Vorhersage von Sturzereignissen – Instrument oder Einschätzung?
Transcription
Vorhersage von Sturzereignissen – Instrument oder Einschätzung?
STURZEREIGNIS: ASSESSMENT Vorhersage von Sturzereignissen – Instrument oder Einschätzung? Sascha Köpke und Gabriele Meyer, Hamburg/Witten In den letzten Jahren wurden etliche Assessment-Instrumente zur Einschätzung des Sturzrisikos entwickelt. Wie zuverlässig und vor allem wie effizient sind diese Assessments? Dieser Frage gingen die Autoren des Artikels im Rahmen einer Studie nach. GERIATRIE JOURNAL 5/09 Foto: Martin Hochrein – Fotolia.com A ssessmentinstrumente boomen in Instrumente begrenzt ist. Eine eigene sysder Pflege. Qualitätsgesicherte und tematische Übersichtsarbeit hat Publikaprofessionelle Pflege scheint un- tionen zu 78 verschiedene Sturzskalen denkbar ohne die Anwendung standar- identifiziert. In Deutschland gebräuchlidisierter Assessments, die eine ganze che Skalen wie die Huhnskala oder die Bandbreite bekannter Risiken Pflegebe- Sturzrisikoskala nach Runge sind in der dürftiger adressieren. In Deutschland sind Übersicht nicht enthalten. Zu diesen beiInstrumente zur Vorhersage von Deku- den, hierzulande verbreiteten Instrubitus- und Sturzrisiko fest etabliert. Wäh- menten liegen keine wissenschaftlich ausrend Dekubitusskalen, deren Anwendung sagekräftigen Publikationen zu Genauim Expertenstandard Dekubitusprophy- igkeit und Vorhersagefähigkeit vor. Von laxe [4] empfohlen wird, schon seit län- 148 im Volltext gesichteten Publikatiogerer Zeit sowohl in Alten- und Pflege- nen erfüllten 38 die Einschlusskriterien heimen als auch in Krankenhäusern ver- (u.a. prospektive Datenerhebung, Endbreitet sind, haben Sturzskalen erst in punkt Sturz bzw. Personen mit mindesjüngerer Zeit einen festen Stellenwert er- tens einem Sturzereignis) und wurden in langt. Einer Querschnitterhebung [3] zu- die Übersichtsarbeit eingeschlossen. Insfolge wurde im Jahr gesamt wurden 28 In Deutschland sind 2007 von 97% der unterschiedliche Skabefragten Altenheime Instrumente zur Vorhersage len untersucht, einiund 57% der Krange davon mehrfach in von Dekubitus- und Sturzkenhäuser angegeben, insgesamt 74 Analyrisiko fest etabliert dass eine Sturzskala in sen. Die Ergebnisse Benutzung sei. Fünf bestätigen frühere Jahre zuvor waren es nur 13% und 5%. Analysen: die methodische Qualität der Der Verbreitungsgrad ist überraschend, Arbeiten ist mehrheitlich limitiert. Gespricht sich doch der breit implemen- nauigkeit und Vorhersagefähigkeit sind tierte Expertenstandard Sturzprophyla- unzureichend. Wenn in Entwicklungsxe [5] explizit gegen die Benutzung eines studien noch eine hohe Genauigkeit gestandardisierten Instrumentes zur Ein- zeigt wurde, so konnte diese in externen schätzung des Sturzrisikos aus. Validierungsstudien durchgehend nicht National und international wurden bestätigt werden, somit ist die Generalizahlreiche Sturzskalen entwickelt und va- sierbarkeit der Skalen fraglich. lidiert. Seit 2001 wurden allein fünf sysDie am häufigsten untersuchten Skatematische Übersichtsarbeiten zum The- len waren der „Tinetti-Test“ und das ma publiziert [11]. Die Arbeiten kommen STRATIFY-Instrument. Beide Instrutrotz unterschiedlicher Methoden und mente zeigen außerhalb der EntwickFragestellungen konsistent zu dem Er- lungssamples unbefriedigende Vorhersagebnis, dass die externe Validität dieser gewerte und