Patientenhandbuch zur Schmerztherapie
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Patientenhandbuch zur Schmerztherapie
Multimodale Schmerztherapie am Stadtkrankenhaus Schwabach Verantwortlicher ärztlicher Schmerztherapeut: Dr. med. Thomas Schramm Sehr geehrte Patientin, sehr geehrter Patient Sie haben sich zur Multimodalen Schmerztherapie entschlossen um Ihr Problem der Schmerzen mit mehreren Methoden auf vielfältigen Zugangswegen zu verbessern. Zu den verschiedenen von uns angewendeten Methoden finden Sie im Folgenden Erklärungen und Ausführungen unserer Therapeuten. Außerdem finden Sie Erklärungen zu den biologischen Grundlagen der Schmerzempfindung um einzelne Vorgehensweisen besser zu verstehen. Bitte helfen Sie uns die Mehrschichtigkeit auch Ihrer Schmerzen in unseren Fragebögen darzustellen und füllen Sie diese sorgfältig aus. Sie erhalten 3 Fragebögen zur Erfassung Ihres Zustandes am Aufnahmetag und 2 Fragebögen zur Erfassung Ihres Zustandes am Entlassungstag aus der stationären Behandlung. Geben Sie diese bitte unmittelbar nach dem Ausfüllen beim zuständigen Pflegepersonal ab. Bitte führen Sie während des stationären Aufenthaltes das beiliegende Schmerztagebuch und geben die jeweils voll beschriebenen Blätter beim Pflegepersonal ab. Tragen Sie hier auch die Anzahl Ihrer eigenständigen TENS Anwendungen und die Art und Anzahl der durchgeführten Entspannungsverfahren des Behandlungstages in der vorgesehenen Spalte ein. Wir werden Sie bei der ärztlichen Visite nach der jeweiligen Schmerzstärke zu diesem Zeitpunkt, sowie nach der größten Schmerzstärke während der vergangenen 24 Stunden befragen. Besonderheiten wie Veränderungen der Schmerzen in Art oder Ausdehnung sollten Sie uns zu diesem Zeitpunkt unbedingt mitteilen. Gleiches gilt für die Qualität Ihres Nachtschlafes oder etwaigen anderen Missempfindungen. Wir weisen Sie darauf hin, dass die Einzel- Behandlungstermine vom ausgehändigten Wochenplan bezüglich der vorgesehenen Uhrzeit abweichen können, da sich unsere Therapeuten für alle Patienten ausreichend Zeit nehmen und außerdem die stationäre Behandlungsplanung in die Zeitplanung ihrer jeweiligen Praxis einbauen müssen. Bitte achten Sie aus diesem Grund auf Anwesenheit zu den vorgesehenen-/ bzw. vereinbarten Behandlungsterminen. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg bei Ihrem Aufenthalt Ihr Behandlungteam Bitte geben Sie dieses Manual bei Entlassung aus der stationären Therapie zusammen mit dem erhaltenen CD Spieler mit CDs und TENS Gerät im Stationszimmer zurück ! Für interessierte Patienten steht das Manual auf unserer Homepage www.schmerzpraxis.net zum Download bereit. Multimodale Schmerztherapie am Stadtkrankenhaus Schwabach Verantwortlicher ärztlicher Schmerztherapeut: Dr. med. Thomas Schramm Inhaltsverzeichnis: Seite: 1 Was ist chronischer Schmerz ? 2-3 Warum Eigeninitiative ? 4 Zielsetzung der multimodalen Therapie 5 Physiologie des Schmerzes 6-7 Schmerzmessung 8-9 Vegetatives Nervensystem 10 Umgang mit Medikamenten 11-12 Psychologische Verfahren 13 Erklärung von Entspannungsverfahren 14-25 Klangtherapie 26 Kunsttherapie 27 Methoden der Physiotherapie 28-31 Ergotherapie 32 TENS 33-34 Akupunktur, Akupressur 35-36 Shiatsu Therapie 37 Fußreflexzonentherapie 38 Erklärungen zu Tai Chi Übungen 39-47 Cranio-Sacrale Therapie 48 Wirbelsäulentherapie 49 Sport-/ Bewegungstherapie 50 1 Warum habe ich Schmerzen? Definition: Schmerz ist ein unangenehmes Sinneserlebnis, welches den Körper vor drohendem Schaden bewahren soll. Beim chronischen Schmerz tritt ein Verlust dieser Schutz- und Warnfunktion des Schmerzes ein und er entwickelt sich zu einer eigenständigen Schmerzerkrankung. Schmerz bezieht sich stets auf die Psyche und die Körperlichkeit eines Menschen. In der Schulmedizin sowie der allgemeinen öffentlichen Meinung wird vielfach eine Trennung von Körper und Psyche gefordert, welche der Behandlung chronischer Schmerzen im Wege steht. Die Schmerzempfindung wird aber auch durch viele andere Einflüsse wie Nachtschlaf, Streß in Familie oder am Arbeitsplatz, nicht verarbeitete oder bestehende andere Belastungssituationen…… beeinträchtigt. Das Bio- Psycho- Soziale Schmerzmodell: hieraus ergibt sich ein Therapieansatz, welcher möglichst viele der beeinflussenden Aspekte mit einbezieht – die sogenannte „multimodale Schmerztherapie“. 2 Behandlungsleiter im erweiterten WHO – Stufenmodell: Behandlungs- Netzwerk im ambulanten Bereich: 3 Warum soll ich mich selbst mit solchen Dingen wie „Schmerzleitung“ ….. „Schmerzmessung“ ….. , „TENS“ ….. Entspannung“… etc. beschäftigen? Eigeninitiative ist die Grundlage etwas zu verändern. Niemand kann für Sie Ihre Probleme lösen. Therapeuten können Ihnen bewährte Behandlungsmethoden und Erfahrungswerte nahe bringen, aber die Behandlung führen Sie selbst durch. Passivität macht Sie zum Opfer ihrer eigenen Schmerzen, die sich dann voraussichtlich ständig verschlimmern bzw. auch neue Probleme aufwerfen werden. Wir alle agieren nicht isoliert von anderen Menschen, sondern wir befinden uns in einem sozialen Umfeld (Familie, Freunde, Arbeitsplatz), welches in direktem Zusammenhang mit unseren Empfindungen steht, – so auch mit der Schmerzempfindung. Die eigene Schmerzmessung macht Sie zum „Beobachter“ Ihres Schmerzes und ist ein Schritt die Rolle des „Opfers“ der Schmerzen hinter sich zu lassen. Bewegungsübungen helfen Ihnen die eigenen Grenzen von Einschränkungen aktiv auszutesten und durch kontinuierliches Üben, diese im Laufe der Zeit zu mehr Bewegungsausmaß zu verschieben. Mit Entspannungstechniken, - über längeren Zeitraum angewendet - , beeinflussen Sie die Regulierung der Schmerzsignale und der damit verbundenen Veränderungen in Ihrem Körper positiv. 4 Stationäre multimodale Schmerztherapie am Stadtkrankenhaus Schwabach Zielsetzung: • • • • • • • • • • • Schmerzverbesserung Verbesserung der Mobilität Verbesserung der Körperwahrnehmung Vermeidung weiterer Chronifizierungsmechanismen Vermeidung von Folgeschäden Affektive Stabilisierung, -bzw. Verbesserung Differenzierung/ Reduktion der medikamentösen Einstellung Evt. Soziale Wiedereingliederung (familiäres - / Arbeitsumfeld) ggf. Medikamentenentzug Schulung des Schmerzverständnisses „Hilfe zur Selbsthilfe“ – Aktivitätsförderung Methoden: • • • • • • • • • • • • • • • • • Medikamentös differenzierte Therapie Psychologische Einzelsitzungen (Neuropsychologie, Verhaltenstherapie) Erlernen von Entspannungstechniken (Jacobson Training, Autogenes Training, Positive Imaging) Biofeedback (Muskelscreening, Therapiesitzungen nach Schmerzbild) Kunsttherapie Klangtherapie Körpertherapie nach den Richtlinien der chinesischen Medizin (Akupunktur, Shiatsu, Reflexzonentherapie) Körpertherapieübungen nach Qi Gong und Tai Chi Reflexzonentherapie am Fuß (nach Hanne Marquard) Cranio-Sacrale Therapie Indikationsspezifische Physiotherapie (Einzel- und Gruppentherapie) Ergotherapeutische Behandlung, Bewegungsübungen (Einzel- und Gruppentherapie), Hilfsmittelschulung Anleitung zur Rückenschule Genußtraining Ernährungsberatung TENS Schulung und tägliche Anwendung (Einzelberatung/ Selbstaktivität) Patientenschulung und -begleitung Involviertes Personal: 1 Schmerztherapeut, 1 weiterer Facharzt, 1 Psychologin (Psychologische Psychotherapeutin), 1 Psychologe (Psychologischer Psychotherapeut), 2 Heilpraktikerinnen (Schwerpunkt TCM/ Reflextherapie/ Naturheilkunde), Physiotherapeutische Praxis (mehrere Therapeuten), 1 Ergotherapeutin, 1 Algesiologische Fachkraft, 2 Biofeedbacktrainerinnen, 1 Kunstpädagogin (Heilpraktikerin), 1 Cranio-Sacral Therapeutin (Physiotherapeutin, Heilpraktikerin), 2 Arzthelferinnen, 1 Qi Gong/ Tai Chi Trainerin, 2 Klang-/Meditationstrainer/-in, 1 Genußtrainerin, 1 Diätassistentin (Heilpraktikerin), + Pflegepersonal auf Station,+ fachärztlicher Hintergrund des Lehrkrankenhauses 5 Schmerzphysiologie – Schmerzbahnen: Die Entstehung und Weiterverarbeitung eines Schmerzsignals in unserem Körper erfolgt über spezielle Nervenstrukturen, die in der Weiterleitung mit unterschiedlichen „Schaltzentren“ verknüpft sind. Besonders wichtig sind in diesem Zusammenhang die Zentren für Angst und Depression. So erklären sich die unterschiedlichen Komponenten der Schmerzempfindung schon allein auf physiologischer Ebene. Nerven sind selbstlernende Gebilde und passen sich an die Anforderungen der Umgebungssituation an. So sendet ein Nerv welcher längere Zeit einer erhöhten Reizung ausgesetzt wird auch in einer erhöhten Ruhefrequenz und reagiert mit wesentlich stärkeren Entladungen auf die gleich starken Reize, die vorher nur wenig Entladung verursacht hatten. Dies ist die Grundlage zur Entwicklung von chronischen Schmerzen. 6 Ständig empfundener Schmerz und erhöhte Schmerzsignalgebung verändert nachfolgend verschaltete Strukturen ebenso in ihrer Reaktion auf die Reize – eine sogenannte „Zentrale Sensibilisierung“ findet statt. Wirken weiterhin ungehemmt die übermäßigen Reize ein, führt dies zu einer weitere Chronifizierung mit Entstehung der „Schmerzkrankheit“ mit allen ihren Begleiteffekten als eigenständiges Krankheitsbild. Bezogen auf dem Empfindungsbereich wird sich verändertes Verhalten, Depression, Ängste…. als Reaktion auf die veränderten Schmerzsignale einstellen. Diese Veränderung unterliegt dann wiederum den unterschiedlichen Typen von Menschen, stattgefundenen Vorbelastungen, Schwächen usw.. Im Folgenden genannte 3 Verhaltensmuster gelten als chronifizierungsfördernd für Schmerzen: 7 Schmerzen und Befindlichkeiten werden individuell gemessen: In unseren Fragebögen und bei der Visite werden Sie nach einer Skala von 0-10 befragt, welche alle Einflüsse für Ihre Person auf die Schmerzen ausdrückt. Die Zahl ist somit Ihre persönliche Schmerzstärke. Welche Art von Schmerz haben Sie? - Wie ist die Schmerzqualität? •Nozizeptiver Schmerz = Signal von Schmerzrezeptor –Umschriebener Bezirk –Scharfe Schmerzqualität •Neuropathischer Schmerz = Signal von Nerven –Unklare Ausdehnung –einschießend, attackenartig –nächtliche Schmerzverstärkung •Sympathischer Schmerz = Signal des autonomen Nervensystems –Quadrantenausdehnung, teilweise oder komplette Extremität –dumpf, brennend •Zentraler Schmerz = Signal des Gehirns –Halbseitenausdehnung (Kopf und Körper homolateral) –Keine eindeutige Qualität Diese Angaben sind unter anderem hinweisend für die Medikamentenauswahl ! 