T - Argelander-Institut für Astronomie
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Thermische Geschichte des Universums • Kosmologie (Wdhlg.) • Kosmologische Thermodynamik • Teilchenzahlen/Prinzip des Ausfrierens • Neutrino-Entkopplung +e--Paarvernichtung e • • Primordiale Nukleosynthese • Neutrinos als Dunkle Materie? • Rekombination Einführung in die extragalaktische Astronomie Prof. Peter Schneider & Dr. Patrick Simon Thermische Geschichte des Universums Kosmologie I (Wdhlg.) Eine kurze Zusammenfassung des Kapitels über Weltmodelle: • Beobachtungen sind verträglich damit, dass unser Universum auf großen Skalen >> 100 Mpc um uns herum isotrop ist. • das Kosmologische Prinzip postuliert die Homogenität und Isotropie des Universums. • Die ART erlaubt homogene und isotrope Weltmodelle: Es gibt eine Familie von Lösungen der Einsteinschen Feldgleichungen, so dass eine Schar von mitbewegten Beobachtern (Fundamentalbeobachter) die gleiche Geschichte des Universums sieht; für jeden Beobachter ist das Universum isotrop. Thermische Geschichte des Universums Kosmologie I (Wdhlg.) • Die Form dieser Friedmann-Lemaitre Weltmodelle ist charakterisiert durch den Dichteparameter Ωm und die kosmologische Konstante ΩΛ, die Größe durch die Hubble Konstante H0. Die kosmologischen Parameter bestimmen die Expansionsrate des Universums als Funktion der Zeit. • Der Skalenfaktor a(t) des Universums ist eine bis heute monoton ansteigende Funktion; das Universum war früher dichter und heißer. Entsprechend der ART, muss es einen Zeitpunkt gegeben haben, wo a→0 gegangen ist. Dieser Referenzpunkt wird als Urknall bezeichnet. • Die Expansion des Universum bedingt aus der Sicht eines mitbewegten Beobachters einen Impulsverlust: Photonen werden rotverschoben. Je weiter eine Quelle von uns entfernt ist, umso stärker ist die Rotverschiebung. Thermische Geschichte des Universums Kosmologische Thermodynamik Kosmologische Thermodynamik Thermische Geschichte des Universums Kosmologische Thermodynamik Temperatur skaliert mit T ∝ (1+z) ∝ a-1. Modell erlaubt also, die Zeit “zurückzudrehen” und theoretisch zu bestimmen, wie die Temperatur sich in der Vergangenheit verändert haben muss. ➠ Anhand des Wissens, dass über Teilchenphysik gewonnen wurde, können wir dann rekonstruieren, welchen physikalischen Prozesse im frühen Universum abgelaufen sein müssen. Hierfür wird eine statistische Beschreibung der Teilchenmischung (statistische Thermodynamik) zusammen mit der Teilchenphysik benötigt. Energieverteilung und Anzahldichte von Teilchen ist wesentlich durch Temperatur T gegeben, wenn Teilchen im chemischen und thermischen Gleichgewicht sind (thermodynamisches Gleichgewicht). Thermische Geschichte des Universums Standardmodell der Teilchenphysik Die Thermodynamik von Elementarteilchen wird durch Quantenmechanik und statistische Physik beschrieben; man unterscheidet zwischen • Bosonen, Teilchen mit ganzzahligem Spin (z.B. Photon) und • Fermionen, Teilchen mit halbzahligem Spin (z.B. Elektron oder Neutrino). Bosonen und Fermionen folgenden einer unterschiedlichen Statistik, weil Bosonen denselben Quantenzustand beliebig oft aber Fermionen diesen nur einmal besetzen können. Aber: Bindungszustände von Fermionen können