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Studierendenmagazin der UdK
Unter einem Dach
UdK Adressen, Kontakte
Eure Vertretung – Euer AStA
tel 030.31 85 27 65 oder
030.31 85-24 64 (AB)
fax 030.31 85-26 70
-
— Öffentlichkeitsreferat
[email protected]
>Anja Wenzel
[email protected] >Marion R. Wagner
Dienststag 17 bis 19 Uhr
— Hochschulpolitik
vernetzung@asta-udk-berlin.
de >Sven Cishmack
Donnerstag 14 bis 16 Uhr
[email protected]
>Pablo Herrman
Mittwoch 14 bis 16 Uhr
[email protected] >Dirk Eilers
Montag 14.30 bis 16.30 Uhr
— Finanzen
[email protected]
>Tobias Hömberg
Donnerstag 16 bis 18 Uhr
— Soziales
[email protected]
>Marina Jentsch
Montag 14 bis 16 Uhr
— Kultur
kulturelles@asta-udk-berlin.
de >Azul Blaseotto
Montag 16 bis 18 Uhr
Euer StuPa
Ivonne Dippmann (1. Vors.)
Patric Macharon (1. Stellv.)
Thomas Werner (2. Stellv.)
tel 030.31 85-27 65
030.31 85-24 62 (AB)
[email protected]
Eure Fachschaftsräte
— Kunst im Kontext
Einsteinufer 43–53
Anfragen für Container:
[email protected]
— Bildende Kunst
[email protected]
Treffen freitags 14.30 Uhr
Hardenbergstr. 33, Raum 34
Markus Göst 030.31 85-21 09
— Architektur
fachschaftsrat@alink.
udk-berlin.de
Treffen mittwochs 12 Uhr
Hardenbergstr. 33, Raum 335
Andreas Froncala 31 85-29 42
— Industrial Design
[email protected]
Straße des 17. Juni, Raum 107
Ole Jeschonnek 030.31 85-23 30
— Visuelle Kommunikation/
Experim. Mediengestaltung
[email protected]
Treffen montags 14 Uhr
Grunewaldstr. 2–5, Raum 301
Yuky Ryang 030.31 85-12 55
— GWK
[email protected]
Mierendorffstr 28–30, 103
Kai Fischer 030.31 85-25 86
— Musik (Lehramt)
[email protected]
Treffen dienstags 17 Uhr
Lietzenburgerstr. 45, Raum 004
Dominik Mühe 030.31 85-26 38
— Darstellende Kunst
fachschaft_fak4@
yahoogroups.de
Lietzenburger Str. 45
Anna Hentschel
Orientierung für Anfänger
und Fortgeschrittene
«OASE» Online Access Service
Hochschulöffentlicher PC-Pool
Einsteinufer 43–53
tel 030.31 85-25 85
[email protected]
Montag – Freitag 12.00–18.45 Uhr
Career & Transfer Center
Einsteinufer 43–53
tel 030.31 85-26 43
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www.careercenter.udk-berlin.
de
Immatrikulations- und
Prüfungsamt (IPA)
Einsteinufer 43–53, 4. OG
Montag, Donnerstag 9.30–12.30 Uhr
Dienstag 12–15 Uhr
tel 030.31 85-23 68
susanne.hagen
@intra.udk-berlin.de
Studienberatung
— Persönliche Beratung
Einsteinufer 43–53, Raum 16b
Montag, Donnerstag 9.30–12.30 Uhr
Dienstag 15–17 Uhr
— Telefonische Auskünfte
Montag 14–15 Uhr
Dienstag 9.30–10.30 Uhr
Mittwoch 10–12 Uhr
tel 030.31 85-22 04
[email protected]
— Büro für internationale
Beziehungen
Einsteinufer 43–53, 5. OG
Mo, Di & Do 9.30–12.30 Uhr
tel 030.31 85-27 89
[email protected]
— Semesterticketbüro
TU Berlin Semtix-Büro
Straße des 17. Juni 135
tel 030.314-280 38
Projektförderung
— Interflugs Ha Raum 33
tel 030.31 85-25 65 / 31 85-21 08
[email protected]
— KKWV Kommission für
künstlerische und wissenschaftliche Vorhaben
Geschäftsstelle der KKWV
Einsteinufer 43–53, Raum 520
tel 030.3185-27 55
[email protected]
— Dachbetrag der
Fachschaftsrätekonferenz
[email protected]
Studentische Initiativen
— Q-Cine Ein Forum für alle
die mit Video arbeiten wollen.
Hardenbergstraße 33, Raum 9b
www.qcine.de
— Töchter und Söhne
Studentische Kommunikationsagentur GmbH
Hardenbergstraße 33
tel 030.31 50-83 10
fax 030.31 50-83 40
kontakt@toechterund
soehne.com
Kontakt: Heiko Müller
— Interflugs Ha Raum 33
tel 030.31 85-25 65 / 31 85-21 08
[email protected]
— Forum e. V.
Rungestrasse 22–24
10179 Berlin, tel 030.29 36-89 30
[email protected]
FAXVORLAGE LESERBRIEF
Liebe Eigenart,
kunstvoll scheitern heißt:
In der nächsten Ausgabe der eigenart machen wir die "Kunst des Scheiterns" zur Hauptsache.
Wer an dem Projekt teilnehmen möchte, ist herzlich willkommen.
>> [email protected] : : fax: 030.3185-2670
Editorial
Liebes Lesepublikum,
Hauptsache „Das Monster denkt nach“ dachte
sich das Team der eigenart im Wintersemester
2007/08. Ob Bauchkribbelnd, Fingerjuckend oder
Haare raufend, am laufenden Band werden an
der UdK Ideen losgelassen.
Auf Eure Ideen, Phantasmen, Werke, Werte und
kulturellen Erzeugnisse sind Viele scharf. Auf
Abnormes, Fremdartiges, Ungreifbares oder gar
Substanzloses kaum jemand. Monster bewegen
sich irgendwie dazwischen, vor allem sind
sie aber tatkräftig. Diese 69igste Ausgabe der
eigenart fragt Euch, wie bewegt, clever oder
unbefangen Ihr in Eurem Studium seid und gibt
einen Ausblick...
An der Universität der Künste studieren 3731
(WS07/08) Studenten und Studentinnen. Ein
Viertel der Haupthörer sind ausländische
Studierende. Viele verstehen kein deutsch oder
sind neu in Berlin angekommen. Um im Jungle
Berlins wenigstens ein bisschen durchzusehen
sammelten wir für Euch Berlintipps auf Englisch
(S. 14).
Im Jahr 2007 quetschte ein Fragebogen die
Studierenden der Fakultät Bildende Kunst aus.
Die Ergebnisse der Evaluation findet Ihr auf
Seite 22. Daran, dass es ein hochschulpolitisch
heißes Jahr war, kann sich jeder erinnern.
Wie erfinderisch Studierende für ihre Rechte
kämpften oder gegen Misstände protestierten,
könnt Ihr in UDK POLIS und HALBDURCHLÄSSIG
nachlesen. Dass die neue Gesetzgebung zur
Datenvorratsspeicherung Künstlern und
Journalisten die Finger bricht, wird auf Seite 31
besprochen. Und wie sich Künstler zu Zeiten des
Klimawandels benehmen, ermittelte die Rubrik
NACHGEFRAGT & HERGEZEIGT.
In NETZWERKE erforschte die Freie Klasse
gemeinsam mit Genfer Studierenden das „WirGefühl“. Komponisten berichten von ihrem
Projekt „kollektiv“ und eine Reportage über das
Kollaborationsprojekt Teheran – Berlin berichtet
von der kulturellen Wechselwirkung lokaler
Kulturtraditionen „hier“ und „dort“.
Unsere Absurditätsrubrik LA BAMBA geht auf
Schatzsuche nach dem „Nicht Nichts-Sein“.
Zu tragisch-komischen Zusammentreffen mit
dem Namenlosen bringt Euch das Poster „The
Concilium“ im Mittelteil.
Wir wünschen Euch monströses Lesevergnügen!
Illustration : Mauro Vallejo
HAUPTSACHE:
DAS MONSTER DENKT
NACH . . . . . . . . . . . .
4
8
Das Monster in Dir
Free Your Idea
NETZWERKE . . . . . . . . . . .
10
12
13
14
Teheran - Berlin Work in Progress 2007
Free and Lost in Cybermedia
Individualität oder Kollektivität?
Surviving in the Jungle
LA BAMBA . . . . . . . . . . . . .
16
16
18
34
Bewirb Dich doch um ein Stipendium
Ein Monster denkt nach
Poster: The Concilium
Kontakt(-)an(-)Zeichen
NACHGEFRAGT &
HERGEZEIGT . . . . . . . . . . .
20
21
Mutter Erde als Behälter
Sportler an der UdK
UDK POLIS . . . . . . . . . . . . .
22
24
25
26
27
28
29
Starke Stimmen - Studentische Evaluation
Hochschulpolitische Highlights 2007
Lobbyisten an Hochschulen
Mit leerem Kopf nickt es sich leichter
Mehr Betreuung für ausländische Studierende
Scharf auf jedes Zimmer
Winterboykott an der HfBK Hamburg
30
31
32
Bürgersteig der Helden
Good-bye Grundgesetz
Bestrafen Sie den Journalisten
2
34
36
Faxvorlage Leserbrief
Impressum
Unter einem Dach
HALBDURCHLÄSSIG . . . .
Das Monster in Dir
Sechs Studierende der Universität der Künste haben ungewöhnlich gute
Strategien, um außergewöhnlich gute Arbeiten vorzulegen
Und was passiert dann mit Deinen Werken?
Sie landen im Papierkorb, oder Farbe drüber.
Wie ist Deine Stimmung? Freie Lehre oder
existentielle Leere? Und wann legt sich Deine
Professorin für Dich ins Zeug?
Ich habe gute Erfahrungen. Valerie Favre
spricht viel mit uns, über ihren persönlichen
Lebenssinn, ihren Kampf, den Feminismus und
für Frauen in der Kunst. Anfangs war ich auch
in so einer „Leere“. Aber ich hab’s dann im Lernstudium gefunden. Ich denke, dafür sind die
Studierenden selbst verantwortlich.
Wer oder was gibt dir an der Uni die Möglichkeit einer cleveren Reaktion oder Kritik?
Politik passiert schon, wie gerade die Diskussion um die Vorratsdatenspeicherung. Man
findet irgendwelche Flyer, Aushänge, es wird
in Seminaren diskutiert. Also da geschieht
durchaus was.
Wir sammeln Beschreibungen vom Monster,
das nachdenkt. Wie könnte es bei Dir aussehen?
Hhm. Ich denke, es ist ein Monster in Menschengestalt. Hat nur so ne Aura. Ich stelle mir
das Monster im Atelier vor, so im Halbdunkeln.
Die Bilder sind seine Juwelen, die es hütet.
Und manchmal trinkt es Wein, zusammen mit
anderen Monstern.
Text & Fotos : Friederike Meese und Anja Wenzel
Einen runden Kreis auf mein kariertes Blatt zeichnend, frage ich, ob es schön ist hinter dem Mond.
"Nein, es geht wahrscheinlich eher darum, auf den Mond zu kommen", berichtigt mich Anja. Ich
zeichne noch einige Pfeile dazu, alle auf meinen „Mond“ gerichtet. Darunter schreibe ich das Wort
Strategie. Anja zieht einen halb zerknüllten Zettel aus ihrer Tasche, auf dem eine Reihe von Wörtern gekritzelt ist: ausgebufft, gelenkig, ewig unlösbar, Annektion, Korrespondenzgeschehen. Anja
schreibt auf: Friederike sagt: Durch Denken kommt man nicht auf den Mond. Dann zu mir: "Da ist
noch das Monster in dir! Kann das auch denken?" Das ist doch ein gutes Leitmotiv. Das Monster
denkt nach. Wir wollen herausfinden, wie unsere Kommilitoninnen und Kommilitonen zu ihren
Kunstwerken kommen, welcher Ressourcen sie sich bedienen, wie einfallsreich sie ihr Studium meistern. Nachtwandlerisch begeben wir uns an einem Winternachmittag auf einen intuitiven Ausflug
zu unterschiedlichen Orten und Studierenden an der UdK.
Sina studiert im 9. Semester Bildende Kunst,
Studienrat. Treffpunkt: Klassenbesprechung.
Was hat Deinen Professor überzeugt, Dich in
seine Klasse aufzunehmen?
Ich habe keine Ahnung. Also, ich bin ja erst mal
in die Grundlehre gekommen. Dann war ich in
der Klasse von Daniel Richter. Und der hat alle
aufgenommen. Valery Favre, bei der ich jetzt
studiere, meinte zu mir, sie schätze sehr, dass
ich mich in vielen verschiedenen Bereichen umsehe, wie Bildhauerei, Druck etc., und dass darin
vor allem die Kontinuität meiner Persönlichkeit
bleibt, dass ich nicht extrovertiert bin, eher so
die „Nachdenkende“.
Hast du Dir eine Strategie zugelegt, die Dir den
Weg zeigt?
Erst mal anfangen! Und dann die Malerei
direkt in dem Bild ansetzen. Ich habe zwar
oft eine grobe Skizze im Kopf, aber ich fange
gleich auf der Leinwand an. Oft übermale ich
eben alles noch mal.
Wo arbeitest Du denn und wo lässt Du Dich
inspirieren?
Wo ich male? Hier, in der UdK, im Atelier. Da
habe ich einen Schreibtisch und eine freie
Wand. Fast jeden Tag bin ich da, ca. acht, neun,
zehn Stunden. Oder zu Hause oder direkt in Ausstellungen. Inspiriert? Naja, auch auf der Straße
oder wenn ich Bücher lese.
(*) Akihito (Studium Klavier) und Vitaliy (Studium Gitarre) trafen wir hinter Regalen der
Musikliteratur in der Unibibliothek.
Was macht Ihr in der Bibliothek?
V: Ich recherchiere für ein Referat in Gitarrengeschichte, über den Übergang von der fünf-saitigen
zur sechs-saitigen Gitarre, und Akihito hilft mir.
Was wird von Euch im Studium erwartet? Wie
wurdet ihr aufgenommen?
V: Dass wir ein hohes Niveau erreichen, Wettbewerbe gewinnen, uns mit Hilfe der Wettbewerbe entwickeln. Bei der Aufnahmeprüfung
wird ein breites Programm gefordert. Man
muss gute Haltung zeigen. Das wichtigste ist
eigentlich, dass der Professor sieht, dass es für
dich eine Perspektive gibt.
A: Man muss einfach wirklich gut sein. Wettbewerbe sind Teile vom Studium. Da zeigt man in
kurzer Zeit seine Musik.
Verfolgt Ihr einen bestimmten Plan, um das
Studium zu meistern?
V und A: Hauptsächlich besser und besser werden.
Wie oft arbeitet Ihr daran?
A: Jeden Tag, wenn man gesund ist (gerade ist
Akihitos Arm eingegipst, Fahrradunfall). Ich versuche, trotzdem zu spielen. Mehrmals im Jahr
hat jede Klasse einen Vortragsabend.
