Die GeGenwart mitschreiben co-authorinG the present

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Die GeGenwart mitschreiben co-authorinG the present
9.-13.Oktober 2013
Ehrengast Brasilien
Die Gegenwart
mitschreiben
Literarische
Neuerscheinungen
Co-authoring
the present
New literary releases
from Germany
Inhalt
Contents
Dank der Unterstützung durch das Auswärtige
Amt kann diese Buchkollektion 2013 an deutschen
Gemeinschaftsständen auf vielen Buchmessen
weltweit gezeigt werden.
It is thanks to the support of the German Federal
Foreign Office that we are able to present this 2013
Book Collection at the German collective stands at
many different book fairs around the world.
Unser besonders herzlicher Dank gilt dem Literari­
schen Colloquium Berlin (LCB) für die Titelauswahl
der diesjährigen Anthologie.
We are also especially grateful to the Literarische
Colloquium Berlin (LCB), which selected the titles
for this year‘s anthology.
Vorwort
Foreword
Buchkollektion
Book Collection
Anhang
Appendix
5Die Gegenwart
mitschreiben?
9Co-authoring the
Present?
24Ausgewählte Bücher
von A bis Z
Selected Books from
A to Z
13Ein Haus in der
Mitte der Literatur.
50 Jahre Literari­
sches Colloquium
Berlin
19A House at the Heart
of Literature.
50 Years of the
Literarisches
Colloquium Berlin
Longlist dbp 2012
(German Book Prize)
27Ernst Augustin
30Bernd Cailloux
32 Jenny Erpenbeck
33Milena Michiko Flašar
36Rainald Goetz
37Olga Grjasnowa
40Wolfgang Herrndorf
42Bodo Kirchhoff
44Germán Kratochwil
45Ursula Krechel
48Dea Loher
49Angelika Meier
52Sten Nadolny
53Christoph Peters
56Michael Roes
57Patrick Roth
60Frank Schulz
62Clemens J. Setz
66Stephan Thome
70Ulf Erdmann Ziegler
72Verlagsverzeichnis
Index of Publishers
75Bildnachweise
Picture Credits
76Impressum
Imprint
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Die Gegenwart mitschreiben?
Wie wunderbar es ist, dass uns die Stücke eines Aischylos oder Sophokles
im Jahre 2012 genauso in ihren Bann ziehen wie die heißesten Eilmeldungen,
die Tag für Tag über die Ticker jagen! Wie schön ist diese Zeitlosigkeit, die
uns heute noch berührt!
Aber was heißt es dagegen, die Gegenwart literarisch »mitzuschreiben«?
Eine durchaus legitime Lesererwartung an die Literatur unserer Tage ist ja,
dass sie uns die Gegenwart erklärt und mit Sinn versieht. Müssen Schrift­
stellerinnen und Schriftsteller also vorrangig Themen und Stoffe aufgreifen,
die ihnen von der Tagespolitik, den Medien oder den gesellschaftlichen Ak­
teuren als bedeutsam dargeboten werden? Kann und soll die Literatur den
Anspruch haben, Archiv ihrer Zeit zu sein? Und verbindet sich mit dem Mit­
schreiben nicht auch der Anspruch der Literaten, die Gesellschaft mitgestal­
ten und verändern zu können?
»Die Gegenwart mitschreiben?« lautete der Titel eines Treffens von Schrift­
stellern und Literaturkritikern, das im April 2012 im Literarischen Colloqui­
um Berlin stattfand. Was denn unter Gegenwart überhaupt zu verstehen sei,
diese Frage wurde am Wannsee natürlich gestellt. Theodor Fontane forderte
Mitte des 19. Jahrhunderts, dass der Roman ein »Bild seiner Zeit« entwerfen
solle. Ist diese Aufgabe heute nicht längst von anderen Medien, den Talkshows
und Fernsehserien, YouTube und den Blogs übernommen worden? Anderer­
seits: Mit welchen literarischen Mitteln kann diese schwer zu fassende Gegen­
wart, die Vielzahl simultaner Realitäten vielleicht doch analysiert, subjektivkünstlerisch gestaltet werden?
Diese Fragen haben im deutschen Kontext einen besonderen Reiz, denn das
für unsere Literatur über mittlerweile sechs Jahrzehnte prägende Moment ist
die Beschäftigung mit der Vergangenheit oder anders gesagt mit einer weiter
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ins Historische ausgreifenden Gegenwart. Die Aufarbeitung der deutschen
Geschichte des 20. Jahrhunderts, Hitler, Auschwitz und die Folgen, dazu die
Beschäftigung mit dem DDR-Sozialismus – das sind geradezu übermächtige
Stoffe und ein unerschöpfliches, bis heute lebendiges erzählerisches Kapital.
Der Berliner Autor Friedrich Christian Delius hat das in seiner Aufsatzsamm­
lung mit dem schönen Titel »Warum ich schon immer Recht hatte – und an­
dere Irrtümer. Ein Leitfaden für deutsches Denken« (2003) in eine Anekdote
gefasst. Da findet sich unter dem Stichwort »Geschichte« folgender Eintrag:
»›Ehrlich gesagt, ich beneide euch um eure Geschichte, auch die schaurige‹,
sagte ein Freund aus der Schweiz, mit dem ich an einem kalten, sonnigen
Wintertag um den Lietzensee im westlichen Berlin spazierte. ›Die deutschen
Katastrophen, Verbrechen und Turbulenzen der letzten hundert oder zwei­
hundert Jahre haben euch allen, haben jeder Familie tragische, krumme
und verrückte Geschichten beschert, aus denen ihr Autoren nur zu schöpfen
braucht. Jeder Weltkrieg eine Fundgrube, der Kalte Krieg eine noch uner­
schlossene Goldmine, jeder deutsche Großvater literaturtauglich, jeder Vater
ein Fanatiker oder ein Feigling oder beides – und dann die deutschen Frauen,
wie viele Widersprüche, wie viel unentdeckte Geschichtslasten in ihnen
schweben!‹« Und Delius ergänzt: »Ja, es stimmt, wir leben in einem Schlaraf­
fenland für Schriftsteller, für Publizisten und Historiker – und für Hysteriker.
Bei uns ist immer was los. Bei uns wird keiner die Geschichte los.« Das ist
natürlich eine pointierte Aussage, doch sie hat ihren wahren Kern.
Auch die im Jahr 2012 erschienene Literatur hat großartige Beispiele der
Literatur des historischen Erinnerns hervorgebracht, in der der Autor die
Funktion des Archäologen, eines Archivars mit poetischen Mitteln übernimmt.
Ursula Krechels Roman »Landgericht« (Verlag Jung und Jung), für den die
Autorin den Deutschen Buchpreis 2012 erhielt, ist hier an erster Stelle zu nen­
nen. Er schildert die Rückkehr eines vor den Nazis geflüchteten Richters ins
Nachkriegsdeutschland und seinen Kampf um Wiedergutmachung. Ein ande­
res Beispiel ist Sabine Friedrichs Roman »Wer wir sind« (Deutscher Taschen­
buch Verlag), ein allein schon vom Umfang her (über 2000 Seiten!) die Grenzen
des Genres sprengendes enzyklopädisches Werk über den deutschen Wider­
stand gegen den Nationalsozialismus. »Aller Tage Abend« von Jenny Erpenbeck
(Knaus Verlag) vermisst das 20. Jahrhundert, indem einer Romanfigur fünf
mögliche Lebensenden an fünf unterschiedlichen Zeitpunkten dieses langen
Jahrhunderts erzählerisch ausgestaltet werden. Und Karl-Heinz Bohrer, einer
der prägenden Intellektuellen der Bundesre­publik, legt mit »Granatsplitter«
(Carl Hanser Verlag) einen bewegenden autobiografischen Text vor, den der
Autor selbst als »Fantasie einer Jugend« bezeichnet hat.
Zum weiten zeitlichen Rahmen literarischer Gegenwart gesellt sich die
räumliche Dimension: Große Strecken werden zurückgelegt in den deutsch­
sprachigen Veröffentlichungen dieses Jahres: Norbert Zähringers Roman
»Bis zum Ende der Welt« (Rowohlt Verlag) spannt einen Bogen von der Ukraine
über Deutschland bis nach Portugal; »Das große Leuchten« von Andreas Stich­
mann (Rowohlt Verlag) nimmt die Leser mit auf eine Reise von der deutschen
Provinz bis ans Kaspische Meer; Olga Grjasnowas gefeiertes Debüt »Der Russe
ist einer, der Birken liebt« (Carl Hanser Verlag) erzählt von jungen Leuten,
die überall und nirgends zwischen Baku, Frankfurt, Tel Aviv und den USA zu
Hause sind. Und Milena Michiko Flašar hat ihren Roman »Ich nannte ihn
Krawatte« (Wagenbach Verlag) gleich ganz in Japan angesiedelt. Gerade die
jüngsten Autoren, so scheint es, haben die Welt bereist, viele sind geprägt
von Migrationserfahrungen.
Ausflüge aus der entzauberten Welt hinaus ins Reich des Mythos bietet der
literarische Jahrgang 2012 auch, zum Beispiel wenn Anne Weber ihre Leser,
den Orpheus-Stoff und die Göttliche Komödie zitierend, mit hinabnimmt ins
»Tal der Herrlichkeiten« (S. Fischer Verlag), oder wenn Daniela Dröscher erzählt,
was vom Mythos der Stummfilmdiva Pola Negri blieb (»Pola«, Berlin Verlag),
als die große Epoche des Stummfilms vorüber war. Ganz eigene Räume zwi­
schen Wahn, Rausch und sprachlicher Kühnheit eröffnen Philipp Schönthalers
Erzählungsband »Nach oben ist das Leben offen« (Verlag Matthes & Seitz)
und »Indigo«, der neue Roman des jungen Österreichers Clemens J. Setz (Suhr­
kamp Verlag).
Womit wir bei Büchern angekommen sind, die sehr genau schildern, wie es
in bestimmten Milieus und Schichten unserer bundesdeutschen Gesellschaft
zugeht: Alain Claude Sulzers Roman »Aus den Fugen« (Galiani Verlag) etwa,
der von einem fast unbekannten Berlin erzählt, dem der gut- bis großbürger­
lichen Gesellschaft nämlich, die sich nach dem Auftritt eines Klavier­v irtuosen
in der Philharmonie zum Empfang in einer Potsdamer Villa versammelt (oder
auch nicht …). Silke Scheuermanns Episodenroman »Die Häuser der anderen«
(Schöffling Verlag), der protokolliert, was am Kuhlmühlgraben, einer Straße
am Stadtrand, aus den Träumen der dort Hingezogenen wird. In die Welt der
Wirtschaft zieht es die Autoren auch: In Nora Bossongs Roman »Gesellschaft
mit beschränkter Haftung« (Carl Hanser Verlag) etwa, in dem von Luise Tietjen
erzählt wird, der Haupterbin in vierter Generation eines Unternehmens, das
Frotteeprodukte herstellt. Und im kontrovers dis­k utierten »Johann Holtrop«
von Rainald Goetz (Suhrkamp Verlag), der laut Untertitel einen »Abriss der
Gesellschaft« in Buchform darstellt.
Einen geradezu unerschöpflichen Fundus der Gegenwartsliteratur stellen
nach wie vor unterschiedlichste Konstellationen von Paaren, Familien und
Lebensgemeinschaften dar. Sei es, dass Annette Pehnt in »Chronik der Nähe«
(Piper Verlag) Großmutter, Tochter und Enkelin mehr neben- als miteinander
zum Sprechen bringt, sei es, dass Steven Uhly den verwahrlosten Protagonis­
ten seines Romans »Glückskind« (Secession Verlag) mit einem Kind in der
Mülltonne auch eine neue Perspektive für sein Leben finden lässt. Oder sei es
Bodo Kirchhoff, der die Ehe in seinem Roman »Die Liebe in groben Zügen«
(Frankfurter Verlagsanstalt) umreißt. Einen an amerikanischen Mustern ge­
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schulten Erzähler begegnen wir in Stephan Thomes Roman »Fliehkräfte«
(Suhrkamp Verlag). Auch er beschäftigt sich mit einer Ehe und den Fliehkräf­
ten, die ein Ausbrechen aus den bürgerlichen Mustern freisetzt. »Ein Bild
unserer Zeit« – die Fontane-Formel findet vielleicht hier ihre zeitgenössische,
Reflexion und Erzählkunst vereinende Gestalt.
Die Feuilletons und die von der breiten Öffentlichkeit wahrgenommenen
Preise konzentrieren sich derzeit stark auf Romane. Die Lyrik erhält dabei nur
selten die Beachtung, die sie verdiente. Vier Dichter unserer Zeit seien hier
genannt: Durs Grünbein, dessen Band »Koloß im Nebel« (Suhrkamp Verlag)
Sublimes mit Populärem verbindet; Jan Wagner, der in »Die Eulenhasser in den
Hallenhäusern« (Verlag Hanser Berlin) die Bürde der Tradition als Inspirations­
quelle nutzt; Monika Rinck, die mit ihren »Honigprotokollen« (kookbooks) der
Dichtkunst virtuos und klangverliebt eine neue Gattung geschenkt hat. Und
Thomas Rosenlöcher, der Dresdner Meister des Schwelgens und der Lakonie
(»Hirngefunkel«, Insel Verlag).
Ein Land der vielen Literaturen. Anregend sind die vielen höchst unter­
schiedlichen Perspektiven auf das, was Gegenwart war, ist oder sein könnte.
Vielfalt, die sich nur lesend entdecken lässt. Die Leserinnen und Leser haben
die Wahl.
Jürgen Jakob Becker, Thorsten Dönges und Thomas Geiger
gestalten die Programmarbeit des LCB.
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Co-authoring the present?
How marvellous it is that the plays of Aeschylus and Sophocles still captivate
us now, in 2012, as much as the most urgent messages that fly out of the
ticker day-in, day-out! How wonderful is that timelessness which moves us
even today!
But on the other hand, what does it mean to be a literary »co-author of the
present«? It is completely legitimate for readers to expect that contemporary
literature should explain the present to us and fill it with meaning. Does that
mean, therefore, that writers are obliged to take most of their subject matter
from the things flagged up as significant by politicians, the media and other
players in society? Can or should literature assume the role of an archive of its
time? And doesn’t this co-writing go hand in hand with an expectation among
the literati that they should have a share in shaping and changing society?
»Co-authoring the present?« This was the title given to a meeting of writers
and literary critics held at the Literarisches Colloquium Berlin in April 2012.
And in Berlin, the question naturally also arose of what we really mean when
we say the present. In the mid 19th century, Theodor Fontane stated his belief
that novels should evoke a »picture of our time«. And today? Wasn’t this role
taken over long ago by other media – by the talk shows and TV series, YouTube
and blogs? On the other hand, what literary means exist for those who still do
want, subjectively and artistically, to analyse and evoke our baffling present,
with its multiplicity of simultaneous realities?
These questions are particularly intriguing in the German context, because
the defining concern of our literature for the last six decades and more has
been our preoccupation with the past – or to put it another way – with a pre­
sent stretching ever further back in history. Coming to terms with Germany’s
20th century history – Hitler, Auschwitz and the consequences, the socialism
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of the GDR – these are overwhelming topics that even today represent a vivid
and inexhaustible narrative resource.
Berlin author Friedrich Christian Delius once conveyed this idea using an
anecdote in his lexical collection with the wonderful title »Why I was Always
in the Right – and Other Mistakes. A Handbook on German Thinking« (2003).
There, under the heading »History«, we find the following entry: »›To be honest,
I envy you your history – even the grim history‹, a friend from Switzerland
once said to me as we strolled around Lietzensee lake in western Berlin on a
cold, sunny winter’s day. ›The German calamities and crimes and upheavals
of the last hundred or two hundred years have given you all – every family –
your tragic, warped and crazy stories. And you authors just need to reach in
and help yourselves: each World War its own repository, the Cold War a barely
explored goldmine; every German grandfather ripe for literature, every father
a fanatic or a coward, or both. And the German women: How many contradic­
tions, how much undiscovered historical baggage there is floating about in
them!‹« And Delius adds: »It’s true, we do live in an El Dorado for writers, for
publicists and historians – and also for the hysterical. There’s always some­
thing happening with us. None of us can escape our history.« Of course this is
a very trenchant statement, but there is certainly some truth to it.
The literary output in 2012 once again included some splendid examples
of that literature of historical memory in which the author performs the role of
an archaeologist or archivist by poetic means. First and foremost, we should
mention Ursula Krechel’s novel »Court of Justice« (Verlag Jung und Jung),
for which the author was awarded the German Book Prize 2012. It describes
the return to post-war Germany of a judge who had fled from the Nazis and
now fights for redress. Another example is Sabine Friedrich’s »Who We Are«
(Deutscher Taschenbuch Verlag), an encyclopaedic work about the German
anti-Nazi resistance, which transcends the novel genre just through its sheer
volume (more than 2,000 pages!). »At the End of the Day« by Jenny Erpenbeck
(Knaus Verlag) scans the 20th century by narrating five different possible
endings to the life of the novel’s main character, at five different points in time
throughout the long century. And Karl-Heinz Bohrer, one of Federal Germany’s
most influential intellectuals, presents us with a moving autobiographical
work in the form of »Shrapnel« (Carl Hanser Verlag), which the author himself
has described as the »fantasy of an adolescence«.
In addition to the long temporal scope of the literary present, there is also
a spatial dimension. Great distances are covered in this year’s Germanlanguage publications: The trajectory of Norbert Zähringer’s novel »To the End
of the World« (Rowohlt Verlag) covers Ukraine, Germany and Portugal; »The
Big Glow« by Andreas Stichmann (Rowohlt Verlag) takes the reader on a trip
from provincial Germany to the Caspian Sea; Olga Grjasnowa’s celebrated
debut »All Russian Men Love Birch Trees« (Carl Hanser Verlag) depicts young
people who are at home everywhere and nowhere between Baku, Frankfurt,
Tel Aviv and the USA; and Milena Michiko Flašar based her novel »I Called
him Tie« (Wagenbach Verlag) entirely in Japan. It seems it’s mainly the
youngest authors who have travelled the world, with many of them being
influenced by experiences of migration.
The literary class of 2012 also offers us excursions away from the prosaic
real world and into the realm of myth. For instance, when Anne Weber de­
scends with her readers, in the footsteps of Orpheus and the Divine Comedy,
into the »Valley of Splendours« (S. Fischer Verlag); or when Daniela Dröscher
tells us what remained of the legend of the silent film diva, Pola Negri (»Pola«,
Berlin Verlag), after the glorious era of silent pictures came to an end. In
Philipp Schönthaler’s book of short stories »Above Life is Open« (Verlag Mat­
thes & Seitz) and the new novel »Indigo« by the young Austrian Clemens J.
Setz (Suhrkamp Verlag), entirely original spaces open up between madness,
ecstasy and linguistic audacity.
And that brings us to the books that describe at great length what goes on
in certain milieus and strata of our German society. Alain Claude Sulzer’s
novel »Derailed« (Galiani Verlag), for example, depicts an almost unrecognis­
able Berlin – that of a party of bourgeoisie and haute bourgeoisie who meet
(or perhaps don’t meet) at a villa in Potsdam for a reception, following a virtu­
oso piano performance at the Philharmonie. Silke Scheuermann’s episodic
novel »Other People’s Houses« (Schöffling Verlag) records what becomes of the
aspirations of people who move to the suburban Kuhlmühlgraben Street. Our
authors are also drawn to the world of big business, as it is the case with Nora
Bossong’s novel »Company with Limited Liability« (Carl Hanser Verlag), which
tells the story of Luise Tietjen, the fourth-generation heiress of a family firm
making items of towelling, as well as the hotly debated »Johann Holtrop« by
Rainald Goetz (Suhrkamp Verlag), which according to its sub-headline repre­
sents a »demolition of society« in book form.
As ever, myriad constellations of couples, families and domestic communi­
ties provide a sheer inexhaustible treasure trove for contemporary literature,
be it the grandmother, daughter and granddaughter in Annette Pehnt’s »A
Chronicle of Closeness« (Piper Verlag), who speak alongside each other rather
than with one another; or Steven Uhly’s dishevelled protagonist in the novel
»Child of Fortune« (Secession Verlag), who finds a new outlook on life when
he finds a baby in the dustbin; or Bodo Kirchhoff, who adumbrates a marriage
in his novel »A Broad Outline of Love« (Frankfurter Verlagsanstalt). In Stephan
Thomes’ »Centrifugal Forces« we find a storyteller trained in the American
mode. He is likewise preoccupied with marriage and the centrifugal forces
that drive a breaking free from bourgeois norms. It is here, perhaps, that
Fontane’s phrase, a »picture of our time« finds its contemporary counterpart
that unifies acts of reflection and storytelling.
These days, the arts pages and the literary prizes that catch the attention
of the general public concentrate overwhelmingly on novels, while poetry
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rarely gains the recognition it deserves. Here we can mention four poets of the
present day: Durs Grünbein, whose volume »Colossus in the Fog« (Suhrkamp
Verlag) combines the sublime with the popular; Jan Wagner, who takes inspi­
ration from the burden of tradition in »Owl-Haters in Half-timbered Barns«
(Verlag Hanser Berlin); Monika Rinck who, with virtuosity and love of sounds,
has given poetry a whole new genre in the shape of her »Honey Chronicles«
(kookbooks); and Thomas Rosenlöcher from Dresden, a past master of mixing
the indulgent and the laconic (»Mind Matter«, Insel Verlag).
A country of many literatures. It’s thrilling to see the many and varied
interpretations of what the present used to be, what it is now, and what
it could become. Diversity that can only be discovered by reading: it’s the
readers’ choice.
Jürgen Jakob Becker, Thorsten Dönges and Thomas Geiger
are responsible for the programme of activities at the LCB.
Ein Haus in der Mitte der Literatur
50 Jahre Literarisches Colloquium Berlin
Alles begann mit einem Spaziergang Ende der Fünfzigerjahre. Der damals
knapp vierzigjährige Germanistikprofessor Walter Höllerer entdeckte ein leer
stehendes Hotel auf einem großen Wassergrundstück am Berliner Wannsee.
→ Seite 17.1
Das ehemalige »Hotel Casino« muss ihm wie ein Wink des Schicksals vor­
gekommen sein, denn im Oktober 1962 sollte die Gruppe 47 in Berlin tagen,
und es musste noch ein geeigneter Ort gefunden werden. Die Villa mit der
Adresse »Am Sandwerder 5« war ideal: Es gab Zimmer für die anreisenden
Gäste und einen großen Saal, in dem die Schriftstellerinnen und Schriftsteller
tagen und im Anschluss tanzen konnten. Und es gab einen großen Garten
zum Spazierengehen und zum vertraulichen Gespräch. Die Tagung fand vom
26. bis 28. Oktober 1962 in politisch höchst bewegten Zeiten statt. → Seite 17.2
Ein gutes Jahr nachdem die Mauer Berlin in zwei Hälften geteilt hatte,
es­kalierte die Kubakrise und innenpolitisch spitzte sich die »Spiegel-Affäre«
zu. Seit dieser Schriftstellertagung ist die ehemalige Residenz eines Berliner
Fabrikanten zu einem Heimatort der Literatur geworden.
Als die Politik dann im folgenden Jahr daran ging, sich der Problemlage
West-Berlins anzunehmen, lobte die amerikanische Ford Foundation Geld­m it­
tel für kulturelle Projekte aus, um damit kreative, junge Menschen nach WestBerlin zu locken und der drohenden Überalterung der Bevölkerung entgegen­
zuwirken. Dies war erneut die Stunde Höllerers, der ein Konzept für ein Haus
der Literatur ausarbeitete. Walter Höllerer (1922–2003), der nicht nur Professor,
sondern auch Autor, Zeitschriftenherausgeber und begnadeter Literaturver­
anstalter war, konnte nicht nur die Sponsoren aus Amerika überzeugen, ihm
gelang es später auch, das neu gegründete Literaturzentrum an den Berliner
Senat zu binden, sodass der Fortbestand des Hauses gesichert war. → Seite 17.3
14
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Das im Mai 1963 gegründete Literarische Colloquium Berlin (LCB) sollte
ein Ort der Begegnung sein: der Begegnung von Autoren untereinander, von
Schriftstellern mit Kritikern, Verlegern und Übersetzern und ihrem interes­
sierten Publikum. Das LCB sollte aber auch ein Haus sein, in dem sich Künst­
ler aus verschiedenen Gattungen treffen konnten. In der Gründungszeit,
den Sechziger- und Siebzigerjahren, spielte eine Filmabteilung eine große
Rolle, die die Geschichte des bundesdeutschen Autorenfilms maßgeblich
mitschrieb. Die Bedeutung des Visuellen wurde auch durch die Anstellung
der Hausfotografin Renate von Mangoldt unterstrichen, die in ihrer über vier­
zigjährigen Tätigkeit für das LCB ein unvergleichbares Archiv von Autoren­
porträts schuf.
