Patientenhandbuch zur Schmerztherapie

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Patientenhandbuch zur Schmerztherapie
Multimodale Schmerztherapie am Stadtkrankenhaus Schwabach
Verantwortlicher ärztlicher Schmerztherapeut: Dr. med. Thomas Schramm
Sehr geehrte Patientin, sehr geehrter Patient
Sie haben sich zur Multimodalen Schmerztherapie entschlossen um Ihr Problem der
Schmerzen mit mehreren Methoden auf vielfältigen Zugangswegen zu verbessern.
Zu den verschiedenen von uns angewendeten Methoden finden Sie im Folgenden
Erklärungen und Ausführungen unserer Therapeuten. Außerdem finden Sie
Erklärungen zu den biologischen Grundlagen der Schmerzempfindung um einzelne
Vorgehensweisen besser zu verstehen.
Bitte helfen Sie uns die Mehrschichtigkeit auch Ihrer Schmerzen in unseren
Fragebögen darzustellen und füllen Sie diese sorgfältig aus. Sie erhalten 3
Fragebögen zur Erfassung Ihres Zustandes am Aufnahmetag und 2 Fragebögen zur
Erfassung Ihres Zustandes am Entlassungstag aus der stationären Behandlung.
Geben Sie diese bitte unmittelbar nach dem Ausfüllen beim zuständigen
Pflegepersonal ab.
Bitte führen Sie während des stationären Aufenthaltes das beiliegende
Schmerztagebuch und geben die jeweils voll beschriebenen Blätter beim
Pflegepersonal ab. Tragen Sie hier auch die Anzahl Ihrer eigenständigen TENS
Anwendungen und die Art und Anzahl der durchgeführten Entspannungsverfahren
des Behandlungstages in der vorgesehenen Spalte ein.
Wir werden Sie bei der ärztlichen Visite nach der jeweiligen Schmerzstärke zu diesem
Zeitpunkt, sowie nach der größten Schmerzstärke während der vergangenen 24
Stunden befragen. Besonderheiten wie Veränderungen der Schmerzen in Art oder
Ausdehnung sollten Sie uns zu diesem Zeitpunkt unbedingt mitteilen. Gleiches gilt für
die Qualität Ihres Nachtschlafes oder etwaigen anderen Missempfindungen.
Wir weisen Sie darauf hin, dass die Einzel- Behandlungstermine vom ausgehändigten
Wochenplan bezüglich der vorgesehenen Uhrzeit abweichen können, da sich unsere
Therapeuten für alle Patienten ausreichend Zeit nehmen und außerdem die
stationäre Behandlungsplanung in die Zeitplanung ihrer jeweiligen Praxis einbauen
müssen. Bitte achten Sie aus diesem Grund auf Anwesenheit zu den vorgesehenen-/
bzw. vereinbarten Behandlungsterminen.
Wir wünschen Ihnen viel Erfolg bei Ihrem Aufenthalt
Ihr Behandlungteam
Bitte geben Sie dieses Manual bei Entlassung aus der stationären Therapie zusammen mit
dem erhaltenen CD Spieler mit CDs und TENS Gerät im Stationszimmer zurück !
Für interessierte Patienten steht das Manual auf unserer Homepage www.schmerzpraxis.net zum
Download bereit.
Multimodale Schmerztherapie am Stadtkrankenhaus Schwabach
Verantwortlicher ärztlicher Schmerztherapeut: Dr. med. Thomas Schramm
Inhaltsverzeichnis:
Seite:
1
Was ist chronischer Schmerz ?
2-3
Warum Eigeninitiative ?
4
Zielsetzung der multimodalen Therapie
5
Physiologie des Schmerzes
6-7
Schmerzmessung
8-9
Vegetatives Nervensystem
10
Umgang mit Medikamenten
11-12
Psychologische Verfahren
13
Erklärung von Entspannungsverfahren
14-25
Klangtherapie
26
Kunsttherapie
27
Methoden der Physiotherapie
28-31
Ergotherapie
32
TENS
33-34
Akupunktur, Akupressur
35-36
Shiatsu Therapie
37
Fußreflexzonentherapie
38
Erklärungen zu Tai Chi Übungen
39-47
Cranio-Sacrale Therapie
48
Wirbelsäulentherapie
49
Sport-/ Bewegungstherapie
50
1
Warum habe ich Schmerzen?
Definition:
Schmerz ist ein unangenehmes Sinneserlebnis, welches den Körper vor drohendem
Schaden bewahren soll.
Beim chronischen Schmerz tritt ein Verlust dieser Schutz- und Warnfunktion des
Schmerzes ein und er entwickelt sich zu einer eigenständigen Schmerzerkrankung.
Schmerz bezieht sich stets auf die Psyche und die Körperlichkeit eines Menschen.
In der Schulmedizin sowie der allgemeinen öffentlichen Meinung wird vielfach eine
Trennung von Körper und Psyche gefordert, welche der Behandlung chronischer
Schmerzen im Wege steht.
Die Schmerzempfindung wird aber auch durch viele andere Einflüsse wie Nachtschlaf,
Streß in Familie oder am Arbeitsplatz, nicht verarbeitete oder bestehende andere
Belastungssituationen…… beeinträchtigt.
Das Bio- Psycho- Soziale Schmerzmodell:
hieraus ergibt sich ein Therapieansatz, welcher möglichst viele der beeinflussenden
Aspekte mit einbezieht – die sogenannte „multimodale Schmerztherapie“.
2
Behandlungsleiter im erweiterten WHO – Stufenmodell:
Behandlungs- Netzwerk im ambulanten Bereich:
3
Warum soll ich mich selbst mit solchen Dingen wie „Schmerzleitung“ …..
„Schmerzmessung“ ….. , „TENS“ ….. Entspannung“… etc. beschäftigen?
Eigeninitiative ist die Grundlage etwas zu verändern. Niemand kann für Sie Ihre
Probleme lösen. Therapeuten können Ihnen bewährte Behandlungsmethoden und
Erfahrungswerte nahe bringen, aber die Behandlung führen Sie selbst durch.
Passivität macht Sie zum Opfer ihrer eigenen Schmerzen, die sich dann
voraussichtlich ständig verschlimmern bzw. auch neue Probleme aufwerfen werden.
Wir alle agieren nicht isoliert von anderen Menschen, sondern wir befinden uns in
einem sozialen Umfeld (Familie, Freunde, Arbeitsplatz), welches in direktem
Zusammenhang mit unseren Empfindungen steht, – so auch mit der
Schmerzempfindung.
Die eigene Schmerzmessung macht Sie zum „Beobachter“ Ihres Schmerzes und ist
ein Schritt die Rolle des „Opfers“ der Schmerzen hinter sich zu lassen.
Bewegungsübungen helfen Ihnen die eigenen Grenzen von Einschränkungen aktiv
auszutesten und durch kontinuierliches Üben, diese im Laufe der Zeit zu mehr
Bewegungsausmaß zu verschieben.
Mit Entspannungstechniken, - über längeren Zeitraum angewendet - ,
beeinflussen Sie die Regulierung der Schmerzsignale und der damit verbundenen
Veränderungen in Ihrem Körper positiv.
4
Stationäre multimodale Schmerztherapie
am Stadtkrankenhaus Schwabach
Zielsetzung:
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Schmerzverbesserung
Verbesserung der Mobilität
Verbesserung der Körperwahrnehmung
Vermeidung weiterer Chronifizierungsmechanismen
Vermeidung von Folgeschäden
Affektive Stabilisierung, -bzw. Verbesserung
Differenzierung/ Reduktion der medikamentösen Einstellung
Evt. Soziale Wiedereingliederung (familiäres - / Arbeitsumfeld)
ggf. Medikamentenentzug
Schulung des Schmerzverständnisses
„Hilfe zur Selbsthilfe“ – Aktivitätsförderung
Methoden:
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Medikamentös differenzierte Therapie
Psychologische Einzelsitzungen (Neuropsychologie, Verhaltenstherapie)
Erlernen von Entspannungstechniken (Jacobson Training, Autogenes Training,
Positive Imaging)
Biofeedback (Muskelscreening, Therapiesitzungen nach Schmerzbild)
Kunsttherapie
Klangtherapie
Körpertherapie nach den Richtlinien der chinesischen Medizin (Akupunktur,
Shiatsu, Reflexzonentherapie)
Körpertherapieübungen nach Qi Gong und Tai Chi
Reflexzonentherapie am Fuß (nach Hanne Marquard)
Cranio-Sacrale Therapie
Indikationsspezifische Physiotherapie (Einzel- und Gruppentherapie)
Ergotherapeutische Behandlung, Bewegungsübungen (Einzel- und
Gruppentherapie), Hilfsmittelschulung
Anleitung zur Rückenschule
Genußtraining
Ernährungsberatung
TENS Schulung und tägliche Anwendung (Einzelberatung/ Selbstaktivität)
Patientenschulung und -begleitung
Involviertes Personal:
1 Schmerztherapeut, 1 weiterer Facharzt, 1 Psychologin (Psychologische
Psychotherapeutin), 1 Psychologe (Psychologischer Psychotherapeut), 2
Heilpraktikerinnen (Schwerpunkt TCM/ Reflextherapie/ Naturheilkunde),
Physiotherapeutische Praxis (mehrere Therapeuten), 1 Ergotherapeutin, 1
Algesiologische Fachkraft, 2 Biofeedbacktrainerinnen, 1 Kunstpädagogin
(Heilpraktikerin), 1 Cranio-Sacral Therapeutin (Physiotherapeutin, Heilpraktikerin), 2
Arzthelferinnen, 1 Qi Gong/ Tai Chi Trainerin, 2 Klang-/Meditationstrainer/-in, 1
Genußtrainerin, 1 Diätassistentin (Heilpraktikerin), + Pflegepersonal auf Station,+
fachärztlicher Hintergrund des Lehrkrankenhauses
5
Schmerzphysiologie – Schmerzbahnen:
Die Entstehung und Weiterverarbeitung eines Schmerzsignals in unserem Körper
erfolgt über spezielle Nervenstrukturen, die in der Weiterleitung mit
unterschiedlichen „Schaltzentren“ verknüpft sind. Besonders wichtig sind in diesem
Zusammenhang die Zentren für Angst und Depression.
So erklären sich die unterschiedlichen Komponenten der Schmerzempfindung schon
allein auf physiologischer Ebene.
Nerven sind selbstlernende Gebilde und passen sich an die Anforderungen der
Umgebungssituation an. So sendet ein Nerv welcher längere Zeit einer erhöhten
Reizung ausgesetzt wird auch in einer erhöhten Ruhefrequenz und reagiert mit
wesentlich stärkeren Entladungen auf die gleich starken Reize, die vorher nur wenig
Entladung verursacht hatten.
Dies ist die Grundlage zur Entwicklung von chronischen Schmerzen.
6
Ständig empfundener Schmerz und erhöhte Schmerzsignalgebung verändert
nachfolgend verschaltete Strukturen ebenso in ihrer Reaktion auf die Reize – eine
sogenannte „Zentrale Sensibilisierung“ findet statt. Wirken weiterhin ungehemmt die
übermäßigen Reize ein, führt dies zu einer weitere Chronifizierung mit Entstehung
der „Schmerzkrankheit“ mit allen ihren Begleiteffekten als eigenständiges
Krankheitsbild.
Bezogen auf dem Empfindungsbereich wird sich verändertes Verhalten, Depression,
Ängste…. als Reaktion auf die veränderten Schmerzsignale einstellen. Diese
Veränderung unterliegt dann wiederum den unterschiedlichen Typen von Menschen,
stattgefundenen Vorbelastungen, Schwächen usw..
Im Folgenden genannte 3 Verhaltensmuster gelten als chronifizierungsfördernd für
Schmerzen:
7
Schmerzen und Befindlichkeiten werden individuell gemessen:
In unseren Fragebögen und bei der Visite werden Sie nach einer Skala von 0-10
befragt, welche alle Einflüsse für Ihre Person auf die Schmerzen ausdrückt. Die Zahl
ist somit Ihre persönliche Schmerzstärke.
Welche Art von Schmerz haben Sie? - Wie ist die Schmerzqualität?
•Nozizeptiver Schmerz = Signal von Schmerzrezeptor
–Umschriebener Bezirk
–Scharfe Schmerzqualität
•Neuropathischer Schmerz = Signal von Nerven
–Unklare Ausdehnung
–einschießend, attackenartig
–nächtliche Schmerzverstärkung
•Sympathischer Schmerz = Signal des autonomen Nervensystems
–Quadrantenausdehnung, teilweise oder komplette Extremität
–dumpf, brennend
•Zentraler Schmerz = Signal des Gehirns
–Halbseitenausdehnung (Kopf und Körper homolateral)
–Keine eindeutige Qualität
Diese Angaben sind unter anderem hinweisend für die Medikamentenauswahl !