ganzzahligen Spin haben und sich so statistisch wie Bosonen verhalten (z.B. Pion). Thermische Geschichte des Universums Standardmodell der Teilchenphysik Das Standardmodell der Teilchenphysik bietet eine hervorragend getestete Beschreibung der Anregungs-, Bindungszustände und Reaktionen von Elementarteilchen bis zu Energien von mindestens E ~ 1 GeV. + Antiteilchen Grundkräfte Bosonen gx8 1. Starke Wechselwirkung γ 2. Elektromagnetismus W+/- Z0 3. Schwache Wechselwirkung Fermionen Quelle: www.desy.de 4. Gravitation Thermische Geschichte des Universums Kosmologische Thermodynamik Charakteristische Energie eines Teilchens bei Temperatur T ist kBT; kB ist Boltzmann-Konstante. Gängige Energieeinheit in der Teilchenphysik ist Arbeit, die Elektron über ein Meter entgegen ein elektrisches Feld der Stärke 1 V/m verrichtet, das Elektronenvolt (eV). Z.B. ist die Ruhemasse eines Elektrons ca. mec2 ~ 511 keV. Somit lassen sich Temperatur und Energie ineinander umrechnen: 1 MeV = 1.1605 x 1010 kB K ~ 1010 kB K Thermische Geschichte des Universums Kosmologische Thermodynamik Temperatur des Mikrowellenhintergrundes (CMB) heute: T ~ 2.7 K ~ 2.3 x 10-4 eV; “Thermometer des Universums”. Wie weit zurück kommen wir mit Standardmodell? Weltalter !s" 18 10 heute ~ 1017 s 1014 ~ 1 GeV 1010 106 getestetes Teilchenmodell 100 ~1μs ! 0.01 T∝(1+z)∝1/a 10 !6 10!4 0.1 100 105 108 T!eV" Thermische Geschichte des Universums Kosmologische Thermodynamik Expansion langsam genug, um Einstellung des thermodynamischen Gleichgewichts zu erlauben. “Kosmische Suppe” Kontinuierliche Erzeugung und Vernichtung von Teilchen im thermodynamischen Gleichgewicht. Sk ale nf ak to ra (t) Temperatur T T ist wohldefiniert und nimmt stetig ab. Es ist nicht ganz klar, welche Teilchen genau in der Suppe enthalten sind (Dunkle Materie?) 1/a ex pa nd ier t Thermische Geschichte des Universums Kosmologische Thermodynamik Mittels kosmologischer Parameter wird Expansionsverhalten modellierbar. Skalenfaktor a#t$ 5 4 Heute Urknall l l e 3 2 s e rt d o M e i s ri o v a f 1 !20 !10 0 10 20 Zeit t!Gyr" Thermische Geschichte des Universums Expansionsgeschichte Ωm = 0.23 ; ΩΛ = 0.77 Ωr = 4.2 × 10 −5 −2 h ; h = 0.72 Energiedichte Anteil !!" 100 80 60 40 Λ-dominiert ΩΛ a(t)√∝ e Λ/3 t Ωm Ωr materiedominiert strahlungsdominiert 2/3 a(t) ∝ t t ∝ T −3/2 a(t) ∝ t t ∝ T −2 20 0.01 Heute 1 100 1/2 104 106 Rotverschiebung Anhand des Modells kann mit gegebenen kosmologischen Parametern rekonstruiert werden, welche Energieformen die Expansionsrate H(a) zu welchen Epochen dominiert haben. Ignoriert man alle anderen Energieformen dieser Epochen, lässt sich die zeitl. Entwicklung von a(t) leicht abschätzen. z Thermische Geschichte des Universums Teilchenzahlen Chemisches Gleichgewicht: Teilchenzahlen sind im dynamischen Gleichgewicht, d.h. faktisch konstant bei gleichem T. Notwendige Bedingung ist, dass Teilchen erzeugt und vernichtet werden können, z.B. Elektronen und Positronen durch Paarvernichtung/-erzeugung. Paarvernichtung e+ γ γ e- γ γ Paarerzeugung e+ e- Zahl Teilchen - Zahl Antiteilchen = konstant Möglichkeit der Teilchenerzeugung und -vernichtung muss in der thermodynamischen Betrachtung berücksichtigt werden. Thermische Geschichte des Universums