Eine halbe Premiere

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Eine halbe Premiere
Digital Video
Publisher 6 · 2002
Neue Version des bekanntesten Videoschnittprogramms
Eine halbe Premiere
Mit dem Update auf Version 6.5 verpasst Adobe dem Videoschnittklassiker Premiere
eine Echtzeitvorschau und packt leistungsstarke Programme für Titelgenerierung,
Audiobearbeitung und DVD-Produktion dazu.
 MARKUS ZITT
Die Premiere des
Videoschnittprogramms von Adobe
liegt ein gutes Jahrzehnt zurück, als
die Leistungsfähigkeit der PCs nur
gerade für das Schneiden von kleinen,
framereduzierten Desktop-Videoclips,
den Rohschnitt und das Erstellen von
Schnittlisten taugte. Dank dem DigitalVideo-Standard und der FireWireSchnittstelle, die 1996 eingeführt
wurden, sowie der immer schnelleren
PC-Komponenten ist das Schneiden
von Videos in Broadcast/TV-Qualität
längst mit jedem halbwegs aktuellen
PC möglich.
Seit rund anderthalb Jahren gibts
zudem bezahlbare DVD-Brenner, womit
die beschreibbare DVD (vgl. Publisher
1-02 und 2-02) als adäquates Ausgabemedium für die geschnittenen
Werke zur Verfügung steht. Ungefähr
zur gleichen Zeit wurde auch die Version 6.0 von Premiere eingeführt, die
nun mit einem halben Versionssprung
ein grösseres Upgrade erfährt. Adobe
hat nicht bloss eine Bugfix-Sammlung
ausgeliefert, sondern die aktuellen DVTrends aufgegriffen und integriert.
Aufgerüstet
Wie es selbst die preiswertesten
Einsteigerprogramme schon länger
anboten, bietet nun auch Premiere
die Unterstützung für DVD und
Video-CD und liefert zudem gleich
ein DVD-Authoring-Programm mit.
Ebenfalls neu ist die schon in anderen
professionellen Programmen realisierte
Echtzeitvorschau, wie sie bis vor kurzem
nur mit speziellen Echtzeitvideokarten
(zum Beispiel von Matrox) möglich war.
Als dritte grosse Novität kann Premiere
nun endlich einen attraktiven Titelgenerator aufweisen.
Im Gegensatz zu Ulead Media Studio
6.5, das einst die Versionsnummern 3
und 4 übersprang, und zu Apple Final
Cut Pro 3, welches ursprünglich vom
Premiere-Chefentwickler plattformunabhängig für Macromedia entwickelt
und schliesslich von Apple nur für
Mac OS lanciert wurde, ist Premiere
auf beiden Plattformen zuhause. Dies
ist ein deutlicher Vorteil, wenn in einer
Crossplattform-Umgebung gearbeitet
oder Daten mit anderen ausgetauscht
werden sollen. Die Plattformunabhängigkeit von Premiere erlaubt es, stets
die optimale IT- und AV-Hardware zu
wählen. Als plattformunabhängiges
Programm ist Premiere ab Version 6.5
auch zu den Betriebssystemversionen
Windows XP und Mac OS X kompatibel. Während windowsseitig noch mit
der zweiten Ausgabe von 98 gearbeitet
werden könnte, ist der Mac-Anwender
mindestens auf die aktuellste ClassicVersion 9.2.2 angewiesen.
Sofortbild
Bei der Einführung von Premiere 6.0
standen die lang ersehnte direkte DVUnterstützung und die Ausgabe von
Filmen fürs Internet im Vordergrund.
Auffällig waren die gesteigerte Bedienerfreundlichkeit, unter anderem durch
Adobe Premiere 6.5
Mac OS Classic 9.2.2
Mac OS X 10.1.3
Windows 98SE, ME
Windows 2000SP2, XP
Mindestanforderungen
PowerPC G3, 64/128 MB
Pentium III/500, 128 MB
Lieferumfang
– Adobe Premiere 6.5
– Adobe Titel Designer
– RealProducer Basic
– Sonic Desktop SmartSound
– Quicktracks-CD
– TC Works Spark LE
– Adobe Premiere 6.5
– Adobe Titel Designer
– Adobe MPEG Encoder
– Sonic DVDit! LE
– Sonic Desktop SmartSound
– Quicktracks-CD
– TC Works Native Essentials
Neue
Funktionen

Preise in
Franken
Vollversion: 1199.–; Upgrade: 299.–; Upgrade von LE: 599.–;
Adobe Digital Video Collection 8: 2745.–
Softwarebasierte Echtzeitvorschau für Überblendungen
und Effekte  Neuer Titelgenerator mit starken typografischen Gestaltungsmöglichkeiten  Unterstützung für DVD
(DVD-Video, cDVD) und Video-CD (VCD, SVCD) mit intergiertem MPEG Encoder und DVD-Authoring-Software sowie
Anbindung an Apple DVD Studio Pro
In Echtzeit zeigt Premiere 6.5 nun Überblendungen, Titel und Effekte wie etwa den
neu hinzugekommenen Blitzeffekt (siehe Wasseroberfläche im Monitorfenster).
die aus Photoshop bekannte Protokollfunktion, und die leicht veränderte
Benutzeroberfläche.