8
Schon der Maler Albrecht Dürer beschrieb seinem Leibarzt in folgendem Selbstbildnis
den Ort seiner Schmerzen ganz genau:
9
Verspannung/Entspannung
Gerunzelte Stirn/Kopfhaut
glatte Stirn
Hochgezogene Augenbrauen
Locker aufmerksame
Augenpartie
gepresster Kiefer, Lippen
oberflächliche Atmung
ruhige tiefe Atmung
angespanntes Zwerchfell
lockeres Zwerchfell
steifer Hals, Nacken
gelöster Kiefer, Nacken
hochgezogene Schultern
gelockerter Hals, Nacken
steifes Kreuz
lockere Schulterpartie
angespannter Bauch
gelöster Bauchbereich
kalte Finger – warme Finger
schwitzende Hände – warme
Hände
schneller Puls – regelmäßiger
Puls
Schließmuskel-Anspannung
entspannter Schließmuskel
gefühllose Genitalien
warme Genitalien
zusammengezogener
Beugemuskeln
lockerer Beugemuskel
gehemmter Streckmuskel
lockerer Streckmuskel
gespannte Wadenmuskulatur
entspannte Wadenmuskulatur
angespannte Fußmuskeln
entspannte Fußmuskeln
kalte Füße - warme Füße
Vegetatives Nervensystem
Gleichgewicht
Sympathikus
Verengung
Beschleunigung
Beschleunigung
Anregung
Erhöhung
Erhöhung
Erhöhung
Erhöhung
Hemmung
Hemmung
Parasympathikus
Blutgefäße
Herzfrequenz
Atmung
Hormonausschüttung
Blutdruck
Blutfette
Blutzucker
Blutgerinnung
Magentätigkeit
Verdauung/Darm
Erweiterung
Verlangsamung
Verlangsamung
Hemmung
Senkung
Senkung
Senkung
Senkung
Anregung
Anregung
10
Zum Umgang mit Medikamenten:
Dauerhafter Schmerz verlangt einen kontinuierlichen Wirkspiegel eines
Medikaments,- dies wird mit Retard- Medikamenten vollzogen. Retard Medikamente
setzen ihren Wirkstoff langsam über längeren Zeitraum frei.
Akute Schmerzen/ Schmerzspitzen (z.B. plötzlicher Schmerz bei falscher Bewegung)
werden mit schnell wirksamen Medikamenten behandelt, - diese fluten schneller an,
halten aber den Wirkspiegel im Blut nicht über längeren Zeitraum aufrecht.
Werden diese Regeln nicht beachtet, entstehen einerseits Phasen mit zu niedrigem
Schmerzmittelspiegel im Blut, an denen die Schmerzen stärker werden. Andererseits
können auch Überdosierungen mit zu hohen Schmerzmittelspiegeln und
entsprechenden spezifischen Medikamentennebenwirkungen entstehen.
Deshalb keine „Schaukeltherapie“!
Kontinuierlicher
MedikamentenWirkspiegel
Schmerzspitzen
bei
Schaukeltherapie
Die richtige Anwendung von Medikamenten beim chronischen Schmerz bedeutet:
•Dauerhafter Wirkspiegel
•Minimierung von Nebenwirkungen
•Vermeidung von Abhängigkeit
Jedes Medikament wird nach seinen Eigenschaften der Art des Angriffspunktes auf
das Schmerzgeschehen sowie streng nach seiner spezifischen Wirkdauer
angewendet.
Zusätzlich gilt es individuelle Verträglichkeiten und Nebenerkrankungen zu
berücksichtigen.
11
Die Anwendung von Opioidpflastern:
12
Psychologische Verfahren zur Beeinflussung der Schmerzen:
•Entspannungsverfahren
Gezielte Muskelentspannung nach Jacobson
Autogenes Training
•Biofeedback
•Hypnoseverfahren
•Autosuggestion
•Positive Imaging (Arbeiten mit positiven Bildern)
•Gesprächstherapie/ kognitive Verhaltenstherapie
•Schmerzbewältigungstraining
•Genußtraining
•Tiefenentspannung (in unserem Schmerzzentrum mit Klangschalen)
13
ENTSPANNUNGSVERFAHREN:
PROGRESSIVE MUSKELENTSPANNUNG - AUTOGENES TRAINING BIOFEEDBACK
1. ENTSPANNUNGSVERFAHREN UND SCHMERZEN
Wir wollen in dieser Broschüre die folgenden Fragen beantworten:
Warum sind Entspannungsverfahren bei Schmerzen sinnvoll?
Wie und warum wirken sie?
Welche Methoden sind empfehlenswert?
Worauf sollte geachtet werden?
Welche Probleme sind zu erwarten und wie können sie gelöst werden?
Starke Schmerzen haben eine direkte und meist sehr heftige Antwort des gesamten
Körpers zur Folge: Wenn wir uns an einem heißen Gegenstand verbrennen, uns kräftig
den Ellbogen oder den Kopf stoßen, geschieht folgendes: der Herzschlag und die Atmung
werden schneller, Schweiß bricht aus. Bei sehr starken Schmerzen reagiert schließlich
auch noch der Magen-Darmkanal: uns wird übel.
Vor diesen Alarm-Reaktionen mit ihren Auswirkungen auf unterschiedliche Körpervorgänge reagiert bereits unsere Muskulatur: Wir ziehen die Hand, den Arm oder den Kopf
schnell zurück, ohne nachzudenken, um uns zu schützen. Diese Tätigkeit der Muskeln wird
reflektorisch ausgeführt, das heißt ohne Umweg über unser Gehirn. Deshalb ist diese Reaktion sehr schnell und verhindert damit meist schlimmere Verletzungen. Durch dieses
Frühwarnsystem schützt sich der Körper höchst wirksam.
Solange die Aufgabe des Frühwarnsystems darin besteht, sich gegen Schmerzreize zu schützen, ist dieser Vorgang sicher, zielgerichtet und sinnvoll. Er dient zur Erhaltung der Gesundheit. Zum Problem wird diese
reflektorische Antwort, wenn es keinen äußeren Schmerzreiz gibt, wenn die Quelle der Schmerzen, ob bekannt oder unbekannt, im Körper selbst liegt.
Auch bei diesen Schmerzen reagieren wir instinktiv wie es unserer Natur entspricht:
Mit unwillkürlicher Anspannung der Muskulatur und einer den gesamten Körper
erfassenden Alarmreaktion. Dauern Schmerzen über Stunden und Tage an, entstehen
durch dieses "körpereigene Programm" zusätzliche Beschwerden:
die Anspannung, die den gesamten Körper erfasst und die damit verbundene Verspannung vieler Muskelgruppen wird zu einer zusätzlichen Schmerzquelle
die "ins Leere laufende" Alarmreaktion hält den Körper in ständig erhöhter Anspannung,
wir werden "nervös" und reizbar, "stehen unter Dampf"
unsere Fähigkeit zu entspannen, auszuruhen und gut zu schlafen, wird beeinträchtigt
unsere Fähigkeit, mit Schmerzen umzugehen, wird beeinträchtigt.
Diese sehr vielschichtige Reaktion auf Schmerz betrifft unterschiedliche Funktionen
des gesamten Körpers. Schmerz, und besonders chronischer Schmerz, ist folglich
wesentlich komplizierter, als im ersten Moment zu vermuten: Insbesondere bei
chronischem Schmerz funktioniert unser Schmerzempfinden nicht wie eine elektrische
Leitung, bei der man ja nur die "Leitungsbahn" verfolgen muß, um zur "Quelle" oder
"Ursache" der Spannung zu gelangen. Vielmehr ist in unterschiedlichem Ausmaß zunehmend der "ganze Mensch" körperlich und seelisch betroffen.
Der Zusammenhang zwischen Schmerz und Anspannung der Muskulatur ist seit vielen
Jahren bekannt. Erst in den vergangenen Jahren wurden intensive Forschungsarbeiten
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dazu durchgeführt. Sie bewiesen, daß Entspannungsverfahren bei der Behandlung
chronischer Schmerzen eine zentrale Rolle spielen. Ihre Wirksamkeit ist in zahlreichen
Arbeiten überprüft worden und wurde für unterschiedliche Arten von Schmerz nachgewiesen:
als therapeutisch wirksame und vorbeugende Maßnahme bei Schmerzen, die wesentlich
durch Muskelverspannungen bedingt oder mit ihnen verbunden sind
bei schwer beherrschbaren chronischen Schmerzzuständen unterschiedlichster Ursache
(z.B. Rheuma und Krebs)
zur Vorbereitung auf Schmerzen, die durch medizinische Eingriffe bedingt sind (z.B.
nach Operationen)
Bewiesen ist, dass Entspannungsverfahren das Schmerzerleben in mehrfacher Hinsicht
beeinflussen:
sie wirken den schmerzbedingten körperlichen und seelischen Reaktionen entgegen,
sie fördern dadurch das Wohlbefinden und somit wiederum die Fähigkeit, Schmerzen
besser zu bewältigen.
sie fördern die Wahrnehmung der eigenen körperlichen Reaktionen und sind dadurch
eine wirksame Hilfe für die Vorbeugung.
Oft sind die Entspannungsverfahren der einzige Weg, um den Teufelskreis "Schmerz Anspannung - Unwohlsein - verstärktes Schmerzempfinden" zu unterbrechen.
Entspannungsverfahren werden auch unabhängig von Schmerzerkrankungen regelmäßig und wirkungsvoll zur Behandlung von Ängsten, Schlafstörungen, vielen funktionellen
Erkrankungen und nicht zuletzt zur Erholung und Leistungssteigerung angewendet.
Bei Schmerzpatienten stellen sich diese Wirkungen als positive "Nebeneffekte"
ebenfalls ein.
1.1 Schmerz und das vegetative Nervensystem
Die mit Schmerzen immer und unwillkürlich verbundene "Alarm-Reaktion" versetzt
unseren gesamten Körper in einen Zustand erhöhter Erregung. So entsteht gleichzeitig
eine Verstärkung der Schmerzwahrnehmung und somit letztlich der Schmerzen selbst.
Eine weitere häufige Folge anhaltender Schmerzen sind Schlafstörungen und eine deutlich
eingeschränkte Fähigkeit, zur Ruhe zu kommen, abzuschalten und zu entspannen. Auch
hierdurch werden die Möglichkeiten, Schmerzen zu bewältigen erneut eingeschränkt.
Dieser Teufelskreis kann mit Hilfe von Entspannungsverfahren wirkungsvoll unterbrochen werden. Die Veränderungen während der Entspannungsübung wirkt der
unwillkürlich einsetzenden "Alarm-Reaktion" bei Schmerz entgegen.
Erregung, Anspannung und innere Unruhe werden durch Entspannungsverfahren verringert.
1.2 Schmerz und Gefühl
Ähnlich wie der oben geschilderte Teufelskreis auf körperlicher Ebene zu einer
Schmerzverstärkung führt, bestehen Zusammenhänge zwischen Schmerz und Gefühlen:
Schmerz ist nicht nur eine Sinnesempfindung wie Sehen, Hören oder Riechen. Er ist mit
unangenehmen Gefühlen wie Angst, Furcht, Trauer, Hilflosigkeit, Hoffnungslosigkeit oder
Ärger verbunden.
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Der berühmte Arzt Sauerbruch hat diese Gefühle als die "grauen Schwestern des
Schmerzes" bezeichnet. Sie verstärken wiederum die Schmerzen. So führt z.B. die Angst
vor einem erneuten Schmerzanfall, auch als Erwartungsangst bezeichnet, sehr häufig zu
verstärkter Selbstbeobachtung und diese wiederum zu verstärkter Schmerzempfindung.
Hoffnungslosigkeit führt zum Rückzug aus dem Familien- und Bekanntenkreis, angenehme
Erlebnisse und ablenkende Ereignisse werden dadurch immer seltener, der Schmerz
beginnt das Leben zu beherrschen.
Diese Schmerzspirale kann ebenfalls durch gezielte Entspannung gedämpft oder
unterbrochen werden, wobei die Schmerzempfindung und die Erwartungsangst verringert
werden.
1.3 Örtliche Schmerzbeeinflussung
Mit zunehmender Beherrschung der Entspannungsverfahren wird es Ihnen immer
besser gelingen, bestimmte Körperregionen (z.B. Schulter-Nacken-Kopf) gezielt zu beeinflussen und damit die Durchblutung und Muskelanspannung zu steuern.
1.4 Schmerz und Schmerzwahrnehmung, Ablenkung
Eine zusätzliche Möglichkeit der direkten und indirekten Beeinflussung aller Schmerzen
besteht in der Steuerung der Aufmerksamkeit. Schmerzen in einem bestimmten
Körpergebiet lenken unsere Aufmerksamkeit wie ein Magnet auf sich, so dass wir
manchmal den Eindruck haben, als würden wir außer dem Schmerz nichts anderes mehr
empfinden.
Die konzentrierte Hinwendung auf die bei den Entspannungsverfahren
angesprochenen unterschiedlichen Körperregionen kann zu einer Abschwächung der
Wahrnehmung schmerzhafter Körpergebiete führen. Wir lernen, wieder wahrzunehmen,
dass nicht nur schmerzhafte Empfindungen vom Körper ausgehen. Dieser Vorgang lässt
sich meist auch im Alltag beobachten: Oft werden Schmerzen weniger intensiv empfunden
und treten in den Hintergrund, wenn wir abgelenkt und mit anderen Dingen beschäftigt
sind.
Wir sind ständig einer Vielzahl von Reizen ausgesetzt, von denen wir die wenigsten
tatsächlich bewusst registrieren: Während Sie diese Zeilen lesen, sitzen Sie vielleicht auf
einem Stuhl, ohne dass Sie bisher den Druck der Sitzfläche besonders bemerken. Erst
durch die Veränderung der Aufmerksamkeit wird dies spürbar. Unsere Konzentration läßt
sich lenken, wir können sie auf den Schmerz und die betroffenen Gebiete richten, wir
können jedoch auch lernen, andere Reize stärker zu beachten. Diese Alltagserfahrung hat
sich wissenschaftlich bestätigen lassen: Es gibt viele Situationen, in denen Schmerz nicht
oder nur schwach wahrgenommen wird, weil andere Informationen wichtiger sind und unsere Konzentration ganz in Anspruch nehmen. Wir können diese Fähigkeit trainieren und
für die Beeinflussung von Schmerz nutzen.