8 Schon der Maler Albrecht Dürer beschrieb seinem Leibarzt in folgendem Selbstbildnis den Ort seiner Schmerzen ganz genau: 9 Verspannung/Entspannung Gerunzelte Stirn/Kopfhaut glatte Stirn Hochgezogene Augenbrauen Locker aufmerksame Augenpartie gepresster Kiefer, Lippen oberflächliche Atmung ruhige tiefe Atmung angespanntes Zwerchfell lockeres Zwerchfell steifer Hals, Nacken gelöster Kiefer, Nacken hochgezogene Schultern gelockerter Hals, Nacken steifes Kreuz lockere Schulterpartie angespannter Bauch gelöster Bauchbereich kalte Finger – warme Finger schwitzende Hände – warme Hände schneller Puls – regelmäßiger Puls Schließmuskel-Anspannung entspannter Schließmuskel gefühllose Genitalien warme Genitalien zusammengezogener Beugemuskeln lockerer Beugemuskel gehemmter Streckmuskel lockerer Streckmuskel gespannte Wadenmuskulatur entspannte Wadenmuskulatur angespannte Fußmuskeln entspannte Fußmuskeln kalte Füße - warme Füße Vegetatives Nervensystem Gleichgewicht Sympathikus Verengung Beschleunigung Beschleunigung Anregung Erhöhung Erhöhung Erhöhung Erhöhung Hemmung Hemmung Parasympathikus Blutgefäße Herzfrequenz Atmung Hormonausschüttung Blutdruck Blutfette Blutzucker Blutgerinnung Magentätigkeit Verdauung/Darm Erweiterung Verlangsamung Verlangsamung Hemmung Senkung Senkung Senkung Senkung Anregung Anregung 10 Zum Umgang mit Medikamenten: Dauerhafter Schmerz verlangt einen kontinuierlichen Wirkspiegel eines Medikaments,- dies wird mit Retard- Medikamenten vollzogen. Retard Medikamente setzen ihren Wirkstoff langsam über längeren Zeitraum frei. Akute Schmerzen/ Schmerzspitzen (z.B. plötzlicher Schmerz bei falscher Bewegung) werden mit schnell wirksamen Medikamenten behandelt, - diese fluten schneller an, halten aber den Wirkspiegel im Blut nicht über längeren Zeitraum aufrecht. Werden diese Regeln nicht beachtet, entstehen einerseits Phasen mit zu niedrigem Schmerzmittelspiegel im Blut, an denen die Schmerzen stärker werden. Andererseits können auch Überdosierungen mit zu hohen Schmerzmittelspiegeln und entsprechenden spezifischen Medikamentennebenwirkungen entstehen. Deshalb keine „Schaukeltherapie“! Kontinuierlicher MedikamentenWirkspiegel Schmerzspitzen bei Schaukeltherapie Die richtige Anwendung von Medikamenten beim chronischen Schmerz bedeutet: •Dauerhafter Wirkspiegel •Minimierung von Nebenwirkungen •Vermeidung von Abhängigkeit Jedes Medikament wird nach seinen Eigenschaften der Art des Angriffspunktes auf das Schmerzgeschehen sowie streng nach seiner spezifischen Wirkdauer angewendet. Zusätzlich gilt es individuelle Verträglichkeiten und Nebenerkrankungen zu berücksichtigen. 11 Die Anwendung von Opioidpflastern: 12 Psychologische Verfahren zur Beeinflussung der Schmerzen: •Entspannungsverfahren Gezielte Muskelentspannung nach Jacobson Autogenes Training •Biofeedback •Hypnoseverfahren •Autosuggestion •Positive Imaging (Arbeiten mit positiven Bildern) •Gesprächstherapie/ kognitive Verhaltenstherapie •Schmerzbewältigungstraining •Genußtraining •Tiefenentspannung (in unserem Schmerzzentrum mit Klangschalen) 13 ENTSPANNUNGSVERFAHREN: PROGRESSIVE MUSKELENTSPANNUNG - AUTOGENES TRAINING BIOFEEDBACK 1. ENTSPANNUNGSVERFAHREN UND SCHMERZEN Wir wollen in dieser Broschüre die folgenden Fragen beantworten: Warum sind Entspannungsverfahren bei Schmerzen sinnvoll? Wie und warum wirken sie? Welche Methoden sind empfehlenswert? Worauf sollte geachtet werden? Welche Probleme sind zu erwarten und wie können sie gelöst werden? Starke Schmerzen haben eine direkte und meist sehr heftige Antwort des gesamten Körpers zur Folge: Wenn wir uns an einem heißen Gegenstand verbrennen, uns kräftig den Ellbogen oder den Kopf stoßen, geschieht folgendes: der Herzschlag und die Atmung werden schneller, Schweiß bricht aus. Bei sehr starken Schmerzen reagiert schließlich auch noch der Magen-Darmkanal: uns wird übel. Vor diesen Alarm-Reaktionen mit ihren Auswirkungen auf unterschiedliche Körpervorgänge reagiert bereits unsere Muskulatur: Wir ziehen die Hand, den Arm oder den Kopf schnell zurück, ohne nachzudenken, um uns zu schützen. Diese Tätigkeit der Muskeln wird reflektorisch ausgeführt, das heißt ohne Umweg über unser Gehirn. Deshalb ist diese Reaktion sehr schnell und verhindert damit meist schlimmere Verletzungen. Durch dieses Frühwarnsystem schützt sich der Körper höchst wirksam. Solange die Aufgabe des Frühwarnsystems darin besteht, sich gegen Schmerzreize zu schützen, ist dieser Vorgang sicher, zielgerichtet und sinnvoll. Er dient zur Erhaltung der Gesundheit. Zum Problem wird diese reflektorische Antwort, wenn es keinen äußeren Schmerzreiz gibt, wenn die Quelle der Schmerzen, ob bekannt oder unbekannt, im Körper selbst liegt. Auch bei diesen Schmerzen reagieren wir instinktiv wie es unserer Natur entspricht: Mit unwillkürlicher Anspannung der Muskulatur und einer den gesamten Körper erfassenden Alarmreaktion. Dauern Schmerzen über Stunden und Tage an, entstehen durch dieses "körpereigene Programm" zusätzliche Beschwerden: die Anspannung, die den gesamten Körper erfasst und die damit verbundene Verspannung vieler Muskelgruppen wird zu einer zusätzlichen Schmerzquelle die "ins Leere laufende" Alarmreaktion hält den Körper in ständig erhöhter Anspannung, wir werden "nervös" und reizbar, "stehen unter Dampf" unsere Fähigkeit zu entspannen, auszuruhen und gut zu schlafen, wird beeinträchtigt unsere Fähigkeit, mit Schmerzen umzugehen, wird beeinträchtigt. Diese sehr vielschichtige Reaktion auf Schmerz betrifft unterschiedliche Funktionen des gesamten Körpers. Schmerz, und besonders chronischer Schmerz, ist folglich wesentlich komplizierter, als im ersten Moment zu vermuten: Insbesondere bei chronischem Schmerz funktioniert unser Schmerzempfinden nicht wie eine elektrische Leitung, bei der man ja nur die "Leitungsbahn" verfolgen muß, um zur "Quelle" oder "Ursache" der Spannung zu gelangen. Vielmehr ist in unterschiedlichem Ausmaß zunehmend der "ganze Mensch" körperlich und seelisch betroffen. Der Zusammenhang zwischen Schmerz und Anspannung der Muskulatur ist seit vielen Jahren bekannt. Erst in den vergangenen Jahren wurden intensive Forschungsarbeiten 14 dazu durchgeführt. Sie bewiesen, daß Entspannungsverfahren bei der Behandlung chronischer Schmerzen eine zentrale Rolle spielen. Ihre Wirksamkeit ist in zahlreichen Arbeiten überprüft worden und wurde für unterschiedliche Arten von Schmerz nachgewiesen: als therapeutisch wirksame und vorbeugende Maßnahme bei Schmerzen, die wesentlich durch Muskelverspannungen bedingt oder mit ihnen verbunden sind bei schwer beherrschbaren chronischen Schmerzzuständen unterschiedlichster Ursache (z.B. Rheuma und Krebs) zur Vorbereitung auf Schmerzen, die durch medizinische Eingriffe bedingt sind (z.B. nach Operationen) Bewiesen ist, dass Entspannungsverfahren das Schmerzerleben in mehrfacher Hinsicht beeinflussen: sie wirken den schmerzbedingten körperlichen und seelischen Reaktionen entgegen, sie fördern dadurch das Wohlbefinden und somit wiederum die Fähigkeit, Schmerzen besser zu bewältigen. sie fördern die Wahrnehmung der eigenen körperlichen Reaktionen und sind dadurch eine wirksame Hilfe für die Vorbeugung. Oft sind die Entspannungsverfahren der einzige Weg, um den Teufelskreis "Schmerz Anspannung - Unwohlsein - verstärktes Schmerzempfinden" zu unterbrechen. Entspannungsverfahren werden auch unabhängig von Schmerzerkrankungen regelmäßig und wirkungsvoll zur Behandlung von Ängsten, Schlafstörungen, vielen funktionellen Erkrankungen und nicht zuletzt zur Erholung und Leistungssteigerung angewendet. Bei Schmerzpatienten stellen sich diese Wirkungen als positive "Nebeneffekte" ebenfalls ein. 1.1 Schmerz und das vegetative Nervensystem Die mit Schmerzen immer und unwillkürlich verbundene "Alarm-Reaktion" versetzt unseren gesamten Körper in einen Zustand erhöhter Erregung. So entsteht gleichzeitig eine Verstärkung der Schmerzwahrnehmung und somit letztlich der Schmerzen selbst. Eine weitere häufige Folge anhaltender Schmerzen sind Schlafstörungen und eine deutlich eingeschränkte Fähigkeit, zur Ruhe zu kommen, abzuschalten und zu entspannen. Auch hierdurch werden die Möglichkeiten, Schmerzen zu bewältigen erneut eingeschränkt. Dieser Teufelskreis kann mit Hilfe von Entspannungsverfahren wirkungsvoll unterbrochen werden. Die Veränderungen während der Entspannungsübung wirkt der unwillkürlich einsetzenden "Alarm-Reaktion" bei Schmerz entgegen. Erregung, Anspannung und innere Unruhe werden durch Entspannungsverfahren verringert. 1.2 Schmerz und Gefühl Ähnlich wie der oben geschilderte Teufelskreis auf körperlicher Ebene zu einer Schmerzverstärkung führt, bestehen Zusammenhänge zwischen Schmerz und Gefühlen: Schmerz ist nicht nur eine Sinnesempfindung wie Sehen, Hören oder Riechen. Er ist mit unangenehmen Gefühlen wie Angst, Furcht, Trauer, Hilflosigkeit, Hoffnungslosigkeit oder Ärger verbunden. 15 Der berühmte Arzt Sauerbruch hat diese Gefühle als die "grauen Schwestern des Schmerzes" bezeichnet. Sie verstärken wiederum die Schmerzen. So führt z.B. die Angst vor einem erneuten Schmerzanfall, auch als Erwartungsangst bezeichnet, sehr häufig zu verstärkter Selbstbeobachtung und diese wiederum zu verstärkter Schmerzempfindung. Hoffnungslosigkeit führt zum Rückzug aus dem Familien- und Bekanntenkreis, angenehme Erlebnisse und ablenkende Ereignisse werden dadurch immer seltener, der Schmerz beginnt das Leben zu beherrschen. Diese Schmerzspirale kann ebenfalls durch gezielte Entspannung gedämpft oder unterbrochen werden, wobei die Schmerzempfindung und die Erwartungsangst verringert werden. 1.3 Örtliche Schmerzbeeinflussung Mit zunehmender Beherrschung der Entspannungsverfahren wird es Ihnen immer besser gelingen, bestimmte Körperregionen (z.B. Schulter-Nacken-Kopf) gezielt zu beeinflussen und damit die Durchblutung und Muskelanspannung zu steuern. 1.4 Schmerz und Schmerzwahrnehmung, Ablenkung Eine zusätzliche Möglichkeit der direkten und indirekten Beeinflussung aller Schmerzen besteht in der Steuerung der Aufmerksamkeit. Schmerzen in einem bestimmten Körpergebiet lenken unsere Aufmerksamkeit wie ein Magnet auf sich, so dass wir manchmal den Eindruck haben, als würden wir außer dem Schmerz nichts anderes mehr empfinden. Die konzentrierte Hinwendung auf die bei den Entspannungsverfahren angesprochenen unterschiedlichen Körperregionen kann zu einer Abschwächung der Wahrnehmung schmerzhafter Körpergebiete führen. Wir lernen, wieder wahrzunehmen, dass nicht nur schmerzhafte Empfindungen vom Körper ausgehen. Dieser Vorgang lässt sich meist auch im Alltag beobachten: Oft werden Schmerzen weniger intensiv empfunden und treten in den Hintergrund, wenn wir abgelenkt und mit anderen Dingen beschäftigt sind. Wir sind ständig einer Vielzahl von Reizen ausgesetzt, von denen wir die wenigsten tatsächlich bewusst registrieren: Während Sie diese Zeilen lesen, sitzen Sie vielleicht auf einem Stuhl, ohne dass Sie bisher den Druck der Sitzfläche besonders bemerken. Erst durch die Veränderung der Aufmerksamkeit wird dies spürbar. Unsere Konzentration läßt sich lenken, wir können sie auf den Schmerz und die betroffenen Gebiete richten, wir können jedoch auch lernen, andere Reize stärker zu beachten. Diese Alltagserfahrung hat sich wissenschaftlich bestätigen lassen: Es gibt viele Situationen, in denen Schmerz nicht oder nur schwach wahrgenommen wird, weil andere Informationen wichtiger sind und unsere Konzentration ganz in Anspruch nehmen. Wir können diese Fähigkeit trainieren und für die Beeinflussung von Schmerz nutzen. Ein spektakuläres Beispiel dafür ist die faszinierende "Kunst" der Fakire. Sie fügen sich unter normalen Umständen schmerzhafte Verletzungen willentlich zu, ohne Anzeichen von Schmerz zu zeigen. Diese Fähigkeit beruht auf einer Kombination von tiefer Entspannung und starker Konzentration auf ablenkende Reize. Die körperlichen und seelischen Vorgänge entsprechen dabei weitgehend dem, was auch von den klassischen Entspannungsverfahren wie Autogenem Training und Jacobson-Training bekannt ist. 16 2. DIE BEKANNTESTEN ENTSPANNUNGSVERFAHREN Die Progressive Muskelentspannung, das Autogene Training und das Biofeedback sind die wichtigsten Methoden, die bei chronischem Schmerz mit Erfolg angewendet werden. Wir beschränken uns in dieser Broschüre auf diese Verfahren und legen den Schwerpunkt auf die Progressive Muskelentspannung nach Jacobson, da diese Methode nach unserer Erfahrung gerade für Patienten mit chronischem Schmerz einige Vorteile gegenüber dem autogenen Training hat. Andere Methoden wie Funktionelle Entspannung, Feldenkrais, Yoga und insbesondere die isometrische Relaxation enthalten Entspannungselemente und können ebenfalls sinnvoll eingesetzt werden. Welches Verfahren letztlich das für Sie geeignete ist, können Sie durch die Beratung durch Ihren Arzt oder Psychologen und durch eigene Erfahrungen herausfinden. 