V: Das ist wie eine Prüfung und gute Möglichkeit
zu zeigen, was man für diese Zeit erreicht hat.
Legt sich Euer Professor für Euch ins Zeug ?
V: Dieses Semester habe ich meinen noch
nicht gesehen. Er hat einen Assistenten. Der
unterrichtet oft.
A: Meiner spielt dann Klavier. Und erklärt mit
Worten.
Wann habt Ihr die Möglichkeit, Euch unter Studenten auszutauschen?
V: Im Theorie- und Gruppenunterricht. Und
von 12 bis 14 Uhr ist immer Pause, da gehen
alle in die TU-Mensa essen und wir sprechen
über viele Sachen.
Wie sieht für Euch ein Monster aus, das nachdenkt?
V und A: Monster???!? Was?
In den japanischen Comics kommen oft Monsterwesen vor.
A: Ich habe fast nie Comics gelesen.
V: Es muss nicht unbedingt so groß sein.
A: Für mich muss es groß sein.
V: Nicht so riesig.
A: Hm, welche Farbe?
V: Mit Haaren wahrscheinlich.
A: Bei mir ohne Haare.
V: Ohne Haare?
A: Die Farbe muss einfach anders als bei
Menschen sein.
Habt ihr keins? Ich meine, ist nicht Kunst
auch intuitiv?
A: Stimmt, aber ich dachte eigentlich immer,
dass ich nicht so kreativ bin. Musiker sind voll
mit Phantasien. Wir streben noch dahin. Wenn
wir das intuitiv wüssten, wären wir ja Genies.
Yassu studiert im 5. Semester Kostüm- bzw. momentan Bühnenbild. Sofaecke Unibibliothek.
Was machst Du gerade?
Ich suche Bilder. Für mein aktuelles Stück, „Die
Perser“ von Aischylos.
Für die Uni?
Das haben wir gerade im Semester. Wir sind
nicht viele. Im Hauptstudium sind wir auf zwei
Gruppen à sechs Leute verteilt, die jeweils mit
einem Professor ein Stück bearbeiten. Jeder
macht aber seinen eigenen Entwurf.
Gehst Du mit einer Strategie an das Stück?
Ich schreibe erst mal auf, was mich irritiert,
was mich zweimal hingucken lässt. Bei einem
Stück, das ich nicht verstehe, setze ich Punkte
an, mit denen ich dann assoziiere. Es entsteht
ein Netz. Dann fallen immer mehr Punkte weg,
manche werden stärker. Die Bilder suche ich
nach einem Gefühl im Bauch aus. Ich schaue
ganz viele Bilder an und wo es so ein „Wiedererkennen“ gibt, nehme ich das Bild mit. Gerade
habe ich lauter Bilder von Altersheimen. Erst
war ich eigentlich im Zoo. Ich kopiere mir die
Bilder, auch in schwarz-weiß, und geh dann mit
Farbe rein.
(*)
(*)
Wo arbeitest Du am besten?
Bei mir zu Hause am Fenster. Ich muss jeden Tag
erst mal aufräumen, denn da ist der Platz für
alles. Wenn ich mit Modellbau anfange, arbeite
ich in der Uni.
Und wo landen die Ergebnisse?
Am Ende des Semesters gibt es eine Präsentation und eine öffentliche Ausstellung der
Arbeiten. Danach landen viele Sachen auf dem
Müll. Vorher werden sie fotografiert.
Legt sich Dein Professor für Dich ins Zeug?
Ich glaube, er legt sich schon ganz schön ins
Zeug. Er schafft uns Möglichkeiten, praktisch zu
arbeiten, kümmert sich also um Kontakte mit
Regiestudiengängen, Theatern, Sponsoren und
motiviert uns, dass wir untereinander zusammen arbeiten können.
Wo gibt es für Dich an der Uni die Möglichkeit
einer cleveren Reaktion, Kritik oder Initiative?
In den wöchentlichen Gesprächen mit meiner
Gruppe und dem Professor. Da geht es ums
Hinterfragen, sich selbst zu hinterfragen und
hinterfragt zu werden. In den Vorlesungen ist
natürlich weniger Eigeninitiative gefragt.
Wie sieht ein Monster, das nachdenkt, aus?
Mmmh. Gestern, als ich bei den Orang-Utans
und Gorillas war, war das ganz schön, weil die
so nachdenklich aussahen. Man hat einfach ein
Monster. Ist ja auch super anstrengend und nervig, damit umzugehen. Aus der Sprachlosigkeit
in eine Art von Sprache zu gehen. Es macht dir
auch Zweifel und Angst.
Design-Studierende im ersten Semester: Raffael, Johnie, Malte, Henning, Charlotte und Lisa
Warum glaubt Ihr, hier aufgenommen worden
zu sein?
C: Für unsere Arbeitsmoral. Die wurde auf jeden
Fall schon gelobt. Und wahrscheinlich, dass wir
gut präsentieren können.
H: Bei mir war’s anders. Ich habe scheiße präsentiert, und die Sache hat auch in sich nicht
funktioniert.
M: Ich glaube, dass es wichtig ist, inwieweit
man fähig ist, eine Idee als gut zu erkennen,
und sie dann auch umzusetzen.
Woran seid Ihr momentan?
R: Das wissen wir noch gar nicht. Wir hatten
heute eine Einführung in die Werkstätten und
morgen bekommen wir unsere Aufgabe.
Lisa: Momentan werden erst mal Grundlagen
geschaffen, mit denen man dann später entwerfen kann.
Und habt Ihr in eurer kurzen Studienzeit schon
einen Schlachtplan entworfen?
J: Aufschieben, bis der Stress so hoch ist, dass
man vor lauter Druck die besten Ideen hat
(alle lachen).
C: Dadurch, dass wir jeden Tag und so lange hier
sind, hat man gar nicht die Möglichkeit, etwas
aufzuschieben. Die Projekte sind so organisiert,
dass man sie in der Zeit, wo man hier ist, schaffen kann und auch soll.
Wenn ihr nur hier seid, wo ist dann Eure
Inspirationsquelle?
C: In Ausstellungen natürlich, ganz tolle Bücher,
Kataloge, das ganz normale Umfeld. Alles, was man
so sieht, ist irgendwie wert, betrachtet zu werden.
H: Unsere „Schöpfungen“ später sind ja auch
meistens einfach banale Gegenstände.
Wir: Gibt es hier auch einen Professor?
M: Ja, es gibt einen „Supervisor“, der so alles im
Überblick hat. Sonst fachspezifische Professoren, Gastdozenten, ...
Wie ist der „Supervisor“ und was macht er für Euch?
C: Auf jeden Fall ist er sehr engagiert.
H: Das Semester "über uns" hat sich aber auch
sehr für uns eingesetzt.
C: Aber ich glaube, die Professoren stoßen das
an. Die haben zum Beispiel so eine Ralley mit
uns gemacht, und dann gab’s Schnittchen.
J: Der Professor ist halt oft der Ideen- und
Denkanstoßgeber.
H: Der Fadenzieher.
Was habt ihr denn für eine Ralley gemacht?
C: Wir sollten Berlin erkunden. Was es für Ausstellungen gibt, alles Mögliche.
M: Designmäßig eben, wo wir unsere Materialien und Werkstoffe herbekommen, wo man
günstig Reste herkriegt.
L: Am Maybachufer auf dem Markt kriegt man
eigentlich alles. Und es hat gute Qualität.
J: Aber nicht nur das, auch freizeitmäßig, Plätze
wo man hingehen kann.
Wie sieht bei Euch ein Monster aus,
das nachdenkt?
H: Monster können nicht denken. Monster essen.
Wie würdet Ihr euer Monster gestalten?
Durcheinander: Es soll zwei Hörner haben.
– Kleiner Teufel. – Das gefährlichste am Monster
sind doch die Augen. – Nee, die Zähne. – Oder
es kratzt sich mit seinen großen gefährlichen
Krallen an seinem schuppigen Hinterkopf.
–Auf jeden Fall sieht das Monster, wenn es
denkt, nicht mehr gefährlich aus. – Natürlich,
dann ist es so in sich gekehrt. – Oder es holt
sein Gehirn raus, mit seinen Krallen, so kann’s
besser denken. - Ein Monster ist kein Monster,
wenn es denkt, bleiben wir dabei. (später):
Ich mach die Füße. – Ich mach den Kopf.
– Dann mach ich die Schädeldecke.
– Soll das nachdenken?...
in der Schauspielabteilung ist, sich selbst zu
finden, sich zu entdecken und kennenzulernen.
Auf die Technik wird weniger geachtet.
Gibt es für Dich eine Strategie sich diesem
Ziel anzunähern?
Vielleicht, mich selbst zu überraschen, unvoreingenommen an die Dinge heranzugehen.
Viele wollen immer wissen, wie sie sind und
beurteilt werden. Das passiert hier aber relativ
wenig. Ich hatte so ein Erlebnis bei einer Stimmübung. Ich sollte ein Mmmm sprechen. Ja, durch
diese Vibration, hat sich was geöffnet. Da hab
ich plötzlich gespürt, wie groß ich eigentlich
bin und festgestellt, dass ich sicher 90% von mir
noch gar nicht kenne.
Das große Unbekannte.... Wo ist dann Dein
Arbeitsplatz?
Na, eigentlich überall. Mich vorbereiten, das
kann ich überall machen, auf der Straße,
in der U-Bahn.
Sind das diese verrückten Typen in der Bahn?
Ja, genau, alles Schauspieler. Und geprobt wird
natürlich auf der Bühne, je nach dem.
Wo landet diese Arbeit?
Ich hoffe, erst mal bei mir, und dann bei
den Zuschauern.
Dein Material?
Der Text. Davon vergesse ich danach relativ viel,
aber er ist auch immer wieder abrufbar. Der
Schatz wird größer.
Gibt es ein Geschichte von einem Professor bei
Euch, wie er in Fahrt kommt?
Da fällt mir was ein, aber das kann ich nicht
erzählen. Aber zum Beispiel Harald Clemen,
der tut alles für uns. Bei Proben holt er jeden
Morgen einen riesigen Sack Essen, Obst, Süßigkeiten. Das wird auf den Tisch geschüttet, dann
wird Kunst gemacht. Manche werden einfach
aggressiv und verlassen den Raum. Oft geht es
doch sehr um sie selbst.
Gibt es einen Ort an der UdK, wo du clever reagieren oder Kritik äußern kannst?
Vor Raum 01, dem Büro von Daniel Nartschik, da
kann man eigentlich alles loswerden, ja.
Und wie sieht Dein Monster aus, wenn
es nachdenkt?
Das ist wie so ne Gehirnmasse, die sich verkrampft
und zusammenzieht. Ich denke an verkopfte Menschen, schon so leicht angegraut. Und, ein Monster
muss rücksichtsvoll behandelt werden!
Wurde es das, an der UdK?
Ja. Zu viel. Sogar beschmust.
(*) Martin, ein Schauspielabsolvent setzt sich in
der Cafeteria in der Fasanenstraße zu uns.
(**) Anat studiert an der UdK im Masterstudiengang SODA – „Solo Dance Authorship“.
Du bist also schon ganz fertig hier?
Ja, Ende Oktober hatten wir Intendantenvorsprechen. Da wird das „Frischfleisch“ vorgeführt
und an die Theater freigegeben.
Was wurde im Studium von Dir erwartet?
Das Ziel für die persönliche Entwicklung hier
Was heißt SODA? Und Wer studiert das?
Solo Dance Authorship ist ein Choreographiestudiengang. Die Leute kommen aus der
Performance-Kunst, Theater, Bildende Kunst
oder eben Tanz. Man muss verstehen, dass
es nicht um das Tanzstück geht. Es sind eher
Strategien. Zum Beispiel so wie: Welche Art von
Fragen braucht man, um Kunst zu machen und
welche Art von Kunst braucht man, um Fragen
zu stellen.
Gab es eine Aufnahmeprüfung für Dich?
Oh ja. Erst mal sollte ein Text mit 1.000 Wörtern
abgegeben werden. Da beschreibst du deine
Kunst, was man so untersucht, über deine
Stücke und er sollte einen „short joke“ haben.
Dann gab es eine Einladung für ein „Solo“, wo
man Fragen zum Autor oder Termini wie „Dictation“ bearbeitet. In einem Drei-Tage-Workshop
wurde dann ausgewählt. Sie beobachteten, wie
wir Dinge machen, wie wir uns dem annähern.
Ergebnisse waren gar nicht gefragt.
Wie gehst Du an die Dinge heran?
In deinem Kopf sind so viele Bilder. Du musst
überlegen, wie Du sie auf die Bühne bringst,
wie Du sie in eine Performance transformierst.
Interessant ist für mich, wo sich „high art“ und
die Idee des Mainstream treffen. Popkultur
dominiert ja in unserem Leben.
Wenn ich dich richtig verstehe, tanzt Du nicht
so viel. Wo hältst Du Dich auf, wo arbeitest Du?
Ich lese und schreibe. Am Schreibtisch, im konventionellen Theater, im Tanzstudio. Der Ort hat
immer einen Kontext. Man muss sich entscheiden, ob mit ihm oder dagegen.
Was sagt Dein Professor dazu?
Wir debattieren über unser Werk, über Inhalte,
Kunst, Form. Eigentlich ist es gar nicht so wichtig, so viel Input von anderen zu bekommen.
Wichtig ist es eher eine Struktur zu bauen, die
uns anschiebt und uns in unseren individuellen
Forschungen begegnet. Wir arbeiten auch
daran, die Struktur des Studiengangs zu ändern.
Es ist aber ein langer Prozess, einen gemeinsamen Nenner zu finden. Wir suchen nach einer
Lösung, die unsere individuelle Arbeit bewahrt.
Meine nächste Frage wäre gewesen, wo und
wann Du eine Möglichkeit für clevere Reaktion
oder Kritik siehst?
Man wartet eine Sekunde, stoppt, gewinnt
einen Überblick über das gesamte Studium. Es
hat was Politisches; es ist wichtig, zu anderen
Semestern Kontakt zu suchen. Ich bin der Autor
meiner eigenen Arbeit, meines eigenen Studiums! Und weil mein Studiengang ein Pilotprojekt ist, muss man kritisch sein. Du bist der Kurator Deiner Entwicklung. Also, ich gucke, was
relevant für mich ist (...) „Ok. I am not coming“.
Was stellst Du Dir unter einem Monster, das
nachdenkt, vor?
Juliette Lewis. Sie hat eine Rockband, „The Licks“.
Sie ist das Monster. Ein Monster muss... sich
selbst nicht zu ernst nehmen. Und, es soll den
Leuten Liebe geben.
