Motzenbäcker eine Exkursion der Tagung des
Humboldt-Kollegs »Der Schwarzmeerraum vom Äneolithikum bis in die
Früheisenzeit (5000–500 v. Chr.). Kommunikationsebenen zwischen Kaukasien und Karpaten« in Tbilisi nach Tachti Perda. In Zusammenarbeit mit der
Deutschen Botschaft Taškent hielt Herr Boroffka am Goethe-Institut Taškent
vor zahlreichen Zuhörern einen Vortrag über die »Ausgrabungen des DAI in
Bandixon«.
Abbildungsnachweis: M. Toderaş (Abb. 91).
Ausstellung
12. Oktober Eröffnung der Ausstellung »Ursprünge der Seidenstraße: Sensationelle Neufunde aus Xinjiang, China« (in Zusammenarbeit mit den ReissEngelhorn-Museen, Mannheim; Ende: 14. Januar 2008) im Martin-GropiusBau Berlin im Beisein von Staatsminister Gernot Erler.
Veröffentlichungen
Eurasia Antiqua 12, 2006
Archäologische Mitteilungen aus Iran und Turan 37, 2005
Archäologie in Eurasien 22: S. Hansen, Bilder vom Menschen der Steinzeit.
Untersuchungen zur anthropomorphen Plastik der Jungsteinzeit und Kupferzeit in Südosteuropa
Archäologie in Eurasien 23: M. Wagner – H. Rutz, Nomadenkunst. Ordosbronzen der Ostasiatischen Kunstsammlung Museum für Asiatische Kunst,
Staatliche Museen zu Berlin
Archäologie in Iran und Turan 5: K. Kaniuth, Metallobjekte der Bronzezeit
aus Nordbaktrien (2006)
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Eurasien-Abteilung, Außenstelle Teheran 367
Außenstelle Teheran
Abb. 1 Marvast (Iran), Staudammgebiet.
Fundstelle Šahābād
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Ausgrabungen und Forschungen
Eine archäologische Reise in Westiran – Vorstudien für ein neues Grabungsprojekt
der Außenstelle Teheran
Nach dem erfolgreichen Abschluss der Rettungsgrabungen im Stauseegebiet
von Darre-ye BolŒghi trat die Iranische Behörde für kulturelles Erbe, traditionelles Handwerk und Tourismus (ICHTTO) an das DAI heran und bat um
eine Mitarbeit bei weiteren Rettungsgrabungen im Rahmen von Großbauprojekten. Die Projektleiterin reiste deshalb zusammen mit den örtlichen Vertretern der Iranischen Kulturerbebehörde in die Provinzen Fars, Lorestan und
West-Azerbaidjan, um in einem dieser drei Gebiete einen Ort für ein neues
Grabungsprojekt auszuwählen.
Das erste Ziel der Reise war das Überflutungsgebiet im Marvast-Damm, auf
der Grenze der Provinzen Fars und Yazd, am Rand der zentralen Wüste Dašt-e
Kavir, wo der Bavanat-Fluss gestaut werden soll. Hier war aus vorangehenden
Oberflächenbegehungen die bŒkunzeitliche Fundstelle ŠahŒbŒd bekannt (Abb.
1), die als eine der am weitesten im Nordosten gelegenen Fundstellen gelten
kann, was für die bereits in den Grabungen in Darre-ye BolŒghi angesprochene
Frage zum Beginn des Hirtenwandertums eine interessante Perspektive eröffnen könnte. Diese Fundstelle wurde begangen und ihre Ausdehnung anhand
von Bohruntersuchungen festgestellt, außerdem konnten weitere Fundstellen
besucht oder neu registriert werden. Insgesamt ist die Fundstellenerhaltung jedoch aufgrund der starken Erosion und Sedimentation im Einzugsbereich des
Flusses schlecht und es sind in der Regel nur einige Dezimeter Kulturschichten erhalten.
368 Jahresbericht 2007 des DAI
Abb. 2 Seimareh (Iran), Staudammgebiet.
