Menschen im Hotel. Maria Furtwängler, 49, in der Pose der

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Menschen im Hotel. Maria Furtwängler, 49, in der Pose der
Menschen im Hotel. Maria Furtwängler, 49, in der Pose der
göttlichen Greta Garbo. Das nordisch Noble hat sie mit der
schwedischen Diva zwar gemein – aber Furtwängler ist waschechte Bayerin
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DAS STERN-GESPRÄCH
„ICH,
SEXY???
DAS IST MIR
NICHT
BEWUSST!“
Sie ist die schönste und beliebteste
„Tatort“-Kommissarin. Doch jetzt
zeigt Maria Furtwängler im Kino,
dass sie auch anders kann.
Begegnung mit einer Unfassbaren
Von Ulrike Posche und Kester Schlenz
Fotos: Thomas Rabsch
„ICH FAND MICH
IMMER ZU KNABENHAFT“
Die „Knäbin“ Maria mit wildem Haar und offenem Blick
auf dem Küchentisch. Das Gefühl, nicht weiblich genug zu sein,
habe ihr lange im Genick gesessen, sagt sie. Jetzt natürlich nicht mehr
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„BOAH, BIN ICH
GUT, BIN ICH TOLL!“
Sie wünscht sich manchmal, es hätte ihr jemand beigebracht,
so etwas einmal zu sich selbst zu sagen. Stattdessen
hadert sie mit ihren Selbstzweifeln oder macht sich vor anderen klein
Wir sehen das Gesicht einer 49-Jährigen in gutem Licht. Offen gesagt:
Auch wenn das Licht ein bisschen schlechter ist, wirkt sie wie
aus Marmor gemeißelt. Wie sie das macht? Sie trinkt keinen Kaffee!
M
München, Mitte Januar. Maria Furtwängler, 49, erscheint zum Interview.
Sie trägt Jeans, einen grauen Pullover und Gucci-Clogs mit Fell. Sie ist
makellos schön, neiderweckend
schlank, blendend gelaunt. Und sie
geht gleich zum Angriff über.
MARIA FURTWÄNGLER: Machen
wir es kurz. Soll ich Ihnen meine toll
formulierten Antworten hier jetzt
gleich mal ausgedruckt geben? Die
Fragen dazu ergeben sich ja dann.
(lacht) Man sagt mir ja nach, ich wolle immer die Kontrolle haben.
Her damit.Wir haben alle genug zu
tun.
Oder wollen Sie mir etwa wirklich
Fragen stellen? Womöglich auch
nach meinem Privatleben und so?
Jetzt, wo Sie’s sagen: gute Idee
eigentlich.
Okay, dann los.
Frau Furtwängler, das Jahr 2016
hält drei Jubiläen für Sie bereit:
Ihr Mann wird im Februar 76, Sie
werden im September 50, und im
November ist – Silberhochzeit!
Wie klingt das für Sie?
Silberhochzeit? Echt? Hatte ich gar
nicht drauf. Lassen Sie mich mal
nachrechnen. Stimmt! Wissen Sie,
mein Mann und ich haben noch nie
großen Wert auf Hochzeitstage gelegt. Und ob ich diesen Geburtstag
feiere, weiß ich auch noch nicht.
Aber, um Ihre Frage zu beantworten:
Für mich klingt das alles nach großer Beständigkeit.
Zumindest bis zu Ihrem neuen Kinofilm „Das Wetter in geschlossenen Räumen“. Da vögeln Sie sich
sehr unbeständig in einem Luxus-
hotel durch einen Bürgerkrieg. Der
arabische Liebhaber ist jung, die
Minibar voll. Sie saufen, Sie koksen, Sie werfen Ecstasy ein. Frau
Furtwängler, was soll das?
Bevor Sie sich weiter um mich sorgen: Ich will erst mal wissen, wie Sie
den Film fanden.
Irritierend.
Na, das ist doch schon mal was!
Sie spielen eine suchtkranke, desillusionierte PR-Lady, die für das
Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen Hilfsprojekte er­
findet, Geld besorgt und am Ende
zerbricht. Was hat Sie an diesem
Stoff gereizt?