(**)
HAUPTSACHE
Free your Idea
Plattform zur Appropiation, Neuinterpretation und Weiterentwiklung von Ideen
Text : Das FYI-Team Kaya Behkalam, Eva Michalcak und Birte Kleine-Benne : : Fotos : "Kunst - wirklich grenzenlos?" und "Kunst - wirklich beständig?" Dan Perjovschi
Im Sommersemester 2007 bauten wir im Rahmen des Seminars „Kunst als Handlungsfeld“ am
Institut für Kunstwissenschaft und Ästhetik der UdK Berlin die Plattform FREE YOUR IDEA auf. Unser
Anliegen war es, ein eigenes Handlungsfeld zu entwickeln, das im besten Fall neue Handlungsformen ermöglicht. Der vorliegende Text beruht auf einer Work in Progress - Konzeption. Er stellt
Materialien und Elemente zur Verfügung, die kombiniert, akzentuiert, erweitert oder in einen
konkreten Zusammenhang gebracht werden können.
Informations- und Kommunikationstechnologien
Mit Einsatz und Anwendung der Informations- und
Kommunikationstechnologien sind umfangreiche Transformationen in allen
Funktionssystemen der Gesellschaft angestoßen. Wie intervenieren die
Medien, jedoch nicht als technologische, sondern als soziale, politische oder
kulturelle Maschine? Welche Rolle spielt das Internet als Turbotransformator?
FYI ist ein Experiment und erprobt nicht nur neue Formen der
Autorenschaft, sondern untersucht das Thema in Theorie und Praxis. Dazu
verfasst FYI redaktionelle Beiträge und versammelt Links zum Thema. Hier
geht es etwa um die Frage, ob eine Idee in Folge der Trennung von ihrem
Autor an Wert verliert. Außerdem: Kann das Prinzip „Autor“ in Zeiten von
Internet, Open Source und Netzwerken aufrecht erhalten werden? Who
owns the rights to artistic work in today’s information-based economy?
Künstlerische Handlungsfelder
Beispiele: etoy.com, WochenKlausur, übermorgen, RTMark, The Yes Men,
Yomango, Fehlstelle...
Theoretisierung unter www.KunstAlsHandlungsfeld.net (Kleine-Benne, 2006).
Autor
Das Künstlersubjekt verabschiedet sich von seiner singulären Urheberschaft
und tritt im Verbund mit anderen Autoren in multiplen und pluralen
Autorenschaften z.B. als Kollektiv, Projekt, Alias oder Algorithmus auf.
Werk
Abgeschlossene Werkobjekte und symbolische Repräsentationen
transformieren zu offenen und dynamischen Handlungsfeldern, zur ndimensionierten „Arena des Handelns“ (Weibel), zu Ereignissen, Projekten
und Prozessen. Von ROM-art (read only material) zu RAM-art (radical active
material).
„And the owner is...“
Grundsätzlich ist zu unterscheiden zwischen der Traditionslinie des
angloamerikanischen Copyrights und der Möglichkeit, Rechte zu übertragen
an einen Verwerter einerseits und dem kontinentaleuropäischen Droit
d’Auteur sowie der untrennbaren Verbindung zwischen Urheber und Werk
andererseits. Die historische Entwicklungslinie von freier Software zu
Open Soure zu Open Content in der Folge der Entwicklungen in Berkley
und am MIT seit den 70er Jahren sowie die Übertragung der Prinzipien der
freien Lizenzierungen auf andere Medien wie Text, Bild oder Audio hat
jedoch wesentliche Diskussionen zu den Rechten der Autoren angestoßen.
Angemerkt sei, dass bereits 1958 die Autoren der Situationistischen
Internationale ihre Texte unter eine „Free-Software-Definition“ stellten.
Bei FYI handelt es sich um den Versuch, Schnittstellen und Schnittmengen
zwischen dem geschlossenem System Kunst und anderen gesellschaftlichen
Bereichen herzustellen. Kunst wird in diesem Sinne nicht als ein von
Institutionen getragenes System, sondern als gesellschaftlicher Freiraum
verstanden, in dem alternative Formen von Gesellschaft und sozialen
Prozessen entworfen und erprobt werden können.
Weitere Informationen unter www.free-your-idea.net.
Kollegiale Parallelaktivitäten
Eine Auswahl: 0xdb (www.0xdb.org), The Oil of the 21st Century. Perspectives on Intellectual Property (www.oil21.org), La
Biennale de Montréal 2009: Open Culture [www.ciac.ca/biennale2009], Who Makes and Owns Your Work, Stockholm 2007 (www.
whomakesandownsyourwork.org).
„Intellectual Property is the oil of the 21st century” (Mark Getty, Chairman of Getty Images)
Kunstbegriff
Bei dem hier veranschlagten Begriff von Kunst handelt es sich weniger
um eine essentialistische oder substanzialistische Vorstellung von Kunst.
Unser Kunstbegriff ist nicht konstant, punktuell oder starr konzipiert,
sondern dynamisch, prozessual und ereignishaft.
Im Weiteren verweisen wir auf die „esthétique relationelle“ von Nicolas
Bourriaud (1995), auf die kommunikationstheoretischen Untersuchungen
von David J. Krieger zu Kunst als Erschließungsdiskurs (1997) und auf
Andrea Frasers Unterscheidung in kulturelle Produktion und künstlerische
Praxis (1995).
Die Plattform FYI sammelt Ideen aller Art und
macht sie zur Aneignung und Weiterentwicklung
zugänglich. Jede Idee – ob absurd, scheinbar
unausgereift, phantastisch, schwer umsetzbar
oder revolutionär – ist willkommen, und
zwar in jedem Status ihrer Ausformulierung.
Auch bereits realisierte Ideen oder Werke
mit dem abschließenden Siegel der Signatur
können auf diese Weise neu interpretiert und
verfügbar gemacht werden. Der Konzept-Thread,
vergleichbar dem Code einer Software, bleibt
offen und kann in anonymer bis kollektiver
Form gemeinsam mit anderen Usern bearbeitet
werden. Einmal eingeloggt, kann jede/r Ideen
veröffentlichen, andere Ideen kommentieren
oder weiterentwickeln.
Wir freuen uns auf Euren Input!
Referenzen (eine kleine Auswahl)
1967 Gründung der Deutschen Studentenpartei/ Fluxus Zone West (Joseph
Beuys – Erster Vorsitzender, Johannes Stuettgen – Zweiter Vorsitzender,
Bazon Brock – Dritter Vorsitzender).
1971 Gründung der Organisation für Direkte Demokratie und Volksabstimmung
(Joseph Beuys und Johannes Stuettgen).
1972 Gründung der Freien Internationalen Universität (FIU).
1982 „7000 Eichen – Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“ (Joseph Beuys
für doc7).
Seit 1993 konkrete Interventionen von WochenKlausur.
1999/2000 Toywar, etoy.
Seit 2000 analogue-series#no.2k0023, GeheimRat.
2001 AVL-Ville, Atelier van Lieshout.
2003 Nike Ground, 01.ORG.
Seit 2005 Mission Eternity, etoy.
Weiterführendes Urheberrechtsrelevantes:
www.subsol.c3.hu : : www.creativecommons.org : : www.gnu.de : : www.artwarez.org
Ausstellungspraxis
Der geschlossene White Cube mit seinen
Redundanzen transformiert zu synergetischen
Konvergenzformaten und zu nichtlinearen
Praxismodellen.
Rezipient
Der distanzierte Betrachter und passive
Konsument transformiert zu einem involvierten
Teilnehmer, Akteur und Mitschöpfer, zum (inter-)
aktiven Nutzer, Forscher oder Explorierenden.
Von ROMs (read only members) zu RAMs (radical
active members).
Gesellschaftliche Verantwortung
Statt mit Visualisierungen und Repräsentationen
tritt Kunst mit Operationen und Eingriffen in die
Protokolle gesellschaftlicher Prozesse auf die
„Bildfläche“.
"Who's doing the art of
tomorrow? How will it be
done? What is doing the art
of tomorrow?" (Ars Electronica 2001)
Kunsthistorische Zitate
Auszug aus dem 1. Manifest großer und
angesehener Künstlerinnen, Basel 1999, Punkt 7:
„Klaut Ideen und verschenkt die besten!“
Fluxus bedeutet „Bewegung --> moving -->
moving, immer alles neu anzusehen, damit
nichts starr wird“ (Imaginäres Gespräch
zwischen Henning Christiansen und Joseph
Beuys, 1991). „Sie [die Kunst, Anm. d. Verf.] darf
nicht limitiert und sie muss für alle zugänglich
und möglicherweise von allen herstellbar sein“
(George Maciunas, 1965).
Text : Kaya Behkalam : : Fotos: Sanna Miericke, Amirali Mohebbinejad : : www.reloadingimages.org
Ein Kollaborationsprojekt von Berliner und Teheraner Künstlern
Teheran–Berlin Work in Progress 2007
NETZWERKE
Ende August 2007 kommt eine Künstlergruppe
auf dem Teheraner Flughafen an. Es sind 54
Musiker des Deutschen Symphonie-Orchesters
aus Osnabrück, die hier zwei Konzerte geben
werden – der erste öffentliche Auftritt eines
europäischen Orchesters nach der iranischen
Revolution von 1979. In Interviews betonen
sie, dass sie als „Kulturbotschafter“ und „zur
Stärkung der iranischen Zivilgesellschaft“
nach Teheran gekommen seien. In der OnlineAusgabe des „Spiegel“ werden sie dagegen zu
„Ahmadinejads willigen Geigern“ erklärt und
ihre Konzertreise mit den Olympischen Spielen 1936 unter den Nazis verglichen. Ein öffentliches Konzert in Teheran, so die Argumentation, würde allein der Stärkung des autoritären
Regimes dienen.
Nur zwei Wochen zuvor haben wir die iranische
Hauptstadt verlassen: rund zwanzig Berliner
Künstlerinnen und Künstler, Kunstwissenschaftler – eine Gruppe von Studierenden und
Dozenten verschiedener Fachbereiche der UdK.
Drei Wochen lang hatten wir hier, gemeinsam
mit jungen Teheraner Künstlern des unabhängigen Netzwerks „Parkingallery“ diskutiert,
recherchiert und gearbeitet, im September
kamen die Teheraner zum Gegenbesuch nach
Berlin. Neben Workshops gab es Stadt- und
Atelierbesuche, öffentliche Präsentationen und
Lectures unter anderem mit Nanna Heidenreich, Khaled Ramadan, Reza Abedini, Hamid
Severi, Katharina Sieverding und Wolfgang
Knapp.
Die Idee, ein Projekt zwischen Berliner und
Teheraner Künstlern zu organisieren, war
ursprünglich entstanden aus einem persönlichen, biographischen Interesse von Azin
Feizabadi, Ashkan Sepahvand und mir. Ein Teil
unserer Familien und viele Freunde leben im
Iran; seit Langem hatten wir das Bedürfnis, die
Künstlerszenen der beiden Städte miteinander zu vernetzen und die für uns relevanten
Fragen und Erfahrungsräume für andere zu
öffnen. Berlin–Teheran: Das steht auch für das
Verhältnis von Zentrum und Peripherie einer
sich mehr und mehr als global verstehenden
Kunstwelt. Fragen nach dem Selbstverständnis
von Künstlern „hier“ und „dort“ drängen sich
auf, Fragen nach der Rolle von Kunst innerhalb
der Gesellschaft, der Universalität der Ideen
der Moderne und ihren Wechselwirkungen mit
lokalen Kulturtraditionen.
Kunst unter dem offiziellen Label des "Kulturaustauschs"?
Der schmale Grat zwischen „Kulturaustausch“
und der Affirmation politischer Zustände, auf
dem sich die Osnabrücker Musiker auf ihrer
auf höchster politischer Ebene angesiedelten
Abenteuerreise nach Teheran plötzlich und
überrascht wiederfanden, war für uns während
der fast einjährigen Vorbereitung des Projekts
Ausgangspunkt für die zentralen, immer wiederkehrenden Fragen: Wie können Künstler der
Gefahr staatlicher Vereinnahmung entgehen?
Wie kann Kunst in einem politisch so aufgeladenen Kontext das ihr immanente, kritische
und subversive Potenzial entfalten? Die Gefahr,
dass Kunst unter dem Label des offiziellen
„Kulturaustauschs“ zum Instrument und Wegbereiter staatlicher oder ökonomischer Interessenpolitik werden kann, lässt sich nicht
verleugnen. Allerdings kann die Alternative
nicht lauten, dass sich die Kultur aus globalen,
politischen Belangen heraushält und es sich in
der Sicherheit von White Cube und Konzertsaal
gemütlich macht. Es geht nur um das Wie – die
Form wird hierbei zum politischen Statement,
die bloße Organisationsstruktur zur künstlerischen Intervention: Grenzen und Beschränkungen staatlicher Politik hinterfragend und
eigene, nichtinstitutionelle und zivilgesellschaftlich verwurzelte Strukturen generierend.
Vor diesem Hintergrund verzichteten wir auf
die Zusammenarbeit mit staatlichen Institutionen und entschieden uns für eine eher prozessuale Form des Arbeitens. Sechs Monate lang
trafen sich die beiden Gruppen wöchentlich
separat in Berlin und Teheran, um sich vorzubereiten und auszutauschen. Anstelle einer
objekt- und werkbasierten Auseinandersetzung
sollte die Begegnung der Teilnehmer selbst
im Vordergrund stehen und die Reflexion der
Umstände, innerhalb derer sie kommunizieren,
arbeiten und leben.
Auch wenn die offene Form des prozessualen
Arbeitens immer wieder für Kritik unter den
Teilnehmern sorgte, entstanden unter dem
Einfluss der inhaltlichen und organisatorischen
Debatten individuelle und kollaborative Projekte, in denen die Künstler über Recherche,
Interaktion und performative Methoden ihre
eigene Position vor Ort oder den künstlerischen Prozess selbst zum Thema machten.
"Temporary Marriage"
Nazgol Ansarinia und Lise Chevalier beispielsweise beschäftigten sich in ihrem Projekt
„Tehran reveries – Berlin repetitions“ mit dem
durchreglementierten öffentlichen Raum in
den beiden Städten und versuchten die Systeme absurd erscheinender alltäglicher Handlungsabläufe mit der Logik des Traums und
des Unterbewusstseins zu ergründen. Martyna
Starosta und Melanie Schlachter erkundeten
die gesellschaftlichen Freiräume, die sich die
Jugend Teherans zum gegenseitigen Kennenlernen erobert hat: Flirten von Auto zu Auto, auf
nächtlichen Highways oder in Seitenstraßen
der Stadt. Die beiden haben über mehrere Nächte hinweg an dem Spiel teilgenommen und die
Erlebnisse in Berlin zu einer Audioinstallation
verarbeitet. Auch in der Arbeit „Temporary Marriage“ von Mikala Hyldig tritt die Künstlerin aus
der Rolle des distanzierten Betrachters heraus
und thematisiert die Institutionalisierung und
Reglementierung individueller Lebensbereiche
über ihre eigene Person. In einem Video sieht
man sie selbst die nur im Iran legitime Ehe auf
Zeit abschließen; die Worte des Geistlichen
hat sie anschließend katalogisiert, um in ihrer
Installation neue Sinnzusammenhänge zu konstruieren. Artur van Balen wiederum besuchte
während des Workshops die Familien der iranischen Teilnehmer, um die persische Küche zu
studieren und die Mütter beim Kochen über das
Leben und die Kunst ihrer Töchter und Söhne zu
interviewen, auf der Suche nach einer Antwort
auf die Frage: Unter welchen Umständen ist
Kunst überhaupt eine Option? Fragen bilden
auch das Grundgerüst der Audioinstallation von
Eva Kietzmann und Sonya Schönberger, Fragen,
die sich aus den Widersprüchen der eigenen
Präsenz an einem fremden Ort ergeben – als
Tourist, Künstler oder Mitglied einer Gemeinschaft.