unzureichende Genauigkeit [10, 12]. In einem kürzlich erschienenen Editorial hat daher der Entwickler des STRATIFY, David Oliver, „widerrufen“ und sich explizit gegen eine weitere Entwicklung und Anwendung von Sturzskalen – zumindest im Setting Krankenhaus – ausgesprochen [14]. Trotz der eindeutigen Ergebnisse werden jedoch weiter neue Tests entwickelt und fast wöchentlich neue Studien zur Genauigkeit von Sturzskalen publiziert. Diese Studien decken jedoch nur einen Teil des Spektrums der Beurteilung von Skalen ab. Die 2008 veröffentlichten Empfehlungen der GRADE working 35 STURZEREIGNIS: ASSESSMENT group zur Beurteilung von diagnostischen wurden ca. 20 gehfähige Bewohner ab 70 schätzung, definiert als Anwendung meTests stellen dar, dass Querschnitt- und Jahren zufällig ausgewählt. Die Studie chanischer oder medikamentöser freiKohortenstudien zwar starke Evidenz für wurde zwischen September 2005 und Fe- heitseinschränkender Maßnahmen. die Genauigkeit diagnostischer Tests lie- bruar 2007 durchgeführt. fern, die Testgenauigkeit jedoch nur ein Ergebnisse Ersatzparameter (Surrogat) für Patien- Interventionen: Zum Ausgleich von ten-relevante Ergebnisse sei. Demgegen- Zentrumsunterschieden erhielten alle Studienverlauf: Abb. 1 zeigt den Verüber gelte es zu beurteilen, ob der dia- Einrichtungen vor der Randomisierung lauf der Einrichtungen und der Bewohgnostische Test direkte Folgen auf Pa- eine „Schulung zur optimierten Stan- ner über die Dauer der Studie. Die mitttienten-relevante Ergebnisse hat [16]. dardversorgung“, d.h. eine 90-minütige lere Beobachtungszeit betrug in beiden Mit anderen Worten steht vor Imple- Schulung über den aktuellen Stand der Gruppen 10,9 ± 2,9 Monate. Die bementierung in die Versorgungspraxis und Forschung zu Stürzen und Sturzprophy- schreibenden Merkmale waren sowohl der damit einhergehenden Bindung per- laxe bei Alten- und Pflegeheimbewoh- auf Einrichtungs- als auch auf Bewohmanent knapper nern auf Basis des nerebene in allen Kategorien vergleichZur Huhnskala und zur Ressourcen der NachExpertenstandards bar. Die Bewohner waren in beiden Grupweis des klinisch re- Sturzrisikoskala nach Runge Sturzprophylaxe. Die pen im Mittel 87 ± 6 Jahre alt, in der IG levanten Nutzens an. Einrichtungen in der waren 85% Frauen, in der KG 86%. liegen keine Publikationen Für die Einschätzung Interventionsgruppe zu Genauigkeit und der Sturzgefährdung (IG) führten eine Sturzereignisse: In Tab. 1 sind die ErVorhersagefähigkeit vor bedeutet das v.a., ob standardisierte Ein- gebnisse zu Stürzen und Bewohnern mit durch die Anwenschätzung des Sturz- mindestens einem Sturzereignis (Stürzer) dung einer Skala die Anzahl der gestürz- risikos durch. Für jeden teilnehmenden dargestellt. Insgesamt wurden 2.030 Stürten Bewohner bzw. Patienten gesenkt Bewohner wurde am Anfang jeden Mo- ze dokumentiert, 1.016 in der IG und wird. Diese Frage kann nur mittels einer nats die Sturzgefährdung mittels der 1.014 in der KG. 590 Bewohner stürzrandomisiert-kontrollierten Studie be- „Downtonskala“ eingeschätzt [7]. Die ten mindestens einmal (IG: 299, KG: antwortet werden. Damit ließe sich auch Skala erfragt bekannte Risikofaktoren wie 291). Der primäre Endpunkt, der Anteil eine häufig genannte Begründung für die Sturz in der Vorgeschichte, Einnahme der Stürzer, war zwischen den Gruppen Anwendung von Assessmentinstrumen- bestimmter