Blick auf die Fundstelle Čigā Sabz, akeramisch-neolithische Schichten sind grau im
Abbruchprofil sichtbar
Das zweite Staudammprojekt soll den Seimareh-Fluss, der die Grenze zwischen den Provinzen Ilam und Lorestan bildet, auf einer Länge von 40 km aufstauen. In diesem Flussabschnitt sind zahlreiche sasanidische und jüngere Fundstellen belegt. Auf dem nördlichen Flussufer gibt es außerdem auch prähistorische Fundplätze, die im Rahmen der Fragestellungen des DAI von Interesse
sind. Der wichtigste dieser Orte wird lokal »ČigŒ Sabz« genannt, ist allerdings
nicht mit dem von E. Schmidt untersuchten ČigŒ Sabz identisch (Abb. 2). Er
liegt auf einem Felssattel zwischen einem Felssporn und einem kleinen Berg
oberhalb einer Karstquelle am nördlichen Flussufer und war im akeramischen
Neolithikum, in der Bronzezeit und in der sasanidischen bis frühislamischen
Periode in Benutzung. Dabei scheint es sich bei der jüngsten Nutzungsphase
um eine Burganlage zu handeln. Raubgrabungen auf dem Sattel und in der
Burganlage haben die zugehörigen Befunde schwer geschädigt. Unterhalb
des Sattels – und damit abseits der gestörten Bereiche – liegt auf der ersten
Flussterrasse eine Schicht mit lithischen Funden aus dem akeramischen Neolithikum (Mohammad Jafar/Ali Koš-Phase, Abb. 3). Die Kulturschicht wird von
einer 2–3 m starken Schicht sterilen Bodens überdeckt, Funde konzentrieren
sich in einem Trockental und entlang der Hangkante. Ein zweiter interessanter
Fundort ist ein flacher Siedlungshügel etwa 5 km flussaufwärts, wo Keramik
der Mittelsusiana-Tradition gesammelt wurde.
Abb. 3 Seimareh (Iran), Staudammgebiet.
Fundstelle Čigā Sabz, Steingeräte (M. 1 : 1)
AA-2008/1 Beiheft
Eurasien-Abteilung, Außenstelle Teheran 369
Abb. 4 Simineh (Iran), Staudammgebiet.
Fundstelle Qaregeoz 1, Blick auf den
Siedlungshügel von Osten
In West-Azerbaidjan werden in einem Stausee am Simineh-Fluss insgesamt
sieben archäologische Fundstellen untergehen, dabei zwei mehrphasige Siedlungshügel. Von diesen liegt der größere, Qaregeoz 2, inmitten des gleichnamigen Dorfes. Der Hügel ist zur Hälfte zerstört, die erhaltene Hälfte ist überbaut. Er weist eine mit Geoy Tappe vergleichbare Siedlungssequenz auf. Der
zweite Hügel, Qaregeoz 1, ist ein kleiner Hügel mit ausschließlich prähistorischen Schichten. Er liegt etwa 1 km westlich des Dorfes Qaregeoz, auf der
ersten Flussterrasse nördlich oberhalb des Simineh-Flusses (Abb. 4). Auf seiner
Nordseite hat die moderne Straße ein Profil in den Hügel geschnitten. Dort sind
Reste von Feuerstellen und Aschelagen sichtbar. Die Keramik aus Qaregeoz 1
umfasst Material in der Tradition der neolithischen Hajji Firuz- und der chalkolithischen Dalmaware (Abb. 5). Der Hügel ist weitgehend ungestört. Eine
Untersuchung könnte die Kenntnis der neolithischen sowie chalkolithischen
Kulturentwicklung in Nordwestiran, die derzeit maßgeblich durch die Ausgrabungen in Hajji Firuz umschrieben sind, nachhaltig verbessern.
Kooperationspartner: Iranische Behörde für kulturelles Erbe, traditionelles
Handwerk und Tourismus (ICHTTO), Iranisches Zentrum für archäologische
Forschung (ICAR); in Marvast: S. Abdollahi, M. Hassan Paknejad (ICHTTO
Shiraz); M. Khodabande (Ershat Office Bavanat); in Seimareh: S. Rasoul Seyedein Boroujeni (ICAR), H. Dehghanifard (ICHTTO Khorramabad); in Simineh: R. Heydari, E. Kharazi (ICHTTO Orumiyeh) • Leitung des Projekts:
B. Helwing.
Abb. 5 Simineh (Iran), Staudammgebiet.