Der Fokus lag aber immer schon auf der Literatur. Die Gästezimmer des
ehemaligen Hotels erlaubten verschiedene Residenzprogramme für Autoren
aus dem deutschsprachigen Raum, aber auch aus dem Ausland. Von Anfang
an war daran gedacht, Stipendiaten aus Ost und West einzuladen. → Seite 18.4
Höhepunkte der ersten Jahre im Literarischen Colloquium war eine Schreib­
werkstatt, an der als Lehrer unter anderen Günter Grass und Peter Rühmkorf
wirkten. Teilnehmer waren Autoren wie Peter Bichsel, Hubert Fichte oder
Hans Christoph Buch. Früh wurde das Literarische Colloquium auch verlege­
risch tätig und brachte die »LCB-Editionen« heraus. Einige der ersten Autoren
dieser Reihe waren etwa Günter Grass, dessen Essay »Über meinen Lehrer
Döblin« hier erschien, Reinhard Lettau, Lars Gustafsson und Charles Olson.
Später wurde die Reihe zusammen mit dem Berliner Künstlerprogramm des
DAAD herausgegeben.
Aber von Anfang an bot das LCB bereits öffentliche Lesungen, Diskussio­
nen und Streitgespräche und stieß damit auf große Resonanz. Zwar hat es den
Begriff »Literaturhaus« vor fünfzig Jahren noch nicht gegeben, aber mittler­
weile ist es Konsens, dass das LCB als eine Art Modell für die Literaturhaus­
bewegung gelten kann, die das literarische Leben in Deutschland seit den
Achtzigerjahren prägt. Die moderierten Lesungen haben Standards gesetzt –
und sind vielgestaltig. Die seit 1990 laufende Reihe »Studio LCB« etwa erreicht
nicht nur die Zuschauer im Veranstaltungssaal, sondern auch Tausende von
Hörern des Deutschlandfunks. → Seite 18.5
Die Gartenmesse »Kleine Verlage am Großen Wannsee« hat sich als sommer­
liche Bücherschau für kleinere Verlagshäuser etabliert. Die »Übersetzer­t age«
reflektieren die langen Wege zwischen den Sprachen und zeigen Übersetzer
als bühnenreife Performer. Die in Deutschland so auffällig reichhaltige Szene
der Literaturveranstaltungen hat im LCB einen seiner Ursprünge.
Heute ist die Institution am Wannsee die größte und bedeutendste ihrer Art
in Deutschland. Mit dem Ende der Teilung Berlins hat sich auch die Aufgaben­
stellung der Institution verändert. Berlin ist heute weit davon entfernt zu
überaltern. Gerade Studenten, junge Künstler und Kreative aus der ganzen
Welt strömen in die Stadt. Berlin ist »in« – und das nicht nur in Lüneburg
und Regensburg, sondern auch in Los Angeles, Madrid oder Tel Aviv. Die
Strahlkraft der Stadt speist sich für viele auch daraus, wie undeutsch sie auf
alle Welt wirkt. Mit ihren zahllosen Klubs, dem Nachtleben, den Museen und
Klangkörpern, den Opern und Theatern, einer reichen Kunst- und Literatur­
szene übt sie eine große Faszination aus. Aber diese Stadt atmet immer noch
Geschichte. Die beiden totalitären Systeme, die Europas Geschichte des
20. Jahrhunderts bestimmten, prägten die Stadt Berlin wie keine andere auf
der Welt. Und man kann den Spuren des Nationalsozialismus und des real
existierenden Sozialismus in der Ausstellung »Topographie des Terrors« oder
der Mauergedenkstätte an der Bernauer Straße nachgehen. Diese Mischung
macht das Flair der Stadt aus.
Mit der Veränderung der politischen Großwetterlage 1989 musste sich das
LCB zwar nicht gänzlich neu erfinden, aber wie jede Institution unterliegt das
Haus einer ständigen Anpassung. Seit der Vereinigung der beiden deutschen
Staaten und mit dem Umzug der Regierung von Bonn nach Berlin hat sich vor
allem die internationale Arbeit des Hauses verändert. Das LCB wurde zu
einem Literaturhaus nicht für Berlin, sondern zu einer Institution mit interna­
tionalen Aufgabenstellungen.
Sichtbarster Ausdruck dafür ist die seit den Neunzigerjahren immer inten­
siver gewordene Arbeit mit Literaturübersetzern. Die »Sommerakademie«
für Übersetzer deutschsprachiger Literatur bringt jedes Jahr im August Gäste
aus aller Welt nach Berlin. Sie informieren sich über die neuesten Trends,
nehmen Kontakt auf zu Autoren und Verlagen, vernetzen sich untereinander.
Seit einigen Jahren wird das Angebot durch ein Internationales Übersetzer­
treffen rund um die Leipziger Buchmesse ergänzt. Partner wie die S. Fischer
Stiftung oder die Robert Bosch Stiftung finanzieren Aufenthaltsstipendien
für Übersetzer im Haus. 1997 wurde der Deutsche Übersetzerfonds gegrün­
det, der eine mittlere sechsstellige Summe für die Förderung literarischer
Übersetzer ins Deutsche zur Verfügung stellen kann. Über die rein finanziel­
le Hilfe hinaus geht es auch darum, die Stellung und die Sichtbarkeit des
Übersetzers als kreativen Schöpfer im literarischen Prozess zu stärken und
den internationalen Austausch zu fördern. Im LCB laufen viele Fäden dieses
Netzwerks zusammen. → Seite 18.6
Dazu kommt die Präsenz im Ausland. In Zusammenarbeit mit dem GoetheInstitut organisiert das LCB immer wieder Lesereisen mit deutschsprachigen
Autoren in Europa und in Übersee, ist Partner von Literaturfestivals wie
»European Borderlands« – ein gemeinsames Projekt mit der Allianz Kultur­
stiftung – an den innereuropäischen Rändern der EU. Mit der Robert Bosch
Stiftung werden durch das »Grenzgänger-Programm« Reisestipendien an
Autoren, Journalisten, Fotografen und Filmemacher vergeben, die Projekte in
und über Länder in Ost- und Mitteleuropa realisieren wollen. Das Programm
wurde gerade auf die Staaten des südlichen Mittelmeers erweitert. Unterstüt­
zend wirkt dabei auch die Hauszeitschrift »Sprache im technischen Zeitalter«,
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die 2006 mit dem renommierten Calwer Hermann-Hesse-Preis für Literatur­
zeitschriften ausgezeichnet wurde.
Workshops für junge Autoren und Übersetzer sind ein wichtiger Teil der
Arbeit im Hause. Jährlich wird die Prosawerkstatt ausgerichtet, die sich an
junge Autoren wendet, die noch keine eigene Veröffentlichung vorweisen
können. Judith Hermann, Inka Partei, Sherko Fatah, Thomas von Steinaecker
und Zsuzsa Bánk etwa gehörten zu den Teilnehmern und sind dem Haus
eng verbunden.
Ein wichtiges Anliegen in den letzten Jahren war es, die Möglichkeiten
der digitalen Medien für die Information, Vernetzung und Archivierung der
Literatur bzw. ihrer Akteure nutzbar zu machen. Literaturport.de – aus­
gezeichnet mit dem Grimme Online Award 2008 – machte den Anfang mit
seinem Autorenlexikon und der Kartografie der Literaturlandschaft BerlinBrandenburg, lesungen.net eröffnete 2011 den Zugang zum Tonarchiv des
LCB, uebersetzercolloquium.de ist zum internationalen Forum für Übersetzer
deutschsprachiger Literatur in aller Welt geworden.
Bei der Vielzahl der Aktivitäten bildet die Einbettung in die Berliner und
deutsche literarische Öffentlichkeit die große Konstante in 50 Jahren LCBGeschichte. Autoren, Übersetzer und Publikum begreifen das LCB als ihr Haus.
Ein Haus am See für Autoren aus aller Welt.
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Seit 1963 gibt die Literatur hier den
Ton an. Ein herrschaftliches Gebäude
mit Seegrundstück, ehemalige Fa­bri­
kantenvilla, gute Hoteladresse,
nunmehr Sitz des Literarischen Collo­
quiums Berlin. Foto mit Besuchern
des LCB-Sommerfests 2012.
Literature has set the tone here
since 1963. A stately home with access
to the waterfront, a former industri­
alist‘s villa, a good address for a hotel,
and now the seat of the Literarisches
Colloquium Berlin. Photo of visitors at
the LCB summer party 2012.
1
Oktober 1965: Hans Werner Richter
spricht vor Teilnehmern der Tagung
der Gruppe 47 im LCB. Im Bild zu
sehen u.a. Siegfried Unseld, Erich
Fried, Fritz J. Raddatz.
October 1965: Hans Werner Richter
speaks to participants in the meet­­
ing of Gruppe 47 in the LCB. In the
picture can be seen Siegfried Unseld,
Erich Fried, Fritz J. Raddatz, among
others.
Jürgen Jakob Becker, Thorsten Dönges, Thomas Geiger
gestalten die Programmarbeit des LCB.
2
Walter Höllerer, Gründer des LCB. Die
»Stuhlfotos« der Fotografin Renate
von Mangoldt wurden zum Marken­
zeichen der »LCB-Editionen«, die bis
Ende der Achtzigerjahre im hausei­
genen Verlag erschienen.
Walter Höllerer, founder of the
LCB. The »chair photos« by photo­g­
rapher Renate von Mangoldt became
the hallmark of the »LCB Editions«,
which were issued by the LCB’s own
publishing house until the end of
the 1980s.
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Kommt eher selten vor: Ein spon­
tanes Bad im Wannsee, wie hier von
der tschechischen Autorin Radka
Denemarková demonstriert. Zwischen
40 und 50 Stipendiaten beherbergt
das LCB im Jahr.
Not a very common occurrence:
A spontaneous dip in Wannsee
as demonstrated here by the Czech
author Radka Denemarková. Each
year, the LCB funds residential visits
for between 40 and 50 writers.
4
»Studio LCB«, zwei Stunden Literatur
aus dem LCB im Deutschlandfunk. Seit
1990 stellen sich deutschsprachige und
internationale Autoren der Diskussion
mit Kritikern und Kollegen. Hier im
Bild: der Amerikaner Bret Easton Ellis
mit Moderator Denis Scheck.
»Studio LCB«, two hours of literature from the LCB on Deutschlandfunk.
Since 1990, German-speaking and in­
ter­national authors have entered into
discussion with critics and colleagues.
The photo shows American Bret Easton
Ellis with moderator Denis Scheck.
5
Blick von außen auf die deutsche
Literatur: Judith Schalansky, Hubert
Winkels und Michael Kumpfmüller
diskutieren mit Teilnehmern des Inter­
nationalen Übersetzer­treffens 2012.
A view of German literature from
outside: Judith Schalansky, Hubert
Winkels and Michael Kumpfmüller
talking to participants in the Inter­
national Translators Meeting 2012.
6
A House at the Heart of Literature
50 Years of the Literarisches Colloquium Berlin
It all began with a walk by a lake at the end of the 1950s. The professor of
German literature, Walter Höllerer, then around 40 years of age, discovered an
empty hotel set in a large garden on the banks of Berlin’s Wannsee. → page 17.1
The erstwhile »Casino Hotel« must have seemed like a stroke of fate because
the literary association »Gruppe 47« was due to meet in Berlin in October 1962,
and they still had to find a suitable location. This villa, at the address »Am
Sandwerder 5«, was ideal. There were rooms for the guests, as well as a large
hall in which the writers could hold their meeting and round it off with a
dance. And there was a large garden for walks and private conversations. The
meeting took place from 26 to 28 October 1962, in a period of great political
upheavals. → page 17.2
Just over a year since the Berlin Wall had cut the city in two, the Cuban
missile crisis was now building and in internal German politics the »Spiegel
Affair« was at its height. Ever since that meeting of writers, the former Berlin
industrialist’s residence has been a home of literature.
When, in the following year, the politicians decided to tackle the problemat­
ic situation of West Berlin, the American Ford Foundation provided funding for
cultural projects in order to attract creative, young people to the city to coun­
ter an aging demographic trend. Once again, Höllerer seized the moment when
he developed a concept for a House of Literature. Walter Höllerer (1922–2003),
who besides his professorship was also an author, magazine publisher and
gifted organiser of literary events, was not only able to convince the American
sponsors, he also later succeeded in tying the newly formed literature centre
to the Berlin Senate, which was to secure the house’s survival. → page 17.3
Founded in May 1963, the Literarisches Colloquium Berlin (Literary Collo­
quium Berlin, LCB) was intended as a meeting place – a place for authors to
20
21
meet among themselves, and where they could meet critics, publishers and
translators, as well as their wider readership. At the same time, the LCB was
also to be a house for encounters between artists of all different genres. In its
early years, in the 1960s and 1970s, a significant part was also played by the
film department, which did much to record the history of West German film
d’auteur. The importance of the visual element was further emphasised by the
appointment of the house photographer, Renate von Mangoldt, who has built
up an incomparable archive of author portraits in her more than 40 years of
working with the LCB.
Nevertheless, the focus was always on literature. The guest rooms in the
former hotel made it possible to run various residential programmes for au­
thors from the German-speaking countries and also from further afield. From
the very outset, it was a matter of policy to invite and support the visits of
writers from both East and West. → page 18.4
In the early years of the Literarisches Colloquium, the highlights were the
writing workshops under the tutelage of, among others, Günter Grass and Peter
Rühmkorf. The participants included authors such as Peter Bichsel, Hubert
Fichte and Hans Christoph Buch. The LCB also became involved in publishing
at an early stage when it started issuing its »LCB Editions«. Among the first
authors included in this series were Günter Grass, who published his essay
»On my Teacher Döblin«, Reinhard Lettau, Lars Gustafsson and Charles Olson.
Later on, the series was published in collaboration with the Artists-in-Berlin
Programme of the German Academic Exchange Service (DAAD).
From the start, the LCB also offered public readings, discussions and de­
bates, which were enthusiastically received. The term »House of Literature«
may not have existed fifty years ago, but today it is widely agreed that the LCB
provided a model for the movement to establish houses of literature, which has
characterised literary life in Germany since the 1980s. Its moderated readings
have set the standards – and they are varied in their scope. For instance, the
»Studio LCB« series, which has been running since 1990, doesn’t just reach the
audience in the hall, it is also broadcast to the thousands of listeners of the
radio station Deutschlandfunk. → page 18.5
The garden show »Small Publishers on Greater Wannsee« has become estab­
lished as a summer book exhibition for smaller publishing houses. The »Trans­
lation Days« reflect the long paths that separate the different languages, and
present translators as professional performers in their own right. The partic­
ularly rich literary events scene enjoyed by Germany has at least one of its
roots in the LCB.
Today, the house on Wannsee is one of the largest and most important of its
kind in Germany. When the two halves of Berlin were reunited, the mandate
of the institute also changed. With students, young artists and creative types
flocking to the city from all around the world, Berlin is now far removed from
the demographic aging process it once suffered. Berlin is »in« – not only for
people in Lüneburg and Regensburg, but also in Los Angeles, Madrid and
Tel Aviv. For many people, part of the city’s attraction lies in its un-German
manifestation to the rest of the world. The city generates tremendous fascina­
tion, with its countless clubs and nightlife, its museums, orchestras, operas
and theatres, and its rich artistic and literary scene. Yet the city continues to
exude history. The two totalitarian systems that determined the course of
European history in the 20th century left their marks on Berlin like nowhere
else on earth. You can follow the traces left behind by Nazism and »real so­
cialism« in the »Topography of Terror« exhibition or at the Berlin Wall memori­
al park at Bernauer Straße. The mix of all these influences is what gives the
city its flair.
Following the change in political climate in 1989, although not compelled
to reinvent itself entirely, like all institutions the LCB has been involved in a
continuous process of adaptation. Since the reunification of the two German
states and the move of the seat of government to Berlin, above all the interna­
tional activities of the LCB have undergone changes. The LCB is no longer a
Literature House for Berlin, but an institution with international responsibili­
ties. The most visible manifestation of this is its work with literary transla­
tors, which has been steadily intensifying since the 1990s. Every August, the
»Summer Academy« for translators of German-language literature brings
guests to Berlin from all around the world. They learn about the latest trends,
make contact to authors and publishers, and network amongst themselves.
For several years now, these activities have been complemented by an in­
ternational translators conference at the Leipzig Book Fair. Partners such as
the S. Fischer Foundation and the Robert Bosch Foundation provide grants for
translators to stay in the house. In 1997, the German Translator Fund was
established, which is capable of supporting literary translations into German
with scholarships of up to mid-six-figure amounts. More than just providing
financial assistance, it also attempts to enhance the situation and the visibili­
ty of translators as creators in their own right, within the literary process,
and it promotes international exchanges. Many of the strands in this network
come together in the LCB. → page 18.6
The LCB is also active outside Germany. In cooperation with the GoetheInstitut, it regularly organises reading trips which take German-speaking au­
thors around Europe and further afield. It is also a partner in literature festi­
vals such as »European Borderlands«, a joint project with the Allianz Cultural
Foundation which takes place on the inner-European borders of the EU. The
LCB also collaborates with the Robert Bosch Foundation in its »Border Cross­
ers« programme, which provides travel grants to authors, journalists, photo­
graphers and film producers who want to carry out projects in and about East­
ern and Central European countries. This programme was recently expanded
to include southern Mediterranean countries. The LCB’s own literary magazine
»Sprache im technischen Zeitalter« (»Language in the Age of Technology«),
22
which in 2006 won the prestigious Calw Hermann Hesse Prize for literary
magazines, also plays a supporting role in this programme.
Workshops for young authors and translators form an important part of the
LCB’s in-house activities. It organises an annual prose workshop aimed at
young authors who have not yet made it into print. Former participants, who
remain closely connected to the house, include Judith Hermann, Inka Parei,
Sherko Fatah, Thomas von Steinaecker and Zsuzsa Bánk.
One important task that the LCB has set itself in recent years has been to
tap the full potential of digital media for purposes of information, networking
and cataloguing of literature and literary figures. Launching »literaturport.
de« – which was awarded the Grimme Online Award 2008 – was a first step.
This contains a lexicon of authors, as well as a map of the literary landscape
of Berlin and Brandenburg. In 2011, »lesungen.net« opened up the LCB’s audio
archive to online visitors, while »uebersetzercolloquium.de« has become an
international forum for translators of German language literature all around
the world.
For all its many diverse activities, the one great constant over the last
50 years of the LCB’s history has been its deep rooted presence in the public
literary life of Berlin and Germany. Writers, translators and the reading
public all think of the LCB as their house; a lakeside house for authors from
everywhere in the world.
Jürgen Jakob Becker, Thorsten Dönges and Thomas Geiger
are responsible for the programme of activities at the LCB.
AUSGEWÄHLTE BÜCHER
von A bis Z
SELECTED BOOKS
from A to Z
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Urs Augstburger
Als der Regen kam
When the Rain Came
Roman Novel 2012, 288 S. pp., € 19,95,
Klett-Cotta Verlag, 978-3-608-93974-3
Helen ist an Alzheimer erkrankt. An dem Tag,
an dem das jährlich stattfindende Jugendfest
beginnt, bricht sie plötzlich aus ihrer Isolation
aus. Sie tanzt mit einem unsichtbaren Geliebten
über das verlassene Parkett. Ihr Sohn Mauro
schöpft Verdacht, dass es im Leben seiner Mutter
jemanden gab, von dem er nichts weiß. Die Ge­
schichte einer verratenen Liebe, die eine letzte
Chance erhält.
Helen has Alzheimer’s. On the day the annual
youth festival begins, she suddenly breaks out of
her isolation. She dances across the empty dance
floor with an invisible lover. Her son Mauro begins
to suspect there might have been somebody in
his mother’s life whom he knew nothing about.
The story of a love betrayed which is given a
second chance.
Ernst Augustin
Robinsons blaues Haus
Robinson’s Blue House
→ Seite page 27
JEAN-LUC BANNALEC
Bretonische Verhältnisse
Ein Fall für Kommissar Dupin
Murder Breton-style
A Case for Detective Dupin
Kriminalroman Crime Novel 2012, 304 S. pp.,
€ 14,99, Verlag Kiepenheuer & Witsch,
978-3-462-04406-5
Ein Kommissar von Maigret-Kaliber; ein Kri­mi­
nal­r oman voller überraschender Wendungen,
hochspannend, feinsinnig und klug. Durchzogen
von hintergründigem Humor und dabei atmos­
phärisch so eindrücklich, dass man als Leser sofort
selbst durch die engen Gassen des Dorfes flanie­
ren, die Atlantikluft riechen und über die breto­
nischen Eigenarten schmunzeln möchte. Eine
Krimisternstunde – nicht nur für Frankreichfans!
A commissaire to rival Maigret himself; a crime
novel that is enigmatic and clever, and replete
with surprising plot twists and great suspense.
Infused with subtle humour and an atmosphere
so real that, as you read, you’d like nothing
better than to walk the narrow village lanes your-
self, breathing in the Atlantic air and smirking
over the idiosyncrasies of the Bretons. Crime
fiction at its finest – not just for fans of France!
Christoph Bartmann
Leben im Büro
Die schöne neue Welt der Angestellten
Life in the Office
The Employees’ Brave New World
Sachbuch Non-fiction 2012, 320 S. pp., € 18,90,
Carl Hanser Verlag, 978-3-446-23877-0
Der Angestellte von heute arbeitet nach Ziel­
vorgaben: Er muss zeigen, dass seine Arbeit wich­
tig ist, kluge Köpfe überprüfen, wie viel seine
Arbeit kostet und ob sie nicht eingespart werden
kann. Gesteuert wird diese Welt von einer Soft­
ware namens Office, die Tabellen erstellt, Sitz­
ungen organisiert und Ergebnisse auf Beamern
präsentiert. Christoph Bartmann zeigt, wie
sehr wir auch im Alltag die Ideale des mo­dernen
Managements verinnerlicht haben, obwohl
sie uns nicht weiterhelfen – und liefert damit
eine witzige und brillante Analyse un­s erer
Gesellschaft.
Employees today work to meet targets. They
have to show that their work is important. The
bean counters are always checking how much
their involvement costs, and if it can perhaps can
be rationalised away. It is a world steered by a
software called Office, which creates tables, organises meetings and presents results through
beamers. Christoph Bartmann shows how much
we have assimilated modern management ideals
in our everyday lives, although they are of no
use to us. In doing so, he gives us a funny and
brilliant analysis of our society.
Marcel Beyer
Putins Briefkasten
Putin’s Postbox
Erzählungen Short Stories 2012, 221 S. pp., € 8,99,
Suhrkamp Verlag, 978-3-518-46324-6
Was immer Beyer hier in seinen Erzählungen
und Skizzen in den Blick nimmt – seien es Blumen
oberhalb des Genfer Sees, eine von Rimbaud auf­
gegebene Kleinanzeige, ein einäugiger Löwe im
Dresdner Zoo, von Dostojewski zum Brüllen ge­
bracht, ein kleinformatiges Gemälde von Gerhard
Richter oder Lessings Ofenschirm in Wolfenbüttel
– stets entzünden sich an konkreten Phänome­
nen seine Überlegungen zu Sprache, Kultur und
politischer Geografie.
Ernst Augustin
Robinsons blaues Haus
Robinson’s Blue House
Roman Novel 2012, 319 S. pp., € 19,95, Verlag C. H. Beck,
978-3-406-62996-9
Der Roman ist eine letzte Robinsonade, nach eigenem Be­
kunden Augustins letztes Buch. Es gibt einen hoch­polierten
Freitag, eine Dame mit Schritt, es gibt eine abgesoffene
Kirche, und es gibt Luxus, illuminierte Zahnbürsten, Tango­
musik und bernsteinfarbenes Licht. Vor allem aber gibt
es eine Unmenge virtuellen Geldes, mit dem man das alles
kaufen kann und das sich auf Knopfdruck löscht. Und der
beste Freund erweist sich als der tödlichste.
This novel is one final Robinsonade, and according to
Augustin himself, his last book. It includes a well polished
Friday and a striding lady; there’s a sunken church and
there are luxury, illuminated toothbrushes, tango music and
amber-hued light. But above all, there’s a huge amount
of virtual money you can use to buy all those things, and
which you can delete at the push of a button. And the best
of friends turns out to be the most deadly.
Ernst Augustin, geboren 1927, war in seinem Beruf als Arzt und Psy­
chiater an entlegenen Orten tätig, unter anderem in Kandahar / Afghanistan. Heute lebt und schreibt er nach Erblindung in noch ver­
bliebenen Innenwelten in München. Er hat zahlreiche Literaturpreise
gewonnen und ist Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und
Dichtung und der Bayerischen Akademie der Schönen Künste.
Born in 1927, Ernst Augustin’s career as a doctor and psychiatrist
took him to some far-flung places, including Kandahar in Afghanistan. Today he is blind, and he lives and writes in Munich, drawing
on the interior worlds that remain to him. He has won many literary
prizes and is a member of both the German Academy for Language
and Poetry and the Bavarian Academy of Fine Arts.
28
Whatever Beyer turns his attention to in these
stories and sketches, his meditations on language, culture, and political geography are always inspired by specific phenomena – be it
flowers above Lake Geneva, a classified ad posted
by Rimbaud, a one-eyed lion at the Dresden
Zoo that was provoked to roar by Dostoyevsky, a
miniature painting by Gerhard Richter, or G. E.
Lessing’s fire screen in Wolfenbüttel. This collection of unpublished stories and vignettes by
Marcel Beyer is a book about perception, style,
listening and writing.