Teilchenzahlen Aus der statistischen Physik lernen wir für Anzahldichten n von Bosonen oder Fermionen im chemischen Gleichgewicht: relativistisch, d.h. m0c2 << kBT: nrel ∝ T 3 Bei masselosen Teilchen wie Photonen ist es besser von einer Energiedichte urel als einer Anzahldichte zu reden, da n nicht klar definiert ist. 4 ∼ n k T ∝ T u typische thermische Energie ist kBT, so dass: rel rel B nichtrelativistisch, d.h. m0c2 >> kBT: nnrel ∝ T 3/2 −(m0 c2 −µ)/kB T e Chemisches Potential μ hängt mit Energie zusammen, die benötigt wird, um Teilchen zu erzeugen (unter bestimmten Rahmenbedingungen). Bosonen und Fermionen haben verschiedene Proportionalitätskonstanten in obigen Gleichungen! Thermische Geschichte des Universums Prinzip des Ausfrierens Aber: Teilchenzahlen “frieren aus”, so bald T zu klein, um genügend Reaktionen für chemisches Gleichgewicht zu ermöglichen. Z.B. brauchen Elektron/Positronpaare zwei Photonen mit mind. 511 keV, um erzeugt werden zu können (T ~ 6 x 109 K). Teilchenzahlen entkoppeln, wenn die Reaktionsrate (Reaktionen pro Zeit pro Teilchen) ! n!σv" (nonrel.) Γ= nc!σ" (rel.) σ : Wechselwirkungsquerschnitt kleiner wird als die Expansionsrate H(t), d.h. wenn Γ ! 1 ; Entkopplung H(t) Thermische Geschichte des Universums Prinzip des Ausfrierens Nach dem Ausfrieren entwickeln sich Teilchenzahl unabhängig vom Rest der kosmischen Suppe. Um auch thermisch vom Rest zu entkoppeln (kein Energieaustausch), müssen alle Wechselwirkungen vernachlässigbar werden. Reaktionsraten fallen häufig schnell im expandierenden Kosmos ab, weil (für Fundamentalbeobachter) 1.Teilchendichte mit a-3 abnimmt, 2. Impuls mit a-1 verloren geht, und 3. viele Wirkungsquerschnitte mit der Teilchenenergie abnehmen. Thermische Geschichte des Universums Meilensteine der thermischen Entwicklung Hierdurch lassen sich u.a. folgende Ereignisse identifizieren: n, p, e+,e-, γ, ν, anti-ν + WIMPs Urknall NeutrinoEntkopplung p,nEntkopplung e+e--Paarvernichtung BBN H/He-Bildung (ionisiert) Rekombination Ende Strahlungsdominierung Zeit nicht diskutiert t=0 t ~ 3x105 yr t ~ 10 s t ~ 0.5 s t ~ 3 min t ~ 7x104 yr Thermische Geschichte des Universums Neutrinoentkopplung Ära der Neutrino-Entkopplung Thermische Geschichte des Universums Neutrinoentkopplung Beginnen unsere Betrachtung kurz bevor der Entkopplung der Neutrinos, bei ca. T ~ 1012 K bzw. ET ~ 100 MeV bzw. t ~ 10-4 s. WIMP? >~ 100 GeV/c2 Neutron mn = 939.6 MeV/c2 Proton mp = 938.3 MeV/c2 (Muon mμ = 140 MeV/c2) Elektron/ Positron me = 511 keV/c2 Neutrinos mν <~ 1 eV/c2 Leichteste Baryonen Proton und Neutron sind zu schwer, um noch thermisch erzeugt zu werden. Alle Baryonen sind also schon vorhanden und streuen höchstens nur noch; Antibaryonen sind zerstrahlt. Muonen -- zweitschwerstes geladenes Lepton -- kann auch nicht mehr effizient erzeugt werden. Muonen zerfallen zu e-e+ und Neutrinos. Nur Elektron/Positronen-Paare können noch durch Photonen effektiv erzeugt werden. Neutrinos werden “schwach” erzeugt und vernichtet. Thermische Geschichte des Universums Neutrinoentkopplung Alle Teilchen befinden (noch) im thermisch/chemischen Gleichgewicht, z.B. durch folgende Reaktionen: e± + γ ν + ν̄ ν + e± p + e− p + ν̄ n ↔ e± + γ : Comptonstreuung ↔ ν + e± : Neutrino − Elektronstreuung ↔ n + e+ ↔ ↔ → e+ + e− : Neutrino/Antineutrinostreuung n + ν : inverserβ − Zerfall p + e + ν̄ : Neutronenzerfall − Thermische Geschichte des Universums Neutrinoentkopplung Wir befinden uns in strahlungsdominierter Phase. ➠ Energiedichte wird von relativistischen Teilchen, d.h. Photonen (Bosonen) und Leptonen (Fermionen) dominiert. ➠ Energiedichte ist gegeben durch: 2 4 π k T B 4 2 ρr c = 10.75 ∝ T 30 !c3 Hieraus ergibt sich mithilfe der Friedmann-Lemaitre Gleichungen und T 1/a: ! " #−2 3 T t= = 0.3 s 32πGρ 1 MeV a(t) ∝ t1/2 H2(a) = 1/(4t2) ∝ T4 Thermische Geschichte des Universums Neutrinoentkopplung Neutrinos sind nur schwach wechselwirkend, wodurch der Wechselwirkungsquerschnitt wie σ E2 T2 mit der Energie E des Neutrinos skaliert. Außerdem geht im chemischen Gleichgewicht die Anzahldichte der relativistischen Neutrinos wie n T3. Hierdurch: Γ ∝ n"σ# ∝ T 5 In strahlungsdominierter Phase ist: H(a) = ȧ/a ∝ t−1 ∝ T 2 Kriterium fürs Ausfrieren skaliert also wie: ! "3 Γ T 3 ≈ ∝ T H 1.6 × 1010 K ➠ Neutrinos sind für T <~ 1010 K nicht mehr mit den anderen Teilchen im Gleichgewicht (~ 1 MeV ~ 0.3 s). Thermische Geschichte des Universums Neutrinoentkopplung Neutrinos frieren etwa bei T ~ 1010 K aus. Und danach? Beim Ausfrieren haben Neutrinos eine thermische Verteilung (PlanckVerteilung) mit der Temperatur der kosmischen Suppe. Sie behalten die thermische Verteilung weiterhin bei, aber mit einer Temperatur, die mit a-1 abnimmt. Da dies weiterhin auch die anderen Teilchen tun, gibt es zunächst keinen Unterschied in den Temperaturen der Neutrinos und dem Rest der kosmischen Suppe. Thermische Geschichte des Universums Elektron-Positron Paarvernichtung Ära der Elektron-Positron Paarvernichtung Thermische Geschichte des Universums Elektronen-Positronen Paarvernichtung Etwas später werden Temperaturen kleiner als T ~ 5 x 109 K oder kBT ~ 500 keV. ➠ e+e--Paare werden nicht mehr effizient erzeugt, Annihilation läuft aber weiterhin ab. ➠ Dichte der e+e--Paare nimmt sehr schnell ab (Wirkungsquerschnitt ist groß). ➠ Alle Paare werden in Photonen verwandelt, ein winziger Elektronenbruchteil bleibt übrig (Materie-Antimaterie Asymmetrie). Ähnlicher Prozess muss früher mit Baryonen/Antibaryonen-Paaren abgelaufen sein. Der Ursprung der winzigen Materie-Antimaterie Asymmetrie ist bisher unbekannt. Scheint aber für Leptonen und Hadronen gleich zu sein, weil Universum elektrisch neutral ist. Thermische Geschichte des Universums Elektronen-Positronen Paarvernichtung Die Annihilation der e+e--Paare pumpt Energie in das Photonengas. ➠ Energiedichte des Photonengases nimmt zu. ➠ Temperatur des Photonengas nimmt zu, da ρc2 T4. Statistisch findet man, dass Temperatur des Photonengases um Faktor (11/4)1/3 ~ 1.4 nach der Annihilation ansteigt. Andererseits bleibt die Temperatur des Neutrinogases unverändert (entkoppelt), weshalb die Neutrinotemperatur auch heute noch um den Faktor 1.4 kleiner sein muss als die Photonentemperatur (CMB). ➠ Modell sagt einen Neutrino-Hintergrund mit T ~ 1.9 K und n ~ 113 cm-3 pro Neutrinosorte voraus. Bis heute nicht nachweisbar, weil Wirkungsquerschnitt sehr klein ist. Thermische Geschichte des Universums Elektronen-Positronen Paarvernichtung Nach der Annihilation