Zu den augenfälligsten Neuerungen
der neuen Version 6.5 gehören die
bereits erwähnte Echtzeitvorschau
von Überblendungen, Effekten und
Titeln. Damit entfällt das lästige,
zeitaufwändige Rendern, nur um
etwa eine Überblendung auf ihre
Wirkung zu prüfen. Dies beschleunigt
den Arbeitsfluss, sorgt für mehr Flexibilität und lässt Raum für kreatives
Arbeiten. Die Echtzeitvorschau kann
in den Projekteinstellungen oder bei
Bedarf durch eine Tastenkombination
aktiviert werden. Klickt der Anwender
auf den Play-Button oder die Leertaste, wird der Film ohne Vorschau
– also wie bisher – abgespielt; wird die
Enter- oder die Return-Taste gedrückt,
gibt es den Film in Bildschirmqualität
mit eingearbeiteten Überblendungen,
Effekten und Titeln zu sehen. Natürlich
kann ein Arbeitsbereich auch in optimaler Qualität zuerst auf die Festplatte
gerendert werden.
Wie nicht anders zu erwarten ist,
verlangt die softwarebasierte Echtzeitvorschau eine solide Basis, sprich einen
möglichst leistungsstarken Rechner. Im
Praxistest konnten wir an einem Apple
G4/867 MHz Quicksilver unter Mac
OS 9.2.2 eine leichte Verzögerung vor
dem Einsetzen der Vorschau beobachten. Reicht generell oder bei einem
bestimmten Effekt die Rechnerleistung
nicht aus, so vermindert Premiere die
Videoqualität und die Framerate der
Vorschau.
Titelheld
Der Version 6.5 hat Adobe endlich
einen neuen Titelgenerator spendiert.
Der Adobe Title Designer sieht aus wie
ein abgespeckter Illustrator und besitzt
dessen Pfadwerkzeuge. Der Titel kann
als statisch, (vertikal) rollend oder (horizontal) kriechend bestimmt werden.
Eine «richtige» Animation des Titels
(z.B. entlang eines Bewegungspfades)
ist mit dem Title Designer selbst nicht
möglich. Der Titel kann aber im Schnittfenster mit den vorhandenen Effekten
weiter manipuliert werden.
Der Titeltext kann horizontal und vertikal als Zeile oder Absatz sowie entlang
eines Pfades gesetzt werden, wobei
für ein Videowerkzeug ungewöhnlich
viele typografische Einstellungen (z.B.
Kerning, Unterschneidungen, Grundlinienversatz) vorgenommen werden
können. Für den Titelgenerator und
zur generellen Nutzung liefert Adobe
übrigens 90 PostScript-Schriften mit.
Das Aussehen der Titel kann durch
zahlreiche
Parameter
verändert
werden. Der eingetippte oder über die
Zwischenablage eingefügte Text lässt
sich mit mehrfarbigen Verläufen und
Texturen füllen, mit Glanz, Schatten,
Transparenz und 3D-Effekten versehen
sowie verzerren und neigen. All diese
Einstellungen lassen sich anschliessend zusammen als ein Textstil für den
weiteren Gebrauch abspeichern. Wers
einfach liebt, nutzt für seine Titel einen
der vielen mitgelieferten Titelstile
und passt ihn allenfalls den eigenen
Bedürfnissen an. Zusätzlich stehen
einige attraktive bildschirmfüllende
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Digital Video
und teiltransparente Titelvorlagen
zur Auswahl. Es lassen sich aber auch
eigene vektor- oder pixelbasierte Logos
und Elemente einsetzen. Zur besseren
Beurteilung kann das Video bei Bedarf
auch als Hintergrund eingeblendet
werden.
Nachdem Adobe bereits in der Version
6 die Plug-in-Schnittstelle kompatibel
zu AfterEffects gemacht und gleich
über zwei Dutzend Effekte aus ihrem
Compositing-Programm spendiert hat,
gibt es jetzt mit dem Update noch
einen Nachschlag von weiteren fünf
Filtern.
Der Kanal-Weichzeichner ist weniger
dazu gedacht, einer alternden Schauspielerin einen ebenmässigen Teint
zu verpassen, sondern er zeichnet den
Rot-, Grün-, Blau- oder den Alpha-Kanal
weich. Mit Blitz lassen sich elektrische
Effekte und Blitze zwischen zwei Punkten festlegen, wobei das Aussehen der
Blitze durch zahlreiche Parameter
beeinflusst werden kann (z.B. die Zahl
der Verästelungen). Damit sind Effekte
ähnlich wie bei der Ankunft des T9000
in «Terminator» oder nach einem Duell
des «Highlanders» möglich. Weitere
Effekte sind Überblendung, Verlauf für
lineare und kreisförmigen Farbverläufe
und der Strudel.