Ein spektakuläres Beispiel dafür ist die faszinierende "Kunst" der Fakire. Sie fügen sich
unter normalen Umständen schmerzhafte Verletzungen willentlich zu, ohne Anzeichen von
Schmerz zu zeigen. Diese Fähigkeit beruht auf einer Kombination von tiefer Entspannung
und starker Konzentration auf ablenkende Reize. Die körperlichen und seelischen
Vorgänge entsprechen dabei weitgehend dem, was auch von den klassischen Entspannungsverfahren wie Autogenem Training und Jacobson-Training bekannt ist.
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2. DIE BEKANNTESTEN ENTSPANNUNGSVERFAHREN
Die Progressive Muskelentspannung, das Autogene Training und das Biofeedback sind
die wichtigsten Methoden, die bei chronischem Schmerz mit Erfolg angewendet werden.
Wir beschränken uns in dieser Broschüre auf diese Verfahren und legen den Schwerpunkt
auf die Progressive Muskelentspannung nach Jacobson, da diese Methode nach unserer
Erfahrung gerade für Patienten mit chronischem Schmerz einige Vorteile gegenüber dem
autogenen Training hat.
Andere Methoden wie Funktionelle Entspannung, Feldenkrais, Yoga und insbesondere
die isometrische Relaxation enthalten Entspannungselemente und können ebenfalls sinnvoll eingesetzt werden.
Welches Verfahren letztlich das für Sie geeignete ist, können Sie durch die Beratung
durch Ihren Arzt oder Psychologen und durch eigene Erfahrungen herausfinden.
2.1 PROGRESSIVE MUSKELENTSPANNUNG NACH JACOBSON
Die Methode der Progressiven Muskelentspannung (andere Namen sind Tiefmuskelentspannung, Muskuläres Tiefentraining, Progressive Relaxation, Jacobson-Training) geht
auf Edmund Jacobson zurück. Er entdeckte Anfang dieses Jahrhunderts, dass bei allen
Spannungsgefühlen auch die Muskeln beteiligt sind.
Das Auftreten von Muskelspannung ist besonders häufig dann zu beobachten, wenn
Schmerz, Aufregung oder Angst erlebt werden. Einige Beschreibungen von menschlichen
Eigenschaften beziehen sich übrigens direkt auf diesen Zusammenhang. So spricht man
von "hartnäckigen Menschen", solchen, die alles "verbissen" oder "verkniffen" sehen,
jemand kann "stocksteif" sein oder "die Faust in der Tasche ballen".
Die Erkenntnis von Jacobson hat dazu geführt, dass Entspannung gezielt durch
Behebung der muskulären Verspannung angestrebt wird.
Bei der progressiven Muskelentspannung wird dies - scheinbar paradox - dadurch
erreicht, dass schrittweise verschiedene Muskelgruppen zunächst angespannt und danach
gelockert werden. Es handelt sich hier um einen normalen Vorgang, den Sie auch im Alltag
vermutlich schon einmal angewendet haben: Wenn Sie mit einem Wadenkrampf
wachwerden, versuchen Sie diesen zunächst durch noch stärkere Anspannung zu lockern:
Sie ziehen an Ihrem Fuß oder stellen sich hin und spannen dadurch die Wadenmuskulatur
noch kräftiger an.
Das Prinzip der progressiven Muskelentspannung ist ähnlich: Nacheinander werden
verschiedene Muskelgruppen des Körpers zunächst angespannt und anschließend
entspannt. Die Anspannung sollte dabei kurz (ca. 5-6 Sekunden) dauern, die Entspannung
mindestens doppelt so lange. Die Betonung sollte dabei eindeutig auf dem Entspannunggsteil liegen, die Anspannung also nicht zu kräftig durchgeführt werden. Dieser
Vorgang beginnt mit den Händen, wird für die Arme wiederholt und setzt sich fort für die
wichtigsten Muskelgruppen bis hin zu den Beinen und Füßen.
Durch den bei der Progressiven Muskelentspannung erlebten Unterschied zwischen
Anspannung und Entspannung können bei Ihnen meist sehr schnell Entspannungsempfindungen spürbar werden. Die Entspannung bleibt jedoch nicht auf die Muskulatur beschränkt, sondern wirkt sich ebenfalls zunehmend positiv auch auf das vegetative Nervensystem (Herz, Kreislauf, Atmung, Verdauung) aus.
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Ein wichtiges Ziel der Entspannungsverfahren ist es, bereits beginnende körperliche
Verspannungen besser wahrzunehmen und frühzeitig zu verhüten.
Sinnvoll ist es, zunächst eine ausführlich Fassung (Dauer: 20-30 Minuten) zu erlernen.
So lernt man die einzelnen Muskelgruppen gründlich kennen und kann sie schließlich auch
beeinflussen.
Nach einiger Zeit (meist 3-4 Wochen) können Sie dann zu einer Kurzfassung übergehen (Dauer: 5-6 Minuten), die auch im normalen Tagesablauf angewendet werden kann.
Selbstverständlich ist konsequentes Üben die Voraussetzung für Erfolge. Beginnen Sie
mit der ausführlichen Fassung ein- bis zweimal täglich und gehen Sie zur Kurzfassung
über, wenn sich Entspannungsempfindungen zuverlässig einstellen. Diese sollten Sie dann
während der Lernphase (in den ersten Wochen also) etwa dreimal täglich üben.
Falls während der Anspannung Schmerzempfindungen auftreten, sollten Sie weniger
kräftig anspannen und eventuell Ihre Körperhaltung korrigieren.
Wichtig ist weiterhin die sogenannte "Zurücknahme" der Entspannung am Schluss der
Übung: Sie sollten sich - ähnlich wie nach dem Schlafen - Recken, Strecken und auf die
Beendigung der Entspannungsphase einstellen. Das ist natürlich nicht erforderlich, wenn
Sie im Anschluss an die Übung einschlafen möchten.
Anfangs wird es etwas schwer fallen, einzelne Muskelgruppen alleine anzuspannen,
oft reagieren benachbarte Muskelgruppen fast automatisch mit. Mit zunehmender Übung
wird es Ihnen jedoch immer besser gelingen, sich auf einzelne Muskelgruppen zu konzentrieren.
Anders als beim Autogenen Training können Sie bei der Progressiven Muskelentspannung die Übungsanweisungen von einer Kassette abhören. Mit der Zeit wird Ihnen jedoch
der Übungsablauf so vertraut werden, dass Sie sich die Anweisungen innerlich selbst
geben können. Wichtig ist dabei nur die Reihenfolge der Übungen, nicht der Wortlaut der
Anweisungen.
Die Progressive Muskelentspannung wird von Diplom-Psychologen, Ärzten, in
Volkshochschulen, in Kuren und mit Hilfe von Ton-Kassetten vermittelt. Günstig ist die
Teilnahme an einem Gruppengespräch zur Einführung in diese Methode.
Jeder Patient erhält die Gelegenheit, sich einen CD Player (Walkman) und eine
Kassette mit den Übungsanleitungen auszuleihen. Hier im Schmerzzentrum können Sie mit
den Übungen beginnen. Eine Fortführung zu Hause ist jedoch unerlässlich, damit sich ein
Erfolg einstellt. Zur Unterstützung Ihrer selbständigen Übungen zu Hause können Sie Ihre
eigene CD im Fachhandel (Buchladen) erwerben.
Die Progressive Muskelentspannung können Sie im Sitzen oder im Liegen durchführen. Es wird anfangs leichter sein, im Liegen zu entspannen. Dennoch sollten sie sich
nicht zu sehr "verwöhnen" und nicht ausschließlich im Liegen üben. Im Alltag kommt es
häufiger vor, dass man sich zwischendurch hinsetzt, eine Gelegenheit zum Hinlegen gibt
es seltener. Um diese Methode also auch unter normalen Bedingungen anwenden zu
können, sollten Sie von Beginn an darauf achten, dass sie die Übungen sowohl im Sitzen
als auch im Liegen erlernen.
Sie sollten zu Beginn der Lernphase Ihre Übungen möglichst zu Zeiten mit geringeren
Schmerzen oder in schmerzfreien Perioden durchführen. Erst mit einer gewissen
Beherrschung dieses Verfahrens können sie dazu übergehen, gezielt den Schmerz selbst
zu beeinflussen.
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Achten Sie darauf, dass Sie zu Beginn ihre Übungen (einigermaßen) ungestört durchführen können. Hängen Sie das Telefon aus, suchen Sie sich Zeiten mit geringerer
Lärmbelästigung und einen ruhigen Platz aus. Bei zunehmender Übung wird es Ihnen
jedoch auch unter ungünstigeren Bedingungen gelingen, zu entspannen.
Praktische Hinweise und Informationen finden Sie zusammengefasst noch einmal im
Kapitel "Hinweise zur Durchführung von Progressiver Muskelentspannung und Autogenem
Training".
2.2 AUTOGENES TRAINING
Das autogene Training (kurz:AT) wurde vor mehr als 50 Jahren von dem deutschen
Arzt J.H. Schultz entwickelt.
Die Methode wurde seitdem zunehmend verbessert; es wurden ständig neue Bereiche
entdeckt, in denen sie sinnvoll und zuverlässig angewendet werden kann.
Wissenschaftliche Forschungen zur Wirkung konnten nachweisen, dass die während
der AT-Übungen erlebten Veränderungen wie Ruhe, Entspannung, Schwere und Wärme
sich auch auf körperlicher Ebene mit Hilfe von entsprechenden Messinstrumenten feststellen lassen. Es handelt sich dabei um Vorgänge, die uns normalerweise nicht bewusst
sind, die wir aber durch bestimmte Übungen beeinflussen können. Dadurch ist es uns
möglich, schrittweise einen Zustand körperlich-geistiger Entspannung zu erreichen.
Autogenes Training bedeutet soviel wie "selbsttätige Übung". Damit sind zwei wesentliche Merkmale dieses Entspannungsverfahrens angesprochen: Zum einen die
"Selbsttätigkeit", zum anderen die "Übung".
Selbsttätigkeit bedeutet, dass Sie als Anwender der Methode darüber entscheiden, wie
weit sie sich auf die angestrebte Entspannung einlassen, wann Sie das AT anwenden und
wie intensiv Sie es durchführen.
Übung bedeutet, dass sich die angestrebte Entspannung nur dann zuverlässig einstellen wird, wenn Sie die Bereitschaft haben, das AT regelmäßig durchzuführen.
Autogenes Training wird meist in einer Gruppe vermittelt. Dies hat den Vorteil, dass
Anfangsschwierigkeiten besprochen werden können. Im Gespräch lassen sich Fragen
methodischer und grundsätzlicher Art klären sowie Erfahrungen und Erfolge mitteilen.
Eine wichtige Voraussetzung dafür ist Ihre Bereitschaft zur Mitarbeit. Scheuen Sie sich
nicht, auch Ihre Schwierigkeiten bei den Übungen mitzuteilen. Anderen geht es sicherlich
ähnlich, und fast immer lassen sich im gemeinsamen Gespräch Lösungen finden.
Meist beginnen sie anfangs mit den Übungen "Ruhe-Schwere-Wärme".
Ziel der Ruhe-Übung ist die Einstellung auf einen Zustand der Ruhe und Entspannung.
Die Schwere-Übung zielt auf eine direkte Entspannung der Muskulatur. Arme und
Beine haben ein recht hohes Gewicht, das wir aufgrund der ständig vorhandenen
Grundanspannung der Muskulatur in der Regel nicht wahrnehmen. Gelingt es uns aber,
diese Anspannung zu verringern, wird uns das Eigengewicht deutlich. Wer einmal ein
schlafendes (also entspanntes!) Kind getragen hat, wird überrascht sein, wie schwer es
sich anfühlt. Wer einmal einem beschwippsten Mitmenschen nach Hause geholfen hat,
wird sicherlich den Satz kennen "Nun mach' dich nicht so schwer!".
Entspannung wird demnach bei uns selbst und bei anderen als Gefühl der Schwere
erlebt. Ziel der Schwereübung ist es also, die Muskulatur tiefer als beim üblichen Ausruhen
zu entspannen.
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Ähnlich verhält es sich bei der Wärme: Sie ist eine Folge der Entspannung unseres
Gefäßsystems und somit einer vermehrten Durchblutung bestimmter Körpergebiete. Der
Anstieg der Temperatur während der Wärmeübung kann mit Hilfe eines
Hautthermometers gemessen werden. Dabei wird nicht etwa die Körpertemperatur erhöht,
sondern lediglich eine vermehrte Durchblutung und somit Erwärmung erreicht.
Es hat sich als sinnvoll herausgestellt, einen bestimmten Ablauf während den Übungen einzuhalten. Dazu gehört eine bestimmte Körperhaltung (im Sitzen die sogenannte
"Flegelhaltung", im Liegen die Rückenlage mit parallel zum Körper liegenden Armen), das
Schließen der Augen, das innere Vorsprechen bestimmter Formeln und schließlich die
Rücknahme der Übung.
Es gibt große Unterschiede zwischen den Übenden. Bei manchen stellt sich die
Schwere spontan und leicht ein. Auch gibt es Übende, die das Schwere-erlebnis kaum
empfinden, dafür aber von spontanen Wärmeempfindungen berichten. In diesem Fall
sollten Sie, möglichst nach Rücksprache mit den Gruppenleitern, die Formel ändern und
auf die Ihnen eigene Reaktionsweise abstimmen. Meist stellen sich solche individuellen
Unterschiede bereits in den Wochen der Grundunterweisung heraus und können im Gruppengespräch geklärt werden.