Medikamente, sensorische nahezu identisch. Die Cluster-adjustierten in der Pflege überprüfen: die ver- und kognitive Einschränkungen sowie te Rate der Stürzer betrug in der IG 52% meintliche „Schärfung des Bewusstsein“ Gehstörungen. Der Schwellenwert für und in der KG 53%. Die Cluster-adjusder Pflegenden. Allein die Beschäftigung ein erhöhtes Sturzrisiko lag bei ≥ 3 Punk- tierte Differenz zwischen den Gruppen mit dem Instrument soll dieser Argu- ten. In der Kontrollgruppe (KG) erfolg- betrug -0,7% (95% Konfidenzintervall mentation folgend zu einer Sensibilisie- te keine weitere Intervention, es wurde 10,3% bis 8,9%), der p-Wert (Chi2-Test) lag bei 0,88. rung für die Problematik und somit zu während des StudienzeitAn der Studie nahmen Für alle weiteren Endpositiven Effekten führen [9]. Der Nach- raums keine Sturzskala punkte wie das Auftreweis für diese Behauptung stand jedoch verwendet. 58 Alten- und Pflegeten sturzbedingter Verbislang aus. Ziel einer vom BMBF im heime aus Hamburg letzungen, die AnwenRahmen des Pflegeforschungsverbundes Datenerhebung: Die und Umgebung teil dung prophylaktischer Nord geförderten Studie war die Über- Datenerhebung erfolgte Maßnahmen oder die prüfung der Wirksamkeit einer Sturzskala prospektiv unter Benutim Vergleich zur pflegerischen Einschät- zung spezieller Dokumentationsbögen Anwendung freiheitseinschränkender durch die Pflegenden sowie durch Be- Maßnahmen zeigten sich keine Unterzung [13]. fragung der Pflegenden während der al- schiede zwischen den Gruppen. Eine ausle zwei Monate erfolgenden Besuche in führlichere Darstellung der Methoden Methoden den Einrichtungen. und der Ergebnisse findet sich in der PuRekrutierung: Es handelt sich um eine blikation von Meyer et al. [13]. Cluster-randomisierte, kontrollierte Stu- Ergebnisparameter: Der primäre Enddie mit 12-monatiger Beobachtungszeit. punkt war der Anteil von Bewohnern Diskussion Die Zuteilung der teilnehmenden Ein- mit mindestens einem Sturzereignis richtungen erfolgte entweder zur Ver- („Stürzer“) im Beobachtungszeitraum. Die vorliegende Studie hat erstmals die wendung einer Sturzskala, der „Down- Sekundäre Endpunkte waren die Anzahl Wirksamkeit eines pflegerischen Eintonskala“, oder zur „optimierten Stan- von Stürzen, sturzbedingte Verletzungen schätzungsinstruments in einer randodardversorgung“. An der Studie nahmen und Ressourcenverbrauch, Maßnahmen misiert-kontrollierten Studie gemäß den 58 Alten- und Pflegeheime aus Hamburg zur Sturz- und Frakturprophylaxe sowie aktuellen international geforderten meund Umgebung teil. Pro Einrichtung „unerwünschte Wirkungen“ der Ein- thodischen Vorgaben überprüft [16]. Nur 36 GERIATRIE JOURNAL 5/09 STURZEREIGNIS: ASSESSMENT ment- und Screehätte sehr wahrscheinDer Einsatz einer Sturzninginstrumenten in risikoskala ist aus wissen- lich zu einem verder Pflegepraxis. Die gleichbaren Ergebnis schaftlicher Sicht nicht Downtonskala wurde geführt. Es ist anzugerechtfertigt hier exemplarisch aus nehmen, dass die Erder Vielzahl der vorgebnisse dieser Studie liegenden Sturzskalen ausgewählt, da sie national und international übertragbar eines der wenigen Instrumente ist, das sind. Für andere Bereiche des pflegerimehrfach in geriatrischen Populationen schen Assessment z.B. für die Einschätvalidiert wurde und da sie, ähnlich wie zung des Dekubitusrisikos sind die Erandere in der Praxis gebräuchliche In- gebnisse ebenfalls bedeutsam. Auch hier strumente, in kurzer Zeit und ohne Be- belegen Untersuchungen durchgehend lastung des Bewohners durchgeführt wer- unbefriedigende Eigenschaften zu Geden kann. Die Verwendung einer ande- nauigkeit und Vorhersagefähigkeit der ren Sturzskala im Rahmen dieser Studie Skalen [6]. Eine kürzlich publizierte methodisch limitierte Cluster-randomisiert kontrollierte Studie konnte ebenfalls keiAbb. 