Während Ehsan Behmanesh und Sophie
Hamacher in ihrem Film die Unterschiede des
Blicks in vertrauter und fremder Umgebung an
verschiedenen Orten in Berlin und Teheran in
den Fokus rücken, konzentrierte sich Magdalena Kallenberger auf die Teilnehmer selbst
und beobachtete, wie diese sich bei der Arbeit
mit ihrer Kamera in der Landschaft positionierten. Überwiegend analytisch arbeiteten
auch Shervin Afshar, Christopher Eymann und
Michael Wamposzyc: Ausgehend vom Konzept
islamischer Architektur untersuchten sie das
Dominanzverhältnis zwischen Schrift, Bild und
Ornament.
Den sich bis in die Nacht ziehenden Diskussionen, den Zweifeln, der Kritik und den aufgekommenen Fragen wollten wir eine Form
geben. Bei unseren öffentlichen Präsentationen
in der Azad Gallery Teheran und einer vom
Kunstraum Kreuzberg zur Verfügung gestellten
ehemaligen Schule in Berlin – der „Reloading
Images Temporary School“ – präsentierten wir
eine dreidimensionale Karte, eine kollektive
„Mindmap“, die all diese separat wahrgenommenen, persönlichen, politischen und theoretischen Umstände in Verbindung setzte.
Während einige der Teilnehmerinnen und
Teilnehmer aufbauend auf ihren Erfahrungen
bereits neue Kollaborationsprojekte planen
oder initiiert haben, arbeiten wir an einer Fortführung von „Reloading Images: Work in Progress“. Im Sommer 2008 geht es in die syrische
Hauptstadt Damaskus.
NETZWERKE
NETZWERKE
Free and Lost
in Cybermedia
Individualität oder Kollektivität?
Korrespondenz mit Komponisten des "Kollektiv Klangnetz"
Text : Anja Wenzel
Die Freie Klasse berichtet
von einer Jagd
Hallo liebes Klangnetz, seid Ihr bereit für ein Kollektiv-Interview? Ich brachte in Erfahrung, dass eine Gruppe von Komponisten anfing, gemeinsam, quasi kollektiv, Stücke zu schreiben;
die komplette Individualismus-Ausrüstung hätten sie also für
das Projekt "kollektiv" beiseite gelegt. Per E-mail-Konferenzschaltung entstand eine spannende Reflexion über Pro und
Contras von Gruppenkompositionen.
Text : Sarah Lehn : : Foto : Arthur van Balen
Du sitzt mit sieben weiteren Studierenden unterschiedlicher Fakultäten, Hochschulen, Interessen und unterschiedlichen Alters auf Teppichen in der Eingangshalle
des Hauptgebäudes der Universität der Künste Berlin.
Es gibt Kekse, Tee und Kaffee, es ist kalter Novemberbeginn, man spricht englisch, denn es sprechen nicht alle
deutsch und Du fragst Dich: WAS MACHE ICH HIER?
Die E-mails wurden zwischen dem 30. November und dem 16.
Dezember 2007 mit der Betreffzeile "(eigenart) the monster
meditates" ausgetauscht. Teilnehmende Komponistinnen und
Komponisten waren Alina-Maria, Sarah, Rama*, Kyle*, Yoaf* und
Vincent* [* vom Englischen ins Deutsche übersetzt].
Keine Zeit, der Frage nachzuhängen, denn in einer Woche kommt eine uns nahezu unbekannte Gruppe Genfer
Studierender der Postgraduate-Fakultät Critical Curatorial Cybermedia. Sie reisen im Rahmen eines Projektes der
NGBK (Neue Gesellschaft für Bildende Kunst) nach Berlin;
ihr wahres Ziel ist jedoch die Freie Klasse.
WAS WOLLEN DIE VON UNS?
Sie kennen die letzte Generation der Freiklässler, sind
beeindruckt, sie halten uns für Helden im Kampf gegen
die Institutionsmühlen. Selbstorganisation, was dort
Programm des Studiums ist, soll hier von selbst passieren! Innerhalb einer Woche soll ein gemeinsames Projekt
entstehen.
Unter dem Druck, sich den Besuchern irgendwie zu
präsentieren, geht es also noch viel konkreter darum,
uns zu definieren. Kein Konsens in Sicht! WAS UND WER
SIND WIR? oder hilft die Frage weiter: WAS WOLLEN WIR
ÜBERHAUPT?
Jede Idee endet am selben Punkt: erstmal Kennenlernen,
Sehen. Ohne für irgendwen irgendetwas zusammenfassen zu müssen. Präsentation, Mindmap, Digital – wir finden alles Nonsens. Wir entscheiden uns für eine Sammlung unserer Interessen, Bilder, Texte, Recherchen... jeder
sucht, dann wird getauscht. Zunächst konfus.
Den Gästen wird ein Diner in Wedding gekocht. Schüleraustauschfeeling! - keiner wagt es auszusprechen. Aber
in dieser Woche gibt es ein neues „Wir“. Dieses stellt bei
erstem Glühwein fest, dass nebst Berliner Alltag und
Genfer NGBK- Programm kaum Zeit für unsere Zusammentreffen bleibt. Gegenseitiges Kennenlernen und
gemeinsames Projekt-Erfinden, Umsetzen, Dokumentieren wird auf eine Unit reduziert. Aus einem langen
Treffen werden viele kleine, Schnitzeljagd, die Kamera
ist Staffelholz. Deadline: 72 Stunden später, Abflug der
Gäste.
Wir haben die Noten per E-Mail und per Post geschickt, wir
haben uns während des Komponierens nie getroffen, deshalb
"Klangnetz". Am Anfang haben wir englisch miteinander geredet, dann deutsch. "KollektivKlang", weil drei "Teams" drei Takte
Musik gemeinsam hatten. >> Alina-Maria (Gruppenkomposition Webfehler)
>>berlin-geneva.wikispaces.com.<<
MISSION 0
Take the camera out of locker 580 in the Volkswagenbibliothek. Code: 5851.
Further information- check Your emails!
MISSION 1
Five people: Each- Find, steal, earn, get something as a present. Meet,
build together a sculpture from the objects, as big as
possible, in a public space, You precisely chose. Document the action.
MISSION 2
Sms 16.11.
Du musst zu S/U Station Warschauerstr, zu Imbiss Wunderlampe, Warschauerstr.59, fragen da um tüte CCC, there inside instructions! Dann Tüte wieder
abgeben.Von jetzt an bis 24 h hast du Zeit!
MISSION 3
Two persons: Find a Skatepark in Revalerstraße. Find out what the place has
to do with world-economy.%
MISSION 4
Two people: You are chosen. Make music together with... and record it
without camera.
MISSION 5
I lost a DVD (in the place where we ate and slept on the day of our arrival)
which I anyway wanted to give to all of You. Find it, watch it. Keep in contact.
Gewisse Fragen - Dichte, Dramaturgie, Pausen, Takte entschieden
wir dann wirklich zusammen. Kompositorisch bedeutete die
Arbeit sicherlich für jeden, Kompromisse zu machen - eben "nur
ein Teil" zu sein und nicht "das Ganze". Gleichzeitig hatte man
aber einen tieferen Einblick in das musikalische Denken des anderen. Als besonders bereichernd empfand ich speziell auch die
gemeinsame Probe mit Snezana und dem Ensemble "adapter":
Worauf achtet Snezana? Was ist ihr wichtig? Wie probt sie? Natürlich war es wie immer ein besonderer Moment, die eigene Musik
das erste Mal "live" - im Raum - und nicht im Kopf zu hören.
Ich bin generell eher ein Einzelgänger, schon dem alltäglichen
Kollektiv in der U-Bahn versuche ich per Fahrrad möglichst zu
entgehen. Ich schätze das Individuelle und denke, dass es im
Künstlerischen die Möglichkeit zu etwas Unverwechselbarem
gibt. Ein Zusammenwirken und -arbeiten würde ich mir für die
Komposition eher generell als Austausch vorstellen: und zwar
genreübergreifend! >>Sarah (Gruppenkomposition 3+x)
Ich würde sagen, dass es eine ganze Menge Mut braucht, mit deinen eigenen ästhetischen Vorlieben locker umzugehen, um dem
Stück zu gestatten, zu etwas zu wachsen, das wir nur kollektiv
kontrollieren können. So wie es Jahre dauert, ein ästhetisches
Vokabular für seine eigene Arbeit aufzubauen, glaube ich, dass
es genau so schwer ist, diese Ideen zu Seite zu stellen, um eine
gemeinsame Sprache zwischen vier verschiedenen Komponisten zu finden. Dies war die Achillesferse unserer Gruppe, welche
wir versuchen in unseren zukünftigen Rengakompositionen zu
überwinden. >>Vince (Rengakomposition Blossom, Moon)
In gewissem Maße gibt es das Thema von multiplen, individuellen “View Points”, “Styles”, “Egos” etc., was stark kollidiert
mit der Zusammenarbeit für ein gemeinsames überindividuelles Ziel. Ich kann nicht für die anderen Kollektive sprechen,
aber bei der Renga-Gruppe glaube ich, dass wir alle vier eine
irgendwie ähnliche Perspektive auf Komposition haben und
deswegen war es leichter, zusammen zu arbeiten.
Nochmal, ich kann nicht für die anderen Gruppen sprechen,
aber während der Aufführung von “Moon” gab es Momente, wo
ich nicht sagen konnte, wer die betreffende Sequenz geschrieben hat. Weil die Sequenzen ziemlich kurz waren und auch die
Methode, die wir zum Komponieren benutzten (oder ist es nur
mein schlechtes Gedächtnis?), konnte ich das Stück manchmal genießen, als wenn ich nichts damit zu tun gehabt hätte
(was ich gut finde). Aber ich schweife ab... >>Kyle (Rengakomposition
Blossom, Moon)
Das Konzept der Gruppenkomposition ist für mich eng verwandt mit aleatorischer Kompositionsorganisation, wo Offenheit als Teil der inneren Struktur des Stückes eingegliedert ist.
Mit diesen offenen Einheiten können Parameter des Stückes
von anderen intelligenten Quellen kontrolliert werden und
somit als erkenntliche Variablen behandelt werden.
Ich denke, es gibt noch eine Menge zu entdecken in der Gruppenkomposition. Vielleicht können wir in Gruppenkomposition eher die Organistation von Gruppensystemen erkennen,
wie bei Cages formalen Designs oder in dem Werk des Komponisten und Improvisators Radu Malfatti oder dem von Cardew,
als den "Willen-des-Indiviums"-Ansatz. >>Rama (Rengakomposition
Blossom, Moon)
Ich stand auch unter dem Eindruck, dass es eine generelle,
durchgeführte Charakteristik dieser Stücke war, die sich in diesem Projekt zeigte, dass ihnen die Konzentration fehlte, die ein
gut geschriebenes, individuelles Stück normalerweise hat. Mit
Konzentration meine ich die Einheit innerhalb einer gewissen
logisch aufgebauten Welt, in der das Stück funktioniert. Das
heißt, sich nicht zu verzweigen, sondern eher ein ausgewogenes
Maß von Intensität beizubehalten, um die Aufmerksamkeit des
Zuhörers zu behalten.
Ich schätze, dass der offenbarste Grund für die Diskrepanz
zwischen dem Prozess und dem Ergebnis unser gemeinsamer
Mangel an Erfahrung mit solch einer Kompositionsmethode
ist. Im Falle der Renga-Gruppe haben wir ein kleines Regelwerk
angenommen, welches gleichzeitig zur Orientierung, als Leitlinie und Beschränkung diente. Das einzige Konstrukt, das diese
rigiden Regeln überschritt, war ein vages ästhetisches Gefühl,
das wir anstrebten.
P.S.: Was ist mit dem Monster? >>Yoaf (Rengakomposition Blossom, Moon)
Die Komponisten, Studierende und Absolventen der HfM Hans
Eisler und UdK, brachten das Projekt "kollektiv" am 15. November 2007 innerhalb der Konzertreihe des Vereins Klangnetz mit
dem Ensemble adapter auf die Bühne.
Materialen zum Projekt und zum Entstehungsprozess der Stücke sind auf der Website zu finden: www.kollektiv.klangnetz.org.
NETZWERKE
Surviving in the Jungle
Tipps for foreign Students
Text : Meritxell Martínez Pauné : : Illustration : Almudena Lobera
AStA finances your art projects
If you have an art project shared with other UdK
students from different disciplines, you can ask AStA
(Allgemeiner Studierenden Ausschuß) for financial help.
After presenting your project and being accepted, you
might get until 400,-€.
AStA is the student committee that fights for UdK
students' rights and it is a good link to meet people and
(maybe) to join other student's projects!
24-Hour-People
Erasmus students never watch the clock. Need to print
your homework on Sunday? Need to buy some food
urgently for your guests or “something useful” in the
pharmacy during the night? Berlin never closes!
Here are some examples:
1. Emergency-office: In the Zoologischer Garten Media
Point (Hardenbergplatz 2. 10623 Berlin. Tel: 030 398 05
51) you can print, copy, send faxes, call or web-surfing 24
hours a day! Every print or copy costs 0,10 euros. Other
copy-shops open every day until 12 PM like Trigger (Aldabertstr. 7-8; except Saturday), Central Station Druck &
Kopie (Danziger Str. 173) or Media Point Alexanderplatz
(until 1 AM!).
2. Pharmacies: There is one 24 hours Pharmacy in the
first floor of Hauptbahnhof, but if it’s to far away then
you can ask for the nearest one calling (030) 310031 after
20 PM.
3. Supermarkets: Some of the Kaiser’s supermarkets
are open until 12 PM. There´s one near the U&S-Bahn
stations Schönhauser Alle, Warschauer Straße and
Gneisenaustraße. Kaiser is a bit more expensive than
others, but reasonably cheap in case of need. Try also at
Ostbahnhof where you find a Lidl and a Rewe, both open
weekly from 8 AM to 8 PM.
Leo Worterbuch
The online dictionary www.leo.org is your weapon
against getting lost in translation. It lets you easily
translate german into english, spanish and french and
gives lots of different translation options, in figurate,
literal sense and idioms, too. Of course with all the kasus
declinations and verbal conjugations! And if you are
looking for an extra advice to carefully translate some
words, don’t worry at all: Leo have also online forums to
discuss every word with the other users!