Marica Bodrožić
Kirschholz und alte Gefühle
Cherrywood and Old Feelings
Roman Novel 2012, 224 S. pp., € 19,99,
Luchterhand Literaturverlag, 978-3-630-87395-4
Der Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien
hat die junge Arjeta ihrer Heimat beraubt. Als
sie bei einem Umzug alte Fotos findet, begreift
sie mit einem Mal vieles, was ihr über ihre eigene
Lebensgeschichte lange im Dunkeln geblieben
war. So geht Arjeta noch einmal den Rissen in
ihrem Bewusstsein, in ihrem Leben nach – und
den Rissen in der Welt.
The civil war in former Yugoslavia robbed the
young Arjeta of her homeland. When she finds
some old photographs during a move she suddenly starts to understand a lot of things from her
own life story that had remained hidden for so
long. She revisits the past to trace the rifts in her
mind, in her life – the rifts in the world.
Nora Bossong
Gesellschaft mit beschränkter
Haftung
Company with Limited Liability
Roman Novel 2012, 304 S. pp., € 19,90,
Carl Hanser Verlag, 978-3-446-23975-3
Ein Vermögen überdauert drei Generationen:
Die erste verdient es, die zweite bewahrt es, die
dritte bringt es durch. Was aber passiert in der
vierten? Luise Tietjen, siebenundzwanzig Jahre
alt, erbt das, was sie nie gewollt hat: »Tietjen
und Söhne«, Jahresumsatz 38 Millionen, Tendenz
stark rückläufig. Luise muss die Firma retten, die
mit ihren Handtüchern einst das kaiserliche Heer
ausstattete, deren alten Werte heute aber nie­
manden mehr interessieren. Und sie muss ihren
in New York untergetauchten Vater nach Hause
holen. Doch als sie ihn endlich gefunden hat,
29
ist es bereits zu spät. Nora Bossong erzählt vom
Aufstieg und Fall eines Familienunternehmens.
A great fortune has a lifespan of three gener­
ations. The first amasses it, the second husbands
it, and the third fritters it away. But what happens in the fourth generation? Luise Tietjen,
27 years old, inherits something she never wanted: »Tietjen and Sons«, with an annual turnover
of 38 million, and in sharp decline. Luise must
rescue this firm, which once supplied the imperial
army with handtowels, but whose old-fashioned
values no longer interest anyone today. And
she has to bring home her father, who has disappeared in New York. But by the time she finds
him, it’s already too late. Nora Bossong tells the
story of the rise and fall of a family firm.
Irena Brežná
Die undankbare Fremde
The Thankless Stranger
Roman Novel 2012, 180 S. pp., € 16,99,
Verlag Galiani Berlin, 978-3-86971-052-5
Die Erzählerin verschlägt es als Immigrantin in
die Schweiz, einen sicheren Hafen von bizarrer
Saturiertheit, ein von Zäunen verstelltes Paradies
voller Ordnungshüter und Kehrmaschinen – zu
viel Widerspruch für ein Mädchen wie sie. Schon
bei der Einreise wird ihr Name vom Grenzer ver­
stümmelt. Ab dann muss sie gezwungenermaßen
unter falscher Flagge segeln und vermisst im
kalten, gleißenden Licht der Fremde die unfreie,
schmuddelige Geborgenheit der Heimat. Als
Heranwachsende rebelliert sie gegen das Gast­
land, das sie unter seine Regeln zwingt und sie
nicht sie selbst sein lässt. Nach vielen Zusam­
menstößen findet sie einen Ausweg …
The narrator lands as an immigrant in Switzerland, a strangely saturated safe haven, a paradise
disfigured by fences, filled with custodians of
order, and sweeping machines: too many contradictions for a girl like her. Even as she arrives her
name gets mangled by the border guard, after
which she is compelled to continue her way under
false colours; in the cold glare of the alien place
she misses the illiberal, squalid safety of her
home. As an adolescent, she rebels against this
host country that forces her to conform to its
rules and won’t allow her to be herself. After
many confrontations, she finds a way out …
Bernd Cailloux
Gutgeschriebene Verluste –
Roman mémoire
Allowed Losses – Roman mémoire
→ Seite page 30
Friedrich Christian Delius
Als die Bücher noch geholfen haben
Biografische Skizzen
When the Books still Helped
Biographical Sketches
2012, 304 S. pp., € 18,95, Verlag Rowohlt Berlin,
978-3-87134-735-1
Seit fast fünf Jahrzehnten ist Friedrich Christi­
an Delius Akteur und Beobachter des deutschen
Geisteslebens. Schon mit einundzwanzig las er vor
der Gruppe 47, wurde wenige Jahre später Lektor
bei Wagenbach, dann bei Rotbuch. Mit seinen
Romanen wurde er zum poetischen Chronisten
deutscher Zustände. In seinem Erinnerungsband
liefert Delius Deutungen der tiefen politischen
Spaltungen von den Sechzigern bis zur Wendezeit
und zeichnet Porträts von Weggefährten und
Autoren wie Wolf Biermann, Heiner Müller, Günter
Kunert, Nicolas Born, Thomas Brasch oder Herta
Müller. Ein ebenso persönliches wie eindrucks­
volles Zeugnis einer Epoche.
Friedrich Christian Delius has been an actor in,
and an observer of German intellectual life for
nearly five decades. When he was only 21, he read
in front of the literary association, »Gruppe 47«;
a few years later he became an editor with
Wagen­­bach and then Rotbuch. Through his novels
he became a poetic chronicler of conditions in
Germany. In this book of memoirs, Delius gives his
interpretation of the deep political divisions that
existed from the 1960s until the period of German
reunification. He also portrays his companions
and fellow authors, such as Wolf Biermann, Heiner
Müller, Günter Kunert, Nicolas Born, Thomas
Brasch or Herta Müller. An eye witness account of
an era that is as personal as it is revealing.
Ralph Dohrmann
Kronhardt
Roman Novel 2012, 928 S. pp., € 24,99,
Ullstein Verlag, 978-3-550-08878-0
In der Maschinenstickerei »Kronhardt & Sohn«
rattern nach dem Krieg die Maschinen, als wäre
nichts gewesen. Willem, einziges Kind der Firmen­
erbin, wächst unter der strengen Kontrolle von
Mutter und Stiefvater auf. Früh geht er auf Dis­
tanz, sucht seine Freiheit auf ausgedehnten Aus­
flügen in die Natur und in der Begegnung mit
ganz unterschiedlichen Menschen. In bewegen­
den Bildern und einprägsamer Sprache erzählt
dieser große deutsche Entwicklungsroman über
sechzig Jahre Leben in der Bundesrepublik und
von der Suche des Menschen nach sich selbst.
At the embroidery factory »Kronhardt & Son«,
after the war the machinery rattles away as if
nothing has happened. Willem, the only son of
the company’s heiress, grows up under the strict
control of his mother and step-father. From
an early age he distances himself, looking for
freedom in extended trips to the countryside and
in encounters with some very diverse people.
Through moving images and memorable language,
this great German Entwicklungsroman recounts
sixty years of life in Federal Germany and a person’s search for himself.
Daniela Dröscher
Pola
Roman Novel 2012, 304 S. pp., € 19,99,
Berlin Verlag, 978-3-8270-1106-0
Der Aufbruch in die Moderne ist auch eine
weibliche Geschichte, strahlende Stars wie Pola
Negri werden zu Idolen, verehrt wie einst Ma­
donnenbilder, und ihre Freizügigkeit setzte die
überkommene Ordnung außer Kraft. Dass Pola am
Ende selbst nicht mehr wusste, was Wahrheit, was
Lüge, was Gerücht war, nutzt Daniela Drö­s cher
mit viel Witz, Fantasie und Eigensinn. »Pola« ist
mehr als der Roman über eine der schillerndsten
Figuren des Stummfilms, über die Geliebte Charlie
Chaplins und Rudolph Valentinos, es ist die Ge­
schichte einer modernen Frau, die für ihre Karrie­
re zu weit ging und an ihrem Glück immer ziel­
sicher vorbei.
The start of Modernism is also a feminine story.
Bright stars such as Pola Negri became idols, revered like images of the Madonna in earlier times,
and their permissiveness served to negate the
entrenched order. In the end, Pola herself didn’t
know the difference between truth, lies and rumour, and Daniela Dröscher exploits that fact with
much humour, fantasy and wilfulness. »Pola«
is more than a novel about one of the most glamorous figures of silent films, about the lover of
Charlie Chaplin and Rudolph Valentino; it is the
story of a modern woman who went too far for
the sake of her career, always missing her happiness with unerring accuracy.
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Karen Duve
Grrrimm
Bernd Cailloux
Gutgeschriebene Verluste – Roman mémoire
Allowed Losses – Roman mémoire
Roman Novel 2012, 270 S. pp., € 21,95, Suhrkamp Verlag,
978-3-518-42279-3
Berlin 2005. Im Schöneberger Café Fler, einem Asyl der
Übrig­gebliebenen aus dem alten Westberlin, zieht ein Mann
seine Lebensbilanz: kein Eigenheim, keine Familie, keine
Rentenansprüche. Statt dessen eine junge, vielleicht letzte
Liebe des Achtundsechzigers, die ihn zu lange aufgescho­­be­
nen Reisen in die eigene Vergangenheit bewegt. Ein – auch
autobiografischer – Rückblick auf die Erlebnisse um das
Jahr 1968, die Berlin-Bohème der Siebziger- und Achtziger­
jahre, Drogen­erlebnisse, seine frühe Kindheit mit Spuren
nach Buchenwald. Ironisch und autobiografisch blickt Bernd
Cailloux auf ein hedonistisches Leben.
Berlin 2005. In Café Fler in Schöneberg, a sanctuary for
West Berliners left-over from the old days, a man mulls over
his life achievements: no home of his own, no family, no
pension. Instead, the aging member of the generation of ‘68
has a new – perhaps the final – love in his life, which moves
him, belatedly, to start journeying into his past. A partly
auto­biographical review of events in 1968, of bohemian Ber­
lin in the 1970s and ‘80s, experiences with drugs, and of his
early childhood coloured by vestiges of Buchenwald. Bernd
Cailloux looks back with irony at a hedonistic life.
Bernd Cailloux, geboren 1945 in Erfurt, ist Verfasser von Romanen,
Erzählungen, Essays, Rundfunkfeatures und Hörspielen. Sein Debüt­
roman »Das Geschäftsjahr 1968/69« erschien 2005 und wurde für
den Deutschen Buchpreis nominiert. Bernd Cailloux lebt in Berlin.
Born in 1945 in Erfurt, Bernd Cailloux is the author of novels,
short stories, essays and radio plays. His first novel »The Fiscal Year
1968/69« was published in 2005 and was nominated for the German
Book Prize. Bernd Cailloux lives in Berlin.
Geschichten Stories 2012, 180 S. pp., € 18,99,
Verlag Galiani Berlin, 978-3-86971-064-8
Karen Duve liebt seit jeher die Märchen der
Brüder Grimm. Darin allerdings geschieht viel,
was mit dem gesunden Menschenverstand nicht
zu erklären ist! Wie wahrscheinlich ist es zum
Beispiel, dass eine außergewöhnlich gut ausse­
hende junge Frau den Haushalt für sieben mit­
telalte kleinwüchsige Junggesellen führt und sich
nicht einer der Herren an sie ranmacht? Karen
Duve kam nicht umhin, ihre eigenen Ver­sionen
der Märchen zu erzählen. Was dabei heraus­
kommt, sind komische, unbarmherzig seelense­
zierende Geschichten in bester Duve-Manier.
Karen Duve has loved the fairytales of the
Brothers Grimm for as long as she can remember.
But they include a lot of things that can’t be explained with normal common sense! How likely
would it be, for example, for an extraordinarily
good looking young woman to take on the job of
housekeeper for seven short, middle-aged bachelors, without at least one of them making a
pass at her? Karen Duve had no choice but tell her
own versions of the fairytales. The results are
funny, merciless and psychologically revealing
stories in the best Duve style.
Carolin Emcke
Wie wir begehren
How we Desire
Sachbuch Non-fiction 2012, 256 S. pp., € 19,99,
S. Fischer Verlag, 978-3-10-017018-7
In ihrem so persönlichen wie analytischen Text
schildert die Autorin das Suchen und die allmäh­
liche Entdeckung des eigenen, etwas anderen
Begehrens. Sie erzählt von einem homosexuellen
Coming of Age, von einer Jugend in den 1980erJahren, in der über Sexualität nicht gesprochen
wurde. Sie buchstabiert die vielen Dialekte des
Begehrens, beschreibt die Lust der Erfüllung, aber
auch die Tragik, die gesellschaftliche Ausgren­
zung dessen, der sein Begehren nicht artikulieren
kann. Eine atemberaubend ehrliche Erzählung,
die gleichermaßen intim wie politisch ist.
In this text, both personal and analytical, the
author recounts the search for, and the gradual
discovery of her own, rather different form of
desire. She talks about a homosexual coming of
age, about a 1980s adolescence when sexuality
was not discussed. She catalogues the many
dialects of desire, describing the pleasures of ful­
filment as well as the tragedy of exclusion that
faces anyone who can’t articulate their desires.
A breathtakingly honest narration that is as
intimate as it is political.
Jenny Erpenbeck
Aller Tage Abend
At the End of the Day
→ Seite page 32
Patrick Findeis
Wo wir uns finden
Where We Find Ourselves
Roman Novel 2012, 208 S. pp., € 18,99,
Deutsche Verlagsanstalt, 978-3-421-04536-2
Sie hatten immer nur sich: Siggi und sein Vater
Josef, der als Witwer seinen Sohn durchbringt,
ihn zum Abitur treibt. Aber Siggi verweigert sich
und lässt schließlich den alten Josef auf einer
Bankbürgschaft sitzen, die den Vater das Haus
und den Ruhestand kostet. Demütig begleicht
Josef die Schuld des Sohnes, was im Dorf auf Un­
verständnis stößt. Denn keiner weiß, dass Josef
nur versucht, sein Gewissen reinzuwaschen. Seit
Siggis Geburt belastet ein Familiengeheimnis
die Beziehung zwischen Vater und Sohn: Josefs
Rolle beim Tod seiner Frau.
Siggi and his father Josef only ever had each
other; Josef, a widower, raising his son alone,
pushing him on to finish his schooling. But Siggi
drops out and finally leaves the old man sitting
with a bank guarantee that costs him his house
and his pension. Josef meekly pays his son’s
debts, something that no one in the village understands. What nobody knows is that Josef is
just trying to assuage his bad conscience. Ever
since Siggi’s birth, a family secret has burdened
the relationship between father and son: the
part Josef played in the death of his wife.
Milena Michiko Flašar
Ich nannte ihn Krawatte
I Called him Tie
→ Seite page 32
Jenny Erpenbeck
Milena Michiko Flašar
Aller Tage Abend
At the End of the Day
Ich nannte ihn Krawatte
I Called him Tie
Roman Novel 2012, 288 S. pp., € 19,99, Knaus Verlag,
978-3-8135-0369-2
Roman Novel 2012, 144 S. pp., € 16,90, Wagenbach Verlag,
978-3-8031-3241-3
Die Hauptfigur des neuen Romans von Jenny Erpenbeck
stirbt als Kind. Oder doch nicht? Stirbt als Liebende. Oder
doch nicht? Stirbt als Verratene. Als Hochgeehrte. Als von
allen Vergessene. Oder doch nicht? Meisterhaft und leben­
dig erzählt Erpenbeck, wie sich das, was wir »Schicksal«
nennen, als ein unfassbares Zusammenspiel von Kultur- und
Zeitgeschichte, von familiären und persönlichen Verstri­
ckungen erweist. Jenny Erpenbeck nimmt uns mit auf ihre
Reise durch die vielen Leben, die in einem Leben enthalten
sein können.
The protagonist of Jenny Erpenbeck’s new novel dies as
a child. Or does she? She dies while in love. Or does she?
She dies as one betrayed. As a highly respected figure. As
someone forgotten by the world. Or does she? In her master­
ful and lively narration, Erpenbeck explains how the thing
we call »fate« is really an intangible interplay between
culture and history, between various embroilments, both
common and personal. Jenny Erpenbeck takes us with her
on a journey through the many lives that a single life may
contain.
Ist es Zufall oder eine Entscheidung? Auf einer Parkbank
begegnen sich zwei Menschen. Der eine alt, der andere jung,
zwei aus dem Rahmen Gefallene. Nach und nach erzählen sie
einander ihr Leben und setzen behutsam wieder einen Fuß
auf die Erde. Nur wenige sorgfältig gewählte Worte benötigt
Milena Michiko Flašar, um ihre Figuren zum Leben zu erwe­
cken, nur wenige Szenen, um ganze Schicksale zu erzählen.
Is it a coincidence or a conscious decision? Two people
meet on a park bench – one old the other young; two disjoint­
ed individuals. Bit by bit, they tell each other their life sto­
ries and gingerly take their first steps back to normality.
It takes Milena Michiko Flašar just a few well chosen words
to breathe life into her characters; just a few scenes to nar­
rate whole destinies.
Jenny Erpenbeck, geboren 1967 in Berlin, studierte Theaterwissen­
schaft und Musiktheaterregie. Sie inszenierte Musik- und Schauspiel­
aufführungen in Deutschland und Österreich. Ihr literarisches Debüt
erfolgte 1999 mit der »Geschichte vom alten Kind«. 2001 gewann sie
den Preis der Jury beim Klagenfurter Bachmann-Wettbewerb.
Born in 1967 in Berlin, Jenny Erpenbeck studied theatre and music
theatre direction. She has directed musicals and stage plays in
Germany and Austria. She made her literary debut in 1999 with the
»Story of the Old Child« and in 2001 she won the Jury Prize at the
Ingeborg Bachmann Competition in Klagenfurt.
Milena Michiko Flašar wurde 1980 in St. Pölten als Tochter einer
japanischen Mutter und eines österreichischen Vaters geboren. Sie
studierte Komparatistik, Germanistik und Romanistik. Von ihr sind
bisher zwei Bücher erschienen: »Ich bin« (2008) und »Okaasan –
Meine unbekannte Mutter« (2010).
Milena Michiko Flašar was born in 1980 in St Pölten, Austria, to
a Japanese mother and Austrian father. She studied comparative
literature, German and Romance languages. She has published two
other books to date: »I Am« (2008) and »Okaasan – My Unfamiliar
Mother« (2010).
34
Ursula Fricker
AuSSer sich
Desperate
Roman Novel 2012, 256 S. pp., € 24,–,
Rotpunktverlag, 978-3-85869-470-6
Es ist die Geschichte einer starken Liebe. Katja
und Sebastian, ein Berliner Architektenpaar,
machen sich auf den Weg, Freunde zu besuchen.
Während der Fahrt passiert es: Sebastian erleidet
einen Schlaganfall. Der Intensivmedizin gelingt
es, ihn am Leben zu halten. Bald aber wird klar,
dass er schwer geistig behindert bleiben wird. Ist
das noch Sebastian? Erkennt er Katja überhaupt
noch? Wo sind die Bilder der Erinnerung, die Plä­
ne für die Zukunft, Wünsche und Träume? Das
Buch erzählt Katjas einsame Auseinandersetzung
mit den Grenzen ethisch-moralischer Grundsätze
und folgt ihrem Weg hin zu einer endgültigen
Entscheidung.
This is the story of a powerful love. The couple,
Katja and Sebastian, are both architects in Berlin.
It all starts when they’re on the way to visit
friends and Sebastian suffers a stroke. The doctors
of the intensive care unit manage to save his life,
but it soon becomes clear he’s going to be severely
mentally disabled. Is this still Sebastian? Does
he even recognise Katja? Where are the images in
his memory, the future plans, wishes and dreams?
The book recounts Katja’s lonely journey to the
boundaries of her ethical and moral principles –
and to her final decision.
Sabine Friedrich
Wer wir sind, wer wir waren
Who We Are
Roman Novel 2012, 2032 S. pp., € 29,90,
Deutscher Taschenbuch Verlag,
978-3-423-28003-7
So sind sie uns noch nie begegnet, die Moltkes
und die Stauffenberg-Brüder, die Bonhoeffers,
Lebers und die Dohnanyis, die Schulze-Boysens,
die Schumachers, Coppis und all die anderen,
die sich entschlossen haben, Hitler und seinem
men­s chen­verachtenden Regime die Stirn zu bie­
ten. Die Lebensgeschichten all dieser Menschen
mit ihren vielfältigen freundschaftlichen, beruf­
lichen oder verwandtschaftlichen Verbindungen
treffen uns mit einer unglaublichen Wucht. Die
Erzählung ihrer Schicksale wirft Fragen auf, die
univer­sell und zeitlos sind. »Wer wir sind« ist der
Roman über den Deutschen Widerstand.
35
We’ve never seen them like this before: The
Moltkes and the brothers Stauffenberg, the
Bonhoeffers, Lebers, Dohnanyis, Schulze-Boysens,
Schumachers, Coppis and all the others who decided to stand up against Hitler and his inhuman
regime. The biographies of all these people, with
their diverse links of friendship, profession or
kinship, hit us with incredible force. Telling their
stories throws up questions that are universal
and timeless. »Who We Are« is the novel of German anti-Nazi resistance.
Marjana Gaponenko
Wer ist Martha?
Who is Martha?
Roman Novel 2012, 237 S. pp., € 19,95,
Suhrkamp Verlag, 978-3-518-42315-8
»Wer ist Martha?« ist ein wunderbar kühner
Roman und ganz großes Kino. Es geht um die
Freude am Dasein, die Würde des Menschen, die
Liebe zur Schöpfung. Marjana Gaponenko ver­
handelt diese und auch noch die letzten Dinge
auf ihre eigene Art: »Wer ist Martha?« ist ein
Roman in Frack und Fummel, so fantastisch und
originell, so lebendig und frech, dass sich selbst
noch der Tod darüber kaputtlacht.
»Who is Martha?« is a marvellously daring
novel, and grandly cinematic. It is about the joys
of existence, human dignity and love of creation.
Marjana Gaponenko deals with these things, and
everything else, in her own special way. Draped
in rags and riches, »Who is Martha?« is a novel so
fantastic and original, so lively and cheeky, that
even Death itself dies laughing at it.
Franziska Gerstenberg
Spiel mit ihr
Play with Her
Roman Novel 2012, 264 S. pp., € 19,95,
Schöffling Verlag, 978-3-89561-342-5
»Spiel mit ihr« ist ein kluger, sinnlicher und
gefährlich gegenwärtiger Text über den Preis, der
für die Erfüllbarkeit sämtlicher Sehnsüchte ge­
zahlt werden muss. Franziska Gerstenberg wahrt
ihren Figuren gegenüber Distanz und Respekt.
Doch die Abgründe sind immer nur einen Gedan­
ken, einen Tastenklick entfernt. »Es ist nichts
passiert«, sagt der Protagonist Reinhard an einer
Stelle. Aber alles könnte passieren.
»Play with Her« is an intelligent, sensual and
dangerous contemporary novel about the price
we have to pay for the complete fulfilment of
all our longings. Franziska Gerstenberg keeps a
respectful distance from her characters, yet the
abyss is always only a thought, a click away.
»Nothing has happened«, says the protagonist
Reinhard at one point. But everything could
happen.
Daniel Glattauer
Ewig Dein
Forever Yours
Roman Novel 2012, 208 S. pp., € 17,90,
Deuticke Verlag, 978-3-552-06181-1
Im Supermarkt lernt Judith, Mitte dreißig und
Single, Hannes kennen. Kurz darauf taucht er
in dem edlen kleinen Lampengeschäft auf, das
Judith führt. Hannes, Architekt, ledig und in
den besten Jahren, ist nicht nur der Traum aller
Schwiegermütter – auch Judiths Freunde sind
restlos begeistert. Am Anfang empfindet Judith
die Liebe, die er ihr entgegenbringt, als Genuss.
Doch schon bald fühlt sie sich durch seine inten­
sive Zuwendung erdrückt und eingesperrt. All
ihre Versuche, ihn wieder aus ihrem Leben zu
kriegen, scheitern – er verfolgt sie sogar bis in
ihre Träume …
Judith, mid-thirties and single, meets Hannes
when he steps on her foot in a crowded supermarket. Before long he turns up in the exclusive
little lighting boutique that Judith runs. Hannes
is an architect, single and in the prime of life.
He’s not only every mother-in-law’s dream, even
Judith’s friends are bowled over by him. At first,
Judith revels in the love he shows her. But she
soon starts to weary of his constant displays of
affection, feeling stifled and imprisoned. All her
attempts to get him out of her life fail. He even
follows her into her dreams …
Rainald Goetz
Johann Holtrop
→ Seite page 36
Patricia Görg
afrika sich umkrempelte. Dazu aufgefordert,
ein Tagebuch zu schreiben, notierte Patricia Görg
wöchentlich die hereinflutenden Medialitäten,
ergänzte sie aber um Erlebnisse mit Künsten und
Wissenschaften sowie mit fast erfundenen Fall­
geschichten, deren Helden, wie wir alle, letztlich
erfolglos bleiben müssen.
The year in which Germany decided to phase
out its phase-out of nuclear power, in which the
euro was to be rescued, and in which North Africa
reshaped itself. When challenged to keep a diary,
Patricia Görg made a note each week of the flood
of media events. She supplemented them with
her experiences of the arts and sciences, and with
almost fictional case studies, whose heroes ultimately, like us all, must remain unsuccessful.