Die Regisseurin Isabelle Stever hat
zwei Jahre lang versucht, mich zu
diesem Film zu überreden. Und ich
dachte lange: Warum soll ich diese
Frau spielen? Aber Isabelle hat nicht
locker gelassen, kam immer wieder,
und ich bin ihr dankbar dafür. Mich
hat ihre Kompromisslosigkeit beeindruckt, ihr Kunstwille. Und
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i­ rgendwann war plötzlich bei mir
diese Lust da, Grenzen auszuloten,
Neuland als Schauspielerin zu betreten. Und außerdem ist Isabelle
Stever eine hochintelligente Frau,
die ein sehr raffiniertes, durchdachtes Drehbuch geschrieben hat.
Wollten Sie so auch Ihr Image der
unantastbaren Kommissarin Lindholm zerdeppern?
Mag sein. Ich fand es vor allem reizvoll, mal in diese Nacktheit und Verletzlichkeit abzurutschen. In etwas
Zerbrechliches, Poröses. Ich bin stolz
auf diese Rolle. Und das sag ich nicht
oft von mir. Der Film ist alles an­dere
als Mainstream und weiß Gott nicht
gefällig, aber er ist besonders, und
ich bereue keine Sekunde, ihn gemacht zu haben.
Der Film führt das Prinzip der
Fundraising-Dinners und Spenden-Galas ziemlich vor. Keine Sorge, dass die Münchner BenefizGesellschaft Sie künftig schneidet?
Nein, wieso auch? Unser Film überspitzt natürlich. Ich weiß, wie viel
Gutes getan wird. Aber ich weiß
eben auch aus meinen eigenen Erfahrungen mit verschiedenen Hilfsorganisationen, dass da, wo viel Geld
fließt, gelegentlich auch Missbrauch
ist. Das muss man erzählen dürfen.
Wo engagieren Sie sich persönlich?
Vor vier Jahren haben meine Tochter und ich zusammen mit den German Doctors auf den Philippinen
das Malisa Home gegründet. Ein
Heim für Mädchen, die Opfer von
Menschenhandel geworden sind.
Derzeit versuche ich das Thema
­Prävention von sexueller Gewalt gemeinsam mit den German Doctors
und World Vision auf den Philippinen stärker in den Vordergrund zu
rücken.
Die Figur der Dorothea, die Sie
spielen, umweht etwas Tragisches,
Einsames. Gibt es solche dunklen
Facetten auch an Ihnen?
Ja. Ich bin von Natur aus nicht nur
heiter. Es gibt auch eine einsame,
verlorene Seite an mir. Ich hatte und
habe immer wieder düstere, melancholische Momente. Aber die akzeptiere ich als Teil meines Wesens.
Zudem sind es durchaus kreative
Momente.
Die Drogenexzesse in Ihrem Film
wirken sehr überzeugend.
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MARIA
FURTWÄNGLER
wurde am
13. September
1966 in München
als Tochter des
Architekten
Bernhard Furt­
wängler und der
Schauspielerin
Kathrin Acker­
mann geboren.
Sie hat noch zwei
Brüder. Der Diri­
gent Wilhelm
Furtwängler war
ihr Großonkel.
Maria Furtwäng­
ler ist verheiratet
mit dem Verleger
Hubert Burda
und hat mit ihm
zwei erwachsene
Kinder. Die
promovierte
Humanmedizine­
rin praktizierte
als Ärztin, bis sie
sich schließlich
ganz der Schau­
spielerei wid­
mete. Ihre Rolle
als „Tatort“Kommissarin
Charlotte Lind­
holm machte sie
in Deutschland
zum Topstar.
Furtwänglers
neuer Kinofilm
„Das Wetter in
geschlossenen
Räumen“ ist ab
dem 28. Januar
im Kino zu sehen
Das betrachte ich jetzt mal als Kompliment. Meine Tochter hat das
­übrigens auch so empfunden und
überrascht gefragt, wieso ich das so
gut rüberbringe.
Haben Sie denn Erfahrungen mit
harten Drogen?
Ach, dafür bin ich ein viel zu großer
Angsthase. Kontrollverlust ist mir
unheimlich. Sachen wie Kokain sind
nichts für mich, aber …
Jetzt kommt die Drogenbeichte.
Ich habe mir mal von einer Freundin
eine Ecstasy-Pille besorgt, um auszuprobieren, wie das so ist. Die liegt
seit zehn Jahren in einem Schächtelchen und lacht mich an. Das wird sie
wohl auch weiterhin tun.