2.1 PROGRESSIVE MUSKELENTSPANNUNG NACH JACOBSON Die Methode der Progressiven Muskelentspannung (andere Namen sind Tiefmuskelentspannung, Muskuläres Tiefentraining, Progressive Relaxation, Jacobson-Training) geht auf Edmund Jacobson zurück. Er entdeckte Anfang dieses Jahrhunderts, dass bei allen Spannungsgefühlen auch die Muskeln beteiligt sind. Das Auftreten von Muskelspannung ist besonders häufig dann zu beobachten, wenn Schmerz, Aufregung oder Angst erlebt werden. Einige Beschreibungen von menschlichen Eigenschaften beziehen sich übrigens direkt auf diesen Zusammenhang. So spricht man von "hartnäckigen Menschen", solchen, die alles "verbissen" oder "verkniffen" sehen, jemand kann "stocksteif" sein oder "die Faust in der Tasche ballen". Die Erkenntnis von Jacobson hat dazu geführt, dass Entspannung gezielt durch Behebung der muskulären Verspannung angestrebt wird. Bei der progressiven Muskelentspannung wird dies - scheinbar paradox - dadurch erreicht, dass schrittweise verschiedene Muskelgruppen zunächst angespannt und danach gelockert werden. Es handelt sich hier um einen normalen Vorgang, den Sie auch im Alltag vermutlich schon einmal angewendet haben: Wenn Sie mit einem Wadenkrampf wachwerden, versuchen Sie diesen zunächst durch noch stärkere Anspannung zu lockern: Sie ziehen an Ihrem Fuß oder stellen sich hin und spannen dadurch die Wadenmuskulatur noch kräftiger an. Das Prinzip der progressiven Muskelentspannung ist ähnlich: Nacheinander werden verschiedene Muskelgruppen des Körpers zunächst angespannt und anschließend entspannt. Die Anspannung sollte dabei kurz (ca. 5-6 Sekunden) dauern, die Entspannung mindestens doppelt so lange. Die Betonung sollte dabei eindeutig auf dem Entspannunggsteil liegen, die Anspannung also nicht zu kräftig durchgeführt werden. Dieser Vorgang beginnt mit den Händen, wird für die Arme wiederholt und setzt sich fort für die wichtigsten Muskelgruppen bis hin zu den Beinen und Füßen. Durch den bei der Progressiven Muskelentspannung erlebten Unterschied zwischen Anspannung und Entspannung können bei Ihnen meist sehr schnell Entspannungsempfindungen spürbar werden. Die Entspannung bleibt jedoch nicht auf die Muskulatur beschränkt, sondern wirkt sich ebenfalls zunehmend positiv auch auf das vegetative Nervensystem (Herz, Kreislauf, Atmung, Verdauung) aus. 17 Ein wichtiges Ziel der Entspannungsverfahren ist es, bereits beginnende körperliche Verspannungen besser wahrzunehmen und frühzeitig zu verhüten. Sinnvoll ist es, zunächst eine ausführlich Fassung (Dauer: 20-30 Minuten) zu erlernen. So lernt man die einzelnen Muskelgruppen gründlich kennen und kann sie schließlich auch beeinflussen. Nach einiger Zeit (meist 3-4 Wochen) können Sie dann zu einer Kurzfassung übergehen (Dauer: 5-6 Minuten), die auch im normalen Tagesablauf angewendet werden kann. Selbstverständlich ist konsequentes Üben die Voraussetzung für Erfolge. Beginnen Sie mit der ausführlichen Fassung ein- bis zweimal täglich und gehen Sie zur Kurzfassung über, wenn sich Entspannungsempfindungen zuverlässig einstellen. Diese sollten Sie dann während der Lernphase (in den ersten Wochen also) etwa dreimal täglich üben. Falls während der Anspannung Schmerzempfindungen auftreten, sollten Sie weniger kräftig anspannen und eventuell Ihre Körperhaltung korrigieren. Wichtig ist weiterhin die sogenannte "Zurücknahme" der Entspannung am Schluss der Übung: Sie sollten sich - ähnlich wie nach dem Schlafen - Recken, Strecken und auf die Beendigung der Entspannungsphase einstellen. Das ist natürlich nicht erforderlich, wenn Sie im Anschluss an die Übung einschlafen möchten. Anfangs wird es etwas schwer fallen, einzelne Muskelgruppen alleine anzuspannen, oft reagieren benachbarte Muskelgruppen fast automatisch mit. Mit zunehmender Übung wird es Ihnen jedoch immer besser gelingen, sich auf einzelne Muskelgruppen zu konzentrieren. Anders als beim Autogenen Training können Sie bei der Progressiven Muskelentspannung die Übungsanweisungen von einer Kassette abhören. Mit der Zeit wird Ihnen jedoch der Übungsablauf so vertraut werden, dass Sie sich die Anweisungen innerlich selbst geben können. Wichtig ist dabei nur die Reihenfolge der Übungen, nicht der Wortlaut der Anweisungen. Die Progressive Muskelentspannung wird von Diplom-Psychologen, Ärzten, in Volkshochschulen, in Kuren und mit Hilfe von Ton-Kassetten vermittelt. Günstig ist die Teilnahme an einem Gruppengespräch zur Einführung in diese Methode. Jeder Patient erhält die Gelegenheit, sich einen CD Player (Walkman) und eine Kassette mit den Übungsanleitungen auszuleihen. Hier im Schmerzzentrum können Sie mit den Übungen beginnen. Eine Fortführung zu Hause ist jedoch unerlässlich, damit sich ein Erfolg einstellt. Zur Unterstützung Ihrer selbständigen Übungen zu Hause können Sie Ihre eigene CD im Fachhandel (Buchladen) erwerben. Die Progressive Muskelentspannung können Sie im Sitzen oder im Liegen durchführen. Es wird anfangs leichter sein, im Liegen zu entspannen. Dennoch sollten sie sich nicht zu sehr "verwöhnen" und nicht ausschließlich im Liegen üben. Im Alltag kommt es häufiger vor, dass man sich zwischendurch hinsetzt, eine Gelegenheit zum Hinlegen gibt es seltener. Um diese Methode also auch unter normalen Bedingungen anwenden zu können, sollten Sie von Beginn an darauf achten, dass sie die Übungen sowohl im Sitzen als auch im Liegen erlernen. Sie sollten zu Beginn der Lernphase Ihre Übungen möglichst zu Zeiten mit geringeren Schmerzen oder in schmerzfreien Perioden durchführen. Erst mit einer gewissen Beherrschung dieses Verfahrens können sie dazu übergehen, gezielt den Schmerz selbst zu beeinflussen. 18 Achten Sie darauf, dass Sie zu Beginn ihre Übungen (einigermaßen) ungestört durchführen können. Hängen Sie das Telefon aus, suchen Sie sich Zeiten mit geringerer Lärmbelästigung und einen ruhigen Platz aus. Bei zunehmender Übung wird es Ihnen jedoch auch unter ungünstigeren Bedingungen gelingen, zu entspannen. Praktische Hinweise und Informationen finden Sie zusammengefasst noch einmal im Kapitel "Hinweise zur Durchführung von Progressiver Muskelentspannung und Autogenem Training". 2.2 AUTOGENES TRAINING Das autogene Training (kurz:AT) wurde vor mehr als 50 Jahren von dem deutschen Arzt J.H. Schultz entwickelt. Die Methode wurde seitdem zunehmend verbessert; es wurden ständig neue Bereiche entdeckt, in denen sie sinnvoll und zuverlässig angewendet werden kann. Wissenschaftliche Forschungen zur Wirkung konnten nachweisen, dass die während der AT-Übungen erlebten Veränderungen wie Ruhe, Entspannung, Schwere und Wärme sich auch auf körperlicher Ebene mit Hilfe von entsprechenden Messinstrumenten feststellen lassen. Es handelt sich dabei um Vorgänge, die uns normalerweise nicht bewusst sind, die wir aber durch bestimmte Übungen beeinflussen können. Dadurch ist es uns möglich, schrittweise einen Zustand körperlich-geistiger Entspannung zu erreichen. Autogenes Training bedeutet soviel wie "selbsttätige Übung". Damit sind zwei wesentliche Merkmale dieses Entspannungsverfahrens angesprochen: Zum einen die "Selbsttätigkeit", zum anderen die "Übung". Selbsttätigkeit bedeutet, dass Sie als Anwender der Methode darüber entscheiden, wie weit sie sich auf die angestrebte Entspannung einlassen, wann Sie das AT anwenden und wie intensiv Sie es durchführen. Übung bedeutet, dass sich die angestrebte Entspannung nur dann zuverlässig einstellen wird, wenn Sie die Bereitschaft haben, das AT regelmäßig durchzuführen. Autogenes Training wird meist in einer Gruppe vermittelt. Dies hat den Vorteil, dass Anfangsschwierigkeiten besprochen werden können. Im Gespräch lassen sich Fragen methodischer und grundsätzlicher Art klären sowie Erfahrungen und Erfolge mitteilen. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist Ihre Bereitschaft zur Mitarbeit. Scheuen Sie sich nicht, auch Ihre Schwierigkeiten bei den Übungen mitzuteilen. Anderen geht es sicherlich ähnlich, und fast immer lassen sich im gemeinsamen Gespräch Lösungen finden. Meist beginnen sie anfangs mit den Übungen "Ruhe-Schwere-Wärme". Ziel der Ruhe-Übung ist die Einstellung auf einen Zustand der Ruhe und Entspannung. Die Schwere-Übung zielt auf eine direkte Entspannung der Muskulatur. Arme und Beine haben ein recht hohes Gewicht, das wir aufgrund der ständig vorhandenen Grundanspannung der Muskulatur in der Regel nicht wahrnehmen. Gelingt es uns aber, diese Anspannung zu verringern, wird uns das Eigengewicht deutlich. Wer einmal ein schlafendes (also entspanntes!) Kind getragen hat, wird überrascht sein, wie schwer es sich anfühlt. Wer einmal einem beschwippsten Mitmenschen nach Hause geholfen hat, wird sicherlich den Satz kennen "Nun mach' dich nicht so schwer!". Entspannung wird demnach bei uns selbst und bei anderen als Gefühl der Schwere erlebt. Ziel der Schwereübung ist es also, die Muskulatur tiefer als beim üblichen Ausruhen zu entspannen. 19 Ähnlich verhält es sich bei der Wärme: Sie ist eine Folge der Entspannung unseres Gefäßsystems und somit einer vermehrten Durchblutung bestimmter Körpergebiete. Der Anstieg der Temperatur während der Wärmeübung kann mit Hilfe eines Hautthermometers gemessen werden. Dabei wird nicht etwa die Körpertemperatur erhöht, sondern lediglich eine vermehrte Durchblutung und somit Erwärmung erreicht. Es hat sich als sinnvoll herausgestellt, einen bestimmten Ablauf während den Übungen einzuhalten. Dazu gehört eine bestimmte Körperhaltung (im Sitzen die sogenannte "Flegelhaltung", im Liegen die Rückenlage mit parallel zum Körper liegenden Armen), das Schließen der Augen, das innere Vorsprechen bestimmter Formeln und schließlich die Rücknahme der Übung. Es gibt große Unterschiede zwischen den Übenden. Bei manchen stellt sich die Schwere spontan und leicht ein. Auch gibt es Übende, die das Schwere-erlebnis kaum empfinden, dafür aber von spontanen Wärmeempfindungen berichten. In diesem Fall sollten Sie, möglichst nach Rücksprache mit den Gruppenleitern, die Formel ändern und auf die Ihnen eigene Reaktionsweise abstimmen. Meist stellen sich solche individuellen Unterschiede bereits in den Wochen der Grundunterweisung heraus und können im Gruppengespräch geklärt werden. Auch im Lerntempo gibt es beträchtliche Unterschiede. Bei einigen stellt sich eine tiefe Entspannung prompt ein, bei anderen kann es mehrere Monate dauern. Dies sollten Sie bedenken. Auch sollten Sie zu Beginn der Lernphase Ihre Übungen möglichst zu Zeiten verminderten Schmerzes oder in schmerzfreien Perioden durchführen. Viele Fragen werden in der weiterführenden Literatur beantwortet, die wir am Schluss angeben. Wenn Sie sich für die Anwendungsmöglichkeiten interessieren, sollten Sie einen Kurs zum Autogenen Training besuchen. Diese Kurse werden inzwischen von fast allen Volkshochschulen sowie konfessionellen oder anderen Bildungseinrichtungen angeboten. 