Matthias Göritz
Tools
Gedichte Poems 2012, 112 S. pp., € 19,90,
Berlin Verlag, 978-3-8270-1080-3
Die Gedichte von Matthias Göritz stellen die
Grenzen des Vorstellbaren in Frage. In welcher
chemischen Logik des Traums, in welchem Bild
von der Liebe leben wir gerade? Wie schlafen
Pflanzen? Was träumen Delfine? »Tools« ist nach
»Loops« und »Pools« Göritz’ dritter Gedichtband,
in dem er Bewegungsmuster erkundet, die jen­
seits der alltäglichen Zufälle, inmitten der Dinge,
die uns umgeben, und der Konzepte, die wir uns
aus ihnen machen, ins Offene führen. Die Welt
ist kein Zuhause – aber das macht nichts.
Matthias Göritz’ poems question the bound­
aries of the thinkable. In which chemical dream
logic are we currently living? In which image
of love? How do plants sleep? What do dolphins
dream? After »Loops« and »Pools«, »Tools« is
Göritz’ third poetry volume. In it he examines
patterns of movement, surrounded by everyday
things and the ideas they evoke in us, which
lead beyond commonplace coincidence, out into
the light. The world is not a home, but that
doesn’t matter.
Handbuch der Erfolglosen
Jahrgang zweitausendundelf
Olga Grjasnowa
A Manual for the Unsuccessful
Der Russe ist einer, der Birken liebt
All Russian Men Love Birch Trees
Two Thousand and Eleven Vintage
Sachbuch Non-fiction 2012, 224 S. pp., € 19,90,
Berlin Verlag, 978-3-8270-1082-7
Das Jahr, in dem der deutsche Ausstieg vom
Ausstieg aus dem Atomausstieg beschlossen
wurde, der Euro gerettet werden sollte und Nord­
→ Seite page 37
Rainald Goetz
Olga Grjasnowa
Johann Holtrop
Der Russe ist einer, der Birken liebt
All Russian Men Love Birch Trees
Roman Novel 2012, 343 S. pp., € 19,95, Suhrkamp Verlag,
978-3-518-42281-6
Ein Chef stürzt ab. »Johann Holtrop« erzählt vom Aufstieg
und Fall des gleichnamigen Vorstandsvorsitzenden, Herr
über 80.000 Mitarbeiter und einem Jahresumsatz von fast
20 Milliarden weltweit. Der Roman schildert, wie Egomanie,
Gier und Verachtung ganz langsam und für Holtrop selbst
nie richtig klar erkennbar ins wirtschaftliche Aus, persön­
liche Desaster und gesellschaftliche Nichts führen – ein
Sittenbild der Wirtschaftswelt der Nullerjahre.
A boss’s slide to ruin. »Johann Holtrop« charts the rise
and fall of the eponymous CEO, head of a company with
80,000 employees and an annual global turnover of almost
20 billion. The novel describes how egomania, greed and
disdain turn very slowly, and without Holtrop ever truly
realising it, into complete personal, social and economic
ruin – a portrait of the business world in the first decade
of the 21st century.
Rainald Goetz, geboren 1954 in München, lebt in Berlin.
Rainald Goetz was born in Munich in 1954 and now lives in Berlin.
Roman Novel 2012, 288 S. pp., € 18,90, Carl Hanser Verlag,
978-3-446-23854-1
Mascha ist jung und eigenwillig, sie ist Aserbaidschanerin
und musste als Immigrantin in Deutschland früh die Er­­fah­
rung der Sprachlosigkeit machen. Nun spricht sie fünf Spra­
chen und plant ihre Karriere bei der UNO, als ihr Freund
Elias schwer krank wird. Verzweifelt flieht sie nach Israel
und wird schließlich von ihrer eigenen Vergangenheit ein­
geholt. In perfekter Ausgewogenheit zwischen Tragik und
Komik und einem bemerkenswerten Sinn für das We­sent­­
liche erzählt Olga Grjasnowa die Geschichte einer Genera­
tion, die keine Grenzen kennt, aber auch keine Heimat hat.
Mascha is young and determined. As an Azeri and an im­
migrant to Germany, she had to cope with early experiences
of life without a voice. Now she speaks five languages and
is planning to work for the UN, but her partner Elias falls
seriously ill. In despair, she flees to Israel, where her own
past catches up with her in the end. Keeping a perfect bal­
ance between tragedy and comedy, and with a remark­able
sense of what’s essential, Olga Grjasnowa tells us the story
of a generation that knows no borders, but whose members
have nowhere they can really call home.
Olga Grjasnowa, geboren 1984 in Baku/Aserbaidschan, wuchs im
Kaukasus auf. Sie ist Absolventin des Deutschen Literaturinstituts
Leipzig und erhielt 2011 das Grenzgänger-Stipendium der Robert
Bosch Stiftung. Derzeit studiert sie Tanzwissenschaften an der
FU Berlin.
Olga Grjasnowa, born in 1984 in Baku, Azerbaijan, grew up in
the Caucasus. She is a graduate of the German Creative Writing
Programme Leipzig, and in 2011 received a research grant from the
Robert Bosch Foundation in its Border Crossers programme. She is
currently studying dance at the Freie Universität Berlin.
38
Durs Grünbein
Der KoloSS im Nebel
Colossus in the Fog
Gedichte Poems 2012, 227 S. pp., € 25,–,
Suhrkamp Verlag, 978-3-518-42316-5
Durs Grünbein präsentiert Arbeiten aus den
letzten fünf bis acht Jahren. Es sind Bilder einer
Reise, Exkursionen in das unbekannte Alltägliche,
Selbstporträts und Historienbilder, Studien von
Liebe und Sexualleben. In dieser eigenartig
schwebenden Dichtung stehen Innenleben und
äußere Welt in einer unauflösbaren Spannung:
Sie ist das Lebensprinzip Grünbein’scher Verse.
Durs Grünbein presents works from the last five
to eight years. They include images of a journey,
excursions to the unfamiliar side of every-day
life, self-portraits and historical pictures, studies
of love and sex. In this unique floating poetry,
interior and exterior worlds exist in irreconcilable
tension. This is the basic principle that gives life
to Grünbein’s verses.
39
ent­w ickelt sich eine enge Beziehung. Viele Jahre
später beobachtet Emil, wie Peter depressiv
und verwahrlost in sein Elternhaus zurückkehrt.
Der Sommer in den einsamen Häusern am Rande
des Stuttgarter Kessels vergeht mit den hilflosen
Versuchen der beiden älteren Paare, den Ver­
zweifelten wieder aufzurichten. Aber was hilft
das jetzt noch?
The schoolteacher Emil and his wife Veronika
gain a surrogate son when the seven-year-old
Peter moves in next door with his overworked
parents. The couple, who have no children of their
own, form a strong attachment to the sensitive
son. Many years later, Emil watches as Peter, depressed and neglected, moves back into his
parents’ home. The summer passes in the lonely
houses on the outer fringe of Stuttgart, as the
two elderly couples try helplessly to get the distraught Peter back on his feet. But what good
will that do now?
Peter Handke
Wolf Haas
Verteidigung der Missionarsstellung
Defending the Missionary Position
Roman Novel 2012, 224 S. pp., € 19,90,
Verlag Hoffmann und Campe, 978-3-455-40418-0
Gegen das Verlieben kämpft Benjamin Lee
Baumgartner einen aussichtslosen Kampf. Diese
Seuche bringt ihn um den Verstand. Mit Kopf­
verdrehen fängt es an. Mit Gehirnerweichung
geht es weiter. Und das Schlimmste daran: Der
Patient infiziert auch noch seinen Autor. Vorsicht,
höchste Ansteckungsgefahr!
Benjamin Lee Baumgartner is fighting a hopeless battle against falling in love. It’s a plague
that is driving him crazy. It all starts with the
turning of the head; it continues with a softening
of the brain. And the worst of it is, the patient
even infects his own author! Pay attention! High
risk of infection!
Anna Katharina Hahn
Am Schwarzen Berg
Black Mountain Side
Roman Novel 2012, 236 S. pp., € 19,95,
Suhrkamp Verlag, 978-3-518-42282-3
Der Lehrer Emil und sein Frau Veronika bekom­
men einen Wahlverwandten, als der sieben­
jährige Peter mit seinen vielbeschäftigten Eltern
ins Nebenhaus einzieht. Zwischen dem kinder­
losen Paar und dem sensiblen Nachbarsjungen
Immer noch Sturm
Still Storm
Theaterstück Stage play 2012, 166 S. pp., € 8,99,
Suhrkamp Verlag, 978-3-518-46323-9
Das Jaunfeld im Süden Österreichs, in Kärnten.
Dort versammeln sich um ein »Ich« dessen Vor­
fahren: die Großeltern und deren Kinder, unter
ihnen die eigene Mutter. Gestaltet Peter Handke
eine beispielhafte Familientragödie in Szenen?
Erzählt er anhand einzelner Stationen das Epos
eines Volkes, der Slowenen? Entwirft er das Ge­
schichtsdrama der ewigen Verlierer? Oder wendet
er sich, erzählend-dramatisch, zurück zur eige­
nen Biografie, deren Voraussetzungen und Folgen?
Ein Panorama, das weit über alle litera­r i­s chen
Genres hinausreicht und sie sich zugleich anver­
wandelt. Hier durchdringen sich Prosa und Drama,
Theatralisches und Poetisches, Geschicht­liches
und Persönliches.
In Jaunfeld, in southern Austrian Carinthia, his
forebears gather around the first-person narrator:
his grandparents and their children, among them
his own mother. Is Peter Handke setting the scene
for a quintessential family tragedy? Is he using
distinct episodes to tell us the epic of a people,
the Slovenians? Is he composing a historical drama
of the eternal loser? Or is he returning, in his
story­t elling dramatic way, to his own biography,
its precursors and its consequences? Here is a
panorama reaching far beyond all literary genres,
which transforms itself along the way. A play
permeated by prose and drama, by the theatrical
and poetical, the historical and personal.
Wolfgang Herrndorf
Sand
→ Seite page 40
Felicitas Hoppe
Hoppe
Roman Novel 2012, 336 S. pp., € 19,99,
S. Fischer Verlag, 978-3-10-032451-1
»Hoppe« ist keine Autobiografie, sondern
Hoppes Traumbiografie, in der Hoppe von einer
anderen Hoppe erzählt: von einer kanadischen
Kindheit auf dünnem Eis, von einer australischen
Jugend kurz vor der Wüste, von Reisen über das
Meer und von einer Flucht nach Amerika. Hoppes
Lebens- und Reisebericht wird zum tragikkomi­
schen Künstlerroman, mit dem sie uns durch die
Welt und von dort aus wieder zurück in die deut­
sche Provinz führt, wo ihre Wunsch­f amilie immer
noch auf sie wartet. Eine Geschichte über ver­
gebliche Wünsche, gescheiterte Hochzeiten und
halbierte Karrieren. Und über das un­bestreitbare
Glück, ein Kind des Rattenfängers aus Hameln
zu sein.
»Hoppe« is not an autobiography, it is Hoppe’s
dream biography, in which the real Hoppe tells us
about a different Hoppe: of a Canadian childhood
lived on thin ice and an Australian adolescence
just next to the desert, of travels across the seas
and of flight to America. Hoppe’s life story and
travelogue turns into a tragicomic novel-of-anartist, with which she takes us around the world,
and from the world back to provincial Germany,
where her ideal family is still waiting for her. It is
a story of vain hopes, failed weddings and truncated careers – and about the indisputable joy of
being a child of the Pied Piper of Hamelin.
Sabrina Janesch
Ambra
Roman Novel 2012, 372 S. pp., € 22,99,
Aufbau Verlag, 978-3-351-03500-6
Als ihr Vater stirbt, erbt Kinga Mischa eine
Wohnung in einer fernen Stadt am Meer. Und ei­
nen Bernsteinanhänger, in dem eine Spinne ge­
fangen ist, die auf rätselhafte Weise alle Mischas
mit der Stadt verbindet – eine leibhaftige Zeugin
einer ungewöhnlichen Familiengeschichte. Fünf
Jahrzehnte nach der »Blechtrommel« porträtiert
Sabrina Janesch eine Stadt, in die die rätselhafte
Geschichte der Mischas eingeschlossen ist wie in
einen Bernstein.
After the death of her father, Kinga Mischa inherits an apartment in a distant city by the sea –
as well as an amber pendant with a spider trap­ped
inside. In some mysterious way, this connects
all the Mischas with the city, as a palpable eyewitness to an unusual family history. Five decades
after »The Tin Drum«, Sabrina Janesch gives
us the portrait of a city that has entrapped the
Mischas’ enigmatic story as if in amber.
Vea Kaiser
Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam
Brass Band Pop or How Science Came
to the Mountains
Roman Novel 2012, 491 S. pp., € 19,99,
Verlag Kiepenheuer & Witsch, 978-3-462-04464-5
In ihrem Debütroman entfaltet Vea Kaiser mit
großer Verve und unwiderstehlichem Witz die
Welt des abgeschiedenen alpenländischen Berg­
dorfes St. Peter am Anger und erzählt die Ge­
schichte einer Familie, die über drei Generationen
hinweg auf kuriose Weise der Wissenschaft ver­
fallen ist.
In her debut novel, written with great verve
and irresistible humour, Vea Kaiser exposes the
world of the remote alpine village of St. Peter am
Anger and tells the story of a family that has
developed a peculiar addiction to science across
three generations.
Reinhard Kaiser-Mühlecker
Roter Flieder
Red Lilac
Roman Novel 2012, 512 S. pp., € 24,99,
Verlag Hoffmann und Campe, 978-3-455-40423-4
»Roter Flieder« ist ein gewaltiger Roman, ge­
formt aus der Geschichte des zwanzigsten Jahr­
hunderts, seinen Hoffnungen und Wirren. Auf der
langen Strecke gehen Menschen dreier Genera­
tionen verloren. Sie scheitern an ihrer Unfähigkeit
den anderen wahrzunehmen, sich verständlich
zu machen oder sich auch nur über die eigenen
Gefühle klar zu werden. Gottes­f ürchtigkeit und
Schicksalsergebenheit bemänteln Sprachlosigkeit
und stumme Gewalt.
»Red Lilac« is a huge novel, moulded on the
history of the 20th century, with all its hopes
and its turmoil. Across the full span of that time,
41
people of three generations become lost. Their
failures stem from their inability to appreciate the
others, to make themselves understood, or even
to find any clarity regarding their own feelings.
Piousness and resignation to fate cover up speech­
­lessness and mute violence.
story about Greenland, that land of extremes,
enveloped in cold and loneliness, but also in a
comforting magic. With great care and touching
imagery, the author traces the twists and turns
of her characters’ lives and shows why the events
of that night could only have taken the course
they did.
Walter Kappacher
Land der roten Steine
Land of Red Stones
Wolfgang Herrndorf
Sand
Roman Novel 2011, 480 S. pp., € 19,95, Verlag Rowohlt Berlin,
978-3-87134-734-4
Während in München Palästinenser des »Schwarzen
Sep­tember« das olympische Dorf überfallen, geschehen in
der Sahara mysteriöse Dinge. In einer Hippie-Kommune
werden vier Menschen ermordet, ein Geldkoffer verschwin­
det, und ein unterbelichteter Kommissar versucht sich an
der Auf­k lärung des Falles. Ein verwirrter Atomspion, eine
platinblonde Amerikanerin, ein Mann ohne Gedächtnis –
Nord­a frika 1972.
While the Palestinians are attacking the Olympic Village
in Munich’s »Black September«, mysterious things are
happening in the Sahara. Four people are murdered in a
hippie commune, a case full of money disappears, and
a none too bright police inspector tries to solve the case. A
confused nuclear spy, a platinum blonde American, a man
with no memory: North Africa in 1972.
Wolfgang Herrndorf, 1965 in Hamburg geboren, hat Malerei studiert.
2010 erschien der Roman »Tschick«, der zum Überraschungserfolg
des Jahres avancierte. Wolfgang Herrndorf wurde mehrfach ausge­
zeichnet, darunter 2011 mit dem Brentano-Preis.
Wolfgang Herrndorf, born in Hamburg in 1965, studied painting.
In 2010 he published his novel »Tschick«, which became that year’s
surprise success. Herrndorf has won numerous awards, including
the 2011 Brentano Prize.
Roman Novel 2012, 160 S. pp., € 17,90,
Carl Hanser Verlag, 978-3-446-23861-9
Wessely, ein Arzt aus dem Salzburger Land,
bricht in die Vereinigten Staaten auf, um im Alter
über seine Zukunft nachzudenken. Mit Everett,
dem wortkargen Fahrer des Jeeps, dringt er im­
mer tiefer in eine Einsamkeit vor, in der er hofft,
sich selbst zu finden. Doch findet man das er­
hoffte neue Leben, wenn man nur aus dem alten
aufbricht? Walter Kappacher schreibt einen
Roman, der ganz auf die Macht der Bilder und auf
die Macht der Sprache vertraut und der Heimat
und Fremde in eine überraschende und tiefe Be­
ziehung setzt.
Wessely, a provincial doctor from the region of
Salzburg, sets off for the USA at an advanced age
to spend time thinking about his future. With the
taciturn jeep driver Everett, he pushes ever deeper
into an isolation, in which he hopes to find himself. But can you find the new life you want, just
by leaving the old one behind you? Walter Kap­­
pacher’s novel rests entirely on the power of its
images and the power of its language; it finds a
surprising and profound relationship between
familiar and the alien worlds.
Esther Kinsky
Aufbruch nach Patagonien
Departure for Patagonia
Gedichte Poems 2012, 88 S. pp., € 17,90,
Verlag Matthes & Seitz, 978-3-88221-585-4
In ihrem zweiten Gedichtband nach »Die un­
gerührte Schrift des Jahrs« (2010) führt Esther
Kinsky ihre lyrische Erkundung des Lebens fort.
Sie erweitert den Kosmos ihrer Bilderwelt – Natur,
Landschaft, Jahreszeiten – um Themen, die sie
weit über ihr bisheriges Zentrum Mittel­europa
hinausführen. Mit leisem und wissendem Humor
bricht sie auf nach Patagonien, ein Land der
Sehn­süchte und Träume, und folgt den Flügen
der schwarzen Raben.
In this, her second volume of poems after »The
Year’s Untouched Writing« (2010), Esther Kinsky
continues her lyrical exploration of life. She adds
to the cosmos of her imagery – nature, landscape,
seasons – with subject matter that stretches far
beyond her previous focus on Central Europe. With
gentle and knowing humour, she heads off for
Patagonia, a country of yearning and dreams, following the flight of the black raven.
Bodo Kirchhoff
Die Liebe in groben Zügen
A Broad Outline of Love
Anna Kim
→ Seite page 42
Anatomie einer Nacht
The Anatomy of a Night
Christian Kracht
Roman Novel 2012, 303 S. pp., € 19,95,
Suhrkamp Verlag, 978-3-518-42323-3
Der Roman »Anatomie einer Nacht« erzählt die
letzten Stunden von elf Menschen und von Grön­
land, diesem Land der Extreme, über dem so viel
Kälte und Einsamkeit und tröstlicher Zauber zu­
gleich liegt. Behutsam und in eindringlichen Bil­
dern folgt die Autorin den lebensgeschichtlichen
Verzweigungen ihrer Figuren und gibt Antwort
darauf, warum diese eine Nacht nur so ablaufen
konnte, wie sie ablief.
The novel »The Anatomy of a Night« recounts
the final hours of eleven people, and it tells a
Imperium
A Small Empire
Roman Novel 2012, 256 S. pp., € 18,99,
Verlag Kiepenheuer & Witsch, 978-3-462-04131-6
In seinem vierten Roman zeichnet Christian
Kracht die groteske, verlorene Welt von DeutschNeuguinea, eine Welt, die dem Untergang geweiht
ist und in der sich doch unsere Gegenwart selt­
sam spiegelt. Zugleich aber ist Christian Krachts
»Imperium« eine erstaunliche, immer wieder
auch komische Studie über die Zerbrechlichkeit
und Vermessenheit menschlichen Handelns.
43
In his fourth novel, Christian Kracht paints a
picture of the grotesque, bygone world of German
New Guinea; it is a world predestined to fall, but
one which strangely reflects our modern times.
At the same time, however, Kracht’s »A Small Empire« is an astonishing and repeatedly funny
examination of the fragility and overconfidence
of human activity.
Germán Kratochwil
Bodo Kirchhoff
Scherbengericht
Ostracism
Die Liebe in groben Zügen
A Broad Outline of Love
→ Seite page 44
Roman Novel 2012, 670 S. pp., € 28,–, Frankfurter Verlagsanstalt,
978-3-627-00183-4
Helmut Krausser
Nach seinen beiden erfolgreichen Romanen »Infanta« (1990)
und »Parlando« (2001) erzählt Bodo Kirchhoff von drei welt­
erschließenden Liebesgeschichten und einer weltverengen­
den enttäuschten Jugendfreundschaft: »Die Liebe in groben
Zügen« ist ein großartiges, souverän und stilsicher erzähl­
tes Panorama einer Ehe als Lebensprojekt in einer Zeit, die
den Moment verherrlicht. Und wenn es einen Höhepunkt
in der Ehe gibt, erkennt der Protagonist Vila am Ende, dann
besteht er in deren Dauer.
Following his two bestselling novels, »Infanta« (1990)
and »Parlando« (2001), Bodo Kirchhoff now gives us three
love stories with the potential to open up the world, and
one betrayed childhood friendship that constricts the world.
»A Broad Outline of Love« is a superb, self-assured and
stylishly presented panorama that depicts a marriage as a
lifelong project in an age when we live for the moment.
And if there is a highpoint in marriage, then, as the prota­
gonist Vila realises at the end, it lies in its very longevity.
Bodo Kirchhoff, geboren 1948, lebt in Frankfurt am Main und am
Gardasee. Er hat viele renommierte Preise gewonnen, unter anderem
den Kritikerpreis für Literatur und die Carl-Zuckmayer-Medaille des
Landes Rheinland-Pfalz.
Bodo Kirchhoff, born in 1948, lives in Frankfurt am Main and at
Lake Garda. He has won many important prizes, including the German Critics’ Prize for Literature and the Carl Zuckmayer Medal of the
federal state of Rhineland-Palatinate.
Nicht ganz schlechte Menschen
Not Such Bad People
Roman Novel 2012, 600 S. pp., € 22,99,
DuMont Verlag, 978-3-8321-9682-0
Helmut Kraussers neuer Roman verflicht die
Erschütterungen der 1930er-Jahre mit den turbu­
lenten Lebensläufen dreier Menschen. 1915 kommt
ein Zwillingspaar zur Welt, das gegensätzlicher
nicht sein könnte: Max und Karl sind zeitlebens
Kontrahenten und bleiben doch eng verbunden.
Als es ihnen im Deutschland der Dreißigerjahre zu
eng wird, fliehen sie mit der Prostituierten Ellie
nach Frankreich. Als Illegale suchen sie in Paris ihr
Glück – und finden das Leben. Schließlich bricht
Karl auf, um im Spanischen Bürgerkrieg für eine
bessere Welt zu kämpfen.
Helmut Krausser’s new novel weaves the turbulent biographies of three people into the
upheavals of the 1930s. In 1915, a pair of twins is
born who could not be more different from each
other. Max and Karl are locked in rivalry all their
lives, but they remain closely tied. When things
become too restrictive in the 30s in Germany they
flee to France, together with the prostitute Ellie.
They seek their fortunes as illegal immigrants
in Paris – and they discover life. In the end, Karl
leaves for the Spanish Civil War to fight for a
better world.
Ursula Krechel
Landgericht
Court of Justice
→ Seite page 45
Kevin Kuhn
Hikikomori
Roman Novel 2012, 224 S. pp., € 14,99,
Berlin Verlag, 978-3-8270-1116-9
Till hat alle Freiheiten: Er geht auf »die freies­
te Waldorfschule der Welt«, seine Eltern – ein
anthroposophisch motivierter Schönheitschirurg
und die Kuratorin eines innovativen SchauRaums –
fördern ihn, wo sie nur können. Als er nicht
zum Abitur zugelassen wird, ist er plötzlich auf
sich selbst zurückgeworfen und beginnt nachzu­
denken: Was soll aus mir werden, fragt er sich
und beschließt so lange in seinem Zimmer auszu­
harren, bis er darauf eine Antwort weiß. Kevin
Kuhns Debütroman erzählt vom Erwachsenwer­
den ohne Geländer und verschränkt dabei Reali­
tät und Virtualität miteinander.
Till has all the freedom he could wish for. He
goes to the »freest Waldorf School in the world«,
and his parents – an anthroposophically inspired
cosmetic surgeon and the curator of an innovative
showroom – give him all the support they can.
But when he fails to make the grade for his final
school exams he’s suddenly on his own, and he
starts to think. Wondering what’s to become of
him, he decides to stay in his room for as long
as it takes to find an answer. Kevin Kuhn’s debut
novel relates what it’s like to grow up without
any limitations, and in doing so it intermingles
reality and virtuality.
Peter Kurzeck, Jörg Döring (Hgg.)