hat sich das Fermion-Boson Verhältnis verändert, weil Fermionen (Elektronen/Positronen) in Bosonen (Photonen) umgewandelt wurden; ➠ Man findet nun: t = 0.55 s ! T 1 MeV "−2 Weil nun keine Annihilation mehr stattfindet, bleibt das Verhältnis zwischen (p+n)-Dichte (Baryondichte) und Photonendichte konstant: np + nn η := = 2.74 × 10−8 (Ωb h2 ) nγ Dichteparameter Baryonen (heute) Universum ist elektrisch neutral. ➠ Verhältnis von Elektronendichte zu Protonendichte ist eins, weswegen ne/nγ etwa 0.8η ist (nicht genau eins wegen Neutronen). Thermische Geschichte des Universums Primordiale Nukleosynthese Primordiale Nukleosynthese Thermische Geschichte des Universums Primordiale Nukleosynthese Vor Neutrino-Entkopplung bei t ~ 0.5 s sind Protonen und Neutronen im chemischen Gleichgewicht, hauptsächlich durch: p+e p + ν̄ ↔ ↔ n → n+ν + n+e p + e + ν̄ ; τn = 887 s Protonen und Neutronen haben etwa das gleiche chemische Potential, so dass kurz vor der Neutrino-Entkopplung: ! " 2 ∆m c nn = exp − ≈ 1/3 , np kB T ∆m = mn − mp = 1.293 MeV/c 2 Danach wird Verhältnis graduell kleiner, weil Neutronen zu Protonen zerfallen, Halbwertszeit τn ~ 15 min. Thermische Geschichte des Universums Primordiale Nukleosynthese Deuteriumbildung Entscheidender Faktor in der Bildung von Atomkernen schwerer als Wasserstoff (Proton) ist das Wasserstoff-Isotop Deuterium. Es ist der Grundbaustein schwererer Atomkerne. Deuterium wird gebildet aufgrund der “starken” Reaktion: p+n→D+γ Reaktion läuft sehr effizient ab. Bindungsenergie des D ist EB = 2.225 MeV, etwas größer als die Massendifferenz von Protonen und Neutronen oder die Ruhemasse des Elektrons. William Blair, JHU; FUSE Website Thermische Geschichte des Universums Primordiale Nukleosynthese Problem: Temperatur ist vor und kurz nach Neutrino-Entkopplung nahe EB. ➠ Photonen aus dem Wien-Schwanz der Energieverteilung zerstören das D direkt wieder. Erst wenn kBT << EB, kann Deuterium in größeren Mengen überleben. Dies ist etwa bei TD ~ 8 x 108 K oder t ~ 3 min der Fall. Es können sich nun Atomkerne schwerer als D bilden: die Baryonnukleosynthese (Big Bang Nucleosynthesis; BBN) beginnt. Zu diesem Zeitpunkt ist das Neutron-Proton Verhältnis durch den Neutronen-Zerfall auf nn/np ~ 1/7 abgesunken. Da D notwendiger erster Schritt der BBN ist, wird seine Bildung als “Flaschenhals der BBN” bezeichnet. Thermische Geschichte des Universums Primordiale Nukleosynthese Über mehrere Zwischenschritte wird großer Teil des D in He4, He3 und Spuren von Li und Be umgewandelt. He4 hat eine Bindungsenergie von ~ 28 MeV, ist also sehr resistent gegen Energie der Photonen; BBN endet praktisch hier. D T Quelle: www.einstein-online.info Ralph Alpher Hans Bethe George Gamow Thermische Geschichte des Universums Primordiale Nukleosynthese Helium-Häufigkeit Anzahldichte Neutronen kurz vor BBN sei nn. ➠ Helium-Anzahldichte nach BBN: nHe ~ nn/2, da praktisch jedes Neutron in He4 landet. ➠ Wasserstoff-Anzahldichte nach BBN: nH ~ np - nn, da praktisch alle Neutronen mit gleich vielen Protonen in He4 landen. ➠ Der Massenanteil von He4 nach der BBN ist also etwa: 4nHe 2nn 2(nn /np ) Y = = = 4nHe + nH np + nn 1 + (nn /np ) He 4x so schwer wie H. Setzt man nn/np ~ 1/7 aus obiger Überlegung ein, erhält