Where am I?
Getting lost in Berlin is rather impossible using online
map www.stadtplandienst.de: fill in the postal code,
street-name and door-number and you’ll know exactly
where to go!
Brandenburg by train
With the Brandenburg-Ticket you can travel all through
Berlin and Brandenburg for little money. It costs 26 euros and includes maximum five travellers with regional
trains in second-class seats during all the weekend, from
friday 9 AM until monday 3 AM!
Berlin movies
If you want to feel the lyrical Berlin, just watch these movies about
it and try to recognize the streets and the corners just after the
wall’s fall. Watch “Der Himmel über Berlin” every Tuesday and
Wednesday at Central Kino (4:30 PM; Rosenthalerstr. 39; entry 5,50 €).
You´ll also love “Berlin Alexanderplatz” (1931) and “Die Sinfonie der
Großtadt” (1927) plus different ethnic movie-cycles twice a week.
The central UdK's faculty in Einsteinufer has a PC-Pool (4th floor)
and opens from Monday to Friday 12 to 19 PM. As a welcome gift,
you'll receive five free prints with your first registration (wow!).
The Zentralbibliothek (Fasanenstr. 88) has a large quantity of pcpools in its 6th floor, almost all internet-connected. You can also
websurf with your own lap but you'll need a DSL-cable (rentable
for 1 € a day).
Free WI-FI (W-Lan in german)
With your own laptop:
Some bars and shops offer free connection to their costumers.
Search your nearest hot spot at http://free-hotspot.jiwire.com.
At Sony Center in Potsdamer Platz and S-Bahn stations Ostbahnhof
and Hauptbahnhof you can join free wireless access. Ask for the
keyword at the customer service kiosks.
Some of UdK's facculties offer free WLAN for students. Ask for your
personal nickname and password at the porter´s office.
If you don’t have a laptop:
Sight-seeing by Bus
Don’t ever try to visit all Berlin’s monuments by foot in one day!
Take it easy, do it by bus! Bus 100 and 200 will bring you through
the greatest hits for 2,10€ or freely if you already have the Semester Ticket. They both leave from Alexanderplatz to Zoologischer
Garten. Taking the 100 you might go through Potsdamer Platz and
at the Kulturforum (next to the Tiergarten). Number 200 goes beside the Reichstag, then crosses the Tiergarten untill the Siegesäule then turns towards the station Zoologischer Garten.
Self-made WGs
Finally you´ve found your perfect WG (Wohngemeinschaft = your collective) and now… it’s time to make it
personal! Perhaps you'll need some furniture or electric
device, or simply just want to feel more comfortable.
If you join Berlin temporarily you won’t waste much
money with stuff that you certainly can’t bring home
packed in your luggage, won't you? So, before invading
the closest Ikea, think about the cheapest and most
authentic options:
1. The magazine Zweite Hand contains a long offers &
requests section, but also exchanges and gifts. You can
find furniture, cars, clothes, jobs and much more. It costs
2,30 € and you can find it every thursday, friday and sunday in all Berlin's kiosks. The weekly leisure-magazines
Zitty and Tip also have some classified pages, but much
less updated.
2. Around ten different Flohmärkte (flee-markets) provide the city of the most kitsch, vintage, freaky, poppy or
simply cheap second-hand fourniture. Spoons, towels,
chairs, dishes, overcoats, bikes… Try and find out the
best sale every Sunday morning! The newest one is the
Mauerpark's Flohmarkt and the oldest is in the Straße
des 17. Juni, both very big and tourist-full. For really
cheap sales, have a look in smaller markets, like the ones
in Moritzplatz, Rathaus Schöneberg, Treptower Park,
Boxhagener Platz or Fehrbellinerplatz.
3. Perhaps the biggest Berliner second-hand boutique
is the 4-floor Humana placed at Frankfurter Tor. The
2nd floor is dedicated only to furniture and decoration.
Prices are reasonable and thursday is the incomig day.
It's open from Monday to Friday 10 AM to 7 PM and on
Saturdays from 10 AM to 2 PM.
4. It’s quite normal to find all kinds of used-furniture
in the streets while you are walking around the city.
It´s not due to lazyness or not-ecological mentality, it's
more about they don't want to pay the garbage pick-up
service tax!
So, if you find something interesting and feel strong
enough to bring it home, don’t think twice! Do it!
LA BAMBA
Bewirb dich doch
um ein Stipendium
Short Cuts im Senat für Kultur Berlin
Text : Azul Blaseotto : : Illustration : Josephine Behlke
Ein Monster denkt nach
Text : Lisa Krämer : : Illustration : Boris Duhm
9 Uhr 30 an einem Sonntag. Ich wurde zu einem
Brunch geladen.
Da die Gastgeber nicht zu meinem engsten Freundeskreis zählen, verzeihe ich ihnen diesen Ausrutscher mit
der Uhrzeit.
Die Gastgeber, ein Pärchen, sind bemüht und natürlich
sehr glücklich miteinander. So glücklich, dass sie
sich ständig berühren und küssen müssen, ganz zu
schweigen von den verträumten, viel- und doch nichts
sagenden Blicken, die sie sich ständig zuwerfen, nur
um sich dann kichernd voneinander abzuwenden. All
das kann ich trotz meiner Müdigkeit ertragen.
Schließlich sind sie nett.
Aber das wirklich Schlimme ist: Die beiden sind einfach unspektakulär. Und das am Sonntag zu einer solch
unchristlichen Zeit.
Ich kannte ihn schon, als er noch Single war. Nett, aber
leider schon immer etwas langweilig. Gut, nicht jeder
kann ein Alleinunterhalter sein. Wäre wohl auch nicht
gut, wenn alle so wären.
Nun ist er jedoch zu zweit. Zwei nett-dröge Menschen,
die begeistert aus ihrem netten Leben erzählen. Sicher,
jeder erlebt mal etwas Interessantes oder gar Haarsträubendes. Bei denen hier muss man sich die Action
aber immer dazu denken. Und die Pointe erst recht.
Ein Polizeiprotokoll wäre spannender.
Und plötzlich spricht er mich an. Mein Brot fällt mir
fast aus dem Mund. Ob ich mich langweile?
Das Monster in mir ist plötzlich ganz still, und dann
Das, was hier folgt, ist wirklich passiert. 2007 in
einem Büro des Senats für Kultur Berlin. Einem,
den ich kenne. Es war die Zeit, in der sich die in
Berlin lebenden Künstlerinnen und Künstler für
ein Arbeitsstipendium beim Berliner Senat bewerben können. Jede und jeder kann dies noch
einmal und jederzeit wieder so erleben. Nein,
eigentlich doch nicht, denn das geschieht nur
denjenigen, die als Sonderpermanent-Ausnahmezustand aufgrund eines Andersseins-Status
gelten. Es ist eine subjektive Wahrnehmung.
Das, was hier folgt, mag also eine paranoide
Vorstellung dieses meines Freundes sein, der
verwirrt und verzweifelt aus dem Gespräch mit
einer Beamtin des Kultursenats kam und seitdem der rationalen Logik nicht mehr traut.
Frame 1:
Eine lange Schlange vor einem schmalen Holztisch im großzügigen Raum des Berliner Kultursenats. Der Boden ist ebenfalls aus Holz, lange helle
Matten, die unter den Füßen knirschen. Riesige
Fenster entlang der Wand. Weiße Vorhänge verhindern den Blick auf die Strasse. Wer würde das
mögen, da ist es sowieso gewöhnlich grau. Fünf
Schritte entfernt sind andere Tische angeordnet,
parallel zueinander, auch lang, auch aus Holz, wo
mehr als 300 Künstlermappen und -unterlagen
schön beschriftet und überprüft liegen. Eine Frau
hinter einem Tisch, um die vierzig, ohne ein Zeichen der Freude, der Traurigkeit oder überhaupt
irgendeiner menschlichen Emotion im Gesicht,
so regelmäßig und normal wie der Himmel außerhalb, empfängt die Unterlagen.
höre ich mich schon antworten: "Ach was, ich bin nur
etwas müde! Wie hieß die Katze der Nachbarin deiner
Oma noch gleich?"
Frame 2:
Mein Freund mit der abzugebenden Künstlermappe unter dem Arm ist dran. Der Künstler
aus einem weit entfernt liegenden Land jenseits
der Europäischen Union. Fast Mars.
Beamtin: Sie dürfen sich hier nicht bewerben.
Er: Wieso?
Beamtin: In Ihrem Pass steht, Sie haben eine
begrenzte Arbeitserlaubnis.
(Close up zum Gesicht des Künstlers:
gelangweilter Ausdruck, er könnte heißen "Uff!
Was is denn jetzt los".)
Er: Na ja, und was ist damit?
(Close up zum Gesicht der Beamtin: gelangweilter Ausdruck, er könnte heißen "Uff! Was is denn
noch mal los hier".)
Beamtin: Sie können eben bei uns nicht arbeiten!
(Die zwei sind jetzt im Bild.)
Er: Ich will aber nicht arbeiten, deswegen möchte
ich ja das Stipendium.
Beamtin: Wenn Sie nicht arbeiten wollen, dann
können wir Ihnen kein Geld anbieten.
Er: Ich glaube schon! Und zwar in Form von einem
Stipendium, ich bin nämlich Künstler, wissen
Sie? Deswegen bewerbe ich mich hier, Sie bieten
Stipendien für Künstler an, oder?
(Zoom Out zum Rest der Schlange:
Einige der dort stehenden Künstlerinnen und
Künstler gucken amüsiert, andere ungeduldig.
Kameradrehung: Der Künstler wird nervöser.
Die Beamtin eigentlich auch).
Beamtin: Gemäß Ihres Passes dürfen Sie in
Deutschland nicht als Künstler arbeiten.
Er: Wieso als "Künstler arbeiten"? Kunst zu schaffen ist doch keine Arbeit!
Beamtin: Bei uns schon und Sie dürfen hier Ihren
Beruf nicht ausüben.
Er: Die Kunst ist nicht nur mein Beruf, die Kunst
ist mein Leben! Und ich kann Kunst machen, wo
ich will. Ich brauch keine Erlaubnis, um Künstler
zu sein!
(Die Dramatik nimmt zu. Der Künstler
schwitzt und fängt an, die Fahne der Revolution
hin und her zu bewegen. Die Beamtin die der Autorität. Der Rest der Künstlerinnen und Künstler, ähnlich wie der griechische Chorus, hält sich
raus und folgt der Szene, aber mit erneutem
Interesse.)
Beamtin: Wenn Sie keine Erlaubnis brauchen,
dann können Sie doch auch ohne ein staatliches
Stipendium Kunst zu Hause schaffen und brauchen sich nicht darum zu bewerben.
Er: Doch! Ich habe kein Geld, ich muss mich darum bewerben.
(Stimme im Off: Der in Berlin lebende
Künstler ist darüber froh, die mühsam erlernte
deutsche Sprache genau anwenden zu können und hofft deshalb, die Beamtin könne ihn
endlich verstehen. Die Verständigung aber, und
das ist was der Künstler noch nicht weiß, erfolgt
auf einer anderen Basis, nicht unbedingt auf
der der korrekten Grammatik. Die Beamtin kann
kein Mitgefühl für ihn empfinden, weil sie die
anstrengend erlernten fachspezifischen Regeln
befolgen muss).
Beamtin: Wenn Sie kein Geld haben, wieso dürfen
Sie dann überhaupt hier studieren?
Er: Ja, schon gut, ich habe genug Geld, weil ich
nebenbei arbeite.
Beamtin: Wenn Sie genug Geld haben, dann brauchen Sie doch kein Stipendium!
(Cut Out)
An der Stelle muss mein Freund, der ausländische
Künstler, an Kafka gedacht haben. Am liebsten
hätte er sich in die gelbe Uma Thurman von Kill
Bill verwandelt und die Beamtin säuberlich, chirurgisch präzis enthauptet. Das sind aber reine
Spekulationen von mir.
In Wirklichkeit ging er zusammen mit einem
Rechtsanwalt ins Ausländeramt, um nach der
einen besonderen Erlaubnis zu suchen: „Selbstständige Tätigkeit nicht gestattet mit Ausnahme:
die freiberufliche Tätigkeit als Künstler“.
Was für Abenteuer der Künstler im Ausländeramt erlebte und ob er noch am Ende des langen
Weges das Stipendium bekam, ist schon Material
für eine andere Erzählung.
NACHGEFRAGT & HERGEZEIGT
Die Hochschulsport-Statistiken der TU Berlin
beweisen, dass jährlich im Durchschnitt 300 Studierende der UdK an den wöchentlichen Sportkursen der Sportanbieterhochschulen teilnehmen. An der UdK wurden jahrelang Tenniskurse
angeboten. Momentan gibt es Workshops für
Gesellschaftstanzen, Latein und Standard. Tango
und Swing-Communities haben sich gebildet
und das Bewegungstraining im neuen Zentrum
für zeitgenössischen Tanz ist für alle offen.
Der Hochschulsport fördert auch gern Ambitioniertere, zum Beispiel die Teilnahme an
der Universade. Caren, die schon seit Jahren
Mitglied der Deutschen Nationalmannschaft im
Badminton ist und momentan in der ersten Liga
in Frankreich für den Pariser Club „Lagardère
Paris Racing“ spielt, nahm im August 2007 an
der Universade in Bangkok teil. Das deutsche
Hochschulteam belegte den 5. Platz als beste
europäische Mannschaft hinter der Badmintongroßmacht Asien. Zweimal finanzierte die UdK
die Teilnahme an den Deutschen Hochschulmeisterschaften, bei denen Caren den Titel an
unsere Hochschule holte und die UdK bei den
Studierenden- Europameisterschaften in Lissabon vertrat. „Das sind zwar die Wettkämpfe mit
dem besten Flair, aber die großen Turniere der
Profis bringen die Weltranglistenpunkte und
somit Sponsoren.“
Text : Nina Haller
Oder wie man den inneren Schweinehund überwinden kann
Nicolas: Wir sind für den Klimawandel und
haben tüchtig mit angepackt! Im australischen
Outback haben wir unseren Müll vergraben
und unsere Lieblingsbäume gefällt. Wir, das
sind Nicolas Kerksieck, Student der ehemaligen
Cragg-Klasse, und Pinar Mayaoglu, die mit dem
NICA-Stipendium für acht Monate am COFA
(College of Fine Arts) in Sydney studierten.
Pinar: Dort haben wir in klimatisierten Räumen,
in der Uni und in der Stadt viel über den
„Climate Change“ diskutiert. Die staatliche
Umweltorganisation vergibt auf Anfrage
an interessierte und besorgte Bürger das
sogenannte „Climate Change Action Kit“. Dies ist
ein Paket mit vielen nützlichen Utensilien und
Anweisungen, wie jeder seinen aktiven Beitrag
zum Klimaschutz leisten kann.
Nicolas: Infiltriert mit diesem ideellen Rüstzeug
starteten wir nach Semesterende in unserem
klimatisierten Ford Falcon (6 Zylinder, SuperBenzin, ca. 10 Liter/ 100km) zu einer 5000km
langen Expedition ins australische Outback.