Nie gekifft?
Doch, klar! In der Schulzeit. Ich hab
sogar angebaut.
Wow – Maria Furtwängler hatte
eine Hasch-Plantage!
So würde ich das nun nicht nennen.
Aber es gab ein kleines Anbaugebiet
im Garten meiner Mutter. So ungefähr zehn Pflanzen. Recht stattliche
Exemplare. Die sind mir dann aber
irgendwann geklaut worden. Ich
war sehr enttäuscht.
Von Mitschülern geklaut?
Vermutlich. Leute, wenn ihr das hier
lest: Gesteht endlich. Ruft mich an.
Es wird euch erleichtern. Wir müssen da einen Schlussstrich ziehen.
(lacht)
Können Sie es persönlich nachvollziehen, dass sich Ihre Filmfigur
einen deutlich jüngeren Liebhaber
nimmt?
Natürlich. Es gibt ja diesen Charme
der Jugend. Das hat schon seinen
Reiz. Die Figur der Dorothea braucht
diesen jungen Kerl. Das ist wie der
nächste Drink. Hauptsache, sie
spürt sich irgendwie. Aber es ist ein
Strudel ins Nichts.
Jetzt sprechen Sie über Ihre Filmfigur. Wie ist das bei Ihnen selbst?
Ich sehe diesen Zauber der Jugend,
allein wenn ich meine Kinder ansehe! Aber leider habe ich mich immer
schon für ältere Männer interessiert.
Als wir die Bettszenen sahen,
dachten wir: Gute Güte, was wird
der Hubert Burda dazu sagen?
Da machen Sie sich mal keine Sorgen. Ich hatte ja schon andere Kerle
in meinen Filmbetten. Er trägt es
mit Fassung.
Sie haben einmal gesagt, dass Sie
erst in den letzten Jahren gelernt
hätten, sich als Schauspielerin zu
akzeptieren.Woher kommt dieser
Hang zum Selbstzweifel?
Weiß ich nicht. Das ist eben so bei
mir. Das ist, soweit ich aus der Forschung weiß, auch sehr deutsch. Ich
konnte lange nicht sagen: Das hast
du gut gemacht, Maria. Das hat sich
tatsächlich erst in den letzten Jahren geändert.
Wodurch?
Ich habe mich weiterentwickelt,
arbeite anders, auch mit Coaches.
Ist der Begriff „Selbstoptimierung“
für Sie Ansporn oder Unwort?
Ich glaube, wir sind ein Land der
Selbstoptimierer. Uns wird permanent suggeriert: Nimm diese Creme,
damit du faltenfreier bist. Trink das,
damit du dünner wirst. Mach die
Brüste mehr raus, damit du sexier
bist. Ich hasse Selbstoptimierung!
Und trotzdem streben Sie nach
Perfektion?
Zum Glück lässt diese Sucht mit zunehmendem Alter nach. „Perfekt“
gibt es sowieso nicht. Und das „liebevoll mit sich selbst zu sein“, das
lerne ich gerade. Das war jetzt mal
ein knackiger Satz, was?
Ja. Aber was ist daran denn so
schlimm, besser werden zu wollen,
Frau Doktor Furtwängler?
Entscheidend ist das innere Gefühl
dazu. Wenn ich darunter leide, dass
ich nie so toll aussehen werde, nie
so toll spielen werde, nie so viel
schaffe, wie ich mir dauernd vornehme, dann ist das ein Problem.
Dass man besser werden will, das ist
ja okay. Denn es heißt ja auch: Ich
will wachsen.
Wo ist dann bitte das Problem?
Es wird heute von allen verlangt, im
Job Spitzenleistung zu bringen, den
Säugling im Arm zu schaukeln, den
Vorstandsvorsitzenden dabei am
Ohr zu haben, mit dem Schuh die
Waschtrommel zu verschließen und
bei allem auch noch durchgestylt
und durchayurvedisiert zu sein.
Durchayurvedisiert – tolles Wort!
Dieses Frauenbild ist doch absolut
verlogen! Es führt zur völligen
Überforderung.
Und wer ist schuld?