Fundstelle Qaregeoz 1, Auswahl an chalkolithischer und neolithischer Keramik (M. 1 : 3)
AA-2008/1 Beiheft
Forschungsstellen am Deutschen Evangelischen
Institut für Altertumswissenschaften des Heiligen
Landes (DEI) in Amman und Jerusalem
Forschungsstelle Amman
c/o Deutsches Evangelisches Institut
für Altertumswissenschaft des
Heiligen Landes
POB 183
11118 Amman/Jordanien
Tel.: +962-(0)6-53 46 924
Fax: +962-(0)6-53 36 924
E-Mail: [email protected]
Forschungsstelle Jerusalem
c/o Deutsches Evangelisches Institut
für Altertumswissenschaft des
Heiligen Landes
Auguste-Victoria-Compound
POB 184 63
91184 Jerusalem/Israel
Leitender Direktor des DEI in Amman und Jerusalem
Prof. Dr. Dr. Dieter Vieweger
Direktorin des DEI in Amman
Dr. Jutta Häser
Wissenschaftliche Hilfskraft
Matthias Kolbe M. A.
Leitender Direktor des DEI in Amman und Jerusalem
Prof. Dr. Dr. Dieter Vieweger
Wissenschaftliche Hilfskraft
Constanze Röhl M. A. (ab 1. 5.)
Forschungsstellen am DEI in Amman und Jerusalem 373
Im Jahr 2007 wurde das Deutsche Evangelische Institut (DEI) mit seinen Standorten in Amman und Jerusalem in einem würdigen Festakt im Auswärtigen
Amt als Forschungsstelle in das DAI kooptiert. Damit wurde die wissenschaftliche Zusammenarbeit beider Institutionen ausgeweitet. Bereits seit 20 Jahren
kooperiert das DAI mit dem DEI Amman besonders bei archäologischen Projekten in Jordanien, z. B. in Gadara und Aqaba. Die langjährige Unterstützung
durch eine vom DAI bezahlte Hilfskraft am Ammaner Institut wurde im Mai
dieses Jahres auf das DEI Jerusalem ausgeweitet. Damit können die Ressourcen des DAI und des DEI bei einer gleichzeitigen engen Kooperation mit den
jeweiligen Gastländern für die Altertumsforschung nun noch effektiver genutzt
werden.
Abb. 1 Tall Zirā‘a (Jordanien), Blick von
Norden. Im Zentrum des Talls sieht man die
artesische Quelle, vorne links (Nordnordost)
Areal II (repräsentative Bebauung) und
vorne rechts (Nordwest) Areal I (Wohn- und
Handwerksbereich). Oben rechts (Südsüdwest) das Areal III (villa rustica)
AA-2008/1 Beiheft
Tall ZirŒ‘a (Jordanien)
Das »Gadara-Region Project« wurde im Jahr 2001 vom Biblisch-Archäologischen Institut Wuppertal (BAI) initiiert. Die ersten beiden Jahre dienten der
intensiven Surveyarbeit auf dem 5,88 ha großen Tall ZirŒ‘a sowie in dessen
weiterem Umfeld (Abb. 1). Im Jahr 2003 begannen die ersten großflächigen
Ausgrabungen auf dem Tall. Dabei berechtigten die erzielten Ergebnisse zu so
großem Optimismus, dass das »Gadara-Region Project« im Jahr 2004 auf einen Zeitraum von 20 Jahren als ein gemeinsames Projekt des BAI und des DEI
ausgelegt und geplant wurde.