Unerwartet Marseille
Peter Kurzeck erzählt
Unexpected Marseille
Peter Kurzeck Narrates
Hörbuch Audiobook 2012, 2 Audio-CDs,
€ 19,80, Stroemfeld Verlag, 978-3-86600-007-0
Peter Kurzeck erzählt von den langen Som­
mern der späten Sechzigerjahre. Jahre des Tram­
pens und der Vollbeschäftigung. Eine Freundin
in Prag im Frühjahr '68. Und dann über München,
Meran, Venedig, Pula, Wien, Bratislava in den
Sommer des Prager Frühlings. Auf der Karlsbrücke
die Beatles im Kofferradio. Die Tage der Okkupa­
tion am Radio in Staufenberg. Der Herbst nach
dem Prager Frühling. Wie im Juni 1970 am eigenen
Geburtstag die Mutter stirbt und man noch am
Tag der Beerdigung zu einer langen Sommerreise
nach Schweden aufbricht. Im Transit durch die
DDR. In die Mitsommernacht, ans Nordkap und
wochenlang barfuß. Wie man zurückkommt
Germán Kratochwil
Ursula Krechel
Scherbengericht
Ostracism
Landgericht
Court of Justice
Roman Novel 2012, 311 S. pp., € 22,90, Picus Verlag,
978-3-85452-682-7
Roman Novel 2012, 480 S. pp., € 29,90, Verlag Jung und Jung,
978-3-99027-024-0
Auf einem patagonischen Landgut, das die Kulisse von
Clemen­t ines neunzigstem Geburtstag bildet, treffen zur Jahr­
tausendwende zwölf Personen aufeinander – Sommergäste,
von denen jeder seinen Teil der gemeinsamen Geschichte der
Emigration aus einem aus den Fugen geratenen Europa mit
sich trägt: die Wiener Jubilarin, ihr Sohn Martin, die Enkel
Katha und Gabriel, und all die anderen. Sie finden sich nicht
bloß mit ungelösten Familienproblemen, sondern auch mit
den Geistern der jüngsten Vergangenheit konfrontiert. Das
Gartenfest steigert sich zu einer tragi­komischen Klimax,
deren Ende eintrifft, unerwartet und wie nebenher.
Twelve people meet each other at the turn of the millenni­
um on a ranch in Patagonia, which is also the backdrop to
Clementine’s ninetieth birthday. Each of these summer guests
carries within themselves their own share of the collective
history of emigration from a derailed Europe: the Viennese
nonagenarian, her son Martin, the grandchildren Katha and
Gabriel, and all the others. It is not just the unsolved family
problems they have to face up to, but also the ghosts of the
more recent past. The garden party escalates to a tragicomic
climax, which arrives, unexpectedly and almost incidentally.
Was muss einer fürchten, was darf einer hoffen, der 1947
aus dem Exil in Havanna nach Deutschland zurückkehrt?
Der Roman mit dem doppeldeutigen Titel erzählt die tragi­
sche Geschichte von Richard Kornitzer. Er handelt von einer
deutschen Familie und zugleich von den Gründungsjahren
einer Republik. Mit sprachlicher Behutsamkeit und einer
insistierenden Zuneigung lässt »Landgericht« den Figuren
späte Gerechtigkeit widerfahren.
What must a person fear, what can a person hope for, who
returns from exile in Havana to Germany in 1947? Under
its ambiguous title, the novel tells the tragic story of Richard
Kornitzer. It is about a German family, and it also describes
the formative years of a new republic. With linguistic ten­
derness and insistent affection, »Court of Justice« provides
its figures with a kind of late justice.
Germán Kratochwil wurde in Österreich geboren und wanderte als
Kind mit der Familie aus. Er lebt in Patagonien und Buenos Aires.
1973 zum Sozialwissenschaftler promoviert, war er für internationale
Organisationen tätig und veröffentlichte Fachliteratur. »Scherben­
gericht« ist sein erster Roman.
Germán Kratochwil was born in Austria and emigrated as a child
with his family. He lives in Patagonia and Buenos Aires. In 1973,
he completed a doctorate in social sciences; he has since worked for
international organisations and published specialist literature.
»Ostracism« is his first novel.
Ursula Krechel, geboren 1947 in Trier, lebt in Berlin. Sie debütierte
1974 mit dem Theaterstück »Erika«. Ihr vielseitiges Werk wurde
mehrfach ausgezeichnet, unter anderem erhielt sie für »Shanghai
fern von wo« (2008) den Joseph-Breitbach-Preis. 2012 erhielt sie für
»Landgericht« den Deutschen Buchpreis.
Ursula Krechel, born in 1947 in Trier, lives in Berlin. Her debut
came in 1974 with a play called »Erika«. She has received many
awards for her diverse works, including the Joseph Breitbach Prize
for the novel »Shanghai, Far From Everywhere« (2008). For »Court
of Justice« she was awarded the German Book Prize 2012.
46
und irgendwann weiß, man kann nicht mehr zur
Arbeit gehen. Will fortan Schriftsteller sein.
Peter Kurzeck tells us about the long summers
of the late 1960s – years of hitchhiking and full
employment. About a girlfriend in Prague in the
spring of ’68. And then via Munich, Meran, Venice,
Pula, Vienna, and Bratislava in the summer of the
Prague Spring. The Beatles on a transistor radio
on the Charles Bridge. Days occupying the radio in
Staufenberg. Autumn after the Prague Spring.
About the day his mother dies in June 1970, on his
own birthday; and the departure for a long summer trip to Sweden on the same day as the funeral. Transit through the GDR. Midsummer nights,
towards the North Cape, and weeks of going barefoot. The return, and at some point realising he
can no longer go to work, but will henceforth be
a writer.
Volker Kutscher
Die Akte Vaterland
Gereon Raths vierter Fall
The Fatherland Files
A Fourth Case for Gereon Rath
Kriminalroman Crime Novel 2012, 576 S. pp.,
€ 19,99, Verlag Kiepenheuer & Witsch,
978-3-462-04466-9
Volker Kutscher entwirft erneut eine packende
und komplexe Geschichte vor dem Hintergrund
historischer Ereignisse. Während Straßenschlach­
ten zwischen Nazis und Kommunisten immer
mehr Todesopfer fordern, putscht Reichskanzler
Franz von Papen die demokratische Regierung
Preußens aus dem Amt und mit ihr die Spitze der
Berliner Polizei. Damit verschärft sich die Lage
auch für Gereon Rath, der sich bisher der Protek­
tion durch Polizeivizepräsident Bernhard Weiß
sicher sein konnte …
Once again, Volker Kutscher has devised a
thrilling and complex story against the backdrop
of historical events. As street fights between
Nazis and Communists are reaping an ever higher
death toll, Reich Chancellor von Papen stages a
coup against the democratic Prussian government, removing it from office – and with it, the
higher echelons of the Berlin police. This makes
things more difficult for Gereon Rath, who until
now has been able to rely on the protection
of the deputy police chief, Bernhard Weiss …
47
Egon Christian Leitner
Des Menschen Herz
Sozialstaatsroman
Of the Human Heart
A Novel of the Social State
Roman Novel 2012, 1210 S. pp. in drei Bänden in
three volumes, € 39,90, Wieser Verlag,
978-3-99029-002-6
Ein Bericht über ein Kind, das nur zufällig
überlebt hat. Davon, wie Menschen waren und
was aus ihnen geworden ist. Und über die Hilfs­
einrichtungen, deren jeder Mensch im Laufe
seines Lebens bedarf; wenn nicht er selbst, dann
die ihm Nahestehenden. Ein Nachdenken über
die Aussichten einer Frauenpartei und die Chan­
cen einer Sozialstaatspartei, über all die gegen­
wärtigen Versuche, die Politik neu zu erfinden.
In drei Bänden gibt der Autor mit Hilfe von Episo­
den aus seinem Berufsalltag als Kranken- und
Altenpfleger, politischen Gedanken und Tage­
buch­aufzeichnungen Einblicke in die gesamtge­
sellschaftliche Verfassung.
A report on a child that only survived by
chance; about how people used to be and what
has become of them; and about the support
structures that every person has need of at some
time in their lives – if not for themselves, then for
those close to them. This is a meditation on the
prospects a women’s party would have, or a social
state party; about the contemporary attempts to
reinvent politics. In three volumes, drawing from
episodes in his professional life as a nurse and
geriatric carer, as well as his political thoughts
and diary entries, the author gives us insights into
the condition of society as a whole.
Hanna Lemke
Geschwisterkinder
Siblings
Erzählung Short Story 2012, 126 S. pp., € 14,95,
Antje Kunstmann Verlag, 978-3-88897-749-7
Eine beinahe zur Alltäglichkeit gewordene Ein­
samkeit umgibt die erwachsenen Geschwister
Milla und Ritschie. Erst der Besuch eines alten
Freundes und die Einladung zu einer Hochzeit von
flüchtigen Bekannten bringt die Geschwister
wieder einander näher. So beginnt eine zarte An­
näherung, die darauf beruht, dass nicht alles,
was wir übereinander zu wissen meinen, stimmt
und nicht jede Erinnerung wahrhaftig ist.
A solitude that has become almost normal envelopes the grown-up siblings Milla and Ritschie.
It is only the visit of an old friend and the invitation to a wedding of some distant acquaintances
that bring the brother and sister closer again. This
is the beginning of a gentle reconciliation which
builds on the fact that not everything we think we
know about each other is true, and that not all
memories are accurate.
Nicol Ljubić
Als wäre es Liebe
As if it were Love
Roman Novel 2012, 288 S. pp., € 19,99,
Verlag Hoffmann und Campe, 978-3-455-40320-3
49 Jahre muss Friedrich seine Strafe verbüßen,
bevor er im Gefängnis stirbt. Er ist ein Frauen­
mörder, den die deutsche Nachkriegsgesellschaft
für immer wegschließen will. »Sie« verliebt sich
in ihn, teilt die wenigen Stunden in Freiheit, die
man ihm irgendwann gewährt. Es ist eine Liebe,
die beide ausschließt: aus ihrer Familie, dem
Freundeskreis, der Gesellschaft. In einem Kokon
aus Abhängigkeit und Illusion lebt sie eine Liebe,
die getrieben ist von der Überzeugung, dass es
die gesellschaftlichen Umstände sind, die ihn zum
Mörder machten. Und die sie ihre eigene Realität – ihren Sohn – vergessen lassen.
Friedrich has to sit for 49 years in gaol for his
crime, and is destined to die there. He is a murderer, and in post-war German society they want
him put away for ever. »She« falls in love with him
and shares with him the few hours of freedom
he is eventually allowed. It is a love that disbars
them both from life – from families, friends,
society. In a cocoon of dependency and illusion,
she lives a love which is sustained by her con­
viction it was social conditions that made him a
murderer, and which lets her forget her own
reality, her own son.
Dea Loher
Bugatti taucht auf
Bugatti Surfaces
→ Seite page 48
Benjamin Maack
Monster
Erzählung Short Story, 192 S. pp. mit E-Book,
e-book included € 16,90, mairisch Verlag,
978-3-938539-21-7
Ein Chemielaborant, der in einem überalterten
Dorf im Harz nach der Liebe sucht – und eine Eule
findet. Ein Manager, der als ein guter Erwachsener
in Hotelzimmern liegt und von den Sünden seiner
Jugend heimgesucht wird. Ein Housesitter, der
ein Sofa versaut, einen Baum tötet und eine Min­
derjährige verführt. Sie alle heißen Benjamin.
Sie alle irren umher. Durch Wälder und Tierparks,
über Familienfeiern und Vorortstraßen.
A chemical lab technician, who looks for love
in a superannuated village in the Harz region –
and finds an owl. A manager lying in a hotel room,
a good man in his maturity being revisited by
the sins of his youth. A house-sitter, who ruins a
sofa, kills a tree and seduces an underage girl.
They are all named Benjamin. They’re all wandering about in circles, around forests and zoos,
through family parties and suburban streets.
Angelika Meier
Heimlich, heimlich mich vergiss
Secretly, Secretly Forget me
→ Seite page 49
Rainer Merkel
Das Unglück der anderen. Kosovo,
Liberia, Afghanistan
The Misfortune of Others. Kosovo,
Liberia, Afghanistan
Reportage 2012, 256 S. pp., € 22,99,
S. Fischer Verlag, 978-3-10-048443-7
Rainer Merkel, der ein Jahr lang als Mitarbeiter
bei der Hilfsorganisation Cap Anamur in einer
Psychiatrie in Liberia gearbeitet hat, reist in drei
vom Krieg verwüstete Länder. In seinen Repor­
tagen fragt er, welche Anziehungskraft Traumata
und Gewalt auf Menschen haben können. Frie­
densarbeiter, Traumatherapeut oder Bundes­
wehrsoldat: Sie alle suchen die Grenzerfahrung,
die nicht intensiv genug sein kann. Als »Embed­
ded Journalist« im Feldlager der Bundeswehr
in Afghanistan wird Merkel plötzlich mit seiner
eigenen Geschichte und seinen eigenen Traumata
konfrontiert. Es zeigt sich, dass das Unglück der
anderen unsere Trauer ist.
Rainer Merkel, who spent a year working in a
psychiatric clinic in Liberia for the humanitarian
organisation Cap Anamur, travels through three
war-ravaged countries. In his reportage he asks
what kind of fascination people find in trauma
and violence. Peace activists, trauma therapists,
soldiers: They’re all looking to test their limits
through experiences that can’t be intense enough.
As an »embedded journalist« in a German army
camp in Afghanistan, Merkel himself is suddenly
Dea Loher
Angelika Meier
Bugatti taucht auf
Bugatti Surfaces
Heimlich, heimlich mich vergiss
Secretly, Secretly Forget me
Roman Novel 2012, 208 S. pp., € 19,90, Wallstein Verlag,
978-3-8353-1054-4
Roman Novel 2012, 336 S. pp., € 22,90, Diaphanes Verlag,
978-3-03734-184-1
Dea Lohers Roman verknüpft zwei Handlungskreise, die
sich auf wahre Begebenheiten beziehen: Der gewaltsame
Tod eines jungen Mannes während der Fastnacht 2008
in Locarno, der trotz minutiöser Rekonstruktion der Tat und
klarer Beweislage kaum aufgeklärt wird. Und die Erinne­
rung an ein Autowrack, wohl ein Bugatti Brescia 22, das seit
fünfundsiebzig Jahren auf dem Grund des Lago Maggiore
liegt. Der Roman nimmt Existenzielles in den Blick, er fragt
nach dem Sinn des Lebens und findet Bilder von großer
Eindringlichkeit.
Dea Loher’s novel combines two plotlines, each of which
is drawn from real life. One is the violent death of a young
man during carnival celebrations in Locarno, in 2008,
which remains largely unsolved despite detailed reconstruc­
tions of the crime and a clear body of evidence; the other
is the memory of a wrecked car – a Bugatti Brescia 22 – that
has been lying on the bottom of Lake Maggiore for the past
75 years. The novel focuses on existential ideas; it questions
the meaning of life and creates some very powerful images.
Angelika Meiers zweiter Roman spielt in einer Welt zwischen
Nostalgie und Science-Fiction, in der »mangelnde Gesund­
heitseinsicht« ein tödlicher Befund ist: eine fröhlich-düstere
Elegie auf uns sentimentale Selbstoptimierer. In luftiger
Höhe thront eine gläserne Klinik über den Angelegenheiten
der Normalsterblichen. Unfähig, den Eigenbericht zu schrei­
ben, den seine Klinikleitung ihm abverlangt, erzählt sich
Dr. Franz von Stern gegen seinen Willen zurück in die Ver­
gangenheit. Irrealer als die Gegenwart kann das Erinnerte
nicht sein, und so macht von Stern sich auf, seine verglaste
Welt zu verlassen.
Angelika Meier’s second novel is set in a world between
nostalgia and science fiction, in which »inadequate health
awareness« is a fatal diagnosis. In turns upbeat and sombre,
it is an elegy to our self-improving selves. Set at a lofty
altitude, a glazed health clinic holds sway over the affairs
of normal mortals. Incapable of writing the self-assessment
report that the clinic management expects of him, Dr Franz
von Stern begins involuntarily to describe scenes from
his past. The things of memory can hardly be more fantasti­
cal than the present, so Stern decides to leave his glassedin world.
Dea Loher, geboren 1964 in Traunstein, studierte Germanistik und
Philosophie. Ihre Theaterstücke wurden mit zahlreichen Preisen
gewürdigt, zuletzt 2009 mit dem Berliner Literaturpreis und dem
Marieluise­-Fleißer-­Preis. Sie lebt in Berlin.
Born in Traunstein in 1964, Dea Loher studied German and
philosophy. Her works for the theatre have won numerous awards,
most recently the Berlin Prize for Literature and the Marieluise
Fleißer Prize in 2009. She lives in Berlin.
Angelika Meier wurde 1968 geboren. Nach einem Studium der
Germanistik und anschließender Promotion lebt sie heute als freie
Autorin in Berlin. 2010 erschien ihr erster Roman »England«.
Angelika Meier was born in 1968. After studying German literature
and completing her doctorate, she now lives as a full-time author in
Berlin. Her first novel »England« was released in 2010.
50
confronted with his own past and traumas. It
becomes clear that the misfortune of others is
our sorrow.
Lukas Meschik
Luzidin oder Die Stille
Luzidin, or the Silence
Roman Novel 2012, 562 S. pp., € 25,–,
Verlag Jung und Jung, 978-3-902497-99-4
Justus Geheimnis, Angestellter einer Firma, die
technische Geräte erzeugt, wird von einem selt­
samen Dröhnen verfolgt. Ladislaus Kampf, Toilet­
tentester und Waschraumexperte, entflieht dem
trostlosen Alltag, indem er die Einführung in die
Feindeswissenschaft voranbringt. Wien höchst­
persönlich gewinnt einen Boxkampf gegen Berlin
und wird als nächstes gegen Gott in den Ring
steigen. Und dann ist da noch eine Gruppe litera­
risch Unentwegter, die den Versuch unternimmt,
diesen ganzen Wahnsinn zu dokumen­tieren. Der
Debütroman des jungen Autors ist eine lebens­
pralle Fabel.
Justus Geheimnis, employee of a technical
equipment manufacturer, is pursued by a strange
droning. Ladislaus Kampf, toilet tester and lavatory expert, escapes his dreary day-to-day life by
pursuing his induction into the adversarial scien­
ces. Vienna itself wins a boxing match with Berlin,
and for its next opponent will enter the ring
a­gainst God. And then there’s the group of literary
stalwarts attempting to document all this madness. The young author’s debut novel is a fable,
filled to bursting with life.
Thomas Meyer
Wolkenbruchs wunderliche Reise in
die Arme einer Schickse
Wolkenbruch’s Amazing Journey into
the Arms of a Shikse
Roman Novel 2012, 288 S. pp., € 24,90,
Salis Verlag, 978-3-905801-59-0
Der junge orthodoxe Jude Mordechai Wolken­
bruch, kurz Motti, hat ein Problem: Die Frauen, die
ihm seine »mame« als Heiratskandidatinnen vor­
setzt, sehen alle so aus wie sie. Ganz im Gegen­
satz zu Laura, seiner adretten Mitstudentin – doch
die ist leider eine »schickse«: Sie trägt Hosen, hat
einen hübschen »tuches« und benutzt unge­hö­
rige Ausdrücke. Zweifel befallen Motti: Ist sein
vorgezeichneter Weg wirklich der richtige für ihn?
Sein Gehorsam gegenüber der »mame« schwin­
det. Die Dinge nehmen ihren Lauf. Und Motti
51
kann schon recht bald einen Schluss ziehen: Auch
»schiksen« haben nicht alle Tassen im Schrank.
The young Orthodox Jew, Mordechai Wolkenbruch – Motti for short – has a problem. All the
women that his »mame« presents to him as potential marriage candidates are just like copies of
herself. That’s not the case with Laura, his smart
fellow student. Unfortunately, however, Laura is a
»shikse«. She wears trousers, has a pretty »tuches« and expresses herself inappropriately. Motti
starts to have doubts. Is his preordained path really the right one for him? His dutifulness towards
his »mame« evaporates. Things run their course.
And, soon enough, Motti is ready to draw his conclusions: »shikses« have lost their marbles too!
Lothar Müller
WeiSSe Magie
Die Epoche des Papiers
White Magic
The Paper Age
Sachbuch Non-fiction 2012, 384 S. pp., € 24,90,
Carl Hanser Verlag, 978-3-446-23911-1
Man kann darauf drucken und schreiben, man
kann es zerreißen, knicken und falten. Der Autor
erzählt, wie das aus China stammende Papier von
Ägypten nach Europa kam und zum Grundstoff
der modernen Zivilisation wurde: Als Wechsel und
Papiergeld war es unentbehrlich für die Ökono­
mie, als Briefpapier wurde es zum Schauplatz der
modernen Seele, als Zeitungspapier zum Schau­
platz der Politik. Müllers Kronzeugin ist die Lite­
ratur von Rabelais und Grimmelshausen, von
James Joyce bis Paul Valéry.
You can print on it or write on it; you can tear
it, crease it and fold it. The author tells us how
paper, which originated in China, made its way to
Europe via Egypt, and how it became the founding
material for modern civilisation. It became indispensible for the economy, in the form of promissory documents and banknotes; as letter-writing
paper it provided a stage for the modern soul;
and in the form of newspapers, it has been the
platform of politics. Müller’s chief witness is literature, from Rabelais and Grimmelshausen, to
James Joyce and Paul Valéry.
Sten Nadolny
Weitlings Sommerfrische
Weitling’s Summer Holiday
→ Seite page 52
Matthias Nawrat
Wir zwei allein
The Determined
Roman Novel 2012, 192 S. pp., € 17,90,
Verlag Nagel & Kimche, 978-3-312-00497-3
Seit dem Abbruch seines Studiums jobbt der
Außenseiter Benz als Gemüsefahrer und ist damit
zufrieden. Bis ihm Theres begegnet. Da schmie­
det Benz plötzlich ausgefallene Pläne und unter­
nimmt in Gedanken waghalsige Expeditionen,
um ihre Liebe zu gewinnen. Schließlich gewährt
sie ihm eine gemeinsame Nacht, aber danach ist
sie plötzlich verschwunden. Nawrats Roman ist
ein außergewöhnliches und starkes Debüt über
eine Generation von Unentschlossenen, über die
große Liebe und ihr manchmal atemberaubend
hohes Risiko.
Since dropping out of college Benz has been
paying his way as a vegetable delivery driver, and
he’s content with that. Until he meets Theres.
Suddenly Benz begins planning all manner of offbeat schemes, and he dreams up the most reckless adventures to win her heart. In the end she
lets him sleep with her, but the very next morning she vanishes into thin air. Nawrat’s novel is
an unusual and powerful debut work about an
indecisive generation, about passionate love and
the shockingly high risks it sometimes entails.
Georg M. Oswald
Unter Feinden
Among Enemies
Kriminalroman Crime Novel 2012, 256 S. pp.,
€ 18,99, Piper Verlag, 978-3-492-05383-9
Diller ist angespannt und nervös im Vorfeld
der internationalen Sicherheitskonferenz in Mün­
chen. Sein Partner Kessel ist auf Drogen und als
er in Panik einen jungen »Arab« überfährt, steckt
Diller voll mit drin. Während Diller die internen
Ermittlungen gegen sich und Kessel zu kontrollie­
ren versucht, muss er weiter seine Arbeit tun und
ein mögliches Attentat auf die Konferenzteilneh­
mer verhindern. Und die Uhr tickt. Denn wenn
der junge »Arab« aus dem Koma erwacht, wird er
erzählen, wer ihn lebensgefährlich verletzt hat.
Viel zu lange ist Diller nicht klar, dass sein alter
Freund Kessel ein noch viel größeres Problem ist.
Diller is tense and worried in advance of an
international security conference in Munich. His
partner Kessel is on drugs, and when he panics
and runs over a young Arab boy, Diller is up to his
neck in trouble. While he tries to keep the inter-
nal investigations against himself and his partner
under control, Diller must still do his job and
prevent a possible attack on the conference parti­
ci­pants. Time is against him, because when the
Arab boy wakes up from his coma, he’ll be able to
identify who it was who nearly killed him. And
it takes Diller much too long to realise that his old
friend Kessel poses an even bigger threat than
he thought.
Annette Pehnt
Chronik der Nähe
A Chronicle of Closeness
Roman Novel 2012, 224 S. pp., € 17,99, Piper Verlag,
978-3-492-05506-2
Annette Pehnt erzählt die Geschichte einer
Familie mit wortgewaltigen Frauen, Plauderta­
schen, Lästermäulern: Großmutter, Mutter und
Tochter. Schwierig wird es, wenn das Schweigen
ausbricht. Sie schweigen, bis eine klein beigibt,
bis eine die Stärkere ist und ihren Willen be­
kommt. Aber wie wollen sie so eine Antwort auf
die Frage finden: Liebst du mich auch? Auf einer
Reise lässt sich das vielleicht besser herausfin­
den, bevor die Mutter stirbt. Aber ob der Ausflug
nach Rügen hält, was sich die Tochter von ihm
verspricht? »Chronik der Nähe« ist der Roman
dreier Generationen von Frauen und eine kurze
Geschichte Deutschlands zugleich.