1: Studienverlauf nen Unterschied zwischen der Anwendung einer gebräuchlichen Skala, der BraAlten- und Pflegeheime in Hamburg und Umgebung (n = 180) denskala, und Standardversorgung bzgl. des Auftretens von Dekubitus bei KranNicht berücksichtigt (n = 47): kenhauspatienten zeigen [15]. @ Teilnahme an parallel laufender Studie im Verbund (n = 26) Es sollte angesichts der dargestellten @ Einschlusskriterien nicht erfüllt (n = 21) Ergebnisse zu vermuten sein, dass sich Wissenschaft und Praxis vom bisherigen Trugschluss der Qualitätssicherung durch Schriftliche Einladung (n = 78) Assessmentinstrumente zu verabschieden gedenken. Befürworter der Instrumente Teilnahme abgelehnt (n = 20) sollten ihre Empfehlungen bis zum Nachweis der Überlegenheit der Instrumente über die pflegerische klinische EinschätTeilnahme zugesagt: Einrichtungen (n = 58) Bewohner (n = 1.125) zung zurückhalten. Dem ist jedoch keineswegs so. Trotz der klaren Ergebnisse aus Querschnittsstudien, KohortenstuInterventionsgruppe Kontrollgruppe dien und systematischen ÜbersichtsarEinrichtungen (n = 29) Einrichtungen (n = 29) beiten, trotz des eindrucksvollen ErgebBewohner (n = 574) Bewohner (n = 551) nisses dieser Studie und trotz der „Abkehr“ renommiertester Wissenschaftler Ausgeschieden (n = 105) Ausgeschieden (n = 114) von den Sturzskalen und deren einVerstorben (n = 92) Verstorben (n = 99) drucksvollen Forderungen wie „Time to Verzogen (n = 13) Verzogen (n = 15) put them to bed“ [14], wird fleißig weiter eingeschätzt. Eine kürzlich in Österreich erschieneIn die Auswertung In die Auswertung eingeschlossen (n = 574) eingeschlossen (n = 551) ne „Evidence-based Leitlinie“ zur Sturzprophylaxe für ältere Menschen [1] empfiehlt den Einsatz von Sturzskalen wie dem STRATIFY und der Morse-Skala bei Tab. 1: Sturzereignisse alten Menschen in Krankenhäusern und IG (n = 574) KG (n = 551) Pflegeheimen. Diese Empfehlung beruht Anzahl der Stürzer 299 291 laut Autoren auf „hoher Evidence“ (Evidenceklasse 1), eine Einschätzung, die anStürzer, % 52 53 gesichts der dargestellten ForschungslaAnzahl der Stürze 1016 1014 ge nicht nachvollziehbar erscheint. Mittlere Anzahl der Stürze Auch auf wissenschaftlicher Ebene pro Bewohner ± SD (Bereich) 1,8 ± 1,2 (0-50) 1,8 ± 1,0 (0-42) scheint die Diskussion nicht mit dem ak12-mon. Beobachtung Randomisierung Rekrutierung: Einrichtungen und Bewohner so kann gezeigt werden, ob ein Instrument einen zusätzlichen Nutzen zur ohnehin erfolgenden pflegerischen Einschätzung hat. In der vorliegenden Studie zeigten sich bei optimierter Standardversorgung keine Bewohner-relevanten Vorteile für die Einschätzung mittels einer Skala im Vergleich zur pflegerischen Einschätzung. Die Ergebnisse in den Gruppen waren bezüglich aller Ergebnisparameter nahezu gleich. Der Einsatz einer Sturzrisikoskala ist demnach aus wissenschaftlicher Sicht nicht gerechtfertigt. Das Ergebnis widerspricht klar der Forderung nach Assess- GERIATRIE JOURNAL 