man Y ~ 0.25. Thermische Geschichte des Universums Primordiale Nukleosynthese Etwa 1/4 der baryonischen Masse im Universum sollte als He4 gebunden sein! Dies ist eine robuste Vorhersage der Urknall-Modelle und in hervorragender Übereinstimmung mit der Beobachtung! Heliumanteil im Universum kann später durch Kernfusion in Sternen geändert werden, wodurch auch schwerere Kerne (“Metalle”) gebildet werden. Beobachtungen von wenig prozessiertem Material (kleines Z) zeigt, dass tatsächlich Y ~ 1/4. Thermische Geschichte des Universums Primordiale Nukleosynthese Detaillierte Modelle erlauben genauere Vorhersagen, auch für andere Elemente. relative Häufigkeit Besonders bemerkenswert ist der rapide Abfall der Neutronenhäufigkeit bei t ~ 200 s. D-Paare verwandeln sich sehr schnell in Helium-Kerne. Quelle: E.Vangioni, IAP Paris Thermische Geschichte des Universums Primordiale Nukleosynthese Dichte von He4 und insbesondere D hängt von ΩB ab. ΩB größer D-Anteil nach BBN ist kleiner η größer weniger Photonen pro Baryon D kann sich früher bilden Umwandlung von D ist effizienter Y ist größer BBN setzt früher ein mit größerem n/p-Verhältnis Thermische Geschichte des Universums Primordiale Nukleosynthese h = 0.65 ΩB sta rke Em pfin dlic h kei t BBN Modell macht Vorhersagen für Häufigkeiten von verschiedenen leichten Elementen, die alle gleichzeitig bei gegebenem ΩB erfüllt sein müssen! Kästen und Pfeile zeigen erlaubte Bereiche durch Messungen. Stärkste Einschränkung durch Messung der D-Häufigkeit (Absorptionsspektren von Quasaren). ➠ Beobachtete Häufigkeiten sind mit gleichem ΩB kompatibel! Quelle: Vangioni, IAP, Paris Thermische Geschichte des Universums Primordiale Nukleosynthese ➠ Vergleich der Messungen (insb. D/H-Verhältnis) ergibt eine Baryondichte von ΩB h2 ~ 0.02. ➠ mit einer Hubble-Konstanten von H0 ~ 70 km/s/Mpc oder h ~ 0.7 ist also ΩB ~ 0.04. ➠ Kosmologische Messungen ergeben aber klar Ωm > 0.1, so dass Baryonen nur kleinen Teil der Materie im Universum ausmachen können. Der größte Teil der Materie ist (nicht-baryonische) Dunkle Materie! Was könnte das sein? Thermische Geschichte des Universums Neutrinos als Dunkle Materie Neutrinos als Dunkle Materie Thermische Geschichte des Universums Neutrinos als Dunkle Materie Aufgrund beobachteter Neutrino-Oszillation scheinen Neutrino-Familien unterschiedliche Massen zu besitzen. Mindestens eine Neutrino-Masse ist von Null verschieden. Labormessungen ergeben: Elektron-Neutrino <~ 2 eV; Muon-Neutrino <~ 170 keV; Tau-Neutrino <~ 16 MeV; Haben alle Familien eine Masse mν << 1 MeV, dann ist Überlegung zu NeutrinoEntkopplung noch gültig, nν ~ 113 cm-3. mν Ων h = 91.5 eV für jeden ultra-rel. Neutrino-Typ. 2 Super-Kamiokande Neutrino-Detektor Thermische Geschichte des Universums Neutrinos als Dunkle Materie ➠ Eine Neutrino-Familie mit Masse mν ~ 30 eV würde reichen, um Ωm ~ 0.3 zu erreichen. Da sicherlich Ωm < 2, können wir folgern, dass Ruhemasse jeder Familie nicht zwischen 200 eV und 1 MeV liegen kann. Erinnerung: Oberhalb ~ 1 MeV gilt die Annahme der relativistischen Neutrinos (bei Entkopplung) nicht mehr. Diese kosmologische Abschätzung ist für das Muon- und Tau-Neutrino besser als gegenwärtige Labor-Experimente. Weil Neutrino Dunkle Materie