Im Hinterland und in der Wüste wollten wir
erfahren, wie die ländliche Bevölkerung,
unklimatisiert, außerhalb der Stadt, mit dem
Klimaschutz umgeht.
Pinar: Die Erkenntnis war, dass man dort
weit weniger geneigt ist, das Klima vor
dem Menschen zu schützen, sondern
gezwungenermaßen versucht, sich selbst vor
dem Klima zu schützen. Unwirklich schien es
uns – aus einem ökologischen Vorzeigestaat mit
völlig anderen Voraussetzungen kommend – mit
dem moralisierenden Zeigefinger zu urteilen.
Deshalb war es für uns nur konsequent, selbst
Hand anzulegen und mitzumachen.
Nicolas: Wir durchfuhren das Outback in
Etappen zwischen Grabungen, bepackt
mit Nahrung und Überlebensproviant aus
den Supermärkten der Großstadt. Nach
dem Verzehr blieb die Frage: Wo ist hier die
Mülltonne? Wo bleibt der Abfall, wer holt
die Konsumrückstände ab, in einer quasi
menschenleeren Umgebung?
Pinar: Wir haben ihn vergraben, bunte
Verpackungen in ein Loch geworfen und
Erde darüber geschüttet, vom Erdboden
verschwinden lassen.
Aus den Augen aus dem Sinn?
Nicolas: Nicht ganz: Die runde Narbe der
Umgrabung verweist auf die schwer verrottbare
Einlage, kennzeichnet den Behälter in Mutter
Erde und hinterlässt unsere menschliche Spur
in der Landschaft – unauffällig, sublim, aber
vielleicht doch beständig für die nächsten
hundert oder gar tausend Jahre.
Pinar: Unser 20-Liter-Wassertank reichte
für vier Tage. Unerbittliche Hitze und eine
lange Trockenzeit sind vermutlich die Folgen
einer globalen Klimaveränderung, die in
Australien deutlicher zu spüren sind als in
Deutschland. Die Wasserknappheit, Folge von
Dürreperiode und Grundwasserabnahme zur
Landwirtschaftsbewässerung, hat viele Bäume
in der Ebene verdorren lassen.
Warum habt ihr den Müll vergraben?
Pinar: Wir wollten nicht nur klimatisiert
philosophieren, sondern masochistisch
agieren! Wir haben den Müll vergraben, um ein
Gefühl für unseren Abfall zu erlangen, um zu
erfahren, wie tief ein Loch in die staubtrockene
und steinharte Erde bei vierzig Grad Celsius
gegraben werden muss, um unseren
unwiderruflichen Unrat zu verbergen.
Nicolas: Der Müll sollte aus unserem
Gesichtsfeld verschwinden, damit unser
visuelles Gewissen wohlplatziert und sauber
ist. Ich wollte sehen, wie weit ich amoralisch
handeln muss, bis es wehtut und ob die optische
Bereinigung Linderung verschafft oder mich gar
von meinem Konflikt erlöst?
Die Universiade ist sowas wie die Olympischen
Spiele, nur ebend für Studierende aller Hochschulen in Europa und der Welt. Sportlich,
erregend und ultrahocherhitzt, kultiviert,
selbstbewußt oder verwöhnerisch sind da
Attribute. Ja zur Schnelligkeit, Ja zum Ausdruck,
Ja zum Schwitzen. Von Künstlerherzen, die mit
Sport ins Rasen kommen können, dass Sport
nicht immer Mord ist, dass Sport doch „in“ ist,
erzählt Caren, Produktdesignstudentin an der
UdK und Badminton-Spitzen-Spielerin.
Sportler an der UdK
Text & Fotos : Pinar Mayaoglu und Nicolas Kerksieck
australischen Outback
Eine künstlerische Expedition zum Klimawandel im
Mutter Erde als Behälter
Wer macht es nicht? Oder, wer hat noch Skrupel,
wenn In-die-Ecke-schmeißen, Verschwindenmachen, Am-Rande-Liegenlassen, Runterspülen,
Vergraben, In-den-Himmel- Schauen gewöhn–
liche Praktiken des Aus-dem-Gesichtsfeld-Brin–
gens gesunder Habitus sind. Pinar und Nicolas,
die in ihren Kunstaktionen ausdrücklich zu
Umweltverbrechern werden, haben sich gegen
die umweltmoralischen Gefühlsduseleien
entschieden. Ihr Beitrag zum Klimaschutz ist
die mutwillige Pflege eines sauberen visuellen
Gewissens, auch wenn es weh tut.
NACHGEFRAGT & HERGEZEIGT
Mit welchen Großmächten muss Caren auf
dem Designmarkt kämpfen? „Gute Frage. Keine
Ahnung, das werde ich sehen, wenn’s soweit
ist. Aber ich habe das Gefühl, dass mich Asien
auch beruflich nicht loslassen wird. Halb so
wild, denn ich habe schon viel von der Kultur
erfahren können.“
Zwei Trainingseinheiten am Tag, das sind ungefähr sieben Stunden, wo bleibt da die Zeit für
das Studium? Caren grinst: „Da stoße ich jedes
Mal an meine Grenzen. Die Kreativität ist mit
dem Sport nicht wirklich gut vereinbar. Wenn ich
mich in einer wichtigen Trainingsphase in Vorbereitung auf die Turniere in aller Welt befinde, bin
ich überhaupt nicht kreativ. Da denkt man an
andere Sachen. In Wettkampfpausen dagegen,
wenn ich mich mehr dem Studium widmen kann,
bin ich oft im Training gehemmt, weil im Kopf so
viele Ideen herumschwirren.“
„Meine Professoren sind, was meine häufigen
Fehlzeiten durch die Turniere angeht, sehr verständnisvoll und geben mir schon mal Sonderfristen“. Frau Krampitz im Immatrikulations- und
Prüfungsamt genehmigte auch mal ein Urlaubssemester, wenn Caren auf längeren Lehrgängen
und Tourneen unterwegs war. „Ohne diese Hilfe
wäre das alles gar nicht möglich“.
Wenn Carens Kreativität mal wieder auf einem
der zahlreichen Flughäfen zwischen Lima und
Kuala Lumpur hängen geblieben ist, erzähle
ich ihr, was auf dem Design-Campus los ist. Im
Gegenzug rückt sie mit ihren Fitnis-Tipps raus.
Tipps fürs Ausdauertraining:
Man muss nicht unbedingt joggen gehen. Jeden
Tag mit dem Fahrrad zur Uni zu fahren, ist ein
guter Anfang. Oder Morgengymnastik, lange
Spaziergänge und Treppensteigen statt Fahrstuhlfahren. Wichtig dabei ist, dass man es
regelmäßig macht, am besten jeden Tag ein bisschen Bewegung. Wenn man sich dessen bewusst
ist, fängt jedes Training schon im Kopf an. Zu
Allererst muss man den inneren Schweinehund
überwinden. Als Zweites den Willen entwickeln,
sich wirklich zu bewegen. Danach macht man
am besten Pläne und Termine mit Freunden,
damit man auch ja nicht im Bett liegen bleibt,
wenn der Schweinehund mal wieder zu groß
ist. Dann geht’s los: langsam und nicht zu viel.
Steigern tut man sich mit der Zeit. Es ist ein
Langzeitwille, den man entwickeln muss.
UDK POLIS
Hochschulpolitische Highlights 2007
Text & Fotos: Pablo Herrman
Strukturdebatte an der Fakultät BK /
studentische Mobilisierung
Ein Teil der Professorenschaft hat in der ersten
Woche des Jahres 2007 zu einer außerplanmäßigen Fakultätsratssitzung gerufen. Die
einberufene Sitzung sollte zur Verabschiedung
wichtiger struktureller Entscheidungen dienen.
So sollte das Institut Kunst im Kontext von der
Fakultät 1 sowie die Lehramtstudierenden von
den Studierenden der Freien Kunst separiert
werden. Die Studierenden aus drei Instituten
koordinierten sich, um den Machenschaften
des alteingesessenen Klüngels an besagter
Fakultät Einhalt zu gebieten, und blockierten die
gravierenden Entscheidungen mit einem Gruppenveto. Auf Initiative des Präsidenten Martin
Rennert wurde eine externe Expertenkommission eingesetzt, die zu dem Schluss kam, dass
eine Separierung der falsche Schritt sei. Ungeachtet jeder Empfehlung der Experten wurde
Ende des Sommersemesters die Separierung der
Lehrämter beschlossen. In der selben Woche war
im Tagesspiegel zu lesen, dass sich die UdK mit
der Tatsache rühmt, eine der wenigen Kunsthochschulen zu sein, an der die werdenden Lehrer mit den freien Künstlerinnen und Künstlern
in gemeinsamen Klassen zusammenarbeiten.
Angesichts von so viel Hohn und dem uneingeschränkten Diktat der Gremiumsmehrheit stellt
sich mir die Frage, ob eine studentische Vertretung in diesem Gremium nicht reine Zeitverschwendung ist (*).
Studentische Demonstration "Karls Ruhe stören"
Am 24. Januar 2007 haben die Studierendenvertretungen aus Baden-Württemberg, Hessen und
Berlin zur Demonstration vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe aufgerufen. Grund
war der zweite Jahrestag des Urteilsspruchs zur
Legitimierung der Studiengebühren. Rund 10.000
Studierende waren aus der ganzen Bundesrepublik angereist. Höhepunkt mit performativem Charakter war eine ausgiebige Schneeballschlacht
mit der Polizei.
Umsetzung des Coca-Cola-Boykotts
Ende des Wintersemesters 06/07 wurde die UdK
Berlin cokefrei, ein Erfolg der AG Ethik des Studierendenparlaments unserer Universität. Auch
das Berliner Studentenwerk hat die Produkte des
in unappetitliche Machenschaften verwickelten
Multis aus dem Sortiment der Cafés und Mensen
genommen.
Gespräch mit Senator Zöllner: Bestätigung
des Status Quo
Bildungssenator Jürgen Zöllner hat in einem Gespräch mit den Studierendenvertretern der Berliner Hochschulen und der Landesastenkonferenz
(LAK) zugesichert, dass es in dieser Legislaturperiode im Land Berlin weder Studiengebühren noch
Studienkonten geben wird.
Zentralinstitut für Weiterbildung
Im Sommersemester 2007 hat sich das Zentralinstitut für Weiterbildung (ZIW) an der UdK
konstituiert. Die Einleitungsphase wurde durch
Diskussionen über Personal- und Strukturfragen
im Studiengang Kulturjournalismus begleitet.
G8-Zangendemo –"KiK-Box goes Heiligendamm"
Im Verlauf der Mobilisierungen gegen den G8-Gipfel haben die Berliner und die Hamburger ASten
am 26. Mai 2007 zur Demonstration in beiden
Städten aufgerufen.
In Heiligendamm entstand im Camp Reddelich
das studentische Yellow-Barrio, von wo aus
studentische Aktionen koordiniert wurden. Der
Projektcontainer der UdK, die „KiK-Box“, diente
im Camp als Schnitt- und Uploadplatz für Radio
und Medienaktivisten und mauserte sich im Verlauf des Protestes zur zentralen Schaltstelle für
Netzwerkler, Logistiker und Protestkoordination.
Siehe: www.g8-tv.org (**).
Studiengebührenboykott an der Hochschule für
Bildende Kunst Hamburg
Die Hochschule für Bildende Kunst in Hamburg
hat es als erste und einzige Hochschule in der
Bundesrepublik geschafft, den angekündigten
Studiengebührenboykott in die Tat umzusetzen.
Die Freie Klasse der UdK hat sich an den Solidaritätsaktionen in Hamburg künstlerisch-aktiv
beteiligt. Ein solidarisches „Weiter so!“ an die
KollegInnen in Hamburg.
CHE-Ranking-Boykott – "Cluster-Klatschen"
Das CHE-Ranking, entwickelt vom Zentrum für
Hochschulentwicklung (einem Appendix der
Bertelsmann-Stiftung), zielt mittels einer Umfrage
darauf ab, die Möglichkeiten für das Vorantreiben
der Elitisierung und Privatisierung der Bildung
auszuloten. Es wurden Umfragebögen an die
Studierenden in Deutschland ausgesandt mit der
Bitte, diese zu beantworten. Bundesweit wurde
kein einziges studentisches Gremium diesbezüglich befragt oder zumindest davon in Kenntnis
gesetzt. Die Anschriften wurden, dem Anschein
nach von den Universitätsverwaltungen, an allen
Datenschutzverpflichtungen vorbei, großzügig
freigegeben (während wir Studierendenvertretungen enorme Probleme haben, einen simplen
Verteiler für interne Informationen aufzustellen).
Dies ist ein weiteres Beispiel für die undemokratischen Machenschaften des faschistoiden Medienkonzerns Bertelsmann. Die Landesastenkonferenz Berlin hat dazu aufgerufen, das Ranking zu
boykottieren. Die Berliner Antwort heißt: ClusterKlatschen, eine performative Aktion, zu der die
LAK-Berlin jedes Semester aufruft. Siehe: www.
freie-bildung-berlin.de
Bundesastenkonferenz
Im November 2007 hat die LAK Berlin zur Bundesastenkonferenz (BAK) eingeladen. Mit über
150 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus
über 50 Hochschulen und vielen verschiedenen
Hochschulinitiativen aus allen Bundesländern
war dies eines der markantesten Treffen der
Studierendenschaften in den letzten Jahren. Die
Wichtigkeit einer bundesweiten Plattform wurde
hier ins Bewusstsein der Studierendenschaften
gerückt. Die LAK Berlin hofft, dass nach diesem
zaghaften ersten Schritt ein wertvolles Organ
studentischer Arbeit entstehen wird.
Volksbegehren für mehr Demokratie
an Hochschulen
Mitte des Jahres wurde von der LAK Berlin ein
Volksbegehren gestartet, um die studentische
Position in der politischen Landschaft Berlins zu
stärken. Die drei Forderungen lauteten: keine Studiengebühren oder Studienkonten, Einführung
der Viertelparität (gleiche Stimmenanzahl aller
Hochschulgruppen in den Gremien), freier Zugang zum Master für alle Bachelor-Absolventen.
Aufgrund mangelnden Interesses der Studierendenschaft an politischen Sachverhalten und an
hochschulpolitischen Initiativen ist das Begehren, welches 20.000 Unterschriften brauchte,
gescheitert. Eine Steilvorlage für die Befürworter
von Studiengebühren. Werden diese dann ab
2009 auch in Berlin eingeführt, wird das Jammern
groß sein, aber dann isses wohl wieder mal zu
spät! Aufwachen, Leute! Für eine radikal-selbstbestimmte Demokratie!