5/09 37 STURZEREIGNIS: ASSESSMENT tuellen Erkenntnisstand Schritt zu halten. führt oder gar neu in die Praxis impleDeFloor und Grypdonck [6] warnen in mentiert werden, solange nicht sicher Bezug auf Dekubitusskalen zu Recht da- nachgewiesen ist, dass kein Schaden vorvor, dass unnötige Arbeit und falsch ver- liegt. Warum Experten und Meinungsteilte Ressourcen das einzige Ergebnis führer trotz der eindeutigen Evidenzlage der Einschätzung sein weiter an den EmpfehVor Einführung neuer könnten. Dieselben lungen für die Skalen Autoren vermuten aber Assessmentinstrumente festhalten, lässt sich dennoch mögliche pomöglicherweise mit dem in die Praxis ist ein sitive Auswirkungen der bereits in den fünfziger Wirksamkeitsnachweis Skalen-basierten EinJahren von Festinger [8] zu fordern schätzung im Vergleich beschriebenen Phänozur ausschließlich pflemen der „kognitiven gerischen Einschätzung [6]. Erstaunli- Dissonanz“ erklären. Starke Voreinstelcherweise diskutieren viele Autoren trotz lungen erschweren oder verunmöglichen schlechter bis desolater Ergebnisse der demnach die Aufnahme neuer, ernüchRisikoskalen die klinischen Konsequen- ternder Informationen. zen ihrer Studienergebnisse eher zurückhaltend, bejahen trotzdem mit nicht Schlussfolgerung nachvollziehbarer Argumentation die Skalen und sind offensichtlich Opfer ei- Die Studie zeigt erstmals auf methodisch nes ausgeprägten interpretation bias. Es höchstem Stand, dass die Verwendung scheint an Mut und Einsicht zu fehlen, von standardisierten Assessmentinstrueine eindeutige Empfehlung für die prak- menten zur Vorhersage der Sturzgefährdung bei Alten- und Pflegeheimbewohtische Pflege abzugeben. Die im Rahmen der berichteten Stu- nern aus wissenschaftlicher Sicht nicht gedie generierten Ergebnisse widersprechen rechtfertigt ist. In Zukunft sollte die deutlich einem positiven Effekt durch pflegerische Einschätzung auf Basis eidas erhoffte und immer wieder prokla- nes profunden Wissens um den besten mierte gesteigerte Bewusstsein des Pfle- Stand der Forschung zur Sturzprophylagepersonals durch Anwendung einer Ri- xe als bestes Modell für die Praxis gelten. sikoskala. Dennoch wird auch das Er- Bereits etablierte Instrumente in anderen gebnis dieser Studie von Experten in Bereichen z.B. zur Einschätzung des DeDeutschland keineswegs als Beleg für die kubitusrisikos sollten kritisch bewertet Nichtwirksamkeit von Assessmentin- werden und bis zum Nachweis der Wirkstrumenten in der Pflege anerkannt. „Der samkeit durch eine methodisch angefehlende Nachweis einer Effektivität ist messene Untersuchung nicht als Stannoch kein Nachweis einer Ineffektivität!“, dard für die Pflegepraxis gelten. Vor der so hieß es kürzlich in einem Buchbeitrag Einführung neuer Assessmentinstru[2]. Daher würden die Ergebnisse der mente in die Praxis ist für diese ein WirkStudie nicht die Schlussfolgerung erlau- samkeitsnachweis zu fordern. ben, „dass die Verwendung von standardisierten Assessmentinstrumenten zur Literatur 1. Bachner D, Haas W, Semlitsch B, Schaffer S, Uhl Vorhersage der Sturzgefährdung bei AlC, Weiß R. Evidence-based Leitlinie „Sturzprophyten- und Pflegeheimbewohnern aus wislaxe für ältere und alte Menschen in Krankenhäusenschaftlicher Sicht nicht gerechtfertigt sern und Langzeitpflegeeinrichtungen“. Onlinedokument: http://www.ebn.at/cms/dokumente/ sei.