Der Kotzbrocken - Jüdische Allgemeine

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Der Kotzbrocken - Jüdische Allgemeine
BUDD SCHULBERGS
Der Kotzbrocken
Endlich auf Deutsch: Budd Schulbergs legendärer Hollywoodroman
„Was treibt Sammy an?“
15.05.2008 - von Ingo Way
von Ingo Way
Unbeliebt gemacht hat Budd Schulberg sich oft. Zunächst in den 30er-Jahren bei Hollywoods
Studiobossen, als er die erste Gewerkschaft der Drehbuchautoren mitbegründete. Dann in den
50er-Jahren bei der Linken, als der Ex-Kommunist vor dem Ausschuss für unamerikanische
Aktivitäten auspackte. Zahlreiche seiner früheren Genossen landeten daraufhin auf der
Schwarzen Liste und verloren ihre Jobs.
Die meisten Feinde aber machte sich der 1914 in New York geborene Schulberg mit einem
Roman. What makes Sammy run?, 1941 erschienen, sorgte für einen wahren Sturm der
Empörung im Establishment von Hollywood. John Wayne wollte Schulberg noch 20 Jahre später
deshalb verprügeln. Produzentenlegende Samuel Goldwyn brüllte ihn an: „Du bist ein Verräter!“
und forderte, Schulberg aus Hollywood „abzuschieben“.
Schulbergs Verbrechen: Er hatte in seinem ersten Roman die korrupten Mechanismen der
Filmindustrie beschrieben. Als Drehbuchautor und Sohn eines Hollywoodproduzenten kannte er
sich da aus. Sein Antiheld, der Redaktionsbote Sammy Glick, der seine mangelnde Bildung durch
Impertinenz wettmacht, steigt ohne eigenes Können, allein durch Dreistigkeit, zu einem der
bestbezahlten Drehbuchschreiber Hollywoods auf. Mit geklauten Ideen und ohne jeden Anflug
von Skrupel („Mit einem Gewissen leben, ist wie mit angezogener Handbremse Auto fahren.“)
bestreitet er seinen unaufhaltsamen Aufstieg. Auf der Strecke bleiben alle, die er dabei benutzt –
Geliebte, Kollegen, Zuarbeiter.
Sammy Glick ist, wie der Name nahelegt, jüdisch. Deshalb sah Schulberg, selbst Jude, sich mit
Antisemitismusvorwürfen konfrontiert. Mancher wollte in Sammy Glick das Klischeebild des
hinterhältigen Juden erblicken. In einem Nachwort zur Neuausgabe von 1990 schreibt der Autor:
„Natürlich ist Sammy jüdisch, aber alle seine Opfer sind es auch. Ich bilde das gesamte Spektrum
von Charaktereigenschaften ab, nur zufällig innerhalb einer be stimmten ethnischen
Gemeinschaft.“
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Sammy Glick wurde in den USA so etwas wie ein Synonym für den Typus des
Charakterschweins. Doch in den 80er- und 90er-Jahren änderte sich das. Mit einem gewissen
Entsetzen stellte Schulberg fest, dass sein Sammy, den er eigentlich als abschreckendes Zerrbild
konzipiert hatte, von jungen Yuppies als Vorbild betrachtet wurde, dem es nachzueifern galt.
Mehr als 60 Jahre hat es gedauert, eine deutsche Übersetzung dieses amerikanisch-jüdischen
Klassikers herauszubringen. Die ist jetzt erschienen, heißt Was treibt Sammy an? und stammt von
Harry Rowohlt. Bewährter Übersetzer angelsächsischer Hochkomik, der er ist, hat Rowohlt auch
hier eine stilistisch ansprechende und genussvoll zu lesende Arbeit abgeliefert. Doch an manchen
Stellen holpert die Übersetzung. Das fängt beim Titel an, der zwar im selben Rhythmus schwingt
wie das Original, das Leitmotiv des Rennens – Sammy ist immer in Bewegung, sowohl in
übertragener als auch in wörtlicher Hinsicht – aber unterschlägt. Wenn der Hays Code, das
Hollywood- Richtlinienwerk für (besser, gegen) die Darstellung sexueller oder gewalttätiger
Inhalte, als „Freiwillige Selbstkontrolle“ wiedergegeben wird, klingt das doch arg
bundesrepublikanisch. Schwächen hat auch die Übertragung amerikanischer Slangausdrücke.
Wenn Sammy, ganz Kind der Gosse, „I’m gonna“ sagt, statt „I’m going to“, ist das deutlich und
markant. Blass ist dagegen Rowohlts „Ich wer“, statt „Ich werde“. Auch die doppelte Verneinung
erleidet auf ihrem Weg ins Deutsche Schaden. „I don’t owe you nothing“ klingt authentisch. Aber
wer, bitte, sagt „Ich schulde Ihnen nicht nichts“?
Zum Erscheinen der deutschen Fassung seines Buchs kam Budd Schulberg nach Deutschland,
um aus seinem Roman zu lesen. Vor mehr als 60 Jahren war er schon einmal hier gewesen, um
nach dem Zweiten Weltkrieg Filmmaterial über die Naziverbrechen zu sammeln, das in den
Nürnberger Prozessen verwendet wurde, über die Schulberg wiederum einen Film drehte.
Nebenbei verhaftete Schulberg damals Leni Riefenstahl, musste das „Nazi-Pin-up-Girl“, wie er sie
nannte, freilich bald wieder laufen lassen.
What makes Sammy run war Schulbergs größter Bucherfolg, an den er als Romanautor nie
wieder anknüpfen konnte. Dafür hatte er als Drehbuchautor noch eine ansehnliche Karriere vor
sich. The Harder They Fall (Schmutziger Lorbeer) wurde mit Humphrey Bogart in der Hauptrolle
verfilmt. Legendär ist Schulbergs Zusammenarbeit mit dem Regisseur Elia Kazan bei den Filmen
On the Waterfront (Die Faust im Nacken) mit Marlon Brando, für den er einen Oscar erhielt, und
The Face in the Crowd (Ein Gesicht in der Menge). Heute lebt der 94-Jährige mit seiner Frau
Betsy auf Long Island. Einmal noch kehrte er zu seinen Wurzeln zurück: Beim Streik der
Drehbuchautoren im vergangenen Jahr stellte Schulberg sich als Streikposten zur Verfügung.
Tradition verpflichtet.
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budd schulberg: was treibt sammy an?
Übersetzt von Harry Rowohlt
Kein & Aber, Zürich 2008, 410 S., 19,90 €
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