(*) ausgezeichnet als: dickster hochschulpolitischer Hund des
Jahres 2007
(**) ausgezeichnet als: tüchtigstes hochschulpolitisches Fleißbienchen des Jahres 2007
Lobbyisten an Hochschulen
Text : Pablo Hermann
Das Centrum für Hochschulentwicklung ist
eine Interessensgruppe mit gesellschaftspolitischen Zielen
Der Bertelsmannkonzern, einer der größten Medienkonzerne in Europa,
wird auf oligarchische Weise vom Familienclan Mohn geführt. Zum Konzern
gehören die RTL-Group (RTL, Vox und n-tv sowie rund 30 andere Sender europaweit), der G&J Verlag (führender Zeitschriftenverlag in Europa, GEO, Focus,
Brigitte, Stern, u.a.), die Sony BMG Music Publishing (drittgrößter Musikverlag
der Welt), Random House (größter Bildungsfachverlag der Welt) und Arvato
(einer der größten Mediendienstleister der Welt).
Der Konzern hat eine gleichnamige Stiftung ins Leben gerufen, von der aus
direkte und indirekte Einflüsse in die Bildung und die Politik gehen. Diese
Think-Tank's (TT) sind schon seit langem dabei, mit allen Regeln der Kunst
das öffentliche und freie Bildungssystem umzustrukturieren. Ein solches (TT)
Organ ist das CHE (Centrum für Hochschulentwicklung).
In der Öffentlichkeit präsentiert sich das CHE als eine gemeinnützige
Stiftung, als eine Gruppe von Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, Experten und Expertinnen, die jedoch jegliche Nähe zur Wirtschaft und ihren
Interessen ableugnen.
Auf diesem Weg übt die Stiftung direkten Einfluss auf die Hochschuldebatte
aus, ohne dabei seine indirekte Lobbyarbeit zu exponieren. Das CHE stellt
beispielsweise kostenlos Rankings und Evaluationen an den verschiedenen
Hochschulen her, wie erst jüngst eine bundesweite Umfrage. Das CHE wird
auch von der Hochschulrektorenkonferenz und der Politik gerne als Berater,
Sachverständiger und Experte angerufen. Das hier die Wirtschaft ein vorrangiges Interesse hat, wird anscheinend nicht wahrgenommen.
Wehrt Euch gegen die Pläne der Umstrukturierung von Universitäten in
Dienstleistungskonzerne, gegen die Festlegung von Wertmaßstäben, gegen
die Privatisierung der Universitäten! Macht Euch schlau und guckt genau hin,
wenn Misstände an den Hochschulen für andere Zwecke instrumentalisiert
werden. Nein, zum CHE-Ranking!!!
UDK POLIS
UDK POLIS
Mit leerem Kopf
nickt es sich leichter
Ankündigung!
Oder: Welche Schlüsse ziehen wir aus
der 18. Sozialerhebung
Text : Marina Jentsch
Immer weniger Arbeiterkinder an den Hochschulen, immer mehr Sorgen um Finanzen,
immer größere Einkommensunterschiede. Diese
Tendenzen bezüglich der sozialen Lage der
Studierenden wurden wieder einmal von der Sozialerhebung des Studentenwerks bestätigt.
setz: „Kunst und Wissenschaft, Forschung und
Lehre sind frei“ (I. Grundrechte, Artikel 5, Satz 3).
Jede von bislang achtzehn dreijährlichen Erhebungen zeigt eine stetig wachsende Rolle der sozialen Herkunft bei der Wahl des Bildungsweges.
So sind heute Studis aus hoher sozialer Gruppe
am häufigsten an der Uni anzutreffen, wobei
es bis 1991 noch überwiegend Mittelschichtler
waren. Die Hälfte unserer Kommilitonen kommt
aus Akademikerfamilien, vor 12 Jahren war es
nur ein Drittel. Kinder von Arbeitern oder Arbeitslosen dagegen trauen sich immer weniger
auf die Universität.
Im realen Deutschland sieht es leider anders
aus, denn die soziale Selektion fängt schon in
der Grundschule an. Die neulich veröffentlichte
World Vision Kinderstudie der Universität Bielefeld zeigt, dass Kinder unterer sozialer Schichten schlechtere Startchancen haben als ihre Mitschüler aus der Oberschicht. Es fehlt ihnen an
Rückhalt und an gezielter Förderung. Sie werden
nicht ins Theater geführt oder zum Musikunterricht angemeldet. Ihre freie Zeit verbringen sie
vor dem Fernseher und spätestens mit 12 gehen
sie auf die Hauptschule, womit eine Möglichkeit
des Studiums praktisch ausgeschlossen ist.
Nur 1% der Gymnasiasten sind Kinder aus der
Unterschicht.
Eine Beamtin des Arbeitsamts schockierte mich
vor Jahren mit dem Spruch, das Studium sei ein
Luxus. Unerhört, dachte ich, ob sie schon mal
vom Recht auf Bildung gehört hat? Pathetisch
aber wunderschön steht im deutschen Grundge-
Die soziale Selektivität im deutschen Bildungssystem macht immer wieder Schlagzeilen. Gemacht
wird aber wenig. Aus Ohnmacht oder Methode?
Weil das Studium ein Luxus ist oder weil es sich
mit leeren Köpfen leichter nicken lässt?
Mehr Betreuung
für ausländische Studierende
Text: Marina Jentsch
Stell dir vor, du hast dein Abi in der Tasche und
kein Bock mehr auf Deutschland. Und dann denkst
du, wieso eigentlich Deutschland? Du bist jung
und ungezwungen, die Welt liegt dir zu Füßen!
Also... ab in die Walachei! Die Uni der Künste zu
Walachei genießt in Deutschland einen guten
Ruf und du würdest dieses verlockende Erdfleckchen furchtbar gern etwas näher kennen lernen.
Wie bewirbst du dich jetzt? Da schaust du im Internet nach und freust dich, dass die Site auch auf
Englisch zu lesen ist. Dann klickst du dich locker
zu den Bewerbungsunterlagen durch, um festzustellen, dass diese auf Walacheiisch sind! Um im
Übermaß an Bürokratie in diesem Land durchzublicken, reichen deine spärlichen Kenntnisse in
Walacheiisch nicht aus. Na toll, es ist doch etwas
komplizierter als du dachtest – was nutzt da überhaupt der englische Internetauftritt?
Aber nach all dem Amtsschimmelreiten wirst du
endlich angenommen und bist im 17. Himmel vor
Glück. Dann kommst du endlich in das mittlerweile zu deinem wichtigsten Traummotiv gewordenen Land und wirst als Erstes zu einer Leiter
gebeten, welche dich durch alle 17 Himmel
wieder hinab führt, in ein Kellerloch, in dem du
alleine dein neues Leben auf die Reihe kriegen
musst. Keiner sagt dir, wo du ein Zimmer findest,
wie das Studium organisiert ist, wie du in der
Mensa bezahlst, welche Jobs es für Studenten
gibt und wer dir hilft, wenn du unter all dem
Druck zusammenbrichst.
Die Einheimischen haben es leichter. Sie lernen
sich schneller kennen. Sie fragen Mama und Papa,
wie es damals bei ihnen war. Sie kriegen von
der Oma eine Geldspritze zu Weihnachten. Und
sie brauchen den Prof nicht dreimal zu fragen,
weil sie schon beim ersten Mal alles verstanden
haben.
Vielleicht beruhigt dich die Tatsache, dass es
den Ausländerinnen und Ausländern an der UdK
ähnlich geht wie dir in der Walachei. Die nötige
Betreuung scheitert wie alles und immer am
Personalmangel. Aber bald... Aber bald...
Kaum zu glauben! In der Zentralen Universitärsverwaltung sitzen auch Menschen mit großen
Herzen und breiten Seelen. Auf Anfrage vom AStA
hin werden ab Januar in allen Fakultäten Tutoren
eingestellt, die sich um ausländische Kommilitoninnen und Kommilitonen kümmern werden.
Scharf auf jedes Zimmer
An einer Universität sind Räume bares Gold, ohne Raum
kein Treffpunkt, kein Interesse, keine Perspektive
Die neuen Weiterbildungsstudiengänge im
Zentralinstitut für Weiterbildung (ZIW) werden
vielleicht in die Räume einziehen, die den Studierenden zur Verfügung stehen sollten, die ein
Hochschulstudium an der Universität der Künste
absolvieren. Die im ZIW gesammelten Institute
beispielsweise Soundstudies, Leadership in
digitaler Kommunikation, Kulturjournalismus,
Sommerakademie KlangKunstBühne ziehen Interessenten von ausserhalb an, die das Angebot
dieser Institute eher wie eine Dienstleistung
wahrnehmen. Wie verträgt sich das ZIW mit dem
humoldtschen Prinzip der Universitätsorganisation? Wem möchte und kann die Universität der
Künste Zukunftsperspektiven garantieren?
Bitte informiert Euch!
>> www.bildungsserver.de >>Hochschulbildung>> Berliner Hochschulgesetz>> §5 Freiheit der Wissenschaft und Kunst
Text : Sven Cishmack : : Illustration : Almudena Lobera
Im Laufe des Jahres 2008 reduziert sich die
ehemalige Fakultät Erziehungswissenschaften
auf einen Professor. In Form von Herrn Winkel
wandert der Studiengang in das neue Zentralinstitut für Weiterbildung. Herr Austermann wird
nur noch ein Seminar bei den Kulturjournalisten
halten. Alle anderen Professoren und Privatdozenten besitzen zwar noch ihr, von der Universität unabhängiges Prüfrecht, jedoch wird ihnen
kein Raum für Kolloquien geschweige denn Platz
im Vorlesungsverzeichnis zugestanden, um diese
anzukündigen. Viele Lehrämter, darunter rund
350 Altrecht-Studierende, müssen sich also an
der FU und HU umsehen. Dort ist aber die Lage in
den Seminarräumen fatal. Wie Bittsteller treten
schon jetzt die fremden UdK-Studierenden vor
die fremden Professoren; rechtlich wurde ihre
Situation von der UdK im Unterschied zu den BA/
MA-Studierenden nicht geklärt. Diese müssen der
UdK ihr Zweitfach mitteilen sowie drei Vorschläge machen, an welcher Uni sie dieses studieren
wollen. Falls keine der in Frage kommenden Unis
die Bewerbung zuläßt, muss ein anderes Zweitfach gewählt werden.
Winterboykott
an der HfbK Hamburg
In den 90iger Jahren wurde die allmähliche Abwicklung der Fakultät Erziehungswissenschaft
an der UdK beschlossenen. Früher machten aber
die Lehramtsstudierenden 1/3 der gesamten Studierendenschaft aus. Auch heute noch sind sie
eine wichtige Säule der Universität der Künste,
denn sie garantieren Stellen (= Geld) vom Senat.
Die UdK bildet aber pro Jahr viel zu wenig Lehrer
aus. Nach Vereinbarung mit dem Senat sollten
zum Beispiel an der Fakultät Bildende Kunst ca.
40 Lehrer jährlich ausgebildet werden; pro Jahrgang werden aber nur 7 – 15 Studienbewerber
zugelassen.
Der Protest gegen Studiengebühren geht in eine neue Runde
Text : Anja Wenzel
Zur Zeit empfangen die Studierenden der UdK
Berlin die Rückmeldebögen für das kommende
Sommersemester 2008. Auf dem Überweisungsträger steht eine Zahl wie 240 Euro plus ein paar
Zerquetschte. Studierende der HfbK in Hamburg
sollen, wie auch schon zum Wintersemester
07/08, noch einmal 500 Euro obendrauf zahlen:
Studiengebühr nennt sich das dann.
Was das für Konsequenzen haben kann, erfahren
derzeit noch 90 Studierende, die von der Hochschule exmatrikuliert worden sind. Sie alle hatten
bis zuletzt die 500 Euro nicht überwiesen und
hätten ihre Ateliers räumen müssen. Allerdings
legten Sie Widerspruch beim Hamburger Verwaltungsgericht ein und dürfen solange weiter
studieren, bis das Urteil gefällt wird.
Mehrere Studierende aus Hamburg versuchten
schon einmal, ihre Arbeiten in Fachklassen
der UdK vorzustellen. Sie möchten nach Berlin
wechseln, um so den Gebühren zu entgehen.
Dieses Abwandern von Talenten an andere
Kunsthochschulen war eine Befürchtung, die die
Gegner von Studiengebühren in Hamburg schon
frühzeitig geäußert hatten.
Mit einer anderen Causa müssen sich die Hamburger Richter allerdings nicht mehr befassen.
Der Präsident der HfbK hat die Strafanzeigen
wegen Sachbeschädigung zurückgezogen, die
gestellt worden war, nachdem Studierende bei
einer nächtlichen Malaktion die Wände in Fluren
und Ateliers mit Parolen und Skizzen bemalt
hatten. In einer weiteren Malaktion wurden diese
mit unschuldigem Weiß einfach neutralisiert.
Wie stark diese Wanderbewegungen sind, werden die kommenden Wochen zeigen, in denen
auch die neue Boykottrunde in Hamburg beginnt.
„Wir sammeln jetzt Teilnehmer für den Winterboykott“, erklärt Eugen Regensburg von der AG
Studienboykott. Im November hatten bereits 120
von ca. 400 Gebührenpflichtigen erklärt, keine
Gebühren auf das Konto der HfbK zu überweisen.
Wer auf der Seite des Gewinners steht, hat viele Freunde. Oder:
Der zum Jahrhundertkult verdammte Ernesto Ché Guevara gilt
Kein anderer Präsident in Südamerika hat mehr Einfluss auf die
Wer viele Freunde hat...
als Symbol für Frieden und Gerechtigkeit.
Legislative, Exekutive und die Judikative als Chávez. Die für eine
www.movimientojuvenilmanosdelibertad.blogspot.com
Demokratie erforderliche Dreiteilung der Staatsmacht ist so
nicht mehr garantiert.
Venezolanisches Wappentier springt seit Chávez nach links.
Am 6. Januar 2006 wurde auf einem Bürgersteig
einer Brücke in Caracas eine Bronzebüste von
Ernesto Ché Guevara installiert und in feierlichem Rahmen eingeweiht, eine Nacht später
von unbekannten Flex-Maschinen geköpft.
Text : Anja Wenzel : : Fotos : Valentina Villarubia & privat
Weshalb Studierende in Venezuela auf die Straße gehen
Bürgersteig der Helden
HALBDURCHLÄSSIG
Denn wenn Barbiepuppen aussehen wie der
Präsident, Toilettenhäuschen rot getüncht sind,
Kindern Militäranzüge und rote Mützen angezogen werden, rote Fahnen, rote Bürgersteige,
rote Werbeplakate, rote megagroße Luftfiguren
des Präsidenten über roten Plätzen fliegen oder
wenn sonntags der Präsident über den Fernsehapparat „Aló“ sagt, dann hilft nichts außer eine
symbolische Enthauptung der „Neuen Helden“.
Der in Venezuela seit 1999 amtierende Ministerpräsident Hugo Chávez macht in der lateinamerikanischen Öffentlichkeit Kampagne für
die Idee des Sozialismus im 21. Jahrhundert.