Ich denke, das kommt daher, dass
diese Sheryl Sandberg …
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„ICH HASSE SELBSTOPTIMIERUNG!“
Und sie hasst auch noch ein paar andere Dinge, die die moderne
Gesellschaft mit sich bringt. Furtwängler ist eine Frau,
die sich engagiert, die kämpft. Sie wäre bestimmt eine gute Ministerin
„KOPFGESTEUERT – AUSSER WENN
ICH SPIELE“
Sie meinen die Facebook-Chefin,
Mutter von zwei Kindern und
Buchautorin.
Genau. Das geht, wenn überhaupt,
nur mit richtig viel Kohle und einer
Armada an Unterstützung, um alles
so perfekt gestylt und gechillt zu
schaffen: Megakarriere und tolle
Kinder. Dieses Bild ist eine Riesen­
lüge. Irgendjemand geht dabei drauf.
Über Ihr eigenes Frauenbild sagten
Sie: „Ich war nicht hübsch, aber
schlau.“ Wann haben Sie gemerkt,
dass Sie das Sexsymbol für den
­intelligenteren Herrn sind?
Huch! Bis heute nicht. Ich habe auch
nie das Gefühl gehabt, gut auszuse­
hen. Ich fand mich zu knabenhaft.
Das war ein richtiger Komplex von
mir. Meine Mutter sagte dann auch
noch, ich laufe wie ein Matrose. Und
das stimmte auch. Das Gefühl, nicht
weiblich genug zu sein, saß mir
­lange im Genick.
Und heute?
Wenn ich mich in Filmen sehe, oder
auf Fotos, dann denke ich schon mal:
„Wow, die Frau schaut ja klasse aus,
echt cool!“ Aber dann sehe ich mich
wieder morgens im Spiegel und
denke: Oh nein, so sieht die Furt­
wängler also in Wirklichkeit aus.
Das ist jetzt Koketterie.
Nein. Eine Freundin, der ich neulich
erzählt habe, dass da eine Frau ganz
eifersüchtig reagiert hat, als ich mit
deren Mann sprach, die sagte mir:
Maria Furtwängler hat
das saubere
Image der leicht
unterkühlten
Blondine lange
gepflegt. Was
hinterm Vorhang lauerte,
wusste keiner
„Du bist ja auch eine sehr erotische
Frau.“ WHAT??? ICH???
Sie sind also eher eine kopfgesteuerte?
Ja, außer wenn ich spiele. Wenn ich
Interviews gebe, ist alles kopf­
gesteuert, da ist vom Hals ab alles
ausgeschaltet.
Sie können Ihre Antworten auch
gern tanzen …
Ich will damit sagen: Ich bin mir
meiner angeblichen Sexiness nicht
bewusst.
Das Alter …
… ist eine permanente Kränkung.
Eine einzige Demütigung. Eine gro­
ße Unverschämtheit. Und doch ist
die einzige Chance, nicht alt zu wer­
den, früh zu sterben. Dann doch
lieber alt werden.
Werden Sie es hinnehmen?
Das sage ich Ihnen in zehn Jahren,
wenn ich durchgeliftet bin. (lacht)
Ich finde es furchtbar, wenn Schau­
spielerinnen so tun, als würden sie
mit Gurkenmasken und viel Schlaf
auskommen. Das ist Dummverkau­
fe. Ich hoffe jedenfalls, dass ich
nichts mache, was mich entstellen
wird. Pralle Bäckchen, dicke Lippen,
das sieht auf Fotos zwar jünger aus.
Aber es ist dann eben nicht mehr das
Gesicht, das zu mir gehört, das ich
mir erlitten und erlacht habe. Aber
es ist in meinem Beruf sicher beson­
ders schwer, mit Würde zu altern.
Hildegard Knef forderte Fotografen auf: Schön in die Fresse blitzen,
Jungs! Was ist Ihr Trick, auf Bildern
faltenfrei auszusehen?
Licht! Licht ist viel wichtiger als
jedes Make-up.
Stimmt es also, dass Ihnen bei
Außenaufnahmen ein Baldachin
überm Kopf gebaut wird, um harte Schatten zu vermeiden?
Schön wär’s. Aber natürlich habe ich
einen Instinkt dafür, was geht und
was nicht geht. Licht von oben ist
fast immer tödlich. Falsches Licht
kann einen vernichten.
In Badeanzug-Kabinen zum Beispiel.
Oh ja! Da frag ich mich dann: Wol­
len die was verkaufen, oder wie?