“ Diese Argumentation verwundert, 10154106_5081774/7dd7df8a/Leitline_Langstellt sie doch das Prinzip des wissenversion_Jan_09.pdf. Letzter Zugriff 22.9.2009. schaftlichen Nutzennachweises von (pfle2. Bartholomeyczik S. Assessmentinstrumente in der Pflege. In: Klusen N, Meusch A (Hrsg.): Zugerischen) Interventionen auf den Kopf. kunft der Pflege in einer alternden Gesellschaft. Demzufolge gelte es in Zukunft also nicht Konzepte, Kosten, Kompetenzen. Baden-Baden: Nomos 2009. mehr zu beweisen, dass die Einführung 3. Dassen T. Pflegeabhängigkeit, Sturzereignisse, oder Beibehaltung von Interventionen Inkontinenz, Dekubitus. Prävalenz 2007. Berlin: von Nutzen sei, sondern es sollten weiterInstitut für Medizin-/Pflegepädagogik und Pflegewissenschaft 2007. hin ineffektive Interventionen durchge- 38 4. Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (Hrsg.). Expertenstandard Dekubitusprophylaxe in der Pflege. Entwicklung, Konsentierung, Implementierung, 2. Aufl. mit aktualisierter Literaturstudie (1999-2002). Osnabrück: DNQP 2004. 5. Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (Hrsg.). Expertenstandard Sturzprophylaxe in der Pflege. Entwicklung, Konsentierung, Implementierung. Osnabrück: DNQP 2006. 6. Defloor T, Grypdonck M. Pressure ulcers: validation of two risk assessment scales. J Clin Nurs 2005; 14: 373-382. 7. Downton J (1993): Falls in the elderly. Sevenoaks, Kent: Edward Arnold. 8. Festinger L. A Theory of Cognitive Dissonance. Stanford, Stanford University Press 1957. 9. Heinze C, Rissmann U, Dassen T. Stürze bei älteren Menschen. PrInterNet 2004; 6: 105-110. 10. Köpke S, Meyer G. The Tinetti test. Babylon in geriatric assessment. Z Gerontol Geriatr 2006; 39: 288-291. 11. Köpke S, Meyer G. Sturzassessment in der Pflege. Haben Instrumente zur Einschätzung der Sturzgefährdung einen zusätzlichen Nutzen gegenüber der pflegerischen Einschätzung? In: Reuschenbach B, Mahler C (Hrsg.): Handbuch pflegebezogener Assessment-Methoden. Bern, Göttingen, Toronto, Seattle: Hans Huber, im Druck 2009. 12. Meyer G, Köpke S. Assessment des Sturzrisikos älterer Menschen: Methodische und klinische Betrachtungen sowie kritische Würdigung des STRATIFY Instrumentes. In: Bartholomeyczik S, Halek M (Hrsg.): Assessmentinstrumente in der Pflege. Möglichkeiten und Grenzen. Hannover, Schlütersche 2009. 13. Meyer G, Köpke S, Haastert B, Mühlhauser I. Comparison of a fall risk assessment tool with nurses' judgement alone: a cluster-randomised controlled trial. Age Ageing 2009; 38: 417-423. 14. Oliver D. Falls risk-prediction tools for hospital inpatients. Time to put them to bed? Age Ageing 2008; 37: 248-250. 15. Saleh M, Anthony D, Parboteeah S. The impact of pressure ulcer risk assessment on patient outcomes among hospitalised patients. J Clin Nurs 2009; 18: 1923-1929. 16. Schünemann H, Oxman A, Brozek J, Glasziou P, Jaeschke R, Vist G, Williams J, Kunz R, Craig J, Montori V, Bossuyt P, Guyatt G; GRADE Working Group. Grading quality of evidence and strength of recommendations for diagnostic tests and strategies. BMJ 2008; 336: 1106-1110. Dr. Sascha Köpke, Universität Hamburg, MIN-Fakultät, Gesundheitswissenschaften, Martin-Luther-King-Platz 6, 20146 Hamburg, Sascha.Koepke@uni-hamburg Prof. Dr. Gabriele Meyer, Private Universität Witten/Herdecke gGmbH, Fakultät für Medizin, Institut für Pflegewissenschaft, Stockumer Str. 12, 58453 Witten, [email protected] GERIATRIE JOURNAL 5/09