Auch im Lerntempo gibt es beträchtliche Unterschiede. Bei einigen stellt sich eine tiefe
Entspannung prompt ein, bei anderen kann es mehrere Monate dauern. Dies sollten Sie
bedenken. Auch sollten Sie zu Beginn der Lernphase Ihre Übungen möglichst zu Zeiten
verminderten Schmerzes oder in schmerzfreien Perioden durchführen.
Viele Fragen werden in der weiterführenden Literatur beantwortet, die wir am Schluss
angeben.
Wenn Sie sich für die Anwendungsmöglichkeiten interessieren, sollten Sie einen Kurs
zum Autogenen Training besuchen. Diese Kurse werden inzwischen von fast allen Volkshochschulen sowie konfessionellen oder anderen Bildungseinrichtungen angeboten.
2.3
HINWEISE
ZUR
DURCHFÜHRUNG
VON
PROGRESSIVER
MUSKELENTSPANNUNG UND AUTOGENEM TRAINING
Entspannungsverfahren müssen erlernt werden, d.h. es ist notwendig, täglich zu üben.
Versuchen Sie aber, sich realistische Ziele zu setzen: 5-mal täglich wird in aller Regel
kaum zu verwirklichen sein und lediglich dazu führen, dass Sie mit einem schlechten
Gewissen an die versäumten Übungen denken und aufhören werden, regelmäßig zu
üben. Nehmen Sie sich vor, nach der Lernphase einmal täglich die Kurzform der progressiven Muskelentspannung zu üben, dies reicht in aller Regel, um "im Training" zu
bleiben. Beim AT sollten sie von 2-3 Übungen täglich ausgehen.
Suchen Sie sich für Ihre regelmäßigen Übungen zu Hause zumindest in der Lernphase
einen ruhigen und angenehmen Raum.
Suchen Sie aber auch nach Möglichkeiten, Ihre Übungen oder Übungsteile zu
unterschiedlichen Gelegenheiten im Alltag durchzuführen. Kurze Übungen können z.B.
manchmal während der Arbeitszeit oder auf dem Weg zur Arbeit (z.B. im Bus oder bei
einem kurzen Stop an der Ampel) durchgeführt werden.
Sorgen Sie vor allem während der Lernphase dafür, dass Sie ungestört sind. Fertigen Sie
sich ruhig ein Schild für die Tür an mit der Aufschrift "Bitte Ruhe, nicht stören!".
Üben Sie in einer für Sie bequemen Körperhaltung im Sitzen oder Liegen. Im Sitzen
bietet sich die "Flegelhaltung" an: Auf einem Stuhl mit Rückenlehne, das Gesäß leicht
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vorgeschoben, der Rücken angelehnt, die Beine in Unterarmbreite gespreizt, die
Unterschenkel leicht nach vorne gestellt, die Füße bilden eine verlängerte Linie der
Oberschenkel. Die Unterarme und Hände liegen bei der Entspannung locker auf der
Innenseite der Oberschenkel. Der Kopf sollte leicht gesenkt sein.
Sorgen Sie dafür, dass Sie während der Übung möglichst bequem und entspannt sitzen
können. Im Liegen empfiehlt sich die Rückenlage mit leicht gespreizten Beinen. Wenn
Sie im Anschluss an die Übung einschlafen möchten, nehmen Sie nach der Übung die für
Sie angenehmste Schlafhaltung ein.
Wenn Sie Störungen bemerken, z.B. drückende Kleidung, Jucken, ungünstige Sitz- oder
Liegehaltung, stellen Sie sie ab.
Für die regelmäßige Weiterführung der Übungen ist es sinnvoll, bestimmte Zeiten
festzusetzen. Damit sind nicht unbedingt genau festgelegte Uhrzeiten gemeint, sondern
immer wiederkehrende Abschnitte im Tagesablauf (z.B. Mittagspause, Feierabend,
Einschlafphase).
Falls es Ihnen unangenehm ist, mit geschlossenen Augen zu üben, können Sie die Augen
leicht geöffnet lassen. Suchen Sie sich dann einen Punkt (z.B. eine Stelle auf dem Boden
oder an der Wand) und lassen Sie Ihren Blick darauf "ruhen", ohne diese Stelle angestrengt zu beobachten. Diese Art der Entspannung wenden wir - meist unbemerkt gelegentlich spontan an ("In's Leere schauen").
Üben Sie anfangs möglichst dann, wenn die Beschwerden geringer sind oder in schmerzfreien Zeiten.
Bei der Progressiven Muskelentspannung sollten sie keinesfalls "mit Gewalt" anspannen.
Die Anspannung der Muskulatur sollte deutlich spürbar, aber nicht zu stark sein und
keinesfalls zu verstärkten Schmerzen führen.
2.4 BIOFEEDBACK
Unsere Körperfunktionen verlaufen meist unbemerkt und ohne unsere willentliche
Steuerung. Wichtige Abläufe wie Herzschlag und Atmung sind weitgehend unabhängig von
unserem Bewusstsein, werden vom Körper selbständig geregelt. Andere Abläufe, z.B.
Spannung der Muskulatur, können von uns gesteuert und bewusst eingesetzt werden (z.B.
wenn wir eine schwere Last heben wollen). Veränderungen finden von Moment zu
Moment und meist unbemerkt statt. Viele dieser Veränderungen hängen auch mit seelischen Einflüssen zusammen. Schmerz, Angst und Ärger führen beispielsweise zur
Beschleunigung von Herzschlag und Atmung sowie einer erhöhten Muskelspannung, auch
wenn wir dies oft nicht bewusst erleben.
Biofeedback ist ein Verfahren, mit dem diese körperlichen Vorgänge sichtbar oder
hörbar gemacht werden.
Herzschlag, Blutdruck, Hirnströme und Muskelspannung können mit geeigneten
Messvorrichtungen (z.B. EKG, EEG, EMG) gemessen werden. Die gemessenen Werte
werden beim Biofeedback in Töne oder optische Signale "übersetzt". Dadurch erhalten Sie
eine unmittelbare Rückmeldung (=Feedback) über die jeweiligen Körpervorgänge.
In der Regel wird die Spannung der Nacken- und der Lendenwirbelsäulenmuskulatur
erfasst und in einen Strich unterschiedlicher Höhe auf einer Skala am Computermonitor
übersetzt. Für Patienten mit Kopf- bzw. Gesichtsschmerzen ist Biofeedback eine sehr
direkte Möglichkeit, muskuläre Verspannungen in diesem Körperbereich wahrzunehmen
und zu verringern.
21
Aber auch für Patienten mit anderen Schmerzproblemen ist Biofeedback eine sehr
sinnvolle Methode. Denn die Spannung der Kopfmuskulatur schwankt deutlich in Abhängigkeit vom Spannungszustand des gesamten Körpers. D.h. wenn Muskelgruppen des Körpers angespannt oder verspannt sind, führt dies ebenfalls zu erhöhter Muskelspannung im
Kopfbereich. Bei erhöhter Spannung steigt die Ausschlaghöhe an - verringert sich die
Spannung, wird die Ausschlaghöhe geringer. Die Höhe der Kurve gibt Ihnen also Auskunft
über den Spannungszustand Ihrer Muskulatur. Eine bestimmte Grundspannung ist normal
und notwendig. Der Übergang zur Verspannung ist fließend und findet meist unbemerkt
statt. Wir können es aber lernen, die Signale unseres Körpers wahrzunehmen. Wenn wir
Veränderungen des Körpers "sehen" können, können wir lernen, sie zu beeinflussen.
Probieren Sie die verschiedenen Möglichkeiten zur Beeinflussung der Muskelspannung
einmal aus: Stellen Sie sich angenehme aber ruhig auch unangenehme Situationen vor
und achten Sie darauf, wie sich die Spannungskurve verändert. Ziel ist es, Ihre persönliche
Methode der Entspannung zu finden und Ihre Entspannungsfähigkeit zu verbessern.
Sie können Biofeedback sehr gut mit Autogenem Training kombinieren. Dadurch
verstärken Sie den Entspannungseffekt. Zudem können Sie für sich selbst überprüfen, daß
die konzentrierte Anwendung von Entspannungsverfahren messbare körperliche Veränderungen bewirkt.
Auch beim Biofeedback sollten Sie selbst herausfinden, ob Sie mit geöffneten oder geschlossenen Augen am besten entspannen können.
Ziel dieser Methode ist es, die Wahrnehmung und Veränderung von Anspannung zu
erlernen. Das Gerät selbst kann Ihnen dabei lediglich Hilfestellung geben und Sie über
Erfolge bei diesem Lernvorgang informieren. Entscheidend ist jedoch letztlich, daß Sie
lernen, diese Fähigkeit zur Wahrnehmung und Selbstkontrolle ihres Körpers unabhängig
von einem technischen Hilfsmittel anzuwenden.
3. SCHWIERIGKEITEN UND "ABERS"
Dafür habe ich doch überhaupt keine Zeit !
In den meisten Verfahren kommt das Wort "Training" vor, der neudeutsche Begriff für
"Übung". Natürlich erfordert das Erlernen des Autogenen Trainings oder des
Muskelentspannungstrainings zunächst einen gewissen Zeitaufwand, bis Erfolge spürbar
werden. Niemand würde von sich erwarten, ein schwieriges Klavierstück vom Notenblatt
abzuspielen, ohne jemals zuvor am Klavier gesessen zu haben. Die Anwendung selbst
sollte dem eigenen Tagesablauf angepasst sein. In aller Regel ist es kein Problem, sich die
notwendigen 5 bis 10 Minuten Zeit zu nehmen.
Das ist doch eingebildet, das wirkt nur, wenn jemand daran glaubt !
Die körperlichen und seelischen Veränderungen bei Entspannungsverfahren haben nichts
mit "Einbildung" zu tun. Nachgewiesen sind direkte Auswirkungen auf Herzschlag,
Atmung, Blutdruck, Gehirn und Muskulatur während der Entspannung selbst. Nachgewiesen sind auch die günstigen Auswirkungen auf das Schmerzerleben und die Schmerzempfindung: Unabhängig von der Ursache der Beschwerden, ob es sich um die Folgen einer
körperlichen Schädigung (z.B. Rheuma, Schmerzen nach Operationen) handelt oder um
Muskelverspannungen ohne zugrundeliegende Schädigung des Körpers (etwa beim
Spannungskopfschmerz und vielen Arten von Kreuzschmerzen), beeinflussen Entspan22
nungsverfahren die empfundene Schmerzintensität. Der "Glaube" ist lediglich notwendig,
um überhaupt damit zu beginnen.
Aber das ändert doch nichts an der Ursache meiner Schmerzen !
Eine sorgfältige Diagnose möglicher Schmerzursachen muß selbstverständlich der
Anwendung von Entspannungsverfahren vorausgehen. Für die Mehrzahl der chronischen
Schmerzen läßt sich jedoch keine eindeutige Ursache finden, die mit medizinischen Mitteln
zu beheben ist. Bei fast allen Kopfschmerzen und den meisten Kreuzschmerzen kann zwar
eine Diagnose gestellt, jedoch keine ursächliche Therapie angeboten werden. Bekannt ist
jedoch für diese Schmerzen, dass sie hervorragend durch Entspannungsverfahren beeinflusst werden können.
Aber ich entspanne mich lieber auf andere Art !
Wir haben jeder bevorzugte Methoden, um zur Ruhe zu kommen: Hinlegen, ein Buch
lesen, Musik hören. Es gibt viele Möglichkeiten, die uns unterschiedlich gut gelingen. Oft
schaffen wir es jedoch nicht, uns die Zeit oder Ruhe zu nehmen. Je nach vorangegangener
Anspannung kann es gelegentlich passieren, daß wir überhaupt nicht abschalten können.
Entspannungsverfahren sind der methodischere Weg, mit ihrer Hilfe können wir lernen,
gerade in Situationen, in denen es uns schwerfällt, die notwendige Entlastung trotz
schwieriger Umstände zu erreichen.
Aber ich bin doch entspannt und ruhig !
Viele Anspannungen bemerken wir nicht sofort, es gibt einige "Gewohnheiten", die uns
erst auffallen, wenn wir genauer auf uns achten oder darauf hingewiesen werden. So
ziehen wir oft unmerklich die Schultern hoch, wenn wir sitzen, drücken die Zunge an den
Gaumen oder spannen die Muskulatur des Kiefers an.
Wenn Sie Auto fahren, achten Sie bei der nächsten roten Ampel einmal darauf, wo Sie
Ihren linken Fuß hinstellen: Oft tippt er ungeduldig an das Kupplungspedal, obwohl wir bei
Gelb noch genügend Zeit hätten, den Gang einzulegen.
Nimmt man alle diese (für jeden Menschen unterschiedliche) Anspannungen über den Tag
verteilt zusammen, kann man sich leicht vorstellen, welchen unnötigen Belastungen unser
Körper ausgesetzt ist. Wer zusätzlich an seinem Arbeitsplatz ungünstige Bedingungen hat zu langes Sitzen oder Stehen, einseitige Belastungen bestimmter Muskelgruppen - kann
leicht Schmerzen entwickeln: Schulter-Nacken, Kreuz und Kopf sind die typischen Gebiete.
Um das zu verhindern, ist es besonders wichtig ein gutes Körpergefühl zu entwickeln und
unnötige Belastungen der Muskulatur bereits frühzeitig wahrzunehmen und zu verringern.