relativistisch zum Zeitpunkt der Entkopplung (genauer: Strahlungsdominierung) wäre, spricht man hier von “heißer Dunkler Materie”. Thermische Geschichte des Universums Neutrinos als Dunkle Materie Andererseits wäre Neutrino Dunkle Materie nicht mit beobachteter Verteilung von Materie und Massenfunktion von Materie verträglich. Strukturbildung auf kleinen Skalen wäre zu stark unterdrückt. kalt warm Institute for theoretical physics, Zürich heiß Strukturbildung mittels gravitativem Kollaps mit kalter Dunkler Materie (links) und heißer Dunkler Materie (rechts). Thermische Geschichte des Universums Neutrinos als Dunkle Materie Dieses Argument kann umgekehrt werden, um den Bereich ausgeschlossener Neutrino-Massen noch zu erweitern (untere Massengrenze). ...und die obere Massenobergrenze, falls die richtige Statistik der NeutrinoZahlen bei Entkopplung von nicht-ultra-relativistischen Neutrinos benutzt wird. Zusammengenommen erhält man einen verbotenen Massenbereich: Kosmologische Beobachtungen (Ωm ~ 0.3 und Strukturbildung) und die Theorie der BBN schließen dann als Massenbereich der Neutrinos 1 eV <~ mν <~ 1 GeV aus. Thermische Geschichte des Universums Neutrinos als Dunkle Materie Weitere Bemerkungen Elementehäufigkeit der BBN beruhen auf Annahme, dass es drei NeutrinoFamilien gibt. Falls Anzahl größer sein sollte: ➠ Energiedichte ist größer; Expansionsrate höher; ➠ weniger Zeit vergeht bis zur Abkühlung auf BBN-Temperaturen; ➠ mehr Neutronen stehen zur Verfügung, weil weniger zerfallen; ➠ der Helium-Anteil wird größer; Aus BBN wurde schon vor 1990 geschlossen, dass es drei Neutrino-Familien geben sollte, was 1990 aus dem Zerfall des Z0-Bosons im Labor gemessen wurde. Schlussfolgerung der BBN sind für exakt homogenes Universum; kleine Inhomogenitäten erlauben aber keine starke Erhöhung von ΩB. Thermische Geschichte des Universums WIMPs als Dunkle Materie Für andere hypothetische nur schwach-wechselwirkende Teilchen -- weakly interacting massive particles oder WIMPs -- würde gleiches Argument wie für Neutrinos gelten. Wären WIMPs schwerer als etwa 1 GeV, dann sind sie nicht-relativistisch (kalt) nach Neutrino-Entkopplung. Expansionsrate (strahlungsdominiert) danach und Ablauf der BBN wären unbeeinflusst und deshalb die Schlussfolgerungen immer noch korrekt. Praktisch alle theoretischen Erweiterungen des Standardmodells sagen WIMPs vorher -- bisher wurden aber keine beobachtet. Bilder des Large Hadron Colliders Thermische Geschichte des Universums Rekombination Nach t ~ 3 min ist die BBN abgeschlossen; Universum ist T ~ 8 x 108 K heiß. “kosmische Suppe” Plasma (elektrisch neutral) aus Photonen, Protonen, Elektronen, He-Kernen, Spuren von Li, Be,D,T,... Neutrinos,.........................WIMPs? Universum kühlt weiter mit a(t) t1/2 bis Energiedichte der Materie (Staub) die der Strahlung überholt. Geschieht bei zeq ~ 23900 Ωm h2. Ab dann gilt T(t) 1/a(t) t-2/3, oder ! " #2/3 3 a(t) = Ωm H0 t 2 bis entweder ΩΛ oder ΩK dominieren. Thermische Geschichte des Universums Rekombination Ära der Rekombination Thermische Geschichte des Universums Rekombination Bei ca. t ~ 3 x 105 yr oder T ~ 3000 K haben Photonen nicht mehr genügend Energie, um Wasserstoff ionisiert zu halten. ➠ Es bilden sich