2.3 HINWEISE ZUR DURCHFÜHRUNG VON PROGRESSIVER MUSKELENTSPANNUNG UND AUTOGENEM TRAINING Entspannungsverfahren müssen erlernt werden, d.h. es ist notwendig, täglich zu üben. Versuchen Sie aber, sich realistische Ziele zu setzen: 5-mal täglich wird in aller Regel kaum zu verwirklichen sein und lediglich dazu führen, dass Sie mit einem schlechten Gewissen an die versäumten Übungen denken und aufhören werden, regelmäßig zu üben. Nehmen Sie sich vor, nach der Lernphase einmal täglich die Kurzform der progressiven Muskelentspannung zu üben, dies reicht in aller Regel, um "im Training" zu bleiben. Beim AT sollten sie von 2-3 Übungen täglich ausgehen. Suchen Sie sich für Ihre regelmäßigen Übungen zu Hause zumindest in der Lernphase einen ruhigen und angenehmen Raum. Suchen Sie aber auch nach Möglichkeiten, Ihre Übungen oder Übungsteile zu unterschiedlichen Gelegenheiten im Alltag durchzuführen. Kurze Übungen können z.B. manchmal während der Arbeitszeit oder auf dem Weg zur Arbeit (z.B. im Bus oder bei einem kurzen Stop an der Ampel) durchgeführt werden. Sorgen Sie vor allem während der Lernphase dafür, dass Sie ungestört sind. Fertigen Sie sich ruhig ein Schild für die Tür an mit der Aufschrift "Bitte Ruhe, nicht stören!". Üben Sie in einer für Sie bequemen Körperhaltung im Sitzen oder Liegen. Im Sitzen bietet sich die "Flegelhaltung" an: Auf einem Stuhl mit Rückenlehne, das Gesäß leicht 20 vorgeschoben, der Rücken angelehnt, die Beine in Unterarmbreite gespreizt, die Unterschenkel leicht nach vorne gestellt, die Füße bilden eine verlängerte Linie der Oberschenkel. Die Unterarme und Hände liegen bei der Entspannung locker auf der Innenseite der Oberschenkel. Der Kopf sollte leicht gesenkt sein. Sorgen Sie dafür, dass Sie während der Übung möglichst bequem und entspannt sitzen können. Im Liegen empfiehlt sich die Rückenlage mit leicht gespreizten Beinen. Wenn Sie im Anschluss an die Übung einschlafen möchten, nehmen Sie nach der Übung die für Sie angenehmste Schlafhaltung ein. Wenn Sie Störungen bemerken, z.B. drückende Kleidung, Jucken, ungünstige Sitz- oder Liegehaltung, stellen Sie sie ab. Für die regelmäßige Weiterführung der Übungen ist es sinnvoll, bestimmte Zeiten festzusetzen. Damit sind nicht unbedingt genau festgelegte Uhrzeiten gemeint, sondern immer wiederkehrende Abschnitte im Tagesablauf (z.B. Mittagspause, Feierabend, Einschlafphase). Falls es Ihnen unangenehm ist, mit geschlossenen Augen zu üben, können Sie die Augen leicht geöffnet lassen. Suchen Sie sich dann einen Punkt (z.B. eine Stelle auf dem Boden oder an der Wand) und lassen Sie Ihren Blick darauf "ruhen", ohne diese Stelle angestrengt zu beobachten. Diese Art der Entspannung wenden wir - meist unbemerkt gelegentlich spontan an ("In's Leere schauen"). Üben Sie anfangs möglichst dann, wenn die Beschwerden geringer sind oder in schmerzfreien Zeiten. Bei der Progressiven Muskelentspannung sollten sie keinesfalls "mit Gewalt" anspannen. Die Anspannung der Muskulatur sollte deutlich spürbar, aber nicht zu stark sein und keinesfalls zu verstärkten Schmerzen führen. 2.4 BIOFEEDBACK Unsere Körperfunktionen verlaufen meist unbemerkt und ohne unsere willentliche Steuerung. Wichtige Abläufe wie Herzschlag und Atmung sind weitgehend unabhängig von unserem Bewusstsein, werden vom Körper selbständig geregelt. Andere Abläufe, z.B. Spannung der Muskulatur, können von uns gesteuert und bewusst eingesetzt werden (z.B. wenn wir eine schwere Last heben wollen). Veränderungen finden von Moment zu Moment und meist unbemerkt statt. Viele dieser Veränderungen hängen auch mit seelischen Einflüssen zusammen. Schmerz, Angst und Ärger führen beispielsweise zur Beschleunigung von Herzschlag und Atmung sowie einer erhöhten Muskelspannung, auch wenn wir dies oft nicht bewusst erleben. Biofeedback ist ein Verfahren, mit dem diese körperlichen Vorgänge sichtbar oder hörbar gemacht werden. Herzschlag, Blutdruck, Hirnströme und Muskelspannung können mit geeigneten Messvorrichtungen (z.B. EKG, EEG, EMG) gemessen werden. Die gemessenen Werte werden beim Biofeedback in Töne oder optische Signale "übersetzt". Dadurch erhalten Sie eine unmittelbare Rückmeldung (=Feedback) über die jeweiligen Körpervorgänge. In der Regel wird die Spannung der Nacken- und der Lendenwirbelsäulenmuskulatur erfasst und in einen Strich unterschiedlicher Höhe auf einer Skala am Computermonitor übersetzt. Für Patienten mit Kopf- bzw. Gesichtsschmerzen ist Biofeedback eine sehr direkte Möglichkeit, muskuläre Verspannungen in diesem Körperbereich wahrzunehmen und zu verringern. 21 Aber auch für Patienten mit anderen Schmerzproblemen ist Biofeedback eine sehr sinnvolle Methode. Denn die Spannung der Kopfmuskulatur schwankt deutlich in Abhängigkeit vom Spannungszustand des gesamten Körpers. D.h. wenn Muskelgruppen des Körpers angespannt oder verspannt sind, führt dies ebenfalls zu erhöhter Muskelspannung im Kopfbereich. Bei erhöhter Spannung steigt die Ausschlaghöhe an - verringert sich die Spannung, wird die Ausschlaghöhe geringer. Die Höhe der Kurve gibt Ihnen also Auskunft über den Spannungszustand Ihrer Muskulatur. Eine bestimmte Grundspannung ist normal und notwendig. Der Übergang zur Verspannung ist fließend und findet meist unbemerkt statt. Wir können es aber lernen, die Signale unseres Körpers wahrzunehmen. Wenn wir Veränderungen des Körpers "sehen" können, können wir lernen, sie zu beeinflussen. Probieren Sie die verschiedenen Möglichkeiten zur Beeinflussung der Muskelspannung einmal aus: Stellen Sie sich angenehme aber ruhig auch unangenehme Situationen vor und achten Sie darauf, wie sich die Spannungskurve verändert. Ziel ist es, Ihre persönliche Methode der Entspannung zu finden und Ihre Entspannungsfähigkeit zu verbessern. Sie können Biofeedback sehr gut mit Autogenem Training kombinieren. Dadurch verstärken Sie den Entspannungseffekt. Zudem können Sie für sich selbst überprüfen, daß die konzentrierte Anwendung von Entspannungsverfahren messbare körperliche Veränderungen bewirkt. Auch beim Biofeedback sollten Sie selbst herausfinden, ob Sie mit geöffneten oder geschlossenen Augen am besten entspannen können. Ziel dieser Methode ist es, die Wahrnehmung und Veränderung von Anspannung zu erlernen. Das Gerät selbst kann Ihnen dabei lediglich Hilfestellung geben und Sie über Erfolge bei diesem Lernvorgang informieren. Entscheidend ist jedoch letztlich, daß Sie lernen, diese Fähigkeit zur Wahrnehmung und Selbstkontrolle ihres Körpers unabhängig von einem technischen Hilfsmittel anzuwenden. 3. SCHWIERIGKEITEN UND "ABERS" Dafür habe ich doch überhaupt keine Zeit ! In den meisten Verfahren kommt das Wort "Training" vor, der neudeutsche Begriff für "Übung". Natürlich erfordert das Erlernen des Autogenen Trainings oder des Muskelentspannungstrainings zunächst einen gewissen Zeitaufwand, bis Erfolge spürbar werden. Niemand würde von sich erwarten, ein schwieriges Klavierstück vom Notenblatt abzuspielen, ohne jemals zuvor am Klavier gesessen zu haben. Die Anwendung selbst sollte dem eigenen Tagesablauf angepasst sein. In aller Regel ist es kein Problem, sich die notwendigen 5 bis 10 Minuten Zeit zu nehmen. Das ist doch eingebildet, das wirkt nur, wenn jemand daran glaubt ! Die körperlichen und seelischen Veränderungen bei Entspannungsverfahren haben nichts mit "Einbildung" zu tun. Nachgewiesen sind direkte Auswirkungen auf Herzschlag, Atmung, Blutdruck, Gehirn und Muskulatur während der Entspannung selbst. Nachgewiesen sind auch die günstigen Auswirkungen auf das Schmerzerleben und die Schmerzempfindung: Unabhängig von der Ursache der Beschwerden, ob es sich um die Folgen einer körperlichen Schädigung (z.B. Rheuma, Schmerzen nach Operationen) handelt oder um Muskelverspannungen ohne zugrundeliegende Schädigung des Körpers (etwa beim Spannungskopfschmerz und vielen Arten von Kreuzschmerzen), beeinflussen Entspan22 nungsverfahren die empfundene Schmerzintensität. Der "Glaube" ist lediglich notwendig, um überhaupt damit zu beginnen. Aber das ändert doch nichts an der Ursache meiner Schmerzen ! Eine sorgfältige Diagnose möglicher Schmerzursachen muß selbstverständlich der Anwendung von Entspannungsverfahren vorausgehen. Für die Mehrzahl der chronischen Schmerzen läßt sich jedoch keine eindeutige Ursache finden, die mit medizinischen Mitteln zu beheben ist. Bei fast allen Kopfschmerzen und den meisten Kreuzschmerzen kann zwar eine Diagnose gestellt, jedoch keine ursächliche Therapie angeboten werden. Bekannt ist jedoch für diese Schmerzen, dass sie hervorragend durch Entspannungsverfahren beeinflusst werden können. Aber ich entspanne mich lieber auf andere Art ! Wir haben jeder bevorzugte Methoden, um zur Ruhe zu kommen: Hinlegen, ein Buch lesen, Musik hören. Es gibt viele Möglichkeiten, die uns unterschiedlich gut gelingen. Oft schaffen wir es jedoch nicht, uns die Zeit oder Ruhe zu nehmen. Je nach vorangegangener Anspannung kann es gelegentlich passieren, daß wir überhaupt nicht abschalten können. Entspannungsverfahren sind der methodischere Weg, mit ihrer Hilfe können wir lernen, gerade in Situationen, in denen es uns schwerfällt, die notwendige Entlastung trotz schwieriger Umstände zu erreichen. Aber ich bin doch entspannt und ruhig ! Viele Anspannungen bemerken wir nicht sofort, es gibt einige "Gewohnheiten", die uns erst auffallen, wenn wir genauer auf uns achten oder darauf hingewiesen werden. So ziehen wir oft unmerklich die Schultern hoch, wenn wir sitzen, drücken die Zunge an den Gaumen oder spannen die Muskulatur des Kiefers an. Wenn Sie Auto fahren, achten Sie bei der nächsten roten Ampel einmal darauf, wo Sie Ihren linken Fuß hinstellen: Oft tippt er ungeduldig an das Kupplungspedal, obwohl wir bei Gelb noch genügend Zeit hätten, den Gang einzulegen. Nimmt man alle diese (für jeden Menschen unterschiedliche) Anspannungen über den Tag verteilt zusammen, kann man sich leicht vorstellen, welchen unnötigen Belastungen unser Körper ausgesetzt ist. Wer zusätzlich an seinem Arbeitsplatz ungünstige Bedingungen hat zu langes Sitzen oder Stehen, einseitige Belastungen bestimmter Muskelgruppen - kann leicht Schmerzen entwickeln: Schulter-Nacken, Kreuz und Kopf sind die typischen Gebiete. Um das zu verhindern, ist es besonders wichtig ein gutes Körpergefühl zu entwickeln und unnötige Belastungen der Muskulatur bereits frühzeitig wahrzunehmen und zu verringern. Aber ich kann überhaupt