Aber ich kann überhaupt nicht abschalten, ich bin immer so kribbelig, das ist nichts für
mich !
Fast immer treten in der Lernphase typische "Störungen" auf: Die Gedanken schweifen ab,
Außengeräusche werden überdeutlich wahrgenommen, die Konzentration auf die
Entspannung will nicht gelingen. Dabei handelt es sich um einen völlig normalen Vorgang,
wie er beispielsweise in der Einschlafphase bei vielen Menschen auftritt, bei beginnender
Entspannung also. Oft wird in diesem Stadium versucht, Schlaf bzw. Entspannung zu
erzwingen, die lästigen Gedanken "wegzudrängen", Geräusche "einfach nicht mehr zu hören". Die zwangsläufige Folge bei diesem Beispiel: Einschlafstörungen. Kaum jemandem
23
gelingt es, auf Anhieb zu entspannen und "völlig abzuschalten", und nicht umsonst ist
"Übung" in den Worten Jacobson-Training, Autogenes Training enthalten.
Es ist völlig normal, wenn immer wieder Schwankungen in der Konzentrationsfähigkeit auftreten, keine gleichbleibend intensive Aufmerksamkeit auf die Entspannungsübung möglich ist und Ihnen auch andere Gedanken durch den Kopf gehen. Es ist ja gerade ein
wichtiges Ziel zu lernen, daß unsere Aufmerksamkeit lenkbar ist, daß wir unseren
Gedanken eine andere Richtung geben können: Die Beschäftigung mit unangenehmen Inhalten ist natürlich sehr oft notwendig, in vielen Fällen jedoch eher quälend und trägt
wenig zu Lösungen bei. Gerade in Momenten, in denen wir "grübeln", uns immer wiederkehrenden oder einer Vielzahl von "verwirrenden" Gedanken und Empfindungen ausgeliefert fühlen, ist es wichtig, zur Ruhe zu kommen und entspannt die verschiedenen
Lösungsmöglichkeiten zu überprüfen. Es gelingt fast nie, dieses Abschalten zu erzwingen,
je mehr wir uns bemühen, Unangenehmes loszuwerden, desto stärker konzentrieren wir
uns letztlich darauf.
Die Lösung kann nur darin bestehen, sich mit anderen Dingen zu beschäftigen, die
Konzentration umzulenken. So wenden Menschen mit Schlafstörungen das "Schäfchenzählen" an - mit mehr oder weniger Erfolg. Entspannungsverfahren mit ihrem regelmäßigen und nach einiger Übung vertrauten Ablauf sind eine sehr geeignete Möglichkeit, unsere Aufmerksamkeit gezielt zu lenken.
Aber meine Schmerzen sind so stark, das kann ich nicht lernen !
Für die Lernphase ist es wichtig, günstige Bedingungen zu schaffen. Das heißt, realistische
Ziele zu setzen, in kleinen Schritten vorzugehen und für Erfolgserlebnisse zu sorgen. Sie
können nicht erwarten, eine "schnelle Lösung" für Ihr Schmerzproblem zu erhalten, mit
der Sie den Schmerz für immer "abschalten" können. Insgeheim ist diese Erwartung oft im
Hinterkopf und nach einigen misslungenen Versuchen, "gegen den Schmerz anzugehen",
lassen dann Interesse und Neugier schnell nach.
In der ersten Zeit sollten Sie mit gezielten Übungen zur Schmerzbeeinflussung zurückhaltend umgehen. Sie könnten sonst zu schnell entmutigt werden und mit dem
Argument "es wirkt ja doch nicht" die Übungen weniger regelmäßig oder nicht mehr
durchführen.
Viele Patienten berichten von deutlichen Schwankungen in der Schmerzstärke. Sie sollten
zunächst vorwiegend dann üben, wenn die Beschwerden schwächer oder gar nicht
vorhanden sind, bevor Sie sich einer direkten Schmerzbeeinflussung zuwenden.
Bei einigen Schmerzformen, z.B. Migräne, wirken Entspannungsverfahren vorbeugend: Die
Auslösung oder Verstärkung mancher Schmerzen durch Stress, Anspannung und seelische
Belastungen kennen Sie vielleicht aus eigener Erfahrung. Umso wichtiger ist es, bereits
frühzeitig die Warnsignale des Körpers zu beachten und ein Aufschaukeln bis hin zum
Schmerzanfall zu verhindern. Das wird Ihnen umso besser gelingen, je genauer Sie sich
und Ihre Reaktionen kennen und je mehr Sie erleben, daß Sie Einfluß nehmen können.
Was kann ich falsch machen ?
Zwei typische und immer wiederkehrende Fehler hängen mit den Erwartungen an die
Wirkung von Entspannungsverfahren zusammen: Einige Patienten nehmen sich zuviel vor,
erwarten "die" Lösung ihres Schmerzproblems. Sie gehen mit großen Hoffnungen in die
Lernphase und sind enttäuscht, wenn sich bei den ersten Versuchen nur geringe Wirkungen zeigen. Diese Patienten werfen sehr schnell "die Flinte ins Korn" und übersehen
24
leicht die beginnenden Veränderungen, z.B. tieferen Schlaf und bessere Entspannungsfähigkeit.
Eine weitere Gruppe beginnt mit sehr viel Skepsis, weiß im Grunde von Anfang an, "das
bringt mir nichts", und wird diese Erwartung selbstverständlich bei den ersten
Schwierigkeiten bestätigt finden. Diese Patienten haben das erlebt, was man eine "sich
selbst erfüllende Prophezeihung" nennt.
Zu hohe und zu geringe Erwartungen sind gleichermaßen ungünstig, sinnvoll ist nach aller
Erfahrung Aufgeschlossenheit und eine Portion Neugier.
Eine mögliche "Fehlerquelle" ist, wie oft im Leben, die Übertreibung. Damit ist nicht
gemeint, daß sie die Entspannungsverfahren zu häufig anwenden könnten. Einige
Patienten spannen die Muskulatur in der Anspannungsphase zu stark an. Ziel der
Anspannung ist aber nicht die Überschreitung von "Schmerzgrenzen" oder - ähnlich wie
beim Body-Building - die Stärkung der Muskulatur. Es geht auschließlich um die Vorbereitung der anschließenden Entspannung.
Wie kann ich die progressive Muskelentspannung am besten in meinen Alltag einbinden?
Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, auch im normalen beruflichen und familiären Alltag
Entspannungsverfahren anzuwenden und regelmäßig zu üben. Dabei ist es nicht unbedingt notwendig, daß die Übungen jeweils vollständig und in der üblichen Reihenfolge
durchgeführt werden. Einzelne Teile können herausgenommen und gezielt geübt werden.
In vielen Fällen ist es sinnvoll, besonders die betroffenen Körperpartien zu betonen. Bei
Schmerzen im Gebiet Schulter-Nacken oder etwa bei manchen Formen von GesichtsSchmerzen können bevorzugt die Elemente des Jacobson-Trainings angewendet werden,
die die entsprechenden Muskelgruppen direkt ansprechen.
Aber: verstärken sich die Beschwerden sofort durch die Anspannung, sollte dies als
Hinweis verstanden werden, weniger intensiv anzuspannen. In sehr wenigen Fällen führt
jede Anspannung der betroffenen Muskulatur zur Schmerzverstärkung. Falls dies zutrifft,
sollte die Anspannung auf die benachbarten Muskelgruppen begrenzt werden und das eigentliche Schmerzgebiet zunächst ausgespart bleiben.
25
Klangtherapie
In Indien und Nepal werden seit ca. 5000 Jahren
Klänge verwendet, um Menschen von Krankheiten
zu heilen. Es handelt sich um eine Erfahrungsmedizin ähnlich der Akupunktur. In
unserer westlichen Kultur ging dieses uralte Wissen vorerst verloren. In der jüngsten
Zeit werden auch bei uns Klangschalen wieder verwendet um die Belastung durch
den alltäglichen Stress zu kompensieren. Klangschalen und meditative Klangreisen
helfen zu entspannen und neue Kraft zu tanken.
Klänge wirken auf zweierlei Arten in unserem Körper: das Gehör nimmt sie als
akustischen Reiz auf und der Körper spürt die Schwingungen. Beim Füllen einer
Klangschale mit Wasser können wir beobachten wie das Wasser in Schwingung
gerät. Auch unser Körper besteht zu einem Grossteil aus Wasser und reagiert
entsprechend auf übertragene Schallwellen. Die rhythmischen Schwingungen
erzeugen feine Vibrationen, die als innere Massage beschrieben werden kann. Mit
dieser Methode werden Körperschichten und -Zellen erreicht, welche mit manueller
Massage nie erreicht werden könnten.
Klangschalen zählen als Naturinstrumente ähnlich wie verschiedene chinesische
Gongs oder das australische Didgeridoo. Sie enthalten sehr viele Obertöne, welche
wir bei anderen Instrumenten nicht bewusst wahrnehmen. Bei Naturton
Instrumenten jedoch sind sie hörbar und entsprechend wird der Klang in seiner
Ursprünglichkeit und sehr tief empfunden. Lang anhaltende obertonreiche Klänge
haben eine positive Wirkung auf das seelische Gleichgewicht, weil Hirnregionen
angesprochen werden, die z.B. Worte nicht erreichen können.
Bei der Behandlung werden Klangschalen auf den bekleideten Körper gestellt. Es
werden Schalen mit unterschiedlichen Frequenzen verwendet und der Patient soll
beobachten, welche Schwingungen für ihn angenehm sind. Der Körper dient
während der Behandlung als Resonanzraum. Hier kommt das Wasser der Zellen und
des Körpergewebes in entspannend rhythmische Schwingungen. Welche weitere
Wirkungen diese Therapie entfaltet wird momentan wissenschaftlich noch erforscht.
Vorstellbar ist unter Anderem eine Veränderung des Zellstoffwechsels mit
verbessertem Abtransport von Giftstoffen.
26
Kunsttherapie
In der Kunsttherapie wird mit bildnerischen Medien wie Farbe,
Linie, Ton, Stein oder Fotografie gearbeitet, über die der
Patient sich ausdrückt. Dabei geht es um seine inneren Bilder,
seinen Blick auf die Welt, die Entwicklung neuer Fähigkeiten
und Handlungsspielräume und die Entdeckung von
Lösungsmöglichkeiten und Ressourcen. Neben
tiefenpsychologischen Konzepten, die sich mit den Ursachen
psychischer Störungen beschäftigen, spielen in anderen
kunsttherapeutischen Ansätzen lösungsorientierte Konzepte
eine Rolle, die nicht nach den Ursachen der Krankheit,
sondern nach den Ursachen der Gesundheit fragen.
In der tiefenpsychologischen Kunsttherapie spielen innere Bilder eine Rolle, die in
den Gestaltungen ihren Ausdruck finden. Innere Bilder, die mit Krisensituationen
oder traumatischen Erlebnissen verbunden sind, können psychische Störungen
auslösen und Schmerzverarbeitungsmechanismen stören. Solche Bilder können in
künstlerischen Gestaltungen eine unmittelbare sinnliche Präsenz gewinnen, über die
der Patient in einen gestalterischen Dialog mit ihnen treten kann. Dem gemalten
oder gezeichneten Bild steht er gegenüber, er kann es verwandeln, so dass an die
Stelle des belastenden (inneren) Bildes ein neues Bild treten kann: „In der Therapie
geht es um das Gewahrwerden innerer Prozesse, um mehr Bewußtheit. Das
bedeutet, um ein intensiveres Hineinlauschen oder Hineinschauen in die
intrapsychische Welt mit all den Gefühlen, die sie auslöst, und dann wieder um ein
Zurücktreten, das es möglich macht, die Muster und Regeln zu erkennen, die das
innere und äußere Handeln beeinflussen und sie ihrer Zwänge zu entheben…“
(Elisabeth Wellendorf).
Das, was sich durch Bildgestaltungen in der Kunsttherapie äußert, ist aber nicht
immer ein Ausdruck innerer Bilder, die dem Unbewussten angehören. Sie können
diese auch verdecken, auf kulturelle Konventionen, ästhetische Vorbilder, Konzepte
oder Schemata zurückgehen.
Lösungsorientierte Formen der Kunsttherapie blicken mehr auf die Fähigkeiten, die
sich durch künstlerisches Gestalten entwickeln können. So bietet das bildnerische
Gestalten auch die Möglichkeit durch Bilder Geschichten zu erzählen, Stimmungen im
Bild Gestalt zu verleihen, den Blick für ästhetische Phänomene zu schulen oder die
sinnliche Wirkung von ästhetischen Gestaltungen zu erleben. Die Kunsttherapie kann
damit der Entwicklungsförderung, der Selbstverwirklichung, der Förderung sozialer
und kreativer Fähigkeiten und der Schulung und Ausbildung der sinnlichen
Wahrnehmung („sensorische Integration“) dienen.
27
Physiotherapeutische Methoden:
Die Physiotherapie bietet neben mobilisierenden Techniken wie z. B. Mc Kenzie,
Traktion, Brügger, Manuelle Therapie, Schlingentisch, Lymphdrainage, Dehnungen
und Massagen auch stabilisierende und kräftigende Techniken. Zu den letzteren
gehören PNF (propriozeptive neuromuskuläre Fazilitation), Isometrik, Brunkow und
krankengymnastische Übungen ohne Gerät nach z.B. Kleinvogelbach oder nach FBL
(funktionelle Bewegungslehre).
Im Folgenden finden Sie Erläuterungen zu den verschiedenen Methoden:
Mc Kenzie: definiert verschiedene Syndrome, die Schmerzzustände oder
Bewegungseinschränkungen des Haltungs- und Bewegungsapparates zugrunde liegen können.