Das Projekt untersucht einen topographischen und geopolitischen Schlüsselbereich Palästinas. Es gibt kaum ein Gebiet in Palästina, in dem die Geschichte dieser Region derart konzentriert erforscht werden kann wie im Wadi al‘Arab. Am Übergang zwischen Palästina und dem syrisch-mesopotamischen
374 Jahresbericht 2007 des DAI
Kulturraum gelegen, wurde das Gebiet von beiden Regionen politisch sowie
kulturell beeinflusst. Daher nimmt es eine Schlüsselfunktion für Palästina ein.
Hier lassen sich kulturelle Entwicklungen und politische Umbrüche – wie sie
in Palästina häufig von den Kulturgebieten im Norden angestoßen wurden –
besonders gut nachvollziehen. Das etwa 5 km südwestlich der antiken Stadt
Gadara (heute Umm Qais) gelegene, tief eingeschnittene Tal ist in seiner Vielgestaltigkeit ein Glücksfall für die Archäologie. Zahlreiche Quellen, fruchtbarer Boden und ein gemäßigtes Klima bieten hervorragende Lebensbedingungen. Auf dem alles beherrschenden Tall ZirŒ‘a entspringt eine artesische Quelle
und bietet beste Siedlungsmöglichkeiten. Außerdem durchzieht ein bedeutender Handelsweg das Tal, der Ägypten mit dem syrisch-mesopotamischen Raum
verbindet. Der wirtschaftliche Erfolg und der Fleiß der Bewohner haben durch
die Jahrtausende im Wadi reichlich Spuren hinterlassen. Mehr als hundert Siedlungsplätze und Wirtschaftsanlagen von dem Beginn der Sesshaftwerdung bis
in die islamische Zeit legen beredtes Zeugnis von der bedeutenden Geschichte
dieser Region ab.
Neben den Ausgrabungen und Geländeuntersuchungen wird im »GadaraRegion Project« auch ein technikgeschichtliches Vorhaben durchgeführt. Archäometrische Untersuchungen an Keramik vom Tall ZirŒ‘a und umliegenden
Fundplätzen sollen Auskunft über die Art der lokalen Produktion und Importe
geben. Experimente – wie der Bau eines Brotbackofens oder Keramikbrennofens – setzen die theoretischen Ergebnisse in die Praxis um und prüfen sie so
auf ihre praktische Durchführbarkeit.
In diesem Jahr wurden die Ausgrabungen auf dem Tall ZirŒ‘a in drei Arealen durchgeführt:
Die Ausgrabungen in Areal I im Westen des Talls dienen insbesondere der
Klärung der Stratigraphie des Talls (Abb. 2). Am Ende der Frühjahrskampagne
wurde in diesem Bereich eine Fläche von ca. 1175 m2 geöffnet. In den Jahren
2003–2006 wurden dort Siedlungsreste der umayyadischen Zeit bis zur späten
Bronzezeit freigelegt. Die früheren Schichten, die bis in die frühe Bronzezeit
(Mitte 4. Jt. v. Chr.) zurückreichen, wurden bislang nur an wenigen Stellen
am Hang angetastet.
Das Ziel der Ausgrabungen war in diesem Jahr die Freilegung des gesamten
Areals bis auf die jüngste spätbronzezeitliche Schicht.
Abb. 2 Tall Zirā‘a (Jordanien), im Areal I
wurde auf einer Fläche von 1100 m2 die
spätbronzezeitliche Bebauung freigelegt.
Der westlich davon angelegte Stufenschnitt
(75 m2) führt 8 m unterhalb dieses Stratums
bis zur frühen Bronzezeit
AA-2008/1 Beiheft
Forschungsstellen am DEI in Amman und Jerusalem 375
Das markanteste Bauwerk dieses Stratums ist derzeit eine gewaltige Kasemattenmauer, welche die Siedlung an der Nordwestflanke schützte. Dabei wurden sechs Kasemattenräume ausgegraben. Im südlichen Bereich mündete die
Kasemattenmauer in einen stadtwärts ausgerichteten, großen Turm. Der Turm
war zweigeteilt und wies im südlichen Teil einen Langraum auf.