Im 1000. „Tatort“, der im Herbst ge­
sendet wird, da seh ich übrigens
herrlich beschissen aus. Aber das
ist da egal, weil es in der Filmsitua­
tion passt. Man darf sich vor lauter
Angst, blöd auszuschauen, nicht die
schauspielerische Freiheit nehmen.
Ich bin da sehr viel entspannter
geworden.
Ein kleines Gedankenspiel: Wenn
Sie bei einem Abendessen neben
sich selbst sitzen würden, würden
Sie sich mögen?
Ich denke schon. Denn da würde je­
mand neben mir sitzen, der Humor
hat, neugierig ist und zu großer Em­
pathie fähig. Solche Menschen mag
ich. Gute Frage übrigens.
Danke, die ist Richard David Precht
eingefallen.
Ich bin mir sicher, dass sich bei Din­
ners noch nie jemand neben mir
­gelangweilt hat. Ich kann mich aus
dem Stand heraus unglaublich für
Schraubenschlüssel interessieren,
wenn mein Tischnachbar gerade
Schraubenschlüsselfabrikant ist.
Aber manchmal denke ich auch:
Frag mich doch auch mal, was ich
mache, du Rindviech!
Was wäre Ihre Antwort?
Das ist das Irre: In solchen Situatio­
nen stammle ich oft rum und win­
de mich. Vor Monaten noch bei einer
großen Frauenkonferenz, zu der
mich die Bundeskanzlerin einge­
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laden hatte. Lauter Präsidentinnen,
Vorstandschefinnen, Topfrauen. Da
nuschelte ich dann: Hm, ja, also, ich
mache ein bisschen Schauspielerei
und so.
Sie neigen zur kleinen Selbstentwertung?
Ich wünschte, es hätte mir jemand
beigebracht, auch mal zu sagen:
Boah, bin ich gut, bin ich toll!
Apropos toll: Das blaue Kleid, das
Sie bei der Bambi-Verleihung trugen, hatte obenrum nur ein ganz
schmales Lätzchen vor der Brust
kleben, der Rest war nackt …
Das sah nur so aus. Da war ein
durchsichtiger Strumpfhosenstoff
ringsum.
Zeigen Sie Ihrem Mann vorher solche Ausgehkleider?
Wenn ich meinem Mann früher was
gezeigt habe, dann sagte er jedes
Mal: Da ziehst du aber eine Jacke
drüber, oder? Da habe ich es mir
­irgendwann abgewöhnt.
Macht er noch Komplimente?
Ja, klar! Ihm hat sogar der Film gut
gefallen. Ich hatte Sorge, er schläft
nach fünf Minuten ein, oder so.
Er fand es nicht unangenehm,
zuzusehen, wie Sie in einen Papierkorb kotzen?
Nee. Das Meiste davon ist ja rausge­
schnitten worden, dabei habe ich so
toll gekotzt!
Verraten Sie uns, wie man das auf
Kommando hinkriegt?
Mit Wassermelone im Mund. Die
flutscht am besten.
Ein harter Übergang jetzt, aber:
Würden Sie sagen, dass Sie eine
freundliche Ehe führen oder eine
glückliche?
Uff.
Ihr Mann sagte einmal: „Sie müssen Freunde haben, inklusive der
Ehefrau.“ Die Frau als Freundin –
spricht da ein Aufgeklärter oder
ein Abgeklärter?
Ein Ungeklärter vielleicht. (lacht)
Klingt vielleicht banal, aber das A
und O in einer langen Ehe ist Res­
pekt. Durch schwierige und gute
Phasen hindurch. Die lange Dauer
einer Ehe stellt ja einen unge­heuren
Reichtum dar. Wenn man umein­
ander weiß, sich kennt und groß­
zügiger wird – mit sich und dem
­anderen.
Das klingt jetzt ein bisschen un­
romantisch.
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Ich würde ja auch nicht behaupten,
nach 25 Jahren noch eine wildromantische Ehe zu führen.
Loki Schmidt hat einmal gesagt,
das Geheimnis einer langen Ehe
seien getrennte Schlafzimmer.
Eine Option?
Da ist sicher viel dran. Ich glaube vor
allem, dass Liebe eine Geisteshaltung ist, eine Entscheidung.
Und eine glückliche Ehe ist demnach Beschlusssache?
Ja, das ist nichts, was man umsonst
kriegt.