Annette Pehnt tells the story of a family of
vociferous women: a grandmother, mother and
daughter – gossips and slanderers all. But the
real problems start when they fall silent. They’ll
maintain their silence until one of them gives in
and one has had her way. But how, in this fashion, can they answer the big question: Do you
love me? Perhaps if they go on a holiday, it might
help – before the mother dies. But will their outing to Rügen live up to the daughter’s expectations? »A Chronicle of Closeness« is a novel about
three generations of women, and it’s also a short
history of Germany.
Christoph Peters
Wir in Kahlenbeck
We in Kahlenbeck
→ Seite page 53
Sten Nadolny
Christoph Peters
Weitlings Sommerfrische
Weitling’s Summer Holiday
Wir in Kahlenbeck
We in Kahlenbeck
Roman Novel 2012, 224 S. pp., € 16,99, Piper Verlag,
978-3-492-05450-8
Roman Novel 2012, 512 S. pp., € 22,99,
Luchterhand Literaturverlag, 978-3-630-87321-3
In einem Sommergewitter kentert das Segelboot des Ber­
liner Richters Wilhelm Weitling. Er kommt nur knapp mit
dem Leben davon, muss aber feststellen, dass ihn sein
Unfall fünfzig Jahre in die Vergangenheit zurückgeworfen
hat. Neugierig, aber auch mit sanfter Kritik, begleitet er
den Jungen, der er einmal war, durch die Tage nach dem
Sturm. Wer ist er damals gewesen? Und wie konnte aus
diesem Menschen der werden, der er heute ist? Muss er die
Erinnerung an seine Eltern, seine erste Liebe, seine Berufs­
wahl, sein ganzes Leben revidieren? Sten Nadolny entführt
uns auf eine philosophische Zeitreise, die seinen scharf
beobachtenden Helden zu unverhofften Erkenntnissen führt.
Berlin judge, Wilhelm Weitling’s yacht capsizes during
a summer storm. He just escapes with his life, although he
comes to realise the accident has thrown him fifty years
back into the past. He then accompanies the boy he used to
be, with curiosity as well as gentle criticism, through the
days following the storm. Who was he back then? And how
could that person have become the one he is today? Will
he have to revise his memories of his parents or of his first
love, of his career choice or his whole life? Sten Nadolny
carries us off on a philosophical time journey that leads his
sharply observant hero to some unexpected discoveries.
Es ist eine Welt für sich: das Collegium Gregorianum Kah­
lenbeck, ein streng katholisches Jungeninternat irgendwo
am Niederrhein. Hier wächst der knapp 15-jährige Carl
Pacher Anfang der Achtzigerjahre heran. Sowohl tiefgrün­
dig als auch aberwitzig und komisch, ist »Kahlenbeck« ein
Pubertäts- und Internatsroman, wie man ihn lange nicht
gelesen hat: ein Buch über Religion und Spiritualität, über
Freundschaft und Rivalität, über das Fegefeuer der Pubertät
und die Fallgruben der Liebe. Wie Christoph Peters diese
Themen und Motive miteinander verknüpft, das ist höchste
erzählerische Kunst.
The Collegium Gregorianum Kahlenbeck is a world of its
own. A strict Catholic boarding school for boys in the Lower
Rhine region, this is where Carl Pacher, almost 15 years
old, is growing up in the early 1980s. Profound, strange and
hilarious all at the same time, »We in Kahlenbeck« is the
kind of novel about adolescence and boarding schools that
hasn’t been seen for a long time. It is a book about religion
and spirituality, about friendship and rivalry, and about
the tortures of puberty and the pitfalls of love. The way in
which Christoph Peters combines these themes and motifs
is nothing short of narrative art.
Sten Nadolny, geboren 1942, lebt in Berlin und am Chiemsee. 1983
erschien sein Welterfolg »Die Entdeckung der Langsamkeit«, dem die
Romane »Selim oder Die Gabe der Rede«, »Ein Gott der Frechheit«,
»Er oder Ich« und »Ullsteinroman« folgten.
Sten Nadolny was born in 1942, and now lives in Berlin and Chiem­
see. His international bestseller »The Discovery of Slowness« appeared in 1983, and was followed by the novels »Selim, or the Gift of
Speech«, »God of Impertinence«, »He or I« and »Ullstein Novel«.
Christoph Peters wurde 1966 in Kalkar geboren. Er ist Autor von
bislang fünf Romanen sowie mehreren Erzählbänden und wurde für
seine Bücher mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem
aspekte-Literaturpreis. Christoph Peters lebt in Berlin.
Christoph Peters was born in Kalkar in 1966. To date he has written
five novels and several volumes of short stories. He has received
numerous awards for his books, among them the »aspekte« Literature
Prize. Christoph Peters lives in Berlin.
54
Teresa Präauer
Für den Herrscher aus Übersee
For the Ruler from Overseas
Roman Novel 2012, 140 S. pp., € 16,90,
Wallstein Verlag, 978-3-8353-1092-6
Es ist Sommer. Die Eltern sind auf Reisen und
schicken ihren Kindern täglich eine Ansichtskarte
von den exotischen Plätzen dieser Welt. Der Groß­
vater liest daraus vor, was er lesen möchte, und
das ist meist das Gegenteil dessen, was dort ge­
schrieben steht. Die Kinder hängen an den Lippen
des Großvaters und seine Geschichten werden
immer fantastischer. Ein Debütroman über das
Fliegen und die Vögel, über einen Großvater und
seine geheimnisvolle Japanerin, über Kinder­
träume und Lebensklugheit, bestechend genau
und bilderreich erzählt.
It is summer. The parents are away travelling
and they send their children a new postcard every
day from exotic places around the world. Their
grandfather reads them what he wants to read
from the cards – which is mostly the opposite of
what’s actually written there. The children hang
on his every word, and the stories become more
and more fantastic. A debut novel about flying
and birds, about a grandfather and his mysterious
Japanese woman, about childhood dreams and
the wisdom of age; a beautifully precise narration,
rich in imagery.
Tilman Rammstedt
Die Abenteuer meines ehemaligen
Bankberaters
The Adventures of my Former Bank
Advisor
Roman Novel 2012, 190 S. pp., € 18,99, DuMont
Verlag, 978-3-8321-9686-8
Wie sonderbar die Welt aussieht, wenn man
sie mit den Augen eines Bankberaters betrachtet.
Erst recht, wenn es sich um einen ehemaligen
handelt. Auch nachdem er längst entlassen ist,
will dieser Berater seinen Arbeitsplatz einfach
nicht aufgeben. Nachts berät er im Vorraum der
Bank weiterhin die Kundschaft. Dabei geht es
ihm immer weniger um Geldanlagen als um den
größeren Zusammenhang: Er erklärt keine Zerti­
fikate, sondern das Leben. Folgerichtig zieht der
Berater hinaus in die Welt, wo ungeahnte Aben­
teuer auf ihn warten.
How strange the world looks when seen
through the eyes of a banker. Especially if it’s an
ex-banker we’re talking about. Even long after
55
he was made redundant, this bank advisor just
doesn’t want to give up the job. He spends his
nights advising customers in the lobby of the
bank. Now, however, his advice has less and less
to do with financial investments, but addresses
the broader context; he doesn’t explain share
certificates, but life itself. It’s therefore seems
only fitting when the advisor sets out into the
world, where untold adventures await him.
fourth volume. Profound, original and thematically diverse, the poems record thoughts, theories, political observations and snap-shot images,
but also quite commonplace experiences. Something has occurred: The poem informs us, and it
asks for our interpretation.
Christoph Ransmayr
→ Seite page 56
Atlas eines ängstlichen Mannes
Atlas of a Fearful Man
Thomas Rosenlöcher
Roman Novel 2012, 464 S. pp., € 24,99,
S. Fischer Verlag, 978-3-10-062951-7
Der Erzähler führt sein Publikum an die ferns­
ten und nächsten Orte dieser Erde: in den Schat­
ten der Vulkane Javas, ins hocharktische Packeis,
an die Stromschnellen von Mekong und Donau
und über die Passhöhen des Himalajas bis zu den
entzauberten Inseln der Südsee. Wie Landkarten
fügen sich dabei siebzig Episoden zu einem Welt­
buch, das in atemberaubenden Bildern Leben
und Sterben, Glück und Schicksal der Menschen
kartografiert.
The narrator leads his audience to the furthest
and the closest places on earth: into the shadow
of Java‘s volcanoes, the rapids of the Mekong and
the Danube, across the high arctic pack-ice and
over Himalayan mountain passes, all the way to
the disenchanted islands of the South Seas. On
the way, 70 episodes merge like maps into a world
atlas which uses breathtaking images for its cartography of human life and death, joy and fate.
Monika Rinck
Honigprotokolle
Honey Chronicles
Gedichte Poems 2012, 80 S. pp., € 19,90,
kookbooks, 978-3-937445-49-6
»Hört ihr das, so höhnen Honigprotokolle« –
so fangen die meisten der 65 Gedichte an, die
Monika Rinck in ihrem vierten Lyrikband ver­s am­
melt. Tiefgründig, originell und thematisch viel­
fältig geben die Gedichte Gedanken, Theorien,
politische Betrachtungen, Momentaufnahmen,
aber auch ganz alltägliche Erfahrungen wieder.
Etwas ist passiert – das Gedicht gibt Auskunft
und bittet seinerseits um Deutung.
»Do you hear? Thus mock the Honey Chronicles« – This is how most of the 65 poems start,
which are collected here by Monika Rinck in her
Michael Roes
Die Laute
The Lute / T he Sounds
Hirngefunkel
Mind Matter
Gedichte Poems 2012, 125 S. pp., € 13,95,
Insel Verlag, 978-3-458-19369-2
Die Kindheit ist eine notwendige Bedingung
des Staunens. Ist sie erst vorüber, fällt es schwer,
sich der Routine des Alltags zu entziehen. In den
Gedichten Thomas Rosenlöchers, die in diesem
Band versammelt sind, gelingt dies, in jenen aus
den Jahren 1988–1996 wie in zwanzig neuen.
Immer wieder steht die Zeit für einen Moment
still, dehnt der Augenblick des Staunens gegen
das Alltägliche sich zur Ewigkeit, ob beim Lau­
schen eines Allegro Confuso oder im Schein des
Amsterdamer Rotlichts. Vielleicht ja deshalb,
weil uns die Kindheit nie ganz verloren geht.
Childhood is an essential precondition for a
sense of wonder. Once childhood is over, it
becomes difficult to withdraw from our daily routines. Thomas Rosenlöcher manages to achieve
just that in all the poems collected in this volume.
Some date from the period 1988 to 1996, but there
are 20 new works. Whether it’s listening to an
»allegro confuso« or standing in the glow of redlight Amsterdam, time stands still repeatedly,
for brief moments in which a split-second of
wonder expands to eternity, evading the everyday. Perhaps it’s because we never quite lose
our childhood.
Patrick Roth
Sunrise
Das Buch Joseph
The Book of Joseph
→ Seite page 57
Hans Joachim Schädlich
Sire, ich eile
Sire, I hurry
Novelle Novella 2012, 144 S. pp., € 16,95,
Rowohlt Verlag, 978-3-498-06416-7
Enttäuscht vom Desinteresse des Versailler
Hofes, erschüttert vom Tod seiner Geliebten
Émilie du Châtelet, gibt Voltaire 1750 dem Drän­
gen des Königs von Preußen nach und geht nach
Potsdam. Bald erweist sich, dass Voltaire und
Friedrich unverträglich sind. Es kommt zum
Bruch. Voltaire ist in Gefahr und macht sich auf
die Reise. In Frankfurt am Main wird er auf Ge­
heiß Friedrichs unter Hausarrest gestellt. Hans
Joachim Schädlich führt mit äußerster Verknap­
pung, jedoch historisch präzise, nicht nur die
Unvereinbarkeit von freiheitlichem Geist und ab­
solutistischer Macht vor Augen – er rückt auch
Voltaires berühmte Gefährtin Émilie du Châtelet
ins Bild und eine große, aufgeklärte Liebe.
Disillusioned by the apathy of the courtiers at
Versailles, and devastated by the death of his
beloved Émilie du Châtelet, in 1750 Voltaire finally
gives in to the hectoring of the King of Prussia,
and travels to his court in Potsdam. It soon becomes clear that Voltaire and Friedrich are incompatible. After their rift, Voltaire is in danger and
decides to leave. In Frankfurt am Main he is
placed under house arrest on Frederick’s orders.
While remaining historically accurate, Hans
Joachim Schädlich not only shows us with superb
brevity how impossible it is to reconcile authoritarian rule with the spirit of intellectual freedom,
he also trains his lens on Voltaire’s famous mistress Émilie du Châtelet and their great, enlightened love.
Norbert Scheuer
Peehs Liebe
PEEH’S LOVE
Roman Novel 2012, 223 S. pp., € 17,95,
Verlag C. H. Beck, 978-3-406-63949-4
Rosarius Delamot ist ein Außenseiter. In seiner
Jugend kleinwüchsig und in den ersten dreiund­
zwanzig Jahren seines Lebens ohne Sprache, sieht
er die Dinge feinsinniger als gewöhnliche Men­
schen. Sein Gehirn scheint ein unendlicher Spei­
cher von kleinsten Wahrnehmungen und Erinne­
rungen zu sein. Als alter Mann im Heim wird er
liebevoll von Annie gepflegt. In ihr sieht Rosarius
seine geliebte Petra, die er als Kind nur »Peeh«
nennen konnte. Ihm ist, als würde er Annie die
Michael Roes
Die Laute
The Lute / T he Sounds
Roman Novel 2012, 406 S. pp., € 24,90, Verlag Matthes & Seitz,
978-3-88221-986-9
Wie klingt Musik, wenn man sie nicht hören kann? Asis,
ein jemenitischer Junge, ist von Melodien erfüllt, nachdem
er von einem Blitz getroffen wurde. Durch eine brutale
Bestrafung verliert er sein Hörvermögen. Asis erlernt die
Gebärdensprache, erkämpft sich seine Position als Ge­­­hör­
loser in der Welt der Hörenden und wird schließlich Kompo­
nist. Der Roman führt in eine Welt von gefühlten Geräu­
schen und gebärdeten Gefühlen: ein berührendes Plädoyer
für die tiefgreifende und umwälzende Kraft der Literatur
und der Musik.
How does music sound when you can’t hear it? Asis, a
Yemeni boy, is filled with melodies after being struck by
lightning. As the result of a brutal punishment he loses his
hearing. Asis learns to use sign language and fights for
his position in a world of hearing people; finally he also
becomes a composer. The novel takes the reader to a world
where noises are made tactile, where language can be seen
and where feelings are expressed through signs. It is a
touching plea for the radical force of literature and music.
Michael Roes, 1960 in Rhede/Westfalen geboren, wuchs in Bocholt
auf. Mehrjährige Aufenthalte im Jemen, Israel und Amerika bilden
den Hintergrund für viele seiner Bücher. Als jüngste Auszeichnung
erhielt er 2006 den Alice Salomon Poetik Preis. Michael Roes lebt
in Berlin.
Michael Roes, born in 1960 in Rhede, Westphalia, grew up in
Bocholt. His several years of residence in Yemen, Israel and America
provide the background for many of his books. His most recent
award came in 2006, when he won the Alice Salomon Poetry Award.
Michael Roes lives in Berlin.
Patrick Roth
Sunrise
Das Buch Joseph
The Book of Joseph
Roman Novel 2012, 510 S. pp., € 24,90, Wallstein Verlag,
978-3-8353-1051-3
Jerusalem im Jahr 70 nach Christus: Die Belagerung der
heiligen Stadt bildet den Ausgangspunkt der unerhörten
Geschichte des Joseph von Nazareth als der eines Zweifeln­
den, von dessen tiefem Glauben und seinem Ungehorsam
wider Gott. Dreizehn Jahre nach Jesu Geburt fordert Gott
ein äußer­s­tes Opfer von Joseph. Wird er dieses wirklich auf
sich nehmen können? In raffiniert ineinander verwobenen
Passagen zwischen Traum und Realität dringt der Roman
in Erfahrungsräume vor, in denen vermeintliche Gewiss­
heiten brüchig werden.
It is Jerusalem in AD 70. The siege of the holy city serves
as the starting point for this incredible story about Joseph
of Nazareth as a doubter, about his deep belief and his
dis­obedience towards God. Thirteen years after the birth of
Jesus, God calls on Joseph to make the ultimate sacrifice.
Will he really be able to go through with it? In sequences
skilfully interwoven between dream and reality, the novel
penetrates into experiential spaces in which our supposed
certainties start to crumble.
Patrick Roth wurde 1953 in Karlsruhe geboren. Nach dem Studium
der Anglistik, Germanistik und Romanistik ging er in die USA und ar­
beitete in verschiedenen Bereichen des Filmgeschäfts. Seit den
1990er-Jahren schreibt er Novellen, Romane und Erzählungen. Sein
Werk wurde mehrfach ausgezeichnet. 2012 hatte Roth in Heidelberg
die Poetikdozentur inne.
Patrick Roth was born in 1953 in Karlsruhe. After studying English,
German and Romance literatures, he moved to the USA where he
worked in different areas of the film business. He has been writing
novellas, novels and short stories since the 1990s. Roth has earned
many awards for his work and in 2012 he held the guest lectureship
for poetry at Heidelberg University.
58
abenteuerliche Geschichte seines Lebens erzählen,
eine Geschichte über die Liebe, das Altern und
das Vergessen.
Rosarius Delamot is an outsider. As an adolescent he was small for his age and he didn’t speak
for the first twenty-three years of his life, but he
sees things more perceptively than ordinary people. His brain seems like an infinite store of the
most negligible impressions and memories. Now
an old man in a nursing home, he is cared for
affectionately by Annie. Rosarius sees in her his
beloved Petra, whom he’d only been able to call
»Peeh« in his childhood. It seems to him as if
he’s telling Annie the story of his adventurous
life, a tale of love, aging and forgetting.
Silke Scheuermann
Die Häuser der anderen
Other People’s Houses
Roman Novel 2012, 264 S. pp., € 19,95,
Schöffling Verlag, 978-3-89561-374-6
Christopher und Luisa haben geheiratet und
sich im Leben eingerichtet: Die Altbauwohnung
ihrer Studentenzeit haben sie gegen ein Haus am
Stadtrand von Frankfurt getauscht, als sichtbares
Zeichen ihrer Ambitionen. Doch die beiden müs­
sen, ebenso wie die anderen Bewohner des Vier­
tels, erfahren, dass sich nicht alles mit Willens­
kraft und Selbstinszenierung herbeiführen lässt.
Silke Scheuermann schildert was geschieht, wenn
Menschen ihr Leben nach anderen ausrichten,
ihre vermeintliche Überlegenheit ins Wanken ge­
rät oder wenn sie vom Glück überrascht werden.
Christopher and Luisa have married and es­
tablished themselves in life. In a visible sign of
their ambition they have swapped the old flat
of their student days for a house on the edge of
Frankfurt. But just like the other people in this
neighbourhood, they still have to learn that you
can’t achieve everything you want through will
power and self-presentation alone. Silke Scheuer­
mann describes what happens when people live
their lives according to the expectations of others,
when their supposed superiority is shaken, or
when happiness takes them by surprise.
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Roland Schimmelpfennig
Der goldene Drache
The Golden Dragon
Theaterstücke Stage Plays 2012, 736 S. pp., € 16,99,
Fischer Taschenbuch Verlag, 978-3-596-19251-9
Roland Schimmelpfennig ist der meistgespielte
Gegenwartsdramatiker Deutschlands. Seine Thea­
terstücke werden weltweit in über vierzig Ländern
mit großem Erfolg aufgeführt. Das Buch umfasst
elf neue Theaterstücke aus den Jahren 2004–2011:
»Ambrosia«, »Auf dem Weg zu Persephone«, »Auf
der Greifswalder Straße«, »Calypso«, »Das fliegen­
de Kind«, »Der goldene Drache«, »Die vier Him­
melsrichtungen«, »Hier und Jetzt«, »Idomeneus«,
»Peggy Pickit sieht das Gesicht Gottes«, »Wenn,
dann: Was wir tun, wie und warum«.
Roland Schimmelpfennig is now the most
commonly performed contemporary German
playwright, with his plays being staged to great
success in more than forty countries. This book
con­t ains eleven new works from the period 2004
to 2011: »Ambrosia«, »On the Way to Persephone«,
»On Greifswalder Street«, »Calypso«, »The Flying
Child«, »The Golden Dragon«, »The Four Points
of the Compass«, »Here and Now«, »Idomeneus«,
»Peggy Pickit Sees the Face of God«, »When, Then:
What We Do, How and Why«.
Julia Schoch
Selbstporträt mit Bonaparte
Self-Portrait with Bonaparte
Roman Novel 2012, 144 S. pp., € 16,99,
Piper Verlag, 978-3-492-05547-5
Seitdem sie Bonaparte auf einer Konferenz in
Berlin begegnet ist, bestimmt sein Schicksal ihr
Leben. Nun ist Bonaparte, notorischer Spieler und
ihr Geliebter, weg. Zögerlich zunächst, aber auch
beharrlich geht sie seinem Verschwinden nach,
hinterfragt ihre Liebe und das, was sie mit Bona­
parte verbindet. Ist mit dem gemeinsamen
Glücksspiel auch ihre Liebesgeschichte verloren
gegangen? Auf der Suche nach den verborgenen
Fäden der Vergangenheit entsteht gleichzeitig
das Porträt unserer Gegenwart, die in einem
Stillstand gefangen zu sein scheint, vor dem uns
und die Erzählerin einzig die Leidenschaft zu
retten vermag.
From the first moment she met him at a conference in Berlin, his fate defined her own life.
Now Bonaparte, a notorious gambler and also her
lover, has gone. Reluctantly at first, but with increasing persistence, she tries to understand his
disappearance, questioning her love and the ties
that bound her to him. Did the story of their love
end when they stopped playing their games of
chance together? As she searches for the hidden
threads of the past, a picture emerges of our present in apparent stagnation, and the only thing
that seems likely to save the narrator or ourselves
is passion.
Philipp Schönthaler
Nach oben ist das Leben offen
Above life is open
Erzählungen Short Stories 2012, 201 S. pp., € 19,90,
Verlag Matthes & Seitz, 978-3-88221-584-7
Eine Bergsteigertruppe, ein redseliger Tiefsee­
taucher, Besucher einer Shopping-Mall oder
Zugreisende – Schönthaler zeigt mit unverhohle­
nem Blick den heutigen Menschen in seiner
Lebenswelt. Er erzeugt realistische Porträts, in
denen er seine Protagonisten und gleichsam
die moderne Gesellschaft durchleuchtet. Anspie­
lungsreich findet er in seinem ungewöhnlichen
Prosadebüt einen reifen, eigenen Ton, der in
Atem hält, verführt – und listig mit Brüchen und
Irritationen den Leser herausfordert.
A team of mountaineers, a talkative deep-sea
diver, shoppers in a mall, and travellers on a train:
Schönthaler gives us a candid picture of modern
people living their real surroundings. He draws
lifelike portraits that not only capture his protagonists, but also expose modern society. In this
unusual prose debut, teeming with associations,
he finds a mature and personal voice; he teases,
beguiles and challenges the reader with moments
of discontinuity and irritation.
Frank Schulz
Onno Viets und der Irre vom Kiez
Onno Viets and the Neighbourhood
Maniac
→ Seite page 60
Simon Schwartz
Packeis
Pack Ice
Graphic Novel 2012, 176 S. pp., € 19,95,
avant-verlag, 978-3-939080-52-7
Wer war Matthew Henson? Als erster Mensch
erreichte er 1909 den Nordpol und wurde Teil der
Sagenwelt der Inuit, als der Mann, der den Teufel
besiegte. Doch der verdiente Ruhm blieb ihm
verwehrt – denn Matthew Henson war schwarz.
In seinem neuen Buch erzählt der preisgekrönte
Comiczeichner und Autor Simon Schwartz die
Geschichte des afroamerikanischen Polarfor­
schers. Auf bewegende Weise berichtet er vom
Pioniergeist, Scheitern und Vergessenwerden
eines großen Mannes.
Who was Matthew Henson? In 1909 he was
the first person to reach the North Pole, and
he entered into Inuit mythology as the man who
triumphed over the Devil. But his well-earned
fame was denied him because Matthew Henson
was black. In his new book, award-winning comics illustrator and author Simon Schwartz tells
the story of the African-American polar explorer,
a great man’s pioneering spirit, his fall and his
slide into obscurity.
Katrin Seddig
Eheroman
Marriage: A Novel
Roman Novel 2012, 448 S. pp., € 19,95,
Verlag Rowohlt Berlin, 978-3-87134-736-8
Ava Grünebach war schon immer ein bisschen
anders. Sie hat einen verrückten Vornamen, nur
fast normale Eltern, und sie hat Danilo, der sich
schon mit zwölf in sie verliebt und mit sechzehn
bei ihr einzieht – Danilo, der Avas Leben zu etwas
Besonderem macht. Doch langsam, im Lauf der
Jahre, wird Ava unsicher, ob Danilo wirklich das
Beste ist, was ihr passieren konnte … In »Ehero­
man« greift Katrin Seddig mitten hinein ins Leben
und holt das Schönste, Traurigste und Großartigs­
te heraus. Ein Roman über die Sehnsucht, den
Zweifel und alles dazwischen: drastisch, sinnlich
und voller tragikomischem Humor.