Der besondere Charakter dieses unterteilten Langraumes erinnert an ein
Torheiligtum. Ein an der Standfläche behauener, nach oben hin spitz zulaufender gewaltiger Kalkstein, der neben zwei Säulenbasen im umgekippten Zustand
aufgefunden wurde, könnte im Kontext vergleichbarer Funde aus Palästina als
Mazzebe (Kultstein) interpretiert werden. Doch fehlen bisher eindeutige Befunde zur Bestätigung dieser Interpretation.
Südlich des ›Torheiligtums‹ wurde ein 2,75 m breiter Tordurchgang festgestellt, der durch vier Treppenstufen erkennbar ist. Hier befindet sich die kürzestmögliche begehbare Verbindung zwischen den Unterstädten im Norden und
Westen der befestigten Stadt.
Gleichfalls noch nicht vollständig erforscht ist eine äußerst interessante Entdeckung südlich des Tores. Hier wurde ein Raum mit einer sorgfältigen Pflasterung und einer (bisher) halbkugelförmigen ›Grube‹ freigelegt. Die im Querschnitt kreisrunde ›Grube‹ war äußerst sorgfältig mit Feldsteinen im Trockenmauerprinzip konstruiert sowie unverputzt. Ihre Öffnung wurde von einem
sorgfältig gearbeiteten und kreisrunden, 1 m im Durchmesser messenden Stein
verschlossen, der in der Mitte ein etwa 15 cm großes Loch aufwies.
Im Umkreis des Decksteines wurden bereits im Jahr 2005 über 150 Scherben
eines rot und schwarz (bi-chrome) auf beige-braunem Grund bemalten, zweihenkligen Kruges gefunden, der mit seinen figürlichen Darstellungen einmalig
für diese Epoche im palästinischen Bereich ist. In diesem Frühjahr wurden im
angrenzenden Quadranten weitere Scherben dieses Kruges gefunden, so dass
nun auch der Hals- und Bodenbereich zweifelsfrei zu rekonstruieren ist.
Hinter der Kasemattenmauer wurde Ende der Frühjahrsgrabung 2006 zum
ersten Mal Hausarchitektur der späten Bronzezeit entdeckt. In diesem Jahr gelang in einem der Häuser im Norden des Ausgrabungsareals ein ganz besonderer Fund: In einem ca. 1,50 m × 1,50 m großen Bereich traten 23 Rollsiegel
verschiedener Qualität und Gravierung zutage. Sie waren vermutlich zusammen mit einem Silberanhänger, der mit einer stehenden Figur verziert ist, einem Skarabäus sowie Dutzenden Perlen während der Zerstörung des Hauses
von einem erhöhten Ort (von einem Tisch, einem Schrank oder einem Regal)
auf den Boden gefallen und hatten sich dort unregelmäßig über dem ehemaligen Fußboden verteilt.
Die massive Architektur, die besonderen Funde und der hohe Prozentsatz
an Importkeramik aus Zypern und dem mykenischen Griechenland (ca. 5 %)
sprechen für die Bedeutung dieser spätbronzezeitlichen Stadt. Es ist deshalb
sehr wahrscheinlich, dass wir es hier mit dem Zentrum eines palästinischen
Stadtstaates zu tun haben.Weitere spätbronzezeitliche Strata wurden an einigen
Stellen bereits nachgewiesen. Sie werden in den nächsten Jahren Gegenstand
der Untersuchung sein.
Gegen 1200 v. Chr. fand die spätbronzezeitliche Siedlung ein plötzliches
Ende, was eine mächtige Brandschicht dokumentiert.
Die Erbauer der eisen-I-zeitlichen Siedlung erreichten diesen kulturellen
Stand ihrer Vorgänger nicht mehr. Anstelle einer bemerkenswerten städtischen
Anlage entstand nun ein offenes, nicht mehr durch eine Mauer geschütztes
Dorf, bewohnt von Ackerbauern und Viehzüchtern. Besonders auffällig ist,
dass die Bewohner der frühen Eisenzeit kein eigenes Siedlungsmuster schufen,
sondern die Mauerreste der spätbronzezeitlichen Siedlung nutzten.