Frau Furtwängler, Sie sind ein
politischer Mensch, was haben Sie
gedacht, als Sie vom SilvesterSkandal in Köln hörten?
(Spricht jetzt derbes Bairisch) Ausländer raus, hob I g’dacht, des Boot is
voll, hob I g’dacht. Der Seehofer un
i sichern jetzt persönlich die boarischen Außengrenzen. Persönlich!
Ernst gemeinte Leserbriefe in
­diesem Ton findet man tatsächlich
in den Münchner Zeitungen.
Ja leider. Im Ernst, ich bin schon empört darüber, wie einige Männer sich
jetzt hinstellen und tönen. Männer,
die sich noch nie um Frauenrechte
geschert haben. Einige von denen
haben damals sogar noch gegen das
Gesetz der Strafbarkeit von Vergewaltigung in der Ehe gestimmt! Ich
finde es auch bedrückend, dass es
jetzt gar nicht um das eigentliche
Thema geht. Es geht nur darum, daraus politischen Profit zu schlagen.
Was ist denn das eigentliche
­Thema?
Die Frauen, denen das passiert ist.
Das Sexualstrafrecht muss endlich
verschärft werden.
Das haben Regierung und Opposition soeben beschlossen.
Die Gesetzesänderung reicht meiner Meinung nach nicht aus. Der
Grundsatz „Nein heißt nein“ muss
gelten: Jede nicht einvernehmliche
sexuelle Handlung muss strafbar
sein. 60 Prozent aller Frauen haben
solche sexuellen Übergriffe schon
erlebt. Wenn ich daran denke, wie oft
ich als Schülerin auf dem Nachhauseweg belästigt wurde. Meistens Exhibitionisten, aber auch Zudringlichkeiten in der vollen U-Bahn oder
unsittliches Begrapscht-werden im
Vorbeigehen. Und jedes Mal war ich
so geschockt und tief beschämt, dass
ich mich nicht zur Wehr gesetzt
habe. Frauen wird ja auch oft suggeriert, sie seien selber schuld, so wie
sie sich gekleidet oder verhalten
hätten.
In Köln waren die Täter offenbar
Migranten und Flüchtlinge.
Aber das ist doch kein typisches Migrantenproblem! Wir leben doch in
einem gesellschaftlichen Klima, in
dem so ein Verhalten toleriert wird.
Unfassbare 95 Prozent der Frauen,
die in Deutschland sexuelle Gewalt
erleben, bringen diese nicht zur
­Anzeige. Und wenn doch, werden 87
Prozent der Täter nicht verurteilt.
Dennoch: Ist es nicht auch ein Problem, das jetzt aus repressiven,
islamischen Gesellschaften zu uns
eingewandert ist?
Das patriarchalische Frauenbild ist
in diesen Ländern sicher vorherrschend, und radikalere Strömungen
in Nordafrika sind dabei, das zu
zementieren. Das kollidiert dann
schon mit unserer Weltanschauung.
Müssen wir unsere Außendarstellung überdenken? Weniger sexy,
weniger Porno, weniger Minirock?
Ich meine jedenfalls, dass es gerade
bei den jungen Frauen heute ein
Missverständnis gibt. Viele meinen,
sexuelle Selbstbestimmung bestehe darin, dass sie sich extrem ver­
äußern und alles zeigen; dass sie
ihren Selbstwert über die Erregung
und Geilheit des Mannes definieren.
Darüber müssen wir nachdenken.
Und die Politik muss das auch.
Glauben Sie, dass Angela Merkel
am Ende des Jahres noch Kanz­lerin
ist?
Ich wünsche es mir! Auch wenn ich
mir vorstellen kann, dass sie heute
die eine oder andere Äußerung oder
manches Selfie bereut, ich sehe
­niemanden, dem ich im Moment
eher zutrauen würde, die komplexe
Situation wieder in den Griff zu
­bekommen. Ich wünsche es mir
­unbedingt! Gerade jetzt!
(Frau Furtwängler haut nun sehr
fest mit der Hand auf den Tisch.)
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Ulrike Posche und
Kester Schlenz trafen
die „Tatort“-Kommis­sarin Maria Furtwängler
in München zum Verhör. Sie erlebten
eine coole, souveräne und sehr
offene Frau, die ab 13 Uhr vor allem an
eines dachte: Endlich was essen!