Ava Grünebach was always a bit different. She’s
got a weird first name, and parents that only just
count as normal. And she’s got Danilo, who fell
in love with her when he was only twelve and
moved in with her at 16; Danilo who makes Ava’s
life special. But slowly, as the years pass, Ava
becomes less certain about whether Danilo really
is the best thing that could have happened to
her … With »Marriage«, Katrin Seddig delves deep
into the real world to find the brightest, darkest
and most wonderful moments. A novel about
longing, doubt and everything in between; a dramatic and sensual story told with a refreshing
dose of dark humour.
61
Clemens J. Setz
Indigo
→ Seite page 62
Gerhard Seyfried
Verdammte Deutsche!
Spionageroman
Damned Germans!
Frank Schulz
Onno Viets und der Irre vom Kiez
Onno Viets and the Neighbourhood Maniac
Roman Novel 2012, 368 S. pp., € 19,99,
Verlag Galiani Berlin, 978-3-86971-038-9
Was passiert, wenn ein Autor wie Frank Schulz zum ersten
Mal in seinem Leben seine wild wuchernde Fantasie und
Sprachlust mit der spannungsgeladenen Handlung eines
Thrillers kombiniert? – Schafft es der Leser nicht, das Buch
rechtzeitig zuzuschlagen, wird er hineingerissen in einen
Strudel aus Verrat und aberwitzigen Dialogen, Hochspan­
nung und unvergesslichen Figuren, Situationskomik und
abgründigen Milieustudien.
What happens when an author like Frank Schulz com­
bines his lavish fantasy and love of language with the highvoltage plot of a crime novel for the first time? Reader be­
ware: If you don’t close the book quickly, you’ll be drawn
in­to a maelstrom of treachery and hilarious dialogue, excite­
ment and unforgettable characters, situation comedy and
profound social analysis.
Frank Schulz, Jahrgang 1957, lebt als freier Schriftsteller in Hamburg.
Für die Romane seiner »Hagener Trilogie« wurde er mehrfach aus­ge­
zeichnet, unter anderem mit dem Förderpreis des Kasseler Literatur­
preises für grotesken Humor (1999) sowie mit dem Hamburger
Hubert-Fichte-Preis (2004).
Born in 1957, Frank Schulz lives as a freelance writer in Hamburg.
He received numerous awards for the novels in his »Hagen Trilogy«,
including the promotion prize of the Kassel Literary Prize for
Grotesque Humor (1999) and the Hubert Fichte Prize of the City of
Hamburg (2004).
Spy Novel
Roman Novel 2012, 416 S. pp., € 22,99,
Knaus Verlag, 978-3-81350-427-9
Als der deutsche Marineoffizier Adrian Seiler im
Sommer 1911 nach London geschickt wird, um an
der Botschaft auszuhelfen, ahnt er nicht, was ihm
bevorsteht. Er weiß nicht, dass in England eine
hysterische Angst vor deutschen »Schläfern« und
Spionen herrscht. Dass er deshalb von einem eng­
lischen Agenten überwacht wird. Dass er sich
ernsthaft verlieben wird, ausgerechnet in Vivian,
die Tochter des deutschstämmigen Buchhändlers
Peterman. Dass er sich zu einem der ersten pro­
fessionellen Spione umfunktionieren lassen wird
und somit Vivian, deren Vater und sich selbst
aufs Äußerste gefährdet. When German naval officer Adrian Seiler is sent
to London in the summer of 1911 to work as an
assistant in the embassy, he has no idea what is
about to befall him. He doesn‘t know there is a
hysterical fear in England of German »sleepers«
and spies, and that he’s therefore being watched
by a British agent. Nor that he’s about to fall
seriously in love with Vivian, of all people the
daughter of Peterman, a bookseller of German descent. Nor that he will let himself be turned into
one of the first professional spies, putting Vivian,
her father and himself in extreme danger.
Volker Sielaff
Selbstporträt mit Zwerg
Self-portrait with Dwarf
Gedichte Poems 2011, 100 S. pp., € 22,–, Luxbooks,
978-3-939557-98-2
»Es ist nur dieser kleine Ausschnitt im Hof / ein
Stück Aussicht, die ich habe von meinem / Fenster
… « Volker Sielaff ist ein bescheiden auftretender
Dichter der leisen Töne. Dagegen steht das un­
gewöhnlich vielstimmige Konzert der Lobeshym­
nen, das seinen Debütband »Postkarte für No­
fretete« (2003) begleitet hat: Welt, Süddeutsche,
taz, Frankfurter Rundschau – man feierte ein­
stimmig den Dichter des »Verschwindens im Bild«.
Seine Gedichte sind in zahlreichen Zeitschriften
und in einflussreichen Anthologien erschienen
und vielfach übersetzt.
»It is only this small section of courtyard / A
piece of a view that I have from my / Window… «.
Volker Sielaff is a softly spoken poet with an unobtrusive persona. Despite this, his debut collection »Postcards for Nefertiti« (2003) was met by
an unusual chorus of critical acclaim. Newspapers
such as Die Welt, Süddeutsche Zeitung, taz and
Frankfurter Rundschau were unanimous in praising the poet who »disappears in the images«. His
poems have appeared in many periodicals and
influential anthologies, and have frequently been
translated.
Stefan aus dem Siepen
Das Seil
The Rope
Roman Novel 2012, 180 S. pp., € 14,90,
Deutscher Taschenbuch Verlag, 978-3-423-24920-1
Ein abgelegenes, von Wäldern umschlossenes
Dorf. Einige Bauern führen hier ein einsames und
zufriedenes Dasein, das von Ereignissen kaum
berührt wird. Eines Tages geschieht etwas ver­
meintlich Belangloses: Einer der Bauern findet auf
einer Wiese am Dorfrand ein Seil. Er geht ihm
nach, ein Stück in den Wald hinein, kann jedoch
sein Ende nicht finden. Ein Dutzend Männer be­
schließt, in den Wald aufzubrechen, um das Rätsel
des Seils zu lösen. Ihre Wanderung verwandelt
sich in ein ebenso gefährliches wie bizarres
Abenteuer: Das Ende des Seils kommt auch nach
Stunden nicht in Sicht – und die Existenz des
ganzen Dorfes steht auf dem Spiel.
In a remote village deep in the forests, a few
farmers and their families lead a solitary but contented life, barely touched by events in the wider
world. One day, something happens which seems
insignificant at first: One of the farmers finds the
end of a rope lying in a meadow at the edge of
the village. He follows the rope a short way into
the forest but cannot find the end of it. A dozen
men then head into the forest to try and solve
the rope’s mystery. Their expedition turns into
an adventure, as dangerous as it is bizarre. Even
hours later, they still haven’t found the end of
the rope – and the existence of the whole village
is at stake.
63
Burkhard Spinnen
Nevena
Clemens J. Setz
Indigo
Roman Novel 2012, 479 S. pp., € 22,95, Suhrkamp Verlag,
978-3-518-42324-0
Im Norden der Steiermark liegt eine Internatsschule für Kin­
der, die an dem rätselhaften Indigo-Syndrom leiden. Jeden,
der ihnen zu nahe kommt, befallen Übelkeit, Schwindel und
heftige Kopfschmerzen. Der junge Mathematik­lehrer Clemens
Setz beobachtet, wie immer wieder Kinder in eigenartigen
Maskierungen in einem unbekannten Auto davon­fahren. Setz’
Forschungen kommen nicht weit; er wird aus dem Schuldienst
entlassen. Fünfzehn Jahre später berichten die Zeitungen
von einem aufsehenerregenden Strafprozess: Ein ehemaliger
Mathematiklehrer wird vom Vorwurf frei­ge­sprochen, einen
Tierquäler brutal ermordet zu haben.
In northern Styria, in Austria, there is a boarding school
for children who suffer from the mysterious condition known
as indigo syndrome. Anyone who gets too close to them is af­
flicted by nausea, dizziness and severe headaches. On several
occasions the young maths teacher, Clemens Setz, observes
children in bizarre masks being driven off to an unknown
destination. Setz begins to investigate the matter but doesn’t
get far as he is dismissed from his position at the school.
Fifteen years later, the newspapers are filled with reports of a
sensational court case: A former maths teacher is found not
guilty of brutally murdering an animal abuser.
Clemens J. Setz wurde 1982 in Graz geboren. Er studierte Mathematik
und Germanistik und lebt als Übersetzer und freier Schriftsteller
in Graz. Für seinen Erzählband »Die Liebe zur Zeit des Mahlstädter
Kindes« wurde er 2011 mit dem Preis der Leipziger Buchmesse aus­
gezeichnet.
Clemens J. Setz was born in Graz in 1982. He studied mathematics
and German and now lives in Graz as a translator and freelance writer.
He was awarded the Leipzig Book Fair Prize in 2011 for his volume of
short stories »Love in the Time of the Mahlstadt Child«.
Roman Novel 2012, 384 S. pp., € 19,95,
Schöffling Verlag, 978-3-89561-044-8
Henner scheint seinen Sohn Patrick an ein
Internet-Computerspiel verloren zu haben. Seit
Monaten verbringt der Siebzehnjährige jede
freie Minute mit Mr. Smith, alias Nevena, einem
gleichaltrigen Mädchen, das angeblich in Belgrad
lebt. So quirlig wie nachdenklich schildert sie
ihre betriebsame Welt in ihrer leicht verrückten
Großfamilie, eine Welt, die für Patrick mit dem
Tod seiner Mutter untergegangen ist. Als Nevena
plötzlich aus dem Netz verschwindet, bietet
Henner an, sie gemeinsam zu suchen. Im Wohn­
mobil der verstorbenen Mutter reisen sie durch
die schreckliche Geschichte des ehemaligen Jugo­
slawiens hin zur eigenen Identität.
Henner seems to have lost his son to an internet computer game. For months the seventeen
year old has been spending every free minute with
Mr Smith, alias Nevena, a girl his age who supposedly lives in Belgrade. Both feisty and thoughtful,
she describes the hectic world in her slightly crazy
extended family, a world that Patrick has lost
since his mother’s death. When Nevena disappears
from the net without warning, Henner suggests
that they go and look for her together. In the
camper van that once belonged to Patrick’s late
mother, they travel through the terrible history of
former Yugoslavia until they arrive at their own
identity.
Benjamin Stein
Replay
Roman Novel 2012, 176 S. pp., € 17,95,
Verlag C. H. Beck, 978-3-406-63005-7
Der Software-Experte Ed Rosen war Mitent­
wickler und erster Träger des »UniCom«, eines
Software-Implantats, das Daten direkt ins Gehirn
seines Trägers übermittelt. Durch »Replays« sind
dessen Sinneswahrnehmungen unendlich abruf­
bar – eine Verlockung vor allem für erotische
Momente. Doch es macht den Träger total kon­
trollierbar. Rosens Chef und seine Firma treten
einen weltweiten Siegeszug mit diesem Gerät an
und nur ein paar ewiggestrige Störenfriede
mahnen. Bis sich unerwartet Widerstand gegen
das digitale Arkadien regt.
The software expert Ed Rosen was the codevel­oper and first user of the »UniCom«, a software implant that transmits information directly
into the brain of its wearer. With its »replay«
function, it is also possible to relive sensual perception ad infinitum – which is especially tempting for erotic experiences. But at the same time,
it makes the wearer utterly manipulable. Using
the device, Rosen’s boss and his company progress to global domination, while only a few lud­
d­i te doomsayers raise a voice of caution – until
an unex­pected opposition emerges to this digital
arcadia.
THOMAS VON STEINAECKER
Das Jahr, in dem ich aufhörte, mir
Sorgen zu machen und anfing zu
träumen
The Year in which I Stopped Worrying
and Started Dreaming
Roman Novel 2012, 400 S. pp., € 19,99,
S. Fischer Verlag, 978-3-10-070408-5
Renate Meißner wird versetzt, befördert und
gewinnt für ihre Versicherungsgesellschaft einen
großen Auftrag. Doch eine interne Evaluierung
ergibt, dass in ihrer Abteilung Stellen gestrichen
werden. Sie reist nach Russland, um die Grande
Dame hinter dem Projekt kennenzulernen, die
Herrin über ein Vergnügungspark-Imperium. Die
Greisin scheint erstaunliche Ähnlichkeiten mit
Renates verschwundener Großmutter zu haben.
In einer Welt futuristischer Jahrmarktsattrak­
tionen verschwimmen die Grenzen zwischen
Realität und Fantasie. Thomas von Steinaecker
entwirft ein großes Panorama, das mit Fotos,
Zeichnungen und Tabellen die Möglichkeiten rea­
listischen Erzählens auslotet und ein fantasti­
sches Paranoia-Spiel in Gang setzt.
Renate Meißner is relocated and promoted,
and then she secures a big contract for her insurance company. However, an internal assessment
shows that her department is due to shed some
personnel. Renate travels to Russia to meet the
grande dame behind the project, the proprietor
of an amusement park empire. The old woman
displays some astonishing similarities to Renate’s
missing grandmother. In this world of futuristic
funfair attractions, the borders between reality
and fantasy are fuzzy. Thomas von Steinaecker
creates a great panorama, in which photos, draw­
ings and tables are used to gauge the limits of
realistic narration, and which triggers a fantas­
tical game of paranoia.
64
Andreas Stichmann
Das groSSe Leuchten
The Big Glow
Roman Novel 2012, 240 S. pp., € 19,95,
Rowohlt Verlag, 978-3-498-06390-0
Sie führt aus der deutschen Provinz in den Iran
und weiter ans Kaspische Meer: die Suche nach
Ana – Ana, der Tankstellenräuberin, Ana, deren
persischer Vater nie so recht hat Fuß fassen kön­
nen im deutschen Exil. Es ist ein weiter Weg,
kreuz und quer durch die Wüste, voller komischer
und rätselhafter Prüfungen, die Rupert zu beste­
hen hat – und mit ihm sein schizophrener Freund
Robert, der am liebsten Vögel beobachtet, der die
Welt nicht versteht und stattdessen das Schach­
spiel neu erfindet. So war das zumindest, bis Ana
kam. Bis Rupert und Ana abgehauen sind, um das
große Leben zu beginnen. Und bevor Ana plötz­
lich verschwand.
Rupert’s search for Ana takes him from provincial Germany to Iran, and from there to the Caspian Sea. Ana, the pirate of the filling station in
her jolly-roger t-shirt; Ana, whose Persian father
never managed to find his feet in his German
exile. It is an arduous journey that winds its way
through the desert, filled with bizarre tests that
Robert must pass. And with him is his schizophrenic friend Robert, who is at his happiest just
birdwatching, who doesn’t understand the world
and instead reinvents the game of Chess. At least,
that’s how it was before there was Ana. Before
Rupert and Ana ran away to start a life together.
Before Ana disappeared.
Botho Strauss
Sie / Er
Erzählungen ausgewählt von Thomas Hürlimann
Hers and His
Short Stories Selected by Thomas Hürlimann
Erzählungen Short Stories 2012, 320 S. pp., € 19,90,
Carl Hanser Verlag, 978-3-446-23865-7
Botho Strauß hat wie kein anderer Schriftsteller
seiner Generation so eindringlich über Herzens­
brecher und Heiratsschwindler, über Liebes­betrug
und armselige Hochstapler, über Täuschung, Lüge
und Schweinerei geschrieben – und natürlich
über die Leidenschaft. Thomas Hürlimann hat aus
den vielen Erzählungen die ihm liebsten Ge­
schich­t en herausgesucht und neu gemischt. Ent­
standen ist ein Lesebuch über die Nachtseiten
der Liebe zwischen Mann und Frau, wie es reicher
und geheimnisvoller nicht zu denken ist.
65
No other author of his generation has written
about love in quite such an evocative and haunting manner as Botho Strauß: about heartbreakers,
womanizers and swindlers; about betrayal and
pathetic impostors, about cunning, illusion, lies
and all manner of horrors – and of course about
passion. Thomas Hürlimann has drawn up his own
compilation of personal favourites from Botho
Strauß’ extensive collection of short stories. The
result is a richly opulent and enigmatic Strauß
reader, examining the darker sides of the love
between a man and a woman.
Alain Claude Sulzer
Aus den Fugen
Derailed
Roman Novel 2012, 231 S. pp., € 18,99,
Verlag Galiani Berlin, 978-3-86971-059-4
Mitten in einer atemberaubenden Interpre­
tation der Hammerklaviersonate bricht der inter­
national gefeierte Starpianist Marek Olsberg
abrupt sein Spiel ab. Mit den Worten »Das war’s«
schließt er den Klavierdeckel und verlässt den
Saal. Die plötzliche Stille ist lauter als ein Pauken­
schlag und Olsbergs Tat wird nicht nur sein eige­
nes Leben in neue Bahnen lenken. Ein grandioser
polyphoner Roman über die bizarren Wendungen
des Schicksals, über den Zufall und die unvermu­
tete Eingebung, etwas zu ändern.
Right in the middle of a breathtaking piano
sonata interpretation, the internationally cel­
ebrated pianist Marek Olsberg breaks off from his
playing. With the words »That’s it« he closes
the piano lid and leaves the hall. The sudden silence is louder than a drumbeat and what Olsberg
has done is about to set more than just his own
life on a different course. A grandiose, polyphonic
novel about strange turns of fate, coincidences,
and the unexpected inspirations for change.
Martin Suter
Die Zeit, die Zeit
The Time, the Time
Roman Novel 2012, 304 S. pp., € 21,90,
Diogenes Verlag, 978-3-257-06830-6
Peter Taler bemerkt, dass im Haus gegenüber
sonderbare Dinge vor sich gehen. Er beginnt zu
beobachten – und merkt erst spät, dass er seiner­
seits beobachtet wird und längst in die Gescheh­
nisse auf der anderen Seite der Straße verstrickt
ist: Der alte Knupp, der vor zwanzig Jahren seine
Frau verloren hat, ist davon überzeugt, dass man
nicht wie Orpheus ins Totenreich hinabsteigen
muss, um einen geliebten Menschen wiederzu­
finden. Er hat eine Theorie, allerdings ist deren
Umsetzung nicht einfach. Um nicht zu sagen –
schier unmöglich. Taler soll ihm dabei helfen.
Peter Taler notices some strange things happening in the house opposite. He starts to watch
more closely, but realises only too late that he is
being observed himself – and that he’s already
been enmeshed for some time in the events on
the other side of the street. Old man Knupp, who
lost his wife twenty years before, is convinced
you don’t have to enter the underworld like Orpheus to be reunited with a person you love.
He has a theory, but putting it into practice isn’t
easy – not to say impossible. Taler will have to
help him.
Stephan Thome
Fliehkräfte
Centrifugal Forces
→ Seite page 66
Cornelia Travnicek
Chucks
Roman Novel 2012, 192 S. pp., € 14,99,
Deutsche Verlagsanstalt, 978-3-421-04526-3
Mae zog noch vor Kurzem als Punk durch die
Straßen Wiens. Im Aidshilfe-Haus, wo sie eine
Strafe wegen Körperverletzung abarbeiten muss,
lernt sie Paul kennen und verliebt sich in ihn.
Als bei ihm die Krankheit ausbricht, beginnt Mae
gegen sein Verschwinden anzukämpfen: Sie sam­
melt seine Haare und Fußnägel wie Devotionalien
und fängt zuletzt die Luft in seinem Krankenzim­
mer in einem Tupperdöschen ein. »Chucks« er­
zählt eine bezaubernde Geschichte vom Aufwach­
sen zwischen Liebe und Tod und ist von einem
Ton durchdrungen, der mal humorvoll, mal auf­
wieglerisch laut, aber auch überaus zärtlich
sein kann.
Not so long ago Mae was a punk roaming the
streets of Vienna. Sentenced to community
service in an AIDS-support home after a conviction for assault, she meets Paul and falls in love
with him. When Paul’s illness breaks out, Mae
starts fighting against his disappearance. She
collects his hair and his toenails like relics; in the
end she even starts trapping air from his room
in a Tupperware container. »Chucks« is an enchanting story about growing up between love
and death, infused with a mood that swings
between humorous and loudly seditious, but is by
all means tender.
Steven Uhly
Glückskind
Child of Fortune
Roman Novel 2012, 156 S. pp., € 19,95,
Secession Verlag, 978-3-905951-16-5
Jahrelang hatte Hans D. keine Fragen mehr.
Im Gegenteil, er war kurz davor, fraglos aufzuge­
ben. Und dann? Dann bringt er den Müll hinunter
und findet in der Tonne ein Kind. Es beginnt ein
berührender Prozess über die Entscheidung, was
geschehen muss. Das Kind behalten, es verber­
gen? Und die Mutter? Eine Mordanklage zulassen,
wider besseres Wissen? Was ist gerecht? Wie
handeln? Am Ende der Geschichte sind die Dinge
neu geordnet. Ein Kind wird überlebt haben und
mit Hans D. werden wir wissen, dass Liebe der
Schlüssel ist für Erkenntnis, Veränderung, ein
gutes Leben.
For years, Hans D. has felt no more urge to ask
any questions. On the contrary, he was almost
ready to give up unquestioningly. And then? Then
he carries out the rubbish and finds a baby in the
dustbin. There now begins an emotional decisionmaking process about what should be done. Keep
the child, in secret? And the mother? Allow her
to face a murder charge, against his better judgment? What is just? What’s to be done? By the end
of the story, the cards will have been reshuffled.
A child will have survived, and along with Hans D.,
we’ll have found out that love is the key to selfknowledge, change and a good life.
Hannelore Valencak
Die Höhlen Noahs
Noah’s Caves
Roman Novel 2012, 256 S. pp., € 21,90,
Residenz Verlag, 978-3-7017-1582-4
Was tun, wenn man das Ende der Welt über­
lebt? Martina und ihr kleiner Bruder werden von
einem Unbekannten aus dem Feuerinferno geret­
tet. Sie treffen auf andere Überlebende, einen
Alten und seine Enkelin. Endet das Leben oder
beginnt es neu? Was nach der Katastrophe übrig
geblieben ist, reicht gerade einmal für ein Leben
auf kleinster Flamme, für eine Höhlenexistenz.
Sie richten sich ein, sie warten – aber worauf?
Zumindest der Alte glaubt nicht an die Zukunft.
Ein Kampf beginnt – ums Überleben, um die
Hoffnung, darum, Mensch zu sein.
67
Stephan Thome
What if you survive the end of the world?
Martina and her little brother are saved from the
flaming inferno by a young stranger. They meet
other survivors: an old man and his granddaughter. Does life end here or does it begin anew?
What is left after the disaster is barely enough for
survival, just enough for life in a cave. They settle
down and they start to wait – but for what? The
old man, for one, doesn’t believe in the future. A
struggle begins, both for survival and for the hope
of remaining human.
Fliehkräfte
Centrifugal Forces
Timur Vernes
Roman Novel 2012, 474 S. pp., € 22,95, Suhrkamp Verlag,
978-3-518-42325-7
Der Roman
Drei Jahre nach seinem gefeierten Debüt »Grenzgang« gerät
in Stephan Thomes neuem Roman »Fliehkräfte« wieder
einer ins Straucheln. Und mit atemberaubendem Gespür
für die Niederlage, für das, was wirklich schmerzt, schickt
Thome seinen Helden auf eine alles entscheidende Reise.
Über Frankreich und Spanien führt sie ihn bis nach Lissa­
bon und zugleich in die Vergangenheit, ganz nah heran
an die Verwerfungen und Abgründe des gelebten Lebens.
Three years after his highly acclaimed debut »Grenz­
gang«, Stephan Thome’s latest novel »Centrifugal Forces«
shows us another character who’s starting to founder. With
a breathtaking sense for failure and for the things that re­
ally hurt, Thome sends his protagonist on a make-or-break
journey. It is a journey to Lisbon, via France and Spain,
and a journey back into his past, toward the rejections and
abysses he’s experienced in his life.
Stephan Thome wurde 1972 in Biedenkopf/Hessen geboren. Er stu­
dierte Philosophie und Sinologie und lebte zehn Jahre in Ostasien.
Sein Romandebüt »Grenzgang« (2009) stand auf der Shortlist des
Deutschen Buchpreises und gewann den aspekte-Literaturpreis.
Stephan Thome was born in 1972 in Biedenkopf, Hesse. He studied
philosophy and sinology and lived in East Asia for ten years. His
debut novel »Grenzgang« (2009) was shortlisted for the German Book
Prize and won the »aspekte« Literature Prize.
Er ist wieder da
He’s Back
The Novel
Roman Novel 2012, 396 S. pp., € 19,33,
Eichborn Verlag, 978-3-8479-0517-2
Frühjahr 2011. Adolf Hitler erwacht auf einem
leeren Grundstück in Berlin-Mitte. Ohne Krieg,
ohne Partei, ohne Eva. Im tiefsten Frieden, unter
Tausenden von Ausländern und Angela Merkel
startet der »Gröfaz« in der Gegenwart eine neue
Karriere – im Fernsehen. Dieser Hitler ist keine
Witzfigur und gerade deshalb erschreckend real.
Und das Land, auf das er trifft, ist es auch: zy­
nisch, hemmungslos erfolgsgeil und auch trotz
Jahrzehnten deutscher Demokratie vollkommen
chancenlos gegenüber dem Demagogen und
der Sucht nach Quoten, Klicks und »Gefällt-mir«Buttons. Eine Persiflage? Eine Satire? PolitComedy? All das und mehr!