Diesem Projekt Rang und Würde verleihend,
trabt das weiße Pferdchen im Wappen der
bolivarischen Republik Venezuela seit kurzem
nach links. Die Bevölkerung steht größtenteils
hinter ihrem charismatischen Staatsoberhaupt.
Seine Popularität gewann Chávez mit den mit
Misiones bezeichneten Sozialprogrammen.
Die „Misión Christo“ soll zum Beispiel bis 2021
zur Abschaffung der Armut führen. Obwohl der
reiche Ölstaat Alphabetisierung und Gesundheitsversorgung subventioniert, scheinen sich
die Lebensverhältnisse in Venezuela nicht wirklich verbessert zu haben. Seit 2003 nimmt zwar
die Armut ab, die Ungleichheit jedoch nicht; die
hohe Kriminalitätsrate sinkt nicht.
nesto Ché Guevara. Hochrufe auf Kuba, Bolivien,
China und Irak atmen die Wunschvorstellung
nach einer internationalen Liga von Anti-Imperialisten.
Gefährdet sahen sie im Hinblick der anstehenden Verfassungsänderung, die Autonomien der
Universitäten, das Privateigentum sowie die
direkten Wahlen für alles (Präsidenten, Bürgermeister, Staatspräsidenten, Kommunale Leiter).
"Aló, Presidente"
Als am 2. Dezember 2007 Chávez „sozialistische
Verfassungsreform“ in einem Volksentscheid
scheiterte, löste sich die Angespanntheit unter
den Regimegegnern. Denn nicht nur die Stärkung der Macht des Präsidenten, vor allem eine
justiziable Neuordnung der Verfassung würde
den Weg zu einem sozialistischen totalitären
und militaristischen Staat vorbereiten. Eine
Wahlenthaltung von 44% nutzte der Opposition,
Chávez verlor 3 Mio. Stimmen, darunter viele
aus der eigenen Gefolgschaft. Massive studentische Protestaktionen trugen zum Stimmungsumschwung bei. Erstmals seit längerer Zeit
konnte kurz vor dem Referendum eine Demonstration auf der Avenida Bolívar in Caracas durchgeführt werden. Diese Avenida hatte sich in den
letzten Jahren zum exklusiven Aufmarschgebiet
des Chavismus verwandelt. Die Studierenden
gingen auch in die Armenviertel hinein, um den
Menschen die Verfassungsreform zu erklären.
Das ein Volk für eine Idee alles geben solle, zum
Beispiel wie einst der Revolutionär und Rebell
Ché Guevara, ist eine Illusion in Chávez Sozialismusplänen. Radikalisiert taucht sie in der Antrittsrede des in internen Kreisen „comandante“
genannten Präsidenten auf: „Patria, Socialismo
o muerte“ – „Vaterland, Sozialismus oder Tod“
klingt wie ein Anspruch nach Aufopferungsbereitschaft, - „Für eine herrliche Verfassung
(...) und für Christus“ wie eine Seifenoper. Die
Worte sind ernst zu nehmen, denn es geschieht
in Venezuela, dass Demonstranten an einem
Kopfschuss sterben.
"Die Stimmen gehören mir."
Als Chávez am 10. Januar 2007 sein Mandat
wiederholt aufnahm, begann für ihn eine neue
Phase in der bolivarischen Revolution. Die
Präsidentschaftswahlen 2006 hatte er mit klarer
Mehrheit gewonnen. „Alle Motoren auf volle
Kraft... Vorwärts zum Sozialismus!“ heißt es auf
einem Flugblatt solidarischer Vereinigungen in
Deutschland, herausgegeben vom Ministerium
der Volksmacht für Kommunikation und Information in Venezuela. Chávez Reden orientieren
sich am Ideal der sozialen Gerechtigkeit; die
Reden sind teilweise in Büchern, Broschüren
oder auf durchgestylten Internetseiten veröffentlicht. In seinen ellenlangen Ausführungen
inszeniert er ein kaum deutbares Mischmasch
aus kommunistischen und christlichen Ideen.
Häufig beruft sich Chávez auf National- und
Kontinentalhelden wie Simon Bolívar und Er-
Studentenproteste erreichen ein größeres
internationales Publikum
Straßenansichten in Nebeldunst, weiß gefärbte
Hände, gelb, blau, rot - in Farben der Nationalflagge Venezuelas geschminkte Gesichter,
weiße Fahnen mit Schriftzügen geben einen
Eindruck davon, dass in dem bewegten Land
scheinbar Unfassbares passiert.
Seit dem Entzug der Lizenz des privaten Fernsehsenders RCTV im Mai 2007 gingen in Venezuela die Chavez-Gegner auf die Straße, junge
Leute und Studierende, die an dem antiimperialistisch-nationalistischen Diskurs Chávez nicht
teilhaben wollen und Repressionsmaßnahmen
nicht fürchten. Sie demonstrierten gegen das
sich abzeichnende Medienmonopol sowie für
Pressefreiheit und freie Meinungsäußerung.
Erziehung zu sozialistischen Werten oder im
Geiste des Revolutionärs?
Im Sozialismusprozess Venezuelas erregen Inszenierung, Symbolik und Personenzentrierung
sowie die Absichtserklärungen der Regierung
Aufmerksamkeit. Auf Chávez Bürgersteig
der Helden sind neben Ernesto Ché Guevara
vielleicht noch weitere Chairmänner (Sänftenträger) berufen: zum Beispiel Simon Bolívar,
Emelliano Zapata, Salvador Allende, Ellias
Canetti, Fidel Castro...
HALBDURCHLÄSSIG
Good-bye Grundgesetz
Der Aktionskreis Vorratsdatenspeicherung bildet einen
Widerstand gegen die Speicherpassion des Staates
Text : Anna K. Grieben : : Illustration : Almudena Lobera
Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung
ist ein parteipolitisch unabhängiger Zusammenschluss von Mitbürgern, die sich zum Ziel
gesetzt haben, eine kritische Gegenstimme
zum am 9. November 2007 vom Bundestag
beschlossenen „Gesetz zur Neuregelung der
Telekommunikationsüberwachung und anderer
verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur
Umsetzung der Richtlinie 2006/EG“ zu bilden
und das Inkrafttreten dieses Gesetzes möglichst zu verhindern. Das Wie und Warum zeigt
das Interview mit einem Gründungsmitglied des
„AK Vorrat“, Ricardo-Cristof Remmert-Fontes.
In den letzten Monaten ist das Thema Vorratsdatenspeicherung vor allem erst durch die
Abstimmung im Bundestag medienwirksam
aufgekommen. Aber den AK Vorrat gibt es schon
etwas länger. Wann und warum hat er sich denn
gegründet?
Die Gründung, wenn man es so nennen kann,
fand Ende 2005 auf dem Chaos-Computer-ClubKongress, auf dem es ein oder zwei Workshops
zum Thema Vorratsdatenspeicherung gab, statt.
Danach haben sich dann circa fünf Leute zusammengetan und einen Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung gebildet.
Der Hintergrund dafür war, dass die Vorratsda-
tenspeicherung als Entwurf für eine Direktive
im EU-Parlament durch verschiedene EU-Datenrechtsorganisationen wahrgenommen wurde.
Um dem Ganzen Protest entgegenzusetzen, organisierten die EU-Datenschutzorganisationen eine
Petition mit europaweit 50.000 Unterschriften.
Diese Petition wurde dem EU-Parlament zwar
übergeben, löste aber keine weiteren Reaktionen
auf dessen Seite aus. Dennoch zog der damalige
EU-Berichterstatter für die Direktive, Alexander
Alvaro (FDP), seine Unterschrift für die Parlamentsvorlage zurück. Der Grund dafür war, dass
er diesen Weg der Findung einer Rahmenvorlage
zur Vorratsdatenspeicherung als unrechtmäßig
ablehnte.
In Berlin selbst war die Kommunikation des AK
Vorrats bis Anfang 2007 ausschließlich netzbeschränkt, bis die Idee der Ortsgruppengründung
aufkam, um aus dem Medium Internet herauszukommen. Das war wichtig, weil sich im World
Wide Web nicht so viele User für Politik interessieren und die Wahrnehmung der Netzpolitik
zu geringe Reichweite außerhalb des Netzes
erzeugte.
Gibt es eine Art Grundsatzprogramm?
Nein, das hat historische Gründe. Es hat ja angefangen mit einer AG aus Leuten, die sich zusammengesetzt haben, um die neue Gesetzgebung zu
einem Thema zu bekämpfen.
Die Ortsgruppen organisierten die Kampagnen
dazu. Zusammenfassend kann man aber sagen,
dass es uns um eine kritische Betrachtung von
Sicherheitsgesetzgebung geht. Wir fordern eine
Überprüfung der Sicherheitsgesetzgebung seit
1968 im Hinblick auf deren Ausführung. Wir untersuchen die Gesetzgebung zum Thema „Lineare
Sicherheit“ auf Notwendigkeit und Effizienz
sowie deren Auswirkung auf die Gesellschaft
als Ganzes. Diese Gesetzgebung bringt in der
heutigen Zeit oft Kollateralschäden mit sich.
Leider herrscht zu diesem Thema allgemeines
gesellschaftliches Desinteresse, nach dem
Motto: „Wer nichts zu verbergen hat, hat nichts
zu befürchten“. In Großbritannien zum Beispiel
wurden bei einem Feldzug gegen Kinderpornografie sehr viele Unschuldige verdächtigt, bei
einigen von ihnen hat der entstandene Druck
zu Selbstmorden geführt. Es entsteht die Gefahr
einer gesellschaftlichen Stigmatisierung allein
dadurch, dass solche Gesetze überhaupt aufgenommen werden.
Um das Inkrafttreten des Gesetzes in Deutschland zu verhindern, habt ihr die bisher größte
Verfassungsklage in Deutschland organisiert.
Was erhofft ihr euch von der Sammelklage?
Erstens das Gesetz aufzuhalten, was funktionieren wird. Und Zweitens eine Medienöffentlichkeit herzustellen und andere Menschen zu
animieren, sich zur Wehr zu setzen. Zum Beispiel
durch Protest, Demos, Informationen und Klagen.
Wir sind nicht machtlos!
Vielleicht sag ich noch etwas über die Gefahr der
Sicherheitsgesetze für Künstler. Was wegbricht,
ist natürlich die Möglichkeit freier Meinungsäußerung. Künstler, Journalisten und Medienschaffende trifft die aktuelle Gesetzgebung sehr arg.
Denn das Recht, sich von etwas ein unabhängiges Bild zu machen, entfällt – obwohl es nötig
ist, um freie Meinung auszudrücken. Die Frage
ist natürlich, ob die Beschäftigung von Kunst mit
politischen Fragen dann überhaupt noch möglich ist beziehungsweise wie der Journalismus
unabhängig funktionieren soll, wenn alles zur Recherche Notwenige nachvollziehbar gespeichert
wird. Das Problem der Vorratsdatenspeicherung
ist natürlich auch, dass Daten auch bei Urheberrechtsverstößen herangezogen werden können.
Somit könnte zum Beispiel ein Videokünstler
Material, das im Netz unter Copyright steht, nicht
ohne Probleme nutzen. Und ein unterstellter
Urheberrechtsverstoß kann dazu dienen, die gesamte private Kommunikation von einem halben
Jahr aufzudecken.
Wie soll das eigentlich aussehen und wonach
wird selektiert?
Es gibt Clustermaps, eine Art Übersichtsplan der
Kommunikation der einzelnen Person. Für soziale
Netzwerke ist das natürlich hinderlich, wenn
nicht sogar tödlich.
Eine letzte Frage. Ihr kommuniziert nicht
ausschließlich, aber auch über das Internet.
Verschlüsselt ihr den Datentransfer oder ist der
frei?
Nein. Unsere Kommunikation ist transparent,
weil das die einzige Möglichkeit ist, wirksame
Netzwerke aufzubauen. Das ist auch eine unserer
Stärken, denn es hat eine Signalwirkung: Wir
lassen uns nicht einschüchtern, fordern aber
trotzdem das Recht auf Privatsphäre!
Vielen Dank, Cristof.
HALBDURCHLÄSSIG
Bestrafen Sie den Journalisten!
Text : Annika C. Schmidt : : Illustration : Almudena Lobera
Meine Wirtschaft ist nicht gastronomisch, sie
ist nicht einmal gastfreundlich und ökonomisch
schon lange nicht. Sie ist verzettelt. Daher spricht
man auch von einer Zettelwirtschaft (metaphorisch und wortwörtlich sowieso). Besieht man sich
so eine Zettelwirtschaft einmal genau – was man
ja muss, macht sie den eigenen Lebensraum aus –,
besieht man sich so eine Zettelwirtschaft einmal
genau, muss man feststellen, dass es sich bei ihr
nicht um Zettel im Allgemeinen oder verunordnete
im Besonderen, sondern um organisierte Verzettelung handelt. Ein Delikt also, das – würden die
Damen und Herren Juristen sich der Endverklärung
der Rechtslage desselben schon angenommen
haben – ein Delikt, das sicher in freiheitsstrafender
Straffreiheit münden würde. Kein Richter würde
einem zur Hilfe kommen, indem er keine Bewährungs-, sondern eine Freiheitsstrafe anordnete, vielmehr würde er auf Straffreiheit plädieren, aber mit
diesem Urteil straft er den Begriff Straffreiheit aufs
Sträflichste Lügen, da ja dieser die größte Strafe beinhaltet, nämlich seiner gar nicht selbstgewählten
Verzettelung nicht entgehen zu dürfen durch Freiheitsstrafe, sondern gerade durch Straffreiheit zu
ihr verdammt zu werden. Nicht bestraft werden ist
somit das Sträflichste. Der Raum der Verzettelung
ist straffrei. Somit ist die Verzettelung sträflich,
was nur die Juristen einsehen müssten, damit die
archaisch anarchistisch arbiträr gewordenen Zettel
gebändigt werden könnten, indem ihr Schöpfer,
der sie Subjekt werden ließ, ihnen entzogen würde
– strafend. So könnten sich die Zettel aller Herren
und Frauen Sender und Blender nicht mehr, da
entontologisiert, vereinigen, denn kein Geist würde
mehr in ihnen umherwandeln, denn der Geist,
da befreit von seinen Ringbuchketten und Buchkettenringen, würde wieder Mensch. Die Strafe
der Zelle würde für ihn eine Zelle der Freiheit, in
der er nicht mehr als unfreier und unwilliger und
unfreiwilliger Herr der Zettel selbst seinen Schatten verzettelte und so nur ein unbeschriebener
Zettel seiner selbst wäre, sondern Ziffer!, sicher
auf Zetteln fixiert, aber nicht den eigenen. Fremde
Verzettelungen verlieren an Frustrationspotenzial.
Folglich sollte man sich beim Verfassungen Verfassen über Verzettelungen nicht verzetteln und die
Grundsätze auf fremden Zetteln fixieren, dass im
Falle der Verzettelung Freiheit Strafe ist und dass
nur durch Strafe Freiheit gewährleistet werden
kann. Alles andere ist sträflichst zu unterbinden!