Auswirkung: *
*
*
*
Rückgang der Ausstrahlungen ins Bein
Dem Nerv wird mehr Platz geschaffen (Interspinalraum wird geöffnet)
Bandscheibe wird in die ursprüngliche Position Remobilisiert
Restriktive Vernarbungen nach der OP werden gelöst
Ziele:
* Schmerzlinderung
* Wiederherstellung der Funktion
* Anleitung zur Selbstständigkeit durch gezieltes Übungsprogramm
sowie Prophylaxe
Traktion:
Die Gelenkflächen werden unter Zug voneinander entfernt und die
Kapsel wird dabei gestrafft.
Auswirkungen:
Ziele:
*
*
*
*
*
*
*
*
Schmerzreduktion
Mobilisation
Resorptionsförderung z. B. von Gelenksergüssen
Zentralisation der Gelenkkörper bzw. der Gelenkflächen
manuelle Therapie:
Auswirkungen:
der enge Raum wird erweitert
Nerven haben mehr Bewegungsspiel
der Druck auf den Nerv wird weniger
Kapseln und Bänder werden gestreckt
wird bei allen reversiblen
Bewegungsapparat angewendet.
Hypomobilitäten
am
* Konvexe und konkave Gelenkpartner werden zueinander in
einer, für jedes Gelenk definierte, Ebene bewegt. Ein
Gelenkpartner wird fixiert und der andere in die reversible
Hypomobilität mobilisiert.
* die Extension der Wirbelsäule (besonders LWS) wird
verbessert, um die Bandscheiben Richtung Bauch zu verlagern
und somit der Druck auf die Nerven längerfristig verringert wird
28
Ziele: * Schmerzbehandlung
* Hyper-, und Hypomobilitäten wieder „normalisieren“
* Weichteilaffektionen regulieren
Isometrik:
Muskelspannungstechnik zur Stabilisierung des Rumpfes und der
LWS sowie zur Lockerung und Kräftigung der Rückenstrecker in
Höhe der LWS.
Auswirkungen:
* bilden eines Muskelkorsetts zur Stabilisierung der Segmente
* Erlernen der Körperwahrnehmung
* Erlernen der Bewegungen im Alltag (mit dieser Spannung)
Ziele: *
*
*
*
Stabilisierung der LWS (insbesondere der betroffenen Segmente)
Kräftigung der Rückenmuskulatur als Prävention
Einhaltung der aufrechten Haltung
Lockerung der hypertonen Rückenmuskulatur bedingt durch Fehlhaltung
Aktivitäten des täglichen Lebens.
ADL:
Auswirkungen:
* den Schmerz im Alltag ertragen und beeinflussen lernen
* Prophylaktisch erneute Problembildung vermeiden lernen
Ziele: * Erlernen eines körpergerechten Verhaltens im alltäglichen Leben
* Rückengerechtes Hebe-, und Bücktraining
* Press-, und Druckatmung z.B. beim Toilettegehen vermeiden
Rückenschule:
wird bei schwereren Arbeiten, seelischen Belastungen und
ungünstigen Haltungsgewohnheiten angewendet.
Auswirkungen:
* Körperwahrnehmung wird intensiviert
* durch fachliche Infos Einsicht beim Patienten erzeugen
Ziele: * selbständiges Entscheiden, was für die Gesundheit wichtig und was
krankmachend ist, erlernen
Brunkow:
wird bei orthopädischen,
Erkrankungen angewendet
Auswirkungen:
Ziele: *
*
*
*
chirurgischen
sowie
neurologischen
* alle Muskeln werden in einer bestimmten Gelenkstellung
maximal angespannt und maximal entspannt
* starke Kräftigung sowie Entspannung wird verursacht
Kokontraktion zwischen den Muskeln fördern
Stabilisation der Gelenke
Tonusregulation
Körperwahrnehmung vertiefen
29
Atemtherapie:
durch „hineinatmen“ in den Schmerz wird eine tiefe Entspannung
sowie Schmerzreduktion erreicht.
Ziele: * Tonusregulation der Muskulatur, des Gewebes und der Haut
* Verbessern der Entspannungs-, und Körperwahrnehmungsfähigkeit
Brügger:
als erweiterte Technik zur Rückenschule
Auswirkungen:
* alle Körperstrukturen werden optimal belastet
* Bewegungen in den Alltag übertragen lernen
Ziele: * als Prävention für erneute Wirbelsäulenschäden
Manuelle Lymphdrainage: bei primären und sekundären Lymphödemen sowie
Schwellungen verschiedener Ursachen und auch bei
neurovegetativen Syndromen (Mb. Sudek).
Ziele: *
*
*
*
*
Verbesserung des Lymphabtransports
Schmerzfreiheit
Entstauung
Eigenmotorik der Muskulatur verbessern
Neubildung von Lymphgefäßen fördern
Schlingentisch:
Auswirkungen:
Ziele: *
*
*
*
*
*
*
*
*
*
*
alle Erkrankungen aus dem orthopädischen, chirurgischen
und neurologischen Bereichen.
* Extremitäten oder der gesamte Körper werden in Schlingen
(durch Einpunkt-, oder Mehrpunktaufhängungen) aufgehängt
und der Patient kann alles „locker“ lassen
Kräftigung der Muskulatur
Trainingstherapie
Traktion
Extension der WS
Muskeldehnung
Stabilisation
Koordinationstraining
Mobilisation
Lagerung
Fixation
Bewegungserleichterung
PNF: bei peripheren Nervenläsionen, ZNS Erkrankungen, nach Frakturen und
Wirbelsäulen Ops.
Auswirkungen:
* durch eine 3D gesetzten Widerstand werden alle Beuger bzw.
alle Strecker aktiviert
30
* es wird ein sog. Overflow erzeugt, der z. B. aufs Becken wirkt
wenn der Schultergürtel bearbeitet wird
Ziele: *
*
*
*
*
Koordinierung physiologischer Bewegungsabläufe
Pathologische Bewegungsmuster werden gehemmt
Muskeltonus wird normalisiert
Muskelkräftigung
Muskeldehnung
Massagetherapie:
Ziele: *
*
*
*
*
*
*
*
durch verschiedene Grifftechniken wird der Muskeltonus
normalisiert
Tonusregulation
Durchblutungsförderung
Entstauung
Hartspann lösen
Lösen von Narben-, und Gewebsverklebungen
Trophikverbesserung
Schmerzlinderung
Über Reflexbögen auf innere Organe Einfluss nehmen
Wärmetherapie: durch Rotlicht bzw. heiße Rolle
Ziele: *
*
*
*
*
*
*
*
Mehrdurchblutung
Immunsystemstärkung
Muskeltonusregulation
Schmerzlinderung
Spasmolyse
Entspannung
Aktivierung der Lymphe
Reflektorische Wirkung
Hydrotherapie:
Ziele: *
*
*
*
*
*
*
*
Eisanwendungen
Wärmehaushaltsregulierung
Schmerzlinderung
Nervenfunktion steigern
Stoffwechselanregung
Atmungsvertiefung
Hautfunktion verbessern
Immunsystem kräftigen
Kreislaufanregung
31
Ergotherapeutische Therapie:
•ADL (actvities of daily living)
–Training von Alltagsaktivitäten im Hinblick auf persönliche, häusliche und berufliche
Selbstständigkeit
•Übungen zur Beweglichkeit, Muskelkraft, Ausdauer, Belastbarkeit und Sensibilität
•Herstellung, Einweisung und Training im Umgang mit speziellen Hilfsmitteln
(Handschienen,Prothesen)
•Beratung und Training zum Gelenkschutz
•Beratung bez. geeigneter Hilfsmittel und Änderungen im häuslichen/ beruflichen
Umfeld (ggf. Herstellung und Anpasssung von Hilfsmitteln)
32
Wie wirkt TENS?
Es erfolgt eine Beeinflussung des Nervensystems durch
Niederspannungsimpulse (9V). Um den Bereich des schmerzhaften Areals
werden mittels auf die Haut geklebten Elektroden elektrische Rechteckimpulse
an das Rückenmark gesendet.
Zur schmerzlindernden Wirkung existieren 2 Theorien:
Die GATE CONTROL Theorie (Melzack and Walls 1964) besagt, dass durch
neutrale Impulse über die schnellleitenden dicken Nervenfasern (A Fasern),
Schmerzimpulse, welche über langsam leitende dünne Nervenfasern (C
Fasern) am Rückenmark ankommen, vermindert bzw. nur noch teilweise
weitergeleitet werden. (Gate Control = Tor Kontrolle)
Die ENDOMORPHIN Theorie besagt, dass während der elektrischen
Reizbehandlung körpereigene schmerzlindernde Opioid- Botenstoffe
(Endorphine) im Körper ausgeschüttet werden.
Wann und wie oft kann ich TENS einsetzen?
Experimentieren Sie hier mit Ihrem TENS Gerät!
Versuchen Sie unterschiedliche Elektrodenplazierungen und unterschiedliche
Programme!
Wenden Sie das Gerät mehrfach täglich an!
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Gibt es Risiken?
Bei zu starker Stromeinstellung kann unangenehmes Brennen bis hin zu
Hautschäden auftreten. – Deshalb bitte nur im angenehmen Bereich bleiben „Viel hilft nicht viel“.
Ähnliches gilt, wenn die Klebekraft der Pflaster erschöpft ist und keine
komplette Anhaftung mehr stattfindet. – Hier bitte von den Pflegekräften neue
Klebeelektroden aushändigen lassen.
Bitte keine Elektrodenanlage im Schlagaderbereich!
Kontraindikationen:
Keine TENS Anwendung, wenn Sie einen Herzschrittmacher tragen, oder wenn
Sie schwanger sind!
Anwendungstipps:
Achten Sie darauf, dass die Haut an der Elektrodenklebestelle creme-/ fettfrei
ist und achten Sie aus einen Mindestabstand der Elektroden von 5 cm bzw. 1
Elektrodengröße.
Sollten Sie an bestimmte Körperpartien die Elektroden alleine nicht aufkleben
können (z.B.: unterer oder mittlerer Rücken), wenden Sie sich bitte an das
Pflegepersonal der Station.
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Behandlung mit Akupunktur, Akupressur:
In der asiatischen Naturphilosophie gibt es keine Trennung von Körper - Psyche Geist.
Gesundheit bedeutet die Harmonie von Körper - Psyche - Geist.
Es gibt verschiedene Therapieformen, die Balance wieder herzustellen.
Bereits vor mehreren tausend Jahren haben chinesische Philosophen das Wu Xing das System der 5 Elemente - geschaffen, um zu erklären, wie die Kräfte der
Naturenergien im und auf den Menschen wirken. Diese 5 Elemente sind: das Holz,
das Feuer, die Erde, das Metall und das Wasser.
Die Elemente bringen sich gegenseitig hervor und kontrollieren sich.
Diese Kreisläufe und Zusammenhänge werden für die Diagnose und Therapie von
Störungen und Erkrankungen verwendet.
Die Akupunktur ist ein Teil der traditionellen chinesischen Medizin. Erstmalig
angewandt wurde dieses Verfahren mit Stein- und Bambusnadeln schon vor 4000 bis
6000 Jahren. Die erste bekannte schriftliche Erwähnung der Akupunktur findet sich in
den Aufzeichnungen der Historiker von Sima Quian im 2. Jahrhundert vor unserer
Zeitrechnung.
35
Die Akupunkturtherapie zielt auf die Beeinflussung des energetischen Potentials des
Menschen. Dieser Energiefluß im Inneren des Körpers ist durch bestimmte
Höhlungen, Vertiefungen, Eingänge von der Haut her zugänglich.
Bei der Moxibustion wird das Kraut des chinesischen Beifuß zur Wärmebehandlung
an diesen Punkten verwendet.
Auch die Akupressur wirkt direkt auf die Lebensenergie im Körper. In China wird sie
Qi genannt. Diese Kraft, die wir „Vitalität“ nennen, benötigen wir, um leben zu
können. Diese Energie fließt in unserem Körper durch Leitbahnen, die mit den
Strömen, Flüssen, Seen und Meeren der Natur verglichen werden. Sie werden
Meridiane genannt und durchziehen uns vom Kopf bis zu den Füßen. Auf diesen
Meridianen befinden sich Punkte besonderer Einflußnahme.
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Shiatsu Therapie
„Sein ist die beste Art zu handeln“
Laotse
Was ist Shiatsu ?
Shiatsu wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus der chinesischen Massage Tuina
und der japanischen Massage Anma entwickelt. Die manuelle Behandlung basiert auf
den selben Prinzipien wie die Traditionelle chinesische Medizin und zielt darauf ab,
durch Massage, aber auch durch Elemente der Osteopathie und Physiotherapie, den
Energiefluss in den Meridianen wieder herzustellen.
Äußere Form
Während einer Shiatsubehandlung (ca.60 Min.) werden die druckempfindlichen, im
Verlauf der Meridiane lokalisierten Akupunkturpunkte, die sog. Tsubos, durch
gezielten manuellen Druck ( jap. shi = Finger; atsu = Druck ) angeregt und somit
geschwächte oder gestaute Energieströme aktiviert und Blockaden gelöst. Die Form
schließt auch Rotationen und Dehnungen der Gliedmaßen, Gelenke und
Meridianverläufe ein. Zudem werden die mit dem Meridian in Verbindung stehenden
inneren Organe positiv beeinflusst. Ziel ist es, die in den Meridianen zirkulierende
Lebensenergie zu harmonisieren sowie die Selbstheilungskräfte anzuregen. Shiatsu
wird gewöhnlich auf einer weichen Matte auf dem Boden gegeben.