zum ersten Mal Wasserstoffatome (“Rekombination”). Aber: Warum erst so spät? Ionisationsenergie von Wasserstoff ist χ = 13.6 eV oder T ~ 1.6 x 105 K. Wie beim Deuterium ist Anzahl der Photonen mit Energieχoder größer im Wien-Schwanz der Verteilung bei T >> 104 K immer noch zu groß. Außerdem gibt es deutlich mehr Photonen als Baryonen, η ~ 3 x 10-10 ! Als Ionisationsgrad x definieren wir: Anzahldichte freier Elektronen x= Anzahldichte aller Protonen Thermische Geschichte des Universums Rekombination Rekombination ist kein einfacher thermodynamischer Gleichgewichtsprozess. Direkte Bindung eines Elektrons mit einem Proton im Grundzustand erzeugt Lyman Photon, das sofort wieder ein anderes Atom ionisiert. ➠ H-Atom kann sich nicht durch diesen Prozess effektiv bilden. H-Atome, die sich durch Zwei-Photonen-Übergang bilden, emittieren zwei Photonen, die für sich nicht in der Lage sind andere Atome zu ionisieren. Zwei-Photonen-Übergänge sind aber ~ 108 mal unwahrscheinlicher als EinPhotonen-Übergänge. Aus Betrachtung aller relevanten Übergänge findet man: x(z) = 2.4 × 10 −3 √ Ωm Ω b h2 h2 ! z "12.75 1000 Rekombination ist nicht vollständig! Thermische Geschichte des Universums Rekombination Ionisierte kosmische Suppe ist durch Thomson-Streuung der Photonen an geladenen Teilchen praktisch undurchsichtig (optisch dick). Rekombination lässt Universum also transparent werden.... ...aber nur für Photonen mit Energien kleiner als 13.6 eV oder Wellenlängen größer als λ = 121.6 nm (Lyman-Kante). Aus dem Ionisationsgrad x(z) folgt die optische Tiefe von uns ausgesehen: ! z "14.25 τ (z) = 0.37 1000 ➠ Photonen können sich praktisch ohne Wechselwirkung ab z ~ 1000 ausbreiten; Universum wird ab hier transparent. Thermische Geschichte des Universums Rekombination Photonen behalten ihr Planck-Energieverteilung bei, kühlen aber von ca. T ~ 3000 K auf die heute beobachteten T ~ 2.7 K. Dieser kosmischen Mikrowellenhintergrund (CMB) wurde 1946 von G. Gamow basierend auf dem Urknall-Modell vorhergesagt und 1965 von A.A. Penzias und R.W. Wilson als hartnäckiges “Störsignal” zufällig gefunden. George Gamow Arno A. Penzias Robert W. Wilson AT&T Mikrowellenhorn Thermische Geschichte des Universums Rekombination Erste Zeilen des Artikels von Penzias & Wilson (1965) COBE hat das Photonen-Spektrum sehr genau vermessen. Planck-Theorie und Beobachtung stimmen perfekt überein (Messfehler kleiner als Linie). Abweichungen erlauben Abschätzung über Energie-Einspeisung in Photonengas nach Rekombination. Thermische Geschichte des Universums Rekombination Bemerkungen: • Oben wurde nur Rekombination von Wasserstoff betrachtet; Rekombination von Helium geschieht auch und früher wegen höherer Ionisationsenergie von Helium. • Obwohl Rekombinaton relativ plötzlich geschieht, erhalten wir ungestreute Photonen aus einer “Dicke” von etwa Δz ~ 60. • Irgend wann zwischen z ~ 1000 und heute muss Universum wieder ionisiert worden sein, ansonsten könnten wir keine UV-Photonen von Quellen grosser Rotverschiebung (z.B. Quasare) erhalten können! Quellen der Reionisation sind unbekannt, vermutlich aber durch erste Sterne (am wahrscheinlichsten) oder/und erste AGNs. Reionisation passierte vermutlich zwischen z ~ 7...11 (WMAP7: z ~ 10).