Spring, 2011. Adolf Hitler wakes up on an empty
piece of land in Berlin Mitte – no war, no Nazis,
no Eva Braun. In the present day, at deepest
peace, surrounded by thousands of immigrants
and Angela Merkel, the »Führer« begins a new
career – in TV. This Hitler is no figure of fun, and
for that very reason he’s shockingly real. So too
is the country he’s now confronted with: cynical,
endlessly greedy for success, and – despite decades of German democracy – utterly defenceless
against the demagogue and their own addiction
to quotas, clicks and the »like it« button. A spoof?
A satire? Political comedy? It’s all that and more.
Marius von Mayenburg
Der Stein / F reie Sicht / Der Hund,
die Nacht und das Messer / Perplex
The Stone / Clear View / T he Dog,
the Night and the Knife / Perplex
Theaterstücke Stage Plays 2012, 290 S. pp.,
€ 16,80, henschel Schauspiel, 978-3-940100-08-5
Vier aktuelle Theaterstücke aus den Jahren
2008 und 2010 von einem der international er­
folg­reichsten Autoren seiner Generation. Der Band
stellt drei Dramen und eine Komödie zusammen:
über das Sicherheitsbedürfnis einer Gesellschaft
im Angesicht von Amok, Krieg und Terror (»Freie
Sicht«, 2008), beiläufige Zerstörungen des Alltags
durch den Tod (»Der Hund, die Nacht und das
Messer«, 2008), problematische Besitzansprüche,
Lebenslügen und das späte Zerbrechen einer
Familienlegende (»Der Stein«, 2008) und die Un­
berechenbarkeiten der Wirklichkeit, der eigenen
Identität, und des Theaters (»Perplex«, 2010).
Four recent stage plays dating from between
2008 and 2010, from one of the most internationally successful playwrights of his generation. This
volume consists of three dramas and a comedy.
They examine a society’s need for security in the
face of amok attacks, war and terrorism (»Clear
View«, 2008); the incidental devastation death
wreaks in everyday lives (»The Dog, the Night and
the Knife«, 2008); problematic property claims,
life-long lies and the belated collapse of a family
myth (»The Stone«, 2008); and the unpredict­
ability of reality, one’s own identity and of the­
atre (»Perplex«, 2010).
Jan Wagner
Die Eulenhasser in den
Hallenhäusern
Drei Verborgene
Owl-Haters in Half-timbered Barns
The Three Concealed Ones
2012, 128 S. pp., € 14,90, Verlag Hanser Berlin,
978-3-446-24030-8
Rom – nach Goethe kann hier kein Dichter
mehr unbefangen Gedichte schreiben. Jan Wag­
ner hat drei Poeten erfunden, die für ihn hem­
mungslos Elegien aufs Papier werfen, sich lustvoll
in das Korsett der Anagrammdichtung schnüren
oder in der handfesten Sprache eines Bauern
schwelgen: Philip Miller, Theodor Vischhaupt und
Anton Brant. Jan Wagner selbst tritt als Heraus­
geber auf, der Biografien und wissenschaftlichen
Kommentar beisteuert. Ein herrliches Spiel und
68
zugleich die Entdeckung dreier nicht zu verach­
tender Lyriker.
Rome! Ever since Goethe, no poet has been
able to write poems here unselfconsciously. Now,
Jan Wagner has invented three poets who churn
out elegies uninhibitedly on his behalf, who are
happy to lace themselves into the corset of ana­
gram­matic poetry or to wallow in the earthy
phrases of a farmer. They are Philip Miller, Theodor
Vischhaupt and Anton Brant. Jan Wagner himself
plays the role of an editor, delivering biographies
and academic commentaries. This is a glorious
game, but it’s also the discovery of three poets
who shouldn’t be taken lightly.
Martin Walser
Das dreizehnte Kapitel
The Thirteenth Chapter
Roman Novel 2012, 272 S. pp., € 19,95,
Rowohlt Verlag, 978-3-498-07382-4
Martin Walsers Roman über eine Liebe, die
als Unmöglichkeit so tiefgründig und lebendig
ist wie kaum etwas, kreist auf schwindeler­
regende Weise um das Wesen der menschlichen
Existenz. Und führt dabei vor Augen, dass eine
Liebe ohne Hoffnung auf Hoffnung das eigene
Leben erst empfindbar macht. Ein bewegender,
lebenskluger, ja aufregender Roman über eine
Frau und einen Mann, die gerade durch die Un­
möglichkeit ihrer Liebe eine völlig neue Gefühls­
heftigkeit erfahren.
Martin Walser’s novel is about a love affair
which, for all its impossibility, is as deep and
vibrant as any could be. The novel circles dizzyingly around the basics of human existence –
and as it does so, it shows us that a love which
has no hope of a hope is just what it takes to
make one’s own life truly tangible. A moving,
wise, even thrilling novel about a woman and a
man who experience an all-new level of emotional power, precisely because their love is so
unthinkable.
69
Jahrtausende alt. Zwei herrliche Tage und Nächte
sind Sperber und Luchs gegeben. Aber dann wer­
den sie auseinandergerissen. Und Sperber wird
seiner Geliebten an einen Ort folgen, von dem es
eigentlich keine Wiederkehr gibt. Denn die Liebe,
Wunde und Heilung zugleich, verleiht Kräfte, über
die der Mensch sonst nicht verfügt.
When you’re not looking, you’ll find it. That’s
Sperber’s experience, who encounters the love
of his life on a quay in Brittany. The great love:
completely new in its extreme and its power, unexpected and yet millennia old. Sperber and Luchs
have two splendid days and nights. But then
they’re torn apart. Sperber will follow his beloved
to a place from where there should be no return.
Because love – injury and cure in one – dispenses
powers that people don’t usually possess.
Anna Weidenholzer
Halbseidene Gestalten, skurrile Entführungen,
filmreife Fluchten kommen darin ebenso vor wie
das Anrührende, Leise einer Geschichte über
Vertrauen, gesuchte Nähe, Liebe. Norbert Zährin­
ger erweist sich in diesem fesselnden und zu­
gleich virtuos erzählten Roman als ein Meister
der nachhallenden Zwischentöne.
A young woman from Ukraine, an elderly German amateur astronomer, and the son of the
»one millionth guest worker«: These are the central characters of this novel about people who,
having lost their way on life, now cautiously open
up to one another. The plot combines bizarre
characters, weird abductions and escape scenes
worthy of cinema, with touching details, the
tenderness of caring and the need for human intimacy, and love. In this gripping yet expertly
crafted story, Norbert Zähringer proves himself a
master of weighty nuances.
Der Winter tut den Fischen gut
Winter is Good for Fish
Juli Zeh
Roman Novel 2012, 240 S. pp., € 21,90,
Residenz Verlag, 978-3-7017-1583-1
In Geschichten über sympathisch-skurrile
Menschen, liebenswert in ihrer Versponnenheit,
entwirft Anna Weidenholzer behutsam und mit
einem hellwachen Blick für das Absurde im Alltäg­
lichen und das Alltägliche im Absurden ein Bild
von Maria, einer Frau am Rande der Gesellschaft.
Ja, sie zeigt vor allem, was das heißt: Der Rand
der Gesellschaft ist immer noch mitten im Leben.
Und davon ist dieses Buch voll wie selten eines.
In stories of odd people who are likable for
their eccentricities, and with a sharp eye for both
the absurd in the everyday and the everyday in
the absurd, Anna Weidenholzer paints us a meticulous portrait of Maria, a woman on the fringe
of society. Indeed, her most important message is
that the fringe of society is still in the main
current of life. And this book is steeped in that
under­s tanding like very few others.
Norbert Zähringer
Anne Weber
Tal der Herrlichkeiten
Valley of Splendours
Roman Novel 2012, 256 S. pp., € 18,99,
S. Fischer Verlag, 978-3-10-091062-2
Wer nicht sucht, der findet: So geht es Sperber,
der auf einem Kai in der Bretagne seiner großen
Liebe begegnet. Der großen Liebe, in ihrer Heftig­
keit und Macht absolut neu, unerwartet und
Bis zum Ende der Welt
To the End of the World
Roman Novel 2012, 270 S. pp., € 19,95,
Rowohlt Verlag, 978-3-498-07668-9
Eine junge Ukrainerin, ein alternder deutscher
Amateurastronom und der Sohn des »millionsten
Gastarbeiters« sind die Hauptfiguren dieses
Romans über Menschen, die – aus der Bahn ge­
worfen – auf vorsichtige Weise zueinanderfinden.
Nullzeit
Decompression
Roman Novel 2012, 256 S. pp., € 19,95,
Schöffling Verlag, 978-3-89561-436-1
Nachdem die Schauspielerin Jola mit ihrem
Lebensgefährten Theo auf die Insel kommt, ent­
wickelt sich aus einem harmlosen Flirt mit Sven
eine fatale Dreiecksbeziehung. Sven hatte sich
auf der Insel eine Existenz als Tauchlehrer aufge­
baut. Jetzt muss er erleben, wie er vom Zeugen
zum Mitschuldigen wird – bis er begreift, dass er
nur Teil eines mörderischen Spiels ist, in dem
er von Anfang an keine Chance hatte. Der meister­
haft konstruierte Psychothriller ist zugleich ein
Kammerspiel über Willensfreiheit, Urteilsfindung,
Schuld und Macht.
When the actress Jola arrives on the island
with her partner Theo, a harmless flirtation with
Sven turns into a deadly love triangle. Sven had
built up a life as a diving instructor on the island.
Now he can only look on as he turns from a witness to an accomplice – until he understands that
he’s just part of a murderous game in which he
never had a chance. This masterfully constructed
psychological thriller is also a chamber piece about
free will, judgment, guilt and power.
Joachim Zelter
untertan
loyal subject
Roman Novel 2012, 216 S. pp., € 19,50,
Verlag Klöpfer & Meyer, 978-3-86351-035-0
Hier ist er: Heinrich Manns Roman »Der Unter­
tan«, ganz anders, neu erzählt für unsere Zeit:
die Entwicklungsgeschichte des modernen Unter­
tanen in der Welt von heute – von der frühen
Schulzeit bis zum Erwachsenenalter, von den
Siebzigerjahren bis in die Jetztzeit. Ein Psycho­
gramm, ein gesellschaftliches Sittengemälde, ein
Spiegelbild individueller wie kollektiver Anpas­
sung – und menschlicher Entfremdung. Am Ende
erzählt der Roman unser aller Geschichte: Wie
wir zu dem geworden sind, was wir heute sind.
This is Heinrich Mann’s »The Loyal Subject«,
retold in a very different incarnation for the modern age: an Entwicklungsroman of the contemporary loyal subject in today’s world, stretching
from his early schooldays into adulthood, from
the 1970s until the present. It is a personality profile and a moral portrait, a reflection of individual
and collective conformity, but also of human
alienation. Ultimately, the novel recounts all our
stories: How we became what we are today.
Ulf Erdmann Ziegler
Nichts WeiSSes
Nothing White
→ Seite page 70
Ulf Erdmann Ziegler
Nichts WeiSSes
Nothing White
Roman Novel 2012, 259 S. pp., € 19,95,
Suhrkamp Verlag, 978-3-518-42326-4
Dies ist die Geschichte von Marleen, die sich, noch ehe sie
Lesen lernt, in die Welt der Buchstaben verliebt. Hineinge­
boren in eine erfolgreiche Werber- und Illustratorenfamilie,
träumt sie früh von wahrhaft Großem: der perfekten Schrift.
Mit »Nichts Weißes« legt Ulf Erdmann Ziegler den Roman
einer Generation vor, für die das Hereinbrechen des Compu­
terzeitalters identisch ist mit dem eigenen Erwachsen­
werden. Randscharf, raffiniert, brillant.
This is the story of Marleen, who falls in love with the
world of letters even before she learns to read. Born into a
family of successful advertisers and illustrators, she dreams
as a young child of a truly great thing: the perfect typeface.
Ziegler’s novel »Nothing White« depicts a generation for
whom the outbreak of the computer age is synonymous with
their own coming of age. Incisive, sophisticated and brilliant.
Ulf Erdmann Ziegler, geboren 1959 in Neumünster/Holstein, lebt in
Frankfurt am Main. Er schreibt kunstkritische Arbeiten und Essays
für die taz, Die Zeit, die Frankfurter Allgemeine Zeitung, den Merkur
und Monopol. 2008 wurde er mit dem Friedrich-Hebbel-Preis aus­
gezeichnet.
Ulf Erdmann Ziegler was born in 1959, in Neumünster in Holstein
and now lives in Frankfurt am Main. He is an arts critic for the newspapers die taz, Die Zeit, Frankfurter Allgemeine Zeitung, the Merkur
and Monopol. In 2008 he was awarded the Friedrich Hebbel Prize.
ANHANG
APPENDIX
72
Verlagsverzeichnis
Index of Publishers
Aufbau Verlag GmbH & Co. KG
Prinzenstraße 85
10969 Berlin
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F +49 (0) 30 28394126
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avant-verlag
Johann Ulrich
Rodenbergstraße 9
10439 Berlin
F +49 (0) 30 44736498
[email protected]
www.avant-verlag.de
Verlag C. H. Beck OHG
Wilhelmstraße 9
80801 München
T +49 (0) 89 38189335
F +49 (0) 89 38189587
[email protected]
www.chbeck.de
Berlin Verlag
Greifswalder Straße 207
10405 Berlin
T +49 (0) 30 44384515
F +49 (0) 30 44384595
[email protected]
www.berlinverlage.com
Deuticke Verlag
(Hanser Literaturverlage)
Prinz-Eugen-Straße 30
A-1040 Wien
T +43 (0) 1 505766112
F +43 (0) 1 505766110
[email protected]
www.hanser-literaturverlage.
de/verlage/zsolnay-unddeuticke.html
73
Deutsche Verlagsanstalt (DVA)
(Verlagsgruppe Random House)
Neumarkter Straße 28
81673 München
T +49 (0) 89 41363313
F +49 (0) 89 41363733
gesche.wendebourg@
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www.randomhouse.de/dva/
index.jsp
Deutscher Taschenbuch Verlag
GmbH & Co. KG (dtv)
Friedrichstraße 1a
80801 München
T +49 (0) 89 38167127
F +49 (0) 89 38167327
[email protected]
www.dtv.de/rights
diaphanes AG
Hardstraße 69
CH-8004 Zürich
T +41 (0) 43 3220783
F +41 (0) 43 3220784
Email über Internetseite
www.diaphanes.net
Diogenes Verlag AG
Sprecherstraße 8
CH-8032 Zürich
T +41 (0) 44 2548555
F +41 (0) 44 25284
[email protected]
www.diogenes.ch
DuMont Buchverlag
GmbH & Co. KG
Amsterdamer Straße 192
50735 Köln
T +49 (0) 221 2241942
F +49 (0) 221 224401942
[email protected]
www.dumont-buchverlag.de
Eichborn Verlag in der
Bastei Lübbe GmbH & Co. KG
Schanzenstraße 6–20
51063 Köln
T +49 (0) 221 82002700
F +49 (0) 221 82001700
[email protected]
www.luebbe.de
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
Vilshofener Straße 10
81679 München
T +49 (0) 89 99830509
F +49 (0) 89 99830509
[email protected]
www.hanser-literaturverlage.
de/verlage/hanser.html
S. Fischer Verlag GmbH
Hedderichstraße 114
60596 Frankfurt am Main
T +49 (0) 69 6062328
F +49 (0) 69 6062370
kerstin.schuster@
fischerverlage.de
www.fischerverlage.de
Hanser Berlin
(Hanser Literaturverlage)
Friedrichstraße 210
10969 Berlin
T +49 (0) 89 99830510
F +49 (0) 89 99830510
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www.hanser-literaturverlage.
de/verlage/hanser-berlin.html
Fischer Taschenbuch Verlag
Hedderichstraße 114
60596 Frankfurt am Main
T +49 (0) 69 6062328
F +49 (0) 69 6062370
kerstin.schuster@
fischerverlage.de
www.fischerverlage.de
Frankfurter Verlagsanstalt
Arndtstraße 11
60325 Frankfurt am Main
T +49 (0) 69 74305597
F +49 (0) 69 74305591
[email protected]
www.frankfurterverlagsanstalt.de
Verlag Galiani Berlin
(Verlag Kiepenheuer & Witsch)
Friedrichstraße 119
10117 Berlin
T +49 (0) 221 3768522
F +49 (0) 221 3768511
[email protected]
www.galiani.de
henschel Schauspiel
Theaterverlag Berlin GmbH
Alte Jakobstraße 85–86
10179 Berlin
T +49 (0) 30 44318885
F +49 (0) 30 44318877
[email protected]
www.henschel-schauspiel.de
Hoffmann und Campe Verlag
GmbH
Harvestehuder Weg 42
20149 Hamburg
T +49 (0) 40 44188266
F +49 (0) 40 44188319
[email protected]
www.hoffmann-und-campe.de
Insel Verlag
Pappelallee 78–79
10437 Berlin
T +49 (0) 30 740744230
F +49 (0) 30 740744239
[email protected]
www.suhrkamp.de
Jung und Jung Verlag GmbH
Hubert-Sattler-Gasse 1
A-5020 Salzburg
T +43 (0) 662 885048
F +43 (0) 662 88504820
[email protected]
www.jungundjung.at
Verlag Kiepenheuer & Witsch
GmbH & Co. KG
Bahnhofsvorplatz 1
50667 Köln
T +49 (0) 221 3768522
F +49 (0) 221 3768511
[email protected]
www.kiwi-koeln.de
Klett-Cotta Verlag
(J. G. Cotta’sche Buchhandlung
Nachfolger GmbH)
Rotebühlstraße 77
70178 Stuttgart
T +49 (0) 30 54714002
F +49 (0) 30 54714005
[email protected]
www.klett-cotta.de
Klöpfer & Meyer
GmbH & Co. KG
Neckarhalde 32
72070 Tübingen
T +49 (0) 7071 7936947
F +49 (0) 7071 793208
[email protected]
www.kloepfer-meyer.de
Albrecht Knaus Verlag
(Verlagsgruppe Random House)
Neumarkter Straße 28
81673 München
T +49 (0) 89 41363313
F +49 (0) 89 41363733
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kookbooks
Daniela Seel
Horstweg 34
14059 Berlin
T +49 (0) 30 40053974
F +49 (0) 30 40053974
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Antje Kunstmann Verlag
Georgenstraße 123
80797 München
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F +49 (0) 89 12119320
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Luchterhand Literaturverlag
(Verlagsgruppe Random House)
Neumarkter Straße 28
81673 München
T +49 (0) 89 41363313
F +49 (0) 89 41363733
gesche.wendebourg@
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www.randomhouse.de/
luchterhand/index.jsp
Luxbooks
Christian Lux Verlag
Luxemburgplatz 1
65185 Wiesbaden
T +49 (0) 611 7167891
F +49 (0) 611 4969013
[email protected]
www.luxbooks.de
mairisch Verlag
Königstraße 30
22767 Hamburg
T +49 (0) 40 43267383
F +49 (0) 40 228135099
[email protected]
www.mairisch.de
74
75
MSB Matthes & Seitz Berlin
Verlagsgesellschaft mbH
Göhrener Straße 7
10437 Berlin
T +49 (0) 30 44327401
F +49 (0) 30 44327402
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www.matthes-seitz-berlin.de
Rotpunktverlag
Hohlstraße 86a
CH-8004 Zürich
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F +41 (0) 44 4054489
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www.rotpunktverlag.ch
Stroemfeld Verlag
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60322 Frankfurt am Main
T +49 (0) 69 9552260
F +49 (0) 69 95522624
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www.stroemfeld.de
Verlag Nagel & Kimche AG
(Hanser Literaturverlage)
Neptunstraße 20
CH-8032 Zürich
T +49 (0) 89 99830510
F +49 (0) 89 99830510
[email protected]
www.hanser-literaturverlage.
de/verlage/nagel-und-kimche.
html
Rowohlt Berlin
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10965 Berlin
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10437 Berlin
T +49 (0) 30 740744230
F +49 (0) 30 740744239
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Friedrich-Schmidt-Platz 4
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T +43 (0) 1 4081821
F +43 (0) 1 40818216
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F +49 (0) 89 381801120
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Residenz Verlag
im Niederösterreichischen
Pressehaus
Druck- u. Verlagsgesellschaft
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A-3100 St. Pölten
T +43 (0) 2742 8021411
F +43 (0) 2742 8021431
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Rowohlt Verlag GmbH
Hamburger Straße 17
21465 Reinbek
T +49 (0) 40 7272257
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10117 Berlin
T +49 (0) 30 23456450
F +49 (0) 30 23456 515
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Motorenstraße 14
CH-8005 Zürich
T +41 (0) 44 3815101
F +41 (0) 44 3815105
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F +49 (0) 30 2116140
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www.wagenbach.de
Schöffling Verlag & Co.
Kaiserstraße 79
60329 Frankfurt am Main
T +49 (0) 69 92078716
F +49 (0) 69 92078720
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Wallstein Verlag GmbH
Geiststraße 11
37073 Göttingen
T +49 (0) 551 5489822
F +49 (0) 551 5489833
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www.wallstein-verlag.de
Secession Verlag für Literatur
GmbH
Pannierstraße 13
12047 Berlin
T +49 (0) 30 32534663
F +49 (0) 30 32534663
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Wieser Verlag
Ebentaler Straße 34b
A-9020 Klagenfurt/Celovec
T +43 (0) 463 37036
F +43 (0) 463 37635
[email protected]
www.wieser-verlag.com
Bildnachweise
Picture credits
Cover: Shutterstock und textgrafik
S. pp. 1, 24/25, 73: textgrafik
S. pp. 17 Oben Above: © Tobias Bohm Mitte und unten Centre and below:
© Renate von Mangoldt
S. pp. 18 Oben und unten Above and below:
© Tobias Bohm
Mitte Centre: © Renate von Mangoldt
Longlist dbp 2012
(German Book Prize)
Ernst Augustin: © Verlag C. H. Beck
Bernd Cailloux: © Susanne Schleyer /
Suhrkamp Verlag
Jenny Erpenbeck: © Katharina Behling
Milena Michiko Flašar: © Susanne Schleyer /
autorenarchiv.de
Rainald Goetz: © Suhrkamp Verlag
Olga Grjasnowa: © René Fietzek
Wolfgang Herrndorf: © Steffi Roßdeutscher
Bodo Kirchhoff: © Laura J. Gerlach
Germán Kratochwil: © Picus Verlag
Ursula Krechel: © Alexander Paul Englert
Dea Loher: © Alexander Paul Englert
Angelika Meier: © diaphanes
Sten Nadolny: © Eckhard Waasmann
Christoph Peters: © Peter von Felbert
Michael Roes: © Oliver Killig
Patrick Roth: © Vera Matranga
Frank Schulz: © Gunter Glücklich
Clemens J. Setz: © Paul Schirnhofer /
Suhrkamp Verlag
Stephan Thome: © Heike Steinweg /
Suhrkamp Verlag
Ulf Erdmann Ziegler: © Arne Reimer
76
Impressum
Imprint
Die Gegenwart mitschreiben
Literarische Neuerscheinungen
Eine Buchkollektion der Frankfurter Buchmesse
literarischer Titel des Jahres 2012
Co-authoring the Present
New Literary Releases from Germany
A Frankfurt Book Fair book collection of literary
titles published in 2012
Die Ausstellung umfasst 102 Bücher aus 47 Verla­
gen der Bundesrepublik Deutschland sowie
einigen Verlagen aus der Schweiz und Österreich.
An exhibition made up of 102 books from 47 publishing companies in Germany, as well as certain
publishers in Switzerland and Austria.
Bibliografische Daten und Anmerkungen zu den
einzelnen Titeln wurden von den Verlagen
zur Verfügung gestellt und durch die Agentur
textgrafik bearbeitet.
Bibliographical data and title information have
been provided by the publishing houses and
edited by the agency textgrafik.
Auswahl der Buchtitel:
Literarisches Colloquium Berlin
Title selection:
The Literary Colloquium Berlin
Gestaltung, Redaktion, Satz:
Design, editing, setting:
www.textgrafik.com
Übersetzung und engl. Korrektorat:
Translation and proofreading (Engl.):
Alastair Penny, Brüssel
Schlussredaktion Final edit:
Katharina Gewehr, Frankfurt am Main
Druck Printed by:
DCM Druck Center Meckenheim
© AuM, Frankfurt am Main, 2013
Nachdruck nur mit Genehmigung des
Herausgebers
No reproduction without prior permission
of the publisher
Vorbereitung und Durchführung:
Planning and organisation:
Frankfurter Buchmesse
Ausstellungs- und Messe GmbH des Börsenvereins
des Deutschen Buchhandels (AuM)
Braubachstraße 14–22
60311 Frankfurt am Main
www.buchmesse.de
www.book-fair.com
Wir danken dem Auswärtigen Amt für die groß­
zügige Unterstützung, dank derer diese Buch­
kollektion 2013 an deutschen Gemeinschaftsstän­
den auf vielen Buchmessen weltweit zu sehen
sein wird.
Thanks to the generous funding by the Federal
Foreign Office this book collection will be on show
on German collective stands at many book fairs
worldwide in 2013.