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376 Jahresbericht 2007 des DAI
In der klassisch-alttestamentlichen Zeit war unser Ort zwischen den Königen Israels (Hauptstadt Samaria) und den aramäischen Damaszenern heftig
umstritten. Die Architektur dieser Zeit (10.–8. Jh. v. Chr.) lässt eine Zunahme
der Bevölkerung auf dem Tall vermuten und deutet auf einen urbanen Charakter der Siedlung hin. Wenn auch die Verteidigungsanlagen denen aus der
späten Bronzezeit an Solidität deutlich nachstanden, so war die eisen-II-zeitliche Siedlung doch wiederum von einer zick-zack-förmigen Ummauerung
geschützt.
Generell vermittelt die Architektur der Eisenzeit II den Eindruck einer dichten Agglomeratbauweise. Sie ist nach dem Ausgrabungsbefund nicht allein als
Wohnbebauung zu interpretieren.Vielmehr ist ein Nebeneinander von Wohngebäuden und öffentlichen Bauten (besonders im zentralen Bereich) festzustellen. In den von Agglomeratbauweise geprägten Bereichen binden die Außenmauern der Häuser direkt in die für diese Periode typische ›Zick-Zack‹-Siedlungsmauer ein. Markante Doppelmauern helfen, die eng aneinander gefügten
Häuser zu unterscheiden.
Das Areal II birgt aufgrund seiner hervorragenden, weithin sichtbaren Lage im Norden des Talls und angesichts der dort vorhandenen Schicht aus Kulturschutt die besten Voraussetzungen, repräsentative Strukturen (administrativ
oder kultisch genutzte Gebäude) zu erkunden (Abb. 3). Tatsächlich konnten
hier großflächig angelegte Baustrukturen aus der römisch-byzantinischen Periode gefunden werden, die eine Nachnutzung in islamischer Zeit aufweisen.
Abb. 3 Tall Zirā‘a (Jordanien), Areal II
(825 m2) mit römisch-byzantinischer
Bebauung
AA-2008/1 Beiheft
Forschungsstellen am DEI in Amman und Jerusalem 377
In diesem Jahr wurde das letztjährig geöffnete Areal von 100 m2 im Norden
und Osten um 300 m2 erweitert, um die Ausdehnung des entdeckten großen
Hofes und des im Süden angrenzenden Raumes zu erkunden. Dabei kamen im
Osten ein an den Hof angrenzender, gepflasterter Weg und ein parallel ausgerichtetes Gebäude mit mindestens drei Räumen zutage. Im Norden konnte
der Abschluss des Hofes und ein ost-westlich ausgerichteter Raum ausgemacht
werden.
Unter diesem Gebäude wurden drei Bauphasen einer völlig anders gearteten Bebauung festgestellt, die nordwest-südöstlich ausgerichtet ist. Sie besteht
aus kleineren Räumen. Die Gesamtstruktur dieser Besiedlung ist jedoch nicht
mehr festzustellen, da sie zu stark durch das darüberliegende, tief fundamentierte, große Gebäude zerstört ist.
Eine von Osten nach Westen verlaufende, 2,20 m starke und 17 m lange
Mauer bildete das unterste erreichte Stratum. Da bisher nur die oberste Steinlage dieser Mauer freigelegt werden konnte, sind im Augenblick weder Aussagen zur Funktion noch zur Datierung zu treffen.
Das Areal III liegt im Südwesten des Talls. An der Oberfläche ist ein großer
Bau aus behauenen Steinen zu erkennen. In dessen Hofbereich befindet sich
der sorgfältig gesetzte Abgang zu einer Zisterne (12 m × 6 m × 5,75 m lichte
Höhe) mit Tonnengewölbe. Ein erster Testschnitt bestätigt die Vermutung der
Datierung in römisch-byzantinische Zeit. Im Sommer des nächsten Jahres soll
das Gebäude großflächig freigelegt werden. Im Vordergrund steht dabei die
Frage, ob es sich hier um ein typisches römisches Landhaus oder einen semitischen Typus der Landhausbauten in römischer Zeit handelt.
Leitung des Projekts: D. Vieweger, J. Häser • Abbildungsnachweis: DAI/
DEI (Abb. 1–3).
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