nicht abschalten, ich bin immer so kribbelig, das ist nichts für mich ! Fast immer treten in der Lernphase typische "Störungen" auf: Die Gedanken schweifen ab, Außengeräusche werden überdeutlich wahrgenommen, die Konzentration auf die Entspannung will nicht gelingen. Dabei handelt es sich um einen völlig normalen Vorgang, wie er beispielsweise in der Einschlafphase bei vielen Menschen auftritt, bei beginnender Entspannung also. Oft wird in diesem Stadium versucht, Schlaf bzw. Entspannung zu erzwingen, die lästigen Gedanken "wegzudrängen", Geräusche "einfach nicht mehr zu hören". Die zwangsläufige Folge bei diesem Beispiel: Einschlafstörungen. Kaum jemandem 23 gelingt es, auf Anhieb zu entspannen und "völlig abzuschalten", und nicht umsonst ist "Übung" in den Worten Jacobson-Training, Autogenes Training enthalten. Es ist völlig normal, wenn immer wieder Schwankungen in der Konzentrationsfähigkeit auftreten, keine gleichbleibend intensive Aufmerksamkeit auf die Entspannungsübung möglich ist und Ihnen auch andere Gedanken durch den Kopf gehen. Es ist ja gerade ein wichtiges Ziel zu lernen, daß unsere Aufmerksamkeit lenkbar ist, daß wir unseren Gedanken eine andere Richtung geben können: Die Beschäftigung mit unangenehmen Inhalten ist natürlich sehr oft notwendig, in vielen Fällen jedoch eher quälend und trägt wenig zu Lösungen bei. Gerade in Momenten, in denen wir "grübeln", uns immer wiederkehrenden oder einer Vielzahl von "verwirrenden" Gedanken und Empfindungen ausgeliefert fühlen, ist es wichtig, zur Ruhe zu kommen und entspannt die verschiedenen Lösungsmöglichkeiten zu überprüfen. Es gelingt fast nie, dieses Abschalten zu erzwingen, je mehr wir uns bemühen, Unangenehmes loszuwerden, desto stärker konzentrieren wir uns letztlich darauf. Die Lösung kann nur darin bestehen, sich mit anderen Dingen zu beschäftigen, die Konzentration umzulenken. So wenden Menschen mit Schlafstörungen das "Schäfchenzählen" an - mit mehr oder weniger Erfolg. Entspannungsverfahren mit ihrem regelmäßigen und nach einiger Übung vertrauten Ablauf sind eine sehr geeignete Möglichkeit, unsere Aufmerksamkeit gezielt zu lenken. Aber meine Schmerzen sind so stark, das kann ich nicht lernen ! Für die Lernphase ist es wichtig, günstige Bedingungen zu schaffen. Das heißt, realistische Ziele zu setzen, in kleinen Schritten vorzugehen und für Erfolgserlebnisse zu sorgen. Sie können nicht erwarten, eine "schnelle Lösung" für Ihr Schmerzproblem zu erhalten, mit der Sie den Schmerz für immer "abschalten" können. Insgeheim ist diese Erwartung oft im Hinterkopf und nach einigen misslungenen Versuchen, "gegen den Schmerz anzugehen", lassen dann Interesse und Neugier schnell nach. In der ersten Zeit sollten Sie mit gezielten Übungen zur Schmerzbeeinflussung zurückhaltend umgehen. Sie könnten sonst zu schnell entmutigt werden und mit dem Argument "es wirkt ja doch nicht" die Übungen weniger regelmäßig oder nicht mehr durchführen. Viele Patienten berichten von deutlichen Schwankungen in der Schmerzstärke. Sie sollten zunächst vorwiegend dann üben, wenn die Beschwerden schwächer oder gar nicht vorhanden sind, bevor Sie sich einer direkten Schmerzbeeinflussung zuwenden. Bei einigen Schmerzformen, z.B. Migräne, wirken Entspannungsverfahren vorbeugend: Die Auslösung oder Verstärkung mancher Schmerzen durch Stress, Anspannung und seelische Belastungen kennen Sie vielleicht aus eigener Erfahrung. Umso wichtiger ist es, bereits frühzeitig die Warnsignale des Körpers zu beachten und ein Aufschaukeln bis hin zum Schmerzanfall zu verhindern. Das wird Ihnen umso besser gelingen, je genauer Sie sich und Ihre Reaktionen kennen und je mehr Sie erleben, daß Sie Einfluß nehmen können. Was kann ich falsch machen ? Zwei typische und immer wiederkehrende Fehler hängen mit den Erwartungen an die Wirkung von Entspannungsverfahren zusammen: Einige Patienten nehmen sich zuviel vor, erwarten "die" Lösung ihres Schmerzproblems. Sie gehen mit großen Hoffnungen in die Lernphase und sind enttäuscht, wenn sich bei den ersten Versuchen nur geringe Wirkungen zeigen. Diese Patienten werfen sehr schnell "die Flinte ins Korn" und übersehen 24 leicht die beginnenden Veränderungen, z.B. tieferen Schlaf und bessere Entspannungsfähigkeit. Eine weitere Gruppe beginnt mit sehr viel Skepsis, weiß im Grunde von Anfang an, "das bringt mir nichts", und wird diese Erwartung selbstverständlich bei den ersten Schwierigkeiten bestätigt finden. Diese Patienten haben das erlebt, was man eine "sich selbst erfüllende Prophezeihung" nennt. Zu hohe und zu geringe Erwartungen sind gleichermaßen ungünstig, sinnvoll ist nach aller Erfahrung Aufgeschlossenheit und eine Portion Neugier. Eine mögliche "Fehlerquelle" ist, wie oft im Leben, die Übertreibung. Damit ist nicht gemeint, daß sie die Entspannungsverfahren zu häufig anwenden könnten. Einige Patienten spannen die Muskulatur in der Anspannungsphase zu stark an. Ziel der Anspannung ist aber nicht die Überschreitung von "Schmerzgrenzen" oder - ähnlich wie beim Body-Building - die Stärkung der Muskulatur. Es geht auschließlich um die Vorbereitung der anschließenden Entspannung. Wie kann ich die progressive Muskelentspannung am besten in meinen Alltag einbinden? Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, auch im normalen beruflichen und familiären Alltag Entspannungsverfahren anzuwenden und regelmäßig zu üben. Dabei ist es nicht unbedingt notwendig, daß die Übungen jeweils vollständig und in der üblichen Reihenfolge durchgeführt werden. Einzelne Teile können herausgenommen und gezielt geübt werden. In vielen Fällen ist es sinnvoll, besonders die betroffenen Körperpartien zu betonen. Bei Schmerzen im Gebiet Schulter-Nacken oder etwa bei manchen Formen von GesichtsSchmerzen können bevorzugt die Elemente des Jacobson-Trainings angewendet werden, die die entsprechenden Muskelgruppen direkt ansprechen. Aber: verstärken sich die Beschwerden sofort durch die Anspannung, sollte dies als Hinweis verstanden werden, weniger intensiv anzuspannen. In sehr wenigen Fällen führt jede Anspannung der betroffenen Muskulatur zur Schmerzverstärkung. Falls dies zutrifft, sollte die Anspannung auf die benachbarten Muskelgruppen begrenzt werden und das eigentliche Schmerzgebiet zunächst ausgespart bleiben. 25 Klangtherapie In Indien und Nepal werden seit ca. 5000 Jahren Klänge verwendet, um Menschen von Krankheiten zu heilen. Es handelt sich um eine Erfahrungsmedizin ähnlich der Akupunktur. In unserer westlichen Kultur ging dieses uralte Wissen vorerst verloren. In der jüngsten Zeit werden auch bei uns Klangschalen wieder verwendet um die Belastung durch den alltäglichen Stress zu kompensieren. Klangschalen und meditative Klangreisen helfen zu entspannen und neue Kraft zu tanken. Klänge wirken auf zweierlei Arten in unserem Körper: das Gehör nimmt sie als akustischen Reiz auf und der Körper spürt die Schwingungen. Beim Füllen einer Klangschale mit Wasser können wir beobachten wie das Wasser in Schwingung gerät. Auch unser Körper besteht zu einem Grossteil aus Wasser und reagiert entsprechend auf übertragene Schallwellen. Die rhythmischen Schwingungen erzeugen feine Vibrationen, die als innere Massage beschrieben werden kann. Mit dieser Methode werden Körperschichten und -Zellen erreicht, welche mit manueller Massage nie erreicht werden könnten. Klangschalen zählen als Naturinstrumente ähnlich wie verschiedene chinesische Gongs oder das australische Didgeridoo. Sie enthalten sehr viele Obertöne, welche wir bei anderen Instrumenten nicht bewusst wahrnehmen. Bei Naturton Instrumenten jedoch sind sie hörbar und entsprechend wird der Klang in seiner Ursprünglichkeit und sehr tief empfunden. Lang anhaltende obertonreiche Klänge haben eine positive Wirkung auf das seelische Gleichgewicht, weil Hirnregionen angesprochen werden, die z.B. Worte nicht erreichen können. Bei der Behandlung werden Klangschalen auf den bekleideten Körper gestellt. Es werden Schalen mit unterschiedlichen Frequenzen verwendet und der Patient soll beobachten, welche Schwingungen für ihn angenehm sind. Der Körper dient während der Behandlung als Resonanzraum. Hier kommt das Wasser der Zellen und des Körpergewebes in entspannend rhythmische Schwingungen. Welche weitere Wirkungen diese Therapie entfaltet wird momentan wissenschaftlich noch erforscht. Vorstellbar ist unter Anderem eine Veränderung des Zellstoffwechsels mit verbessertem Abtransport von Giftstoffen. 26 Kunsttherapie In der Kunsttherapie wird mit bildnerischen Medien wie Farbe, Linie, Ton, Stein oder Fotografie gearbeitet, über die der Patient sich ausdrückt. Dabei geht es um seine inneren Bilder, seinen Blick auf die Welt, die Entwicklung neuer Fähigkeiten und Handlungsspielräume und die Entdeckung von Lösungsmöglichkeiten und Ressourcen. Neben tiefenpsychologischen Konzepten, die sich mit den Ursachen psychischer Störungen beschäftigen, spielen in anderen kunsttherapeutischen Ansätzen lösungsorientierte Konzepte eine Rolle, die nicht nach den Ursachen der Krankheit, sondern nach den Ursachen der Gesundheit fragen. In der tiefenpsychologischen Kunsttherapie spielen innere Bilder eine Rolle, die in den Gestaltungen ihren Ausdruck finden. Innere Bilder, die mit Krisensituationen oder traumatischen Erlebnissen verbunden sind, können psychische Störungen auslösen und Schmerzverarbeitungsmechanismen stören. Solche Bilder können in künstlerischen Gestaltungen eine unmittelbare sinnliche Präsenz gewinnen, über die der Patient in einen gestalterischen Dialog mit ihnen treten kann. Dem gemalten oder gezeichneten Bild steht er gegenüber, er kann es verwandeln, so dass an die Stelle des belastenden (inneren) Bildes ein neues Bild treten kann: „In der Therapie geht es um das Gewahrwerden innerer Prozesse, um mehr Bewußtheit. Das bedeutet, um ein intensiveres Hineinlauschen oder Hineinschauen in die intrapsychische Welt mit all den Gefühlen, die sie auslöst, und dann wieder um ein Zurücktreten, das es möglich macht, die Muster und Regeln zu erkennen, die das innere und äußere Handeln beeinflussen und sie ihrer Zwänge zu entheben…“ (Elisabeth Wellendorf). Das, was sich durch Bildgestaltungen in der Kunsttherapie äußert, ist aber nicht immer ein Ausdruck innerer Bilder, die dem Unbewussten angehören. Sie können diese auch verdecken, auf kulturelle Konventionen, ästhetische Vorbilder, Konzepte oder Schemata zurückgehen. Lösungsorientierte Formen der Kunsttherapie blicken mehr auf die Fähigkeiten, die sich durch künstlerisches Gestalten entwickeln können. So bietet das bildnerische Gestalten auch die Möglichkeit durch Bilder Geschichten zu erzählen, Stimmungen im Bild Gestalt zu verleihen, den Blick für ästhetische Phänomene zu schulen oder die sinnliche Wirkung von ästhetischen Gestaltungen zu erleben. Die Kunsttherapie kann damit der Entwicklungsförderung, der Selbstverwirklichung, der Förderung sozialer und kreativer Fähigkeiten und der Schulung und Ausbildung der sinnlichen Wahrnehmung („sensorische Integration“) dienen. 