Ein wesentlicher Behandlungsgrundsatz des Shiatsu besteht darin, daß die
Behandlung und somit die Begegnung zwischen Therapeut und Patient aus dem „
Hara „ heraus stattfinden soll, der Körperzone, die eigene Mitte repräsentiert und
unterhalb des Bauchnabels liegt. Zentriert, der eigenen Mitte bewusst – in dieser
Haltung soll der Therapeut den Patienten behandeln.
Was Sie vor Ihrer Behandlung noch wissen sollten:
Shiatsu ist eine Behandlungsweise bei der ihr Körper bekleidet ist.
Um die Beweglichkeit nicht einzuschränken tragen Sie bitte bequeme
Baumwollsachen mit weiten Ärmeln ( T-Shirt, Leggins o.ä. ) und Socken. Aus
hygienischen Gründen bitte keine Straßenkleidung.
Essen Sie vor und direkt nach der Behandlung keine großen Mahlzeiten, die Ihr
Energiesystem zu sehr belasten würden.
Trinken Sie nach der Behandlung etwas kaltes oder heißes Wasser, um den
Ausscheidungsprozess zu unterstützen.
Die Berührungen im Shiatsu bewirken meist ein angenehmes
Entspannungsempfinden, ein Gefühl der Leichtigkeit und des „Durchströmtseins“.
Gelegentlich können vor allem zu Beginn einer Serie von Behandlungen,
Heilreaktionen auftreten die unangenehm sind. Z.B. Muskel – und Gelenkschmerzen,
Erkältungssymptome und Müdigkeit. Diese „Erstverschlimmerungen“ klingen nach 12 Tagen von allein ab. Sie treten später, sobald sich Ihr Körper an den neuen
Energiefluss gewöhnt hat meist nicht mehr auf.
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Du musst erst mit Deinen Füßen
fest auf dem Boden stehen,
bevor Du nach den Sternen greifen kannst!
Andreas Ackermann
Wissenswertes zu Ihrer Fußreflexzonenmassage ...
Es handelt sich um eine regulative Therapie, bei der mittels verschiedener
Fingerdrucktechniken an bestimmten Zonen des Fußes, entfernter liegende
Körperareale und Organe durch Nervenreize stimuliert werden können.
Es gilt: Rechter Fuß >> rechte Körperhälfte, linker Fuß >> linke Körperhälfte
Reflexzonentherapien haben eine Jahrtausende alte Geschichte. Sie wurden als
Volksmedizin der östlichen wie auch der westlichen Völker angewandt; bei den
Indianern Nord- und Mittelamerikas bis heute!
Dr. W.H. Fitzgerald (1872 – 1942) trug dieses Wissen Anfang des 20. Jahrhunderts zu
seiner „Zonentherapie“ zusammen. E. Ingham –eine Masseurin- entwickelte daraus die
„Reflexology“ und ihre Schülerin Hanne Marquart überarbeitet und verfeinert dieses
Grundwissen bis heute und machte diese Behandlungsform in Deutschland „populär“.
Während der Behandlung bleiben Sie – bis auf Ihre Füße und Unterschenkel bekleidet. zu Ihrem eigenen Wohlempfinden empfehle ich bequeme, lockere
Baumwollkleidung. Ihre Füße sollten bereits gereinigt sein.
Essen Sie bitte direkt vor und nach der Behandlung keine größeren Mahlzeiten. Der
volle Magen drückt und belastet nur unnötig Ihr Energiesystem.
Achten Sie in der Zeit danach auf eine genügende Flüssigkeitszufuhr (~ 1-2 l
Wasser), um den Ausscheidungsprozess zu unterstützen. Ihr Organismus wird es Ihnen
danken!
Durch die Stimulation an den Reflexzonen erhält Ihr Körper viele Impulse, die sein
Energiesystem verarbeiten muss. Gönnen Sie ihm und sich selbst dafür die
entsprechende Ruhe am Behandlungstag.
Während der Massage erfahren Sie ein angenehmes Gefühl der Entspannung und des
„Durchströmtseins“. Auch leicht schmerzhafte Zonen können sich bemerkbar machen.
Es handelt sich um Körperbereiche und Organe, die in irgendeiner Form blockiert,
gestaut oder unterversorgt sind. Mittels gezielter, sanfter Reize ist es möglich, diese
Blockaden zu lösen und Ihr Körpersystem kann sich neu organisieren.
Ihre Fußreflexzonenmassage dauert mit Anamnese und Behandlung ca. 70 Min.
dazu kommt die Nachruhezeit und eine kurze Nachbesprechung.
Ihre Füße tragen Sie treu und gerne durch Ihr gesamtes Leben, bitte danken Sie es
Ihnen:
• durch regelmäßige, evtl. professionelle Fußpflege (Verhornungen, Schwielen,
Hühneraugen, Fußpilz, etc. versorgen)
• durch barfuß Gehen (Licht und Luft dranlassen!) und Fußübungen >> für gute
Durchblutung und warme Füße
•
zu guter Letzt: bequeme, gute Schuhe tragen; auf natürliche, atmungsaktive
Materialien achten
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Was ist das überhaupt: „Tai Chi“ (bzw. Tai Chi Chuan)?
Tai Chi ist eine mehr als 300 Jahre alte chinesische Kampf- und Heilkunst.
Das Kernstück von Tai Chi ist eine Abfolge von Bewegungen, die langsam,
gleichmäßig und harmonisch nacheinander ausgeführt werden. Eine der
einfachsten und kürzesten dieser Übungen umfasst 24 Bewegungen („Peking-Form“).
Macht man die Bewegungen jeden Tag soll Tai Chi eine lebensverlängernde,
heilende und verjüngende Wirkung haben, weil der Blut- und Energiekreislauf des
Körpers im Fluss bleibt und sich nichts aufstaut.
Was ist alles in den Tai Chi Übungen enthalten?
o
o
o
o
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o
o
o
o
Entspannung (Abschalten vom Alltag)
Konzentration (auf die Bewegungen, Gedanken wandern nicht weg)
Koordination (die rechte Hand macht etwas anderes als die linke)
Dehnungen der Muskeln
Kräftigung der Bein-, Rücken- und Schultermuskulatur
Gleichgewicht (Standfestigkeit)
Gehirnleistung (die Bewegungen und die Abfolge merken)
Beweglichkeit der Gelenke
Rumpfstabilisierung (Hüfte und Oberkörper gehören zusammen: Hüfte dreht
sich, Oberkörper und Arme gehen mit)
Wann soll ich Tai Chi Übungen machen?
1. Wenn Sie das Gefühl haben überlastet zu sein, zu viel Energie im Kopf
angestaut zu haben,
dann helfen Ihnen die betont langsamen und meditativen Bewegungen
wieder
„runterzukommen“ und die Energie im gesamten Körper zu verteilen.
Sie sind danach entspannt und können wieder effektiv denken.
2. Wenn Ihr Körper verspannt und verkrampft ist und Sie sich deshalb nicht
mehr richtig bewegen können,
39
dann helfen die leichten Dehnungen Ihre schmerzenden Muskeln zu
wärmen und sie wieder zu lockern. Sie bleiben somit körperlich fit und
unabhängig.
3. Wenn Sie unsicher stehen und gehen, weil Sie zu wenig Muskulatur in den
Beinen und im Rücken haben,
dann helfen Ihnen die Gleichgewichtsübungen in der leichten Hocke diese
Muskeln aufzubauen und zum sicheren Stand.
4. Wenn Sie glauben vergesslich zu werden,
dann hilft Ihnen das Erlernen und tägliche Ausführen der verschiedenen
Bewegungen dabei geistig fit und damit unabhängig zu bleiben
Wichtige Grundregeln für die Ausführung:
1.
2.
3.
4.
5.
6.
alle Übungen werden langsam und gleichmäßig gemacht
alle Bewegungen sind rund
der Körper ist weder angespannt noch lasch
die Schultern sind entspannt
der Körperschwerpunkt sinkt nach unten
die Füße sind gedanklich im Boden verwurzelt:
Ihr Stand und Ihr Gang sind fest und solide
Vorbereitende Übungen:
bevor Sie mit den Tai Chi Übungen beginnen, sollten Sie sich aufwärmen. Das
bedeutet: alle Gelenke sanft und kontrolliert kreisen lassen. Bewegen Sie die Gelenke
nur so weit es locker und ohne Schmerz geht, überdehnen Sie sich nicht!
Beginnen sie mit Schwingen des Körpers und verfolgen Sie Ihre Gelenke vom Kopf zu
den Füßen. Machen Sie jede Übung, wenn Sie können, mindestens 4 mal.
1. Arme schwingen und auf die Schultern klopfen
o Arme schwingen: hüftbreiter Stand, Hüfte nach links und rechts bewegen, die
Arme schwingen locker mit
o Schultern klopfen einarmig diagonal: schwingen Sie den rechten Arm diagonal
und klopfen Sie sich auf die linke Schulter und umgekehrt
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o Schulter klopfen zweiarmig Oberarm-Schultern: schwingen Sie beide Arme
diagonal, so als würden Sie sich selbst umarmen und klopfen Sie sich auf die
Oberarme-Schultern
o Schultern klopfen zweiarmig über Kopf: schwingen Sie beide Arme gerade
nach vorne bis sie senkrecht nach oben zeigen und lassen sie Ihre Hände auf
die Schultern klatschen
2. Kopf drehen und kreisen
o Links-Rechts: Kopf gerade nach links und rechts drehen
o Oben-Unten: Kinn zum Oberkörper ziehen und wieder gerade richten, dabei
Kopf nach oben ziehen
o Kreisen: Kreisen Sie den Kopf kontrolliert und vorsichtig ohne zu überdehnen
3. Schultern kreisen, Schulterblätter öffnen
o Schildkröte: ziehen Sie die Schultern hoch und den Kopf ein, dann lassen Sie
die Schultern wieder sanft herunter
o Schultern kreisen nach vorne und hinten: lassen Sie die Arme hängen und
konzentrieren Sie sich auf die Schultern: kreisen Sie sie nach vorne, dann
nach hinten
o Schulterblätter öffnen vorne und hinten: Arme nach hinten strecken – die
Handflächen sind oben, dann Arme nach vorne ziehen – die Handrücken
berühren sich
4. Wirbelsäule in alle Richtungen biegen
o Katzenbuckel und Katzenstrecken: Stützen Sie die Hände auf die Oberschenkel
(im Sitzen oder Stehen) und strecken Sie sich durch wie eine Katze, gucken
Sie nach oben, dann machen Sie einen Buckel wie eine Katze, gucken Sie
nach unten
o links – rechts: lassen die rechte Hand am rechten Oberschenkel nach unten
gleiten und ziehen Sie die linke Hand an der Taille vorbei nach oben.
Oberkörper nicht nach vorne oder hinten beugen.
o Wirbelsäule drehen: fassen Sie mit der linken Hand über die rechte Schulter,
legen Sie die rechte Hand auf den Ellbogen und drücken Sie den Ellbogen
nach hinten, dann umgekehrt
5. Hüfte kreisen
o Hände seitlich an die Hüfte legen und Hüfte kreisen lassen. Rechts herum und
links herum
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6. Knie lockern kreisen
o zweibeiniger Stand: Füße parallel nebeneinander, Hände auf die Knie legen,
erst Knie warm reiben dann kreisen.
o einbeiniger Stand Knie lockern: linkes Bein anheben und linkes Knie nach
vorne und hinten pendeln lassen, Bein wechseln
o einbeiniger Stand Knie kreisen: linkes Bein anheben und linkes Knie kreisen,
Bein wechseln
7. Fußgelenke und Zehen kreisen:
o Fußgelenke kreisen: linkes Bein leicht anheben und Fußgelenk kreisen, links
und rechts, Bein wechseln
o Zehen kreisen: linken Fuß nach hinten anheben und leicht die Zehen kreisen,
Fuß wechseln
8. Füße wippen
o eine Gleichgewichtsübung, bitte anfangs festhalten: stellen Sie sich
schulterbreit auf, wippen Sie auf die Zehen hoch und dann auf die Fersen
9. Handgelenke lockern
o verschränken Sie die Finger ineinander und kreisen sie die Handgelenke locker
nach vorne und hinten
10. Beinarbeit
o Weidenmuskeln dehnen und Oberschenkelmuskeln kräftigen
(Gleichgewichtsübung, bitte anfangs festhalten): linkes Bein einen Schritt nach
vorne, Knie beugen und Gewicht auf linkes Bein verlagern, soweit bis es im
rechten Wadenmuskel zieht, Beine wechseln
o Gleichgewicht verlagern und Oberschenkelmuskeln kräftigen: breitbeinig
aufstellen, leicht in die Hocke gehen und das Gleichgewicht vom linken auf
das rechte Bein verlagern
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Und jetzt in Bildern - Vorbereitende Übungen:
Schultern:
sind oft verkrampft oder steif
beim Tai Chi: bleiben Schultern locker und unten, Schultern nicht hochziehen, beim
Heben eines Armes den Oberkörper nicht mit anheben
hoch – runter
Unterschied spüren und merken
Kreisen
Ober- und Unterarm fallen lassen
Linke Hand auf rechte Schulter, rechten Arm
anheben,
dann rechten Unterarm langsam zum Körper ziehen
Hohlkreuz – Hocke – Oberschenkel:
wir gehen häufig unbemerkt ins Hohlkreuz und haben zu wenig Muskeln in den
Oberschenkeln
beim Tai Chi: gehen wir leicht in die Hocke und vermeiden ein Hohlkreuz
festhalten (Türstock, Küchenanrichte) und langsam in
die Hocke gehen, als wollten Sie sich setzen und dann
langsam wieder hoch
Achtung: Hohlkreuz vermeiden
im Spiegel überprüfen
Gegen die Wand lehnen, den gesamten Rücken an der
Wand spüren und langsam in die Hocke gehen
(Lendenwirbel an der Wand spüren) und wieder hoch
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Kräftigungsübungen im Sitzen:
Ein Bein ausgestreckt anheben und absenken
(mehrmals bis Sie Anstrengung spüren, linkes / rechtes
Bein abwechselnd)
Ein Bein ausgestreckt anheben und das Fußgelenk
kreisen (linkes und rechtes Bein abwechseln)
Fußsohlen auf dem Boden, dann beide Fersen hoch,
dann Zehenspitzen hoch
Aufstehen – Hinsetzen:
Kein Hohlkreuz!