Neue Aussenhandelsbilanz
Wer Videoinhalte fürs Web produziert, findet seit Version 6.0 unter
dem Sichern für Web-Menü neue
Exportformate für Videostreaming
im RealMedia- und Windows-MediaFormat, Ab Version 6.5 wird der
Windows-Media-Import unterstützt,
womit sich nun auch WMV-, WMA- und
ASF-Dateien in ein Projekt integrieren
lassen. Der Schwerpunkt der ImportExport-Neuerungen liegt jedoch in
der direkten Ausgabe von Videos auf
Scheiben, d.h. als DVD-Videos und
(Super-)Video-CDs.
Für diese Aufgabe enthält die
Windows-Version den Adobe MPEG
Encoder (MPEG-1 und -2) und eine
LE-Variante der DVD-Authoring-Software DVDit! von Sonic Solutions. Im
Publisher 6 · 2002
Mac-Paket von Premiere 6 fehlen diese
Programme, dafür wird die Anbindung
an das rund 1500 Franken teure Apple
DVD Studio Pro angepriesen. Ist DVD
Studio Pro installiert, so können direkt
aus dem Premiere-Schnittfenster DVDs
erstellt werden, wobei sich die in
Premiere gesetzten Marken als Kapitel- und I-Frame-Daten für die DVDs
verwenden lassen.
Soundtrack
Ebenfalls ein Unterschied im Lieferumfang zwischen der Mac- und der
Windows-Version besteht in den mitgelieferten Audio-Tools. TC Works Spark
LE befindet sich auf der Mac-CD, während zur Windows-Version TC Works
Native Essentials gehört. Bei Letzterem
handelt es sich um drei DirectX-basierte
Plug-ins, bestehend aus TC Reverb, das
durch künstlichen Hall das Hörgefühl
eines grösseren oder kleineren Raums
vermittelt. Mit dem Equalizer TC EQ
lassen sich bestimmte Tonfrequenzen
auswählen und verstärken oder verringern, während mit TC Dynamics
der Unterschied zwischen leisesten
und lautesten Klängen und zwischen
Höhen und Tiefen verstärkt oder abgeschwächt werden kann.
Mit Spark LE können Mac-Anwender
zwei Tonspuren in Echtzeit bearbeiten.
Das Programm unterstützt die wichtigsten Audioformate (Wave, AIFF, SoundDesignerII und QuickTime), Superaudio
bis 32 Bit und 192-kHz-Sample-Raten
sowie VST-Plug-ins.
Beiden Paketen liegt zudem die Sonic
Desktop SmartSound Quicktracks CD
bei, womit sich aus einigen integrierten
Elementen ein musikalischer Soundtrack von beliebiger Länge generieren
lässt.
Fazit
Mit dem aktuellen Update liefert
Adobe einige fehlende Funktionen
nach, dank denen nun Premiere
wieder up to date ist. Was Premiere
weiterhin fehlt, ist eine automatische
Szenenerkennung. Hier sind Windows-
Im Adobe Title Designer stehen Werkzeuge zum Zeichnen und Bearbeiten von Pfaden
(Bézierkurven) sowie zur Eingabe von Text zur Verfügung. Titeltexte können präzise
gesetzt und mit verschiedenen Attributen versehen werden (rechter Fensterteil) und
für späteren Gebrauch zu den vorhandenen Textstilen (unterer Teil) abgelegt werden.
Zu verschiedenen Themen liefert Adobe ansprechende Vorlagen, die entweder als
Titelhintergründe oder teildurchsichtige Masken (Bild unten) dienen. Im letzteren
Fall kann das Videobild zur optimalen Gestaltung eingeblendet werden.
Benutzer auf die Freeware Sceneanalyser (www.sceneanalyser.com)
angewiesen, während Mac-Anwender
dafür den Videoimport mit dem
Gratisprogramm iMovie durchführen
müssen. Wünschenswert wären erweiterte Audio-Fähigkeiten (z.B. Dolby
Surround/AC3-Export).
Insbesondere mit den aktuellen Neuerungen ist Premiere durchaus eine
Empfehlung wert, die auch ganz klar
für das 300-fränkige Update gilt. Premiere 6.5 ist zusammen mit Photoshop
7, Illustrator 10 und InDesign2 in der
Adobe Digital Video Collection 8 enthalten.

Im MPEG Encoder (links) werden die Einstellungen für den Export festgelegt. Neben
der benötigten Fernsehnorm und dem gewünschten Seitenverhältnis muss je nach
Medium (CD oder DVD) das passende MPEG-Format gewählt werden.
In DVDit! (oben) können mehrere Filme oder Kapitel mit den selbst gestalteten
Menüs verknüpft werden. Vor dem Brennen sollte das CD- oder DVD-Projekt mit einer
virtuellen Fernbedienung «Probe gesehen» werden.
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