27 Physiotherapeutische Methoden: Die Physiotherapie bietet neben mobilisierenden Techniken wie z. B. Mc Kenzie, Traktion, Brügger, Manuelle Therapie, Schlingentisch, Lymphdrainage, Dehnungen und Massagen auch stabilisierende und kräftigende Techniken. Zu den letzteren gehören PNF (propriozeptive neuromuskuläre Fazilitation), Isometrik, Brunkow und krankengymnastische Übungen ohne Gerät nach z.B. Kleinvogelbach oder nach FBL (funktionelle Bewegungslehre). Im Folgenden finden Sie Erläuterungen zu den verschiedenen Methoden: Mc Kenzie: definiert verschiedene Syndrome, die Schmerzzustände oder Bewegungseinschränkungen des Haltungs- und Bewegungsapparates zugrunde liegen können. Auswirkung: * * * * Rückgang der Ausstrahlungen ins Bein Dem Nerv wird mehr Platz geschaffen (Interspinalraum wird geöffnet) Bandscheibe wird in die ursprüngliche Position Remobilisiert Restriktive Vernarbungen nach der OP werden gelöst Ziele: * Schmerzlinderung * Wiederherstellung der Funktion * Anleitung zur Selbstständigkeit durch gezieltes Übungsprogramm sowie Prophylaxe Traktion: Die Gelenkflächen werden unter Zug voneinander entfernt und die Kapsel wird dabei gestrafft. Auswirkungen: Ziele: * * * * * * * * Schmerzreduktion Mobilisation Resorptionsförderung z. B. von Gelenksergüssen Zentralisation der Gelenkkörper bzw. der Gelenkflächen manuelle Therapie: Auswirkungen: der enge Raum wird erweitert Nerven haben mehr Bewegungsspiel der Druck auf den Nerv wird weniger Kapseln und Bänder werden gestreckt wird bei allen reversiblen Bewegungsapparat angewendet. Hypomobilitäten am * Konvexe und konkave Gelenkpartner werden zueinander in einer, für jedes Gelenk definierte, Ebene bewegt. Ein Gelenkpartner wird fixiert und der andere in die reversible Hypomobilität mobilisiert. * die Extension der Wirbelsäule (besonders LWS) wird verbessert, um die Bandscheiben Richtung Bauch zu verlagern und somit der Druck auf die Nerven längerfristig verringert wird 28 Ziele: * Schmerzbehandlung * Hyper-, und Hypomobilitäten wieder „normalisieren“ * Weichteilaffektionen regulieren Isometrik: Muskelspannungstechnik zur Stabilisierung des Rumpfes und der LWS sowie zur Lockerung und Kräftigung der Rückenstrecker in Höhe der LWS. Auswirkungen: * bilden eines Muskelkorsetts zur Stabilisierung der Segmente * Erlernen der Körperwahrnehmung * Erlernen der Bewegungen im Alltag (mit dieser Spannung) Ziele: * * * * Stabilisierung der LWS (insbesondere der betroffenen Segmente) Kräftigung der Rückenmuskulatur als Prävention Einhaltung der aufrechten Haltung Lockerung der hypertonen Rückenmuskulatur bedingt durch Fehlhaltung Aktivitäten des täglichen Lebens. ADL: Auswirkungen: * den Schmerz im Alltag ertragen und beeinflussen lernen * Prophylaktisch erneute Problembildung vermeiden lernen Ziele: * Erlernen eines körpergerechten Verhaltens im alltäglichen Leben * Rückengerechtes Hebe-, und Bücktraining * Press-, und Druckatmung z.B. beim Toilettegehen vermeiden Rückenschule: wird bei schwereren Arbeiten, seelischen Belastungen und ungünstigen Haltungsgewohnheiten angewendet. Auswirkungen: * Körperwahrnehmung wird intensiviert * durch fachliche Infos Einsicht beim Patienten erzeugen Ziele: * selbständiges Entscheiden, was für die Gesundheit wichtig und was krankmachend ist, erlernen Brunkow: wird bei orthopädischen, Erkrankungen angewendet Auswirkungen: Ziele: * * * * chirurgischen sowie neurologischen * alle Muskeln werden in einer bestimmten Gelenkstellung maximal angespannt und maximal entspannt * starke Kräftigung sowie Entspannung wird verursacht Kokontraktion zwischen den Muskeln fördern Stabilisation der Gelenke Tonusregulation Körperwahrnehmung vertiefen 29 Atemtherapie: durch „hineinatmen“ in den Schmerz wird eine tiefe Entspannung sowie Schmerzreduktion erreicht. Ziele: * Tonusregulation der Muskulatur, des Gewebes und der Haut * Verbessern der Entspannungs-, und Körperwahrnehmungsfähigkeit Brügger: als erweiterte Technik zur Rückenschule Auswirkungen: * alle Körperstrukturen werden optimal belastet * Bewegungen in den Alltag übertragen lernen Ziele: * als Prävention für erneute Wirbelsäulenschäden Manuelle Lymphdrainage: bei primären und sekundären Lymphödemen sowie Schwellungen verschiedener Ursachen und auch bei neurovegetativen Syndromen (Mb. Sudek). Ziele: * * * * * Verbesserung des Lymphabtransports Schmerzfreiheit Entstauung Eigenmotorik der Muskulatur verbessern Neubildung von Lymphgefäßen fördern Schlingentisch: Auswirkungen: Ziele: * * * * * * * * * * * alle Erkrankungen aus dem orthopädischen, chirurgischen und neurologischen Bereichen. * Extremitäten oder der gesamte Körper werden in Schlingen (durch Einpunkt-, oder Mehrpunktaufhängungen) aufgehängt und der Patient kann alles „locker“ lassen Kräftigung der Muskulatur Trainingstherapie Traktion Extension der WS Muskeldehnung Stabilisation Koordinationstraining Mobilisation Lagerung Fixation Bewegungserleichterung PNF: bei peripheren Nervenläsionen, ZNS Erkrankungen, nach Frakturen und Wirbelsäulen Ops. Auswirkungen: * durch eine 3D gesetzten Widerstand werden alle Beuger bzw. alle Strecker aktiviert 30 * es wird ein sog. Overflow erzeugt, der z. B. aufs Becken wirkt wenn der Schultergürtel bearbeitet wird Ziele: * * * * * Koordinierung physiologischer Bewegungsabläufe Pathologische Bewegungsmuster werden gehemmt Muskeltonus wird normalisiert Muskelkräftigung Muskeldehnung Massagetherapie: Ziele: * * * * * * * * durch verschiedene Grifftechniken wird der Muskeltonus normalisiert Tonusregulation Durchblutungsförderung Entstauung Hartspann lösen Lösen von Narben-, und Gewebsverklebungen Trophikverbesserung Schmerzlinderung Über Reflexbögen auf innere Organe Einfluss nehmen Wärmetherapie: durch Rotlicht bzw. heiße Rolle Ziele: * * * * * * * * Mehrdurchblutung Immunsystemstärkung Muskeltonusregulation Schmerzlinderung Spasmolyse Entspannung Aktivierung der Lymphe Reflektorische Wirkung Hydrotherapie: Ziele: * * * * * * * * Eisanwendungen Wärmehaushaltsregulierung Schmerzlinderung Nervenfunktion steigern Stoffwechselanregung Atmungsvertiefung Hautfunktion verbessern Immunsystem kräftigen Kreislaufanregung 31 Ergotherapeutische Therapie: •ADL (actvities of daily living) –Training von Alltagsaktivitäten im Hinblick auf persönliche, häusliche und berufliche Selbstständigkeit •Übungen zur Beweglichkeit, Muskelkraft, Ausdauer, Belastbarkeit und Sensibilität •Herstellung, Einweisung und Training im Umgang mit speziellen Hilfsmitteln (Handschienen,Prothesen) •Beratung und Training zum Gelenkschutz •Beratung bez. geeigneter Hilfsmittel und Änderungen im häuslichen/ beruflichen Umfeld (ggf. Herstellung und Anpasssung von Hilfsmitteln) 32 Wie wirkt TENS? Es erfolgt eine Beeinflussung des Nervensystems durch Niederspannungsimpulse (9V). Um den Bereich des schmerzhaften Areals werden mittels auf die Haut geklebten Elektroden elektrische Rechteckimpulse an das Rückenmark gesendet. Zur schmerzlindernden Wirkung existieren 2 Theorien: Die GATE CONTROL Theorie (Melzack and Walls 1964) besagt, dass durch neutrale Impulse über die schnellleitenden dicken Nervenfasern (A Fasern), Schmerzimpulse, welche über langsam leitende dünne Nervenfasern (C Fasern) am Rückenmark ankommen, vermindert bzw. nur noch teilweise weitergeleitet werden. (Gate Control = Tor Kontrolle) Die ENDOMORPHIN Theorie besagt, dass während der elektrischen Reizbehandlung körpereigene schmerzlindernde Opioid- Botenstoffe (Endorphine) im Körper ausgeschüttet werden. Wann und wie oft kann ich TENS einsetzen? Experimentieren Sie hier mit Ihrem TENS Gerät! Versuchen Sie unterschiedliche Elektrodenplazierungen und unterschiedliche Programme! Wenden Sie das Gerät mehrfach täglich an! 33 Gibt es Risiken? Bei zu starker Stromeinstellung kann unangenehmes Brennen bis hin zu Hautschäden auftreten. – Deshalb bitte nur im angenehmen Bereich bleiben „Viel hilft nicht viel“. Ähnliches gilt, wenn die Klebekraft der Pflaster erschöpft ist und keine komplette Anhaftung mehr stattfindet. – Hier bitte von den Pflegekräften neue Klebeelektroden aushändigen lassen. Bitte keine Elektrodenanlage im Schlagaderbereich! Kontraindikationen: Keine TENS Anwendung, wenn Sie einen Herzschrittmacher tragen, oder wenn Sie schwanger sind! Anwendungstipps: Achten Sie darauf, dass die Haut an der Elektrodenklebestelle creme-/ fettfrei ist und achten Sie aus einen Mindestabstand der Elektroden von 5 cm bzw. 1 Elektrodengröße. Sollten Sie an bestimmte Körperpartien die Elektroden alleine nicht aufkleben können (z.B.: unterer oder mittlerer Rücken), wenden Sie sich bitte an das Pflegepersonal der Station. 34 Behandlung mit Akupunktur, Akupressur: In der asiatischen Naturphilosophie gibt es keine Trennung von Körper - Psyche Geist. Gesundheit bedeutet die Harmonie von Körper - Psyche - Geist. Es gibt verschiedene Therapieformen, die Balance wieder herzustellen. Bereits vor mehreren tausend Jahren haben chinesische Philosophen das Wu Xing das System der 5 Elemente - geschaffen, um zu erklären, wie die Kräfte der Naturenergien im und auf den Menschen wirken. Diese 5 Elemente sind: das Holz, das Feuer, die Erde, das Metall und das Wasser. Die Elemente bringen sich gegenseitig hervor und kontrollieren sich. Diese Kreisläufe und Zusammenhänge werden für die Diagnose und Therapie von Störungen und Erkrankungen verwendet. Die Akupunktur ist ein Teil der traditionellen chinesischen Medizin. Erstmalig angewandt wurde dieses Verfahren mit Stein- und Bambusnadeln schon vor 4000 bis 6000 Jahren. Die erste bekannte schriftliche Erwähnung der Akupunktur findet sich in den Aufzeichnungen der Historiker von Sima Quian im 2. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung. 35 Die Akupunkturtherapie zielt auf die Beeinflussung des energetischen Potentials des Menschen. Dieser Energiefluß im Inneren des Körpers ist durch bestimmte Höhlungen, Vertiefungen, Eingänge von der Haut her zugänglich. Bei der Moxibustion wird das Kraut des chinesischen Beifuß zur Wärmebehandlung an diesen Punkten verwendet. Auch die Akupressur wirkt direkt auf die Lebensenergie im Körper. In China wird sie Qi genannt. Diese Kraft, die wir „Vitalität“ nennen, benötigen wir, um leben zu können. Diese Energie fließt in unserem Körper durch Leitbahnen, die mit den Strömen, Flüssen, Seen und Meeren der Natur verglichen werden. Sie werden Meridiane genannt und durchziehen uns vom Kopf bis zu den Füßen. Auf diesen Meridianen befinden sich Punkte besonderer Einflußnahme. 