Aufstehen:
Hände auf Oberschenkel stützen,
Füße leicht nach hinten ziehen,
Oberkörper nach vorne lehnen,
dann mit den Händen hochstemmen
und mit den Händen auf den Oberschenkeln
entlang zur Leiste hoch wandern
Hinsetzen:
Kniebeugen berühren die Stuhlfläche,
Hände auf die Leisten legen,
mit den Händen langsam die Oberschenkel
zum Knie wandern,
Oberkörper dabei nach vorne beugen und in
die Hocke gehen
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Qi-Gong Übung: „Energie sammeln“
3 Konzentrationspunkte:
„Das dritte Auge“ (zwischen den Augenbrauen)
„Solarplexus“ (Mitte des Brustkorbes)
„Dantiem“ (2 Finger unterhalb des Bauchnabels)
1. Durchgang (3 Mal)
berühren Sie die 3 Punkte und konzentrieren Sie sich darauf, merken Sie sich die
Punkte
2. Durchgang (jeweils 3 Mal)
a. Machen Sie einen großen Kreis nach oben und ziehen Sie die Finger zum
„Dritten Auge“, nicht berühren, nur die Nähe der Finger spüren, konzentrieren
Sie sich auf die Stelle, eventuell wird sie warm
b. Machen Sie einen großen Kreis nach vorne und ziehen Sie die Finger zum
Solarplexus, ebenfalls nicht berühren und konzentrieren Sie sich auf die Stelle
c. Machen Sie einen großen Kreis vor dem Unterbauch und ziehen Sie die Finger
zum Dantiem, wieder nicht berühren und auf die Stelle konzentrieren
3. Durchgang (3 Mal)
heben Sie die Arme in einem Kreis nach oben und lassen Sie die Arme vor sich
langsam sinken, konzentrieren Sie sich dabei auf die 3 Konzentrationspunkte von
oben nach unten. Denken Sie eventuell an einen Wasserfall.
4. Durchgang
machen Sie einen Kreis vor dem Unterbauch und legen Sie ihre Hände aufeinander
auf dem Unterbauch ab. Atmen Sie einige Male mit geschlossenen Augen ruhig und
entspannt in den Unterbauch.
bei Bluthochdruck:
heben Sie die Arme schneller nach oben
bei niedrigem Blutdruck:
heben Sie die Arme langsamer nach oben
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Haltung im Tai Chi
Alle Tai Chi Übungen werden in der Hocke ausgeführt. Warum die Hocke?
Dafür gibt es 3 Gründe:
1. Der Schwerpunkt des Körpers (= der Unterbauch) sinkt
ich stehe somit stabiler
2. Die Wirbelsäule wird gestreckt.
ich stehe somit stabiler
Wie mache ich das?
a. durch Kippen des Beckens wird der untere Rücken gerade (also kein
Hohlkreuz)
b. durch ganz leichtes Heranziehen des Kinns zum Oberkörper werden die
Nackenwirbel gerade (also Kopf nicht in den Nacken legen oder nach unten
beugen)
c. durch das leichte nach vorne nehmen der Schultern werden die Brustwirbel
ausgerichtet (also wie beim Boxen, weniger „Brust raus, Bauch rein“, das
hemmt eher die Atmung)
und: lassen Sie die Schultern unten
3. Die Oberschenkel tragen das Körpergewicht
dadurch wird:
a. der Kreislauf trainiert, weil das in der Hocke stehen anstrengend ist
b. Stürzen vorgebeugt
die Oberschenkelmuskulatur wird aufgebaut, der Kniesehnenreflex damit
erhalten und das Gleichgewicht trainiert
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Qi-Gong Übung:
„Der Adler breitet seine Schwingen aus“
a. Stellen Sie sich schulterbreit auf.
b. Heben Sie Ihre Arme seitlich ausgestreckt bis zu den Schultern
c. Senken Sie Ihre Arme seitlich und gehen Sie dabei in die Hocke (wie oben
beschrieben)
d. Heben Sie Ihre Arme wieder bis zu den Schultern und stehen Sie wieder aus
der Hocke auf
Stellen Sie sich vor Sie sind ein Adler, der seine Schwingen ausbreitet und
abheben möchte. Heben und senken Sie Ihre Arme und Hände also sanft in
Wellenform. Ihre Finger spreizen Sie leicht, wie Adlerfedern.
Die Atmung beim Tai Chi
(und anderen Entspannungsübungen)
Grundsätzlich unterscheidet man 3 Atmungsarten:
•
die Hochatmung (Schultern heben sich),
•
die Sportleratmung (Brustkorbatmung) und
•
die Zwerchfellatmung (Unterbauchatmung)
Die entspannungsfördernste Atmung ist die Zwerchfellatmung. Als Baby konnten wir
sie alle, im Laufe unseres Lebens verlagern wir die Atmung höher, weil wir in
Stresssituationen dazu neigen die Schultern hochzuziehen, als Abwehrmaßnahme.
So entsteht die Hochatmung. Leider führt die Hochatmung dazu, dass wir ins
Hyperventilieren kommen können und die Schultermuskulatur ständig
überanstrengen.
Bei der Brustkorbatmung kommt es häufig zu Verspannungen im Brustkorb.
Die Zwerchfellatmung müssen Sie trainieren, um Sie wieder zu beherrschen.
Beginnen Sie im Liegen, legen Sie die Hände auf Ihren Bauch und atmen Sie alle Luft
aus, dann lassen Sie Ihren Unterbauch nach Luft schnappen. Üben Sie das einige
Male. Atmen Sie danach sanfter und versuchen Sie beim Einatmen Ihre Lungen nach
unten ausdehnen zu lassen, heben Sie weder Ihre Schultern noch den Brustkorb.
47
Cranio-Sacrale Therapie
Die Cranio-Sacrale Therapie ist eine sanfte manuelle Methode zur Behandlung des
CranioSacralen Systems und den damit zusammenhängenden Strukturen.
Die Cranio-Sacrale Therapie ist aus der kraniosakralen Osteopathie entstanden, die
als „Osteopathy in the Cranial Field“ vom US-amerikanischen osteopathischen Arzt
William Garner Sutherland begründet wurde und als kraniosakrale Osteopathie fester
Bestandteil der Osteopathie wurde.
Das CranioSacrale System besteht aus den Membranen und der Flüssigkeit, die das
Gehirn und Rückenmark umgeben und schützen. Es erstreckt sich vom Cranialen
Anteil ( Knochen des Schädels) bis zum Sacralen Anteil ( Knochen des Beckens).
Die Cranio-Sacral-Therapie beruht unter anderem darauf, dass sich die rhythmischen
Pulsationen der Gehirn-Rückenmarksflüssigkeit, der sog. Primäre Atemmechanismus
PAM, auf die äußeren Gewebe und Knochen übertragen und somit ertasten lassen.
Dieses System hat Einfluss auf die Entwicklung und Funktionsfähigkeit des Gehirns
und Rückenmarkes. Eine Restriktion oder Spannungsungleichgewicht innerhalb
dieses Systems kann zu Empfindungs-, Bewegungs-, oder anderen neurologischen
Problemen führen.
Die Behandlung ist systemorientiert, d.h. der Therapeut nimmt über die systemische
Behandlung des CranioSacralen Systems einen indirekten Einfluss auf die
Symptome des Patienten. Es wird somit nicht eine Krankheit, sondern ein System
behandelt. Dadurch werden die natürlichen Heilungsmechanismen des Körpers
stimuliert.
Bei der Craniosacral Therapie - Behandlung liegt der Patient in der Regel bekleidet in
entspannter Rücken- oder Seitenlage auf einer Behandlungsliege. Der Therapeut
arbeitet mit seinen Handflächen oder Fingern mit leichtem Zug oder Druck, um
Gewebespannung zu lösen.
CranioSacrale Therapie kann hilfreich sein bei:
• Chronischen Nacken- und Rückenschmerzen
• Migräne und Kopfschmerzen
• Traumata von Gehirn und Rückenmark
• Spannungs- und stressbedingten Störungen
• Schlafstörungen
• Konzentrationsschwierigkeiten
• Dysfunktionen des zentralen Nervensystems
• Emotionalen Schwierigkeiten
• Orthopädischen Probleme
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Wirbelsäulentherapie
Die Wirbelsäule erfüllt als zentrale Stütze viele wichtige Funktionen in unserem
Körper.
Sie bildet die vertikale Mitte des Körpers, vielen Muskeln dient sie als Ansatzpunkt
und bietet Schutz und Halt für das innenliegende Rückenmark.
Zwischen den Wirbeln treten Nervenstränge aus, die zu den einzelnen Organen
führen. Ein seitlich oder nach innen verschobener Wirbel kann daher zu körperlichen
Problemen und/oder auch zu einer Unterversorgung der Organe führen. Er kann
auch den natürlichen Fluss der Lebensenergie beeinflussen.
Folgende Erkrankungen können beispielsweise von Fehlstellungen der Wirbelsäule
kommen:
- Migräne
- HWS-/BWS-Syndrom (Nacken-/Schulterschmerzen von der
Halswirbelsäule kommend)
- Schulter-Arm-Syndrom
- Beschwerden im Brustwirbelbereich (z.B. taube Fingerspitzen,
eingeschlafene Hände)
- Beschwerden im Lendenwirbelbereich
- Lumbalgie („Kreuzschmerz“)
- Lumbago („Hexenschuss“)
- Ischialgie (Schmerzen im Bereich des Ischiasnerves)
- Skoliose
- Gelenkserkrankungen
In der Stunde für Wirbelsäulentherapie werden Übungen zur Selbsthilfe vorgestellt
und eingeübt.
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Bewegungstraining mit bodyART®
Was ist bodyART®?
bodyART® ist ein funktionelles Ganzkörpertraining, welches von Robert Steinbacher
konzipiert wurde.
Das Konzept
Im Trainingsprinzip steht der Mensch als funktionelle Einheit im Vordergrund. Die
innere Haltung spiegelt die Äußere wider und somit die Energie, welche sich auf das
tägliche Leben überträgt. Es verbindet Elemente aus
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Yoga
Bewegungstherapie/Physiotherapie
DO IN (japanische Physiotherapieart)
bodyART® eigene Positionen
klassischen Atmungstechniken
Krafttraining
Stretch
Flexibilitäts- und Mobilisationsübungen
Meditation
zu einer Synergie aus Training und Entspannung. Das Ziel des Trainings ist
letztendlich das korrekte Funktionieren des gesamten Körpers durch funktionelle
Kräftigung und Stabilisierung des gesamten Bewegungsapparates.
Durch die gezielte Übungsauswahl, in sich abgestimmte Übungen und Positionen,
bricht der Körper angelernte Bewegungsmuster auf und wirkt dem Haltungsbild
positiv entgegen. Jede Übung wird bewusst mit Atmung und Konzentration so
langsam durchgeführt, dass der Körper genügend Raum besitzt Negativbelastungen
oder zu schnellen unbewussten Bewegungen entgegen zu wirken.
Im Unterschied zum klassischen Krafttraining steht nicht der einzelne Muskel,
sondern der menschliche Körper in seiner Ganzheit im Vordergrund. Alle Übungen
und Positionen sind Ganzkörperübungen die viele Muskeln im Körper zur gleichen
Zeit beanspruchen (trainieren). Viele Positionen im bodyART® erfordern eine
erhöhte Balance und Gleichgewichtstechnik. So wird die Aufmerksamkeit in die
Körpermitte geführt.
Das hat den Vorteil, dass sich die trainierende Person bewusst auf den eigenen
Körper konzentriert und sich von der äußeren Umgebung ablenken lässt. Dies
gewährleistet eine korrekte Atmung und erhöht die Sauerstoffversorgung in Gehirn
und Muskeln. Dies wiederum hat zur Folge, dass sich der
Körper während des Trainings durch erhöhtes Bewusstsein und den gezielten
Einsatz von Atmung gleichzeitig entspannt.
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Was also bewirkt das Training?
•
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Verbesserung der Atemtechnik
Aufbau der Tiefenmuskulatur, dadurch Stabilisierung des
gesamten Bewegungsapparates
Erhöhte Konzentrationsfähigkeit
Entspannung
Mobilität und Flexibilität der Gelenke und Muskulatur
Was fühlt der Trainierende?
•
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Verantwortung für den eigenen Körper
Konsequenz in der Durchführung und
Konzentration auf die Körpermitte
Fazit
Es ist ein außergewöhnliches Trainingsprogramm, anspruchsvoll und trotzdem für
jeden erlernbar. Wie sagte doch Martin Luther:
„Anstrengungen machen gesund und stark“
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