36 Shiatsu Therapie „Sein ist die beste Art zu handeln“ Laotse Was ist Shiatsu ? Shiatsu wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus der chinesischen Massage Tuina und der japanischen Massage Anma entwickelt. Die manuelle Behandlung basiert auf den selben Prinzipien wie die Traditionelle chinesische Medizin und zielt darauf ab, durch Massage, aber auch durch Elemente der Osteopathie und Physiotherapie, den Energiefluss in den Meridianen wieder herzustellen. Äußere Form Während einer Shiatsubehandlung (ca.60 Min.) werden die druckempfindlichen, im Verlauf der Meridiane lokalisierten Akupunkturpunkte, die sog. Tsubos, durch gezielten manuellen Druck ( jap. shi = Finger; atsu = Druck ) angeregt und somit geschwächte oder gestaute Energieströme aktiviert und Blockaden gelöst. Die Form schließt auch Rotationen und Dehnungen der Gliedmaßen, Gelenke und Meridianverläufe ein. Zudem werden die mit dem Meridian in Verbindung stehenden inneren Organe positiv beeinflusst. Ziel ist es, die in den Meridianen zirkulierende Lebensenergie zu harmonisieren sowie die Selbstheilungskräfte anzuregen. Shiatsu wird gewöhnlich auf einer weichen Matte auf dem Boden gegeben. Ein wesentlicher Behandlungsgrundsatz des Shiatsu besteht darin, daß die Behandlung und somit die Begegnung zwischen Therapeut und Patient aus dem „ Hara „ heraus stattfinden soll, der Körperzone, die eigene Mitte repräsentiert und unterhalb des Bauchnabels liegt. Zentriert, der eigenen Mitte bewusst – in dieser Haltung soll der Therapeut den Patienten behandeln. Was Sie vor Ihrer Behandlung noch wissen sollten: Shiatsu ist eine Behandlungsweise bei der ihr Körper bekleidet ist. Um die Beweglichkeit nicht einzuschränken tragen Sie bitte bequeme Baumwollsachen mit weiten Ärmeln ( T-Shirt, Leggins o.ä. ) und Socken. Aus hygienischen Gründen bitte keine Straßenkleidung. Essen Sie vor und direkt nach der Behandlung keine großen Mahlzeiten, die Ihr Energiesystem zu sehr belasten würden. Trinken Sie nach der Behandlung etwas kaltes oder heißes Wasser, um den Ausscheidungsprozess zu unterstützen. Die Berührungen im Shiatsu bewirken meist ein angenehmes Entspannungsempfinden, ein Gefühl der Leichtigkeit und des „Durchströmtseins“. Gelegentlich können vor allem zu Beginn einer Serie von Behandlungen, Heilreaktionen auftreten die unangenehm sind. Z.B. Muskel – und Gelenkschmerzen, Erkältungssymptome und Müdigkeit. Diese „Erstverschlimmerungen“ klingen nach 12 Tagen von allein ab. Sie treten später, sobald sich Ihr Körper an den neuen Energiefluss gewöhnt hat meist nicht mehr auf. 37 Du musst erst mit Deinen Füßen fest auf dem Boden stehen, bevor Du nach den Sternen greifen kannst! Andreas Ackermann Wissenswertes zu Ihrer Fußreflexzonenmassage ... Es handelt sich um eine regulative Therapie, bei der mittels verschiedener Fingerdrucktechniken an bestimmten Zonen des Fußes, entfernter liegende Körperareale und Organe durch Nervenreize stimuliert werden können. Es gilt: Rechter Fuß >> rechte Körperhälfte, linker Fuß >> linke Körperhälfte Reflexzonentherapien haben eine Jahrtausende alte Geschichte. Sie wurden als Volksmedizin der östlichen wie auch der westlichen Völker angewandt; bei den Indianern Nord- und Mittelamerikas bis heute! Dr. W.H. Fitzgerald (1872 – 1942) trug dieses Wissen Anfang des 20. Jahrhunderts zu seiner „Zonentherapie“ zusammen. E. Ingham –eine Masseurin- entwickelte daraus die „Reflexology“ und ihre Schülerin Hanne Marquart überarbeitet und verfeinert dieses Grundwissen bis heute und machte diese Behandlungsform in Deutschland „populär“. Während der Behandlung bleiben Sie – bis auf Ihre Füße und Unterschenkel bekleidet. zu Ihrem eigenen Wohlempfinden empfehle ich bequeme, lockere Baumwollkleidung. Ihre Füße sollten bereits gereinigt sein. Essen Sie bitte direkt vor und nach der Behandlung keine größeren Mahlzeiten. Der volle Magen drückt und belastet nur unnötig Ihr Energiesystem. Achten Sie in der Zeit danach auf eine genügende Flüssigkeitszufuhr (~ 1-2 l Wasser), um den Ausscheidungsprozess zu unterstützen. Ihr Organismus wird es Ihnen danken! Durch die Stimulation an den Reflexzonen erhält Ihr Körper viele Impulse, die sein Energiesystem verarbeiten muss. Gönnen Sie ihm und sich selbst dafür die entsprechende Ruhe am Behandlungstag. Während der Massage erfahren Sie ein angenehmes Gefühl der Entspannung und des „Durchströmtseins“. Auch leicht schmerzhafte Zonen können sich bemerkbar machen. Es handelt sich um Körperbereiche und Organe, die in irgendeiner Form blockiert, gestaut oder unterversorgt sind. Mittels gezielter, sanfter Reize ist es möglich, diese Blockaden zu lösen und Ihr Körpersystem kann sich neu organisieren. Ihre Fußreflexzonenmassage dauert mit Anamnese und Behandlung ca. 70 Min. dazu kommt die Nachruhezeit und eine kurze Nachbesprechung. Ihre Füße tragen Sie treu und gerne durch Ihr gesamtes Leben, bitte danken Sie es Ihnen: • durch regelmäßige, evtl. professionelle Fußpflege (Verhornungen, Schwielen, Hühneraugen, Fußpilz, etc. versorgen) • durch barfuß Gehen (Licht und Luft dranlassen!) und Fußübungen >> für gute Durchblutung und warme Füße • zu guter Letzt: bequeme, gute Schuhe tragen; auf natürliche, atmungsaktive Materialien achten 38 Was ist das überhaupt: „Tai Chi“ (bzw. Tai Chi Chuan)? Tai Chi ist eine mehr als 300 Jahre alte chinesische Kampf- und Heilkunst. Das Kernstück von Tai Chi ist eine Abfolge von Bewegungen, die langsam, gleichmäßig und harmonisch nacheinander ausgeführt werden. Eine der einfachsten und kürzesten dieser Übungen umfasst 24 Bewegungen („Peking-Form“). Macht man die Bewegungen jeden Tag soll Tai Chi eine lebensverlängernde, heilende und verjüngende Wirkung haben, weil der Blut- und Energiekreislauf des Körpers im Fluss bleibt und sich nichts aufstaut. Was ist alles in den Tai Chi Übungen enthalten? o o o o o o o o o Entspannung (Abschalten vom Alltag) Konzentration (auf die Bewegungen, Gedanken wandern nicht weg) Koordination (die rechte Hand macht etwas anderes als die linke) Dehnungen der Muskeln Kräftigung der Bein-, Rücken- und Schultermuskulatur Gleichgewicht (Standfestigkeit) Gehirnleistung (die Bewegungen und die Abfolge merken) Beweglichkeit der Gelenke Rumpfstabilisierung (Hüfte und Oberkörper gehören zusammen: Hüfte dreht sich, Oberkörper und Arme gehen mit) Wann soll ich Tai Chi Übungen machen? 1. Wenn Sie das Gefühl haben überlastet zu sein, zu viel Energie im Kopf angestaut zu haben, dann helfen Ihnen die betont langsamen und meditativen Bewegungen wieder „runterzukommen“ und die Energie im gesamten Körper zu verteilen. Sie sind danach entspannt und können wieder effektiv denken. 2. Wenn Ihr Körper verspannt und verkrampft ist und Sie sich deshalb nicht mehr richtig bewegen können, 39 dann helfen die leichten Dehnungen Ihre schmerzenden Muskeln zu wärmen und sie wieder zu lockern. Sie bleiben somit körperlich fit und unabhängig. 3. Wenn Sie unsicher stehen und gehen, weil Sie zu wenig Muskulatur in den Beinen und im Rücken haben, dann helfen Ihnen die Gleichgewichtsübungen in der leichten Hocke diese Muskeln aufzubauen und zum sicheren Stand. 4. Wenn Sie glauben vergesslich zu werden, dann hilft Ihnen das Erlernen und tägliche Ausführen der verschiedenen Bewegungen dabei geistig fit und damit unabhängig zu bleiben Wichtige Grundregeln für die Ausführung: 1. 2. 3. 4. 5. 6. alle Übungen werden langsam und gleichmäßig gemacht alle Bewegungen sind rund der Körper ist weder angespannt noch lasch die Schultern sind entspannt der Körperschwerpunkt sinkt nach unten die Füße sind gedanklich im Boden verwurzelt: Ihr Stand und Ihr Gang sind fest und solide Vorbereitende Übungen: bevor Sie mit den Tai Chi Übungen beginnen, sollten Sie sich aufwärmen. Das bedeutet: alle Gelenke sanft und kontrolliert kreisen lassen. Bewegen Sie die Gelenke nur so weit es locker und ohne Schmerz geht, überdehnen Sie sich nicht! Beginnen sie mit Schwingen des Körpers und verfolgen Sie Ihre Gelenke vom Kopf zu den Füßen. Machen Sie jede Übung, wenn Sie können, mindestens 4 mal. 1. Arme schwingen und auf die Schultern klopfen o Arme schwingen: hüftbreiter Stand, Hüfte nach links und rechts bewegen, die Arme schwingen locker mit o Schultern klopfen einarmig diagonal: schwingen Sie den rechten Arm diagonal und klopfen Sie sich auf die linke Schulter und umgekehrt 40 o Schulter klopfen zweiarmig Oberarm-Schultern: schwingen Sie beide Arme diagonal, so als würden Sie sich selbst umarmen und klopfen Sie sich auf die Oberarme-Schultern o Schultern klopfen zweiarmig über Kopf: schwingen Sie beide Arme gerade nach vorne bis sie senkrecht nach oben zeigen und lassen sie Ihre Hände auf die Schultern klatschen 2. Kopf drehen und kreisen o Links-Rechts: Kopf gerade nach links und rechts drehen o Oben-Unten: Kinn zum Oberkörper ziehen und wieder gerade richten, dabei Kopf nach oben ziehen o Kreisen: Kreisen Sie den Kopf kontrolliert und vorsichtig ohne zu überdehnen 3. Schultern kreisen, Schulterblätter öffnen o Schildkröte: ziehen Sie die Schultern hoch und den Kopf ein, dann lassen Sie die Schultern wieder sanft herunter o Schultern kreisen nach vorne und hinten: lassen Sie die Arme hängen und konzentrieren Sie sich auf die Schultern: kreisen Sie sie nach vorne, dann nach hinten o Schulterblätter öffnen vorne und hinten: Arme nach hinten strecken – die Handflächen sind oben, dann Arme nach vorne ziehen – die Handrücken berühren sich 4. Wirbelsäule in alle Richtungen biegen o Katzenbuckel und Katzenstrecken: Stützen Sie die Hände auf die Oberschenkel (im Sitzen oder Stehen) und strecken Sie sich durch wie eine Katze, gucken Sie nach oben, dann machen Sie einen Buckel wie eine Katze, gucken Sie nach unten o links – rechts: lassen die rechte Hand am rechten Oberschenkel nach unten gleiten und ziehen Sie die linke Hand an der Taille vorbei nach oben. Oberkörper nicht nach vorne oder hinten beugen. o Wirbelsäule drehen: fassen Sie mit der linken Hand über die rechte Schulter, legen Sie die rechte Hand auf den Ellbogen und drücken Sie den Ellbogen nach hinten, dann umgekehrt 5. Hüfte kreisen o Hände seitlich an die Hüfte legen und Hüfte kreisen lassen. Rechts herum und links herum 41 6. Knie lockern kreisen o zweibeiniger Stand: Füße parallel nebeneinander, Hände auf die Knie legen, erst Knie warm reiben dann kreisen. o einbeiniger Stand Knie lockern: linkes Bein anheben und linkes Knie nach vorne und hinten pendeln lassen, Bein wechseln o einbeiniger Stand Knie kreisen: linkes Bein anheben und linkes Knie kreisen, Bein wechseln 7. Fußgelenke und Zehen kreisen: o Fußgelenke kreisen: linkes Bein leicht anheben und Fußgelenk kreisen, links und rechts, Bein wechseln o Zehen kreisen: linken Fuß nach hinten anheben und leicht die Zehen kreisen, Fuß wechseln 8. Füße wippen o eine Gleichgewichtsübung, bitte anfangs festhalten: stellen Sie sich schulterbreit auf, wippen Sie auf die Zehen hoch und dann auf die Fersen 9. Handgelenke lockern o verschränken Sie die Finger ineinander und kreisen sie die Handgelenke locker nach vorne und hinten 10. Beinarbeit o Weidenmuskeln dehnen und Oberschenkelmuskeln kräftigen (Gleichgewichtsübung, bitte anfangs festhalten): linkes Bein einen Schritt nach vorne, Knie beugen und Gewicht auf linkes Bein verlagern, soweit bis es im rechten Wadenmuskel zieht, Beine wechseln o Gleichgewicht verlagern und Oberschenkelmuskeln kräftigen: breitbeinig aufstellen, leicht in die Hocke gehen und das Gleichgewicht vom linken auf das rechte Bein verlagern 42 Und jetzt in Bildern - Vorbereitende Übungen: Schultern: sind oft verkrampft oder steif beim Tai Chi: bleiben Schultern locker und unten, Schultern nicht hochziehen, beim Heben eines Armes den Oberkörper nicht mit anheben hoch – runter Unterschied spüren und merken Kreisen Ober- und Unterarm fallen lassen Linke Hand auf rechte Schulter, rechten Arm anheben, dann rechten Unterarm langsam zum Körper ziehen Hohlkreuz – Hocke – Oberschenkel: wir gehen häufig unbemerkt ins Hohlkreuz und haben zu wenig Muskeln in den Oberschenkeln beim Tai Chi: gehen wir leicht in die Hocke und vermeiden ein Hohlkreuz festhalten (Türstock, Küchenanrichte) und langsam in die Hocke gehen, als wollten Sie sich setzen und dann langsam wieder hoch Achtung: Hohlkreuz vermeiden im Spiegel überprüfen Gegen die Wand lehnen, den gesamten Rücken an der Wand spüren und langsam in die Hocke gehen (Lendenwirbel an der Wand spüren) und wieder hoch 43 Kräftigungsübungen im Sitzen: Ein Bein ausgestreckt anheben und absenken (mehrmals bis Sie Anstrengung spüren, linkes / rechtes Bein abwechselnd) Ein Bein ausgestreckt anheben und das Fußgelenk kreisen (linkes und rechtes Bein abwechseln) Fußsohlen auf dem Boden, dann beide Fersen hoch, dann Zehenspitzen hoch Aufstehen – Hinsetzen: Kein Hohlkreuz! Aufstehen: Hände auf Oberschenkel stützen, Füße leicht nach hinten ziehen, Oberkörper nach vorne lehnen, dann mit den Händen hochstemmen und mit den Händen auf den Oberschenkeln entlang zur Leiste hoch wandern Hinsetzen: Kniebeugen berühren die Stuhlfläche, Hände auf die Leisten legen, mit den Händen langsam die Oberschenkel zum Knie wandern, Oberkörper dabei nach vorne beugen und in die Hocke gehen 44 Qi-Gong Übung: „Energie sammeln“ 3 Konzentrationspunkte: „Das dritte Auge“ (zwischen den Augenbrauen) „Solarplexus“ (Mitte des Brustkorbes) „Dantiem“ (2 Finger unterhalb des Bauchnabels) 1. Durchgang (3 Mal) berühren Sie die 3 Punkte und konzentrieren Sie sich darauf, merken Sie sich die Punkte 2. Durchgang (jeweils 3 Mal) a. Machen Sie einen großen Kreis nach oben und ziehen Sie die Finger zum „Dritten Auge“, nicht berühren, nur die Nähe der Finger spüren, konzentrieren Sie sich auf die Stelle, eventuell wird sie warm b. Machen Sie einen großen Kreis nach vorne und ziehen Sie die Finger zum Solarplexus, ebenfalls nicht berühren und konzentrieren Sie sich auf die Stelle c. Machen Sie einen großen Kreis vor dem Unterbauch und ziehen Sie die Finger zum Dantiem, wieder nicht berühren und auf die Stelle konzentrieren 3. Durchgang (3 Mal) heben Sie die Arme in einem Kreis nach oben und lassen Sie die Arme vor sich langsam sinken, konzentrieren Sie sich dabei auf die 3 Konzentrationspunkte von oben nach unten. Denken Sie eventuell an einen Wasserfall. 4. Durchgang machen Sie einen Kreis vor dem Unterbauch und legen Sie ihre Hände aufeinander auf dem Unterbauch ab. Atmen Sie einige Male mit geschlossenen Augen ruhig und entspannt in den Unterbauch. bei Bluthochdruck: heben Sie die Arme schneller nach oben bei niedrigem Blutdruck: heben Sie die Arme langsamer nach oben 45 Haltung im Tai Chi Alle Tai Chi Übungen werden in der Hocke ausgeführt. Warum die Hocke? Dafür gibt es 3 Gründe: 1. Der Schwerpunkt des Körpers (= der Unterbauch) sinkt ich stehe somit stabiler 2. Die Wirbelsäule wird gestreckt. ich stehe somit stabiler Wie mache ich das? a. durch Kippen des Beckens wird der untere Rücken gerade (also kein Hohlkreuz) b. durch ganz leichtes Heranziehen des Kinns zum Oberkörper werden die Nackenwirbel gerade (also Kopf nicht in den Nacken legen oder nach unten beugen) c. durch das leichte nach vorne nehmen der Schultern werden die Brustwirbel ausgerichtet (also wie beim Boxen, weniger „Brust raus, Bauch rein“, das hemmt eher die Atmung) und: lassen Sie die Schultern unten 3. Die Oberschenkel tragen das Körpergewicht dadurch wird: a. der Kreislauf trainiert, weil das in der Hocke stehen anstrengend ist b. Stürzen vorgebeugt die Oberschenkelmuskulatur wird aufgebaut, der Kniesehnenreflex damit erhalten und das Gleichgewicht trainiert 46 Qi-Gong Übung: „Der Adler breitet seine Schwingen aus“ a. Stellen Sie sich schulterbreit auf. b. Heben Sie Ihre Arme seitlich ausgestreckt bis zu den Schultern c. Senken Sie Ihre Arme seitlich und gehen Sie dabei in die Hocke (wie oben beschrieben) d. Heben Sie Ihre Arme wieder bis zu den Schultern und stehen Sie wieder aus der Hocke auf Stellen Sie sich vor Sie sind ein Adler, der seine Schwingen ausbreitet und abheben möchte. Heben und senken Sie Ihre Arme und Hände also sanft in Wellenform. Ihre Finger spreizen Sie leicht, wie Adlerfedern. Die Atmung beim Tai Chi (und anderen Entspannungsübungen) Grundsätzlich unterscheidet man 3 Atmungsarten: • die Hochatmung (Schultern heben sich), • die Sportleratmung (Brustkorbatmung) und • die Zwerchfellatmung (Unterbauchatmung) Die entspannungsfördernste Atmung ist die Zwerchfellatmung. Als Baby konnten wir sie alle, im Laufe unseres Lebens verlagern wir die Atmung höher, weil wir in Stresssituationen dazu neigen die Schultern hochzuziehen, als Abwehrmaßnahme. So entsteht die Hochatmung. Leider führt die Hochatmung dazu, dass wir ins Hyperventilieren kommen können und die Schultermuskulatur ständig überanstrengen. Bei der Brustkorbatmung kommt es häufig zu Verspannungen im Brustkorb. Die Zwerchfellatmung müssen Sie trainieren, um Sie wieder zu beherrschen. Beginnen Sie im Liegen, legen Sie die Hände auf Ihren Bauch und atmen Sie alle Luft aus, dann lassen Sie Ihren Unterbauch nach Luft schnappen. Üben Sie das einige Male. Atmen Sie danach sanfter und versuchen Sie beim Einatmen Ihre Lungen nach unten ausdehnen zu lassen, heben Sie weder Ihre Schultern noch den Brustkorb. 47 Cranio-Sacrale Therapie Die Cranio-Sacrale Therapie ist eine sanfte manuelle Methode zur Behandlung des CranioSacralen Systems und den damit zusammenhängenden Strukturen. Die Cranio-Sacrale Therapie ist aus der kraniosakralen Osteopathie entstanden, die als „Osteopathy in the Cranial Field“ vom US-amerikanischen osteopathischen Arzt William Garner Sutherland begründet wurde und als kraniosakrale Osteopathie fester Bestandteil der Osteopathie wurde. Das CranioSacrale System besteht aus den Membranen und der Flüssigkeit, die das Gehirn und Rückenmark umgeben und schützen. Es erstreckt sich vom Cranialen Anteil ( Knochen des Schädels) bis zum Sacralen Anteil ( Knochen des Beckens). Die Cranio-Sacral-Therapie beruht unter anderem darauf, dass sich die rhythmischen Pulsationen der Gehirn-Rückenmarksflüssigkeit, der sog. Primäre Atemmechanismus PAM, auf die äußeren Gewebe und Knochen übertragen und somit ertasten lassen. Dieses System hat Einfluss auf die Entwicklung und Funktionsfähigkeit des Gehirns und Rückenmarkes. Eine Restriktion oder Spannungsungleichgewicht innerhalb dieses Systems kann zu Empfindungs-, Bewegungs-, oder anderen neurologischen Problemen führen. Die Behandlung ist systemorientiert, d.h. der Therapeut nimmt über die systemische Behandlung des CranioSacralen Systems einen indirekten Einfluss auf die Symptome des Patienten. Es wird somit nicht eine Krankheit, sondern ein System behandelt. Dadurch werden die natürlichen Heilungsmechanismen des Körpers stimuliert. Bei der Craniosacral Therapie - Behandlung liegt der Patient in der Regel bekleidet in entspannter Rücken- oder Seitenlage auf einer Behandlungsliege. Der Therapeut arbeitet mit seinen Handflächen oder Fingern mit leichtem Zug oder Druck, um Gewebespannung zu lösen. CranioSacrale Therapie kann hilfreich sein bei: • Chronischen Nacken- und Rückenschmerzen • Migräne und Kopfschmerzen • Traumata von Gehirn und Rückenmark • Spannungs- und stressbedingten Störungen • Schlafstörungen • Konzentrationsschwierigkeiten • Dysfunktionen des zentralen Nervensystems • Emotionalen Schwierigkeiten • Orthopädischen Probleme 48 Wirbelsäulentherapie Die Wirbelsäule erfüllt als zentrale Stütze viele wichtige Funktionen in unserem Körper. Sie bildet die vertikale Mitte des Körpers, vielen Muskeln dient sie als Ansatzpunkt und bietet Schutz und Halt für das innenliegende Rückenmark. Zwischen den Wirbeln treten Nervenstränge aus, die zu den einzelnen Organen führen. Ein seitlich oder nach innen verschobener Wirbel kann daher zu körperlichen Problemen und/oder auch zu einer Unterversorgung der Organe führen. Er kann auch den natürlichen Fluss der Lebensenergie beeinflussen. Folgende Erkrankungen können beispielsweise von Fehlstellungen der Wirbelsäule kommen: - Migräne - HWS-/BWS-Syndrom (Nacken-/Schulterschmerzen von der Halswirbelsäule kommend) - Schulter-Arm-Syndrom - Beschwerden im Brustwirbelbereich (z.B. taube Fingerspitzen, eingeschlafene Hände) - Beschwerden im Lendenwirbelbereich - Lumbalgie („Kreuzschmerz“) - Lumbago („Hexenschuss“) - Ischialgie (Schmerzen im Bereich des Ischiasnerves) - Skoliose - Gelenkserkrankungen In der Stunde für Wirbelsäulentherapie werden Übungen zur Selbsthilfe vorgestellt und eingeübt. 49 Bewegungstraining mit bodyART® Was ist bodyART®? bodyART® ist ein funktionelles Ganzkörpertraining, welches von Robert Steinbacher konzipiert wurde. Das Konzept Im Trainingsprinzip steht der Mensch als funktionelle Einheit im Vordergrund. Die innere Haltung spiegelt die Äußere wider und somit die Energie, welche sich auf das tägliche Leben überträgt. Es verbindet Elemente aus • • • • • • • • • Yoga Bewegungstherapie/Physiotherapie DO IN (japanische Physiotherapieart) bodyART® eigene Positionen klassischen Atmungstechniken Krafttraining Stretch Flexibilitäts- und Mobilisationsübungen Meditation zu einer Synergie aus Training und Entspannung. Das Ziel des Trainings ist letztendlich das korrekte Funktionieren des gesamten Körpers durch funktionelle Kräftigung und Stabilisierung des gesamten Bewegungsapparates. Durch die gezielte Übungsauswahl, in sich abgestimmte Übungen und Positionen, bricht der Körper angelernte Bewegungsmuster auf und wirkt dem Haltungsbild positiv entgegen. Jede Übung wird bewusst mit Atmung und Konzentration so langsam durchgeführt, dass der Körper genügend Raum besitzt Negativbelastungen oder zu schnellen unbewussten Bewegungen entgegen zu wirken. Im Unterschied zum klassischen Krafttraining steht nicht der einzelne Muskel, sondern der menschliche Körper in seiner Ganzheit im Vordergrund. Alle Übungen und Positionen sind Ganzkörperübungen die viele Muskeln im Körper zur gleichen Zeit beanspruchen (trainieren). Viele Positionen im bodyART® erfordern eine erhöhte Balance und Gleichgewichtstechnik. So wird die Aufmerksamkeit in die Körpermitte geführt. Das hat den Vorteil, dass sich die trainierende Person bewusst auf den eigenen Körper konzentriert und sich von der äußeren Umgebung ablenken lässt. Dies gewährleistet eine korrekte Atmung und erhöht die Sauerstoffversorgung in Gehirn und Muskeln. Dies wiederum hat zur Folge, dass sich der Körper während des Trainings durch erhöhtes Bewusstsein und den gezielten Einsatz von Atmung gleichzeitig entspannt. 50 Was also bewirkt das Training? • • • • • Verbesserung der Atemtechnik Aufbau der Tiefenmuskulatur, dadurch Stabilisierung des gesamten Bewegungsapparates Erhöhte Konzentrationsfähigkeit Entspannung Mobilität und Flexibilität der Gelenke und Muskulatur Was fühlt der Trainierende? • • • Verantwortung für den eigenen Körper Konsequenz in der Durchführung und Konzentration auf die Körpermitte Fazit Es ist ein außergewöhnliches Trainingsprogramm, anspruchsvoll und trotzdem für jeden erlernbar. Wie sagte doch Martin Luther: „Anstrengungen machen gesund und stark“ 50